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Kapitel

Kapitel 1, Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 ,

Kapitel 8 , Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12 , Kapitel 13 ,

Kapitel 14 , Kapitel 15 , Kapitel 16 , Kapitel 17 , Kapitel 18 ,

Kapitel 19 , Kapitel 20 , Kapitel 21 , Kapitel 22 , Kapitel 23 ,

Kapitel 24 , Kapitel 25 , Kapitel 26 , Kapitel 27 , Kapitel 28 ,

Kapitel 29 , Kapitel 30 , Kapitel 31 , Kapitel 32 , Kapitel 33 ,

Kapitel 34 , Kapitel 35 , Kapitel 36 , Kapitel 37 , Kapitel 38 ,

Kapitel 39 , Kapitel 40 , Kapitel 41 , Kapitel 42 , Kapitel 43  ,

Kapitel 44 , Kapitel 45 , Kapitel 46 , Kapitel 47 , Kapitel 48 ,

Kapitel 49 , Kapitel 50 , Kapitel 51 , Kapitel 52 , Kapitel 53 ,

Kapitel 54 , Kapitel 55 , Kapitel 56 , Kapitel 57 , Kapitel 58 ,

Kapitel 59 , Kapitel 60 , Kapitel 61 , Kapitel 62 , Kapitel 63 ,

Kapitel 64 , Kapitel 65 , Kapitel 66 , Kapitel 67 , Kapitel 68 ,

Kapitel 69 , Kapitel 70 , Kapitel 71 , Kapitel 72 , Kapitel 73 ,

Kapitel 74 , Kapitel 75

 

Epilog

Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4

 

Kapitel 1

 

Mit einem ernsten Ausdruck fuhren sein Daumen und sein Zeigefinger über die untere Partie seines Gesichts, bis er das Kinn erreicht hatte. Seine Hand fiel von seinem Gesicht ab, und er atmete mit Bedacht aus. Er betrachtete seinen Sohn vor sich und fragte sich unwillkürlich, wie viele Väter gerade dasselbe Gespräch mit ihren Söhnen führen mussten, bevor diese wieder zurück nach Hogwarts fahren würden.

 

„Nun“, begann Lucius unschlüssig, während er wusste, dass er nach dieser Unterhaltung Narzissa würde Rede und Antwort stehen müssen. Und es half nicht besonders, dass ein wissendes Lächeln um die Lippen seines Sohnes spielte. Wann, Merlin noch mal, war Draco erwachsen geworden? So erwachsen, dass man ihm keine Angst mehr machen konnte, mit Merlins Weihnachtselfen, die ihm keine Geschenke bringen würden, wenn er noch einmal auf den Betten seiner Eltern springen würde?

 

Aber anscheinend hatte er dieses Alter ohnehin längst hinter sich zurückgelassen, nahm Lucius beinahe bitter an. Ja, anscheinend, wenn sein eigener Sohn keine Skrupel hatte, sich in der Eingangshalle von einem Mädchen… oral befriedigen zulassen, obwohl er wusste, dass seine Eltern jederzeit hätten nach Hause kommen können!

 

Merlin! Was dachte Narzissa, würde er jetzt mit Draco besprechen können? Von Mann zu Mann, wie sie es ausgedrückt hatte?! Lucius wusste nicht, ob er zornig war oder angewidert. Er suchte in seiner Erinnerung, ob er sich jemals etwas ähnliches geleistet hatte, aber er war so beschäftigt damit gewesen, Narzissa für sich zu gewinnen – die bei ihrer Ehe natürlich noch Jungfrau gewesen war – dass ihm niemals in den Sinn gekommen wäre, sich im Haus seiner Vorfahren jemals so aufzuführen!

 

Narzissa hatte sein Haus auch nie besucht gehabt, als sie noch unverheiratet gewesen waren. Sein Vater hätte einen Herzinfarkt bekommen, nahm er an! Und wieso sollte er überhaupt ruhig und besonnen genug sein, um keinen Herzinfarkt zu bekommen?! Er würde sich gerne darüber entrüsten, würde Draco gerne… über sein Knie legen, aber anscheinend war er dafür auch zu alt, nahm Lucius verärgert an.

 

Aber was ihn am meisten schockierte war wohl die schlichte Tatsache, dass es Draco nicht einmal peinlich zu sein schien! Nicht einmal das! Er wusste nicht, wie gut er seinen Sohn kannte, um zu behaupten, dass Draco gerade spielte. Dass er nur so tat, als störe es ihn nicht, dass er, Lucius, den Penis seines Sohnes gesehen hatte.

 

Merlin!

 

Lucius schloss die Augen. Gut, er war froh. Er war froh, dass sein Sohn anscheinend die Gesellschaft von Damen vorzog. Kurzzeitig hatte er Angst gehabt, dass dies in Frage stehen könnte, als Draco im vierten Jahr offensichtlich viel von Harry Potter erzählt hatte. In jedem Brief, in jedem Gespräch über Floh. Aber diese Phase war wohl scheinbar vorüber.

 

Offensichtlich. Lucius spürte, wie seine Mundwinkel bitter nach unten sanken, während Draco lächerlich selbstbewusst vor ihm stand. Er betrachtete seinen achtzehnjährigen Sohn ausgiebig. Bei Merlin, wie hatte das passieren können?


„Wag es ja nicht, in Hogwarts ein Mädchen zu schwängern!“, fasste er seine größte Sorge in zornige Worte. Ja, Narzissa hatte eine andere Vorstellung, wie ein vernünftiges Gespräch aussehen sollte, aber das konnte Lucius nicht. Er war keine Kindergärtnerin! Er sah, wie Dracos Augen sich fast amüsiert verengten. Lucius schloss hilflos die Augen. Verdammte Einzelkinder! Er hätte eine Horde Kinder zeugen sollen, dann würde sich sein einziger Sohn nicht wie ein verdammter Prinz verhalten. Es war Narzissas Schuld, wirklich! Sie hatte ihn verhätschelt, hatte Lucius gezwungen, Draco niemals zu schlagen, auch wenn der Junge es verdient gehabt hatte. Sie hatte ihn immer bevorzugt behandelt, ihm vorgesungen – ihm anscheinend kein bisschen Anstand beigebracht.

 

Wieder fand Lucius‘ Hand den Weg über seinen Mund, während er erneut den Kopf schüttelte. Er wollte dieses Gespräch nicht führen! Er erinnerte sich noch dunkel an die Unterhaltung über Bienen und Blumen, wobei er selber nicht die geringste Ahnung gehabt hatte, wieso zur Hölle er den Vergleich zu Bienen und Blumen hatte ziehen müssen!

Narzissa hatte ihm erklärt, es wäre pädagogisch die richtige Art! Anscheinend nicht!

 

Wieso war sein Sohn keine Jungfrau? Oder wenigstens taktvoll genug, seine Eskapaden nicht ausschweifen zu lassen, so dass seine Eltern sie mitbekommen konnten? War er so dumm?! Oder so dreist? Er war unglaublich respektlos, und wenn Lucius ehrlich war, war er froh, wenn Draco in zwei Wochen abgereist war, und sich Dumbledore mit ihm rumärgern konnte.

 

„War es das?“, wollte Draco nun tatsächlich glatt von ihm wissen, und Lucius hasste es. Diese jugendliche Überheblichkeit. Die Arroganz der Jugend, die Vorstellung, dass sie die Macht hatten und dass die Eltern… nur noch alte Eltern waren! Er schloss die Augen. Was hatte er falsch gemacht? Hatte er, Lucius, ein falsches Bild vermittelt? Hatte er Narzissa jemals anders behandelt als respektvoll? Denn so musste es doch aussehen! Woher sollte Draco sonst solche Anwandlungen haben? Narzissa würde ihn das Ende nicht hören lassen, wenn er Draco nicht Anstand beibrachte!

 

Aber war es nicht schon längst zu spät? Sollte Draco mit achtzehn nicht klüger sein?

 

Missbilligend wanderte Lucius‘ Blick über den Körper seines Sohnes. Es war ihm in den letzten Jahren wohl entgangen, dass sein Sohn erwachsen geworden war, dass er plötzlich so groß war wie er selber, dass er zwar noch ein halbes Kind war, aber bedauerlicherweise den Körper eines erwachsenen Mannes hatte – mit Hormonen und Trieben und all diesen lästigen Kleinigkeiten. Und er wünschte sich zum ersten Mal, Draco wäre übergewichtig, wie sein Freund Gregory, so dass Mädchen nicht den Hauch Interesse an ihm haben würden.

 

Sein Sohn dachte nämlich nicht nach. Draco war impulsiv und ungehörig. Das konnte er über seinen Sohn sagen. Er kannte ihn nicht anders, als verzogen und selbstsüchtig. Lucius wurde übel bei dem Gedanken. Er wusste, Teenager waren kompliziert. Nicht, dass er selber jemals kompliziert gewesen war. Sicher, er hatte sich an einigen Schlägereien damals beteiligt, aber Zuhause hätte er einen Monat lang nicht mehr sitzen können, hätte er sich erlaubt, was sein Sohn sich erlaubt hatte!

 

Woher hatte Draco überhaupt diesen Körper? War es seiner, Lucius‘ Körper? Sahen sie sich so ähnlich? Nein, Draco war muskulöser an anderen Stellen. Verdammtes Quidditch! Alles brachte seine Nachteile, begriff Lucius bitter. Das Gesicht, ja. Draco sah ihm ähnlich, natürlich. Aber ihm hatte sein Aussehen damals nichts gebracht. Vielleicht doch, Lucius wusste es nicht mehr. Damals hatte Krieg geherrscht, es waren andere Zeiten gewesen! Heutzutage war alles liberal! Reinblüter heirateten Muggel, Merlin noch mal! Als wenn das nicht schlimm genug war!

 

Lucius hatte nicht mal die geringste Ahnung, wie Draco zu Muggeln stand. Er hoffte, er war ihnen nicht so freundlich gesinnt, dass er die nächstbeste schwängern würde! Oh Merlin! Aber er glaubte sogar, dass er ihm auch hierbei ein schlechtes Vorbild gewesen war.

Ja, vor einigen Jahren hatte Voldemort noch Macht gehabt. Vor einigen Jahren war es noch wichtig gewesen, Draco begreiflich zu machen, wie viel ein Muggel wert war.

 

Mittlerweile würde ihm Narzissa auch dafür die Zunge aus dem Mund fluchen, würde er schlecht über Muggel reden. Merlin, noch mal!

Aber in ihrem Haus sprachen sie Merlin sei Dank nicht über Muggel. Und er wollte jetzt nicht damit anfangen, er hatte genug damit zu tun, über die verdammte Sexualität seines Sohnes nachzudenken.

 

All die Sorgen über mögliche Fehler, die Draco würde haben können, kamen ihm jetzt recht willkommen vor. Wäre er doch einfach impotent, oder kleinwüchsig, oder hätte er am besten gar keinen Penis!

 

Wie zur Hölle sollte er über so etwas reden können?! Wofür war Narzissa da? Fürs Windeln wechseln und Schlaflieder singen?! Und sobald Draco volljährig war, war er sein Problem? Großartig. Aber so lief es nicht! So sollte es zumindest nicht laufen!

Lucius war 42 Jahre alt. Er hatte andere Sorgen als seinen potenten Sohn, Merlin noch mal!

 

Er arbeitete, er hatte echte Probleme! Dass sein Sohn keinen Respekt vor ihm hatte war bedauerlich, ja, aber es war nicht sein größtes Problem, Merlin noch mal!

Es interessierte ihn nicht mal! Er konnte nichts mit Draco anfangen. Draco sollte erwachsen werden, kein verzogenes Kind mehr sein, und endlich Verantwortung übernehmen. Dann vielleicht konnte Lucius etwas anderes in ihm sehen als ein lästiges Subjekt, was ihm seinen letzten Nerv raubte. Und Draco wollte es doch nicht anders! Er konnte ihn genauso wenig leiden! Es war seine Art von Rebellion, nahm Lucius an.

Zwar hatte er keine Ahnung, gegen was sein verzogener Sohn rebellierte, hatte ihm Lucius doch alles gegeben, von dem andere Kinder nur hatten träumen können – aber anscheinend war das ein Fehler gewesen, und er, Lucius, war selber schuld!

 

Es blieb nur noch zu hoffen, dass Draco einfach seinen Leichtsinn und seine Überheblichkeit verlieren würde. Und bis dahin wollte Lucius so wenig wie möglich mit diesem jungen Mann zu tun haben!

 

Wusste Merlin, was Draco die letzten vier Wochen getrieben hatte! Er war ohnehin nur selten hier gewesen. Er hatte das Praktikum nicht gemacht, was Lucius ihm organisiert hatte, er hatte ihn tagsüber kaum gesehen! Er hatte nicht mit ihm und Narzissa gefrühstückt oder zu Abend gegessen. Und Narzissa hatte doch auch nie etwas gesagt! Sie ließ ihn doch einfach gewähren! Sie erlegte ihm nicht auf, zu den Mahlzeiten zu erscheinen, was Lucius sowieso recht war, denn über was sollten sie reden? Draco interessierte sich nicht für Politik oder für irgendetwas, für das sich Lucius interessierte.

 

Teenager waren Aliens! Sie waren Außerirdische, mit denen vernünftige Erwachsene einfach nichts zu tun haben sollten, bis sie aus dieser widerlichen Phase rausgewachsen waren.

 

Und jetzt war Lucius Malfoy dazu degradiert worden, diesem selbstverliebten Rebell Vorhaltungen zu machen?

 

Er hatte ihn vier Woche nicht zu Gesicht bekommen, und jetzt sollte er mit Draco reden?

 

Er atmete aus. Er hatte keine Ahnung wie Algernon Goyle solche Dinge handhabte. Aber wahrscheinlich war sein Sohn nie in der Gefahr, von einem Mädchen freiwillig oral befriedigt zu werden, überlegte Lucius angewidert.

Lucius kam sich vor, als wäre er hundert Jahre alt. Draco war ein netter Junge gewesen, als er zwei Jahre alt war. Er hatte ihn, Lucius, angebetet! Wo waren diese Zeiten hin, fragte er sich verzweifelt. Aber bitte. Draco wollte nicht sein Freund sein? Draco wollte sein ungezogener Sohn sein? Er führte sich auf, wie ein Kleinkind, dann würde Lucius ihn ebenso behandeln. Es gefiel ihm ohnehin besser, als Draco als ebenbürtig zu sehen. Als ob er das jemals tun würde!

 

„Mein Haus ist kein Stundenhotel, Draco“, informierte er seinen Sohn kalt und beschloss, ihn da zu treffen, wo er zumindest sicher wusste, dass es seinen Sohn würde treffen können. „Mach das noch einmal, und du kannst dein verdammtes Gold selber verdienen gehen, anstatt von meinem zu Leben!“, knurrte Lucius, und das Gespräch war beendet. Er entließ Draco aus seinem Blick und ging zornig zu seinem Schreibtisch. Wie gerne würde er trinken! Aber sein Heiler und seine Frau waren sich einig: Keinen Scotch außerhalb der Mahlzeiten! War das zu fassen? Anscheinend war er alt! So alt, dass Alkohol seine Gesundheit gefährden konnte! Er konnte nicht erwarten, dass es Zeit zum Abendessen war und er endlich ein Glas Scotch würde trinken können!

 

Lucius ballte die Hände zu Fäusten, denn Draco war gegangen. Und er hatte seine verdammte Tür nicht zugemacht!

 

Am liebsten würde er ihn an den Ohren wieder hier reinholen, damit Draco üben konnte, wie man eine Tür schloss! Wie man verdammt noch mal respektvoll gegenüber seinem Vater war!

 

Lucius hasste Kinder. Allesamt!

 

~*~

 

Sie war unglücklich. Sie hatte diese Abteilung am liebsten gehabt. Noch lieber als die Abteilung der Auroren. Dabei hatte sie gedacht, nur als Auror würde sie in ihrem späteren Leben arbeiten wollen.

 

Und jetzt wechselte sie zum dritten und letzten Mal die Abteilung. Noch zwei Wochen hatte sie im Ministerium, ehe die Schule wieder anfing. Sie war so dankbar über die sechs Wochen Praktikum im Ministerium. Sie hatte einige andere Schüler zwischendurch gesehen, aber das Ministerium war so riesig und weitläufig, dass jedes Zusammentreffen wohl purer Zufall war, wenn man sich nicht gerade in der Kantine verabredet hatte.

 

Und jetzt musste sie zwei Wochen in der Abteilung für Finanzen und Liegenschaften arbeiten. Sicher mochte es auch spannend sein, aber… in der Mysteriumsabteilung hatte sie kaum abends nach Hause gehen wollen. Sie glaubte nicht, dass Finanzen und Liegenschaften in ihr solche Gefühle hervorrufen würden.

 

Sie klopfte an das Vorzimmer, wo sie sich melden musste.

 

Sie trug einen schwarzen Rock, schwarze Pumps, die gerade hoch genug waren, dass sie immer noch zügig durch die Flure laufen konnte, und am Abend keine Blasen an den Füßen hatte. Dazu trug sie eine graue Bluse und hatte ihre wilden Locken in einen dicken Zopf zurückgebunden.

 

Sie war dezent geschminkt, um älter auszusehen, und nicht ständig als Schülerin erkannt zu werden. Denn sobald die Leute begriffen, dass sie hier nur ein unbezahltes Praktikum absolvierte, waren sie nicht scheu, ihr sämtliche Aufgaben aufzudrücken, die demütigender nicht sein konnten.

 

„Herein“, rief eine Frauenstimme. Hermine betrat das Zimmer.

 

„Hallo, guten Morgen. Ich… bin die Praktikantin, Hermine Granger“, stellte sie sich vor. Die Frau betrachtete sie kurz. Hermine nahm eigentlich an, dass man ihren Namen kannte, hatte sie doch mehrfach in der Zeitung gestanden, schon alleine wegen des Kampfes gegen Voldemort vor drei Jahren und weil sie die beste Freundin von Harry Potter war. Aber vielleicht kannte diese Frau sie wirklich nicht, oder sie war einfach zu stolz, um einer Schülerin Erkennungswert beizumessen.

 

„Hm, Morgen. Richtig, ich habe Sie hier eingetragen“, stellte die Frau mit einem Blick in ihren Kalender fest. „Und? Was wollen Sie machen?“

 

Hermine wusste, dass, wenn sie sagen würde, dass ihr alles recht wäre, sie in einen Abstellraum verbannt werden würde, um alte Kisten aufzuräumen. Also stellte sie sich aufrechter hin.


„Ich habe mich hier als Praktikantin beworben, um einen bestmöglichen Eindruck in die Arbeit der Abteilung zu erlangen. Nur die besten Schüler Hogwarts erhalten die Möglichkeit eines sechswöchigen Praktikums im Ministerium“, erklärte sie überzeugt. Die Frau verdrehte knapp die Augen, aber das passierte häufig, wenn Hermine dick auftrug und erklärte, sie wäre eine der besten Schülerin – was sie nun aber auch einfach war. Wieso sollte sie lügen?

 

„Schön, schön. Wissen Sie, Sie möchten den besten Einblick? Warum beobachten Sie nicht einfach zwei Wochen unseren Leiter der Abteilung? Der geht auf Besichtigungen, nach Gringotts zur Überwachung der Goldbestände? Schwebt Ihnen so etwas vor?“, leierte die Frau herunter, und Hermine war dankbar, keine Kisten schleppen zu müssen.


„Ja, das klingt wunderbar“, sagte sie ehrlich.


„Fein“, erwiderte die Frau und schrieb mit der Feder etwas auf ein Blatt Pergament, was sie Hermine entgegenhielt, als sie fertig war. „Büro 612, Miss Granger“, ergänzte sie mit einem leeren Lächeln. Hermine nahm das Blatt entgegen.

 

„M-Malfoy?“, entfuhr es ihr kurz tonlos.

 

„Ja“, bestätigte die Frau eine Spur gereizter. „Lucius Malfoy ist hier Abteilungsleiter. Haben Sie ein Problem damit?“

 

Nun ja, Hermine hatte ungefähr tausend Probleme damit, aber das wollte sie der Frau nicht sagen. Sie schüttelte unbeholfen den Kopf.

 

„Ich… nein. Ich… danke“, sagte sie tonlos und wandte sich wieder ab. Und sie wusste, auch Lucius Malfoy hätte bestimmt ein Problem mit ihr. Wenn er sie überhaupt noch erkennen würde! Und selbst wenn nicht!

 

Sie verließ das Zimmer schlecht gelaunt und wanderte lustlos den Flur hinab. So ein Mist!

 

Vor dem Büro mit der Nummer 612 blieb sie stehen. Warum? Wieso konnte sie nicht noch zwei weitere Wochen in der Mysteriumsabteilung arbeiten? Aber sie wusste, warum. Cormac McLaggen hatte nun den Platz in dieser Abteilung. Susan Bones war bei den Auroren, und sie würde sich wohl oder übel der Rotation fügen müssen. Denn zwölf Schüler von Hogwarts waren in diesem Sommer hier untergebracht, und alle rotierten durch die Abteilungen.

 

Sie hob unschlüssig die Hand. Und dann klopfte sie, denn Hermine Granger hatte vor keinem Zauberer Angst.

 

„Was?“, ertönte eine Männerstimme aus dem Inneren. Bedeutete das so viel, wie: Herein? Sie musste es seufzend annehmen und öffnete mit einem Ruck die Tür. Sie blieb im Türrahmen stehen und wartete, bis der blonde Mann den Kopf gehoben hatte. Ja, sie erinnerte sich noch an ihn. Er verengte die Augen.

 

„Ja?“, sagte er gedehnt und betrachtete sie eingehend. Seine Stimme war dunkel und tief.

 

„Hallo, guten Morgen, ich bin… die Praktikantin, Hermine Granger, und… ich arbeite die nächsten zwei Wochen für Sie“, stellte sie sich, bei weitem nicht mehr so motiviert, vor. Die Feder sank in seiner Hand. Sie kam sich lächerlich vor. Denn sie kannten sich ja.

 

„Was?“, fragte er ernst, und sie wusste nicht, ob sie den Satz wiederholen musste.

 

„Der letzte Praktikant in ihrer Abteilung ist heute weiterrotiert, und jetzt arbeite ich in der Abteilung“, erklärte sie unschlüssig.

 

„In meinem Büro?“, vergewisserte er sich unwirsch. Kurz sah er so aus, als könne sie vielleicht einen Scherz machen.

 

„Ja. Mr. Malfoy“, ergänzte sie widerwillig. Dann erst runzelte sich seine Stirn.


„Granger? So wie…“ Er unterbrach sich selbst. Dann atmete er aus. „Was soll das heißen, Sie arbeiten als Praktikantin hier?“, fragte er schließlich.


„Ich… ich begleite Sie? Ich beobachte Sie bei der Arbeit und-“

 

„-nein“, unterbrach er sie kopfschüttelnd und erhob sich. Er war groß. Größer als sie. „Dafür habe ich keine Zeit. Sie können gerne zu meinem Kollegen ins Büro gehen.“

 

Hermine war überfordert. „Aber… ich würde Sie nicht belästigen. Ich… würde sie begleiten, ich… könnte… Ihre Tasche tragen… oder…“, schlug sie ratlos vor, denn sie wusste, manche taten sich schwer mit der Idee einer Praktikantin. Zur Hölle, sie tat sich ebenfalls schwer, aber immerhin gab sie sich Mühe. Er wurde immerhin bezahlt.

 

„Wissen Sie, ich denke nicht, dass ich Arbeit für Sie hätte. Ich bin kein Babysitter“, erklärte er streng.


„Und ich bin kein Baby, Mr. Malfoy“, erwiderte sie, eine Spur beleidigt. „Ich würde gerne mit Ihnen Grundstücke besichtigen, nach Gringotts gehen-“

 

„-das ist schön für Sie, aber ich bin nicht jeden Tag in Schlössern unterwegs! Ich spiele nicht mit Gold, Miss Granger. Ich arbeite hier!“, informierte er sie gereizt.


„Ja, Mr. Malfoy, ich verstehe das. Ich bin seit vier Wochen hier und habe auch nicht jeden Tag mit Gold gespielt und Schlösser besichtigt!“, entfuhr es ihr zornig, denn der Name Malfoy allein verursachte ihr Übelkeit. „Im Kampf gegen Voldemort vor drei Jahren habe ich meinen ersten Todesfluch ausgesprochen, um meinen Freund Ron vor dem Tode zu bewahren, bei allem Respekt, Sie müssen mir bestimmt keine Prinzessinnen-Kleider und ein Schloss bieten, um mich zu beschäftigen, Sir!“, fauchte sie praktisch.

 

Und Lucius Malfoy schwieg abrupt. Er betrachtete sie eine weitere Sekunde, ehe er plötzlich nickte.

 

„Schön. Sie wollen für mich arbeiten?“, vergewisserte er sich, und zaghaft nickte sie, denn wirklich arbeiten wollte sie nicht für ihn. Er war immerhin Lucius Malfoy. Aber sie würde das Praktikum beenden. Und sie wollte ein gutes Praktikumszeugnis bekommen, also würde sie auch diese Abteilung hinter sich bringen. „Eine Liegenschaft ist ein unbewegliches Sachgut, welches-“

 

Aber Hermine unterbrach ihn. Was dachte er? Dass sie nicht wüsste, was sie hier tun würde? Was glaubte er, weswegen sie das Praktikum bekommen hatte? Weil sie Hogwarts‘ dümmste Schülerin war, die sich vielleicht auch noch auf Schüler wie seinen Sohn einließ? Ob Lucius Malfoy überhaupt wusste, was für ein widerlicher Playboy sein Sohn war? Wahrscheinlich konnte Hermine Lucius Malfoy schon alleine wegen seines Sohnes noch weniger leiden!

 

„-das Ministerium beschäftigt sich natürlich nur mit Rendite- und Anlageimmobilien und nutzt die Verzinsung des investierten Kapitals für weitere Investitionen, ich weiß, Mr. Malfoy“, erklärte sie, so wenig überheblich, wie sie es zustande brachte. Seine Augenbraue hob sich skeptisch. „Ich bin eine kluge Schülerin, deswegen bin ich hier“, konnte sie sich doch nicht verkneifen. Und sein Ausdruck wurde tatsächlich weicher, stellte sie überrascht fest.

 

„Hat man Ihnen auch beigebracht Tee zu kochen, Miss Granger?“, fragte er jetzt, und langsam nickte sie. „Gut, kochen Sie uns einen Tee, dann spreche ich mit Ihnen über die nächsten Einzelheiten der Immobilie, die ich heute besichtigen werde. In Ihrer Begleitung, wenn Sie auf diesen Schuhen laufen können“, fügte er mit einem entsprechenden Nicken auf ihre Schuhe hinzu. Fast wurde sie rot als sie sich umwandte, um auf der Flurküche Tee zu kochen. Jeder Flur hatte seine eigene Küche, so viel wusste sie auch schon.

 

Ohne ein weiteres Wort hatte sie das Büro wieder verlassen.

 

~*~

 

„Sie hat es mir gesagt, Draco“, eröffnete Pansy ihm jetzt, als ginge es um ein Staatsgeheimnis. Draco hob den Blick, während sie durch den Laden spazierten. Hinter ihnen ächzte ein Elf, der seine neue Ausrüstung auf seinen Schultern balancierte.


„Wer?“, fragte er abwesend und leicht desinteressiert, aber Pansy stöhnte auf.

 

„Wer? Alyssa!“, rief Pansy ungläubig aus. Kurz dachte Draco über diesen Namen nach, aber er hatte ein wirklich besonders schlechtes Namensgedächtnis. Aber vielleicht lag es nur daran, dass er jeden Tag neue Mädchen kennenlernte, die fast genauso hießen.

 

„Hm“, sagte er nur, denn er hatte schon wieder vergessen, was Pansy gesagt hatte. Er fasste ein paar Handschuhe ins Auge, die blaue Applikationen auf der Handrückseite hatten. Blau hatte er noch nicht in seiner Sammlung, überlegte er. Sie würden zu seinen Augen passen, nahm er an. „Diese hier, Größe 4“, sagte er an den Elf gewandt, der mit einer holprigen Verbeugung zur Auslage eilte, um ihm ein paar Handschuhe zu holen.

 

„Draco!“, beharrte Pansy ungeduldig. Draco atmete aus.


„Was, Pansy? Welche Alyssa hat dir was gesagt?“, griff er ihre Worte zornig wieder auf.

 

„Dass deine Eltern sie erwischt haben?“, sprach Pansy die Worte schließlich aus, die sie wohl schon den ganzen Morgen über hatte mit ihm teilen wollen. Erwischt? Ach so… Draco fiel es wieder ein. „Lädst du sie wieder ein, damit sie sich entschuldigen kann?“, wollte Pansy von ihm wissen, und Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Entschuldigen, wofür?“, fragte er mit gerunzelter Stirn.


„Ist dein Vater nicht ausgerastet?!“

 

„Mein Vater?“, wiederholte er verwirrt. „Wieso sollte er ausrasten? Meinem Vater ist es verflucht egal“, log er jetzt. Aber wahrscheinlich war Lucius alles ansonsten scheiß egal. Draco würde nicht mehr den Fehler machen, in der Eingangshalle zu stehen. Aber er hatte das Mädchen auch eigentlich rauswerfen wollen. Sie war freiwillig vor ihm auf die Knie gegangen. Er hatte doch nicht so unhöflich gegenüber seiner Erektion sein können, diese Geste nicht anzunehmen, oder? Fast lächelte er.

 

„Draco, ich habe es satt, dass du meine Freundinnen ständig benutzt und dann ignorierst! Denn sie stehen anschließend vor meiner Haustür!“, beschwerte sich Pansy aufgebracht.


Draco lachte auf. „Selber schuld, wenn du mich empfiehlst, Pansy“, bemerkte er knapp und fasste ein goldenes Fußpedal für Rennbesen ins Auge.


„Ich empfehle dich nicht!“, brachte sie gepresst hervor.

 

„Schön, wenn einem der Ruf vorauseilt, nicht wahr?“, bemerkte er, ohne sie anzusehen und schnippte die Finger. Der Elf erschien atemlos. „Zwei von denen. Und zwei aus Platin. Ich entscheide mich später, welche besser aussehen“, erklärte er.

 

„Du hörst mir überhaupt nicht zu, oder?“ Pansy wirkte zornig mit ihm. Draco wandte sich um.

 

„Pansy, mich interessieren deine Freundinnen nicht“, sagte er offen und gleichmütig. Sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Und ich habe dir gesagt, ich kaufe Quidditch-Equipment. Natürlich höre ich dir nicht zu“, fuhr er kopfschüttelnd fort.

 

„Weißt du, Blaise ist wesentlich-“

 

„-hör mir auf mit Zabini!“, unterbrach er sie gereizt. Er war immer noch sauer auf Blaise. „Zabini ist ein scheiß Arschkriecher, der seinem Vater noch den Zauberstab hinterher tragen würde!“ Blaise machte zurzeit das Sklavenpraktikum im Ministerium und war die ganzen Ferien nicht ein einziges Mal mit ihm ausgegangen! In keinen Club! Nicht mal samstags. Nur einmal die Woche sah Draco seinen besten Freund, und nur wenn sie Quidditch spielten. Dafür nahm sich das Arschloch Zeit. Für sonst nichts! Draco hatte absolut keine Lust darauf, dass Pansy auch noch von Blaise anfing!

 

„Er kommt am Samstag auf deine Geburtstagsfeier“, erwiderte Pansy glatt. „Und sprich nicht in diesem Ton mit mir, Draco!“ Draco hob die Augenbraue.

 

„Oh, Mr. Zabini-ich-bin-so-unglaublich-verantwortungsbewusst kommt auf eine Party? Was ist los, hat ihn sein Vater gefeuert?“, wollte Draco zornig wissen. Pansy verschränkte die Arme vor ihrem pinken Blazer.

 

„Er ist einer deiner besten Freunde, oder nicht? Natürlich kommt er!“, knurrte sie. Draco verdrehte die Augen. Wenn er sich seine Nutzfreundschaft mit Pansy verscherzte, musste er sich selber um seine Dates kümmern. Und darauf hatte er keine Lust. Es war einfacher, wenn Pansy ihm seine Beute einfach vorstellte. Also gab er nach.

 

„Pansy, ich bin hier noch eine Weile beschäftigt. Wie wäre es, wenn du gegenüber ein Geschenk zurücklegen lässt, was ich dir am Freitag geben kann? Für deine Mühen?“, schlug er ihr mit einem charmanten Lächeln vor. Und endlich schmolz ihr Zorn. Ihre Mundwinkel hoben sich.

 

„Draco, du bist furchtbar!“, sagte sie, ohne ihr Lächeln verhindern zu können. „Ich komme morgen zu eurem Spiel“, versprach sie anschließend. „Und wehe, du kaufst nicht, was ich zurücklegen lasse!“, drohte sie ihm abschließend.

 

„Würde ich nicht wagen, Pansy“, versprach er, während er bereits mit größtem Interesse die neuen Aero-Trainingshosen begutachtete.

 

Kapitel 2

 

„Stopp mal! Wie meinst du das, du arbeitest für Lucius Malfoy?“, wollte Ron laut über Floh wissen, während er mit seinem Strohhut auf dem Kopf besonders lächerlich aussah.

 

Hermine war im Begriff zu gehen und hatte bereits ihre Tasche über dem Arm.

 

„Er ist der Leiter der Abteilung, in der ich Praktikum mache, Ronald. Ich habe es doch schon erklärt“, wiederholte sie geduldig. „Wie ist das Wetter bei euch?“, fügte sie hinzu, aber Ron starrte sie völlig verdattert an. Aber sie nahm an, das Wetter war gut, denn Ron hatte Sonnenbrand auf beiden Wangen.

 

„Ja, aber… du kannst doch nicht für den arbeiten!“, entrüstete sich Ron, ohne auf ihre Frage zu antworten. „Harry!“, rief er über die Schulter, denn anscheinend war Harry ins Zimmer gekommen.


„Was?“, hörte Hermine Harrys Stimme und musste unwillkürlich lächeln.

 

„Oh hey! Hermine!“, begrüßte Harry sie. Er trug kein Shirt, nur noch seine Badeshorts und ging neben Ron auf die Knie. „Alles klar bei dir?“

 

„Nein! Sie arbeitet für Lucius Malfoy!“, wiederholte Ron ungläubig und verärgert. Harry runzelte die Stirn. Er vertrug die Sonne anscheinend wesentlich besser, denn seine Haut war gebräunt.

 

„Du arbeitest für Lucius Malfoy? Wieso?“

 

„Er ist der Leiter der Abteilung, in der ich Praktikum mache“, wiederholte sie mit einem Grinsen. „Es ist tatsächlich gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Wir gehen nach Gringotts, Gold zählen“, vereinfachte sie die Arbeit, die sie machten.


„Was? Oh natürlich! Lord Malfoy nimmt dich mit zum Goldzählen!“, rief Ron hysterisch aus. „Das finde ich nicht in Ordnung, Hermine! Kannst du nicht für wen anders arbeiten? Geh doch zu Kingsley in die Abteilung!“, rief er aus.

 

„Ich war schon bei den Auroren, Ron. Es ist ganz normal“, beschwichtigte sie. „Und ich muss los!“, bemerkte sie mit einem Blick auf die Wanduhr, die im Wohnzimmer ihrer Eltern hing.

 

„Wieso? Wird Lord Malfoy sauer, wenn er seinen Tee nicht rechtzeitig bekommt?“, wollte Ron angriffslustig wissen. Zwar stimmte das wohl, aber Hermine lächelte nur.

 

„Ich vermisse euch auch“, erwiderte Hermine nachsichtig. Ron schien noch einen Rotton dunkler im Gesicht zu werden.


„Hey, das hat überhaupt nichts-“

 

„-mach’s gut, Hermine! Meld‘ dich mal wieder, ok?“, rief Harry, während er Ron scherzhaft in die Seite stieß.


„Einen schönen Urlaub euch!“, erwiderte Hermine kopfschüttelnd, während Ron nun anfing, mit Harry zu diskutieren, ohne sich zu verabschieden. Hermine unterbrach die Verbindung.  Ron war… eben Ron. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich geschmeichelt fühlen sollte, dass er nicht wollte, dass sie für Lucius Malfoy arbeitete, oder ob er einfach blöd war. Wahrscheinlich fühlte sie sich geschmeichelt.

 

Sie verließ das Haus, ihre Eltern waren schon längst in der Praxis, und apparierte in die Innenstadt zu den öffentlichen Toiletten, die für Muggel verbarrikadiert und baufällig aussahen und spülte sich hinab ins Atrium.

 

Sie stieg aus dem Kamin und schritt zielstrebig zu den Aufzügen. Für sie war klar, dass sie hier arbeiten würde, wenn sie Hogwarts nächstes Jahr im Sommer beendete.

Sie konnte sich nichts anderes vorstellen. Hier herrschte so viel magisches Leben, so viel Weltgeschehen, dass sie sich kaum vorstellen konnte, in zwei Wochen wieder nach Hogwarts zu müssen, wo sie sich der Politik der Schüler unterwerfen müsste. Sie verbrachte ihre Zeit lieber mit Erwachsenen.

 

Sie fuhr in den sechsten Stock und freute sich schon auf Gringotts. Sie klopfte kurz an die Tür, bevor sie sie öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten. Immerhin wurde sie sowieso erwartet. Aber Lucius war nicht allein.


„Guten Morgen, Miss Granger. Ich nehme an, Sie kennen Blaise Zabini?“, sagte Lucius gut gelaunt. Hermine kam unschlüssig näher. Sie wusste, Blaise absolvierte hier auch ein Praktikum.

 

„Ja, ich… hallo“, begrüßte sie den Slytherin, den sie für gewöhnlich nur aus der Ferne kannte. Er trug einen dunklen Anzug und ein strahlend weißes Lächeln im Gesicht. Sein Hemd war grässlich pink, aber er wirkte höchst modern gekleidet.

 

„Hermine Granger, lange nicht gesehen. Ich bin jetzt in der Mysteriumsabteilung. Verrückt da unten, hm?“, begann Blaise ein Gespräch mit ihr, so unverfänglich, als würden sie dies täglich tun. Sein Lächeln war betörend schön, mit seinen weißen, geraden Zähnen. Sie nickte kurz verwirrt. Lucius griff nach seiner Aktentasche und schien bereit, zu gehen.

 

„Miss Granger begleitet mich heute nach Gringotts“, erklärte Lucius, anscheinend bereitwillig. Aber Hermine nahm an, er kannte Blaise gut. Blaise Zabini war ein Freund seines Sohnes.

 

„Da wünsche ich viel Spaß“, erwiderte Blaise höflich und warf einen knappen Blick auf seine silberne Armbanduhr. „Ich werde heute eine Stunde eher verschwinden“, ergänzte er zwinkernd. Lucius musterte ihn kurz, ehe sich sein Mund in stummem Verständnis öffnete.

 

„Quidditch, nehme ich an?“, erkundigte er sich, fast abwertend. Hermine schwieg bei dem Gespräch.


„Ja, wie jede Woche, Sir“, erklärte Blaise lächelnd.

 

„Bemerkenswert, wie du Zeit für Team-Sport finden kannst, wenn du jeden Tag hier bist“, ergänzte Lucius beeindruckt.

 

„Draco nimmt es mir übel, wenn wir uns gar nicht sehen“, erklärte Blaise achselzuckend.


„Nun, er könnte ja hier arbeiten.“ Lucius Stimme hatte sich abgekühlt. Merklich, fiel Hermine auf.

 

„Ja, könnte er“, erwiderte Blaise gleichmütig und lächelte wieder. Kurz schwiegen beide Männer. Lucius‘ Blick wandelte sich wieder. Der Abteilungsleiter erschien wieder auf seinen Zügen. „Ich möchte Sie auch nicht weiter aufhalten“, sagte Blaise, dem die Wandlung wohl ebenfalls aufgefallen war. Und dann wandte er sich tatsächlich an sie. „Vielleicht sehen wir uns zum Mittagessen, Hermine“, sprach er voller Überzeugung und zwinkerte tatsächlich. Da sie sich aber auch die letzten vier Wochen nicht zum Mittagessen gesehen hatten, bezweifelte es Hermine stark.

 

„Das wird heute nicht klappen“, antwortete Lucius statt ihrer. „Ich werde Miss Granger selber einladen, Blaise“, erklärte er nonchalant, und Hermines Augen wurden groß. Ach…? Lucius sah sie an. „Wenn das kein Problem für Sie ist. Kobolde brauchen schrecklich lange, um einen überhaupt nach unten in die Mienen zu lassen. Und danach extra ins Ministerium zu apparieren, nur für ein schlecht gekochtes Mittagessen ist mir etwas zu… anstrengend“, erläuterte Lucius lapidar. „Anschließend möchte ich Ihnen außerdem die neueste Errungenschaft des Ministerium zeigen“, fügte er mit einem gewinnenden Lächeln hinzu.

 

Überforderte nickte Hermine einfach nur. Was sollte sie auch sonst tun?

 

„Na gut, dann vielleicht wann anders“, verabschiedete sich Blaise und verließ mit energischen Schritten das Büro.


„Also, bereit?“, fragte Lucius knapp, und Hermine wusste den Mann vor sich nicht einzuordnen. Er kam ihr nicht vor, wie übliche Väter von Schülern. Sie kannte Rons Vater und Lunas Vater und Lavenders Vater, aber Lucius Malfoy wirkte… kühler als andere Väter. Vielleicht lag es daran, dass es sich um Slytherins handelte. Vielleicht waren die Schüler und Eltern eben… kälter, überlegte sie.

 

„Sicher, Mr. Malfoy“, sagte sie höflich und verließ auf seine Geste hin als erstes sein Büro. Sie schritten wieder in den Aufzug, und die Türen schlossen sich. Sie betrachtete sein Profil aus den Augenwinkeln. Es war ihr unangenehm, alleine mit ihm Aufzug zu fahren. Sie wusste nicht, ob sie sprechen sollte. Oder worüber.

 

 „Haben Sie Kontakt zu Blaise Zabini? In der Schule?“, fragte er sie plötzlich, ohne sie anzusehen. Sie überlegte nicht lange, ehe sie antwortete.

 

„Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe, Mr. Malfoy. Mit Schülern aus Slytherin habe ich für gewöhnlich keinen Kontakt“, erklärte sie leichthin. Ihr fiel erst eine Sekunde später auf, wie ihre Worte wohl klingen mussten. Kurz spielte etwas wie ein Lächeln um Lucius‘ Züge. Sie verspürte das Bedürfnis aufrechter zu stehen.

 

„Ich meine, also – nein“, schloss sie ein weiteres Mal, denn es gab keine andere Antwort auf seine Frage. Ihr war noch niemals in den Sinn gekommen, mit den Slytherins Kontakt zu haben.

 

„Die Häuser unter einander sind also immer noch… verfeindet?“, wollte er fast belustigt wissen. Er schien der Schule nicht viel abgewinnen zu können, stellte sie verblüfft fest.

 

„Nein, ich… - also zumindest ich habe keinen Kontakt zu diesem Haus“, versuchte sie, es diplomatischer zu lösen.

 

„Spielen Sie Quidditch, Miss Granger?“, folgte seine nächste überraschende Frage. Sie sah auf den Boden vor sich und schüttelte lächelnd den Kopf.

 

„Nein, ich… kann mich kaum auf einem Besen halten, außerdem…  habe ich Höhenangst“, fügte sie hinzu und hatte keine Ahnung, warum sie es ihm sagte. Er lächelte breiter. Sie schwiegen wieder. Der Aufzug hielt im vierten Stock und zwei Zauberer stiegen ein.


„Mr. Malfoy, Sir“, sagte einer von ihnen verängstigt, der andere nickte knapp.

 

„Bolly, Branner“, schien er sie mit einem Nicken zu begrüßen, und die beiden verließen den Aufzug im zweiten Stock. „Entschuldigen Sie, wenn ich meine Grenzen hier überschreite, Miss Granger, aber könnte ich Ihnen eine weitere Frage stellen?“ Er sah sie direkt an, und sie schluckte. Was wollte er noch wissen? Ob sie mit dem Blutigen Baron Karten spielte?

 

„Ja, sicher?“, entgegnete sie unsicher, aber immer noch höflich erwiderte sie den Blick seiner eisgrauen Augen.

 

„Ist… Draco… - verhält er sich auffällig?“, fragte er sehr reserviert, und sie wusste keine direkte Antwort. Doch. Sie wusste eine Antwort: Ja. Malfoy war… immer auffällig. Schon wie er durch die Gänge stolzierte. Wie er sich mit anderen Jungen anlegte und gefühlt jede Woche eine neue Freundin hatte…!

 

„Ich verstehe nicht, Sir“, sagte sie aber und lächelte wieder. „Ich glaube nicht, dass ich ihn gut genug kenne, um-“

 

„-ja, ich verstehe“, unterbrach Lucius sie nickend. Er atmete langsam aus. Anscheinend hatte ihm ihre Antwort – oder ihr Zögern – bereits ausgereicht. Er wirkte wieder ernst und verschlossen. Sie biss sich kurz auf die Lippe. Sie hatten mit den Slytherins nur zwei Fächer. Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste, und sie sprach aus, was sie über Malfoy sagen konnte, was unverfänglich war.

 

„Er… zaubert ganz gut“, sagte sie etwas widerwillig und unsicher. Das tat er wohl auch, wenn er denn überhaupt mal pünktlich zum Unterricht auftauchte und sich dann dazu herabließ, zu zaubern. Würde sie Lucius erzählen, sein Sohn wäre den Rest der Zeit außerhalb des Unterrichts ein Arsch, würde sie sich wohl ein gutes Praktikumszeugnis abschminken können. „Sein Patronus ist ein Drache“, ergänzte sie still. Es war das einzige, was sie über ihn sagen konnte, was sie positiv überrascht hatte. Lucius sah auf sie hinab. Sein Ausdruck blieb unbewegt.

 

Sie erreichten endlich das Atrium.

 

„Dann wollen wir mal Gold zählen gehen, Miss Granger“, sagte Lucius nach einer Weile, als sie vor den Kaminen standen. Wieder ließ er ihr den Vortritt.

Nickend und erleichtert, dass das seltsame Verhör nun beendet war, trat sie als erstes auf das Rost.

 

„Gringotts“, sagte sie mit fester Stimme und verschwand im grünen Feuer.

 

~*~

 

Sein Herzschlag ging immer noch schnell. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, als er den Helm abgenommen hatte. Er trug die neuen Handschuhe. Sie waren noch etwas steif. Er dehnte seine Finger in den Handschuhen, bevor er die Klettverschlüsse öffnete, um sie von den Fingern zu ziehen. Das Leder war entschieden zu warm.

 

„Gutes Spiel“, rief Blaise und winkte ihn zu den Stühlen, die die Elfen aufgestellt hatten. Pansy saß bereits unter einem Schirm und trank desinteressiert eine pinke Flüssigkeit aus einem sehr hohen Glas, während sie mit einer Freundin sprach, die Draco bereits aufgefallen war.

 

„Nein, es ist zu heiß“, bemerkte Draco, als er Blaise erreichte. Blaise hatte bereits das Trikot über den Kopf gezogen. Draco bemerkte wie Pansys Blick eine Sekunde lang über Blaises Oberkörper wanderte. Dann zog Blaise wieder sein scheiß rosa Hemd über, und Dracos Mundwinkel hoben sich spöttisch. „Ich kann dir nicht sagen, wie diese Farbe deinen Augen schmeichelt“, bemerkte er glatt. Blaise schenkte ihm lediglich ein Grinsen.

 

„Auf der Arbeit höre ich nichts als Komplimente“, entgegnete er lachend.

 

„Ja, das Ministerium ist ja auch voller Arschkriechern und Idioten“, gab Draco zurück. Blaises Lächeln verschwand.


„Apropos“, begann er mit spöttischem Unterton, „ich habe heute deinen Vater besucht.“ Draco schürzte die Lippen.


„Nichts könnte mir egaler sein, Blaise.“ Draco setzte sich neben Pansy auf einen freien Stuhl. Sie spielten Quidditch in Blaises Garten. Draco hatte festgestellt, dass die Elfen hier zuvorkommender waren als in seinem eigenen Haus. „Ich habe keine Lust auf solche Gesprächsthemen“, erklärte er lapidar, während er mit den Fingern schnippte und ein Elf ihm ein gekühltes Butterbier reichte. „Wir sollten die zwei Wochen Freiheit noch genießen, ehe wir wieder zurück müssen.“ Seine Mundwinkel sanken. Hogwarts mochte ein Schloss sein und vielleicht zwanzigmal so groß wie Malfoy Manor, aber er wäre in zwei Wochen wieder gezwungen, sich einen Schlafsaal zu teilen, an Gruppentischen zu frühstücken und kombinierten Unterricht mit dummen Hufflepuffs und überheblichen Gryffindors zu haben.

 

Es verschlechterte seine Laune.

 

„Und weißt du, wer bei ihm Praktikum macht?“, fuhr Blaise unbeeindruckt fort, und Draco hob gereizt den Blick und musterte Blaise durch seinen blonden strähnigen Pony hindurch.

 

„Muss ja wahnsinnig aufregend sein, wenn du nicht die Klappe halten kannst“, knurrte er.

 

„Vielleicht Harry Potter?“, schlug Gregory vor, der sich in Blaises Haus bereits umgezogen hatte, weil er sich wohl schämte, so wie Blaise, vor den anwesenden Mädchen, sein Trikot auszuziehen. Draco konnte es ihm nicht verdenken. Draco verzog den Mund. Ja, sicher. Der scheiß Harry Potter würde garantiert kein Praktikum machen müssen. Höchstens bei den Weasleys als Haussklave, nahm er an.

 

„Nein, aber nah dran“, erwiderte Blaise, immer noch grinsend. „Hermine Granger begleitet deinen Vater nach Gringotts und isst mit ihm Mittag“, erklärte er und sah ihn an. Draco hob den Blick.

 

„Das Schlammblut?“, entfuhr es Draco verwirrt.


„Draco, bitte!“, fuhr Pansy ihn sofort an, als würde sie das Wort stören.

 

„Was?“, wollte Draco verblüfft wissen.

 

„Wir benutzen das S-Wort nicht mehr“, erwiderte Pansy mit abwinkender Geste.

 

„Das S-Wort?“, wiederholte Draco nun belustigt. „Was soll das sein, Pansy? Babysprache? Seit wann nennen wir Schlammblüter nicht mehr Schlammblüter?“, erkundigte er sich lächelnd.


„Oh Merlin, Draco!“, gab Pansy nur kopfschüttelnd zurück. „Mach, was du willst, aber sag es nicht in meiner Gegenwart!“, ergänzte sie angewidert. Draco schüttelte kurz den Kopf über Pansy, ehe er Blaise wieder ansah.

 

„Was soll das heißen, er geht mit ihr essen?“, wollte er misstrauisch wissen.


„Na ja, sie arbeitet für ihn. Wahrscheinlich… ist es eine nette Geste“, erwiderte Blaise unschlüssig. Draco glaubte nicht, dass nette Gesten etwas waren, was Lucius kannte.

 

„Muss hart für ihn sein“, schloss Draco schadenfroh, denn es interessierte ihn kaum, was sein Vater machte, noch, wer für ihn arbeitete. Sei es auch ein Schlammblut. Oder ein S-Blut, um es mit Pansys Worten zu sagen. Grinsend trank er sein Butterbier. Oh, er gönnte es seinem scheiß Vater! Denn egal, wie liberal Lucius tat, Draco wusste, was sein Vater von Muggeln und all den anderen Verrätern hielt. Er gönnte es ihm wirklich.

 

„Lasst uns über meine Party sprechen“, mischte sich Pansy jetzt ungeduldig ein. Pansy bezeichnete es als ihre Party. Aber Draco war es eigentlich egal. Es konnte ruhig Pansys Party sein. Ihm ging es nur um genügend Alkohol und eine hübsche Aussicht. Sein Blick vertiefte sich, als er das Mädchen vor sich studierte. „Cassandra und ich haben schon eine fabelhafte Idee für ein Gruppenspiel nach dem Feuerwerk“, begann sie erbarmungslos. Ja, Draco hatte auch eine fabelhafte Idee für ein Gruppenspiel. Allerdings würde die Gruppe nur aus ihm und Cassandra bestehen. Er betrachtete das Mädchen, das seinem Blick absichtlich auswich.

 

Das war das Spiel. Sie taten so, als wären sie schwer so bekommen, aber letztendlich kamen sie doch nur zu willig zu ihm. Er freute sich schon.

 

„Da es eine Strandparty wird, und extra Sand und optisches Meer angelegt worden ist, hoffe ich, dass ihr euch an die vorgeschlagene Garderobe halten werdet!“, fuhr sie strenger fort. Und ob sich Draco daran halten würde! Die Mädchen trugen Bikinis, und er würde jede Entschuldigung wahrnehmen, in Badeshorts aufzutauchen. Das machte das Ganze noch wesentlich einfacher. Wenn die Mädchen seinen Körper sahen, musste er sich nicht die Mühe machen, sie mit Worten gefügig zu machen.

 

Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen.

 

Es würde ein perfekter Freitag werden. Absolut grandios.

 

~*~

 

„Was soll das heißen, du hast keinen Hunger mehr?“ Ihre Mutter wirkte misstrauisch.

 

„Mum, wir haben ein Drei-Gänge-Menü gegessen. Es war… riesig“, erklärte sie, während ihr Magen immer noch so voll war, dass sie den Backkartoffeln nur einen müden Blick gönnen konnte, die ihre Mutter für sie mit Knoblauchsoße übergossen hatte.

 

„Hermine, wie alt ist dieser Mann?“, erkundigte sich ihre Mutter so betont unverfänglich, dass Hermine den Mund verzog.

 

„Mum!“, beschwerte sie sich angewidert.

 

„Ich meine nur, Liebling“, erwiderte ihre Mutter unschuldig. „Es erscheint mir eine seltsame Abteilung zu sein. Das ist alles. Du hast von anderen Abteilungen nie erzählt, dass dich jemand ausgeführt hat.“

 

So wie ihre Mutter es sagte, klang es furchtbar. „Oh Gott, Mum! Er hat mich nicht ausgeführt!“, zischte Hermine, während ihr Vater dem Gespräch mit mehr oder weniger aktivem Interesse lauschte, während er den Sportteil der Zeitung studierte. „In den anderen Abteilungen war es nicht nötig das Ministerium zu verlassen, deshalb waren wir etwas essen. Es war hell draußen!“, bedeutete sie mit einer herrischen Geste.

 

„Und ihr wart allein?“, schloss ihre Mutter mit geschürzten Lippen. Hermines Mund öffnete sich und schloss sich aber ratlos wieder.

 

„Ich… ja. Wir waren nicht allein im Restaurant. Da waren noch zwanzig andere Leute“, wich sie kopfschüttelnd aus.


„Ich will nur informiert sein, das ist alles.“

 

„Er ist verheiratet, Mum“, knurrte Hermine. „Und er ist alt, Mum“, fuhr sie missmutig fort. „Und so etwas Absurdes kann nur dir einfallen!“, ergänzte sie, und hätte nun nicht mal mehr Appetit, selbst wenn sie nichts gegessen hätte.

 

Und vor allem eröffnete ihr ihre Mutter eine ähnliche Perspektive, die wohl auch Ron in Erwägung ziehen würde. Eine widerliche Perspektive, Merlin noch mal!

 

„Rose, wenn du jetzt mit deinen Unterstellungen ein Ende finden würdest, würde ich Hermine gerne fragen, wie ihre Besichtigung heute gewesen ist“, bemerkte ihr Vater, während er die Zeitung demonstrativ zusammenfaltete und damit endlich das unangenehme Thema beendete. Hermine war so dankbar. Ihre Mutter wirkte beleidigt.

 

Aber die neue Errungenschaft des Ministeriums hatte sie völlig in ihren Bann gezogen, so dass sie das Gespräch mit ihrer Mutter sehr schnell verdrängte.

Es war ein Wurmloch. So nannten es die Muggel zumindest. Das Ministerium hatte ein schwarzes Loch gekauft. Es lag in der Nähe von Hogwarts, hoch in den Bergen, im schottischen Hochland. Es führte direkt nach Amerika, Texas. Und es dauerte keine zehn Sekunden. Eine solche Strecke zu apparieren war absolut unmöglich. Und das schwarze Loch war magisch so verändert worden, dass die Strecke keine Überwindung mehr darstellte.

 

Und das Ministerium beschäftigte sich jetzt mit der Magie, die auf dem Wurmloch lag. Denn es war eine Magie, die Distanzen ändern konnte. Hermine hatte aber bedauerlicherweise das Gelübde ablegen müssen, dass sie auf keinen Fall verraten würde, dass das Ministerium im Besitz solcher Magie war.

 

„Es ist leider geheim, Dad, aber… es ist so unglaublich, dass du es sowieso nicht glauben würdest“, erwiderte sie verschwörerisch. Ihr Vater sah sie neugierig an.

 

„Du kannst mir nicht mal einen Tipp geben?“, versuchte er es erneut, und Hermine seufzte auf.

 

„Nein, nicht mal, wenn ich wollte. Das magische Gelübde hindert meine Zunge, die Worte zu sprechen. Ich… könnte es nicht äußern, selbst wenn mein Leben davon abhängen würde“, erklärte sie offen. Ihre Mutter sah wieder missbilligend aus.

 

„Und hat Mr. Malfoy dir das Gelübde abgenommen? Und ging es nur um eure… Besichtigung?“, fragte sie schlecht gelaunt, und Hermine verzog wieder angewidert den Mund.

 

„Mum!“, fuhr sie ihre Mutter an. Ihr Vater seufzte auf.

 

„Und schon Neuigkeiten von der Schule?“, fragte er, und leider konnte Hermine auch diese Frage nicht beantworten.

 

„Nein“, sagte sie wahrheitsgetreu.

 

„Schicken sie keine Briefe, wenn man Schulsprecherin wird?“, wollte er wissen, und sie zuckte die Achseln.

 

„Ich dachte, das würden sie, damit man nicht völlig überrumpelt ist, wenn man am ersten Abend ernannt wird. Ich dachte, sie schicken einem das Abzeichen, aber… anscheinend verkünden sie es wirklich erst am ersten Tag.“

 

„Dann musst du mir sofort eine Eule schicken, hörst du?“, beharrte ihr Vater, und sie nickte lächelnd.

 

„Klar, Dad.“

 

„Wir lange bleibst du noch in dieser Abteilung?“ Ihre Mutter hatte sie streng ins Auge gefasst. Hermine seufzte auf.

 

„Zwei Wochen, Mum. Bis die Schule wieder anfängt.“ Und ihre Mutter gab es endlich auf.

 

„Na gut, dann hoffe ich, dass du Spaß dort hast“, erklärte sie und schnitt ihre Kartoffel, ohne einen weiteren zweideutigen Kommentar in Hermines Richtung. Ihre Mutter hatte eine seltsame Art von Humor, nur dass Hermine wusste, dass ihre Mutter es bestimmt ganz und gar ernst gemeint hatte, als sie gefragt hatte, ob Lucius Malfoy seltsame Absichten in Bezug auf sie hatte. Ekelhaft!

 

 

Kapitel 3

 

Sie war seinen Anweisungen gefolgt. Und sie war sich nicht sicher, ob sie sich noch übergeben würde oder ob das schlechte Gefühl vorher abklang.

Es war keine weite Reise gewesen. Sie war appariert, aber wäre sie gelaufen oder mit dem Fahrenden Ritter gefahren, hätte es bestimmt mehr als eine Stunde gedauert, denn Malfoy Manor lag außerhalb der Stadt. Es lag so ländlich, dass sie in der Ferne nur Bäume und Felder erkennen konnte.

 

Sie hatte den Knopf neben den schmiedeeisernen Torstangen betätigt und eine blecherne Stimme hatte sie nach ihrem Namen und nach dem Grund ihres Erscheinens gefragt. Beides hatte sie der Stimme genannt, und das Tor war aufgeschwungen.

Der Weg führte eine Anhöhe hinauf, mit einem Auto oder einer Kutsche würde man ihn in keiner Minute hinter sich gebracht haben, aber zu Fuß lief man auf dem ordentlichen Kiesweg bestimmt fünf Minuten. Unfassbar, dass das nur die Auffahrt war!

 

Aber sie kam außer Atem an. Heute trug sie zwar flache Schuhe, aber es war unglaublich heiß, schon um kurz nach acht. Sie trug außerdem einen dunkelblauen Rock, er war eng und endete auf der Hälfte ihrer Oberschenkel und dazu eine schwarze, sehr elegante, ärmellose Bluse, die im Rock steckte, aber trotz der fehlenden Ärmel würde sie anfangen zu schwitzen, auch wenn der schwarze Stoff luftdurchlässig war.

Ihre Haare steckten in einer Hochfrisur, die mächtig auf ihrem Kopf thronte, denn ihre Locken waren heute äußert ungebändigt. Einige Locken fielen ihr bereits in die Stirn, egal, wie gut sie den Rest zurückgesteckt hatte.

 

Ihren dünnen Blazer hatte sie über ihre Handtasche gelegt, während sie den Weg zum Haus hoch wanderte. Sie ließ ihren Blick über den Garten wandern, den Springbrunnen, die Pfauen, die durch das getrimmte Gras stolzierten, über die sauber angepflanzten Rosenbeete, die in voller Blüte standen und einen süßlichen Duft verbreiteten.

 

Sie erreichte nach einer Ewigkeit die Treppe zur Tür und lief lautlos die wenigen, ausladenden Stufen hoch. Sie klopfte an die schwere Tür und musste nicht lange warten, ehe diese mühelos aufschwang.

 

Ein Elf neigte den Kopf und wich zur Seite.

 

„Master Lucius bittet Sie, in der Halle zu warten“, krächzte der alte Elf und watschelte voran. Hermine folgte ihm und fragte sich, wie viel er wohl hier verdienen mochte. Und ob er überhaupt etwas verdiente….

 

Der Elf deutete nach einigen Schritten nach links. Hermine hatte das Anwesen um sich herum nur nebenbei wahrgenommen, aber die Eingangshalle hatte der Elf wohl nicht gemeint, denn jetzt schritt sie durch einen Torbogen in einen quadratischen Raum mit weichen Teppichen auf dem Parkettboden, einer weitläufigen Fensterfront, einem breiten Kamin, der eingelassen in der Wand versank, einer Sitzecke davor, Bücherregalen an den beiden anderen Seiten, und oberhalb gab es eine Balustrade rund um den Raum, von der aus man in andere Räume abgehen konnte, sah sie.

 

Ganz am Ende führte eine Treppe mit halbrunden Stufen hinauf zu dieser Balustrade, und Hermine wusste nicht, wie lange man hier brauchen würde, um alle Zimmer einmal zu besichtigen. Kein Wunder, dass Lucius noch nicht fertig war.

 

Sie war gespannt, was sie heute sehen würden. Gestern in Gringotts hatte sie ihr ganzes Notizbuch vollgeschrieben, denn sie war aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen.

Unschlüssig wanderte sie durch die Halle, ohne ein Geräusch zu machen.

Sie konnte nicht fassen, wie hoch die Mienen unter Gringotts gewesen waren, wie viel Gold dort lagerte, und sie wunderte sich nicht mehr, dass die Kobolde so eigen und paranoid waren.

 

Sie hatte einen schlafenden Drachen gesehen, und ihr waren die Ketten an den Knöcheln des Tieres schmerzlich aufgefallen, aber Lucius hatte ihr erklärt, Drachenfeuer sei nötig, um die Galleonen resistent gegen jeden Fluch zu machen. Außerdem würden die Drachen jede Woche abgelöst. Dennoch würde Hermine als Drache ungerne auch nur eine Woche lang dort unten angekettet sein wollen.

 

Sie wusste nicht, weshalb ihre Gedanken ausgerechnet jetzt abdrifteten, aber ausgerechnet jetzt dachte sie daran, was ihre Mutter sagen würde, wüsste sie, dass Hermine mit Lucius Malfoy heute von seinem Haus aus apparieren würde.

Sie hatte weniger Skrupel gehabt, herzukommen, als sie vermutete hatte. Wahrscheinlich lag es an den Dingen, die er ihr voller Vertrauen und Professionalität gezeigt hatte.

Sie hatte keine Angst vor ihm. Nicht mal im Ansatz.

 

Eine Tür fiel ins Schloss, und sie zuckte zusammen.

 

Sie wandte sich um, denn sie nahm an, Lucius würde sie hier abholen kommen.

 

Aber es war nicht Lucius.

Malfoy joggte durch den langen Gang. Sie konnte seine Figur durch die Torbögen erkennen, die sich den gesamten Gang entlang zogen.

 

So ein Mist. Sie wich tiefer in die Halle zurück, fast bis zur Sitzgruppe vor dem Kamin, denn sie hatte vollkommen vergessen, dass sie auf ihn treffen könnte. Zwar hatte sie es sich denken können, aber eigentlich hatte sie auch nicht erwartet, auf Lucius warten zu müssen.

Er atmete laut. Sie sah, er trug eine dunkle Shorts und ein helles Shirt. Anscheinend kam er auch von draußen.

 

Und er bog ebenfalls in die Halle. Sie sah, wie er sich über die verschwitzte Stirn fuhr, und er hielt bewegungslos inne, als er beiläufig den Kopf zu heben schien. Und völlig ausdruckslos fiel sein Blick auf sie. Sie musste ihn genauso anstarren, wie ein Reh im Rampenlicht. Seine Hände sanken perplex an seine Seiten. Er schien sich schneller zu fangen als sie, denn er atmete langsam aus. Er kam näher. Verschwitzt und mit gerunzelter Stirn.

 

Es war ein seltsames Zusammentreffen. In Hogwarts war es üblich, dass man sich über den Weg lief, aber jetzt waren Ferien, sie war in seinem Haus, sie trugen keine Uniform, und… sie kannten sich nicht wirklich. Harry mochte seine Probleme mit Malfoy haben, sicher, aber Hermine blieb für gewöhnlich von seiner Aufmerksamkeit verschont. Malfoy sprach nicht mit Muggeln. Oder mit Mädchen, die ihren Ausschnitt nicht wie einen Preis vor sich hertrugen.

 

Sie erkannte ihn dennoch, denn es war schwer, ihn nicht zu erkennen, bei den hellblonden Haaren, so golden wie der Weizen auf den Feldern. Seine Haut war gebräunt, seine Augen so eisgrau wie die seines Vaters, stellte sie verblüfft fest, als er so nahe war, dass sie sein Gesicht erkennen konnte. Eine goldene Strähne klebte ihm in der Stirn, aber er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen, vielleicht hatte er es auch nicht bemerkt.

 

Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, denn ihr fiel keine Begrüßung ein. Sie wollte ihn auch ehrlich gesagt nicht begrüßen.

 

„Eine Menge Mädchen haben mich schon heimgesucht, aber ist es nicht etwas früh für so einen Schock?“, wollte er tatsächlich etwas atemlos von ihr wissen, und ihr Mund öffnete sich überrascht. Dachte er, sie wäre hier wegen ihm?! Und… hatte er sie gerade beleidigt?

 

„Ich…“ Und irgendetwas hielt sie davon ab, ihn darüber aufzuklären, dass sie hier wegen seines Vaters war. Vielleicht die dämliche Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf. Merlin, noch mal! Aber sie musste gar nicht überlegen, was sie sagen wollte, denn ein weiterer Elf in einem blauen Frack erschien aus dem Nichts zwischen ihnen, so dass Hermine erschrocken zusammenzuckte. Malfoy hatte nicht reagiert.

 

„Master Draco“, sagte der Elf demütig und hielt einen Brief in die Höhe. Hermine erkannte das Siegel von Hogwarts sofort. Schneller, als sofort. Sie hätte nicht mal hinsehen müssen, hätte es aus den Augenwinkeln erkannt. Er nahm den Brief desinteressiert entgegen, schien ihn aus ihrem Blickfeld ziehen zu wollen. Und sofort rasten ihre Gedanken, ohne, dass sie es verhindern konnte.

 

War das der Brief? Hatte sie ihn heute auch bekommen? Hieß das, sie wäre Schulsprecherin mit… Malfoy?! Jetzt erst fiel ihr auf, dass er ihre Erscheinung musterte. Der Elf verschwand wieder mit einem Plopp und sie waren allein.

 

Er kämmte mit den Fingern durch seine Harare, so dass auch die Strähne aus seiner Stirn nun den Weg zurück auf seinen Kopf fand. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie Mühe hatte, zu atmen. Aber es fiel ihr schwerer Luft zu holen, fiel ihr auf. „Ist Lucius nicht zu alt für dich?“, erkundigte er sich plötzlich, und sie runzelte die Stirn.


„Was?“ Was zur…?

 

Oh wirklich? Meinte er das ernst?! Waren alle verrückt geworden? „Ich arbeite für deinen Vater“, erklärte sie gepresst und angewidert von seiner Unterstellung. Seine Mundwinkel zuckten.

 

„Bezahlt er dich gut?“, wollte er lächelnd wissen, und sie begriff, er machte sich über sie lustig. Anscheinend wusste er, dass sie das Praktikum bei Lucius machte. Sie verengte die Augen.

 

„Dieses Praktikum bringt genügend Prestige. Es braucht keine Bezahlung“, ergänzte sie fast beleidigt, denn sie fühlte sich angegriffen. Fast lässig spielte er mit dem Brief in seiner Hand. Oh, es wäre so ungerecht, müsste sie Schulsprecherin mit Malfoy sein!

 

„Ja, wer braucht schon Gold, hm?“, unterbrach sie desinteressiert, so als hätte sie angefangen mit ihm zu reden. Sie hasste ihn. Er war so… dumm und respektlos. Ein absoluter Idiot. Immerhin hatten Leute wie die Malfoys das Glück, nicht verhaftet worden zu sein. Zum Ende des Krieges waren sie zwar nicht mehr involviert gewesen, zumindest nicht mehr aktiv, aber dennoch fand Hermine ihn unglaublich dreist!

 

Sie hätte ihn gern auf den Brief angesprochen, beherrschte sich aber. Wo blieb Lucius? Wieso war sie verdammt hier mit diesem Arsch zu stehen? Wieder betrachtete er sie ausgiebig, wie ihr schien. Es war ihr unangenehm. Mehr als das.

 

Er wirkte belustigt auf eine kühle Art.

 

Ihr Mund öffnete sich, um anzukündigen, dass sie gehen würde, denn sie konnte genauso gut draußen warten, aber sie hörte erneute Schritte. Merlin sei Dank!

 

„Guten Morgen, Miss Granger“, begrüßte Lucius sie vollkommen neutral, kam mit zügigen Schritten in die Halle und schien seinen Sohn gekonnt zu ignorieren. „Sind Sie soweit? Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen“, erklärte er, während er die Aktentasche, die er trug, gewissenhaft verschloss.

 

„Kein Problem“, erwiderte sie, während sie kurz von Vater zu Sohn blickte und die Ähnlichkeit beider sie tatsächlich verblüffte. Malfoy hatte sich den Sommer über verändert, fiel ihr auf. Er war…- sie wusste nicht genau, was er war. Größer? Muskulöser? Hatte er straffere Gesichtszüge bekommen?


„Meinen Sohn kennen Sie?“, bemerkte er kühl, mit einem knappen Blick auf Malfoy, der noch immer neben ihm stand.

 

„Wir kennen uns“, antwortete Malfoy statt ihrer sofort, ehe sie sprechen konnte.

 

Und sie hörte es.

 

Sie hörte, was sie sonst nur von Ron kannte, wenn dieser mit seiner Mutter sprach.

 

Trotz.

 

Auch Malfoys Blick war… herausfordernd? Provozierend? Er verhielt sich, wie ein Junge, ging ihr auf. Sie begriff Lucius‘ Worte. Sein Sohn hatte das Praktikum nicht gewollt, denn anscheinend mochte er seinen eigenen Vater nicht. Interessant, überlegte sie knapp. Eigentlich hatte sie geglaubt, die reichen Kinder wären etwas dankbarer gegenüber ihren Eltern. Aber sie hatte ja gewusst, dass er ein blödes Arschloch war.

 

„Dann wollen wir mal“, schloss Lucius streng und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Er schien den Brief in Malfoys Hand nicht einmal beachtete zu haben. Malfoy fuhr sich erneut über die schweißnasse Stirn. Anscheinend war das jetzt das Gespräch zwischen ihnen gewesen. Lucius hatte die Halle verlassen, während ihr Blick noch einen momentlänger auf Malfoy ruhte.

 

„Du solltest dich beeilen. Du willst meinen Vater bestimmt nicht warten lassen, Granger“, sagte er verächtlich und betrachtete sie anschließend ausgiebig. Es war eine Dreistigkeit von ihm, das zu tun. Und seine Worte klangen… widerlich in ihren Ohren. Seine Mundwinkel zuckten ebenmäßig, und sie spürte eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen.

 

Und sie gönnte ihm nicht die Genugtuung, noch einmal mit ihm zu sprechen. Mit einem Blick voller Verachtung ließ sie ihn stehen und beeilte sich, seinem Vater zu folgen. Er verdiente keines ihrer Worte. Arrogantes Arschloch, dachte sie nur. Scheiß arrogantes Malfoy-Arschloch. Und sie glaubte tatsächlich, dies war das erste Mal seit drei Jahren gewesen, dass sie mit ihm gesprochen hatte.

 

~*~

 

Sie beobachtete ihn hin und wieder. Er setzte Verträge mit Leichtigkeit auf. Und er schien einen guten Blick für jeden Wert eines jeden Objekts zu haben, was ihm unter die Nase kam. Sie konnte nicht leugnen, dass sie beeindruckt war.

Sie hatte zuerst nicht beeindruckt von ihm sein wollen, denn er war Lucius Malfoy, aber anscheinend machte er seinen Job gut. Sie hatte nicht angenommen, dass er überhaupt arbeitete, und jetzt stellte sie fest, dass er tatsächlich gut war, indem was er tat.

 

„Möchten Sie mich etwas fragen, oder weshalb sehen Sie mich an?“

 

Seine Stimme riss sie unsanft in die Realität zurück, und sie wurde rot. Merlin, verdammt! Sie hatte gestarrt.

 

„Nein, ich… bewundere nur, wie Sie jedes Objekt richtig einschätzen können“, räumte sie also ein, um nicht vollkommen lächerlich zu wirken. Aber eigentlich… war das schon lächerlich genug von ihr.

 

„Übung, Miss Granger“, sagte er nur. „Nichts weiter als das. Auf wie viel Galleonen würden Sie mein Haus schätzen?“, erkundigte er sich freundlich. Sie überlegte. Was sie heute gesehen hatte war das zweitgrößte Haus, was sie jemals gesehen hatte. Hogwarts wäre das größte, und es war nicht wirklich ein Haus.

 

„Malfoy Manor?“, vergewisserte sie sich nachdenklich, und er nickte abwartend.

 

„Nun, die Grundstückspreise pro Quadratmeter in Wiltshire liegen bei 100 Pfund für Muggel, für Zauberer gilt der höhere Maßstab auf Grund der Verschleirungszauber pro Quadratmeter, also nehme ich an… der Preis pro Quadratmeter liegt bei 1000 Galleonen?“, schätzte sie, aber er sah sie weiterhin an. „Ich habe gelesen Malfoy Manor hat fast fünf Hektar Land… das sind 50.000 m². Also alleine der Grundstückswert würde sich auf… 50 Millionen belaufen?“, fuhr sie etwas atemlos fort. „Das Anwesen ist… aristokratisch, also existiert seit dem siebzehnten Jahrhundert.“ Sie dachte kurz nach, denn sie könnte nur raten. Sie hatte keine Ahnung, wie groß das Anwesen wirklich war. Sie sah ihn achselzuckend an. „Ich würde Malfoy Manor auf knapp 100 Millionen Galleonen schätzen.“ Es objektiv zu formulieren war eine Sache. Aber die Bedeutung dahinter zu begreifen war… eine ganz andere.

 

Und dann lächelte er ein feines Lächeln.

 

„Es sind 105. Aber Sie waren erstaunlich nah dran, Miss Granger.“ Etwas atemlos überschlug sie die Zahlen in ihrem Kopf. „Was sind Ihre Pläne nach Hogwarts?“, fragte er abrupt. Sie zuckte die Achseln.

 

„Ich… weiß es noch nicht“, erwiderte sie ehrlich überrascht. „Ich hatte geglaubt, der Beruf als Auror wäre, was ich machen wollen würde. Dann hatte mich die Myteriumsabteilung überzeugt gehabt, und jetzt… muss ich sagen, ist ihre Abteilung am abwechslungsreichsten“, schloss sie verblüfft.

 

„Das werden Schaden und Begrenzung und die magische Strafverfolgung nicht gerne hören“, erwiderte er fast amüsiert. Ja, Hermine war auch in diesen Abteilungen gewesen, aber sie waren nichts im Vergleich zu den anderen. „Wenn Sie… Interesse haben, stelle ich Sie gerne einigen privaten Firmen vor, Miss Granger“, fuhr er neutral fort. „Sollten Sie Liegenschaften denn wirklich interessieren. Es gibt viele Möglichkeiten. Sie könnten Englands weltgrößte magische Bibliothek repräsentieren, Magische Museen in ganz Europa, Schlösser, Burgen – das Ministerium oder Hogwarts selbst“, fuhr er gelassen fort.

 

„Sie sagen, Sie kennen alle diese Zauberer, in deren Händen diese Objekte liegen?“, fragte sie fast spöttisch. Aber er lächelte.

 

„Sie kommen morgen alle in mein Haus, anlässlich der Feier unseres – wie nennen Sie es? Wurmloch?“, fragte er jetzt, und sie nickte perplex. „Es wird eine große Angelegenheit werden, und jeder will ein Stück vom Kuchen. Wenn Sie möchten, sind Sie morgen Abend eingeladen“, schlug er ihr vor. „Um Bekanntschaften zu knüpfen wäre es ideal. Nicht dass Ihnen nach Hogwarts nicht ohnehin sämtliche Türen offenstehen werden“, ergänzte er achselzuckend. Das dachte er? Hermine fühlte sich geschmeichelt, aber sie zweifelte auch nicht daran, dass ihre guten Noten auf einmal im letzten Jahr ein jähes Ende finden sollten.

 

Und ehe sie den Gedanken ausreichend abgeschlossen hatte, sprach ihr Mund.

 

„Ich komme sehr gerne, Mr Malfoy!“

 

~*~

 

Sie öffnete Rons Brief und setzte sich auf ihre Bettkante. Dies war der einzige Brief, der heute für sie angekommen war. Kein Brief mit dem Siegel von Hogwarts, hatte sie enttäuscht festgestellt. Vielleicht erreichte sie dieser Brief später, weil sie in einem Muggelhaus wohnten, vermutete sie etwas enttäuscht, aber… Rons Vogel war auch angekommen, wieso sollte also der Brief aus Hogwarts nicht auch angekommen sein?

 

Sie wusste keine Antwort darauf.

 

Ihr Blick hob sich wieder zum Fensterbrett. Denn der Vogel, der Rons Brief gebracht hatte, war noch immer da. Er war erst vorhin gelandet. Er war unglaublich bunt, so wie damals Sirius‘ Vögel, die seine Briefe gebracht hatten. Hermine hatte versucht, ihm einen alten Eulenkeks anzubieten, aus der Tüte, die sie in ihrer Schreibtischschublade aufbewahrte, für den Fall, Post zu bekommen, aber er hatte den Keks nicht gewollt. Er schüttelte sein purpurnes Gefieder, und sie wusste nicht, wie lange er auf ihrem Fensterbrett sitzen wollte. Da ganze Nacht über? Wie lange war er wohl geflogen? Was würden die Nachbarn sagen?

 

Eigentlich hatte sie Sorge, dass irgendeiner der Nachbarn den Tierschutz anrufen würde, um den Vogel fangen zu lassen, und in den Zoo zu bringen oder etwas Ähnliches.

 

Sie senkte den Blick auf das Blatt Pergament, was sie sorgfältig auseinandergefaltet hatte.

 

Hallo Hermine,

das Wetter ist gut hier. In zwei Wochen müssen wir hier schon wieder weg.

Lucius Malfoy kann kein guter Arbeitgeber sein, denn er ist ein aber besser wir reden persönlich darüber.

Der Gedanke an Hogwarts kommt mir anstrengend vor, aber auch der Gedanke, sechs Wochen Praktikum machen zu müssen, klingt nicht gerade schön.

Ansonsten ist alles in Ordnung bei uns.

Ginny und Harry grüßen dich. Ich grüße dich auch.

Dein Ron

 

Es war ein Brief, wie sie ihn erwartete hatte. Nein, eigentlich erwartete sie immer ein bisschen mehr. In Worten und in Bedeutung hinter den Worten.

Vielleicht bildete sie es sich ein, aber sie hörte Rons Wut aus seinen unordentlich geschriebenen Worten durchaus.

Es war natürlich mal etwas anderes. Kaum waren Harry und Ron in Urlaub zusammen, fand sie sich auf einmal auf Partys bei den Malfoys wieder.

 

Ihrer Mutter hatte sie noch nicht wirklich davon erzählt, dass sie morgen dort sein würde. Und je mehr sie darüber nachdachte, wollte sie es gar nicht erzählen, damit ihre Mutter nicht sonst was dachte. Hatte sie Angst? Nein. Sie war ja schon im Haus gewesen.

Und sie würde nicht trinken und würde apparieren, wenn sie ihre Bekanntschaften gemacht hatte. Sie dachte lächelnd an ihr Führungszeugnis und an die Chancen, die es ihr bringen würde. An die Türen, die ihr offen stehen würden, wenn Ron es niemals über sich bringen würde, sie auszubitten und sie schließlich alleine in die Welt wandern würde, mit den besten Noten, den besten Referenzen und der Auszeichnung, die man als Schulsprecherin eben natürlicherweise trug.

 

Wenn doch endlich der verdammte Brief ankommen würde!

 

Wieso war er nicht angekommen? Konnte sie es wagen, Dumbledore zu schreiben? Oder wäre es zu… - impertinent? Unbewusst kaute sie auf ihrer Unterlippe und nahm das Flügelschlagen nur aus den Augenwinkeln wahr. Sie hob den Blick zum Fenster. Der bunte Vogel hatte sich wieder in die Lüfte geschwungen. Besser für ihn, dachte Hermine.

 

London war nichts für ihn. Jetzt ging es zurück auf freiem Flug in exotische Länder…

Kurz war sie eine Sekunde lang neidisch auf den bunten Südseevogel.

Aber nur für eine winzige Sekunde.

 

 

Kapitel 4

 

Sie hatte lange überlegt, aber sie hatte Ron nicht zurückgeschrieben. Sie hätte bestimmt erwähnt, dass sie zu den Malfoys eingeladen war.

Der Tag im Ministerium war heute zäher vergangen, denn heute waren sie nicht draußen unterwegs gewesen. Lucius hatte viel Verwaltungsarbeit erledigen müssen, und sie hatte den halben Tag lang ausschließlich aktuellere, bewegliche Bilder zu den Liegenschaften des Ministeriums sortiert und die alten Bilder vernichtet.

Und das Ministerium besaß einiges an Gebäuden und Häusern, Landstrichen und sonstigen Kleinigkeiten.

 

Jetzt war sie seit Stunden zu Hause und war innerlich zumindest aufgewühlt und verärgert, weil noch immer kein Brief ihr Haus erreicht hatte, der mit vielen lobenden Worten verkündete, dass sie Schulsprecherin sein würde. Natürlich war sie nicht besessen von dem Gedanken, aber es war etwas, was sie sich seit dem ersten Jahr gewünscht hatte, seitdem sie Percy gesehen hatte, der diese Position innegehabt hatte und nun im Ministerium festangestellt war und Richtlinien verabschiedete.

 

Aber heute würde sie erst mal an etwas anderes zu denken haben, denn nur am Rand war ihr klar geworden, dass sie heute Abend auf eine Menge an Reinblütern treffen würde. Zwar war ihr bewusst gewesen, dass Lucius Malfoy selber Reinblüter war, aber seit Ende des Krieges hatte sie immer seltener über die magischen Unterschiede nachdenken müssen.

Erst heute war es wieder in ihr Blickfeld geraten.

 

Sie trug das schwarze Kleid, was sie Anfang des Sommers für formale Anlässe im Ministerium ausgesucht hatte. Sie war nervös, und noch mehr als das!

Sie kannte keinen der Anwesenden und sie wusste auch nicht, ob sie überhaupt jemanden dort kennen wollte. Sie war sich nicht sicher, was für einen Eindruck sie überhaupt nach Kriegsende hinterlassen hatte. Zumindest nicht bei den Reinblütern.

 

„Hermine?“ Sie hörte die Stimme ihrer Mutter von unten rufen, und sie hörte gleichzeitig die Missbilligung, die in ihrem Ton mitschwang. Sie verdrehte innerlich die Augen.

 

„Ja, Mum!“, rief sie zu hoch zurück.

 

„Kommst du dann?“ Sie wusste, sie würde sich gleich noch eine ordentliche Diskussion mit ihrer Mutter liefern müssen. Sie griff nach der schmalen schwarzen Handtasche und verließ ihr Zimmer. In ihrer Tasche hatte sie ihren Zauberstab verstaut, Lippenstift, Kayal und Puder. Ihr Portemonnaie, Haustürschlüssel und ihr Ticket für den Fahrenden Ritter, was sie heute im Ministerium besorgt hatte, damit sie heute Nacht gut nach Hause kommen würde. Er fuhr jede Stunde.

 

Die Schuhe waren nicht zu hoch, und ihre Mum wartete bereits am Fuß der Treppe. Sie bedachte Hermine mit einem strengen Blick.

 

„Wiltshire ist weit weg, Hermine“, tadelte ihre Mutter wieder. Hermine versuchte, innerlich ruhiger zu werden.

 

„Nicht, wenn ich appariere, Mum“, sagte sie zum zehnten Mal.

 

„Und dieser Mr. Malfoy… hat eine Frau, sagst du?“ Sie lehnte sich auf das Ende des Treppengeländers, während Hermine den dünnen Mantel über den Arm legte. Sie würde ihn nicht anziehen, es war zu warm.

 

„Ja, Mum. Ich muss los“, verabschiedete sie sich gepresst und spürte, wie hochrot ihre Wangen sein mussten. Merlin, noch mal!

 

„Dann pass auf dich auf, hörst du?“, rief ihre Mutter ihr nach, aber Hermine ging geradewegs auf die Straße, weg vom Haus. Ihre Mutter hatte ihren Vater überreden wollen, den ganzen Weg nach Wiltshire mit dem Auto zu fahren, um Hermine abzusetzen, aber Merlin sei Dank, hatte ihr Vater ganz und gar keine Lust gehabt, vierzig Minuten nach Wiltshire zu fahren und vierzig Minuten wieder zurück.

 

Also wirklich! Hermine verschwand hinter der nächsten Hauseinfahrt und apparierte ungesehen nach Malfoy Manor. Denn mit apparieren dauerte die Reise keine zehn Sekunden. Aber sie nahm an, sie würde Champagner trinken heute – oder was Reinblüter eben tranken – und dann wäre es sicherer, würde sie mit dem Ritter nach Hause kommen.

 

Sie landete sanft vor den Toren. Laternen beleuchteten die gesamte Auffahrt. Für den Anlass schien der Garten auf Hochglanz ausgestattet worden zu sein. Einige Gäste erkannte sie auf der weiten Wiese. Ein weißes Zelt war aufgestellt worden. Die Zeltwände waren mit weißen Bändern zusammengefasst worden, so dass man durch das rechteckige riesige Zelt durchsehen konnte. Stehtische standen dort, riesige Farne, Rosenbüsche und Exoten, die Hermine nicht kannte.

 

Aufgeregt erreichte sie die breiten Stufen, die hoch zum Eingang führten. Ehe sie jedoch den Versuch wagen konnte, hinauf zu gehen, wurde sie abgefangen.

 

„Hermine Granger“, rief eine Frau aus, die Hermine erst auf den zweiten Blick einordnen konnte. „Wie schön, dass Sie kommen konnten. Mein Mann hatte mir gesagt, seine Praktikantin würde vorbeischauen, aber ich war mir sicher, Sie würden es sich noch einmal überlegen“, fuhr Narzissa Malfoy lächelnd fort.

 

Sie trug ein fliederfarbenes Kleid. Es war fließend und luftig. Die Haare flossen ihr offen über den Rücken, in silbrigen Wellen, nur zwei Strähnen ihres ebenso langen Ponys waren hinten zusammen gefasst, damit ihr keine Haare ins Gesicht fallen konnten.

 

Sie war schön geschminkt, trug glänzenden Schmuck um den schlanken Hals, in den halb verdeckten Ohren, und sie wirkte wie eine Fee aus einem Märchen. Allerdings umspielte ein Hauch von Kälte ihre eisgrauen Augen, die von der Form Bellatrix‘ Augen so ähnlich waren, dachte sie mit einem Anflug von Schrecken.

 

„Guten Abend, Mrs Malfoy“, hauchte Hermine ehrfürchtig. „Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich die Einladung wahrgenommen habe“, flüsterte sie fast.

 

„Aber wo denken Sie hin, Miss Granger? Wieso sollte es? Gäste, die mein Mann einlädt, sind ebenso meine Gäste. Folgen Sie mir doch bitte“, winkte sie ab, aber dennoch wirkte sie herzlich. Eine Dame war hinter ihr zurückgeblieben und sprach nun wieder mit Narzissa, als Hermine ihr unsicher in den Garten folgte.

 

Es roch nach blühendem Jasmin, nach zarten Rosen, nach frisch gemähtem Gras, und es war der reinste Hochsommerabend. Und dann noch in diesem bezauberndem Ambiente.

 

„Miss Granger!“

 

Sie erkannte Lucius schon von weitem. Seine Haare waren unheimlich hell in der untergehenden Sonne. Wenn sie darüber nachdachte, dann wirkten er und seine Frau beide wie Gestalten aus einem Märchen. Sie fühlte sich unwillkürlich an Herr der Ringe und die Waldelben erinnert und musste lächeln bei dem Gedanken.

 

Lucius trug die Haare zusammengebunden, wie sonst auch. Sie erkannte schwarzen Samt in seinen Haaren. Sein Anzug glich einem Muggel-Smoking. Viele hier waren angepasst, stellte sie fest. Viele waren von Muggeln nicht zu unterscheiden, nur ältere Herren hatten den Umhang über dem Arm, oder trugen einen halben Umhang über ihrem Jackett.

 

Er lächelte freundlich und bedeutete ihr näher zu kommen, während ein Zauberer – Merlin sei Dank kein Elf – zu ihr kam und ein Tablett mit hohen Gläsern vor ihr Gesicht hielt. Sie ergriff ein Glas mit perlender Flüssigkeit, ohne davon zu probieren. Sie wollte wenigstens noch ein paar Menschen Halle gesagt haben, bevor sie womöglich zu betrunken war.

 

„Mr. Malfoy“, begrüßte sie ihn lächelnd.

 

„Mr. Green, Sie kennen Miss Granger?“, stellte Lucius ihr bereits einen Gast vor. Mr. Green hatte keinen Hals mehr, wie es schien. Er war ziemlich übergewichtig, trug eine kleine Brille auf der rundlichen Nase und fasste sie näher ins Auge.

 

„Aber sicher. Wir haben viel von Ihnen gehört“, bestätigte er in einem breiten amerikanischen Akzent.

 

„Er sitzt in Texas, einer Zweigstelle der Internationalen Zusammenarbeit“, informierte sie Lucius höflicherweise. Hermine nickte langsam.

 

„Es war auch mehr als an der Zeit, dass Voldemort zu Fall gebracht wurde. Zwar ist es schwer vorstellbar, dass Kinder diese Tat hatten vollbringen können, aber besser Sie als niemand, nicht wahr?“, lachte er tatsächlich, und Hermines Mund öffnete sich verblüfft.

 

Einige der Gäste hatten den Kopf gewandt.

 

„Sehr richtig, Howard, sehr richtig!“, wiederholte Lucius lächelnd. „Wollen wir anstoßen?“ Lucius prostete ihr zu, und er wirkte merklich ausgelassen. Hermine fragte sich unwillkürlich, wie viele Gläser er schon getrunken hatte?

 

Sie nippte an ihrem Glas. Es schmeckte kühl und erfrischend. Nicht so bitter wie Champagner. Im Ministerium hatte sie zur Feier von Voldemorts Untergang Champagner getrunken, und sie fand ihn herb und bitter.

 

„Bester Elfen-Champagner aus Montaione“, informierte Lucius sie mit einem entsprechenden Nicken.

 

„Florenz“, erwiderte sie bestätigend. „Er schmeckt wunderbar!“, ergänzte sie und nahm noch einen winzigen Schluck. Das würde sie brauchen, sollte sie noch jemand zu Voldemorts Fall beglückwünschen wollen – in einem Kessel voller Reinblüter.

„Sie haben einen wunderschönen Garten“, merkte sie an, als Howard Green damit beschäftigt war, den Kellner zu sich zu winken und mit seinem leeren Glas wild in der Luft gestikulierte.

 

„Vielen Dank, Miss Granger. Ein großer Garten ist viel Arbeit“, erwiderte er. Hermines Blick blieb plötzlich an zwei Gestalten hängen, die sie tatsächlich kannte. Sofort schlug ihr Herz schneller.

 

„Da hinten… - ist das Blaise Zabini?“, wagte sie zu fragen, und Lucius wandte nicht einmal den Blick.

 

„Sicher. Seine Mutter ist Vorsitzende des ‚Rose and Crowns‘ in der Stadt“, erklärte Lucius offen. Der Reinblüter-Club. Hermine kannte ihn natürlich vom Namen her. „Sie kennen Pansy Parkinson aus Hogwarts mit Sicherheit auch?“

 

Sie verengte die Augen und erkannte ein Mädchen neben Blaise. Ihre dunklen Haare waren schulterlang und schimmerten in der Sonne. Sie trug ein sehr kurzes helles Kleid und auch von hier erkannte Hermine ihre verboten hohen Schuhe.

 

Und sie war froh, hier bei den Erwachsenen stehen zu können und sich nicht mit arroganten Slytherins unterhalten zu müssen. Fast musste sie schmunzeln. Natürlich hätten sich arrogante Slytherins nicht mit ihr unterhalten. Aber das beruhte auf angenehmer Gegenseitigkeit. Sie nippte erneut an ihrem Getränk.

 

Es gesellten sich mehrere Zauberer zu ihnen, teilweise große Köpfe der Architektur aus China, Norwegen und Kenia, und Hermine lernte mit jedem Schluck Champagner die Namen besser auszusprechen.

 

Die Sonne war schließlich versunken und Glühwürmchen flogen durch die Rosenbeete, während die Lampions und Fackeln, die Laternen und die magischen Lichter den Garten erleuchteten.

 

Von irgendwoher vernahm Hermine endlich die Musik, die wohl schon den gesamten Abend spielte, und sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie irgendwann angefangen hatte, mit Narzissa Malfoy ins Gespräch zu kommen, nachdem sie von einem Alchemisten aus New York über die Beschaffenheit der schwarzen Löcher aufgeklärt worden war. Allerdings hatte er schon mächtig gelallt, also war Hermine sich nicht vollkommen sicher, wie verlässlich seine Worte noch waren.

 

Aber jetzt war sie gerade in ein Gespräch über Hogwarts vertieft.

 

„Ich persönlich war einmal im Gryffindorturm, aber…“ Sie sah sich verschwörerisch um, „das ist ein Geheimnis gewesen, seiner Zeit“, ergänzte sie ruhiger. Eine sanfte Röte war in ihre hohen Wangen getreten. Je länger Hermine in das hübsche Gesicht blickte, umso bekannter kam es ihr tatsächlich vor.

 

„Was haben Sie im Gryffindorturm gemacht?“, wollte Hermine wissen, denn es interessierte sie ungemein. „Waren Sie Schulsprecherin gewesen?“, sprach sie ihre Theorie aus, aber Narzissa lachte sanft.

 

„Ich? Nein, ich… war wohl nicht engagiert genug gewesen, um tatsächlich Schulsprecherin zu sein“, erklärte sie achselzuckend. „Ich bin mit einem Jungen ausgegangen und er wollte mir den Gryffindorturm zeigen“, fuhr sie lächelnd fort. „Lucius wusste davon natürlich nichts. Zu dieser Zeit war ich im sechsten Jahr, Lucius im siebten, und er war Schulsprecher von Hogwarts.“ Hermines Mund öffnete sich verblüfft.

 

„Mr. Malfoy war Schulsprecher?“, entfuhr es ihr verblüfft, aber sie bereute ihren Unglauben sofort.

 

„Sicher, er war klug, rechtschaffen…“ Narzissa winkte mit der Hand ab. „Absolut langweilig!“, flüsterte sie, und Hermine merkte, auch sie war ein wenig angetrunken. Hermine musste lachen. „Nein, ich hatte eine Verabredung mit…“ Aber sie hielt inne. Dann wurde ihr Lächeln sanfter.

 

„Mit wem?“, entfuhr es Hermine atemlos. Kurz dachte sie nach, wen sie in Narzissas Alter kannte, aber ihr fiel niemand ein. Arthur Weasley war um einiges älter als Narzissa und war wohl nicht mehr auf Hogwarts gewesen, in Narzissas sechstem Jahr.

 

„Es war… ein regelrechter Skandal. Oder das wäre es gewesen, wäre es jemals herausgekommen.“ Sie lächelte allerdings bei den Worten. „Ich hatte eine Verabredung mit dem schlechtesten Umgang auf Hogwarts“, gestand sie lachend ein. „Aber… es war nur ein Date, was wir hatten. Es war… mehr ein Spaß.“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Und es hat sich dann alles ohnehin zerschlagen“, fuhr sie abwesender fort.

 

Dann traf sie Narzissas Blick unerwartet.

 

„Kenne ich die Person?“, wollte Hermine unwillkürlich wissen, obwohl sie es sich nicht vorstellen konnte. Narzissa schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Er… starb noch vor ihrer Geburt“, erwiderte sie ruhig. Und Hermine sah sie an, ehe sich ihre Augen weiteten.

 

„Aber… Sie wollen mir nicht sagen, dass Sie mit…?“ Hermines Mund öffnete sich überrascht.

 

„James Potter war mit der beliebteste Junge der Schule. Ich glaube, niemand konnte sich seinem Charme ausreichend verwehren“, lachte sie jetzt. Hermine musste grinsen bei den Worten. Wenn Harry das wüsste! „Aber natürlich war ich eine Lady und habe seine Tricks alle durchschaut“, ergänzte sie zwinkernd, und Lucius trat zu ihnen.

 

„Wessen Tricks?“, wollte er lächelnd wissen.

 

„Deine, Liebling“, sagte sie sofort, und Hermine presste lächelnd die Lippen aufeinander und senkte den Blick. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Blaise und Pansy immer noch weit ab von den Erwachsenen standen, wie sich Gregory Goyle zu ihnen gesellte. Zumindest nahm sie an, es war Goyle. In den vielen Farben der Lampions war es schwer auszumachen.

„Wo ist Draco?“, fragte sie plötzlich, und erst jetzt fiel Hermine wieder ein, dass Lucius und Narzissa ja ebenfalls einen Sohn hatten.

 

Sie war ganz froh, dass keiner ihres Jahrgangs hier neben ihr stand.


„Ich weiß es nicht.“ Lucius Stimme hatte sich merklich abgekühlt. „Möchtest du noch einen Drink?“, schien er abzulenken, nahm Narzissa das leere Glas ab und verschwand weiter hinten im Garten. Jetzt schwiegen Hermine und Narzissa beide.

 

„Ich wünschte, mein Sohn wäre interessierter an seiner Zukunft“, sagte Narzissa plötzlich und zuckte anschließend die Achseln. „Mit Sicherheit kommt das noch“, fuhr sie fort, eher an sich selbst gerichtet, stellte Hermine fest. Plötzlich senkte sich Narzissas Blick wieder auf sie.

„Und? Haben Sie einen festen Freund, Miss Granger?“, fragte sie wieder etwas munterer. Hermine schüttelte langsam den Kopf, während sie die Hitze in den Wangen spürte.

 

„Ich… nein“, sagte sie abwehrend.

 

„Was? Eine hübsche, begabte junge Hexe hat keinen festen Freund?“ Hermine war Komplimente nicht gewöhnt und vertrug sie auch nicht gut. Sie glaubte ihnen nicht und sie brauchte sie auch nicht. Und von Narzissa Malfoy war es nicht nur ungewohnt, sondern auch unangenehm. „Aber ich bin sicher, sie haben genügend Bewerber?“, wollte Narzissa zwinkernd wissen, während Hermine sich sehnlichst ebenfalls noch ein Glas Champagner wünschte.

 

„Äh…“

 

„Ronald Weasley war doch ein Begleiter auf Ihrer… Reise?“ Narzissa wählte wohl mit Absicht dieses Wort als Vergleich. Und ja, Ron war ein Begleiter. Und Hermine wurde nur noch röter. Oh Merlin!

 

„Wir… wir sind Freunde. Genauso wie Harry und ich Freunde sind“, erklärte sie peinlich berührt.

 

„Richtig, Harry Potter wäre auch ein passabler Partner“, bemerkte Narzissa nickend. Hermine kaute auf ihrer Unterlippe. Dann winkte Narzissa entschuldigend ab.

„Bitte, verzeihen Sie, Miss Granger. In unseren Kreisen sind die Ehen meist schon vorbestimmt und die jungen Hexen haben sich ausreichend Gedanken über eine geeignete Verbindung gemacht. Manchmal vergesse ich, dass es nicht in allen Kreisen gilt, sich einen passenden Partner auszusuchen“, erklärte sie lächelnd, und wieder war sich Hermine nicht sicher, ob Narzissa sie beleidigt hatte oder einfach nur sprach.

„Ich nehme an, Ihre Eltern stellen sich einen Muggel an Ihrer Seite vor?“

 

Hermines Mund öffnete sich langsam.

 

„Ich… das weiß ich nicht. Meine Eltern werden akzeptieren, wen auch immer ich mir aussuchen würde“, brachte sie gepresst über die Lippen. Und einen Muggel würde sie sich bestimmt nicht aussuchen!

 

Der Moment, der entstand war unangenehm.

 

„Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten?“, entschuldigte sie sich mit einem feinen Lächeln. Hermine schüttelte nur unbeholfen den Kopf, während sie unauffällig nach Lucius Ausschau hielt. „Ophelia, meine Liebe! Ich hatte dich schon längst sprechen wollen!“, entfuhr es Narzissa, als eine schwer beringte Dame an ihnen vorbeischritt. „Hermine Granger, Mrs Parkinson“, stellte Narzissa beide knapp vor. Hermines Blick verfing sich am Gesicht der fremden Frau und sie sah genauso aus wie Pansy.

 

Lucius kam endlich wieder in ihr Sichtfeld, als Ophelia Parkinson sie erfolgreich ignoriert hatte und Narzissa in ein Gespräch über feinstes Perl-Leinen verwickelt hatte. Unauffällig hatte sich Hermine schon einen Schritt abseits bewegt.

 

Hinter Lucius erkannte sie seinen Sohn.

 

Lucius kam mit zwei Gläsern auf sie zu, sein Sohn folgte ihm missmutig.

 

„Meine Damen“, unterbrach Lucius das Dekorations-Gespräch der Frauen und reichte Narzissa und ihr je ein volles neues Glas. Hermine dachte gerade noch daran, dass sie aufhören sollte zu trinken, da machte Ophelia Parkinson neben ihr ein entzücktes Geräusch.


„Nein, Draco! Der Anzug steht dir hervorragend! Sie kommen jetzt in dieses Alter, wo sie fast schon Erwachsene sind“, bemerkte Ophelia verzückt, während Malfoy mörderisch wirkte, als er sich dazu zwang, nicht weiterzugehen, sondern stehen zu bleiben.

 

Hermine nippte demonstrativ an ihrem Champagnerglas.

 

„Ja, fast. Man sollte es meinen“, bemerkte Lucius kühl. Hermines Blick glitt über die Familie vor ihr. Narzissa hatte die Hand auf Dracos Schulter gelegt, während er nicht gelangweilter aussehen konnte. Die Fliege hatte er nicht zugebunden. Sie lag lose um seinen Hals. Sein Blick traf sie schließlich, und jetzt wurde ihr klar, dass er aussah wie seine Mutter. Seine Gesichtszüge ähnelten mehr denen seiner Mutter. Lucius stand etwas weiter ab und ignorierte seinen Sohn, wie es schien.

 

„Draco, du kennst Miss Granger?“ Seine Mutter schien darauf bedacht, die höfliche Etikette des endlosen Vorstellens und Begrüßens einzuhalten, obwohl Hermine betete, dass es aufhören würde. Seine Mundwinkel zuckten lediglich, während sich seine Oberlippe kräuselte. Hermine hielt sich gerade noch davon ab, die Augen zu verdrehen. Er hatte bisher kein Wort gesprochen, und sie hoffte, es würde so bleiben.

 

Sie wusste genau, warum sie Erwachsene besser leiden konnte. Sie waren nicht so kindisch und überheblich und wollten kleine Machtspielchen aufrechterhalten. Es war einfach nur anstrengend mit Slytherins, dachte Hermine verzweifelt.

 

„Draco?“, wiederholte Narzissa nun strenger.

 

„Ja, Mutter“, sagte er schließlich gezwungen.

 

„Miss Granger, hätten Sie Interesse daran, Draco zu seinen Freunden zu begleiten? Sie müssen nicht den ganzen Abend uns alten Leuten Gesellschaft leisten“, lachte Narzissa jetzt, während sie Dracos Wange scherzhaft streichelte und er sich sofort der persönlichen Geste entzog. Hermine hätte am liebsten den Kopf geschüttelt über so viel Anstellerei.

 

„Ach, wissen Sie, ich amüsiere mich mehr in Ihrer Gesellschaft hier“, erklärte sie höflich. Sie ignorierte ihn und ließ ihren Blick zufrieden über den hübschen Garten wandern.

 

„Aber ich bitte Sie! Sie müssen keine Höflichkeiten vorschützen!“, entfuhr es Narzissa amüsiert. Hermine fühlte sich in eine Ecke gedrängt, aus der Sie keinen Ausweg wusste. Und sie wusste nicht, weshalb, aber sie hob fast hilfesuchend den Blick und sah Lucius an.

 

Sie wusste nicht, was Lucius dachte oder denken musste. Aber er schien sehr kurz in seinem Kopf eine Antwort abzuwägen. Die Stille, die entstand, war kurz, nur momentär, aber Hermine merkte, die Stille war definitiv da, und sie wusste, entgegen seines besseren Wissens und Wollens schien Lucius zu einem anderen Schluss zu kommen.

 

„Sie können Draco gerne begleiten. Ich will Sie nicht an unsere Gespräche fesseln“, sagte er, aber sie wusste, er meinte das nicht! Aber sie durchschaute nicht, was er eigentlich meinte. Oder vielleicht war sie langsam betrunken und missverstand alle Signale. Sie wünschte sich jedoch, er hätte sie nicht fortgeschickt. Fort, mit seinem Sohn.

Und das einfach nur, weil sie geglaubt hatte, Lucius würde sie besser einschätzen können als das, würde besser wissen, dass sie nicht das leiseste Interesse hatte, seinem Sohne jedwede Art von Gesellschaft zu leisten.

 

Aber Lucius war eben nur ihr Vorgesetzter, der Abteilungsleiter und nicht ihre beste Freundin. Sie wusste, sie würde nicht mit seinem Sohn gehen, sondern einfach direkt raus aus dem Garten. Sie würde warten, bis der Fahrende Ritter sie abholte. Das war es dann eben gewesen. Es war ein guter Abend gewesen. Auch wenn sie sich nicht sicher war, wie sie das Gespräch mit Narzissa werten sollte.

 

„Draco?“, wiederholte seine Mutter wieder auffordernd, und er schien gereizt auszuatmen.

 

Er wandte sich zum Gehen, und sie folgte ihm unwillig, denn was sollte sie sonst tun?

 

Sie ging neben ihm durch das getrimmte Gras und achtete darauf, dass ihre Absätze nicht einsanken. Unauffällig fiel sie immer mehr Zentimeter hinter ihm zurück, bis er soweit vorangegangen war, dass sie unauffällig stehen bleiben konnte.

 

Sie trank einen tiefen Schluck Champagner, und es war ihr egal, dass sie es noch bereuen würde, so viele Gläser getrunken zu haben. Sie vermisste Ron und Harry plötzlich so sehr, dass es kurz wehtat.

 

Sie nahm Gesprächsfetzen um sie herum nur teilweise war. Der süße Sommerduft benebelte sie, und seufzend steuerte sie den Ausgang an. Sie erkannte die jüngeren Leute etwas abseits vom Fest und merkte, dass sie beobachtet wurde. Malfoy hatte seine Freunde erreicht, und ihn mit seinen Freunden zu sehen, erinnerte sie nur daran, dass ihre Freunde allesamt im Urlaub waren.

 

Sie seufzte schwer und verließ den Rasen. Sie hatte wieder Kies unter ihren Füßen.

 

„Miss Granger, Sie gehen, nehme ich an?“ Sie wusste nicht, ob Lucius ihr gefolgt war, aber sie musste es annehmen. Sie war kurz erschrocken über sein Auftauchen. „Aber damit ist wohl zu rechnen?“ Er lächelte freudlos.

 

„Ich… nein! Es war wirklich ganz wunderbar bei Ihnen! Aber morgen ist ein Wochentag und… mein Vorgesetzter ist immer sehr früh im Büro“, machte sie einen schwachen Scherz. Tatsächlich nickte er freundlich.

 

„Ich hatte Sie wirklich nicht abschieben wollen“, schien er sich gehalten zu fühlen, ihr zu versichern. Sie runzelte die Stirn. „Aber ich verstehe die Winke meiner Frau mittlerweile gut genug“, fuhr er knapp fort. Und Hermine war sich nicht sicher, was es bedeuten sollte, aber es klang schrecklich nach etwas, was ihre Mutter hätte äußern können.

 

„Was… genau meinen Sie damit?“, fragte sie also verwirrt, aber er lächelte nonchalant.

 

„Vielleicht möchten Sie mir Ihr Glas noch geben, ehe Sie gehen?“, erwiderte er stattdessen, und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie das Kristallglas wohl oder übel mitgenommen hätte. „Ich sehe Sie morgen“, ergänzte er, als sie ihm unter roten Wangen das Glas zurückgegeben hatte, was sie sonst wohl gestohlen hätte. Merlin!

 

„Mr. Malfoy?“ Hermine wusste nicht, woher sie gekommen war – aus dem Nichts anscheinend -, aber Pansy Parkinson stand plötzlich neben ihr. Ihr Lidschatten schimmerte im Halbdunkeln. Das Makeup machte sie deutlich älter. Hermine hätte sie auf den ersten Blick bestimmt nicht erkannt.

 

„Ja, Pansy?“, erwiderte Lucius.

 

„Sir, meinen Sie, es wäre in Ordnung, wenn wir uns im Blauen Salon aufhalten?“ Sie klimperte verschwörerisch mit den Wimpern. Lucius schien darüber nachzudenken. „Wissen Sie, wir haben hier draußen ohnehin nicht viel verloren. Miss Granger kann uns gerne begleiten, wenn Sie gestatten?“

 

Pansy konnte höfliche Worte aussprechen? Hermine war vollkommen verblüfft. Und ganz bestimmt würde sie niemanden irgendwohin begleiten!

 

„Meinetwegen“, gab Lucius gedehnt nach. „Aber höchstens nur noch eine Stunde! Und ich will kein Chaos da unten haben!“, ergänzte er strenger. Mit Pansy sprach er anders. Mit Pansy sprach er…. wie ein Kind, fiel ihr auf. Ja, wenn sie darüber nachdachte, sah er Pansy auch so an.

 

„Möchten Sie die jungen Leute begleiten, Miss Granger?“

 

Aber Pansy hatte sich Pansy-untypisch bei ihr untergehakt, und Hermine hob ungläubig die Augenbraue.

 

„Aber sicher möchte sie das!“ Pansy grinste fröhlich. Lucius nickte langsam. „Noch einen schönen Abend, Mr. Malfoy!“ Lucius nickte ihr noch ein letztes Mal zu, und kaum hatte er sich abgewandt verwischte Pansys Lächeln eine Spur.

 

„Leute, kommt!“, rief sie, und aus dem Dunkeln tauchten Goyle und Malfoy und ein lachender Blaise auf.

 

„Hey, Hermine!“, begrüßte er sie überrascht. „Fantastisch, dich hier zu sehen!“ Sie hörte, er war angetrunken.

 

„Granger begleitet uns in den Blauen Salon!“, entfuhr es Pansy triumphierend.

 

„Nein, ich-“, versuchte sie zu widersprechen, aber Blaise hatte den Arm um ihre Schulter gelegt.

 

„Also, ich habe versucht, mit dem alten Carnegie ein Gespräch zu führen – und keine Chance! Was ist der Trick?“ Hermine musste fast lachen bei seiner ehrlichen Ratlosigkeit.

 

„Oh nein! Es hat dir keiner gesagt?“, mutmaßte sie lächelnd, während sie gar nicht merkte, dass sie wieder zum Haus zurückgingen. „Nach dem Unfall vor einigen Jahren mit dem magischen Bombast-Pullvor ist Mr. Carnegie taub. Er ist sehr eigen und will nicht anders behandelt werden – aber… ein Gespräch wirst du mit ihm wohl nicht mehr anfangen können!“, schloss sie kopfschüttelnd, und Blaises Ausdruck wurde ernst.

 

„Nicht dein Ernst!“, entfuhr es ihm tonlos. „Merlin, und ich fasel ihn zu mit irgendwelchen Quidditchergebnissen und reiße mir den Hintern auf, damit er mich für wahnsinnig interessant und eloquent hält“, rief er kopfschüttelnd aus. „Was für eine Zeitverschwendung!“

 

Pansys Lächeln war eine seltsame Mischung aus Abscheu und Neugierde. Es ähnelte Narzissas Lächeln, stellte Hermine fest.

 

„Du arbeitest jetzt für Lucius?“, unterbrach Pansy interessiert Blaises Anekdote. Hermine wurde wieder schmerzlich bewusst, wo sie war und mit wem, doch ehe sie die Flucht ergreifen konnte, hatte Blaise sie mit ins Haus bugsiert.

 

„Ich glaube, ich sollte wirklich gehen“, brachte sie hervor.

 

„Ach, Unsinn! Wir kennen uns doch alle!“, rief Blaise lachend aus.

 

„Ja, eben“, bemerkte sie eine Spur bitterer, und sogar Pansy musste lachen. Es wirkte etwas künstlich, aber sie schüttelte höflich den Kopf.

 

„Nein, wir… würden gerne Zeit mit dir verbringen, Hermine“, probierte sie den Namen aus, den Blaise mit seltsamer Leichtigkeit über die Lippen brachte. „Ich meine, es kann keinen Spaß machen mit den alten Spießern rumzuhängen“, fuhr sie verständnislos fort. „Und ich weiß, in Hogwarts hatten wir unsere Differenzen, aber in der magischen Gesellschaft sollten wir langsam bereit sein für… Veränderungen, für… Offenheit und…“ Hilfesuchend wandte sie sich an Goyle.

 

„Und Muggel?“, schien er ratlos zu vervollständigen, und Pansys Mund öffnete sich.

 

„Gregory! Nein, das meinte ich natürlich nicht!“, entfuhr es ihr gepresst. Hermine fand die Situation seltsam. Mehr als das. Und Pansy und Blaise schienen eine muggelfreundliche, treibende Kraft zu sein, während Goyle nicht zu wissen schien, was vor sich ging. Ganz zu schweigen von Malfoy, der zurückgefallen war und ganz und gar genervt wirkte.

 

Und Hermine hatte damit bestimmt nicht mehr gerechnet.

 

Hermine, ich habe immer zwei Bikinis dabei“, sagte Pansy schließlich, als sie abgebogen waren, um eine marmorne Steintreppe hinabzugehen. Und Hermine musste sie entsprechend verstört ansehen, denn Pansy lächelte plötzlich.

„Wirklich, das ist kein Problem. Ich möchte wirklich, dass wir unsere Differenzen begraben, ok?“ Hermine begriff kein einziges Wort.

 

Was hatte ein Bikini damit zu tun? Und es verwirrte sie, wie Pansy betont freundlich ihren Namen aussprach.

 

„Merlin verflucht“, hörte sie Malfoy hinter sich knurren.

 

„Draco, halt dich da raus“, schnappte Pansy zuckersüß.

 

„Wovon redest du?“, wagte Hermine zu fragen und sehnte sich nach dem Fahrenden Ritter. „Ich denke, ich sollte wirklich besser gehen“, wagte Hermine wieder einzuwerfen.

 

„Und da stimme ich zu hundert Prozent zu“, murrte Malfoy hinter ihr.

 

„Aber es ist noch keine elf!“, entfuhr es Pansy enttäuscht, während sie Hermine erbarmungslos tiefer in den Keller zog. Es sah zwar nicht aus wie ein Weg in einen Keller, aber es fühlte sich so an, weil sie tiefer gingen. Es war eher wie ein teures Hotel, überlegte Hermine.

 

Sie überlegte, dass, wenn sie heute von Reinblütern umgebracht und verscharrt werden würde, Harry und Ron erst in zwei Wochen mit der Suche nach ihr beginnen konnten.

 

„Wie viele Muggel wurden hier unten schon umgebracht?“, erkundigte sie sich trocken bei Malfoy und wandte den Kopf über die Schulter.

 

„Tausende, Granger. Du wirst dich wohl fühlen“, erwiderte er tatsächlich, und Pansy schnappte keuchend nach Luft.

 

„Draco! Hör auf damit! Das ist nicht witzig!“ Pansys gute Laune war verflogen. „Merlin, kannst du dich nicht einmal zusammen reißen?“

 

„Ja, sei bitte beleidigt, Pansy. Und sieh zu, wie sehr mich das belastet“, vernahm sie seine ätzende Stimme hinter sich, und sie bogen um einen schweren Rauputzpfeiler. Hermine hatte den Geruch schon vorher erkannt, aber jetzt erst verarbeitet. Es roch nach Chlor.

 

Der Raum hatte sich groß vor ihnen geöffnet. Es erstreckte sich eine Poollandschaft von freizeitbadlicher Ausmaße vor Hermines Augen. Eine regelrechte Lagune lag hier unten verborgen. Die Decke musste magisch erhöht sein, denn sie glaubte, oben tropische Vögel kreisen zu sehen, und es machte physikalisch keinen Sinn, dass hier unten im Keller ein Berg aus dem Wasser ragte. Das Wasser selber war tropisch Türkis, und es war wesentlich wärmer hier unten.

 

„Willkommen im Blauen Salon“, erklärte Pansy lächelnd. „Blaise, mix uns was!“, befahl Pansy gutgelaunt. Hermine erkannte eine in Stein eingelassene Bar an der anderen Wandseite und eine Reihe von Liegen, gemütlich beleuchtet in einer Reihe aufgestellt.

Ein Wasserfall plätscherte in dreißig Meter Entfernung, und ja. Hermine war ernsthaft beeindruckt.

 

Und es hatte in etwa so viel mit einem Blauen Salon zu tun wie Hagrids Hütte mit dem Louvre in Paris, aber Hermine brachte keinen Ton über die Lippen.

 

„Also, blau oder pink?“, schien Pansy die alles entscheidende Frage zu stellen, und Hermine starrte sie verständnislos an. „Der Bikini!“, ergänzte Pansy und verdrehte die Augen.

 

„Ich sollte wirklich nicht-“

 

„-ich denke, pink steht dir besser!“, unterbrach Pansy sie rigoros. „Komm mit“, sagte sie anschließend, und Hermine glaubte immer noch, dass sie vielleicht doch schon vor Stunden von den Malfoys unter Drogen gesetzt worden war, und gerade einfach nur träumte, dass sie im Keller von Malfoy Manor einen pinken Bikini von Pansy Parkinson geliehen bekam….

 

Ein Traum wäre realistischer als… die Realität, nahm sie an.

 

Pansy hatte sie um die Ecke zu schmalen Umkleidekabinen geführt.

 

„Ich kann wirklich nicht bleiben. Ich möchte nach Hause, denn ich muss morgen früh aufstehen. Und ich werde keinen Bikini anziehen!“, informierte Hermine Pansy jetzt beinahe entrüstet, während Pansy tatsächlich eine Art Dackelblick aufsetzte, aber Hermine schüttelte rigoros den Kopf.

 

„Nein! Auf gar keinen Fall! Über meine mausetote Leiche!“

 

~*~

 

Sie wusste nicht, warum.

 

Sie wusste es einfach nicht. Sie lag neben Pansy auf der Liege. Der Bikini passte fast. Das Höschen war ein wenig zu eng um ihre Hüften, denn ihre Hüften waren wohl etwas ausladender als Pansy, aber sie fühlte das Oberteil immerhin angemessen aus.

 

Sie trank aus einem pinken Strohhalm eine quietschgelbe Flüssigkeit. Sie war sauer und gleichzeitig süß und schmeckte leider viel zu gut, als dass es sich wirklich um ein alkoholfreies Getränk handeln konnte.

 

Sie war selber viel zu schockiert über ihre nicht vorhandene Standhaftigkeit, um den Gesprächen überhaupt zuzuhören, die die anderen führten.

 

Blaise lag auf einer Luftmatratze auf dem Wasser und schipperte am Rand entlang. Malfoy saß am Rand, hatte eine verspiegelte Sonnenbrille auf der Nase und beteiligte sich nicht am Gespräch von Pansy, Blaise und Goyle. Alle drei schienen eine recht karriereorientierte Zukunft anzustreben.

 

„Ich wünschte, ich hätte dieses Praktikum im Ministerium angeboten bekommen“, entfuhr es Pansy bedauernd. „Aber es ist nicht schlimm“, räumte sie siegessicher ein. „Das Abzeichen bringt mit genug Prestige für jede Bewerbung, die ich abschicken werde“, erklärte sie nickend.

 

„Ja, und dein ganzes Gold dürfte dir genügend Prestige bringen“, bemerkte Blaise grinsend vom Wasser aus.

 

„Ach, Gold bringt einen auch nur einen Teil des Weges voran. Hermine kann sich bestimmt auch nicht für immer auf ihren Kriegsheldenstatus verlassen, oder?“, wandte sich Pansy an sie, aber Hermine nippte weiter gedankenverloren an ihrem Getränke.

 

„Ich denke, wenn wir dieses Jahr mit guten Noten hinter uns bringen haben wir eine gute Chance“, sagte Goyle jetzt überzeugt. „Es gibt so viele Eingliederungs- und Aufbauarbeiten, die immer noch nicht vollständig ausgeschöpft sind, dass uns doch alle Türen offenstehen.“

 

„Möglich“, räumte Pansy ein, und Hermine konnte nicht fassen, wie man so unglaublich erwachsen sein konnte. Wie Slytherins, die eigentlich nichts anderes waren, als arrogante Idioten plötzlich… normal sein konnten?! Aber Harry und Ron würden ganz bestimmt anders denken.

 

Hermine musste plötzlich lächeln.

 

„Was?“, fragte Blaise sofort.

 

„Nichts“, murmelte Hermine, ungläubig über sich selbst.

 

„Sag schon“, forderte Blaise sie auf.

 

„Ach… ich habe nur gedacht, dass mich Harry und Ron für verrückt erklären werden, sollte ich ihnen je von diesem Abend erzählen“, murmelte sie kopfschüttelnd. Die anderen schwiegen kurz. Außer Malfoy, der sich sowieso nicht beteiligte, der reagierte gar nicht.

 

„Jaah“, bestätigte Blaise nachdenklich.

 

„Nein, dieses Jahr wird alles anders“, erklärte Pansy überzeugt.

 

„Wieso kommst du darauf, dass-“ Hermine unterbrach sich selbst. Und plötzlich war in Hermines Kopf eine entscheidende Information eingerastet.

Sie starrte Pansy an. „Was meinst du damit?“, entfuhr es ihr plötzlich nüchterner als zuvor. „Welches Abzeichen bringt dir genügend Prestige?“ Die Worte verließen zögernd und heiß Hermines Mund. Und Hermine erfasste bereits kalte Übelkeit, ehe Pansy sprechen konnte.

 

„Das Schulsprecherabzeichen“, erwiderte Pansy, als wäre es selbstverständlich. Als wäre es fast töricht, dass Hermine fragte!

 

„Ah…“, erwiderte Hermine. Sie meinte wohl, das Vertrauensschülerabzeichen… - nein. Das… hatte sie nicht gesagt, ging Hermine dumpf auf. Ihr Blick glitt auf das spiegelnde Wasser. „Du… du denkst, du bekommst das Abzeichen?“, konnte sie nicht verhindern, zu fragen. Und sie klang tatsächlich… mitleidig gegenüber Pansy, stellte Hermine beunruhigt fest. So war sie für gewöhnlich nicht. Aber Pansy schüttelte nur den Kopf.

 

„Nein, ich weiß, dass ich es bekomme. Ich… habe es ja schon zugeschickt bekommen. Oh, es war eine absolute Aufregung!“, begann sie zu erzählen. Aber Hermines Stirn runzelte sich verständnislos.

 

„Du bist absolut sicher?“, unterbrach sie Pansys Erzählung ungläubig, und diese sah sie jetzt ein wenig verstört an.

 

„Natürlich. Dumbledores Brief war sogar ziemlich persönlich geschrieben“, schwärmte sie jetzt, während Blaise grinsend den Kopf zurücklegte.

 

„Du wirst uns das ganze Jahr keine Ruhe damit lassen, oder?“

 

„Blaise! Das ist eine große Verantwortung, und ich werde sie bestimmt nicht ziehen lassen! Es bedeutet, dass ich aus Slytherin endlich dazu beitragen kann, dass Häuserfeindlichkeiten aufhören“, erklärte sie, und Hermine konnte sie nur anstarren. Was?! Das war Hermines Aufgabe! Ganz bestimmt nicht Pansy Parkinsons Aufgabe!

„Und jetzt habe ich Lust auf eine Runde im Wildwasserstrom! Hermine, kommst du?“, fragte sie munter, aber Hermines Welt war so eben zusammen gebrochen, und sie konnte nur mit Mühe verhindern, nicht einen peinlichen, tränenreichen Schreikrampf zu bekommen.

 

„Nein“, entfuhr es ihr tonlos und heiser, während sie das Stechen in ihren Augen zu verdrängen versuchte. Goyle schien an Pansys Bewegungen gekoppelt zu sein, aber sie machte auch eine gute Figur im Bikini, nicht dass Hermine darauf noch achten konnte! Auch Blaise ließ sich am Rand hinter beiden hertreiben, und Hermine hatte keine Ahnung, wohin sie verschwanden. Malfoy hatte sich umgewandt und warf ihr über die gelbspiegelnden Brillengläser ein fast dreistes Lächeln zu. Das erste, was sie an ihm sah.

 

„Das ist es fast wert, dass ein Schlammblut auf meinen Liegen liegt“, bemerkte er bitter. Ihr Blick fiel fassungslos auf ihn. Nur er schien bemerkt zu haben, was gerade passiert war.

Was passiert war, war nämlich, dass die Welt verrückt geworden war.

Denn sie – Hermine Granger – hatte nicht das Schulsprecherabzeichen in ihren Händen. Und sie hatte es für sicher gehalten, für einen gemachten Deal. Für… - seit dem ersten Jahr hatte sie es kommen gesehen! Hatte davon geträumt, und es stand außer jeder Frage, dass sie die einzige war, die berechtigt war, es zu tragen!

 

Sie war Schulsprecherin! Hermine Granger war Schulsprecherin von Hogwarts! Kriegsheldin, Muggelaktivisten! Sie war die verdammte Vorzeigeschülerin aus Gryffindor, die beste Freundin von Harry Potter! Wie – verdammt noch mal – war es möglich, dass sie nicht Schulsprecherin sein konnte?!

 

Es gab keine Antwort darauf. Dumbledore musste ein Fehler passiert sein! Das war die einzig logische Erklärung!

 

Und das war die Antwort darauf.

 

Sie erhob sich schwach. Vielleicht war es eine Strafe? Es war die Strafe dafür, dass sie, eine Muggel, für Lucius Malfoy arbeitete, und es ihr auch noch gefiel! Es war die Strafe, dass sie seine Einladung angenommen hatte, dass sie jetzt Pansys Bikini trug und hier war!

Tränen der Wut verschleierten ihren Blick nahezu vollständig. Sie hörte ihn auflachen.

 

„Willkommen auf Malfoy Manor, wo jeder bekommt, was er verdient-!“ Aber sie war so wütend, dass sie ihm kaum zuhörte, dass sie, als sie auf seiner Höhe war, jede Kontenance verlor und ihn hart gegen Rücken schubste, damit er vom Rand ins Wasser fiel.

 

Was er auch tat.

 

Jedoch waren seine Reflexe besser als ihre, denn er griff hinter sich, nach ihrem Unterarm und riss sie mit. Ein überraschter Schrei verließ ihren Mund, und dann folgte sie ihm über den Rand und sie brachen durch die grüne Wasseroberfläche.

 

Wasser tränkte ihre Haare, den Stoff des Bikinis, und es war kälter als Körpertemperatur, fiel ihr abwesend auf. Bestimmt nur dreißig Grad warm. Wasser stieg in ihre Nase und keuchend brach sie durch die Wasseroberfläche. Er war bereits aufgetaucht, hatte die Haare über seinen Kopf zurückgekämmt und schien seine Sonnenbrille bei dieser Aktion von ihr verloren zu haben.

 

Ihre Haare waren glatt, keine Locken mehr. Sie spürte die Schwere der silbernen Kreolen in ihren Ohrläppchen im Wasser noch deutlicher. Kurz brannte die Wimperntusche in ihren Augen und keuchend wischte sie mit den Zeigefingern unter ihren Lidern her.

Alles war still. Sie hörte entfernt Pansys Lachen. Sie konnte hier nicht stehen und hielt sich mit treibenden Armbewegungen über Wasser.

 

Sein Blick war eisgrau, wie der seiner Mutter.

 

Es war so absurd. Ihr Mund war geöffnet und sie atmete abgehackt die Luft ein. Sie war im Pool der Malfoys. Mitten in der Nacht! Und sie war nicht Schulsprecherin.

 

„Was sollte das? Bist du übergeschnappt?“, verlangte er kalt von ihr zu wissen, aber sie vertrug die Beleidigungen gerade nicht besonders gut.

 

„Nein, bin ich nicht! Halt deine Klappe, ja?“, knurrte sie und stieß die Hände flach nach vorne ins Wasser und traf ihn im Gesicht. Selbst das Wasser schien zornig zu sein. Seine Augen weiteten sich, als er sich reflexartig abwandte.

 

„Mach das nicht noch mal“, erwiderte er so rau, dass sie sich fragen musste, was die scheiß Welt ihm getan haben konnte?! Er war ein reiches scheiß Arschloch, für den nie irgendetwas auf dem Spiel gestanden hatte, weil er dumm und arrogant war! Und das war der Grund, weshalb sie nicht aufhörte, weshalb sie an Draco Malfoy gerade ihre ganze Wut auslassen musste! Wofür hatte sie sich all die Jahre angestrengt? Wofür hatte sie gekämpft? Wofür opferte sie ihre Zeit im Ministerium? Bestimmt nicht dafür, nicht Schulsprecherin zu werden!

 

Erneut stieß sie Wasser nach ihm, aber er tauchte ab. Sie sah, dass er auf sie zutauchte, aber vor ihm fliehen konnte sie nicht mehr. Er war unter ihr und griff nach ihren Knöcheln. Mit einem überraschten Geräusch tauchte sie ab, als er kräftig zog. Und er ließ sie nicht los! Sie strampelte mit den Beinen, versuchte, ihn abzuschütteln, aber er hielt sie fest, paddelte mit den Beinen und tauchte tiefer hinab, bis zum Grund des Pools. Sie konnte nicht entkommen, also blieb ihr nichts anderes übrig, als verzweifelt die Luft anzuhalten, während Luftblasen aus ihrer Nase stiegen, als die Luft knapp wurde.

 

Sie erreichten den Grund des Pools, und eine Hand löste sich von ihren Knöcheln. Sie berührte den Grund. Hastig strampelte sie sich frei, stieß sich kräftig vom Boden ab, sauste der Oberfläche entgegen und kam hustend wieder zu Luft.

 

„Malfoy, hast du sie nicht mehr alle, du Arsch?!“, fuhr sie ihn zornig an, während er wohl seine Sonnenbrille vom Grund gehoben hatte. Wasser perlte über die verspiegelte gelbe Fläche und er kraulte zum Rand, um sie abzulegen. Aber er stieg nicht aus dem Wasser.

 

„Krieg dich wieder ein, du verrücktes Schlammblut!“, knurrte er, während er sich wieder umwandte und sich auf eine Kante unterhalb des Randes zu setzen schien, denn er brauchte nicht mehr die Arme zu bewegen, um über Wasser zu bleiben.

 

„Dir ist schon klar, dass du mich in deiner bescheuerten Aktion hast anfassen müssen, Malfoy?“, schrie sie praktisch, aber er wirkte nicht beeindruckt.

 

„Ich nehme an, dass konstante Berührung mit Wasser selbst deine Haut für einen Moment lang säubert“, erwiderte er glatt. Ihr Mund öffnete sich. Wasser perlte über ihre Nasenspitze. Sie wischte die Tropfen weg. Sie würde verschwinden! Jetzt! Sie kraulte ebenfalls zurück zum Rand und hasste sich selber, für die Entscheidung, mit hier runter gekommen zu sein! Sie hatte hier nichts zu suchen!

 

Sie griff neben ihm nach dem Rand und zog sich empor.

 

„Nimm’s nicht allzu schwer, Granger. Morgen kannst du mit meinem Vater wieder unter seinem Schreibtisch füßeln und dich ausführen lassen.“ Er schenkte ihr einen verächtlichen Blick, und sie hielt inne. Das war genug! Sie blieb auf der Bank im Wasser stehen und sah verächtlich auf ihn hinab.

 

„Du bist ein widerliches Schwein!“, fuhr sie ihn an. Und sie merkte, wie sein Blick sehr kurz über ihren Körper glitt, wieder hoch zu ihren Augen.

 

„Nein, ich denke, du bist ein widerliches Schwein, Granger“, erwiderte er mit einem bösen Grinsen. „Lucius ist verheiratet, und du bist-“ Aber sie war im Begriff, ihm den Hals umzudrehen – dem scheiß Mistkerl! Schnell war er ebenfalls auf den Beinen. Er überragte sie einschüchternderweise um einen Kopf und hatte ihre Handgelenke abgefangen, bevor sie auf ihn hatte einschlagen können.

 

Sie begann zu zittern, denn das Wasser ging ihr jetzt nur noch bis zum Knie, auf der schmalen steinernen Sitzbank.

 

Wassertropfen lagen auf seinem Gesicht und eine blonde Strähne klebte mal wieder in seiner Stirn als er auf sie hinab blickte.

Ihr wurde klar, dass sie tatsächlich geglaubt hatte, Malfoy hätte einen Brief von Dumbledore mit dem Abzeichen bekommen. Sie hatte ernsthaft angenommen, dass, wenn er Schulsprecher von Slytherin wäre, sie Schulsprecherin von Gryffindor sein müsste! Wie hatte sie das nur denken können? Er war nicht gut genug! Und anscheinend war sie nicht gut genug!

 

Zornig zog sie an ihren Handgelenken.

 

„Lass mich los!“, fuhr sie ihn an, aber betrachtete sie nur. Und es konnte doch wohl nicht sein, dass Harry Schulsprecher wurde! Er war nicht Vertrauensschüler gewesen! Es war alles ungerecht! Ihre Brust hob sich unregelmäßig unter verzweifelten Atemzügen. Seine Augen glitten über ihr Gesicht und innerhalb einer lichten Sekunde in seinem Blick, ließ er ihre Handgelenke los.

 

Sie hörte die anderen.

 

„Hey!“, rief Pansy fröhlich, genauso nass wie Hermine. Und in einem Moment der Klarheit schnappte Hermine aus ihrer Eifersucht. Ihr Herz schlug schnell. Malfoy sah sie immer noch an. „Der Bikini steht dir gut!“, entfuhr es Pansy, beinahe überrascht. „Das erinnert mich an etwas!“, ergänzte sie. „Ich mache morgen eine Party für Draco? Er hat Geburtstag. Du bist herzlich eingeladen, Hermine“, erklärte sie, obwohl Hermine nicht richtig folgen konnte.

 

„Ist sie das?“, hörte sie Malfoy knurren.

 

„Sicher ist sie das, Draco“ fuhr Pansy ihn an. „Ich meine – warum nicht? Sie macht eine tolle Figur im Bikini, scheint keine Angst vor Wasser zu haben?“, fuhr Pansy fort und wandte sich wieder lächelnd an Hermine. „Hast du Lust? Es wird eine Strandparty in meinem Haus“, schloss sie lächelnd.

 

„Ich bin sicher, mein Vater hat Pläne mit-“


„-halt deine Klappe!“, zischte sie zornig. Tatsächlich schwieg er, aber er bedachte sie mit einem spöttischen Blick. Er redete schon wie ihre Mutter, verdammt noch mal! Er hatte morgen Geburtstag? Lucius hatte nichts davon erwähnt, aber Lucius sprach sowieso nie über seine Familie. Und sie wusste, sie hatte in seiner Familie absolut nichts zu suchen.

„Ich… denke, ich habe keine Zeit morgen“, erklärte sie, denn sie geriet in mehr und mehr Situationen, von denen sie Harry und Ron nicht erzählen wollte. Ron! Sie dachte plötzlich schmerzlichst an Ron. Sie vermisste ihn sehr. Pansys Ausdruck wurde trauriger.

 

„Oh… ok?“, sagte sie kurz angebunden, und Hermine kletterte endlich aus dem Pool. Malfoy folgte ihr.

 

„Und… danke für… den Bikini, aber ich werde jetzt gehen“, beschloss Hermine tonlos. Pansy wirkte etwas vor den Kopf gestoßen und mächtig enttäuscht.

 

„Hey, ich kann mit dir kommen!“, bot Blaise souverän an.

 

„Nein, danke. Ich nehme den Ritter nach Hause“, erklärte sie hastig. Blaise blickte hinab auf seine sportliche Uhr, die anscheinend wasserdicht war.

 

„Der ist gerade weg. Dauert noch eine Stunde, bis zum nächsten. Mein Elf holt mich ab, er kann dich zuhause absetzen, ok?“, erwiderte er freundlich, und Hermine hatte die Nase voll von ungewöhnlich freundlichen Slytherins.

 

„Zabini, wieso trägst du sie nicht auch noch nach draußen?“, warf Malfoy spöttisch ein.

 

Blaise ignorierte seine Worte scheinbar konsequent „Also?“ Blaise sah sie aufmunternd an. Hermine verdrehte die Augen. „Los, zieh dich um, dann gehen wir“, ergänzte er lächelnd und schritt ebenfalls zu den Kabinen.

 

Hermine rieb sich die kalten Arme, während Pansy immer noch unglücklich wirkte. Dabei war es Hermine, die jeden Grund hatte, unglücklich zu sein! Was sollte sie ihrem Vater erzählen, der fest damit gerechnet hatte, dass sie Schulsprecherin werden würde?!

 

„Überleg es dir mit morgen“, wiederholte Pansy streng. Was gab es da zu überlegen? Sie war eine Gryffindor. Und sie wollte garantiert nicht auf Malfoys Geburtstagsparty eingeladen sein. Und so wie Malfoy sie ansah wollte er das wohl auch nicht. Aber sie beschloss, den Weg des geringen Widerstands zu wählen.


„Ja, ich überleg es mir. Ich ziehe mich um“, sagte sie kleinlaut und verschwand ebenfalls. Sie spürte den Alkohol in den Gliedern. Es war ein furchtbarer Tag geworden. Und kein Tag würde wieder gut werden.

Keiner.

 

Kapitel 5

 

Es war still im Haus als er aufwachte. Er hatte wirre Träume gehabt, was an den doppelten Whiskeys gelegen haben könnte, die er sich noch genehmigt hatte, nachdem Blaise gegangen war und Pansy ohne Punkt und Komma von der neuen Verantwortung geschwärmt hatte. Es erinnerte ihn wieder an seinen scheiß Brief aus Hogwarts, in dem Snape ihn persönlich daran erinnert hatte, dass er noch immer keine Fächerkombination für das nächste Jahr gewählt hatte. Etwas, dass Pansy bereits am ersten Ferientag abgeschickt hatte. Er erinnerte sich noch an Zeiten, wo Pansy Hogwarts vollkommen gleichgültig gewesen war. Fast wünschte er sich auch, dass das verdammte Schlammblut einfach Schulsprecherin geworden wäre und nicht Pansy.

 

Granger. Sie war in seinem Haus gewesen. Von ihr hatte er tatsächlich auch geträumt. Aber er wusste, woran das lag. Es war nicht überraschend, hatte sie doch tatsächlich eine ansehnliche Figur. Fast spielte er schon mit dem Gedanken, dass es möglich wäre, dass sie heute Abend bei Pansy auftauchte, in einem sexy Zweiteiler. Sie war ein verrücktes Miststück, aber wenn sie die Klappe hielt, war sie verträglich für die Augen.

 

Er schüttelte müde den wirren Gedanken ab und setzte sich auf.

 

Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Mutter seinen Geburtstag vergessen hatte. Es war möglich, aber er konnte es sich nicht denken.

 

Auf seinem Fensterbrett klopfte leise eine Eule mit dem Schnabel gegen seine Scheibe. Sie saß recht zerzaust im morgendlichen Wind. Er nahm an, sie war seit einer Weile da. Und sie trug einen riesigen pinken Umschlag bei sich.

 

Oh nein.

 

Hastig kletterte er aus dem Bett, streckte sich, während er zum Fenster schritt und öffnete es vorsichtig, damit die Eule nicht noch stürzte. Sie hüpfte hinein, und er band den scheußlichen Brief von ihrem Fuß.

 

Sie schoss ihm einen eulenhaft garstigen Blick zu, bemerkte er. Abwesend griff er in die Eulenkekstüte und warf ihr einen Krümel hin. Sie pickte ihn höchst beleidigt und war verschwunden. Eigentlich wollte er Pansy nicht unterstellen, ihm so einen Brief zukommen zu lassen. Selbst für Pansy war er… - zu pink.

 

Er öffnete ihn vorsichtig, aber kaum hatte er die Lasche geöffnet, explodierte der Brief förmlich in seiner Hand. Fluchend wich er zurück, als buntes Konfetti über ihn rieselte, während eine verhexte Stimme anfing eine Gratulation zu säuseln – mit Absender von Alyssa Hyes. Draco hatte nicht die geringste Ahnung, wer das sein konnte.

 

Aber er horchte auf. Mit verengten Augen betrachtete er einen Vogelschwarm am grauen Himmel. Er hoffte, das Wetter würde noch umschwingen. Aber das tat es an seinem Geburtstag meistens.

 

Der Vogelschwarm war ein Schwarm an Eulen. Und sie schienen schneller mit den Flügeln zu schlagen, als sie ihn im offenen Fenster erkannten.

 

Er fluchte unterdrückte, als alle über Malfoy Manor in eine Art Sturzflug fielen.

 

Er hatte sein Zimmer fluchtartig verlassen, nachdem er die letzte Eulenkekse auf seinen Tisch geworfen hatte und das Fenster offen stehen ließ. Er hoffte, die Vögel würden es schaffen, sich die Briefe von den Beinen zu picken. Oder sie nahmen sie einfach alle wieder mit. Ihm war nicht wirklich nach tausend Liebesbriefen zumute.

 

Gähnend ging er die Treppen hinab, bis in die Küche. Sie war weit und leer, stellte er fest. Ein Pergament lag auf dem langen polierten Tresen, und er nahm es stirnrunzelnd auf. Seine Mutter war wichtige Dinge erledigen, schrieb sie. Sie wünschte ihm einen schönen Geburtstag.

 

Er sah sich um. Die schreckhaften Elfen waren nirgends zu entdecken. Sie hatten dieselbe Angst vor ihm, wie vor jedem Menschen, der hier in dem Haus wohnte. Er hatte nicht ernsthaft gedacht, eine Elfe zu entdecken. Aber auf dem kleinen Tisch vor den beiden langen Fenstern, die in den Garten blickten, stand ein Teller und ein Stück Torte.

Er wusste, seine Mutter hasste Torte und auch sonst aß hier niemand etwas derart Süßes. Aber er hatte ein buntes Stück auf seinem Teller, mit einer schmalen magischen Kerze darin.

Sie leuchtete Blau. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass seine Mutter dies für ihn bereit gestellt hatte.

 

Es war still im Haus, als er sich gesetzt hatte und lauschte. Der Tee in der Tasse neben der Torte dampfte noch, also konnte er noch nicht lange stehen. Er nahm an, die Elfen hatten ihn gehört, alles vorbereitet und waren dann wieder in ihre Verstecke verschwunden.

 

Er fuhr sich müde durch die Haare. Lucius würde er heute den ganzen Tag nicht mehr antreffen, nahm er an. Aber das war auch gut so. Er hatte jetzt nur noch wenige kostbare Minuten Ruhe, ehe Pansy ihn nerven würde.

 

Missmutig blies er die Kerze aus. Die Torte wirkte mächtig und viel zu bunt.

Stoisch erhob er sich wieder, griff sich den Teller und schritt zur Küchenzeile. Er trat auf die Fußklappe des Chromeimers, und er sah die magischen Entgiftungsgase schimmern, als er das Stück Torte in den Müll warf, wo es sofort zersetzt wurde.

 

Seufzend ließ er die Klappe zuschnappen und griff sich das Müsli aus dem Schrank, was seine Mutter ebenso hasste, wie Torte. Er goss es in seine bevorzugte Schale und ertränkte es in Milch. Es war eine Angewohnheit, die er sich in Hogwarts angeeignet hatte, und bis jetzt noch nicht aufgab. Noch nie hatte er Brötchen oder Brot zum Frühstück gegessen. Und achtzehn schien keine Zahl zu sein, an der man damit anfangen musste, entschied er, als er sich wieder setzte.

 

Als es klingelte blieb er sitzen. Die Elfen würden öffnen. Wo auch immer sie sich rumtrieben.

 

Es verging eine Minute, in der er weiter aß, während er nach dem Tagespropheten griff, den seine Mutter wohl für ihn auf den Tisch gelegt hatte. Er vertiefte sich in einen Bericht über die Sheffield Shooters und ihre unwahrscheinliche Chancen eines Landessieges, als Pansy auf hohen Absätzen in die Küche geklackert kam.

 

„Draco, Draco! Geburtstagskind!“, rief sie aus, schwebte zu ihm rüber und umhüllte ihn mit süßem Parfüm, als sie ihn umarmte. Sie fuhr ihm durch die Haare, was er mit unwirschem Kopfrücken zur Kenntnis nahm. „Gut siehst du aus!“, sagte sie, aber er wusste nicht, ob es ihr ernst war. „Herzlichen Glückwunsch, hast du meine Karte bekommen?“

 

Er dachte an das Eulenchaos in seinem Zimmer und nickte schließlich.


„Vielen Dank, Pans“, erwiderte er also.

 

„Schön. Dann wollen wir anfangen, oder? Ich weiß, es wird eine Strandparty, aber…“ Draco schwante Übles, und Pansy griff kurzerhand nach seiner Müslischale und brachte sie zur Küchenzeile, um das Müsli wegzuschütten, ohne dass er aufessen konnte. Sein Blick hob sich grimmig zu ihrem geschminkten Gesicht.

 

„Aber was?“, wollte er rau wissen.

 

„Aber vorher sollten wir uns schick machen!“ Draco hatte nicht die geringste Ahnung, wie Pansy noch schicker als jetzt aussehen wollte. Aber wahrscheinlich schaffte sie es immer, sich selber zu toppen.

 

„Hm“, sagte er nur. Er hatte geplant ein Shirt über seine Badehose zu ziehen, was er leicht loswerden konnte. Aber anscheinend gab es andere Pläne.

 

„Und was die Gästeliste betrifft…“, fuhr sie fort und hatte aus dem Nichts eine Liste hervorgezogen. „Wir sind bei dreißig Leuten“, ergänzte sie zufrieden. „Dazu gehören die Leute aus Slytherin aus unserem Jahrgang, einige aus Ravenclaw und meine Freundinnen aus Beauxbatons“, schloss sie. Dracos grauer Blick hob sich demonstrativ. Beauxbatons klang beaux-fantastisch in seinen Ohren. „Möchtest du eine Einladung an deine Eltern schicken? Quasi last-minute?“

 

„Ha ha“, sagte er nur.

 

„Gut. Das habe ich mir schon gedacht. Die Einladung an Hermine habe ich heute Morgen schon abgeschickt“, fuhr sie fort, als sie eine weitere Liste hervorzog.

 

„Hermine…?“, begann er langsam, aber sie hob lächelnd den Blick.

 

„Hermine Granger. Du wusstest, dass ich sie einladen wollte.“

 

„Richtig, das Schlammblut hat einen Vornamen“, erwiderte er mürrisch, während er weiter Tee trank. Pansy bedachte ihn mit Entrüstung.

 

„Draco, hör auf damit!“

 

Und was ihn so sehr verwunderte, war, dass Pansy es wirklich ernst meinte. Sie war wirklich empört. Sie sah ihn an, als würde er Worte sagen, die sie vorher noch nie gehört hatte, oder die sie selbst früher schon verabscheut hatte. Er erinnerte sich noch an früher, wo Pansy von ihm beeindruckt gewesen war. Wo sie alles getan hatte, was er von ihr verlangte.

Wo waren die Zeiten eigentlich hin?

 

„Warum siehst du mich so an?“, wollte sie plötzlich gereizt von ihm wissen. „Ich werde ihr nicht absagen, Draco!“, deutet sie wohl seinen Blick. Er atmete aus.

 

„Pansy, ich würde nackt vor meinem Vater tanzen, würde Granger wirklich auftauchen. Wir sind nicht alle wie du, Parkinson. Für manche von uns gelten die alten Regeln noch“, erklärte er lässig, während er sich erhob.

 

„Draco?“ Pansy folgte ihm böse. „Was meinst du damit? Was soll das heißen? Draco?!“ Sie stöckelte hinter ihm her.

 

~*~

 

Sie bemerkte, wie sie selber Lucius öfter ansah. Aber er hatte sie bisher nicht auf gestern angesprochen. Natürlich war hier heute auch viel zu tun. Sie hatte noch gar nicht besonders viel mit ihm gesprochen. Sie war ziemlich müde. Und sie schämte sich. Und Pansys Einladung hatte sie heute Morgen in ihre Handtasche gesteckt, damit ihre Mutter sie nicht finden konnte und Fragen stellte.

 

„Alles in Ordnung, Miss Granger?“, fragte er sie plötzlich, und sie hob den Blick. Langsam, unauffällig.

 

„Sicher, alles in Ordnung“, bestätigte sie.

 

Es war gar nichts in Ordnung, aber das ging niemanden etwas an.

Sie hatte Zuhause noch nicht erzählt, dass sie nicht Schulsprecherin sein würde. Sie wusste nicht mal, wie sie anfangen sollte. Was sie ihrem Vater sagen sollte. Wie sie es erklären konnte. Und sie wollte nicht denken, dass Dumbledore wohl wahnsinnig geworden sein musste, sie nicht auszuwählen!

 

„Hatten Sie Spaß auf der Feier gestern?“, fragte er nach einer Ewigkeit. Nach sechs Stunden. Der einzige Spaß gestern, war der, den sie hatte, bevor sie von Pansy entführt worden war. Mit erwachsenen Menschen. Denn danach war sie bloß noch in einen Pool gefallen und hatte sich unmöglich benommen, nachdem sie erfahren hatte, dass Pansy Parkinson Schulsprecherin geworden war.

Sie seufzte auf.

 

„Ja, es war sehr nett“, schloss sie. Ob er seinem Sohn heute schon gratuliert hatte? Lucius schien sich – genauso wie Hermine – nicht besonders dafür zu interessieren, ob sein Sohn Geburtstag hatte oder nicht.

Wären Harry und Ron doch endlich wieder zurück. Sie musste mit ihnen reden! Sie musste einfach! Es war nicht zum Aushalten!

Sie würde ihnen auch sagen müssen, dass sie nicht Schulsprecherin geworden war.

 

Und wer würde es noch sein? Sie könnte darüber mit den Jungen reden, würde sich von Harry aufbauen lassen, der niemals für das Schulsprecheramt in Frage käme, obwohl er es umso mehr verdient hatte.

 

Wer sollte es sonst sein? Pansy und ein Junge aus Ravenclaw? Ein Junge aus Hufflepuff? Merlin, wie hießen die Vertrauensschüler aus Hufflepuff doch gleich? Oder aus… Gryffindor.

 

Ron?

 

Ronald wäre der Vertrauensschüler aus Gryffindor, der in Frage käme.

Aber… das könnte nicht sein, das wäre –

 

„Miss Granger?“, riss sie Lucius‘ Stimme unsanft aus ihren Schreckensgedanken.

 

„Ja?“ Sie fuhr zusammen unter dem Schreck.

 

„Würden Sie mir die Akte geben?“, schien Lucius mit gerunzelter Stirn zu wiederholen und deutete auf den Ordner, der vor ihr lag. Hastig beeilte sie sich, seinen Worten nachzukommen. „Sie sind gestern spät nach Hause gekommen?“ Oh Gott, er schätzte ihre Unachtsamkeit als Folge ihrer Müdigkeit ein. Das konnte sein, aber sie wollte hier nicht unangenehm auffallen, obwohl sie sich plötzlich fragte, wofür sie das Praktikum überhaupt absolvierte, wenn es ihr nicht einmal das Schulsprecheramt einbrachte!

 

„Miss Granger?“, wiederholte er gedehnter als vorher.

 

„Ich – verzeihen Sie“, entschuldigte sie sich kleinlaut. Sie würde ihn gerne fragen, ob er enttäuscht darüber war, dass sein eigener Sohn kein Schulsprecher werden würde. Ob er selber darauf gehofft hatte, dass Malfoy es werden würde. „Würden Sie mich kurz entschuldigen?“, ergänzte sie, und er nickte ausdruckslos. Überraschen tat ihn nicht viel, nahm sie an.

 

Sie erhob sich und verließ das Büro. Ihr war warm. Es war ein warmer Tag geworden und Millionen Fragen schwirrten durch ihren Kopf. Sie war so enttäuscht.

Sie schritt zu den Toiletten auf der Etage und verschloss die Tür hinter sich, als sie sich vergewissert hatte, alleine hier zu sein.

 

Ratlos betrachtete sie sich im Spiegel. Was hätte sie tun sollen? Was hätte sie sonst noch tun sollen, um das verdammte Abzeichen zu bekommen? Sie hatte gute Noten, hatte die magische Welt vor Voldemort gerettet, sie arbeitete in den Sommerferien sechs Wochen am Stück im Ministerium, sie verhielt sich so erwachsen, wie es nur eben möglich war!

 

Und Pansy – Pansy?! Pansy plante Partys und manikürte sich die Nägel! Wäre es das, was ultimativ von ihr verlangt worden wäre, hätte sie das auch bewältigen können. Mit Leichtigkeit!

 

Sie atmete aus. Wieso war sie nicht gut genug, um Schulsprecherin zu sein?

 

Kopfschüttelnd verließ sie die Toiletten wieder, nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte. Sie blieb vor Lucius‘ Tür kurz stehen, um wieder Fassung zu gewinnen, ehe sie eintrat. Er stand mittlerweile vor den Regalen und sie kam näher, um ihm zuzusehen.

Er sah sie nicht an, als er sprach, während er weiter Blätter sortierte, mit denen sie nichts anfangen konnte, da sie komplett aus Zahlen zu bestehen schienen.

 

„Miss Granger, haben Sie heute Abend etwas vor?“, fragte er völlig aus dem Kontext, und alle Warnungen ihrer Mutter nahmen ein seltsam scharfes Bild an.

 

„Ich… heute? Wieso fragen Sie?“, wich sie seiner Frage beinahe ängstlich aus. Ihr Herz klopfte schneller, während sie ihn ungläubig fixierte. Er senkte den Blick auf sie.

 

„Es war nur eine Frage“, erwiderte er, aber sie glaubte das nicht wirklich.

 

„Ja? Und… wenn ich sage, ich hätte bereits Pläne, dann… wäre das nicht schlimm?“, entfuhr es ihr probehalber, und er hielt in der Bewegung inne. Dann wandte er sich gänzlich zu ihr um.

 

„Miss Granger, man könnte meinen, ich würde Sie nötigen wollen, Ihren Abend mit mir zu verbringen?“

 

Ach, wenn sie doch nicht ständig rot werden würde…!

 

Ihr Mund schloss sich, und sie lächelte ein unglaubwürdig breites Lächeln.

 

„Ich – nein! Das… war nicht, was ich…“

 

„-ich hoffe allerdings, Sie verbringen den heutigen Abend nicht bei Pansy Parkinson?“, unterbrach er sie glatt.

 

„Sie wissen davon?“, konnte sie nicht verhindern zu fragen, denn er schien sich wirklich nicht für seinen Sohn zu interessieren.

 

„Sicher, eine Party findet jedes Jahr statt. Meine Frau hat mich gerade im Kamin erreicht, als sie draußen waren“, schien er nun zu erläutern. Seine Frau? Unterstellte ihr Narzissa nun auch schon eine Affäre?!

 

„Oh?“, entfuhr es ihr weniger intelligent.

 

„Sie lässt nämlich fragen, ob Sie heute Abend bereits Pläne haben“, schloss er schließlich mit eindeutig erhobener Augenbraue, die ihr noch mehr Hitze in die Wangen schickte. Dumm, Hermine. Du bist unheimlich dumm und pubertär!

 

„Ihre Frau?“, wiederholte sie dennoch. Das war so absurd! Vollkommen absurd. Noch verrückter als Pansys Einladung. „Ich verstehe nicht“, sagte sie also, und sie hasste diese Worte. Lucius machte tatsächlich eine kurze Pause, in der er nach den richtigen Worten zu suchen schien.

 

„Sie… war von Ihnen sehr angetan, Miss Granger“, erklärte er schließlich. „Und sie hat sich gefragt, ob Sie vielleicht Interesse hätten, mit ihr zu Abend zu essen“, schloss er schlicht.

 

Sie wusste nicht, was ihre Mutter nun davon halten würde. Und Hermine begriff immer noch nicht. Wieso sollte Narzissa Malfoy mit ihr Abend essen wollen?!

 

„Mit mir?“, wiederholte sie also noch einmal und Lucius nickte, langsam etwas verstört. „Ich… entschuldigen Sie, aber ich weiß nicht genau, warum Ihre Frau mit mir Essen gehen will. Ich glaube, wir haben erschreckend wenig gemeinsam“, stellte sie klar, und Lucius atmete scheinbar schwer aus.

 

„Narzissa beschäftigt sich gerne mit den vielsversprechenden jungen Damen der Gesellschaft, Miss Granger“, erwiderte er, während er wieder zu seinem Schreibtisch zurückging.

 

„Dann sollte sie sich lieber mit Pansy beschäftigen“, brummte Hermine, ohne es verhindern zu können. Lucius schien ihren Kommentar lediglich zu ignorieren.

 

„Sie sind eine bemerkenswerte junge Dame. Anders als die Mädchen in ihrem Alter, die mir über den Weg gelaufen sind.“ Seine Stimme hatte sie erheblich abgekühlt. „Und wohl die mit Abstand bemerkenswerteste Eigenschaft an Ihnen ist, dass Sie meinen Sohn nicht ausstehen können“, schloss er vollkommen ernst. Ihr Mund öffnete sich perplex.

 

Oh nein! Hatte er erzählt, dass sie ihn in den Pool geschubst hatte? Und war Lucius jetzt sauer? Beeinflusste das ihr Zeugnis im Ministerium?

 

„Mr. Malfoy, ich-“

 

„-weder mir noch meiner Frau ist eine solche Dame bisher untergekommen“, ergänzte er wohlwollender. Hermines Mund schloss sich verwirrt.

 

„Das sollte kein Grund sein, mich einzuladen, Sir“, sagte sie stiller. Lucius setzte sich und stützte die langen Finger aneinander. Mit einem Kopfrucken bedeutete er ihr, sich ebenfalls zu setzen.

 

„Miss Granger, meine Familie war… am Krieg mehr als nur geringfügig beteiligt. Meine Frau und ich möchten nicht, dass Sie schlechter von uns denken als es nötig ist“, erklärte er mit plötzlicher Offenheit, die ihren Mund wieder offen stehen ließ. Zumindest für den Bruchteil einer Sekunde.


„Das tue ich nicht!“, widersprach sie, vielleicht zu halbherzig.

 

„Ich weiß, die Aussicht mit Reinblütern zu verkehren, die auf der falschen Seite gestanden haben mag… nicht besonders erfreulich für Sie sein, aber-“


„-Mr. Malfoy, ich denke so nicht!“, beharrte sie nun energischer. „Ich würde gerne mit Ihrer Frau zu Abend essen!“, sagte sie so überzeugt, obwohl sie alles lieber tun würde als das! Lucius wirkte ähnlich verblüfft.

 

Mist.

 

„Würden Sie das?“, entfuhr es ihm mit gerunzelter Stirn. „Das ist wirklich außerordentlich großzügig, Miss Granger. Meine Frau mag manchmal seltsame Anwandlungen haben, aber ich versichere Ihnen, sie sind gut gemeint“, fuhr er fort. Hermine könnte sich erschlagen. Sie nahm an, das war gemeint, wenn man vom Regen in die Traufe kam.

 

~*~

 

Sie war gestern nervös gewesen, als sie zu den Malfoys auf das Gartenfest gekommen war. Das war aber nichts, verglichen zu heute Abend.

 

Aber sie trug ihr schönstes Outfit. Es war ein graues Etuikleid mit schwarzen halblangen Ärmeln. Dazu trug sie schwarze Stiefeletten, nicht zu hoch, nicht zu flach. Die Haare hatte sie in einen Seitenzopf gebunden, so dass die langen Ohrringe gut zur Geltung kamen, die aus schwarzen Pailletten bestanden und im Licht schimmerten, wenn sie sich bewegte.

 

Sie hatte vor einer Stunde versucht, Ron und Harry zu erreichen. Aber sie hatte die Verbindung abgebrochen, denn anscheinend fand in dem Strandhaus, indem sich Harry, Ron und Ginny befanden gerade selber eine Party statt. Und sie hatte aus dem Kamin heraus erkennen können, wie Ron weiter hinten im Zimmer von einem leicht bekleideten blonden Mädchen, Sahne von der Wange geleckt bekam. Sie hoffte, es war Sahne, aber eigentlich war sie so wütend, dass es ihr mächtig egal war, was passierte!

 

Sollte er sich doch amüsieren und sich wie ein Idiot verhalten! Sollten doch alle einfach mächtig viel Spaß haben, während sie sich hier für nichts und wieder nichts totschuftete!

 

Jetzt war sie unterwegs, und hatte ihren Eltern wenigstens sagen können, dass sie sich mit einer Freundin traf. Das war sehr weit hergeholt und auch nicht zutreffend, aber ihre Mutter war dankbar, solange sie nicht mit vierzigjährigen verheirateten Männern ihre Abende verbrachte.

 

Sie apparierte ans Ende der Winkelgasse. Immerhin hatte Narzissa Malfoy nicht darauf bestanden, sich im ‚Rose and Crowns‘ zu treffen. So offen war Hermine nun doch nicht. Das passierte also mit ihr, wenn Harry, Ron und Ginny sich irgendwo in Spanien in einem Strandhaus rumtrieben!

 

Sie erreichte das Restaurant. Es war eines der neueren Geschäfte hier. Teuer eingerichtet und etwas, dass Hermine nie von sich aus betreten würde.

 

Aber heute tat sie es, denn sie erkannte Narzissa Malfoy schon von weitem. Heute trug sie schwarz, als hätte sie geahnt, dass Hermine ähnliche Farben tragen würde. Sie wirkte unnatürlich jugendlich, stellte Hermine fest, während ihr Atem atemloser wurde. Das Kleid war eng und betonte ihre Figur. Die Haare waren nach hinten in einen dichten Zopf gewunden, der ihr kunstvoll den Rücken hinab fiel. Ihre Augen waren dunkel geschminkt, und sie lächelte als sie sie erkannte.

 

Hermine näherte sich dem Tisch, an dem Narzissa alleine saß.

 

„Miss Granger!“, begrüßte sie die Dame und er hob sich. Sie trug hohe Absätze und überragte Hermine ein Stück. „Darf ich Hermine sagen?“, fragte sie lächelnd, und Hermine nickte.

 

„Natürlich. Hallo, Mrs Malfoy“, begrüßte sie die Frau. Sie bot ihr allerdings nicht ihren Vornamen an, und bedeutete Hermine, sich zu setzen.

 

„Ich hoffe, Sie finden es nicht allzu seltsam, dass ich sie zum Essen gebeten habe?“, wollte sie wissen, und Hermine öffnete unschlüssig den Mund. Narzissa schüttelte lächelnd den Kopf über sich selbst. „Aber natürlich ist es ungewöhnlich, das gebe ich zu.“

 

„Ich bin gerne hier mit Ihnen“, räumte Hermine ratlos ein, während sie sich Narzissa an dem schmalen tisch gegenüber setzte. Ein Kellner setzte sich vom anderen Ende des Restaurants aus in Bewegung. Das Licht hier war gedimmt. Er hatte mehr das Gefühl von einer sehr feinen Lounge. Es lief leise Musik. Modern, elegant.

Und sie nahm an, sie war tatsächlich lieber hier als bei Pansys Party.

 

Der Kellner kam und Narzissa ließ Hermine gar nicht zu Wort kommen, bestellte souverän Getränke und eine Vorspeisenplatte für Zwei und wandte sich dann wieder dem Gespräch zu.

 

„Hermine, erzählen Sie mir ein wenig über sich“, sagte Narzissa lächelnd an sie gewandt. Die Frau war sehr einnehmend. Ihr Anblick machte es Hermine fast unmöglich, ihr etwas abzuschlagen. Es war sehr seltsam. Hermine war es auch nicht gewöhnt, von fremden Damen zum Essen eingeladen zu werden. Hoffentlich endete es nicht alles in einer Tragödie! Hoffentlich suchten Narzissa und Lucius nicht irgendwelche Ablenkungen – im Schlafzimmer…! Hermine erschlug sich für ihre Gedanken. Sie war erschreckend pubertär heute.

 

„Na ja, ich… bin muggelgebürtig“, fing sie mit dem Offensichtlichen an, und Narzissa nickte lächelnd.

 

„Als was arbeiten Ihre Eltern, wenn ich fragen darf?“ Sie war so höflich, so nett. Es war wahrscheinlich unmöglich, Narzissa Malfoy abstoßend zu finden, selbst wenn man es mit aller Kraft versuchen würde, dachte Hermine verzweifelt.

 

„Sie sind Zahnärzte“, erwiderte sie. „Heiler für Zähne“, erklärte sie es, ehe Narzissa würde fragen müssen.

 

„Ich hatte es mir gedacht“, bemerkte diese mit einem frechen Lächeln. Hermine war überrascht. Wirklich überrascht. „Und sie haben mit zehn Jahren den Brief erhalten. Dass Sie nach Hogwarts gehen, meine ich“, fuhr Narzissa fort. Hermine nickte.

 

„Ja, ich… war sehr überrascht“, gestand sie ein.

 

„Und Sie haben sich dort hervorragende geschlagen bisher, nicht wahr? Den Krieg gewonnen, in so jungen Jahren. Ich bin wirklich beeindruckt, Hermine“, wiederholte Narzissa nun Lucius‘ Worte.

 

„Ich… danke, Mrs Malfoy.“

 

„Ich bin nicht wie meine Schwester, müssen Sie wissen. Ich hoffe, sie glauben mir das?“ Es schien ihr ein Anliegen zu sein.

 

„Ich hatte Sie nie mit ihr in Verbindung gebracht, Mrs Malfoy“, erwiderte Hermine und bemerkte sofort, wie falsch die Worte klangen. Narzissas Ausdruck wirkte nun gequälter.

 

„Es war nicht immer so“, sagte Narzissa jetzt. „Nun, meine Familie war immer… wir waren schon immer Reinblüter gewesen. Sie kennen ja Sirius Black. Oder Sie kannten ihn vielmehr“, verbesserte sie sich. Manchmal vergaß Hermine die engen verwandtschaftlichen Verhältnisse.


„Ich werfe Ihnen nichts vor, Mrs Malfoy, wenn es das ist, was Sie denken“, erwiderte sie also schließlich.

 

„Das ist nett von Ihnen, Hermine“, entgegnete Narzissa mit einem feinen Lächeln. „Früher in Hogwarts waren wir unzertrennlich gewesen. Bella, Sirius, Regulus und ich“, schloss sie kopfschüttelnd, als dachte sie an eine Zeit, die schon Jahrhunderte zurückliegen musste. „Dann natürlich wurde schnell klar, dass wir auf ganz verschiedenen Seiten standen. Sirius wurde der Freund von James Potter, und Sirius‘ Bruder hatte Hogwarts verlassen, ehe sich die Gruppe vollständig zersplittert hatte. Meine Schwester hatte Gefallen an diesem scheußlichen Mann gefunden!“, entfuhr es Narzissa fast angewidert.

 

Rodolphus Lestrange, nahm Hermine an, aber sie sprach es nicht laut aus.

 

„Von mir und meiner Schwester wurde erwartet, dass wir unserem Gemeinschaftsraum treu bleiben, vielleicht verstehen Sie das?“ Hermine ruckte nur mit dem Kopf, denn sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte. „Ich hatte früher oft gewünscht, für Gryffindor ausgewählt zu werden, aber… ich denke, alles ist so gekommen, wie es hatte kommen müssen.“

 

Narzissa lächelte wieder ein atemberaubend schönes Lächeln, und Hermine war vollkommen eingenommen von ihr.

 

Der Kellner brachte zwei breite Gläser mit pinker Flüssigkeit zurück, auf der ein goldener Schimmer lag. „Das müssen Sie probieren!“, bemerkte Narzissa zwinkernd. „Es ist köstlich!“ Hermine nahm an, es handelte sich um Alkohol, aber dankend nahm sie das Glas entgegen. Es war eisgekühlt.

 

Narzissa hob ihr Glas, um mit Hermine aus der Distanz anzustoßen.

 

„Cheers“, sagte sie, und beide nippten von den Gläsern. Hermines Augen weiteten sich. Es war süß und sauer gleichzeitig, fruchtig und sehr verboten gut! Gut, dass sie noch ihr Ticket für den Fahrenden Ritter hatte. Sie leckte sich die Lippen, nachdem sie das funkelnde Getränk abgestellt hatte. „Sie nennen es hier Cranky Tartini“, erläuterte Narzissa mit einem Verdrehen ihrer Augen. „Aber es schmeckt köstlich!“, ergänzte sie, und Hermine hatte immer noch keine Ahnung, warum sie hier war – aber es gefiel ihr nicht schlecht.

 

„Entschuldigen Sie, Hermine, jetzt habe ich Sie vollkommen unterbrochen. Der Krieg zeichnet uns alle“, entschuldigte sie sich, während der Kellner eine Platte mit allerlei Kleinigkeiten brachte. Hermine erkannte Scampis und Shrimps, Calamaris und Austern. Ihre Mutter hasste alles Seefrüchte, aber mit ihrem Vater probierte Hermine ab und an, die ein oder andere Köstlichkeit aus. Austern waren ihr zu glitschig, aber der Rest war ihr nicht zuwider.

„Ich hoffe, sie mögen Seefrüchte?“ Und Narzissas Lächeln wirkte fast etwas heruasfordernd.

 

Und Hermine nickte lächelnd. „Ja, vielen Dank. Es sieht sehr lecker aus“, erwiderte sie, und Narzissas Lächeln vertiefte sich sogar noch eine Spur.

 

„Bitte, fahren Sie fort. Wie kamen Sie darauf, das Praktikum im Ministerium anzunehmen? Interessiert Sie die Arbeit dort?“ Hermine wurde aus ihr nicht schlau, aber sie beschloss die Frage zu beantworten.

 

„Den besten in Hogwarts wurde das Praktikum angeboten, und… da ich überlege, mich ohnehin für eine Stelle im Ministerium zu bewerben, dachte ich mir, ich probiere es schon mal aus.“

 

„Aha, und wofür interessieren Sie sich?“, fuhr Narzissa fort, während sie in einen Shrimp biss. Hermine tat es ihr gleich, kaute und überlegte angestrengt.

 

„Es gibt so viele gute Abteilungen“, entgegnete sie kopfschüttelnd. „Ich dachte zuerst, die Auroren lägen mir, aber die Mysteriumsabteilung ist genauso spannend. Auch die Abteilung ihres Mannes finde ich sehr reizvoll.“

 

Narzissa musste lachen. „Hat er Sie schon irgendwelche Schweigegelübde ablegen lassen, wegen irgendwelcher verrückter Landschaftszauber?“, wollte sie grinsend wissen, und Hermine nickte ein wenig beleidigt.

 

„Ja, es ist wirklich spannend!“, beharrte sie ernsthaft.

 

„Entschuldigen Sie“, lachte Narzissa. „Er arbeitet nun schon so viele Jahre dort, ich glaube, ich habe schon alles gehört.“ Kurz schwiegen sie, während Narzissa scheinbar versonnen den Kopf schüttelte. „Sie stellen sich also eine Zukunft im Ministerium vor? Und Kinder? Haben Sie daran schon einmal gedacht?“

 

Hermines Mund öffnete sich ratlos. Sie schüttelte halbherzig den Kopf. „Nein, noch nicht wirklich“, räumte sie ein. „Ich bin achtzehn“, schien sie erklären zu müssen.

 

„Ich meine, bei einer Karriere im Ministerium scheint dafür wenig Platz zu sein“, bemerkte sie achselzuckend. „Wissen Sie, ich habe die Frauen manchmal beneidet, die eine Karriere vor die Familie gestellt hatten“, fuhr sie fort.

 

„Ich… tue das nicht. Ich denke, beides ist gut möglich“, erwiderte sie kopfschüttelnd, während sie noch ein Schluck des leckeren Getränks zu sich nahm. „Ich bin eben einfach noch jung, und Kinder möchte ich vielleicht Mitte bis Ende Zwanzig bekommen, und… einen Ehemann bräuchte ich dafür auch noch“, schloss etwas bitterer. Ja, sie hatte sich mit fünfzehn hin und wieder vorgestellt, wie es wäre Mrs Ronald Weasley zu werden, aber Ronald schien momentan mehr Spaß dabei zu empfinden, sich von blonden Schönheiten Sahne aus dem Gesicht lecken zu lassen.

 

„Sie haben alles gut geplant, in Ihrem Kopf“, bestätigte Narzissa. Sie winkte dem Kellner zu und bedeutete ihm, zwei weitere Gläser zu bringen.

„An einen Ehemann ist schnell zu kommen, bei Ihren Voraussetzungen“, winkte Narzissa lächelnd ab.

 

„Meine Voraussetzungen eignen sich vielleicht für einen Lebenslauf, bestimmt nicht als anderes Aushangschild“, erwiderte sie belustigt und ein wenig vorschnell. Narzissa musterte sie knapp mit einem ernsteren Ausdruck.

 

„Hm“, bemerkte sie lediglihc nachdenklich. Sie winkte dem Kellner zu, der ihnen bereits neue Gläser auf sein Tablett gestellt hatte.

 

„Oh! Ich sollte wirklich nicht noch mehr-“ Aber Narzissa unterbrach Hermine lächelnd.

 

„Vielleicht nur noch diesen einen?“, bat sie mit Dackelblick, und Hermines Mund öffnete sie unschlüssig. „Mir zuliebe“, ergänzte Narzissa und nahm dem Kellner die Gläser selber ab, um eines Hermine zu reichen.

 

Hermine leerte eilig ihr halbvolles Glas und nahm das neue entgegen.

Ach, würde sie den Alkohol doch besser vertragen! Hätte sie doch einfach abgelehnt, aber schon stießen sie wieder an.

 

~*~

 

„Wir begrüßen unter uns den todesmutigen, den unnachahmlichen, den besten der besten! Draco, der Lord, der Prinz, der König, Malfoy!“ Blaise Zabini lachte betrunken. Mit einem Grinsen riss Draco das Glas in die Höhe. Die Anwesenden klatschten.

 

„Meine sehr verehrten Anwesenden!“, begrüßte er die Leute, die sich um die Klippe versammelt hatten. Das optische Meer und der Strand wirkten ein wenig fehl am Platze, denn immerhin lag das Grundstück der Parkinsons direkt an der Küste. „Heute ist ein besonderer Tag!“ Auch seiner Stimme traute er keine schweren Worte mehr zu. Die anwesenden Mädchen lachten und kicherten, hoben betrunken ihre eigenen Gläser, und Draco wusste, er konnte sich später aussuchen, wie viele er wo verführen wollte.

 

Es war immerhin sein verfluchter Geburtstag!

„Heute trinken wir! Auf mich!“, schrie er ausgelassen. Die Menge johlte, und einige ließen ein Feuerwerk in den Himmel steigen. Sie zielten nicht mehr perfekt, aber Draco verübelte es ihnen nicht.

 

Es war eine gute Party gewesen, bis hierhin. Er hatte auch nicht darüber nachgedacht auf Malfoy Manor zu feiern. Vielleicht hätte er mit Narzissa darüber verhandeln können. Über eine Party, die jedoch nur Chiqué gehabt hätte. Flair und reichen Charme. Die Gäste, die anwesend gewesen wären, wären dann wohl Kollegen seines Vaters gewesen. Keine Freunde oder Bekannten. Die Geschenke hätten sich in Goldwerten erstreckt. Aber er musste gar nicht weiter darüber nachdenken, denn Lucius hatte ihm ohnehin nicht gratuliert.

 

Und es scherte ihn absolut nicht. Pansy hatte die private und großartigste Party überhaupt organisiert. Und langsam glaubte er, sie hatte ihm extra einen Gefallen getan, es eine Strandparty zu nennen. Es war viel zu einfach, Mädchen zu bekommen, wenn er ohnehin nichts mehr anhatte, außer seiner Shorts.

 

„Was haltet ihr von… einem nächtlichen Wettschwimmen, meine Freunde?“, rief er grinsend. Blaise hob das Glas erneut.

 

„Auf jeden Fall, Master Draco! Und warum nicht als Mutprobe?“

 

Draco mochte, wie Blaise dachte. Blaise Zabini trat an die Klippe heran. Weit hinter dem Grundstück Pansys Eltern erstreckte sich die Küste. Sie hatten einen privaten Zugang, also würde sie hier niemand stören. Das war praktisch. Es war immer praktisch, reich zu sein!

 

„Ich bin dabei!“, rief Gregory eifrig. Immerhin. Einmal zeigte der zahme Idiot Enthusiasmus. Und er war betrunken genug, dass ihn nicht mal mehr sein dicker Bauch zu stören schien.

 

„Ok!“, rief ein weiterer Junge, dessen Name Draco entfallen war. Noch zwei stellten sich an die Klippe. Die Mädchen tuschelten aufgeregt. Einige waren bereits dabei, die Klippen auf dem gewöhnlichen Weg hinab zu laufen, um sie im Wasser zu begrüßen. Cassandra war dabei. Sie sah ausgezogen noch besser aus als im Minirock, wie Draco wohlwollend festgestellt hatte.

 

Sex im Wasser war dann wohl heute sein Höhepunkt. Er zog euphorisch den Zauberstab.

 

Der Fallschirmzauber war verboten. Er war gefährlich. Sicher. Aber die meisten guten Zauber waren gefährlich. Draco beäugte den Abgrund mit einem Augenzwinkern. Das Abenteuer kam ihm gerade recht.

 

„Meine Freunde!“ Mit einem Schlenker füllte er alle Gläser neu mit Champagner. „Wenn wir trinken müssen – dann bis der letzte Tropfen verschwunden ist! Wenn wir gehen müssen – dann nur als letzte! Und wenn wir lieben müssen – dann keine Frau! Nur das Abenteuer!“ Alle hoben ihr Glas.

 

„Bei drei!“, rief Blaise. Die Jungen wandten sich um. Sie zogen die Zauberstäbe.

 

„Eins!“ Sie gingen alle in gehockte Stellung. Für den Zauber brauchte man Schwung. Draco hatte ihn schon viel zu oft ausgeführt. Wie oft waren er und Blaise schon von ihr ins Wasser gesprungen? Zum Zorn seiner Mutter.

 

„Zwei!“ Er atmete aus, warf sein Glas ins Gras und holte Luft. Draußen war es lau. Die Nacht wurde nicht mehr richtig kalt. Der Sommer war endlich vollständig gekommen. Und er war achtzehn und bereute absolut überhaupt nichts! Nichts in seinem Leben könnte besser verlaufen, als es jetzt gerade verlief.

 

Absolut nichts!

 

„Drei!“

 

Und sie sprangen.

 

Sie rissen die Zauberstäbe nach oben. Ein Lichtschauer erfüllte den Nachthimmel. Die Mädchen unten im Wasser kreischten begeistert auf.

Vielleicht würde er heute versuchen, Pansy mit Gregory zu verkuppeln, dachte er noch. Ja, er fühlte sich großzügig!

 

„Draco!“, hörte er Blaise neben sich verzerrt durch den Wind. „Mach schon! Der Zauber!“, schrie er, dann verschwand Blaise, blieb oben in der Luft zurück und Draco hob langsam den Blick. Der Wind pfiff ihm durch die Haare, ließ seine Arme schlackern. Was?!

 

Die Jungen hatten den Zauber ausgeführt. Die hellen Fallschirme, aus reiner Magie spannten sich weiter oben über ihnen. Es war ein schönes Spektakel. Aber es wurde Zeit für ihn!

Eilig schwang er den Zauberstab erneut. Der Fall kam ihm endlos vor.

Vergessen.

 

Er hatte die Formel vergessen, realisierte er in betrunkener Langsamkeit.

 

„Draco!“, hörte er jetzt noch weitere Stimmen schreien. Seinen Namen. Wie war der Spruch? Für eine Sekunde war er wieder völlig klar im Kopf. Wieso konnte er sich nicht entsinnen?!

 

Unter sich hörte er das Wasser bereits gegen die Klippen brechen.

 

Scheiße.

 

Er brauchte einen anderen Spruch.

 

Wingaridum Lev-“

 

Doch ehe er den Spruch hatte aussprechen können, wurde sein Fall von einem hervorstehenden Felsen unterbrochen. „Fuck!“, schrie er vor Schmerz. Er hörte noch andere Schreie, sah bunte Zauber neben sich, die ihn nur knapp verfehlten, und dann rollte er über die kantige Felsspalte, ehe ihn Pansys Zauber umhüllt, wie er einige Sekunden später feststellte, als er sanft über der Wasseroberfläche schwebte, die Arme ausgebreitet, wie ein Fallschirmspringer der Muggel.

 

Der Zauberstab war seinen kalten Händen entglitten, und er spürte den pochenden Schmerz in seiner Seite. Er hatte sich bestimmt die Haut aufgerissen und sich die Rippen geprellt. So fühlte es sich zumindest an. Pansy ließ ihn stumm zum seichten Wasser gleiten und ließ ihn hinab. Die anderen Jungen standen mit großen Augen um ihn, erhellten sein Gesicht mit ihren Zauberstäben, und der lustige Abend war einem jähen Ende gewichen.

 

Tatsächlich saß ihm die Angst in den Gliedern.

 

Sein Herzschlag ging verflucht schnell, und die angenehme Wirkung des Alkohols hatte so abrupt aufgehört, als hätte er sie verschwinden lassen.

 

Pansy war bleich auf ihn zugekommen und ging vor ihm in die Hocke.

 

„Alles ok? Draco?“, fuhr sie ihn praktisch an, aber er erkannte die Sorge gemischt in ihrem Zorn. „Was war das? Was ist passiert?“, wollte sie böse wissen, und seine Stimme gehorchte ihm noch nicht ganz.

 

„Spruch vergessen“, hauchte er rau. Es war lächerlich. Es war peinlich, und hätte ihn keiner der Zauber getroffen, wäre das ganze hier nicht ganz so glimpflich ausgegangen.

Er schämte sich tatsächlich. Und er war wütend auf sich selbst.

 

„Wir müssen das heilen“, bemerkte Blaise neben ihm. Einige Mädchen hatten sich eilig Jacken übergezogen, erleuchtete die Umgebung, und Blaise begutachtete seine Wunde fachmännisch. „Das wird jetzt wehtun, Draco, ok?“, informierte er ihn fairerweise, bevor er die glühend heiße Spitze in die linke Seite seines Körpers bohrte.

 

Ja, der Spaß war definitiv vorüber, bemerkte Draco, während er schmerzerfüllt auffluchte.

Ein verdammt beschissenes Ende zu seinem verdammten Geburtstag.

 

 

Kapitel 6

 

Die Türe schloss sich mit einem leisen Klicken. Ihre Lider zuckten im Halbschlaf, während sie hörte, dass jemand in ihrem Zimmer war. Ihre Mutter? Was tat sie?! Brachte sie Wäsche? Es war Samstagmorgen, und Hermine hatte einen ziemlichen Kater.

Langsam öffnete sie die Augen. Sie war lieber vorsichtig dabei, bevor sie noch aus ihren Höhlen fallen würden, denn so fühlte es sich gerade an. Ihr Kopf surrte unangenehm, und ihr Mund war trocken. Ihr Kopfkissen war seltsamerweise zu dick und viel zu weich. Und es roch vollkommen anders als gestern. Sie blinzelte ins Tageslicht, das den Raum erhellte.

 

Ihr Blick fiel auf einen Schrank. Einen hellen Kleiderschrank mit drei Türen. Es war nicht ihr Kleiderschrank. Daneben stand ein Schreibtisch aus ebenso hellem, elegantem Holz, der Stuhl davor war zurückgezogen und Kleidung hing ordentlich gefaltet über der Lehne. Hatte sie ihre Sachen noch ausgezogen? Hatte sie ein weißes Hemd getragen?! Nein, hatte sie nicht.

 

Die Vorhänge wurden zur Seite gezogen, und schemenhaft erkannte sie eine Gestalt, die aus der Hose stieg und im angrenzenden Zimmer verschwand.

 

Sie hatte kein angrenzendes Zimmer.

 

Das hier war nicht hier Bett… - das war es, was ihr mittlerweile klar war. Absolut klar.

 

Es war sehr still. Sie hörte Vögel in der Ferne singen, aber sonst nichts.

 

Sie bewegte sich unter der Decke, die laut raschelte. Sie war schwer gefüttert, und ihr war warm. Und sie blickte nach oben unter einen seidigen Himmel, der hinter die beiden Rückpfosten des ungewöhnlich breiten Bettes zurückgesteckt war. Die Farbe des Stoffes war dunkel, und sie hatte nicht geringste Ahnung, wo sie war.

 

Ihr Blick fiel rechts neben sich. Sie zuckte so schmerzhaft zusammen, dass sich alles in ihrem Kopf kurz drehte.

 

Toujour pur. Ein Stammbaum, magisch auf die Wand gebannt hatte ihren Blick gefangen.

Nein. Das konnte nicht sein…! Ihr Blick verengte sich. Malfoy und Black hießen die beiden Namen ganz oben. Aber… wieso?!

 

Das Wasserrauschen, was sie nur nebenbei vernommen hatte, ebbte langsam ab und verstummte dann plötzlich. Sie zog sich die Decke bis zum Kinn, denn sie hatte keine genaue Ahnung, was nun passierte. War sie doch irgendwie in Lucius‘ und Narzissas Schlafzimmer geraten?!

 

Sie war mit Narzissa appariert. Oder mit einem der Elfen. Irgendwann spät in der Nacht. Hier her. Nach Malfoy Manor. Und… dann… wusste sie nichts mehr.

Ehe sie darüber hatte ausgiebig nachdenken können, öffnete sich die angrenzende Tür wieder und begleitet mit einem Schwall an Dampf verließ er das Badezimmer.

 

Malfoy.

 

Und er war so ziemlich… nackt…. Oh Merlin…!

 

Mit dem Handtuch trocknete er sich den Rücken ab, dann nicht besonders gründlich den Kopf, während – oh mein Gott – sie einfach alles sehen konnte! Oh nein! Das wollte sie nicht! Die Hitze in ihren Wangen verdrängte für eine Sekunde die Übelkeit, und sie wollte nur noch verschwinden. Sie hatte Angst überhaupt ein Geräusch zu machen.

 

Er schritt zu seinem Schrank, vollkommen seelenruhig, während sie einen Herzinfarkt bekam! Dann bückte er sich zu den Schubladen, und nein! Seine Rückseite bot sich ihr nun dar und sie kniff heftig die Augen zusammen! Nein, nein, nein!

 

„Oh Gott, nein!“, wimmerte sie, ohne anders zu können, und schüttelte den Kopf, um alles ungeschehen zu machen. Denn sie wollte wirklich nicht für immer wissen, wie Malfoys Penis aussah! Merlin…!

 

Sie hörte ein dumpfes Geräusch. „Fuck, verflucht!“, hörte sie ihn grollen. Er schien sich in plötzlicher Eile gestoßen zu haben. „Was zur Hölle treibst du in meinem Bett?!“

 

Qualvoll öffnete sie die Augen wieder. Immerhin hatte er das Handtuch um seine Hüften geschlungen. Er starrte sie praktisch an, wie eine Erscheinung, während er sich den Hinterkopf rieb.

 

Dein… Bett?“, wiederholte sie sie hilflos, und sein Mund öffnete sich ungläubig.

 

„Ha…habe ich dich mitgebracht?“ Scheinbar schien auch seine Erinnerung nicht mehr verlässlich zu sein.

 

„Was? Nein!“, widersprach sie heftig. Er fuhr sich mit der Hand durch die feuchten blonden Haare, und sie ignorierte seinen Bauch, seine Brust – sein Mal – und seine Wunden.

 

„Verflucht, was tust du hier?!“

 

Wunden…? Sie betrachtete seinen Körper plötzlich doch näher. Seine linke Seite sah furchtbar aus. Sie erkannte den blassen Schimmer der Heilung noch, aber wenn diese Wunde bereits geheilt war, wie hatte es vorher ausgesehen?!

 

„Granger?!“, fuhr er sie zornig an.

 

Sie hatte panisch die Luft angehalten, starrte ihn an, während sie ihre Decke instinktiv höher zog, und sein Mund öffnete sich vollkommen perplex, und mehr Erinnerungen schossen wie helle Blitze durch ihr Bewusstsein. „Stalkst du mich?“, entfuhr es ihm angewidert, und ihr Mund verzog sich.

 

„Gott, nein! Warum sollte ich so etwas tun?“ Aber sie wusste, jetzt gerade sah es schlecht für sie aus. „Deine Mutter hat mich hergebracht“, erklärte sie also, und auch das schien ihn nicht zu beruhigen. Im Gegenteil.

 

„Meine…?“ Er starrte sie wieder an. „Raus aus meinem Bett!“, ergänzte er zornig.

 

„Ich habe nichts an“, erklärte sie indigniert, und kurz blinzelte er.

 

„Du hast nichts an?“, wiederholte er entsetzt, und soweit sie es einschätzen konnte – sie hatte sich noch nicht mit beiden Augen vergewissert, aber sie spürte nichts weiter als ihre Haut an der Decke – nahm sie an, dass sie nichts bis nur sehr wenig Kleidung am Körper trug.

 

„Gott, Malfoy! Gib mir meine Kleidung – sie liegt da vorne – und zieh dir selber etwas an!“, knurrte sie nun. Es war so peinlich! Sie hatte seinen Penis gesehen. Und seinen Hintern!

 

Kurz starrte er noch, ehe er es der Starre schnappte und hastig ihre Sachen vom Boden sammelte, die ihm wohl vorher entgangen waren und sie ihr zu warf.

 

„Raus aus meinem Bett!“, wiederholte er so wütend, dass sie eilig nach ihrem Kleid griff, seine dicke Bettdecke um sich schlang und umständlich aus dem breiten Bett rutschte. Röte musste ihr Gesicht bereits sprengen, als sie sich schwankend erhob und auf bloßen Füßen in sein Badezimmer verschwand.

 

Merlin sei Dank war sie zu aufgewühlt, um gerade weinen zu können. Sie ließ seine Decke fallen. Sie trug noch Unterwäsche. Immerhin! Sie hörte ihn nebenan rumororen, Flüche aussprechen, während er sich wohl anzog. Sie stieg in das enge Kleid vom Abend, warf einen Blick in den Spiegel, und stellte mit Schrecken fest, dass sie nicht abgeschminkt war!

 

Ihr Kajal war verschmiert, die Wimpern verklebt, und sie versuchte, mit Wasser, zu retten, was nicht zu retten war. Sie kämmte ihre Haare behelfsmäßig mit den Fingern, aber sie kam kaum durch den Wust. Was hatte sie die Nacht über getrieben, dass sie so aussah?! Sie musste sich viel gewälzt haben! Und was zur Hölle hatte sie in seinem Bett getan?!

 

Als sie sich wieder einigermaßen erkannte verließ sie beschämt sein großes Badezimmer, ohne es sich näher angesehen zu haben. Aber der Spiegel war noch teilweise beschlagen, und Dampf hing vor dem großen Fenster, so dass sie gar nicht hatte hinaussehen können.

 

Er stand neben seinem Bett. Die Augen verengt, aber er war angezogen. Er hielt ihr angewidert ihre hohen Stiefeletten entgegen, die sie wortlos entgegennahm und eilig überzog. Fast wäre sie dabei hingefallen, aber sie sagte kein Wort.

 

Er öffnete schließlich mit einem Ruck seine Tür, aber sie sah sich nach ihrer Handtasche um. Die kleine Tasche lag auf seinem Nachttisch, und eilig stöckelte sie dorthin, um sie zu holen. Er stöhnte gereizt auf, und sie beeilte sich, ihm zu folgen.

Sie gingen einen Flur entlang, an den sie sich nicht erinnern konnte, aber müsste sie das nicht, wenn sie hier hoch gegangen war? Sie biss sich von innen auf ihre Unterlippe, und das Gefühl in ihrem Innern war einfach nur furchtbar.

 

Sie erreichten über eine ausladende Treppe das Erdgeschoss, durchquerten eines der vielen Durchgangszimmer, und Hermine blieb wie versteinert im Türrahmen stehen, während Malfoy zielstrebig in das große Esszimmer geschritten war und vor seiner Mutter innehielt, die an der großen Tafel ihrem Mann gegenüber saß.

 

Lucius hob langsam den Blick aus dem Tagespropheten und sah sie an. Sein Mund öffnete sich leicht.

 

„Was zur Hölle treibt sie hier?“, begann Malfoy ohne Umstände das Gespräch. Hermine spürte die Hitze wieder in ihren Wangen.

 

„Draco Malfoy“, erwiderte Narzissa kühl. „Hermine war gestern Abend unser Gast, ich habe sie mitgebracht, und es ist vollkommen unangebracht, in einem solchen Ton zu reden!“

 

„Was?! Du hast sie in mein Bett geschickt?“, donnerte er, ohne sich um seinen Ton zu scheren. Narzissas Blick verriet nichts.

 

„Nein, Draco. Ich habe ihr das Gästezimmer gegenüber fertiggemacht“, erklärte Narzissa kalt. „Und jetzt mäßige deinen Ton! Wann bist du überhaupt nach Hause gekommen?“, wollte sie nun von ihm wissen.

 

„Sie lag aber in meinem verdammten Bett, Mutter!“, brachte er so wütend hervor, dass Hermine zusammen zuckte. Oh Gott! Es konnte nicht schlimmer werden.

 

„Dann muss ein Versehe passiert sein, Merlin noch mal!“, fuhr Narzissa ihn an. Sie sah heute wieder einmal exquisit aus, während Hermine… so aussah wie gestern. Nur müde und verkatert dazu!

 

„Ein Versehen?“, knurrte er.

 

„Es reicht! Dieses Gespräch ist vorbei! Wenn du nicht zivilisiert sprechen möchtest, kannst du gehen“, mischte sich Lucius glatt ein.

 

„Was?“, fuhr Malfoy nun direkt seinen Vater an, während Hermine wie ein begossener Pudel im Türrahmen stand. Sie wusste nämlich nicht, wo der Ausgang dieses Irrgarten-Schlosses war. „Ein wildfremdes Mädchen liegt in meinem Bett, und es soll mich einfach nicht interessieren?“, knurrte er.

 

„Ich war der Ansicht, es liegen ständig wildfremde Mädchen in deinem Bett“, erwiderte Lucius kalt. Malfoys Mund öffnete sich daraufhin knapp.

 

„Ich nehme an, ich wüsste, hätte ich ein Schlammblut mit nach Hause gebracht!“

 

Es war wie ein Schnitt. Der Stimmung kippte. Es war so deutlich spürbar, und Hermine hatte keine Ahnung, wie Lucius so schnell hatte stehen können, aber er stand bereits, und die Ohrfeige war so schallend laut, dass sie erneut zusammen zuckte. Malfoys Kopf war zur Seite geflogen, während Narzissa sich die Hand vor den Mund geschlagen hatte.

 

„Raus“, knurrte Lucius beinahe gefährlich ruhig, aber Malfoy hatte sich bereits zornig abgewandt und verließ das Esszimmer, ohne sie noch einmal anzusehen. Sie sah auch von hier, dass seine Wange rot brannte.

 

Und jetzt war sie alleine das Augenmerk der Familie. Oh Gott!

 

„Miss Granger, bitten verzeihen Sie. Das war… kein schöner Anblick. Ich entschuldige mich für meinen Ausbruch und für meinen unmöglichen – für Draco“, schloss er beherrschter.

 

„Bitte, setzen Sie sich doch“, forderte Narzissa sie auf. „Es muss einfach ein Missverständnis passiert sein, mit den Zimmern“, erklärte sie mitfühlend. „Es tut mir leid, dass Sie so ein Erwachen hatten“, ergänzte sie und erhob sich.

 

„Ich… würde wirklich gerne gehen“, erwiderte Hermine kleinlaut.

 

„Oh Hermine! Ich bitte Sie! Das müssen Sie nicht!“, bemerkte Narzissa sofort und kam auf sie zu. „Draco kann furchtbar schwierig sein, aber es wird sich legen, ich versichere es Ihnen. Bitte, bleiben Sie noch. Für Sie ist gedeckt, und ich habe Ihren Eltern bereits eine Eule zukommen lassen, damit sie sich keine Sorgen machen“, erläuterte sie lächelnd. Hermine Mund öffnete sich perplex.

 

„Sie… haben was?!“, entfuhr es ihr fast tonlos.

 

„Ja, es ist alles in bester Ordnung. Bitte, tun Sie uns den Gefallen?“ Und mit offenem Mund ließ sich Hermine von Narzissa mit sanfter Gewalt zum großen Tisch führen, der – tatsächlich – für vier Personen gedeckt zu sein schien.

 

„Erwarten Sie noch jemanden?“, wagte Hermine scheu zu fragen, aber Narzissa schenkte ihr ein wamres Lächeln.

 

„Nein, Sie und Draco hatten wir erwartet“, erklärte sie freundlich, und Hermine bemerkte Lucius starren Blick, den er in wieder in die Zeitung gesenkt hatte.

 

„Mich und…? Ich hätte Ihnen sofort sagen können, dass-“

 

„-Hermine, bitte verzeihen Sie sein Benehmen. Wir werden ein Gespräch mit ihm führen!“, versprach Narzissa nickend. Lucius schien sein leises Schnauben mit dem Umblättern der Seite übertönen zu wollen, aber Hermine vernahm es nichtsdestotrotz.

 

Unsicher setzte sie sich zwischen Lucius und Narzissa an eine Längsseite, und wusste nichts mit sich anzufangen. Ein Elf erschien aus dem Nichts, und sie zuckte zusammen.

 

„Lowyn, was ich dir gesagt? Du sollst nicht die Gäste erschrecken!“, bemerkte Narzissa befehlsgewohnt.

 

„Mrs Malfoy, Mylady, Lowyn wollte nicht erschrecken! Lowyn wollte nicht-“

 

„-schon gut“, unterbrach Narzissa das Geschöpf, dass in mehrere Verbeugungen gefallen war. „Tee?“, erkundigte sie sich jetzt bei Hermine, die perplex nickte, während ihr das Geschöpf sehr leid tat. Aber schon, dass sie ihre Tasse gefüllt hatte, war die Elfe verschwunden.

 

Hermine hatte keinen Hunger. Und sie hatte das Gefühl, als wäre sie hier gefangen. Gefangen an einem vollen Frühstückstisch, während Narzissa ihr wohlwollende Lächeln schenkte, und Lucius stumm den Propheten studierte.

 

Und es drängt sich ihr die entscheidende Frage auf: Warum war sie hier? Warum hatte Narzissa sie nicht nach Hause bringen lassen, gestern Abend? Und sie konnte ich nicht an ein Gästezimmer erinnern. Sie konnte sich aber auch nicht an den Weg nach oben erinnern.

 

„Hermine?“

 

Narzissa riss sie aus ihren Gedanken. „Probieren Sie ruhig die Croissants. Sie sind frisch gebacken“, ergänzte sie freundlich. „Außerdem, was haben Sie heute Abend vor?“

 

Hermines Blick hatte sich fast ängstlich gehoben. Lucius ließ die Zeitung langsam sinken.

 

„Ich wollte nämlich in der Winkelgasse einkaufen gehen. Ein paar Kleider, ein paar Schuhe. Ich würde sie gerne einladen, mich zu begleiten“, ergänzte sie fröhlich. „Heute Abend findet im Club eine Cocktail-Party statt. Wir feiern die großzügigen Spenden unseres letzten Events, mit denen das gesamte Kinder-Hospital in Sussex hatte renoviert werden können“, erläuterte sie, immer noch mit einem herzlichen Lächeln. „Und ich würde Sie gerne mitnehmen, heute Abend. Ich bin mir sicher, Sie werden einige Bekanntschaften machen können. Und nicht nur mit Ophelia Parkinson. Es werden viele Damen der Gesellschaft da sein, nicht minder erfolgreich als die Herren, mit denen mein Mann sie bekannt gemacht hat“, erläuterte sie zwinkernd.

 

„Narzissa, Liebling, ich bin mir sicher, Hermine möchte nach Hause“, entschied er zu sagen, und Hermine sah ihn fast dankbar an.

 

„Oh, sie kann sehr gerne nach Hause. Ich bringe sie persönlich. Sie können sich frisch machen, sich umziehen, und ich würde Sie heute Nachmittag wieder abholen?“, bot sie an, während sie sich ihr eigenes Croissant mit Butter bestrich. „Natürlich können Sie auch ablehnen. Ich will Sie wirklich nicht zwingen! Wahrscheinlich habe ich Sie schon zu zu vielen Dingen gezwungen, Hermine?“, wollte Narzissa besorgt wissen, und ihr Gesicht verriet ihre Sorge.

 

„Ich… nein, ich hatte… viel Spaß gestern“, gestand Hermine.

 

„Ach, ich würde mich einfach nur freuen, wenn ich Zeit mit Ihnen verbringen könnte. Wenn es Sie nicht stört. Sagen Sie sonst einfach nein zu mir, Hermine!“, verlangte sie fast streng. „Zwingen will ich Sie überhaupt nicht!“

 

Sie wirkte so furchtbar jung, wenn sie einen solchen Blick aufsetzte, fand Hermine. Und es war so unglaublich schwer, sie zu enttäuschen. Sie wirkte so ehrlich und freundlich. Ihr Lächeln war leider auch noch ansteckend, und Narzissa machte es mit ihrer heimeligen Art fast wett, dass sie heute in der Hölle aufgewacht war.

 

„Ich weiß nicht“, murmelte Hermine unschlüssig. „Es ist ein Reinblüter-Club“, ergänzte sie kopfschüttelnd.

 

„Nein, nein! Gar nicht. Alle Mitglieder der magischen Gesellschaft sind vertreten. Diese Regeln gelten nicht mehr!“, erklärte Narzissa mit großen schönen Augen. „Bitte, denke Sie das nicht, Hermine“, fuhr sie fort. „Und messen Sie diesem Vorfall von heute Morgen nicht zu viel Bedeutung bei. Es tut mir wirklich leid, dass es so ein Durcheinander gegeben hat“, schloss Narzissa beinahe beschämt.

 

„Ich… schon gut“, erwiderte Hermine kleinlaut.

 

„Er wird sich dafür entschuldigen. Ich erlaube nicht, dass in meinem Haus so gesprochen wird“, ergänzte Narzissa mit einem Hauch Zorn in der Stimme. „Am besten kümmere ich mich sofort darum“, entfuhr es ihr und sie warf ihre Serviette auf den Tisch.

 

„Oh nein! Bitte, Mrs Malfoy, ich-“

 

„-nein! Ich hätte es sofort tun sollen!“, entschied Narzissa rigoros, und trotz Hermines Flehen verließ die schöne Frau das Zimmer mit zornigen Schritten.

 

„Machen Sie sich keine Mühe. Narzissa kann man nicht abhalten. Sei es von klugen oder von dummen Dingen“, bemerkte er rätselhaft. Jetzt fühlte sie sich wieder unwohl.

 

„Mr. Malfoy, glauben Sie mir, ich hatte nicht vorgehabt, in Ihrem Haus zu übernachten“, murmelte sie beschämt.

 

„Miss Granger, ich bitte Sie! Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen, dass meine Frau sich darum gekümmert hat, dass Sie sicher nach Hause kommen! Sei es eben auch in dieses Haus. Entschuldigen Sie bitte meinen Ausbruch von vorhin“, ergänzte er plötzlich.

 

Sie atmete aus. „Wissen Sie, ich erwarte nichts anderes von Mal- von… Draco“, benutzte sie widerwillig seinen Vornamen. Das Zucken von Lucius‘ Mundwinkeln entging ihr, während sie auf die glatte, weiße Tischdecke starrte. „Wirklich, und ich weiß nicht, wie ich in sein Zimmer geraten bin, aber… es war unvermeidbar, dass so etwas passieren würde“, schloss sie kopfschüttelnd. Lucius schlug den Tagespropheten wieder auf.

 

„Ich hoffe, Sie haben wenigstens gut geschlafen?“, fragte er hinter den Seiten, und sie musste zu ihrer Überraschung nicken.

 

„Abgesehen von dem jähen Erwachen heute Morgen, ja. Icjh habe sehr gut geschlafen“, stellte sie fest. „Sind… sind Sie heute Abend auch da?“, fragte sie, vielleicht etwas zu hoffnungsvoll. Sie wusste nicht, warum, aber sie konnte Lucius eher einschätzen, als Narzissa. Kurz ließ er eine Ecke der Zeitung sinken, um sie anzusehen.


„Sie können einfach Nein zu meiner Frau sagen, Miss Granger. Sie wird Sie nicht zwingen, verstehen Sie? Und sie wird auch nicht gekränkt sein.“ Und kurz hatte Hermine das Gefühl, er wollte, dass sie Nein zu Narzissa sagte. Aber das Gefühl verschwand schnell wieder. „Und nein, ich bin nicht anwesend“, ergänzte er mit einem vielsagenden Blick. Sie nahm also an, es handelte sich lediglich um Frauen der Gesellschaft. Es klang anstrengend genug.

 

Hermine seufzte schließlich auf. Narzissa kam zurück ins Esszimmer. „Unfassbar. Er ist nicht mehr da!“, brachte sie zornig hervor. „Nehmen Sie meine Entschuldigung statt seiner an, Hermine?“, fragte sie mit einem so mütterlichen Blick, dass Hermine gar nicht anders konnte, als endlich zu lächlen.


„Mrs Malfoy, Sie müssen sich nicht entschuldigen, wirklich. Ich nehme es nicht übel“, brachte sie kleinlaut hervor.

 

„Ich dank Ihnen. Sie sind wirklich ein besonderes Mädchen. Ich schlage vor, wir frühstücken gemütlich zu Ende, und dann bringe ich Sie nach Hause?“, schlug sie vergnügt vor. „Dann überlegen Sie sich einfach, ob Sie mich noch einen Abend lang ertragen könnten“, schloss sie mit einem strahlenden Lächeln. Hermine musste leicht den Kopf schütteln, um den Blick von Narzissas Gesicht wenden zu können. Sie war gefährlich, soviel stand fest. Es war einfach unmöglich, ihr etwas abzuschlagen. Sie war einfach viel zu nett!

Das war wirklich ein Problem, stellte Hermine fest, denn so gerne sie nein sagen würde – so dringend wollte sie es überhaupt nicht.

 

Fast freute sie sich schon darüber, dass Narzissa immer noch Zeit mit ihr verbringen wollte. Vielleicht lag es daran, dass sie so jung wirkte, so agil war. Und sie war wirklich witzig, hatte Hermine festgestellt. Sie war ruhig und konnte sich aber gleichzeitig für alles begeistern – und sie war unerträglich nett. Sie war das absolute Gegenteil ihres Sohnes. Hermine hatte den scheußlichen Morgen schon fast wieder vergessen, als sie schließlich doch in das leckere Croissant biss, weil ihr Hunger wiedergekehrt war.

 

~*~

 

„Was genau meinst du damit?“, wollte Pansy von ihm wissen. Sie hatte den seidenen Bademantel fest um ihren Körper geschlungen und gähnte verhalten in ihre Teetasse, während Blaise den Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte.

 

Die Sonne stand noch nicht hoch im Garten der Parkinsons, aber es war angenehm warm. Eigentlich war Draco hier verschwunden, weil er zuhause hatte schlafen wollen, aber das stand ja mittlerweile außer Frage, denn sein Bett schien ihm nicht mehr zu gehören.

 

„Sie schläft in meinem Bett!“, entfuhr es ihm erneut, während er sich mit der Hand durch die die Haare fuhr.

 

„Vielleicht möchten Sie dich austauschen“, schlug Pansy wenig kreativ vor.

 

„Ich denke, Narzissa hat ein neues Spielzeug gefunden“, nuschelte Blaise, ohne den Kopf von der Tiekholzplatte zu heben. Pansy blickte auf ihn hinab.

 

„Was? Nein, das glaube ich nicht.“

 

„Muggel sind Mode geworden“, murmelte Blaise gähnend. „Ich mag sie“, ergänzte er. „Schade, dass sie gestern nicht auf der Party war“, fügte er seufzend hinzu.

 

„Richtig, das war furchtbar schade“, erwiderte Draco lakonisch. Das wäre noch schöner. Seine Mutter war doch verrückt! „Aber wir sind nicht alle so Schlammblut-verrückt wie du, Zabini.“

 

„Draco, ich möchte dich nicht noch mal ermahnen!“, unterbrach ihn Pansy gereizt. „Ich will das Wort nicht mehr hören.“

 

„Seid ihr alles wahnsinnig geworden?“, fuhr er seine Freunde an, aber Pansy atmete müde aus.

 

„Wie geht es eigentlich deiner Verletzung?“, wechselte sie das Thema.

 

„Verdammt großartig. Können wir zum Problem zurückkommen? Warum musstest du überhaupt anfangen mit ihr zu reden?“, schnauzte er Pansy an, aber diese hob die Augenbrauen.


„Dass ich ihr meinen Bikini geliehen habe, begründet wohl nicht, dass sie in deinem Bett schläft, oder?“, entfuhr es ihr spitz. „Sie arbeitet für deinen Vater. Also beschwer dich bei ihm!“

 

„Mit wäre es lieber, er würde das Schlammblut vögeln, als es plötzlich mit nach Hause zu schleppen!“, knurrte er ungehalten. Mit einem lauten Klonk stellte Pansy die Teetasse auf den Tisch, so dass Blaise gereizt aufstöhnte.

 

„Draco, ich will es nicht mehr hören! Hör endlich auf damit!“, schrie sie fast.

 

Draco legte den Kopf zurück und atmete zornig aus.

 

Was tat das verdammt Schlammblut in seinem Zimmer? Wieso verbrachte seine Mutter Zeit mit ihr?! Was war mit seinen scheiß Freunden los? War er der einzige, der nicht den Verstand verloren hatte?

 

„Zabini?“, sagte er schließlich und Blaise grunzte als Antwort. „Narzissa wird doch wohl nach einer Woche den Spaß an ihr verloren haben?“ Er beendete die Frage nicht. Sie wussten alle, dass Reinblüter lieber unter sich blieben. Es war eine Frage der Zeit, ab wann seiner Mutter langweilig werden würde.

 

„Hey, deine Mutter gewinnt jedes Mal, wenn wir die heißeste Mum wählen, Draco. Aber sie ist wirklich verrückt, also…“, ließ Blaise die Antwort offen im Raum stehen.

 

„Was soll mir das sagen?“, erwiderte Draco, leicht angewidert, denn ja, sämtliche Jungen im Slytherin-Gemeinschaftsraum sprachen ab und an über seine Mutter. Draco ignorierte das, denn sonst würde er sich übergeben müssen. Er hatte sich längst dafür entschieden, dass seine Mutter nicht sein Typ war. Er konnte Blondinen aus Prinzip nicht leiden.

 

„Ich würde die Möglichkeit nicht ausschließen“, bemerkte Blaises Stimme lächelnd von der Tischplatte aus. „Vielleicht werden sie jetzt beste Freunde. Vielleicht adoptieren sie Granger auch“, gähnte er. Draco schüttelte nur wieder den Kopf. Der Gedanke war so widerlich, dass ein Schlammblut in seinem Bett geschlafen hatte, dass er überlegte, das Zimmer abzubrennen!

 

Wieso war diese kleine Schlampe auf einmal überall?

Er hasste seine Mutter!

 

Granger sollte dahin verschwinden, wo sie herausgekrochen war. Wo war überhaupt der Rest des Arschloch-Trios, fragte er sich unwillkürlich. Konnten die sich nicht darum kümmern, dass das Schlammblut da blieb, wo es hingehörte?!

Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber er wollte, dass Potter eben einfach Potter war und sich darum kümmerte, dass die Grenzen des Hasses zwischen ihm und Potters kleiner Bande aufrecht erhalten wurden! Merlin, noch mal! War das zu viel verlangt?

 

Er hoffte, das wäre das Ende dieser Freakshow gewesen! Ansonsten würde er sich noch selber darum kümmern müssen, dass der Frieden wieder eintrat.

Seine Seite schmerzte so sehr, dass er am liebsten gleich sterben würde. Und sein Vater hatte ihn geschlagen. Er hatte ihn tatsächlich geschlagen. Draco würde nie mehr ein Wort mit diesem Arschloch sprechen. Nie mehr!

 

Vielleicht könnte er ja bei Pansy einziehen, überlegte er dumpf, während er in gerechtfertigtem Selbstmitleid versank und die Augen wieder schloss.

 

 

Kapitel 7

 

Vielleicht kompensierte sie. Vielleicht kompensierte sie einfach, dass sie das Abzeichen nicht bekommen hatte, dass ihre Freunde Spaß hatten, während sie arbeiten musste, dass es alles ohnehin für nichts gut war.

 

Sie beobachtete fast fasziniert, wie auch ihre eigenen Eltern von Narzissa Malfoy ausnahmslos eingenommen waren, und wie charmant sich Narzissa schlug.

 

„Ach, wissen Sie, ich finde es ja so richtig, dass sich Hermine für die Bedürftigen einsetzt. Viel sinnvoller als auf gefährlichen Einsätzen zu kämpfen“, erklärte er ihre Mutter gerade mit einem eindeutigen Blick auf sie.

 

„Ich verstehe genau, was Sie meinen, Mrs Granger“, erwiderte Narzissa nickend. „Ich meine, ich habe selber auch eine Zeit lang darüber nachgedacht, etwas aufregenderes zu machen, Abenteuer zu erleben – aber meinen Sie nicht auch, die Kinder haben genug durchgemacht?“

 

„Sehr richtig“, bemerkte ihre Mutter mit Vehemenz, die Hermine von ihr so nicht kannte. „Wie nett, dass Sie Hermine mitnehmen wollen. Vielleicht findet sich ein guter Platz für Sie in der Gesellschaft“, fuhr ihre Mutter fort. „Ich meine, das Geld, was wir für sie verwalten würde ohnehin ausschließlich einem guten Zwecke zu gute kommen, das sieht Hermine genauso.“

 

Tat sie das? Sie hatte von einem Haus geträumt. Einem uneinnehmbaren Schloss, weit weg von ihren Eltern. Und noch hatte sie überhaupt nicht zugesagt, heute Abend mitzukommen.

 

„Natürlich, ich meine, was gibt es Erfüllenderes als sich um andere zu kümmern?“, bemerkte Narzissa Malfoy, und sie war so glaubwürdig, dass selbst Hermines Vater sie mit einem Lächeln bedachte.

 

„Ich hatte mir reiche Menschen weniger aufopferungsvoll vorgestellt“, bemerkte er jetzt, und erntete von seiner Frau einen bösen Blick. Aber Narzissa lächelte.


„Viele der Gesellschaft bevorzugen natürlich, sich rauszuhalten, aber ich finde, gerade wenn man so eng mit dem Krieg verbunden war, und auf so ungünstigen Seiten gestanden hat, ist es umso wichtiger zu zeigen, wie man wirklich ist. Denn ich kann mich nur immer wieder für alle Ungerechtigkeiten entschuldigen, die allen Muggeln widerfahren sind, und deshalb möchte ich auch Hermine zeigen, dass es Menschen gibt, die sie gerne unter ihre Fittiche nehmen würden, um ihr etwas weiter ab von der Welt des Ministeriums andere spannende Dinge zu zeigen. Ich meine, man will ja auch nicht für immer unabhängig und ungebunden sein, nicht wahr? Wie viele Aurorinnen sind heutzutage noch verheiratet und haben eine Familie? Es ist fast schon unmodern, sich solche Vorstellungen zu erlauben!“, fuhr Narzissa fort und schlug damit treffsicher in die Lieblingskerbe ihrer Mutter.

 

Auch ihr Vater lauschte, denn dass seine Tochter womöglich niemals heiraten würde klang wohl auch in seinen Ohren nicht in Ordnung. Hermines Mund hatte sich geöffnet, aber es gelang ihr nicht, ein Wort dazwischen zu schieben, obwohl Narzissa sie nur abgesetzt hatte, obwohl sie gar nicht hatte reinkommen wollen, und nun im Flur ihrer Eltern stand. Seit einer halben Stunde.

 

„Wollen Sie nicht reinkommen, Mrs Malfoy? Ich habe gerade frischen Tee aufgesetzt“, erklärte ihre Mutter jetzt.


„Mum!“, fuhr Hermine sie an. „Wirklich, Mrs Malfoy hat noch genug zu tun.“

 

„Oh, ich will Sie nicht aufhalten, wenn Sie-“


„-ich nehme Ihr Angebot gerne an, Mrs Granger“, erwiderte Narzissa freundlich. „Hermine erzählte mir, Sie haben eine eigene Praxis? Das muss doch auch viel Verantwortung sein. Aber dafür haben Sie haben ein schönes Haus“, ergänzte Narzissa lächelnd, als sie sich umso und mit Verwirrung den Fernseher und den Laptop ihres Vaters betrachtete, als ihre Mutter sie auf die Veranda führte. Hermine stand am Treppengeländer, völlig überfordert. Nein, die Malfoys hatten ein wunderschönes Haus! Die Malfoys hatten einen Palast. Ihre Eltern hatten ein kleines zugiges Haus aus den Siebzigern.

 

„Vielen Dank, Mrs Malfoy. Hermine, mach dich doch einfach frisch, dann kann Mrs Malfoy mit uns eine Tasse Tee trinken und ihr könnt anschließend in die Winkelgasse“, bemerkte ihre Mutter fröhlich. Hermines Mund öffnete sich ratlos. Irgendetwas lief her sehr komisch.

 

Ihr Vater war noch zurückgeblieben, während die beiden Damen sich angeregt über Dekoration und die scheinbar einseitige Mode der Zahnärzte unterhielten.

 

„Magst du die Frau?“, fragte ihr Vater schließlich, während er seine Pfeife aus der Schublade holte. Er rauchte jeden Samstag Pfeife, seitdem Hermine denken konnte. Auch wenn es schlecht für die Zähne war, dachte sie immer mit einem mentalen Kopfschütteln. Und schlecht für die Gesundheit im Allgemeinen. Ihr Vater legte die Angewohnheit nicht ab. Vielleicht gab es immer schlechte Angewohnheiten, die man nicht ablegte, überlegte Hermine. Malfoy würde immer ein Arschloch bleiben. Und sie würde sich immer zurückziehen und selber Lösungen für ihr Problem finden, anstatt andere um Hilfe zu bitten....

 

„Ich… ja. Ich mag sie“, bemerkte Hermine wahrheitsgemäß. Es überraschte sie selber.

 

„Und woher kennst du sie? Über den Abteilungsleiter, für den du arbeitest?“, vermutete ihr Vater still, während er die Pfeife stopfte. Hermine nickte langsam.

 

„Ich… - in der Schule bin ich im selben Jahr wie ihr Sohn“, erklärte Hermine langsam. „Ansonsten kennen wir uns erst seit… der letzten Woche“, schloss sie. Ihr Vater war fertig mit Stopfen.

 

„Hm. Sie scheint dich gern zu haben“, schloss er lediglich.

 

Und Hermine war sich nicht so sicher. Und sie wusste auch nicht, ob das gut war oder eher schlecht. Ihr Vater folgte den Damen schließlich nach draußen, während Hermine spürte, wie dringend sie duschen wollte.

Sie würde später über alles nachdenken.

 

~*~

 

Er beobachtete das Mädchen durch die verspiegelten Gläser seiner Sonnenbrille.

 

„Tut es noch sehr weh?“, fragte sie mitleidig. „Der Sturz gestern war ziemlich heftig“, ergänzte sie mitfühlend.

 

„Alles ok“, log er mit einem Lächeln. „Was hast du noch vor?“ Sie trank den Shake, der Geschmack und Farbe wechselte, durch einen Strohhalm, und das alleine war sexy genug, fand er. Seine Hand fand den Weg zu ihrer, die auf dem Tisch des Cafés lag.

 

„Oh, ich wollt noch ein Kleid kaufen. Hast du Lust mitzukommen?“

 

„Sicher, ich kann mir nichts besseres vorstellen, als dich in einem wunderschönen Kleid“, erwiderte er sofort. Lügen war ein Kinderspiel. Es ging ihm so leicht von der Hand, wie auf einem Besen fliegen. „Wie spricht man deinen Namen noch mal aus? Ich will keinen Fehler machen“, ergänzte er mit einem charmanten Lächeln, ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihre weichen Fingerknöchel. Sie wurde eine Spur rot.

 

„Lauren?“, erwiderte sie etwas verwirrt, und es war sein üblicher Spruch, wenn er wieder einmal einen unwichtigen Namen vergessen hatte.

 

„Ok, Lauren. Wollen wir weiter?“ Er brauchte nämlich heute den Sex, den er gestern nicht hatte bekommen können. Er warf einen Beutel voller Knuts auf den Tisch des teuren Cafés und führte sie auf die Winkelgasse zurück. Er legte den Arm um sie, beugte sich hinab zu ihrem Hals und küsste sie unterhalb ihres Ohres.

 

Sie lachte auf, und er spürte ihre Gänsehaut. „Draco!“, ermahnte sie ihn scherzhaft und zog ihn mit sich in die nächste Boutique. Tatsächlich würde er es erdulden müssen, wenn er so schnell wie möglich an sein Ziel wollte, stellte er missmutig fest, ließ es sie aber nicht erkennen.

 

„Was hältst du hiervon?“, fragte sie ihn sofort und griff sich eines der Kleider von der Stange. Es war kurz und tief ausgeschnitten.

 

„Perfekt“, erwiderte er mit einem breiten Lächeln.

 

„Das dachte ich mir“, bemerkte sie knapp. „Aber ich brauche etwas, was ein wenig… bescheidener ist für heute Abend“, fuhr sie fort. Es konnte Draco nicht egaler sein. „Aber ich werde dieses auch anprobieren“, versprach sie ihm. Er schenkte ihr ein Lächeln voller Gleichgültigkeit. „Möchtest du… mit in die Kabine kommen?“, flüsterte sie jetzt, und er nahm die Sonnenbrille von der Nase.

 

„Ich bin gerne behilflich“,erwiderte er grinsend und folgte ihr tiefer in die magisch gekühlte Boutique. Es war nicht viel los hier, aber die Preise hielten wohl mit vollem Erfolg niederes Volk davon ab, hier aufzutauchen, überlegte er, während sie ihn mit sich zog. Sie war ein Stück kleiner als er und roch sehr blumig. Ihre dunklen Haare schimmerten verführerisch und sie lächelte strahlend weiß zu ihm auf, als sie ihn in eine Kabine zog, ohne dass die Verkäuferinnen sie bemerkt hatten.

 

„Und jetzt?“, fragte er leise, als sie die Arme um seinen Nacken gelegt hatte. Er lehnte sich mit ihr gegen die Kabinenwand und senkte langsam den Kopf.

 

„Jetzt ziehe ich mich um“, flüsterte sie verschwörerisch, und er küsste sie hart, während er die Träger ihres Tops über ihre Schultern schob. Sie stöhnte leise unter seiner Berührung, und er war bereits hart. Er würde kein Vorspiel brauchen. Brauchte er sowieso nicht.

 

„Wieso probieren Sie nicht das champagnerfarbene an?“

 

Er vernahm die Stimme weiter hinten im Geschäft, und er ließ von dem Mädchen unter sich ab. Er kannte die Stimme doch?!

 

„Was ist, Draco?“, wollte das Mädchen enttäuscht wissen, aber er gebot ihr still zu sein.

 

„Nehmen Sie direkt das blaue auch mit“, sagte die Stimme seiner Mutter nun deutlich näher. Er wich tiefer in die enge der runden Kabine zurück. Scheiße! Er hatte nicht gewusst, dass es eine Sache der Wahrscheinlichkeit wäre, hier in seine Mutter zu laufen! Der Mode hier war überhaupt nicht ihr Stil, überlegte er knapp.

 

„Was ist los?“, zischte das Mädchen. „Du verhältst dich komisch, Draco!“, bemerkte sie eine Spur beleidigt.


„Shht!“, fuhr er sie an, denn er konnte nicht gebrauchen, dass jemand hier seinen Namen erkannte.

 

„Du bist ein Arschloch!“, fuhr sie ihn schließlich beleidigt an, richtete ihre Träger, riss die Vorhänge der Kabine auf, und er wich in den Schatten zurück. Er konnte nicht mal hinter ihr her. Vielleicht konnte er apparieren?

 

„Es ist eine Kabine frei, Hermine!“, rief die Stimme seiner Mutter, ehe er den Gedanken abschließen konnte.

 

Oh fuck!

 

Das Schlammblut betrat die runde Kabine und er hatte keine Chance, groß zu überlegen. Er zog hastig die Vorhänge zu, ehe seine Mutter auch noch den Weg hierhin finden würde, um dem unfähigen Schlammblut womöglich noch zu helfen, und sie wandte sich erschrocken zu ihm um. Sie erkannte ihn in derselben Sekunde, und ehe sie reagieren konnte, hatte er den Abstand geschlossen und seine Hand über ihren Mund gelegt.

 

„Kein Wort!“, zischte er und sah ihr direkt in die Augen. Er hatte keine Lust auf einen neuen Showdown mit seiner Mutter, die – wusste der Teufel warum – das Schlammblut scheinbar schon wieder im Schlepptau hatte!

 

Es war ein beschissener Tag! Er hatte sich damit bereits abgefunden. Ihre Augen hatten sich geweitet, spiehen regelrechte Stichflammen in seine Richtung, aber er ließ von ihrem Mund nicht ab, egal, wie hart sie sich wehrte.

 

„Wie kommen Sie voran, Hermine?“, hörte er die Stimme seiner Mutter und verdrehte die Augen. Er bedeutete ihr mit einem sehr intensiven Blick nichts Falsches zu sagen, ehe er langsam seine Hand von ihrem Mund nahm. Sie atmete zornig aus, ehe sie die Augen wütend verengte.

 

„Alles in Ordnung, Mrs Malfoy“, knurrte sie praktisch.

 

„Haben Sie das Kleid an?“, fragte seine Mutter, und sie verzog den Mund. Sie antwortete, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

 

„Nein, noch nicht“, erklärte sie eindeutig, und er verdrehte die Augen.

 

„Merlin, sag einfach, es gefällt dir nicht und hau ab“, zischte er gepresst.

 

„Ich werde dieses Kleid anziehen“, informierte sie ihn. „Und du wirst aus der Kabine verschwinden!“ Ihr Blick war eiskalt.

 

„Gott!“, entfuhr es ihm tonlos. „Was tust du hier überhaupt? Was hast du mit meiner Mutter zu schaffen?“, schaffte er zu zischen, ohne zu schreien.

 

„Das geht dich überhaupt nichts an, oder?“, fuhr sie ihn ebenso leise an, und er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Es war doch zum Verrücktwerden!

 

„Granger, meine Mutter ist verrückt, ok? Sie hat einen Schaden! Und ganz bestimmt hat ihre Schlammblüter-Wohltätigkeitsschiene einen schrecklichen Grund!“, knurrte er.

 

„Deine Mutter war sehr nett zu mir!“, informierte sie ihn, wirkte aber gehetzt.

 

„Meine Mutter wird dich benutzen! Aus was für einem Grund auch immer, Merlin verflucht!“, fuhr er sie leise an.

 

„Warum sollte sie?“

 

„Keine Ahnung, Granger! Warum sollte sich eine der reichsten Frauen mit einem dreckigen Schlammblut abgeben?“, wollte er zornig wissen. Ihre Augen verengten sich sehr plötzlich. Und genau das bedeutete ihm alarmierend schnell, dass er seine verdammte Klappe besser gehalten hätte. Wenigstens dieses Mal. Sie atmete kurz aus, ehe sie scheinbar in ihrem Kopf zu einer Entscheidung gelangt war. Sein Mund öffnete sich im Protest, aber ihre Hand zog den Vorhang der Kabine ruckartig auf.

 

„Mrs Malfoy, Ihr Sohn belästigt mich!“, rief sie glaubhaft verzweifelt, und Dracos Mund öffnete sich vollkommen sprachlos, als sich seine Mutter, die keine zwei Meter von der Kabine entfernt war, zu ihnen umwandte. Miststück.

 

Und er stand ziemlich aussichtslos in der Kabine.

 

„Draco?“, entfuhr es seiner Mutter ungläubig.

 

Scheiße.

 

„Mrs Malfoy, er ist hierhin appariert und hat sich bei mir entschuldigt für heute Morgen, aber ich finde es unverschämt, dass er mich auf diese Art belästigt“, erklärte sie entschuldigend.

 

Oh, das verdammte Biest!

 

Seine Mutter sah ihn an. Nahezu ungläubig. Denn natürlich klang das wie… eine dreiste Lüge! „Du hast dich entschuldigt? Du hast sie abgepasst?“, fragte sie perplex, und Draco tauschte einen finsteren Blick mit dem verdammten Schlammblut, das mittlerweile sehr selbstgefällig zu ihm aufblickte.

Granger wollte spielen? Granger wollte versuchen, ihn bloßzustellen? Wirklich zu schade, dass sie seine Mutter nicht kannte. Warum er keine Zeit mit seiner Mutter verbrachte? Weil seine Mutter gefährlich war. Deshalb.

 

Und sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Ausdruck, der dem Schlammblut nicht entgehen konnte. Ihre Selbstgefälligkeit wankte ein Stück.

 

„Ja, Mutter. Ich habe mich entschuldigt“, log er jetzt.

 

„Ich wusste, dass du Vernunft annehmen würdest. Ich finde es aber nicht in Ordnung, dass du Hermine so erschrocken hast!“, maßregelte seine Mutter ihn. „Das war wohl nicht nötig.“

 

„Wieso lädst du sie nicht noch einmal ein?“, schlug er mit einem Wolfslächeln vor, und Grangers Blick war unbezahlbar. Oh ja, er würde sie gerne noch einmal in seinem Haus haben, wo sie seiner Wut nicht entkommen konnte!

 

„Ich habe vor, sie heute mit in den Club zu nehmen. Möchtest du mit?“, wollte seine Mutter erfreut wissen, aber er hob abwehrend die Hände.

 

„Oh nein. Da sind mir… zu viele Damen, aber ich bin sicher, es wird sich noch eine bessere Gelegenheit ergeben“, entgegnete er.


„Draco, du kannst gerne mitkommen“, beharrte seine Mutter, die die Tatsache relativ schnell überwunden hatte, dass er mit Granger alleine in einer Kabine gewesen war. Es sollte ihm Angst machen, aber er dachte nicht ausreichend darüber nach. „Ich finde es wirklich gut von dir, dass du deine Meinung geändert hast!“ Seine Mutter strahlte ein wenig zu sehr. Ein wenig zu erleichtert. „Hermine ist nämlich eine ganz bemerkenswerte junge Dame“, ergänzte sie wohlwollend.

 

Merlin. Dracos Befürchtungen nahmen Formen an. Blaise schien nicht unrecht gehabt zu haben. Warum zur Hölle vertrieb sich seine Mutter ihre Zeit mit einem Schlammblut? Und wieso ließ sich Granger überhaupt auf so etwas Absurdes ein?! Aber er musste annehmen, sie hatte keine Ahnung. Das naive Schlammblut hatte nicht die geringste Ahnung, wie berechnend und manipulativ seine Mutter sein konnte.

 

Und wenn es stimmte, was er vermutete, dann bestand kein Zweifel, dass niemals das Gästezimmer für Granger hergerichtet gewesen war, gestern Abend. Aber er durchschaute seine Mutter mittlerweile schneller als sie dachte. Was hatte sie gedacht? Dass er ebenfalls wie sie auf den Schlammblut-Geschmack gekommen war?! Oh und wie witzig es eigentlich doch war.

 

Eine der ältesten Reinblüterfamilien versuchte, sich ein Schlammblut zu fangen. Es war wie ein tragisches Märchen. Er wusste nicht, warum. Ging es darum, das Ansehen aufzubessern? Aber wofür war Granger nötig? Das Ansehen der Familie war vollkommen in Ordnung. Oder war seiner Mutter langweilig? Er nahm an, das war der Grund. Oder es kam ihr vielleicht exotisch vor, ein Schlammblut anzulocken. Es war vielleicht mittlerweile gesellschaftlich schick, sich mit der niederen Bevölkerungsschicht abzugeben, vermutete er bitter.

 

„Jaah“, erwiderte er mit einem falschen Lächeln. „Sie ist ganz bemerkenswert“, bestätigte er, während Grangers Gesicht alle Farbe verloren hatte. „Zwar zu dumm, um Schulsprecherin zu werden, aber ganz bemerkenswert“, ergänzte er hinter vorgehaltener Hand, so dass sich Grangers Augen schockiert weiteten, aber seine Mutter bemerkte es nicht.

 

„Draco, du weißt nicht, wie sehr es mich freut, dass du so denkst“, erklärte Narzissa.

 

„Vielleicht komme ich heute Abend doch“, ergänzte er nachdenklich, ohne diese Drohung wirklich wahrmachen zu wollen.


„Wirklich?“, wollte Narzissa fast ungläubig wissen. Draco würde seine Mutter mit eigenen Mitteln schlagen. Lucius glaubte zwar, er könne über ihn entscheiden, mit physikalischer Gewalt, aber das war ein Irrtum. Aber seiner Mutter könnte er immerhin die Lust an einem Schlammblut austreiben. Seine Eltern gingen ihm so sehr auf die Nerven. Er glaubte nicht, dass es schlimmere Eltern gab als seine. Er würde sie sofort eintauschen, wären sie nicht so verdammt reich.

 

„Ich fand sie schon immer faszinierend, aber ich habe es wohl bisher nicht einsehen wollen“, tischte er seiner Mutter die Lügen auf, die sie zurzeit wohl gerne hören wollte. Grangers Mund hatte sich vollkommen entgeistert geöffnet.

 

„Ausgezeichnet, Draco. Ich habe wirklich befürchtet, dass es dich mehr Zeit kosten würde“, erwiderte Narzissa ein wenig nachdenklich. Mehr Zeit kosten würde? So ganz begriff er nicht, was seine Mutter wollte. Aber er kannte seine Mutter. Sie hielt in etwa so viel von ihm wie es sein Vater tat. Und sollte er anfangen, nett zu einem Schlammblut zu sein, dann war er sich sicher, seine Mutter würde so schnell das Interesse verlieren, dass Granger nur glauben konnte, es wäre alles ein märchenhafter Traum gewesen, dass sie überhaupt in den Genuss reicher Boutiquen hatte kommen können. „Dann kümmere dich bitte darum, dass du für heute Abend einen Anzug hast, ja?“

 

„Gerne, Mutter“, erwiderte er übertrieben freundlich. Ihm würde schon eine geeignete Ausrede einfallen. Dann wandte er sich an Granger, und sein Lächeln fiel von ihm ab. „Und dich sehe ich heute Abend“, versprach er ihr erst mal, und seiner Mutter entging die feine Drohung hinter seinen Worten. Granger würde spätestens heute Abend schreiend vor den Reinblütern weglaufen, wie das Kaninchen vor der Schlange, wenn seine Mutter endlich ihr gutmütiges Getue ablegen würde.

 

Es wurde Zeit, dass er handelte, ehe das Schlammblut noch bei ihnen einziehen würde!

 

~*~

 

Sie hatte sich außerstande gesehen, Narzissa abzusagen. Sie war so begeistert davon gewesen, dass ihr verkommener und missratener Sohn einen scheinbaren Sinneswandel vollzogen hatte, dass ihre Laune immer besser geworden war.

Es war schon ein Ding der Unmöglichkeit, die Kleider von Narzissa nicht anzunehmen. Narzissa hatte sich regelrecht überschlagen und hatte Hermine in jeder Boutique zwei Kleider gekauft, dazu Schuhe, Handtaschen, Schmuck, und Hermine hatte immer wieder Nein gesagt, hatte gesagt, sie wolle keine Kleider, bräuchte keine Kleider, aber Narzissa hatte gelacht und abgewunken, hatte davon erzählt, wie glücklich sie wäre, dass sich alles so leicht fügen würde, und Hermine hatte immer weniger begriffen.

 

Sie befürchtete schon, dass Narzissa ihr Morgen eine Rechnung für die Kleidung in Höhe von 8000 Galleonen schicken würde oder etwas ähnliches. Und mittlerweile hatte Hermine Angst. Sie hatte auch keine Lust, sich von Malfoy fertig machen zu lassen.

 

Sie wusste nicht, was er für ein Spiel trieb, aber sie hatte es satt.

Sie hätte Narzissa niemals zusagen dürfen und jetzt sah sie sich außerstande abzusagen!

 

Vor allem, wo ihre Mutter auch noch so begeistert von Narzissa war.

 

Und jetzt wollte sie nicht mal mehr mit Harry oder Ginny darüber sprechen, denn jetzt hatte sie sich selber zu weit in die Situation hinein manövriert, als dass es ein Gespräch irgendwie erklären könnte. Und es war zu peinlich!

 

„Du siehst so hübsch aus. Das Kleid war bestimmt sehr teuer“, bemerkte ihre Mutter entzückt.

 

„Mum, wenn du sagst, ich soll nicht gehen, dann-“

 

„-was? Wieso sollte ich das sagen?“ Ihre Mutter sah sie ernsthaft verblüfft an. „Mrs Malfoy hat mich sehr positiv überrascht. Magst du sie nicht mehr leiden? Das wäre äußerst ungünstig, wo sie doch so große Pläne mit dir hat“, sagte ihre Mutter langsam.

 

„Ich hatte niemals vor, irgendein Mitglied in einem Club zu werden, Mum. Ich wollte im Ministerium-“


„-weißt du, Hermine“, unterbrach ihre Mutter sie jetzt ernsthaft, „ich finde es besser, wenn du deine Zeit mit Mrs Malfoy verbringst, als mit ihrem Mann“, schloss sie mit einem eindeutigen Blick. Hermine verdrehte gereizt die Augen.

 

„Mum! Ich verbringe dort keine Zeit, ich arbeite dort! Warum auch immer ich das tue!“, entfuhr es ihr mittlerweile entnervt. „Mr. Malfoy ist mein Boss. Nichts weiter!“ schnaubte sie auf.

 

„Was meinst du damit? Warum du es tust? Es bringt dir Prestige, hast du gesagt. Neben dem Abzeichen wäre es die höchste Auszeichnung, hast du gesagt!“, ergänzte ihre Mutter entrüstet. Ja. Das blöde Abzeichen hatte sie auch nicht bekommen.

 

„Ja, Mum. Aber der Club von Mrs Malfoy-“

 

„-ist eine so gute Möglichkeit, dich in magische Gesellschaft vollständig einzugliedern“, bemerkte ihre Mutter.

 

„Mum, ich bin vollständig eingegliedert. Mein Name steht in den Geschichtsbüchern, ich-“

 

„-ich meinte eher, in eine andere Art der Gesellschaft, Hermine“, korrigierte ihre Mutter sie  nachsichtig.

 

„Was?“ Hermine sah sie perplex an. „Was meinst du damit? Weil sie reich sind? Ist es das, was du sagen willst?“

 

„Ich meine, sieh es doch mal so“, begann ihre Mutter sanfter, „vielleicht lernst du dort einen netten jungen Zauberer kennen, der seine Karriere nicht erst als Aushilfsquidditchspieler beginnen möchte“, erklärte ihre Mutter, und Hermine wusste, sie spielte auf Ron an, der sich bei den Sheffield Shooters beworben hatte und wohl auch genommen werden würde, zumindest als Auswechselspieler auf der Bank. Ihre Augen verengten sich.

 

„Ach? Und was ist schlecht daran?“ Nicht, dass sie zurzeit scharf darauf war, gerade Ron zu verteidigen, aber das tat sie lieber als irgendeinen reichen Snob!

 

„Ach, jetzt fühl dich nicht gleich angegriffen, Hermine, Himmel noch mal! Ich dachte, du magst Mrs Malfoy?“ Ihre Mutter klang misstrauisch.


„Nein, ich – ja“, gab Hermine nach. „Ich mag Mrs Malfoy. Und ich mag auch Mr. Malfoy. Es sind sehr nette Menschen, aber-“

 

„-aber gar nichts! Gib dieser Gesellschaft doch wenigstens eine Chance, wo sich Mrs Malfoy so viel Mühe gegeben hat. Dein Vater und ich können dir natürlich auch Aussichten bieten, solltest du in der Praxis arbeiten wollen, aber du hast ja nicht mal einen normalen Abschluss, wenn du fertig bist, sondern ein Zauberer-Abschluss. Du könntest nicht mal Medizin studieren, und du willst es nicht einmal!“ Ihre Mutter klang eine Winzigkeit beleidigt, wie jedes Mal, wenn das leidige Thema Muggel und Zauberer zur Sprache kam.

„Du möchtest gerne ein magisches Leben führen, bitte. Dein Vater und ich unterstützen dich immer, aber wir können dir nicht helfen. Ist es da nicht hilfreicher, gleich oben einzusteigen?“

 

Hermine atmete aus. Ja, sie verstand, was ihre Mutter meinte. Aber ihre Mutter verstand nicht, was Hermines Sorge war. Reinblüter waren nicht nur reich. Sie waren eben Reinblüter, die eigentlich alle Muggel verabscheuten. Zumindest wusste sie, dass Malfoy das tat.

Und sie wusste nicht, was Narzissa dachte. Oder Lucius.

 

„Mum-“

 

„-und ich sage ja nicht mal, dass du einen jungen Mann kennenlernen musst, Hermine. Sieh dich einfach um, trag schöne Kleider und hab Spaß“, erklärte ihre Mutter achselzuckend. „Das tun deine Freunde doch auch gerade, oder nicht?“, erinnerte sie Hermine schmerzlichst an die Abwesenheit ihrer besten Freunde. Aber sie bezweifelte, dass Harry und Ron schöne Kleider tragen würden. Fast wünschte sie sich, ihre Mutter würde es ihr verbieten, aber ihre Eltern hatten sie immer für vernünftig gehalten und ihr nie etwas verboten.

 

Das hatten sie jetzt davon!

 

„Fein. Ich werde gehen“, schloss Hermine geschlagen. Ihrer Mutter schien die Drohung zu entgehen. Aber Hermine wusste nicht mal, mit was sie drohte. Verschleppt zu werden? Vielleicht doch Spaß zu haben...?

 

„Gut für dich“, sagte ihre Mutter lächelnd und verschwand summend wieder in Richtung Küche. Hermine atmete angestrengt aus. Es war schon schlimm genug, dass ein Elf der Malfoys sie abholen wollte.

 

Aber darüber hatte sie mit Narzissa nicht auch noch diskutieren wollen.

Sie kam sich schon selber undankbar vor….

 

~*~

 

Am liebsten hätte sie den Elf gleich dabehalten, um jetzt nicht alleine vor den Toren des Clubs stehen zu müssen. Aber lange stand man vor magischen Gebäuden nicht unbemerkt. Die Tore öffneten sich lautlos, als wäre ein magischer Radar losgegangen.

Licht fiel aus den weiten Fenstern auf das dunkle Gras vor dem großen Gebäude.

 

Es wirkte so luxuriös wie Malfoy Manor, und es war etwas, wo sie nicht hingehörte. Sie hörte Musik aus dem Innern dringen. Geigen und Saiteninstrumente spielten schottische Hymnen wie es klang. Es klang angenehm. Es klang fröhlich und frei. Etwas, was Hermine zurzeit nicht war. Sie fühlte sich gar nicht so. Eigentlich fühlte sie sich zurückgewiesen und war plötzlich in eine fremde Welt geraten, in die sie nicht gehörte.

 

Die Eingangstüren des großen Hauses öffneten sich und einige Menschen strömten nach draußen, fächerten sich Luft zu, lachten und tranken. Alkohol würde Hermine heute nicht anrühren! Die Musiker stimmten das nächste Lied an. Erhaben und ruhig.

Eine Frau sang auf Gälisch, aber Hermine verstand kein Wort. Sie erahnte, dass es grob um ein Mädchen in einem Turm ging, aber es klang romantisch und regelrecht auffordernd, dass man Tanzen kommen sollte.

 

Und sie erkannte Narzissa von weitem. Es war auch nicht schwer. Hermine kam es wieder einmal so vor, dass die Frau nicht zu wissen schien, was für eine starke Ausstrahlung sie hatte.

Hermine atmete schwer aus und beschritt den knappen Weg zum Haus.

 

Narzissa entdeckte sie nur Sekunden später.

 

„Hermine!“, rief sie fast glücklich. Sie ließ ihre Begleiterinnen stehen, lief leichtfüßig die wenigen Stufen in den Garten des Hauses hinab und kam auf Hermine zu. Die Haare zum Teil hochgesteckt, zum Teil in großen Wellen. „Kommen Sie!“, sagte sie, als ihre Augen wohlwollend über den weichen Stoff des teuren Kleides glitten, das sie Hermine für diesen Abend empfohlen hatte. „Sie sehen wunderschön aus!“, ergänzte sie, als sie Hermine ins heiße Innere führte. Die Luft war warm, gefüllt mit Stimmen, Gelächter und der nobelsten Gesellschaft, die Hermine jemals gesehen hatte.

 

Die Musik wechselte. Flöten spielten ein Volkslied, der Takt war schnell, so dass Leute schnell die Tanzfläche bevölkerten.

 

„Gruppentänze sind immer noch so schick wie damals“, hauchte Narzissa ihr ins Ohr, ergriff ihre Hand mit ihrer warmen eigenen und zog Hermine mit auf die lange Tanzfläche, wo sich Leute bereits in zwei Reihen voreinander stellten.

 

„Ich… ich kenne den Tanz nicht!“, rief Hermine panisch aus, aber Narzissa lachte sorglos und hob die Hände in die Luft, Hermines Hand gleich mit, und Hermine sah, wie es ihnen alle gleichtaten. Und es waren nicht nur Frauen anwesend. Viele Männer in schwarzen Smokings warfen die Hände in die Luft, und kaum schwieg die Flöte für einen Moment klatschten die Leute dreimal in die Hände und drehten sich im Kreis.

 

Hermine kannte nur Geschichten von Ginny und Ron über Familientreffen, wo niemals auf Gruppentänze verzichtet wurde.

 

„Es ist immer dasselbe Muster, Sie werden es gleich begriffen haben!“, rief Narzissa, und Hermine hatte genug damit zu tun, nicht vollständig als der Trampel aufzufallen, der sie war, und die Leute nicht aus dem Takt zu bringen.

 

„Hermine“, hörte sie eine weitere Stimme, fühlte wie sich die Konstellation an Leuten um eine Person nach links verschob, und sich jemand bei ihr einhakte. „Drehen!“, befahl Pansy lächelnd, und perplex folgte Hermine Pansys Bewegungen.

„Wie schön, dass du gekommen bist! Der Club ist großartig oder?“ Ehe Hermine antworten konnte, löste Pansy den Griff, hakte sich auf Hermines rechte Seite und drehte sie in die andere Richtung. „Oh, die Männer sind dran!“, rief Pansy aufgeregt.

 

Und Hermine schwieg perplex, als Pansy sie mit sich zog, in einen größeren Kreis. Im inneren Kreis bildete sich eine Schlange an Männern, die rhythmisch klatschte, etwas rief, was Hermine nicht verstand, dann stampften sie mit dem Fuß auf, dass der Saal erzitterte, ehe sie sich wieder gegenüber den Frauen einfanden.

 

Sie erkannte ihn ebenso leicht, wie sie Narzissa in der Menge hatte ausmachen können. Blaise stand neben ihm, leicht geschwitzt, und lachend klatschte dieser in die Hände, bedeutete Pansy mit einer Geste, dass er mit ihr tanzen würde, und Hermine schüttelte schwer atmend den Kopf, als sie sah, dass Pansy sie mit nach vorne zog.

 

Oh Merlin! Und keiner kam mit ihnen! Sie und Pansy standen zwischen den beiden Reihen an Hexen und Zauberer, und Hermine stellte sich so ihren persönlichen Albtraum vor! Pansy hob die Hände über den Kopf und klatschte ebenfalls rhythmisch, bedeutete Hermine mit einem Nicken, es ihr gleichzutun, und Hermine hatte kaum eine Wahl, wenn sie nicht negativ auffallen wollte. Nachher würden die Musiker noch aufhören dieses manische Stück zu spielen und alle würden sie mit Obst bewerfen!

 

Sie imitierte Pansys Bewegungen. Pansys Kleid floss hell um ihre Hüften. Es war ähnlich kurz wie Hermines, fiel aber lockerer, und Pansy wirkte, als wäre sie zu Hause. Sie warf den Kopf zurück, die kurzen schwarzen Haare wippten in dem schicken Bob, den sie trug, und Hermine wusste nicht, ob die Leute sahen, wie unwohl sie sich fühlte, aber die anderen klatschten zustimmend. Pansy suchte wieder ihren Blick, ergriff ihre Hand und – nein, nein, nein, - zog sie mit sich zu den Männern.

 

Pansy blieb vor Blaise stehen, und Hermine wollte umdrehen, als sie zwangsläufig vor Malfoy taumelnd zum Stehen kam. Dieser bedachte sie mit einem spöttischen Blick, aber sie erkannte feinen Schweiß auf seiner Stirn.

 

„Stehen bleiben“, befahl er kam hörbar.

 

Sie sah, wie alle anderen Frauen jeweils in Paaren ebenfalls in die Mitte gingen, alleine tanzten und sich dann ihre Partner suchten.

 

Die Musik brach abrupt ab und wechselte in einen langsameren Two-Step. Sie sah, wie alle Männer die Hände hoben, aber nicht um wieder zu klatschten. Malfoys Arm lag umstandlos um ihrer Taille, als er sie mitriss. Sie klammerte sich praktisch an seine Schultern, während er mit ihr in Kreisen durch den Saal flog, immer den anderen Paaren hinterher.

 

Sie hörte Pansy lachen, und sie wollte sterben. Sie ignorierte alles an ihm. Wie er sie hielt, wie er sich anfühlte, wie er roch, wie groß er war, wie unausstehlich selbstgefällig, und sie hoffte nur, dass es bald vorbei sein würde.

 

Er sprach nicht mit ihr. Wahrscheinlich bereitete ihm ihr totales Fehlen von Talent und Grazie genug Qualen. Ihr kam es vor, als schleppte er sie unter größter Mühe mit sich, und Hermine betete, dass sie endlich anhalten würden, dass die Musik endlich aufhörte und sie die hohen Schuhe von den geschwollenen Füßen treten konnte! Wie machten es die anderen Frauen?! Sie sah keine mit flachen Schuhen! Waren ihre Schuhe verhext? Hätte sie das mit ihren auch machen sollen? Aber Absatzzauber waren gefährlich, wenn man trank. Man glaubte, man würde flache Absätze tragen, aber in Wahrheit waren sie immer noch genauso gefährlich hoch. Und die Unfälle waren zahlreicher! Sie hatte in McGonagalls Junge-Damen-Schule vor dem Weihnachtsball damals gut aufgepasst.

 

Endlich hörte es auf.

 

Sie sank praktisch gegen ihn, klammerte sich immer noch an seine Schultern, und atmete erschöpft und heftig aus.

 

„So grazil wie ein Kröter auf der Flucht“, spottete er schließlich und ließ sie los. Sie stand wackelig auf ihren eigenen Füßen und wollte sterben. Missmutig und verzweifelt sah sie sich um. Überall lachende Gesichter.

 

„Das macht doch keinen Spaß!“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd, ohne dass sie wirklich hatte Malfoy ansprechen wollen. Reinblüter hatten doch alle einen Schaden!

 

„Ich sehe, meine Mutter hat dich zurecht gemacht wie ein Mädchen ihre Lieblingspuppe“, bemerkte er mit einem ausgiebigen Blick auf ihre Kleidung. Hermine stand der Schweiß auf der Stirn und sie wandte sich ohne ein Wort ab, um den Saal zu verlassen. Draußen! Kalt!

 

Viele teilten wohl ihre Idee. Am meisten Männer.

 

Die Nachtluft war die reinste Erlösung. Sie hatte Seitenstechen und fühlte sich so elend wie zu Kriegszeiten. Nein, Hermine Granger war keine Tänzerin. Sie war auch keine Lieblingspuppe. Sie vertraute nur ihren Büchern und sonst keinem!

 

„Hey, das war witzig, oder?“ Pansy hatte sie gefunden, Blaise und Malfoy im Schlepptau. Hermine hob völlig entgeistert den Blick.

 

„Nein?!“, erwiderte sie immer noch atemlos, schockiert, ungläubig und ehrlich. Pansys Lächeln wankte.

 

„Oh, komm schon! Es macht immer Spaß auf solchen Bällen!“, widersprach Pansy konsequent, und Blaise schien sich auch zu amüsieren.

 

„Ich war schon ewig nicht mehr auf so was“, bemerkte er anerkennend. „Hätte mich Draco heute nicht gezwungen, hätte ich meinen Abend langweiliger verbracht“, fuhr er fort. Hermine sank auf die steinerne Brüstung und beschwerte sich nicht mal über die Anwesenheit der Slytherins, so geschafft war sie von den letzten fünf Minuten.

 

„Wie oft machen die das noch?“, wollte sie erschöpft wissen.

 

„Oh, noch einige Male!“, erwiderte Pansy aufgeregt. „Und es sind passable Männer hier“, ergänzte sie mit einem Zwinkern in ihre Richtung. Endlich kamen Hermines Sinne und ihre Schlagfertigkeit zurück, und sie erwiderte Pansys Blick mit erhobener Augenbraue.


„Wieso? Hast du irgendwo Gryffindors entdeckt?“, frotzelte sie trocken, und Pansys Lächeln verschwand perplex.

 

„Was?“, entfuhr es ihr verwirrt, aber dann begriff sie und musste tatsächlich lachen. „Oh, Hermine! Du bist wirklich lustig!“ Sie schien Hermines ernste Frage als Spaß zu empfinden.

 

„Hallo, Kinder“, begrüßte Narzissa sie jetzt, die auch den Weg zurück nach draußen gefunden hatte. „Das war wohl etwas viel auf einmal, was, Hermine?“, wollte sie mitfühlend wissen, aber ihr Lächeln beruhigte Hermine auf eine seltsame Art und Weise. „Sie werden sich dran gewöhnen“, versprach sie – und Gott sei Dank musste Hermine das nicht, denn Hogwarts ging bald wieder los. Und da gab es so etwas Anstrengendes nicht!

 

„Draco, Hermine, ich möchte euch gleich gerne rein bitten“, erklärte sie eine Spur ernster.

 

„Warum?“ Das war Malfoy. Das Wort klang scharf und bitter, aber Narzissa lächelte geheimnisvoll.

 

„Ich habe eine Überraschung vorbereitet“, erwiderte sie freundlich.

 

„Ach ja?“ Malfoy ließ sie nicht aus den Augen.

 

„Gibt es Kuchen?“, wollte Blaise grinsend wissen.

 

„Oh, es gibt gleich die Abendsuppe, und natürlich Nachtisch! Blaise, du kennst doch den Club!“, tadelte ihn Narzissa lachend. Auch Blaise schien sich das Lächeln nicht verkneifen zu können. Gut, dass Narzissa auf jeden diesen Einfluss zu haben schien. Abgesehen von Malfoy. Der musterte seine Mutter skeptisch, besorgt – nahezu ängstlich.

„Kommt ihr?“, wiederholte Narzissa und streckte ihnen beiden die Hände entgegen. „Kommt ruhig mit“, bedeutete Narzissa jetzt an Blaise und Pansy gewandt.

 

Hermine ergriff sie zögerlich, aber nicht ungern. Malfoy folgte seiner Mutter ohne diese zärtliche Geste.

 

„Meine lieben Gäste!“, rief Narzissa über die plappernde Menge, die sofort verstummte. „Sie kennen Hermine Granger? Meinen Ehrengast, heute Abend?“ Hermine schluckte schwer und spürte die Röte unweigerlich in ihren Wangen. Die fremden Leute betrachteten sie neugierig.

Sie sah, wie Malfoy wieder einmal spöttisch die Augen verdrehte. Hermine war kein Spielzeug! Sie kam sich ein wenig so vor, aber Narzissa war bisher nichts anderes als nett zu ihr gewesen.

 

Pansy wirkte ein wenig skeptisch. Ein seltsamer Blick war in ihre Augen getreten.

 

„Ich habe eine Ankündigung zu machen, auf die das Catering Team an fleißigen Zauberer schon seit einer Stunde wartet!“, erklärte Narzissa mit einem Zwinkern, und Hermine sah einen Vorhang weiter hinten zur Seite wehen. Sie konnte nichts erkennen, aber die Leute schienen gespannt zu warten. Wurde sie jetzt in den Club aufgenommen? War das nicht etwas zu viel des Guten? Hermine fühlte sich nicht wohl im Rampenlicht. Hatte sie noch nie getan.

 

„Oh Merlin!“, entfuhr es Pansy tonlos. Hermine fing ihren Blick auf. Pansys Mund hatte sich geöffnet. „Das kann nicht sein!“

 

Anscheinend hatte Pansy erkannt, was hinter dem Vorhang zum Vorschein gekommen war. So wohl auch Malfoy, der zuerst nicht reagierte, dann jedoch wie vom Blitz getroffen zu seiner Mutter herum fuhr.

 

„Mutter-“, begann er warnend, mit etwas Bodenlosem in seiner Stimme, was Hermine eine Gänsehaut verpasste.

 

„Meine Gäste, ich möchte Ihnen unser neues Mitglied vorstellen. Nach langer Suche habe ich mich entschieden, und meine Wahl fiel auf sie. Hermine Granger!“, stellte Narzissa sie mit einem warmen Lächeln vor. Die Gäste klatschten, teilweise lauter, teilweise mit einem verblüfften Kopfschütteln.

 

„Mutter, du kannst nicht-“, begann Malfoy zornig.

 

Aber Narzissa schnitt ihrem Sohn jedes weitere Wort ab. „Sie alle kennen meinen Sohn, Draco Lucius Malfoy“, fuhr sie lauter fort, und dann legte sie den Arm um Hermines Schulter. „Und es macht mich stolz als Mutter, endlich die geeignete Hexe gefunden zu haben“, schloss sie laut.

 

Sie…- was?

 

Geeignet für was?

 

„Meine lieben Freunde, wir feiern heute die Verlobung meines Sohnes. Wir feiern heute meine neu gewonnene Tochter! Hermine, willkommen bei den Malfoys, Hermine!“

 

Narzissa drückte sie so heftig an sich, dass Hermine die Luft wegblieb. Der Applaus brandete auf, Konfetti rieselte von der magischen Decke und fünf Zauberer schoben eine gigantische weiße Torte – bestimmt zehnstöckig – um die Kurve. Tauben aus Zucker flatterten um die Spitze.

 

Sie ließ von Hermine ab, um Freude strahlend irgendwelche Glückwünsche entgegenzunehmen. Hermine hatte keine Ahnung, was gerade passiert war. Unbewegt stand sie dort, wo Narzissa sie zurückgelassen hatte.

 

Malfoy neben ihr hatte alle Fabre verloren und die Hände zu Fäusten geballt. Pansy wirkte ähnlich fassungslos. Blaise rieb sich fast amüsiert über das Kinn.

 

„Das war jetzt ein Scherz, oder?“, wollte er unsicher von Pansy wissen, aber diese zuckte ungläubig die Achseln.

 

„Das… sieht nicht so aus“, bemerkte sie tonlos.

 

Malfoy hatte den Abstand zu ihr geschlossen und sie erschrak über seinen bösartigen Blick. „Ok, Schlammblut, hör mir genau zu“, knurrte er kalt. „Wenn du das hier nicht rückgängig machst, wirst du es bitter bereuen, glaub mir“, ergänzte er dunkel, und Hermines Mund öffnete sich einfach nur völlig stumm.

 

Was…? Sie begriff überhaupt nicht, was gerade eben passiert war.

Es konnte unmöglich passiert sein. Sie war achtzehn. Narzissa machte Witze, das war alles.

Malfoy konnte doch wohl nicht annehmen, dass es echt war?!

Narzissa war doch nicht geisteskrank und würde Hermine zwangsverheiraten! Erst recht nicht mit ihrem Sohn! Es war ein Witz, mehr nicht. Ihr Schweigen schien seinen Zorn nur zu schüren.

 

„Hast du mich verstanden? Ich meine das sehr ernst. Ich werde dich persönlich umbringen und Potter wird deinen Schlammblutkörper in Jahren nicht vollständig wieder finden können, wenn du nicht rückgängig machst, was hier passiert ist!“, informierte er sie zornig, als er sich anschließend ohne ein weiteres Wort abwandte und durch die Menge verschwunden war, als sie das nächste Mal geblinzelt hatte.

 

Und erst jetzt schien Hermine zu begreifen, dass er die Worte seiner Mutter tatsächlich ernstzunehmen schien. Und erst jetzt erwachte schläfrig ihre Panik. Erst jetzt spürte sie, wie sie noch schlechter atmen konnte. Angst erfasste sie. Aber nur unterschwellig, denn… wer konnte so etwas schon ernst meinen? Wieso war Malfoy so panisch? Es war bestimmt ein Scherz von Narzissa. Einfach nur ein Witz.

 

„Hermine?“ Lächelnd streckte ihr Narzissa die Hand entgegen. Hinter ihr warteten gespannt fremde Hexen und Zauberer. Tränen standen in Narzissas Augen, und Hermines Mund öffnete sich unweigerlich. Ihr Blick fiel auf die ihr entgegengestreckte Hand.

Und was jetzt…?

 

~*~

 

Zwei Stunden zuvor

 

Er betrachtete sie, während sie sich ihre Lippen schminkte. Narzissa war gewissenhaft. Und ihm gegenüber beschwerte sie sich selten bis nie. Es sei denn, es ging um Draco.

Und jetzt schien sie ein Heilmittel selbst dagegen gefunden zu haben!

Er hatte sich mit dem Gedanken an Hermine Granger noch nicht angefreundet. Er dachte ohnehin zu oft über sie nach. Zwar nicht in dem Sinne, wie es Narzissa gerne hätte, aber sonst in jedem Sinne. Wenn man mit jemandem arbeiten musste, ging dies zweifelsohne einher.

 

Narzissa hatte bereits ihr kurzes, auffallendes Kleid und die hohen Schuhe angezogen, während er noch immer lediglich mit Unterwäsche bekleidet auf ihrem Kingsize Bett saß.

 

„Was hast du vor?“, fragte er mit rauer Stimme, denn nach dem Verkehr zog er es eigentlich vor, wenig bis gar nicht zu sprechen. Er wusste, sie hatte etwas Bestimmtes im Sinn, denn ihm waren die vielen Kassenzettel der Boutiquen auf seinem Schreibtisch zur Abrechnung nicht entgangen.

 

Mit einer Klammer steckte sie die Hälfte ihrer Haare nach oben zusammen, und die Frisur hielt mit ein paar geschickten Griffen seiner Frau. Sie hatte ein Händchen für Frisuren.

 

„Was meinst du?“, wich sie im lächelnd aus. Sie wirkte mit jedem Tag schöner, stellte er verblüfft fest. Sie schien nicht zu altern, oder sie tat es so langsam, dass es ihm entging.

 

„Narzissa“, erwiderte er schließlich mit resignierendem Nachdruck. Sie ließ die Hände von ihren Haaren sinken. Ihr Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck.

 

„Draco ist achtzehn Jahre alt“, erklärte sie, als wüsste er es nicht.

 

„Aha“, erwiderte er nichtssagend.

 

„Weißt du das?“, wollte sie nun unterschwellig anklagend von ihm wissen.


„Narzissa, was-?“ Aber sie unterbrach ihn, und eine Verletztheit war auf ihre Züge getreten.

 

„Ich meine es ernst, Lucius. Weißt du überhaupt, was dein Sohn tut? Wann er Geburtstag hat? Wann hast du das letzte Mal ein Gespräch mit ihm geführt?“ Lucius wusste, er musste nicht auf ihre Anschuldigungen antworten, denn Antworten standen ihr wohl gerade nicht im Sinn. Außerdem war er noch benebelt von seinem vorangegangenen Höhepunkt, so dass ihm ohnehin nicht Schlagfertiges eingefallen wäre, zu erwidern.

„Es ist so schwer in diesem Haus! Mit euch sturen Malfoy-Männern!“, fuhr sie ihn schließlich an. Sein Mund öffnete sich protestierend. Gerade eben hatte er alles getan, was sie von ihm verlangt hatte!

 

„Du-“, begann er einen neuen Versuch, aber sie schüttelte den hübschen Kopf.

 

„Nein! Ich habe mich gekümmert. Wir können ihn scheinbar nicht erreichen, aber ich finde, Hermine Granger ist ein wundervolles Mädchen, Lucius. Ich hoffe, du denkst nicht anders als ich?“ Sie spielte scheinbar auf die Herkunft des Mädchens an? Aber Lucius konnte ihre versteckten Vorwürfe mittlerweile nur noch erraten.


„Sie ist ebenfalls achtzehn, Narzissa“, erwiderte er also, denn er ahnte, wohin dieses Gespräch führen würde. Er rieb sich müde über die Stirn. „Und Draco scheint mir nicht unbedingt so angetan, wie du es bist“, bemerkte er vorsichtig.

 

„Er hat seine Meinung geändert. Das hat er mir heute noch gesagt. Er findet sie ebenfalls faszinierend“, wiederholte sie scheinbar unvorstellbare Worte ihres Sohnes, denen zumindest er keinen Glauben schenkte. Draco sagte viel, wenn der Tag nur lang genug war….

 

„Ach wirklich?“, erwiderte Lucius höchst skeptisch.

 

„Sie ist die perfekte Wahl!“, beharrte Narzissa jetzt. Mehrere Falten traten auf seine Stirn, gesellten sich zu den Sorgenfalten, die ohnehin schon dort wohnten.

 

„Die perfekte Wahl?“, wiederholte er gedehnt. „Für was?“, ergänzte er betont vorsichtig genug, aber er wusste bereits, was sie vorhatte.

 

„Als Frau für unseren Sohn, Lucius. Sie ist mutig, selbstständig, zielstrebig, ehrgeizig und würde sich niemals durch einen Mann herabsetzen lassen.“

 

„Wer? Du oder Hermine Granger?“, wagte er ironisch einzuwerfen, aber ihr Blick war ernst. „Narzissa, hast du vielleicht in dein Kalkül gezogen, dass das Mädchen nicht begeistert sein wird?“ Kurz wankte Narzissas Entschlossenheit. „Hast du sie… gefragt? Das tut man doch als moderne, selbstständige Frau?“, griff er spöttisch ihre Worte auf. „Ich nehme an, das ist nicht der Fall, denn sonst hätte sie schon Reißaus genommen, oder?“

 

„Es ist eben eine Herausforderung, was soll schlimm daran sein?“

 

„Sie ist achtzehn, Narzissa“, wiederholte er müde, und rieb sich nun beide Schläfen. „Es ist ein unsinniges Unterfangen! Und hast du deinen feinen Sohn gefragt?“, erkundigte er sich schließlich und erhob sich seufzend.

 

„Draco wird sich unseren Wünschen fügen!“, beharrte sie stur.

 

Er hob eindeutig eine Augenbraue. „Wird er das? Draco hat sich nicht mehr gefügt, seit er neun Jahre alt ist. Wenn du dich recht erinnerst, musste er zu allem erdenklichen gezwungen werden. Selbst die Toilette zu benutzen, anstatt der Windeln, musste ihm ein Jahr lang erklärt werden!“, holte er aus, aber es unterstrich nur seinen Punkt. Sie verdrehte die Augen.

 

„Lucius, bitte“, erwiderte sie mit einem leichten Kopfschütteln.

 

„Und sie – das Mädchen – sie kommt nicht aus unseren Kreisen, Narzissa, so borniert kannst nicht mal du denken!“, fuhr er fort. „Sie wird sich nicht fügen wollen, ganz egal, wie viele Kleider du ihr kaufen magst!“, ergänzte er mit entsprechendem Vorwurf. „Moderne Hexen – seien es auch Töchter von Muggeln – sind bestimmt nicht dazu erzogen worden, jung verheiratet zu werden, und die Verantwortung eines Haushalts des höheren Standes zu tragen, oder es überhaupt zu wollen!“, entrüstete er sich. „Du hast Draco so viele Dinge durchgehen lassen, hast eingegriffen, jedes Mal, wenn ich ihm Disziplin lehren wollte, dass es jetzt zu spät ist, für deine Hau-Ruck-Methode einer Zwangsheirat!“

 

Oh Merlin. Jetzt war er laut geworden. Und so sah sie ihn auch an.

 

„Wir werden ihn verlieren, Lucius“, erwiderte sie, und Kälte trat in ihre Augen. „Wenn wir uns nicht schleunigst kümmern, wird er sich immer weiter entfernen, wird nur so eben gehalten durch das Gold, und alle Fehler – die nicht nur ich in seiner Erziehung gemacht habe – werden auf uns niederschlagen!“ Kurz wirkte ihre Ausdruck aufgelöst und vollkommen verzweifelt. Er atmete aus. „Und du willst nicht mal mit ihm reden!“

 

„Er ist respektlos, Narzissa!“, knurrte Lucius ungehalten.

 

„Und wenn schon! Dann schweigt man sich nicht gegenseitig in Tod. Einer muss nachgeben. Draco ist noch jung, er begreift Merlin sei Dank noch nichts vom unheilbaren Stolz!“, erwiderte sie schwach.

 

„Ich werde seinem Verhalten nicht auch noch entgegenkommen, Narzissa. Das kannst du vergessen. Es ist seine Entscheidung. Ich unterstelle ihm ein gewisses Maß an Vernunft. Und das unterstelle ich dir übrigens auch. Du wirst doch wohl nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, das Mädchen für sein Verhalten büßen zu lassen, zu versuchen, sie richten zu lassen, was du nicht kannst?“

 

„Sie ist ein guter Mensch!“, verteidigte Narzissa ihren Wahn ohne jede Furcht.

 

„Und das ist dann ihre Strafe?“, fuhr Lucius sie an. „Ihr gutes Herz, ihre soziale Kompetenz willst du ausnutzen, um was zu tun? Ihn auf die richtige Bahn zurückzuführen?“, wollte er fast amüsiert von ihr wissen, aber sie nickte entschlossen.

 

„Ja, das werde ich.“

 

Kurz schwiegen sie, während er den Kopf weiterhin schüttelte und sein Hemd überzog. Der schöne, entspannende und ruhige Moment nach seinem Höhepunkt war jäh zu Ende.

 

„Dann wünsche ich dir viel Spaß dabei. Aber wundere dich nicht, wenn dein Plan nach hinten losgeht und weder dein Sohn, noch Hermine Granger jemals wieder ein Wort mit dir wechseln!“

 

Ohne ein weiteres Wort stürmte Narzissa aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und knallte die Tür so heftig ins Schloss, dass Lucius den Mund verzog. Es war amtlich. Seine Frau hatte den Verstand verloren. Sie verhielt sich wie ein kleines Kind! Als ob eine Zwangsheirat Dinge lösen würde. Als ob sich überhaupt noch irgendwer von diesen Jugendlichen heutzutage auf irgendetwas einließ, was Eltern von ihnen verlangten.

 

Er hoffte, dass diese Phase schnell vorübergehen würde, und Narzissa einsah, dass Draco verloren war – verloren sein wollte. Und er hatte damit kein Problem. Er hatte sich vor Jahren damit abgefunden. Jeder schaffte sich seine eigene Hölle selbst, dachte er kopfschüttelnd. Narzissa setzte bei der Lösung des Problems genauso falsch an, wie sie es ihm unterstellte. Anstatt Draco zu konfrontieren und es selber zu lösen, was sie anscheinend störte, bediente sie sich einer armen Muggel, um es für sie zu erledigen.

Die einzige Sorge war, dass Narzissa sehr verbissen sein konnte, wenn es um etwas ging, was sie wollte. Und er wollte sich nicht ausdenken, was die mögliche Konsequenz wäre, wenn Hermine Granger so viel Furcht vor seiner Frau hatte, dass sie sich nicht sofort wehren würde, gegen diesen Unsinn.

 

Er glaubte allerdings nicht, dass sie sonst noch zur Arbeit erscheinen würde. Und Lucius hatte das größte Verständnis. Es musste so aussehen, als hätten die Malfoys den größten Schaden des Jahrhunderts. Es würde Draco zumindest einen ordentlichen Schrecken verpassen, überlegte Lucius plötzlich mit einem schiefen Lächeln. Alleine das war es wahrscheinlich schon wert. Dann würde sein Sohn wohl Zeter und Mordio schreien, wie es die Muggel sagten, und vielleicht würde Narzissa dann auch seinen Weg vorziehen, und nicht versuchen, überhaupt noch irgendeine Art von Vernunft aus ihrem Sohn hervorzulocken.

 

 

Kapitel 8

 

Er atmete die kühle Luft mit langen Atemzügen ein. Er war zurück nach Malfoy Manor appariert, hatte aber keine Lust, ins Haus zu gehen. Er hatte die Party verlassen, ohne Pansy oder Blaise noch zu antworten, als sie hinter ihm hergerufen hatten.

Normalerweise machte es ihm nichts aus, wenn seine Eltern ihn blamierten. Er stand über diesen Kleinigkeiten. Aber heute… - heute war sie zu weit gegangen!

 

Er sank auf die Steinstufen des Hauses, beleuchtet von den Laternen an der Eingangstür. Glühwürmchen schwirrten im Rosenbeet, aber er hatte keinen Sinn für die Schönheiten einer Sommernacht. Er schüttelte wieder den Kopf. Wie konnte sie das wagen?

Es wart ihm scheiß egal, wenn sie ihn in ihren blöden kreuzdämlichen Club schleppte, ihn zu albernen Tänzen zwang, aber das!

 

Sein ganzer Plan, ihr das Schlammblut mürbe zu machen, war nach hinten losgegangen! Eine simple Entschuldigung würde es diesmal nicht bringen! Wieder schüttelte er den Kopf. Diesmal müsste sie ihm schon sein halbes Erbe auszahlen, damit er ihr das vergeben würde!

 

Sein Herz schlug schnell vor Ungerechtigkeit in seiner Brust. Wieso tat sie ihm das an? Wieso hassten ihn seine Eltern so sehr? Er war schon fast froh, dass er nur noch eine Woche hier festsaß, ehe er in das scheiß Schloss zurückkonnte. Er freute sich regelrecht, dass er dort seine scheiß Eltern ein Jahr nicht würde sehen müssen! Dass er Weihnachten kam, konnten sie vergessen! Lucius interessierte es sowieso einen verdammten Scheiß, ob er starb oder nicht.

 

Seine Seite schmerzte immer noch, und er befürchtete, dass Blaises angetrunkene Heilung wohl nicht ausgereicht hatte. Er würde einen Heiler aufsuchen müssen, am besten bevor Hogwarts losging. Er würde allein dorthin gehen. Seine Mutter brauchte nicht glauben, dass er sie noch einmal würde sehen wollen, ehe das Schuljahr losging.

Vielleicht war sie neidisch, dass sie nie ihre Jugend hatte ausleben dürfen. Sie bestrafte ihn, weil er Spaß hatte, weil er Mädchen mit nach Hause brachte und sie gefangen war, in einer Ehe mit Lucius. Seinem scheiß Vater.

 

Und jetzt wollten sie ihn verheiraten! Mit einem Schlammblut! Er war achtzehn, Merlin noch mal! Und sie war ein scheiß Schlammblut!

 

Er hörte das Plopp in unweiter Ferne. Sein Kopf hob sich, aber er ließ ihn wieder sinken, als er die Gestalt erkannte, die appariert war.

 

„Wusste ich doch, dass ich dich hier finde“, sagte Pansy ruhig und kam den Weg auf ihn zu. Er antwortete nicht, starrte finster nach unten auf seine Hände, und sie setzte sich seufzend neben ihn. „Deine… deine Mutter reicht Hermine gerade im Club herum, wie einen Hauptgewinn“, bemerkte Pansy. Und kurz vernahm Draco die alte Pansy aus ihren Worten heraus.

 

„Ich dachte, du gehörst zur Pro-Schlammblut-Front?“, spottet er finster, ohne sie anzusehen. Und sie maßregelte ihn nicht mal, wegen des angeblichen Schimpfwortes. Sie blickte lediglich in den Garten.

 

„Ich… ich hätte nie gedacht, dass Narzissa so etwas tut“, räumte Pansy kopfschüttelnd ein.

 

„Glaub es. Meine Mutter ist zu kranken Sachen fähig. Sie hat immerhin Lucius geheiratet“, erwiderte er kalt. Dann hob sich sein Blick. „Was meinst du damit, sie reicht sie herum? Ist Granger noch da?!“, entfuhr es ihm ungläubig, und Pansy erwiderte seinen Blick. Ihr Mund öffnete sich langsam.


„Ja, sie… sie ist noch da“, schloss sie. Draco schüttelte verwirrt den Kopf.


„Wieso ist sie noch da? Redet sie noch mit Narzissa? Hat sie…?“ Er mochte den Gedanken gar nicht zu Ende denken. Pansy sah ihn mit großen Augen an.

 

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich heiraten will, Draco“, erwiderte Pansy ehrlich. Und das hoffte Draco sehr stark. Er hatte keine Lust, alleine gegen Narzissas Wahnsinn zu kämpfen.

 

„Was treibt sie dann da noch?“, rief er wütend aus, so dass einige Vögel in den Bäumen

raschelten. „Ich fasse es nicht!“, knurrte er. „Sie hat Angst vor ihr“, schloss er und legte den Kopf in den Nacken.

 

„Wie willst du es deiner Mutter sagen?“, wollte Pansy schließlich wissen.


„Was, Pansy?“, verlangte Draco am Rande der Geduld zu wissen.


„Dass du sie nicht heiraten willst“, erwiderte Pansy ungeduldig. Draco sah sie an.


„Ich muss gar nichts tun. Meine Mutter wird nicht so blöd sein, zu denken, ich würde ein Schlammblut mit achtzehn Jahren heiraten wollen“, erklärte er gereizt. Was dachte Pansy? Dass er jetzt auch noch mit Narzissa diskutieren würde? „Granger wird es schon erklären“, schloss er.

 

„Ja, was wenn sie das nicht tut?“, wollte Pansy mit ätzender Stimme von ihm wissen.


„Pansy, warum zur Hölle sollte Granger zustimmen? Nenn mir einen guten Grund!“, verlangte er zu wissen, während er wieder die Augen schloss und seinen Kopf in den Händen vergrub.

 

„Gold?“, schlug Pansy vor, und Draco öffnete die Augen wieder. „Um dich zu demütigen?“

 

„Ja, sicher. Ich denke, Granger hat deutlich genug bewiesen, dass sie auf mittellose

Weasleys und tragische Helden steht“, fuhr er Pansy an. „Ich muss mich doch nicht darum kümmern, dass die blöde Schlampe meiner Mutter die Meinung sagt.“

 

Er dachte über seine Worte nach. Aber bisher hatte Granger schon nicht Nein zu seiner verdammten Mutter gesagt. Das bedeutete aber doch wohl kaum, dass sie…? Nein, sie würde ihn nicht heiraten. Aber… würde sie das Narzissa auch vermitteln können?

 

„Scheiße“, knurrte er zornig und erhob sich von den Stufen.


„Was hast du vor?“, wollte Pansy alarmiert wissen und folgte ihm hastig.

 

„Du verschickst doch leidenschaftliche gerne Einladungen an Schlammblüter, also kannst du mir direkt verraten, wo das Miststück wohnt“, entgegnete er zornig. Pansy folgte ihm perplex.

 

„Draco, es ist mitten in der Nacht!“

 

Draco verließ das Grundstück, und es interessierte ihn einen Scheißdreck, wie spät es war. Er konnte nicht fassen, dass er sich in seinen Ferien mit so einer Scheiße rumärgern musste!

 

~*~

 

Er war appariert, nachdem er Pansy nach Hause gebracht hatte. Sie hatte die Adresse nicht mehr auswendig gewusst und hatte nachsehen müssen. Sie hatte zuerst mit ihm gehen wollen, aber diesen Gedanken hatte er schnell unterbunden. Es reichte schon, dass er mit einem hysterischen Mädchen diskutieren musste. Da brauchte er nicht das zweite gleich dazu zu bestellen.

 

Die Straße, in der Granger wohnte, lag wie ausgestorben. Gingen Muggel alle um sieben Uhr ins Bett? Er hasste es, hier zu sein, aber er hatte kaum eine Wahl. Er wollte nicht mit seiner Mutter sprechen, also brauchte er den nächstbesten, der von diesem grauenhaften Spaß betroffen war.

 

Er war vor der richtigen Hausnummer angelangt. Er legte den Kopf in den Nacken. Es brannte Licht in einem Zimmer im ersten Stock. Er verengbte die Augen und glaubte, durch die durchsichtigen Vorhänge den Gryffindorlöwen an der Wand zu erkennen. Perfekt.

Das Zimmer lag über dem Schuppen, in dem das Auto stand. Er nahm an, es war nicht wirklich ein Schuppen. Ein Auto-Schuppen? Er machte sich nicht die Mühe, das weiße Gartentor der Grangers zu öffnen, sondern apparierte stumm direkt auf das Dach des Schuppens.

 

Durch die Vorhänge erkannte er sie, wie sie durch das Zimmer tigerte. Er hatte keine Lust, sie zu beobachten. Er hasste schon die bloße Aussicht auf sie und das Gespräch, was unweigerlich folgen würde. Er klopfte an die Scheibe, und sie zuckte so heftig zusammen, dass er ihren leisen Schrei auch hier draußen hören konnte.

Stocksteif war sie stehen geblieben, und langsam wandelte sich ihr geschockter Blick in einen äußerst ungläubigen.

 

Sie kam langsam zum Fenster und öffnete es nach außen. Sie starrte ihn an. Sie wirkte aufgewühlt, und ihre Haare wirkte mitgenommen in der Hochsteckfrisur. Sie sah ihn auffordernd an.


„Was tust du hier?“, wollte sie von ihm wissen, die Stimme gesenkt, aber ihr Ton klang abweisend. Gerne hätte er ihr gesagt, dass er keine Ahnung hatte, was er hier tat, und dass sie wohl klug genug sein sollte, seiner Mutter die Meinung zu sagen. Aber nein, er hatte es mit einem dummen Schlammblut zu tun. Er kam sich lächerlich vor, wie er vor ihrem Fenster stand. Unglaublich lächerlich, und er hasste es, sich so vorzukommen. „Wie bist du auf die Garage gekommen?“, ergänzte sie plötzlich, als wäre ihr noch gar nicht aufgefallen, dass er in zwei Meter Höhe stand.

 

Garage…. Also doch nicht Schuppen, dachte er dumpf.

 

„Was wird Potter wohl sagen, wenn du Mrs Malfoy wirst“, begann er also das Gespräch, ohne auf ihre Fragen zu antworten. Ihr Mund öffnete sich. Panik trat wieder in ihren Blick. Merlin, sie sah aus, als ob sie gleich anfangen würde zu heulen. Nein, darauf hatte er auch keine Lust. „Hast du mit ihr gesprochen?“, kürzte er als sein Anliegen ab. „Granger?“, wiederholte er mit Nachdruck, als sie ihn einfach nur anstarrte.

 

„Was? Gesprochen?“

 

„Mit Narzissa“, erläuterte er gereizt.

 

„Nein“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd, und Tränen liefen über ihre Wange. „Wie sollte ich denn?“, zischte sie hysterisch. „Du haust ab und lässt mich da stehen!“, fuhr sie ihn an, „während mich deine Mutter wildfremden Menschen vorstellt und die Hochzeit plant!“

 

Draco atmete aus. Großartig. Das Schlammblut, was sonst niemals die Klappe halten konnte, bekam das eine Mal, wenn es lebenswichtig war, den verdammten Mund nicht auf?!

 

„Ich dachte, es wäre ein Scherz! Ein Witz von deiner Mutter – oder irgendwas!“, entrüstete sie sich und raufte sich wohl zum wiederholten Male die Haare, die noch mehr aus der Frisur fielen. Jetzt schien sie kein Problem damit zu haben, ihre Sprache zu finden, stellte Draco gereizt fest.

 

Er verdrehte die Augen und atmete zornig aus. „Ok“, sagte er dann.

 

„Ok?!“, fuhr sie ihn böse an. „Ok? Das ist es, was du zu sagen hast? Ok?!“, wiederholte sie fassungslos, und er bedeutete ihr ruhig zu sein.


„Ja ok, verdammt noch mal! Ich hatte keine Ahnung, dass du absolut unfähig bist!“, spuckte er ihr entgegen. „Ich habe dir gesagt, halte dich von meiner Mutter fern und sag einfach Nein, wenn sie etwas von dir will, Merlin noch mal!“, knurrte er. „Aber nein, du willst nicht hören, jetzt hast du das Problem.“

 

„Ich? Ich bin wohl nicht die einzige mit dem scheiß Problem!“, fuhr sie ihn an.

 

„Sofern du nicht vorhast, deinen Eltern von deiner Verlobung zu erzählen, solltest du dir dringend überlegen, was du meiner Mutter sagst – und wann du das tust!“, erklärte er und brachte mehr Ruhe in seine Stimme. Es half nicht, wenn sie sich beide nur anschrien.

 

„Warum sollte ich das tun?! Und ich werde dich nicht heiraten!“, entfuhr es ihr mehr als panisch und mit sehr viel Nachdruck.

 

„Ja, das ist mir klar. Weiß das meine Mutter oder hast dumm gelächelt und Hände geschüttelt?“, wollte er gedehnt von ihr wissen, und wieder trat Panik in ihre Augen.

 

„Oh Gott, oh Gott!“ Sie schüttelte abwesend den Kopf. „Sie… sie würde doch niemals darauf bestehen, dass wir… dass wir…?“ Sie sah ihn an, als würde er ihren Satz beenden, aber den Gefallen tat er ihr nicht.

 

„Hör mir zu“, begann er von neuem und zwang sie mit seiner Stimme, ihn anzusehen. Ihr Blick fiel auf sein Gesicht, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Wieder schüttelte sie den Kopf, biss auf ihre Unterlippe und ihr Blick wirkte wieder glasig. „Du musst ihr sagen, dass du das nicht willst, hast du das verstanden? Du musst ihr sagen, dass sie komplett verrückt ist, den Verstand verloren hat, und du niemals etwas Derartiges tun würdest, verstanden?“ Er hatte die Worte ruhig gesprochen.

 

„Wieso tust du das nicht?“, wollte sie verzweifelt wissen, aber er lächelte schließlich.

 

„Weil sie ein Druckmittel hat, Granger. Bei dir… sieht das anders aus. Du verlierst nichts, wenn du ihr die Stirn bietest. Du kannst einfach sagen, du willst nichts mehr mit ihr zu tun haben, mit ihrer Familie, und du verfluchst sie, wenn sie sich deinem Haus auch nur auf zehn Schritte nähert“, führte er leicht gereizt aus.

 

„Welches Druckmittel?“, wollte sie plötzlich tonlos wissen. Dann begriff sie. „Gold“, schloss sie rau. „Sie würde dir drohen, dich zu enterben, wenn du mich nicht heiratest? Das würde sie nie tun!“, widersprach Granger tatsächlich nahezu sofort. Wieso genau verteidigte sie seine Mutter auch noch?!

 

„Granger, ich habe jetzt schon mehr Zeit hier verbracht und mit dir gesprochen, als ich es in meinem gesamten Leben jemals vorhatte, also bitte! Reiß dich zusammen, und glaub mir, wenn ich dir sage: Du kennst meine Mutter nicht!“, fuhr er sie gepresst an.

 

„Was du mir sagen möchtest, ist, dass… du das machen würdest, wenn sie dir droht, dein Gold wegzunehmen?“, entfuhr es ihr hysterisch. „Das ist nicht dein Ernst!“, flüsterte sie kopfschüttelnd.

 

„Was? Dich heiraten?“ Er hörte die Worte, die er sprach. Er atmete aus. „Mir ist mein Gold wichtiger als alles andere“, war alles, was er sagte. Sie schüttelte wieder den Kopf. „Natürlich würde ich dich niemals – in keiner Sekunde, wenn ich noch bei Verstand bin – heiraten! Aber für dich ist es einfacher, aus der Sache rauszukommen, Salazar noch mal!“, knurrte er praktisch. Er verzog kurz den Mund, denn er spürte den dumpfen Schmerz in seiner Seite wieder. Kurz huschte etwas wie Erkenntnis über ihr offenes Gesicht, aber sie sagte nichts Entsprechendes – Merlin sei Dank.

 

„Fein“, schloss sie plötzlich ruhiger als zuvor. Sie nickte ernsthaft. „Was denkt sie sich eigentlich?“ Sie schien mehr mit sich selbst zu sprechen und nicht mehr mit ihm. Das war schon besser. „Ich rede morgen Früh mit ihr“, versprach Granger plötzlich dunkel.

Na also. Ging doch. Er wandte sich ab. Er wollte sich ziemlich dringend hinlegen. Er verabschiedete sich nicht, sagte kein weiteres Wort mehr und apparierte von dem hohen Schuppen aus Stein.

 

~*~

 

Sie hatte kaum geschlafen, als sie die Haustür hinter sich zuzog. Der Morgen graute erst, und es war keine halb acht. Sie hatte den Brief von Ron nicht geöffnet, den eine Eule aufs Fensterbrett geworfen hatte. Sie hatte keinen Sinn für Briefe gehabt, diesen Morgen. Sie hatte auch keine Lust gehabt, ihren Eltern ausführlich von der Party zu erzählen.

 

Sie wollte Narzissa sehen. Und zwar sofort.

 

Sie apparierte vor die Türe des Herrenhauses. Es lag ruhig und riesig in den verschlafenen Morgenstunden, aber sie nahm an, die Elfen huschten bereits durch die riesigen Flure. Sie ignorierte jeden Gedanken, den sie hatte. Denn sie dachte darüber nach, was in Narzissa vorgehen musste, dass sie ausgerechnet sie als Schwiegertochter wollte! Ob sie das überhaupt ernst meinte, und wie sie sie mit achtzehn Jahren dazu zwingen wollte!

Und ob ihr überhaupt klar war, wie sehr sie Draco hasste?!

 

Mit jedem Schritt wurde Hermine energischer. Mit jedem Schritt wurde sie auch eine Spur zorniger. Sie erreichte entschlossen das Portal, überwand die Mamorstufen und klopfte hart an die schwere Tür. Nahezu sofort öffnete ein verwitterter Elf.

 

„Ja?“, erkundigte er sich blechern, mit einem faltigen Blick aus wässrigen blauen Augen. Teils feindselig, teils neugierig.

 

„Ich möchte Narzissa Malfoy sprechen“, sagte Hermine deutlich.

 

„Was ist Ihr Anliegen?“, wollte der Elf weniger überzeugt von ihr wissen und betrachtete ihren Aufzug. Hermine beschloss direkter zu werden.

 

„Ich bin Ihre zukünftige Schwiegertochter!“, erwiderte sie zornig. Gott, wie lächerlich das klang!

 

„Die Madame hat bereits das Haus verlassen“, erklärte der Elf kühl. „Versuchen Sie es später noch einmal.“

 

Und hatte Hermine erwartet, dass sie hereingebeten werden würde, um auf sie zu warten, irrte sie sich, denn der Elf schloss die Tür vor ihrer Nase.

 

Verdattert stand sie also vor der verschlossenen Tür. Wo sollte Narzissa um halb acht Uhr morgens an einem Samstag sein?! Log der Elf sie an? Und was tat sie jetzt? Sie klopfte erneut. Sie würde mit Lucius sprechen. Sie klopfte noch einmal, als sich im Innern nichts rührte.

 

Aber der Elf öffnete nicht mehr.

 

Nach einigen Momenten der zornigen Verzweiflung wandte sie sich ab. Wütend lief sie den Weg wieder hinab. Was sollte sie jetzt tun? Später wiederkommen? Oh ja, sie würde später wieder kommen!

 

 

Sie hatte es am Samstag noch zweimal versucht. Aber der Elf hatte sie wieder abgewiesen, die Herrschaften seien nicht Zuhause.

 

Und am Sonntag.

 

Und am Sonntagabend hatte sie eine Eule erhalten. Mit ihrem Zeugnis vom Ministerium. Lucius hatte einen Brief hinzugefügt, dass sie die letzte Woche nicht erscheinen müsste. Nichts weiter. Keine Begründung, kein weiteres Wort. Ob er sich schämte, hatte sie sich gewundert? Sich schämte für seine Frau? Oder für sie?!

 

Sie war am Montag nicht zur Arbeit gegangen. Niemand hatte sich beschwert. Ihre Eltern am wenigsten, die gespannt auf eine weitere Einladung der Malfoys wartete, sowie auf Hermines Schulsprecherabzeichen.

 

Sie hatte Rons Brief gelesen, in dem er versuchte, zu rechtfertigen, warum er so viel Spaß hatte, weshalb er sich nicht mehr gemeldet hatte, und noch eine ganze Reihe an fadenscheinigen Entschuldigungen, für die sie kein Verständnis hatte.

Er hatte mehr geschrieben als sonst.

 

Und plötzlich war es Mittwoch gewesen.

Und sie hatte so viel Angst gehabt, dass sie noch einmal ihr Glück versucht hatte.

Und dieses Mal hatte ihr der Elf erklärt, die Malfoys wären in Urlaub in ihr Landhaus gefahren. Hermine begriff es nicht mehr. Vielleicht war das der Sinneswandel und Narzissa war wieder… normal geworden? Und bereute ihre Entscheidung so sehr, Hermine überhaupt jemals angesprochen zu haben, dass sie so schnell wie möglich aus London verschwinden mussten?

 

Und dann war es Samstag.

 

Ginny hatte ihr eine Eule geschickt. Sie waren alle im Fuchsbau angekommen. Alle waren müde und brauchten den letzten Tag zum Ausruhen. Aber Hermine hatte schon nicht mehr auf Rons Eule reagiert gehabt. So wenig reagierte sie auf Ginnys, denn sie wusste nicht, wie sie ihre letzten Wochen rechtfertigen sollte, und wo sie jetzt stand. Dass Narzissa für sie nicht mehr zu erreichen war, bedeutete wohl, dass alles vorbei war.

Und sie wusste nicht, warum, aber es versetzte ihr einen winzigen Stich.

 

Es war… so seltsam. Eine Woche lang waren sie unzertrennlich gewesen, fast wie beste Freunde – und dann… ließ Narzissa sie fallen, als wäre sie zur Besinnung gekommen.

Und alles schien wieder wie vorher.

 

Die letzten Wochen waren… wie verschwunden. Als wären sie niemals passiert. Als hätte sie nie für Lucius Malfoy gearbeitet.

 

Als wäre es eine Erinnerung, die jemand gelöscht hatte.

 

~*~

Sonntag, Abreisetag

 

Ihr Wecker klingelte viel zu früh.

 

Ihre Mutter war schon wach, wuselte durch das Haus, und Hermine hob den Kopf müde aus dem Kissen. Zeit, sich fertig zu machen. Sie musste um zwölf am Gleis sein.

Und vorher besuchte sie mit ihren Eltern stets ihre Großeltern, denen sie wieder einmal erzählen mussten, dass Hermine auf ein privates Internat geschickt wurde, und ein Jahr nicht zu erreichen sei.

 

Es war eine absurde Geschichte. Kein Internet, kein Telefon, kein Empfang weit und breit. Wahrscheinlich dachten ihre Großeltern, sie würde in die tiefste Ukraine verschifft werden. Oder nach Kreta. Oder irgendwohin an die Scherenküste von Stockholm. Aber ihre Eltern machten immer nur vage Andeutungen.

 

Sie seufzte als sie aufstand.

 

Alles war wie immer.

 

Und sie war nicht Schulsprecherin. Wie sollte sie es nur ihren Freunden sagen?

Und zum ersten Mal freute sie sich nicht, zurück nach Hogwarts zu gehen.

Zum ersten Mal in sieben Jahren.

 

Sie war eine andere Hermine geworden, stellte sie ängstlich fest. Schon bevor das Jahr angefangen hatte, spürte sie die tiefe Enttäuschung, dass sie versagt hatte. So absurd es sein mochte.

 

Und eine tiefere Angst nagte in ihr, die sie nicht genau bestimmen konnte.

Sie hatte das Gefühl auch ihre Ferien vergeudet zu haben, mit einem Praktikum, wo sie die letzte Woche auch noch lästig gewesen zu sein schien.

 

Nein, sie fühlte sich nicht gut.

 

Und sie wusste nicht, wie sie es ändern sollte.

 

Es war nicht zu ändern. Und das war schon mal ein trauriger Anfang für ihr letztes Schuljahr.

 

 

Kapitel 9

 

Hermines Mundwinkel taten langsam weh, so lange hatte sie den Geschichten ihrer Freunde schon zugehört und dabei gelächelt. Der Hogwarts Express schnitt lautlos durch das endlose Grün des schottischen Hochlands. Ginny kam endlich zu einem Ende, während Rons Kopf bereits vor Minuten gegen die Scheibe gesunken war, weil er in der angenehmen Wärme der Sonnenstrahlen eingedöst war.

 

„Du hättest wirklich dabei sein sollen!“, setzte Ginny wieder einmal enttäuscht hinterher.

 

„Hermine?“, sagte Harry plötzlich und schien auf seinem Sitzplatz ein Stück weiter nach vorne auf die Kante zu rücken.

 

„Ja, Harry?“, erwiderte sie etwas verblüfft, denn er wirkte ernst.

 

„Da ist noch etwas“, begann er schließlich mit gedämpfter Stimme, „was wir dir erzählen müssen“, endete er mit ernstem Blick. Hermine runzelte die Stirn.

 

„Was? Eure Schlagsahne-Party habe ich mitbekommen“, bemerkte sie kühler, mit einem bösen Blick auf Ron. Harrys Kiefermuskeln entspannten sich entgeistert und sein Mund öffnete sich ein Stück.

 

„Wa-was? Ach so.“ Immerhin hatte er den Anstand rot zu werden. „Das meinst du“, ergänzte er und fuhr sich durch die strubbeligen Haare. Verlegen, unsicher und grinste schließlich hilflos. „Nein, das meinte ich nicht. Aber… der Abend hat mit dem zutun, was ich dir erzählen möchte“, fuhr er fort. Hermine schwante Schlimmes. Vielleicht hatte sich einer der Jungen verlobt oder sonst etwas! Aber Harry wohl eher nicht, sonst würde Ginny nicht ruhig seine Hand halten.

 

„Ich… ich habe mein Kapitänsabzeichen zugeschickt bekommen“, beschloss er wohl erst mal zu sagen, aber Hermine hatte es an seiner Brust bereits gesehen. Sie hatte es nur vergessen zu kommentieren, weil sie für Quidditch etwa so viel übrig hatte wie für grünen Gurkensalat: Erstaunlich wenig.

 

„Oh, herzlichen Glückwunsch, Harry“, sagte sie nun dennoch, denn er wirkte mächtig stolz. Dann sanken seine Mundwinkel. „Tja, und Ron…“, begann er wieder, die Stimme ruhiger als zuvor. Aber Hermine hatte begriffen. In nur einer Sekunde.

 

„Ron ist Schulsprecher“, hauchte sie mit resignierendem Verständnis. „Es ist also ein Gryffindor geworden“, flüsterte sie. Sie hatte es fast geahnt.

 

„Ja, es ist ein Gryffindor geworden“, bestätigte Harry, der wohl nur annehmen konnte, dass sie damit ausdrücken wollte, dass sie wohl sich selber im Auge gehabt hatte. Was sie ja nun auch getan hatte.

 

„Das… das ist wirklich… großartig“, rang sie sich ab. Es war kein so großer Schock mehr, nachdem sie wusste, dass Pansy Schulsprecherin sein würde. Harry wirkte ähnlich überrascht wie Ginny.

 

„Oh, wir dachten du… würdest-“

 

„-es mit weniger Fassung tragen?“, vermutete Hermine mit erhobener Augenbraue, und Harry nickte schließlich.

 

„Wir waren selber völlig überrascht!“, beteuerte er.

 

„Schon gut, Harry.“

 

Harry nickte, und Ginny schien erleichtert auszuatmen.

 

„Was dachtet ihr? Dass ich es Ron nicht gönne?“, wollte sie schockiert von ihren besten Freunden wissen. Sie gönnte es Pansy nicht, aber Ron? Zwar war sie sich immer noch nicht ganz sicher, weshalb sie es nicht unter die ersten Top Zwei geschaffte hatte, aber sie war Ron gegenüber auf keinen Fall missgünstig.

 

Ehe Harry antworten konnte erschien ein Schatten vor der gläsernen Abteiltür. Pansy klopfte gegen die Scheibe, ehe sie die Tür aufzog. Wenn man an den Teufel dachte….

 

„Hallo zusammen“, begrüßte sie die vier Freunde, relativ gleichgültig. „Ich komme, um den Schulsprecher abzuholen“, erläuterte sie mit einem eisigen Blick auf Ron. Hermine erkannte, wie wenig sie wohl von Dumbledores Entscheidung zu halten schien. Fast war es lustig. Dann aber wandte sich Pansys Blick an sie, während Harry Ron den Finger in die Seite stieß. Ron grunzte lediglich im Schlaf. „Hey, Hermine. Ist alles in Ordnung?“ Und etwas mehr Freundlichkeit trat in ihren Blick.

 

Harry und Ginny hoben langsam die Blicke. Hermine spürte, wie ihr heißer wurde. Es war, als hätte sie eine Stufe verpasst.

 

„Äh… ja. Alles in Ordnung, danke Pansy“, erwiderte sie, mit einem gespielt ungläubigen Blick.

 

„Konntest du noch alles klären? Mit Narzissa, meine ich?“

 

Jetzt hatte sie definitiv Harrys und Ginnys gesamte Aufmerksamkeit. Harry hatte aufgehört, Ron wachzustupsen, also trat ihn Hermine kurzerhand vors Schienenbein. Er schreckte mit einem lauten Schrei hoch und bückte sich sofort nach seinem Bein.

 

„Verdammt, Hermine! Was sollte das denn bitteschön?!“

 

„Was das sollte?“, antwortete Pansy statt ihrer und hatte die Hände bestimmend in die Hüften gestemmt. „Im ersten Teil erwarten sie uns, und du hast nicht mal deine Uniform an, Weasley!“ Pansy im Abteil zu erblicken lenkte Ron wohl erfolgreich von den Schmerzen in seinem Bein ab.

 

„Was zur Hölle willst du hier?“, entfuhr es ihm, mehr als unfreundlich.

 

„Du bist Schulsprecher, oder nicht?“, fuhr sie ihn entnervt an. Ron ruckte mit dem Kopf, einen unsicheren Blick auf Hermine geheftet, die lediglich die Augen verdrehte.

 

„Ja?“, erwiderte er unsicher.

 

„Also, dann beweg dich endlich“, schloss Pansy gereizt, und ein riesiger Ron erhob sich träge von dem weichen Platz. „Mach’s gut, Hermine. Wir reden später noch mal, ja?“, wandte sich Pansy mit alter Freundlichkeit wieder an sie. Hermine nickte nur knapp. Merlin, das war peinlich. Wirklich peinlich. Ehe Ron eine entsprechende Frage stellen konnte, fing Pansy wieder an, ihn anzutreiben, und mürrisch verließ er das Abteil.

 

Harry und Ginny starrten sie mit großen Augen an.

 

„Und was hast du die Ferien über so gemacht?“, wollte Ginny mit verschränkten Armen von ihr wissen, den Blick gespannt auf sie geheftet, während Harry sich mit großen Augen weiter vor beugte, um wohl keines ihrer Worte zu verpassen.

 

Na super.

 

~*~

 

Sie hatte es zumindest geschafft, ihre Situation nicht schlimmer zu machen. Sie hatte einfach erzählt, was passiert war. Zwar nicht das ganze Fiasko mit der Verlobung, die nicht echt gewesen war, aber zumindest der Teil mit der Liegenschaftsabteilung im Ministerium, von der Harry und Ron ohnehin gewusst hatten, und dann hatte sie noch von der Gartenpartys der Malfoys erzählt, von Pansy, die auf einmal ein Muggelfreund geworden ist, und dass sie Draco Malfoy ins Wasser geschubst hatte.

 

Ihre Erfahrung mit Narzissa Malfoy als Wohltäterin und Freundin hatte sie ausgelassen. Sowie auch die betrunkene Nacht in Malfoy Manor. Es war wohl auch besser so. Mittlerweile kam es Hermine selber so vor, als hätte sie sich geirrt, als hätte sie es nur geträumt, im Nachhinein.

 

Es war dunkler geworden. Nicht wirklich dunkel, aber es trat die Abenddämmerung ein. Noch lag in der Luft der süße Duft von Sommer. Alle waren ausgelassen, und die Stimmung war eine gute, wenn sie die anderen betrachtete.

Der Zug war vor einer Weile im Dorf angekommen und Hagrid hatte die Erstklässler bereits zu den Booten geführt. Sie hatte die Kutschfahrt mit Harry, Ginny, Neville, Luna und Ron relativ schweigsam zu Ende gebracht.

 

Ron hatte sich nämlich die gesamte über Pansy Parkinson aufgeregt, mit den buntesten Flüchen, für die Hermine ihn bereits gemaßregelt hatte. Sie merkte, wie ihr Herz leise bei seinem Anblick flatterte. Sie hatte vorgehabt, sauer auf Ron zu sein, ihn nicht mehr zu beachten, aber sie wusste schon, ihr Herz würde da wahrscheinlich nicht mitmachen.

 

Sie gingen nebeneinander zum Schloss hoch, was eindrucksvoll im Sonnenuntergang vor ihnen lag, während Ron sich immer noch beschwerte.

 

„Weißt du, vielleicht kannst du ja noch tauschen“, warf Harry leicht gereizt ein. Ron unterbrach sich verwirrt.

 

„Tauschen? Was tauschen? Das Abzeichen? Oh nein!“, rief er mit einem boshaften Lachen aus. „Ich werde ihr schon zeigen, dass ich das Sagen habe! Und ganz bestimmt nicht irgendeine hochnäsige Slytherin-Kuh!“ Hermine verdrehte die Augen.

 

„Ron, diese Position ist eine Auszeichnung. Du solltest sie nicht ausnutzen für irgendwelche Machtspiele“, sagte sie nun, und sie konnte es nicht verhindern. So sehr sie es Ron auch gönnte – genauso sehr war sie enttäuscht, dass sie es nicht geworden war. Es war noch immer unfassbar. Er trug es nicht mal! Ron trug das Abzeichen noch nicht mal. Hatte es vergessen, anzustecken! Sie hätte es gar nicht mehr abgelegt. Sie spürte für eine wilde Sekunde das Verlangen, zu schreien. Einfach wegen all dieser Ungerechtigkeiten zu schreien, aber sie tat es nicht.

 

Sie hatten mit den anderen Schülern das Schloss erreicht, wo eine – wie immer strenge – McGonagall sie hinein scheuchte. Die Erstklässler waren noch nicht da, und wieder dachte Hermine, dass Ron ganz bestimmt nicht geeignet dafür war, Erstklässler durch das Schloss zu führen. Aber sie sagte nichts. Einige Schüler sahen so aus, als wollten sie gar nicht erst ins Innere des Schlosses gehen wollen. Sie schienen die Wärme der Sonne noch zu genießen, und weiter draußen bleiben zu wollen. Aber McGonagall war erbarmungslos, was das anging, und so verschwanden alle nacheinander ins Innere. Hier war es kühler, und Hermine hatte fast vergessen, wie groß Hogwarts wirklich war.

 

Kurz vergaß sie ihren eigentlichen Kummer, und erinnerte sich wieder an alle Details, die sie vergessen hatte. Der Steinboden, die Rüstungen, die vielen Treppenaufgänge, die vielen unzähligen Portraits, die ebenso aufgeregt wirkten, wie die Schüler, und egal, wie erwachsen sich Hermine den Sommer über gefühlt hatte, sie war froh, zurück zu sein, noch einmal Schüler zu sein.

 

Sie schoben sich in die Große Halle. Die Lehrer standen noch am Lehrertisch, und erst als sie die Masse an Schülern entdeckten, bewegten sie sich zu den Plätzen. Dumbledore wirkte selber wie ein aufgeregter Schüler. Hermine konnte die Haustische erspähen, über die vielen Köpfe ihrer Mitschüler hinweg, von denen sie erschreckend wenige wiedererkannte, stellte sie mit gerunzelter Stirn fest.

 

Sie spürte einen plötzlichen Druck an ihrer Hand, dann wurde sie angerempelt, stieß gegen Harry, der den Kopf umwandte und grinste.

 

„Na, schwach auf den Beinen, Hermine?“, wollte er wissen. „ Oder kannst du es nicht erwarten?“ Sie lächelte kopfschüttelnd, aber gleichzeitig spürte sie etwas in ihrer Hand. Verwirrt öffnete sie die Finger, die sie wohl instinktiv um ein Stück Pergament geschlossen hatte.

Es war nicht beschriftet und sie hob verwirrt den Kopf. Aber keiner der Schüler sah sie auffordernd an. Sie konnte niemanden entdecken, dem sie unterstellen würde, ihr ein Briefchen zuzuschieben. Es war zu voll, um jetzt stehen zu bleiben, und auf den Zettel zu gucken, also hielt sie ihn fest in der Hand. Mit gerunzelter Stirn erreichte sie neben Harry und Ron den Gryffindortisch, wo ihr endlich bekannte Gesichter zugrinsten und sie begrüßt wurde. Sie erwiderte alle lieben Worte und setzte sich zwischen Harry und Ron auf einen freien Platz. Noch waren die Teller leer und unauffällig blickte sie nach rechts und links, ehe sie das kleine Pergament auseinander faltete.

 

Sie kannte die Schrift nicht, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie wusste, von wem die Nachricht war. Harry beugte sich zu ihr. Und reflexartig schlossen sich die Finger um die Notiz und zerknüllten sie fast augenblicklich.

 

„Was hast du da?“, wollte Harry neugierig wissen.

 

„Alter Einkaufszettel“, antwortete Hermine tonlos, aber geistesgegenwärtig, wie aus der Pistole geschossen. „Wirklich nichts wichtiges, Harry“, ergänzte sie mit einem weiten Lächeln und schob den zerknüllten Pergamentfetzen zurück in ihre Rocktasche. Ihr Herz schlug schnell und ihrem Kopf hörte sie plötzlich wieder die schottische Folklore zu der sie mit Pansy und den anderen getanzt hatte.

 

In ihren Ohren hallten dumpf Narzissas Worte wider.

 

„Meine lieben Freunde, wir feiern heute die Verlobung meines Sohnes. Wir feiern meine neu gewonnene Tochter! Hermine, willkommen bei den Malfoys!“

 

„Hermine?“ Sie schreckte aus den Gedanken. Sie wandte Ron den Blick zu.

 

„Was?“, hauchte sie nervös, und zwang sich, nicht den Kopf nach links über die Schulter zum Slytherintisch zu drehen.

 

„Ob du noch sauer auf mich bist?“, wiederholte er scheinbar gepresst.

 

„Sauer?“, entfuhr es ihr ratlos. „Warum?“ Ihre Gedanken rasten um ein ganz anderes Problem.

 

„Na ja. Ich wollte mit dir noch darüber reden. Über diese… Schulsprecher-Sache“, schloss er gequält. „Und… über diesen Abend, wo…“

 

„Ron, mach dir keine Gedanken. Wirklich“, unterbrach sie ihn beinahe schroff. Ihr Herz schlug verräterisch laut in ihrer Brust, aber sie begriff das ganze Ausmaß noch nicht wirklich.

 

„Nein, Hermine, ich… mir ist so was noch nie passiert! Ich hatte noch nie so viel Glück, überhaupt-“ Er unterbrach sich, denn Dumbledore gebot der Halle zu schweigen, während McGonagall die Erstklässler hineinführte. Hermine hatte sich zwar nicht wirklich auf Hogwarts gefreut gehabt, mit der Aussicht, nicht einmal Schulsprecherin geworden zu sein, aber jetzt hatte sie regelrecht Magenschmerzen.

Sie war dankbar, nicht mehr mit Ron über seine Probleme sprechen zu müssen. Die Erstklässler kamen ihr winzig vor, wie sie sich langsam nach vorne zum Lehrertisch schoben, um den Sprechenden Hut aufzusetzen.

 

Sie zwang ihre Gedanken, stillzustehen, zu entspannen und sich für jetzt erst mal auf die Einteilung zu konzentrieren.

 

Mit der Zeit beruhigte sich ihr klopfendes Herz und sie tat es Ron, Ginny und Harry gleich zu klatschten, jedes Mal, wenn ein Schüler ihrem Haus zugeteilt wurde oder, wenn er nicht nach Slytherin kam. Aber sie glaubte, nach einer halben Stunde, dass jedes Haus etwa gleich viele Schüler dazu gewonnen hatte.

 

An ihrem Tisch saßen neben all den neuen Gesichtern auch Geschwister von Schülern. Zum Beispiel neben Lavender saß ihre Schwester Candice, die Lavender haarklein berichtete, wie gruselig es im Innern des Hutes gewesen war. Und Lucas Diggory hatte an ihrem Tisch Platz genommen. Hermine hatte ihn wohl zu genau betrachtet, denn plötzlich erwiderte er ihren Blick. Der Junge war dunkelblond, mit tiefen Grübchen auf jeder Wange. Sein Blick war neutral aus blauen Augen, und sie rang sich ein Lächeln ab.

 

Er erwiderte es nahezu sofort.

 

Dann sprach Dumbledore wieder, begrüßte die neuen Schüler, stellte die Häuser kurz vor, und dann eröffnete er das Festmahl.

 

Die Tische füllten sich, bis sie sich praktisch dem Boden entgegen bogen, so voll waren sie. Ron und Harry langten ordentlich zu, während Hermine und Ginny noch überlegten, was nicht zu schwer im Magen liegen würde. Die Erstklässler bedienten sich nahezu ausnahmslos erst mal an den Torten und am Eis, was für den Nachtisch gedacht war, und den ersten war nach fünfzehn Minuten bereits schlecht.

 

Hermine musste grinsen, während sie das laute Treiben am Tisch beobachtete und ein Brot mit Butter bestrich. Ron betrachtete sie kopfschüttelnd und lud ihr erst mal ordentlich vom Irish Stew in ihren tiefen Teller. Hermine verdrehte die Augen, aß aber das dampfende Essen fast begierig.

 

Bis zum Ende des Essens hatte sie ihre Angst schon fast wieder vergessen.

 

Endlich verschwand auch der letzte Teller und Dumbledore leierte in wenigen Sätzen die Hausordnung herunter, begrüßte die Kapitäne und Vertrauensschüler, sowie die beiden Schulsprecher, die sich gleich darum zu kümmern hatten, die Erstklässler in ihre Schlafsäle zu führen. Ron stöhnte ungehalten und einige Erstklässler an ihrem Tisch warfen ihm ängstliche Blicke zu.

 

„Ron!“, fuhr sie ihn von der Seite an, und er atmete schwer auf.

 

„Ja, ja“, murrte er mit verschränkten Armen, denn er hatte sich wohl vorgestellt, gleich mit Harry im Gemeinschaftsraum zu verschwinden und vor dem Kamin zu faulenzen. Sie ging zumindest stark davon aus.

 

Dumbledore forderte sie auf, die Hymne von Hogwarts zu singen, jeder in seinem Tempo, nach seinem Gutdünken, und Hermine war fast dankbar, dass die Zwillinge nicht mehr hier waren, um die Hymne unendlich in die Länge zu ziehen. Dann begriff Hermine ihre scheußlichen Gedanken. Fred würde niemals wieder hier sein. Nirgendwo mehr. Ihre Gedanken taten ihr sofort leid. Sie wusste, dass George auch noch nach drei Jahren ungern in den Spiegel blickte. Zum ersten Mal sang sie die Hymne von Hogwarts mit beißenden Tränen in den Augen. Und sie sang sie als Entschädigung und Widergutmachung ihrer gemeinen Gedanken zu Ehren von Fred extra laut. Dumbledore schien ein wenig enttäuscht darüber zu sein, dass die Hymne nach nur wenigen Minuten bereits beendet war. Soweit Hermine es erkennen konnte, war Snape darüber nicht besonders traurig.

 

Sie blinzelte die Tränen fort, als sich alle erhoben.

 

„Wollen wir?“ Ginny hakte sich munter bei ihr unter. „Ist doch schön, dass ich dich jetzt für mich habe und du dich nicht mit lästigen Kleinigkeiten wie Schüler ins Bett bringen rumärgern musst, oder?“ Ron schoss seiner Schwester einen missmutigen Blick zu.

 

„Noch ein Wort, und ich ziehe dir Punkte ab, Ginny!“, drohte ihr Ron, aber Ginny steckte ihm die Zunge raus. Hermine sah Pansy bereits herrische Anweisungen geben, und seufzend schlurfte Ron in ihre Richtung.

 

„Das ist keine Auszeichnung, das ist eine Qual“, hörte Hermine Ron noch knurren, ehe er verschwand und die Schüler hinter ihm hertrotteten. Viele gähnten herzhaft, und ein Blick auf die große Uhr an der Wand sagte ihr, dass es gleich halb zehn war.

 

Heiße Schuldgefühle kochten in ihrem Magen, während sie den Slytherintisch weiterhin ignorierte und mit Harry und Ginny in Richtung der Treppen verschwand.

Sie spürte das zerknüllte Pergament in ihrer Tasche beim Gehen, aber zwanglos beteiligte sie sich an Gespräch, das Ginny begonnen hatte.

 

Über die Notiz konnte sie sich auch gleich noch Gedanken machen. Die Worte hatten sich in ihren Geist gebrannt:

 

Du bist so was von tot.

11 Uhr. Bibliothek.

 

~*~

 

Es war unmöglich, stellte sie milde überrascht fest. Ihr Blick wanderte immer wieder zur Uhr. Sie würde hier nicht rauskommen. Um halb elf dachte noch keiner der Gryffindors an Schlaf. Sie wusste nicht, wie sie rechtfertigen konnte, den Gemeinschaftsraum zu verlassen.

 

Nicht, dass sie das unbedingt wollte, und sie hatte ihre Meinung bereits zweimal wieder geändert.

 

Zuerst hatte sie gedacht, sie müsste gehen. Sie müsste zur Bibliothek. Dann hatte sie es anmaßend dreist von ihm gefunden, so etwas überhaupt zu verlangen; zu so einer Zeit und ganz unter seinen Bedingungen. Sie hatte nicht gewollt, aber dann hatte sie überlegt. Denn er würde sie finden, wenn er mit ihr sprechen wollte. Und im schlimmsten Fall würde er sie fertig machen, wenn Harry, Ron und Ginny auch dabei waren.

 

Sie hatte Ginny ohnehin noch einmal von Pansy Anwandlungen erzählen müssen und dann war ihr auch noch herausgerutscht, dass sie mit Pansy zusammen getanzt hatte. Das hatte sie auch noch irgendwie gerade biegen müssen und hatte sich dabei erwischt, wie sie überlegt hatte, den Vergessenszauber einzusetzen, um aus der Sache rauszukommen.

Sie wollte sich nicht ausmalen, was passieren würde, würde Malfoy sie vor ihren Freunden bloßstellen.

 

Wieder sah sie auf die Uhr. Sie trug noch immer ihre Uniform. Ginny war bereits umgezogen. Lavender und Parvati auch. Die Jungen aus dem siebten Jahr lachten und plauderten über das nächste Quidditchauswahlspiel, die Chancen der anderen Häuser und wusste Merlin, was für andere langweilige Themen sie hatten.

 

Dean sponn bereits Pläne, wie man Rons Position als Schulsprecher am besten ausnutzen konnte, welcher bezeichnenderweise seine Krawatte gelockert hatte und wie ein Stirnband um die Stirn trug, aber ehe Hermine dazu etwas sagen konnte, erschien der kleine Diggory vor ihr. Sie saß auf der großen Couch, neben Parvati und sah gespannt zu ihm auf. Ginny stand bei den Jungen vorm Kamin und der Junge deutete auf den Platz neben sie.


„Darf ich?“, fragte er höflich. Höflicher, als man es einem Elfjährigen zutrauen mochte.

 

„Sicher“, erwiderte sie unsicher.

 

„Du bist Hermine Granger“, eröffnete er nickend, während er sie betrachtete.

 

„Ja“, entgegnete sie mit einem Lächeln.

 

„Ich habe alles verfolgt!“, klärte er sie mit Nachdruck auf, als würde sie es anzweifeln wollen, was auch immer er vorhatte zu sagen. „Also, den Kampf“, ergänzte er ruhiger.

 

„Den Kampf?“, wiederholte sie. Er sprach von Voldemort. Und sie nahm an, sie wusste, warum der Junge sich dafür interessierte.

 

„Du warst sehr jung“, erwiderte sie lediglich.

 

„Also, nicht zu der Zeit. Ich habe jetzt alles nachgelesen“, versicherte er ihr. Seine Stimme war fest. Einige im Gemeinschaftsraum hatten sich ihnen zugewandt und beobachteten den jungen Diggory nahezu unverhohlen. Zumindest diejenigen, die seinen Bruder gekannt hatten.

 

„Es tut mir leid, dass dein Bruder gestorben ist“, sagte sie sehr leise. Diese Worte waren wohl ausschlaggebend, denn plötzlich kam Harry auf sie zu. Sie wusste nicht, ob der junge Diggory sie verstanden hatte, denn er reagierte nicht. Aber dann seufzte er.

 

„Ich kann mich kaum an ihn erinnern“, gestand er leise ein. „Oh, ich bin übrigens Luke“, erklärte er dann mit einem schiefen Grinsen.

 

„Hermine“, wiederholte sie, denn er kannte sie wohl.

 

„Ich bin Harry“, stellte ich Harry schließlich vor, und die anderen drängten sich so unauffällig wie möglich um die Couch, um den Jungen anzusehen.

 

„Ziemlich cool“, sagte Lucas anerkennend.

 

„Was? Der Gemeinschaftsraum?“, wollte Harry lächelnd wissen, aber er schüttelte den Kopf. Er deutete mit einem Kopfrucken in seine Richtung.

 

„Nein. Harry Potter ist hier auf der Schule. In meinem Haus“, fuhr er fort. „Und du natürlich!“, ergänzte er fast hastig an Hermine gewandt. „Und Ron Weasley“, schloss er ehrfürchtig. Hermine begriff. Der Junge hatte viel gelesen, hatte sich wohl gut informiert, und das, obwohl er so jung war. Ron war sofort rot geworden.

 

„Ich weiß, er war in Hufflepuff, aber… ich wollte nicht nach Hufflepuff, als der Hut mich gefragt hat“, sagte er kopfschüttelnd. „Ich wollte nach Gryffindor. Da, wo Harry Potter ist“, schloss er fast rau.

 

Und die gute Stimmung im Gemeinschaftsraum war fort. Wie als wenn man das Feuer einer Kerze einfach ausgepustet hatte. Und Hermine sah es in Harrys Haltung. Harry war eigentlich schon lange kein Schüler mehr. Harry war so viel mehr. Sie alle hier waren schon so viel mehr. Alle Siebtklässler, die damals mitgekämpft hatten. Alle Schüler, die sich auf Harrys Seite geschlagen und sich in dieser einen verhängnisvollen Nacht geopfert hatten. Und sein Bruder war keine Ausnahme gewesen. Hermine wusste, der Junge suchte nach der Vergangenheit seines Bruders. Wieder spürte sie die Tränen. Sie würde es genauso machen. Und es war traurig. So viele waren gestorben. Und Hogwarts tat sein bestes, sich den Krieg nicht mehr anmerken zu lassen. Aber einfach war es nie. Und es würde auch nicht mehr einfach werden, überlegte sie kopfschüttelnd. Die Diggorys hatten jetzt nur noch einen Sohn. „Wie… war er so?“, fragte Lucas plötzlich und riss sie wohl alle aus den tristen Gedanken.

 

Sie sahen ihn an. „Cedric?“, sprach Harry den Namen schließlich aus. Der Junge nickte.

 

„Ich meine, hier, in der Schule. Ich weiß, er… war nicht unbeliebt“, begann er jetzt achselzuckend. „Oder?“

 

Harry schüttelte den Kopf. Hermine versuchte, sich zu erinnern.

 

„Cedric war… beliebt, aber nie gemein zu andern. Er war hilfsbereit und gut. Und sehr klug. Und sehr mutig“, fuhr Harry abwesend fort. Hermine erinnerte sich, dass damals begonnen hatte. Nach dem Turnier. Alles hatte nach dem Turnier angefangen. Danach war Harry losgezogen und hatte den Kampf begonnen. Eine Gänsehaut befiel sie als sie an die furchtbare Zeit zurückdachte.

 

„Er hat viel von dir gesprochen, deswegen dachte ich, du…“ Er sprach nicht weiter, lächelte und zuckte die Achseln.

 

„Von mir?“, wiederholte Harry lächelnd.

 

„Ja, und von Hermine.“ Hermine runzelte die Stirn. Sie hatte nie mit Cedric zu tun gehabt. Er war auch Vertrauensschüler gewesen, aber gesprochen hatte sie mit ihm so gut wie gar nicht. Lucas nickte wie selbstverständlich.

 

„Du… bist ein richtiger Held, oder?“ Und Harry kam mit Ruhm genauso schlecht zurecht wie seit eh und je und fuhr sich verlegen durch die Haare.

 

„Alle, die mitgekämpft haben, sind Helden, Luke“, erwiderte Harry schlicht. „Wir sind alle gleich.“

 

„Außer die Slytherins?“, wollte Lucas ernsthaft wissen, und Ron räusperte sich feierlich.

 

„Richtig. Die Slytherins sind alles blöde knallrümpfige Kröter-Köpfe!“, rief er aus, und die Stimmung hob sich augenblicklich, während ihm die anderen johlend zustimmten. Hermine öffnete protestierend den Mund, denn so etwas konnte Ron als Schulsprecher unmöglich an jüngere Schüler weiter vermitteln, aber das Portraitloch schwang zur Seite und ersparte Hermine jede Antwort.

 

„So, es ist schön, dass Sie wieder hier sind, aber es wird langsam Zeit, nicht wahr, Mr Weasley?“, ergänzte McGonagall mit einem strengen Blick auf Ron, der die Krawatte um seine Stirn hastig wieder zu seinem Hals hinab zog.

 

„Äh… ja, Sir. Äh, Professor McGonagall, meine ich!“, rutschte es ihm mit hochrotem Kopf heraus. Wartend verschränkte McGonagall die Arme vor der Brust, und Rons Mund öffnete sich eine Spur ratlos, ehe er den Rücken durchstreckte.

 

„Al…also ab ins Bett jetzt!“, sagte er weniger überzeugt, und mit einem Grinsen setzten sich die Schüler in Bewegung.

 

„Sehr beeindruckend, Mr Weasley“, erwiderte McGonagall mit erhobener Augenbraue. „Ich sehe einige von Ihnen morgen Früh“, erklärte sie mit dunkler Mahnung. „Und Mr Weasley? Ich beobachte Sie“, versprach sie mit Nachdruck, und Hermine hörte Ron wieder stöhnen. Neben ihr lachte Lucas.

 

„Es ist wirklich witzig hier“, flüsterte er, verabschiedete sich leise von Hermine und flitzte mit den anderen Erstklässler Jungen in Stockwerk höher in den Schlafsaal. Hermine sann noch einige Sekunden ihren Gedanken nach, blickte dann wieder auf die Uhr und dankte McGonagall für ihren Auftritt.

 

Der Gemeinschaftsraum leerte sich missmutig und Ron wandte sich als letzter vom anderen Treppenaufgang zu ihr um. „Kommst du?“, fragte er, aber sie schüttelte knapp den Kopf. Sie hatte sich entschieden. Sie würde so eine alberne Kleinigkeit aus der Welt schaffen können. Sie hatte einen Krieg überlebt. Da sollte das doch ein Kinderspiel werden.

 

„Ich lösch eben noch das Feuer im Kamin. Es muss ja nicht umsonst brennen“, erklärte sie überzeugend streng, und er ruckte mit dem Kopf, ehe er die Stufen empor schlurfte. Hinter den geschlossenen Türen hörte sie die Jungen immer noch lachen und flüstern. Alle würden morgen so müde sein, befürchtete sie stumm. Aber sie würde davon keine Ausnahme sein.

 

Sie hatte noch fünf Minuten Zeit.

 

Sie löschte mit dem Zauberstab jedes Licht und schlüpfte mit klopfendem Herzen lautlos aus dem Gemeinschaftsraum auf den dunklen, ausgestorbenen Flur.

 

 

Kapitel 10

 

„Draco, sag mal, spinnst du?“ Pansy stellte sich ihm in den Weg, Entschlossenheit im Blick. „Weißt du, dass es mich eine Stunde gekostet hat, die Leute in ihre Schlafsäle zu bekommen? Wenn du jetzt nicht wieder rein gehst, dann hören sie nie wieder auf mich!“

 

Pansy wirkte recht verzweifelt in ihrer neugewonnen autoritären Stellung. Und es war ihm recht egal.


„Pansy, entweder gehst du aus meinem Weg, oder ich fluche dich aus meinem Weg. Egal, wie du dich entscheidest, deine Schulsprecher-Nummer kannst du dir sparen“, drohte er knapp und schritt unbeirrt weiter. Fluchend wich sie zur Seite aus. Seine Laune lag an seinen Schmerzen. Teilweise zumindest. Teilweise….

 

„Draco, ich ziehe dir Punkte ab!“, warnte sie ihn mit hoher Stimme und er schenkte ihr einen mitleidigen Blick.


„Wirklich? Ich zittere vor Angst“, schloss er, bevor er den Gemeinschaftsraum verließ. Er hörte sie noch hinter dem geschlossenen Portrait seinen Namen kreischen, bevor er zügig durch den dunklen Gang marschierte. So zügig es mit einem etwas hinkenden Bein eben ging. Die Schmerzen blockierten nahezu sein gesamtes linkes Bein! Die Hände hatte er zu Fäusten geballt, den Mund zu einer schmalen Linie verzogen, denn er konnte sich kaum davon abhalten, zu rennen. Aber das würde wahrscheinlich nicht besonders gut ausgehen.

 

Er traf auf niemanden, abgesehen von den Geistern, die ihn zwar ansprachen, die er aber konsequent ignorierte. Er hatte keine Zeit für Maßregelungen. Er war selber auf dem Weg zu einer solchen. Mehr als das.

 

Lautlos erklomm er die Stufen und legte die Gänge zurück, bis er den Flur zur Bibliothek erreicht hatte. Das Schloss roch so, wie er es in Erinnerung hatte. Viele Erinnerungen mischten sich mit seinen Gefühlen, aber eigentlich hatte er Magenschmerzen vor Zorn. Und er war froh, dass er sein Ziel gleich erreicht hatte, denn seine Seite schmerzte so sehr, dass er wohl kaum noch einen längeren Weg würde zurücklegen können.

 

Er hatte verpasst zu einem Heiler zu gehen, weil er in der letzten Woche damit beschäftigt gewesen war, seiner Mutter den Krieg zu erklären. Sie hatten sich abgesetzt! Einfach abgereist warten die elenden Verräter! Von seinem scheiß Vater hatte er nichts anderes erwartet, aber von seiner Mutter! Dass sie die Dreistigkeit besaß, abzuhauen! Dass Granger, das verdammte Schlammblut, die Dreistigkeit besaß absolut gar nichts zu unternehmen?! Was dachte sie, zum Teufel noch mal?! Gar nichts, war die einfach Antwort, die er sich mit Sicherheit geben konnte.

 

Er stöhnte unterdrückt, als er sich gegen die Wand sinken ließ, als er angekommen war. Die Bibliothek war verschlossen und fahles Mondlicht fiel auf den Gang vor ihn.

Er hielt sich seine schmerzende Seite und schloss die Augen. Er versuchte, ruhiger zu atmen, den Schmerz soweit es ging zu ignorieren und hasste all das hier!

 

Er hatte keine Lust hierauf!

 

Er fluchte unterdrückt, schnappte langsamer nach Luft und lehnte sich in gebeugter Stellung nach vorne, um den verdammten Schmerz irgendwie aufzufangen. Wenn er doch nur–

 

„Was hast du?“, schreckte ihn ihre ruhige Stimme aus seinen Qualen und zornig schoss sein Kopf nach oben.

 

„Du bist verdammt noch mal zu spät“, knurrte er, obwohl er selber noch keine Minute hier war.

 

„Der Gemeinschaftsraum war noch nicht leer“, erklärte sie behutsam, was ihm scheiß egal war. Sie musterte ihn fast angeekelt, stellte er mit Verachtung fest. „Hast du Schmerzen?“, fragte sie schon wieder, aber er ging darauf nicht ein.


„Möchtest du mir vielleicht irgendetwas sagen?“, begann er jetzt offen gehässig, stellte sich aufrechter hin und ignorierte seine pochende Seite. Ihr Blick nahm etwas Gehetztes im blassen Mondlicht an. „Vielleicht, dass du kein verdammtes Wort mit meiner scheiß Mutter gesprochen hast? Dass du gemütlich deine Ferien vor dich hin gelebt hast, in Seelenruhe? Hast du Porzellan ausgesucht? Dich für einen Nachnamen entschieden?“, knurrte er so laut, dass die Portraits grummelnd erwachten.

 

„Malfoy-“, begann sie abwehrend, aber er schüttelte heftig den Kopf.

 

„-fick dich, Granger!“, sagte er jetzt kalt. „Wir hatten eine scheiß Abmachung! Oder irre ich mich? Ich stand auf deinem verdammten Schuppen, habe mit dir verdammte Worte gesprochen, oder habe ich mir das lediglich eingebildet, verdammte Elfenkacke, noch mal?“, fuhr er sie so bitter an, dass sie vor ihm  zurückwich.

 

„Malfoy“, begann sie wieder, aber sein Zorn ließ sie erneut verstummen.

 

„-und ich will verdammt noch mal keine Ausreden von dir hören! Was denkst du dir eigentlich?“, schnauzte er sie an, denn endlich konnte er seiner Panik, seinem Ärger Luft machen.

 

„Ich?! Ich kam überhaupt nicht in dein Haus! Ich konnte nichts tun! Sie wollte nicht mit mir sprechen! Ich habe gedacht, es hat sich erledigt!“, schrie sie mit zitternder Stimme zurück und fuhr sich durch ihre lächerlichen Haare.

 

Erledigt?“, wiederholte er gefährlich leise, und er griff in seinen Umhang. „Sieht das für dich erledigt aus?“, knurrte er haltlos und drückte ihr einen Umschlag in die Hand. Es war ein Probeabzug, den ihm seine Schlange von Mutter gestern geschickt hatte. Sie hob den Blick misstrauisch zu seinen Augen, aber Zorn zuckte um seine Mundwinkel. „Soll ich es dir auch noch vorlesen, verflucht noch mal?“, ergänzte er angriffslustig, aber Hermine zog die Karte aus dem Umschlag. Sie glänzte wie Elfenbein, und sie las die schwarzen Worte in anmutiger Kalligraphie als wären sie ein Todesfluch.

 

„Zur Hochzeit laden ein..?“, flüsterte sie mit panischem Blick und sah ihn wieder an. „Was soll das heißen?“ Sie wandte die Karte in den Händen „Da… da steht ein Datum!“, entfuhr es ihr heiser.

 

„Ja, Granger. Natürlich steht da ein scheiß Datum! Auf Hochzeitseinladungen befindet sich verflucht noch mal immer ein scheiß verdammtes Datum!“, kam es ihm herzlos über die Lippen. Sie schüttelte wieder und wieder den Kopf.

 

„Ich dachte sie… sie…“ Ihre Stimme brach ab. Er verzog kurz den Mund, als der Schmerz in wieder daran erinnerte, dass er eine scheiß steile Felswand hinab gestürzt war.

 

„Was?“, entfuhr es ihm. „Dass sie es gut sein lässt? Dass das alles war?“

 

Und ja. Scheinbar hatte sie das tatsächlich gedacht, fiel ihm auf, als er ihrem entsetzten, verzweifelten Blick begegnete. Er legte seine Hand auf seine Seite, um durch den Druck den Schmerz zu lindern. Scheiße. Er hätte nicht so schnell laufen sollen, ging ihm auf. Wieder musterte sie ihn und ein wenig ihrer Verzweiflung wandelte sich in Skepsis.

 

„Was ist mit deiner Seite?“, wollte sie wieder wissen.


„Geht dich einen Scheißdreck an, oder?“, erwiderte er ungehalten.

 

„Malfoy-“

 

„-wirklich? Möchtest du jetzt gerade über meine Gesundheit reden oder möchtest du dein angeblich so schlaues Gryffindorgehirn nicht vielleicht lieber anstrengen und eine Lösung für diesen gottverdammten Witz finden?“

 

„Ich… ich werde ihr schreiben“, begann sie und raufte sich die Haare. „Ich… werde ihr sagen, es war ein Missverständnis, und…“ Granger schüttelte wieder ratlos den Kopf. „Oh Gott…“, flüsterte sie.

 

Draco atmete gereizt aus. „Ich hoffe ernsthaft, du hast besseres auf Lager als das. Hast du die Adresse?“, fragte er mit verzogenem Mund, denn er musste sich wieder an die scheiß Wand lehnen. Er schloss die Augen und spürte wie sie näher kam. „Vergiss es, Granger“, knurrte er. „Rühr mich an, und ich verfluche dich noch heute Abend!“

 

„Vielleicht solltest du in den Krankenflügel gehen, Malfoy“, riet sie ihm jetzt distanziert, ohne auf seine Drohungen einzugehen.

 

„Vielleicht solltest du dich um deine scheiß Angelegenheiten kümmern und dafür sorgen, dass dieser Weltuntergang nicht eintritt?“, erwiderte er schroff. Oh, wehe, wenn sie anfing zu heulen! Er würde sie auf der Stelle mit dem Klammerfluch belegen und abhauen!

 

„Ich hoffe, du stirbst nicht hier auf dem Flur. Obwohl das natürlich das ganze Problem erheblich erleichtern würde“, sagte sie plötzlich, genauso kalt wie er. Er öffnete die Augen wieder.

 

„Vielen Dank für die Fürsorge“, entgegnete er lakonisch. „Ich komme bestens alleine zurecht, Schlammblut“, fuhr er sie schließlich an, denn es tat verdammt gut, seine Wut und seine scheiß Panik an ihr auszulassen. „Oh, sieh mich nicht an, als-“ Aber er unterbrach sich abrupt.

 

Beide lauschten in die Stille. Aber sie war nicht mehr so still.

 

„-es könnte gut sein, dass sie aufsteigen werden. Die dritte Liga haben sie auch hinter sich gelassen“, hörte er Professor Flitwick plappern. „Sogar ohne große Anstrengungen, denn-“

 

„-Filius, ich habe nicht das geringste Interesse an lokalen Quidditch Teams und ihren Aufstiegschancen“, erwiderte Snape gereizt. Dracos Blick traf Grangers, und sie wirkte genauso überfordert. Ehe Dracos Gehirn überhaupt etwas Sinnvolles tun konnte, wie den Impuls zu senden, den Zauberstab zu heben und eine Desillusionierung auszusprechen, bogen die beiden Zauberer um die Kurve.

 

Er und Granger hoben ertappt die Blicke, und er blinzelte in das grelle Zauberstablicht, was ihm ins Gesicht leuchtete.

 

„Na nu? Es herrscht doch längst Ausgehverbot“, sagte Professor Flitwick vollkommen überfordert.

 

„Mr Malfoy, Miss Granger“, übernahm Snape, und nicht ohne Unglauben in der gereizten Stimme. „Warum sind Sie nicht in Ihren Schlafsälen um diese Zeit?“

 

Snape räumte ihnen also ein, sich zu erklären? Eher würde Draco in einen Sprint ausbrechen, als zu erklären, weshalb er sich hier mit dem Schlammblut traf. Auch Granger schwieg betroffen, ging ihm auf. Sie hatte den Blick schuldbewusst gesenkt. Oh, sie konnte sich auch schuldig fühlen! Jetzt sah sie langsam auf.

 

„Sir, Malfoy hat Schmerzen, ich glaube, er muss in den Krankenflügel!“

 

Diese unglaubliche Petze!

 

Draco konnte es nicht fassen! So sah er sie auch an, aber das feige Miststück wich seinem Blick tatsächlich aus. Oh, er würde sie gerne-

 

„Draco? Was haben Sie? Was ist los?“, wollte sein Hauslehrer durchaus ungeduldig wissen und hielt den Zauberstab noch höher, um ihn näher anzusehen. Ja, sein Pate hatte ihm eine scheiß Geburtstagskarte geschickt. Mit der nachträglichen Drohung, würde er nicht seine Fächerkombination endlich angeben, würde er von Hogwarts aus rein disziplinären Gründen eine Woche suspendiert werden.

 

„Gar nichts, Sir“, brachte Draco unwillig über die Lippen und nicht, ohne ihr einen zornigen Blick zuzuschießen.

 

„Was ist mit Ihrer Seite?“, fragte Snape sofort, und hastig ließ Draco die Hand sinken, die er vergessen gegen den Schmerz gepresst hatte. „Lassen Sie mich sehen.“ Snape kam umstandslos näher, und Draco wich erschrocken zurück. Seit wann überwand Snape einfach so jegliche Hemmschwellen? Das war Draco von ihm nicht gewöhnt.

 

„Sir, es ist nichts!“, wiederholte Draco gestresst.

 

Ein lauter Knall erschütterte den Flur.

 

„Alle Schüler aus den Betten, Peeves verbreitet Angst und Schrecken!“

 

Der Geist grölte durch den gesamten unteren Flur, und Draco war noch nie so dankbar, den ranzigen Geist zu hören.

 

„Das glaube ich jetzt nicht!“, knurrte Snape ungehalten. „Miss Granger, Mr Malfoy, zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor und Slytherin!“, sagte Snape und Draco hörte Granger vor Entrüstung aufkeuchen. „Miss Granger, bringen Sie Mr Malfoy zum Krankenflügel. Ich bin in fünfzehn Minuten dort. Draco, ich erwarte Sie dort!“, setzte er noch ein extra Drohung hinzu, die Draco mehr als Punkteabzug versprach. „Filius, kommen Sie! Diesmal fliegt dieser verdammte Peeves von Hogwarts, und wenn ich ihn selber an seinem Kettenhemd aus dem Fenster werfen muss!“, donnerte Snape zornig und Flitwick stolperte stotternd hinter Snape her, der mit wehendem Umhang um die Ecke verschwand.

 

Sie waren wieder alleine auf dem Gang.

 

„Weißt du“, begann er mit gefährlicher Ruhe, die sie zu spüren schien und zurückwich, „ich habe mich noch nicht ausreichend dafür bedankt, dass du die letzten Wochen in meinem Leben aufgetaucht bist, oder Granger?“, knurrte er kalt, und ihr Mund hatte sich geöffnet.

 

„Was sollte ich sonst tun? Wolltest du Snape die Einladung zeigen? Wolltest du ihn etwa auch noch einladen? Ich denke, ich habe uns mächtig viel Ärger erspart!“, fuhr sie ihn tatsächlich an.

 

„Nein. Ich denke, Peeves hat unseren Ärger lediglich aufgeschoben. Und jetzt kann ich – dank dir – meine Nacht im scheiß Krankenflügel verbringen, weil mich Snape sonst an den Ohren aus meinem Bett schleifen wird, ehe er meinem scheiß Arschloch von Vater einen Brief nach Hause schickt!“, schrie er wieder außer sich und lehnte den Kopf zurück an die Wand. Langsam wurde ihm tatsächlich schwindelig.

 

„Du solltest nicht so über deinen Vater reden!“, wagte sie tatsächlich zu sagen und klang auch noch ernst dabei.

 

„Granger, halt deinen verdammten Mund!“, brachte er gepresst hervor. Er erinnerte sich wieder lebhaft daran, wie sie ihn in seinen verdammten Pool geworfen hatte. Miststück.

 

Krankenflügel klang plötzlich gar nicht mehr nach einer so grauenhaften Idee.  Er stieß sich ächzend von der Wand ab und ließ sie stehen. Er ging humpelnd den Flur zurück und kochte innerlich. All das spielte sich bereits unschön vor seinen Augen ab. Es würde öffentlich und unangenehm werden, wenn sie dieses Problem nicht schleunigst lösen würden. Das wollte er nicht, und er wusste, dass wollte sie garantiert nicht.

 

„Malfoy!“ Sie hatte ihn eingeholt.

 

„Granger, ich schaffe den Weg alleine“, informierte er sie gepresst. „Ich möchte, dass du meiner Mutter schreibst, hast du verstanden? Und ich möchte, dass du eindeutig erklärst, dass sie eine verrückte Schlampe ist“, sagte er, damit sie es nicht vergessen würde. Granger lief neben ihm.

 

„Wieso redest du so über sie?“, fragte sie plötzlich, beinahe verletzt. Er hielt abrupt inne, die Hand auf seine Seite gepresst. Er fixierte sie genau. Dann schüttelte er lediglich den Kopf.

 

„Du magst meine Eltern“, stellte er fast ungläubig fest. „Ich weiß nicht, warum, oder wie viel Gold sie dir versprochen haben, aber du solltest-“

 

„-deine Eltern waren nichts als nett zu mir!“, widersprach sie zornig.


„Lucius und Narzissa sind nicht nett! Sie waren verdammt noch mal Todesser, Granger! Du weißt vielleicht noch, was das ist?!“, schrie er sie an, so dass sie zusammen zuckte. „Sie hätten dich vor drei Jahren mit den Hauselfen auf einem Scheiterhaufen im Garten von Malfoy Manor verbrannt! Ohne jedes bisschen Reue!“, fuhr er heiser fort. Sie reagierte nicht auf ihn, starrte ihn mit großen Augen an, als wäre er wahnsinnig. „Sie haben dich mit mir verlobt!“, schrie er außer sich und musste wieder die Augen schließen. „Salazar, verflucht“, ergänzte er rau. „Wie blöd bist du eigentlich?“, entfuhr es ihm ernsthaft erschöpft.

 

„Hör auf, mich zu beleidigen! Ich bin sicher, sie haben es gut gemeint!“, verteidigte sie seine verrückten Eltern. Er öffnete die Augen wieder. Es war, als hätte sie ihm nicht zugehört!

 

„Wieso zeigst du Verständnis für das Verhalten komplett Verrückter?!“, entfuhr es ihm.

 

„Beweg dich endlich, ich möchte ins Bett“, erwiderte sie stattdessen und zornig starrte er sie an. Er schüttelte den Kopf und humpelte weiter. „Malfoy, ich werde es aufklären, und dann ist alles wieder in Ordnung“, ergänzte sie nicht minder erschöpft, aber er hatte gerade keine Lust, sich von ihr beschwichtigen zu lassen.

 

„Ja? So wie letztes Mal?“

 

„Tu nicht so, als ob wir so etwas ständig machen würden!“, fuhr sie ihn an.

 

„Oh tut mir leid, Granger, aber ich tue nicht nur so!“

 

Der Weg kam ihm endlos vor, und er hasste sie nur noch mehr. Das hässliche, dumme und vollkommen beschränkte Schlammblut neben sich!

 

Es kam ihm vor, als wäre die halbe Nacht vorbei, als sie endlich – endlich! – vor dem Krankenflügel ankamen. Sie schien zu tief in ihren Gedanken versunken, als zu begreifen, dass sie umdrehen und gehen konnte. Das Licht brannte im Innern, und Madame Pomfrey kam nahezu sofort zu den Türen, als er eingetreten war, das dumme Schlammblut noch immer im Schlepptau.

 

„Was ist denn hier passiert?“, wollte sie überrascht wissen, schien seinen Namen nicht zu ordnen zu können und betrachtete dann Granger. „Ich hoffe, Sie kommen nicht für einen Verhütungstrank?“, erkundigte sie sich strenger, und Draco begriff eine Sekunde lang nicht, lachte dann aber freudlos auf.

 

„Da würde ich ihn mir eher abfluchen“, murmelte er angewidert und erntete Grangers entnervten Blick.


„Was?“, fragte Madame Pomfrey lauter, aber er unterband diesen Unsinn.

 

„Ich denke, ich habe ein Paar gebrochene Rippen. Granger hat mich verflucht“, ergänzte er, und Madame Pomfreys Mund öffnete sich verurteilend.

 

 

„Das… das ist überhaupt nicht war! Ich habe-“

 

„Zeigen Sie her“, kürzte Madame Pomfrey das Gespräch ungeduldig ab und führte ihn zum nächsten Krankenbett. Draco wurde mit roher krankenschwesterlicher Gewalt hingesetzt, während Madame Pomfrey mit dem Zauberstab sein Hemd vom Körper hexte. Am liebsten wäre er zurück auf die Matratze gefallen, aber er sah gerade noch Grangers schockierten Blick.

 

„Oh!“, entfuhr es dem Schlammblut tatsächlich, während Madame Pomfrey einen weiteren Zauber sprach.

 

Die Krankenschwester sagte gar nichts mehr, aber Draco bemerkte aus den Augenwinkeln den sehr ernsten Blick. Er spürte brennende Kälte an seiner Seite und keuchte auf. Er hatte den kühlen Schweiß auf seiner Stirn längst bemerkt gehabt. Längst waren ihm die Fiebersymptome bekannt vorgekommen, aber er hatte sie nicht zuordnen können.

 

„Sie haben Ihre Verletzung eitern lassen, Mr Malfoy.“ Scheinbar kannte die Krankenschwester doch seinen Namen. Aber er hatte hier dank Potter auch schon oft genug gelegen, um eigentlich eine verdammte Suite zu bekommen. Und er hätte sie gerne informiert, dass Blaise seine Verletzung hatte eitern lassen. „Was ist hier passiert?“, fuhr Madame Pomfrey fort, als plötzlich ihr heißer Zauberstab einen Riss in seine Haut brannte.

 

„Verdammt!“, fluchte er ungeniert, ehe er zischend die Luft einsog. „Betrunkene Heilung“, erklärte er knapp, denn es kam ihm wie ein Folter-Verhör vor, bei dem er besser die Wahrheit sagte.

 

„Diese Wunde eitert seit bestimmt zwei Wochen! Sie werden ja wohl gemerkt haben, dass etwas nicht in Ordnung ist?“ Er hatte Schmerzen und jetzt bekam er auch noch Ärger dafür? Wie ungerecht war diese Welt eigentlich. „Ich muss wissen, was vorgefallen ist. Bei einem Fluch kann der Schaden auch noch-“

 

„-kein Fluch“, verneinte er sofort. Er wollte, dass Granger endlich abhaute, anstatt hier sinnlos rumzustehen, und ihn anzustarren.

 

„Dann was?“ Madame Pomfrey wirkte auch in keiner besonders guten Stimmung.

 

„Mein Vater hat mich geschlagen“, erwiderte er stöhnend.

 

„Mr Malfoy!“, ermahnte ihn Madame Pomfrey am Ende jeder Geduld, als wäre es vollkommen offensichtlich, dass er log. Dabei hatte ihn sein Vater erst vor einer Woche wegen dem verdammten Schlammblut geschlagen! Aber ihm glaubte ja niemand mehr!

 

„Merlin, verflucht, ich bin gestürzt“, räumte er endlich ein, als sie erneut den heißen Zauberstab in seinen Körper presste. „Sie könnten professionell als Henker- und Foltermeister für meinen Vater arbeiten, wissen Sie?“, ergänzte er keuchend, während sie einen weiteren Zauber vollführte, der ihm fast die Luft zum Atmen raubte.

 

„Solange Sie noch Scherze machen können, ist es noch nicht zu ernst“, erwiderte sie lediglich. Draco hatte keinen Scherz gemacht. Er meinte es bluternst. „Was meinen Sie damit, Sie sind gestürzt? Von einem Besen?“

 

Da der Fallschirmzauber – den er nicht hatte vollführen können – illegal war, war diese Ausrede zwar ungleich peinlicher, aber glaubhafter.

 

„Ja“, knurrte er widerwillig.

 

„Keine weitere Einwirkung?“, fragte sie, während sie endlich mit ihrer mörderischen Tortur fertig wurde und ihm einen Verband umhexte. Was dachte sie? Dass er stürzte und sich danach zum Spaß noch duelliert hatte?!

 

„N..nein“, erwiderte er endlich erschöpft, und der Schweiß stand ihm auf der Stirn.

 

„Ich habe die Wunde wieder geöffnet, gesäubert und einen Beruhigungszauber direkt in ihre Blutbahn geführt. Er wird sofort Wirkung zeigen, und soweit Miss Granger Sie nicht zu ihrem Schlafsaal tragen möchte, schlage ich vor, Sie bleiben hier.“ Es war nicht wirklich ein Vorschlag, der verhandelbar war, stellte er fest. Außerdem überkam ihn die Müdigkeit nahezu augenblicklich. Seine Seite brannte wie Dämonsfeuer, und er musste sich mit beiden Händen auf der Matratze abstützen, um nicht gleich ohnmächtig zu werden.

 

Madame Pomfrey hatte sich mit sehr schnellen Schritten vom Bett entfernt.

 

„Du solltest dich hinlegen“, hörte er Grangers Stimme, und unwillige Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit.

 

„Du solltest endlich… abhauen“, brachte er erschöpft über die Lippen und sah sie zweimal, als er den Blick träge hob.

 

„Das… ist auf deinem Geburtstag passiert?“, vermutete sie schließlich, und er sah sie an, zu müde, um zu antworten.

 

„Hm. Fick dich, Granger“, schaffte er noch zu sagen, ehe sie ihn tatsächlich mit sanfter Gewalt nach hinten auf die Matratze presste. Ihm kam der Gedanke, dass er wirklich beschissen aussehen musste, wenn sie tatsächlich solche Längen ging. „Fass mich… nicht… an…“, murmelte er halbherzig, und sie stöhnte auf.

 

„Du bist ein Arschloch“, informierte sie ihn ruhiger. „Du solltest-“

 

Aber sie unterbrach sich. Ein Schatten fiel über ihn.

 

„Spricht man so mit seinem Verlobten, Granger?“, glitt es ihm schlaftrunken über die Lippen, aber er hoffte, noch bösartig zu klingen, und er verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln, wie er zumindest dachte.

 

„Was ist passiert?“

 

Der Schatten war Snape. Draco lächelte schief zu ihm empor. „Sie… sind leise wie eine Fledermaus!“, lallte er jetzt. Oder hatte er es nur denken wollen? Er wusste es nicht mehr genau.

 

„Er ist vollkommen hinüber!“, versicherte Grangers Stimme etwas hysterischer.

 

„Weißt du was?“, mischte er sich lauter ein, aber Granger schlug ihm gegen den Oberarm. „Au!“, beschwerte er sich. „Ich denke, dass du ein Schlammblut bist… ist ihr vollkommen egal! Unfassbar!“, murmelte er sauer, während sie ihr Gesicht in der Hand verbarg und stöhnte. „Wenn du nur mit Lucius geschlafen hättest, dann-“

 

„-Malfoy, bei Merlin, halt deinen Mund!“, knurrte sie außer sich und schlug ihn erneut gegen den Oberarm.

 

„Mr Malfoy, Sie sollten schlafen. Jetzt“, sagte Snape knapp.

 

„Nacht, Snape“, lallte er grinsend, als hätte Snape plötzlich einen mächtigen Zauber gesprochen, der ihn nahezu sofort das Bewusstsein verlieren ließ. „Nacht, Mrs Malfoy“, ergänzte er und musste fast lachen, schlief aber bereits ein.

 

~*~

 

Sie hatte die Hände vor ihrem Gesicht aneinander gelehnt und bedeckte Mund und Nase, während sie auf den bewusstlosen Malfoy starrte, der auf der Matratze lag. Sein Gesicht hatte den harten Ausdruck verloren, den er immer vor sich her trug, wie einen Schutzschild.

 

Sie konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Was er gerade gesagt hatte! Was er von sich gegeben hatte, während Snape daneben stand! Snape! Der immer noch neben ihr stand. Langsam hob sich ihr Blick, aber sie ließ die Hände nicht sinken. Sie wusste nicht mehr, wie.

 

Madame Pomfrey kam zurück.

 

„Er sagte, er wäre gestürzt“, begann die rundliche Krankenschwester zu wispern. „Es wurde eine Heilung durchgeführt, aber nur halbherzig. Er läuft seit zwei Wochen mit gebrochenem Rippenkäfig durch die Gegend“, beschwerte sie sich  leise. „Die Magenwand scheint punktiert, daher die Blaufärbung der Haut“, erläuterte sie, während Hermine plötzlich schlecht wurde. Immer noch hielt sie die Hände vor ihr Gesicht.

 

„Muss er ins Mungo?“, wollte Snape direkt wissen.

 

„Werden wir morgen sehen“, erwiderte Madame Pomfrey mit einem ernsten Blick auf ihn. „Die Blutvergiftung sollte abklingen, bezüglich der Magendecke habe ich einen Stich- Und Stillzauber angewandt. Das Resultat sollte ebenfalls morgen erkennbar sein.“ Snape nickte nachdenklich. Die Worte gingen an Hermine in stillem Entsetzen vorüber.

 

„Wo ist das passiert?“, wollte er schließlich wissen.

 

„Auf seinem Geburtstag“, flüsterte Hermine, ohne gefragt worden zu sein. Snape fixierte jetzt sie.

 

„Waren Sie dabei?“

 

„Ich?“ Ihre Hände sanken perplex. „Nein. Ich… nein!“, widersprach sie kopfschüttelnd. „Aber ich hatte es schon letzte Woche bemerkt, als er mich-“ Sie unterbrach sich hastig. Sie hatte ohnehin genug gesagt. Malfoy hatte ohnehin genug gesagt!

 

„Ich nehme an, seine Eltern wissen nichts davon?“ Snape rieb sich nachdenklich das Kinn. Die dunklen Augen ruhten immer noch auf Malfoy.

 

„Nein. Seine Eltern waren in-“ Sie unterbrach sich wieder ertappt und biss sich auf die Lippe.

 

„-in Urlaub?“, schloss Snape mit gerunzelter Stirn, und sie hob den Blick mit heißen Schuldgefühlen. „Lassen wir es für heute Abend gut sein“, schloss er schließlich, aber sein Blick sagte er, dass sie seine Neugierde geweckt hatte. Sie schloss verzweifelt die Augen.

„Poppy, mein Patensohn wird sich gesund schlafen. Ihre Heilungen haben bisher immer ausgereicht und uns vor unzähligen Mungo-Aufenthalten bewahrt“, wandte er sich an Madame Pomfrey. Diese nickte nur.

 

„Miss Granger, sollten Sie sonst noch irgendetwas zu dieser Sache beitragen können, suchen Sie mich auf.“ Sie nickte, obwohl sie nicht zugehört hatte. Malfoy war Snapes Patensohn? Was zur Hölle? Und, oh großer Gott! „Sie finden den Weg?“, ergänzte Snape einen Hauch ungeduldiger, und Hermines Mund öffnete sich perplex. Dann nickte sie hastig.

 

Ihr Blick fiel noch einmal auf Malfoy, dem Madame Pomfrey zwischenzeitlich einen Schlafanzug des Krankenflügels angehext hatte. Hermine kannte diese, denn Harry hatte sie monatlich tragen müssen, so oft hatte er hier schon liegen müssen. Er hatte Scherze darüber gemacht, sich solche Schlafanzüge auch privat zuzulegen. Wirre Gedanken schlichen sich in ihren übermüdeten Verstand.

 

Malfoys Wunde hatte gefährlich ausgesehen. Dunkelrot, geschwollen und vereitert. Riesig hatte sie sich über seine linke Seite gezogen, mit einer blauen giftigen Ader, die bereits in die Höhe gewandert war. Wie hatte er zwei Wochen so leben können? Es mussten schlimme Schmerzen gewesen sein! Wieso hatte er nichts dagegen getan? Wieso hatten seine Eltern so etwas nicht bemerkt?

Wut kochte plötzlich in ihr hoch.

 

Sein Atem ging schwer, während Madame Pomfrey die Decke über ihn breitete.

 

Hermine gab sich einen dringend notwendigen Ruck und setzte sich in Bewegung. Gerne wollte sie Snape noch versichern, dass sie natürlich nicht mit ihm verlobt war, aber Hermine war sich sicher, jedes weitere unüberlegte Wort aus ihrem Mund, würde diese ganze Sache noch viel schlimmer machen!

 

Sie spürte Snapes Blick im Nacken, aber sie sagte nichts mehr, wandte sich nicht mehr und rannte praktisch zurück in ihren Gemeinschaftsraum. Es war ihr erster Abend in Hogwarts. Und es war ein furchtbarer Abend gewesen!

 

Sie schlich durch den Gemeinschaftsraum. Es war weit nach zwölf, als sie auf leisen Sohlen endlich in ihren Schlafsaal schlich und sich lautlos in ihr Bett legte.

Allerdings lag sie noch lange wach und starrte an die Decke. Starrte und dachte nach. Sie hatte Angst. Und sie war wütend. Und sie wusste nicht, was sie tun sollte.

Sie erinnerte sich plötzlich, wie sie in seinem Bett aufgewacht war. Sie hatte es fast wieder vergessen.

 

Sie hoffte, Snape bekam keine Einladung. Sie überlegte es dumpf, aber fast augenblicklich saß sie gerade im Bett. Sie hatte die Einladung in ihre Rocktasche gestopft, nachdem Snape und Flitwick um die Ecke gebogen waren. Sie griff leise rüber zu ihrem Ankleidestuhl. Merlin sei Dank! Die Einladung war noch da. Verknickt und etwas mitgenommen, aber immerhin war sie noch da! Sie versteckte sie sicher unter ihrem Kopfkissen.

Denn das hier sollte wirklich niemand – absolut niemand! – sehen. Niemals!

 

 

Kapitel 11

 

Sanft wurde sie an der Schulter gezogen. Sie wollte nicht zur Arbeit. Es war doch ohnehin nur ein Ministeriumspraktikum. Sie machte ein unverständliches Geräusch.


„Hermine“, vernahm sie Ginnys ruhige Stimme. „Wenn du jetzt nicht aufstehst, kannst du das Frühstück vergessen“, ermahnte Ginny sie.

 

„Frühstück?“, murmelte Hermine schlaftrunken, und ihr Kopf tauchte aus dem Kissen auf. Sie blinzelte. Das war nicht ihr Zimmer….-

 

Sie blinzelte noch einmal, und endlich kam die erlösende Erinnerung. Hogwarts! Sie war… in Hogwarts. Ihr letztes Jahr hatte begonnen. Sie hatte erst um halb zwei Schlaf gefunden. Sie war gestern Nacht mit Malfoy unterwegs gewesen, hatte ihn in den Krankenflügel geschafft, und… sie war zurzeit mit ihm verlobt.

 

Blank starrte sie vor sich gegen die Wand, bis Ginny mit der Hand vor ihren Augen wedelte.

 

„Hermine? Erde an Hermine?“ Wieder zuckte Hermine zusammen. Oh Gott, was für ein furchtbarer Start. „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber du siehst wirklich richtig müde aus“, fuhr Ginny grinsend fort. Hermine schwang sich aus dem Bett.

 

„Danke, Ginny“, erklärte sie, so würdevoll es mit einem Waschbär auf dem Kopf eben ging – denn so sahen ihre Haare gerade aus, stellte sie mit entsetztem Blick in den Spiegel fest.

 

Hastig lief sie ins Bad. Der Spiegel dort war noch beschlagen, und scheinbar hatten alle Mädchen schon geduscht. Sie war wirklich spät dran! Sie erledigte schnell eine Katzenwäsche inklusive Zähneputzen, während sie anschließend den Zauberstab an ihre Haare anlegte.

Zwar waren Zauberstab-Frisuren nicht von Dauer, aber bis mittags sollte der Mopp auf ihrem Kopf dann nicht zurückkehren. Sie hasste ihre Haare! So viel stand fest.

Sie lief aus dem Bad wieder zurück zu ihrem Schrankkoffer und zerrte sich eine frische Bluse hervor, glättete sie ebenfalls mit dem Zauberstab und stieg hastig in den Rest ihrer Sachen. Niemand war mehr im Schlafsaal also konnte sie sich relativ ungestört umziehen.

Die Tasche schwang sie über die Schulter.

 

Als sie in Windeseile die Schnürschuhe gebunden hatte, hastete sie zur Tür, nur um sich im Türrahmen selber aufzuhalten. Die Karte! Auf gar keinen Fall die Einladung vergessen! Wer wusste schon, welchem Elf sie beim Putzen in die Hände fallen würde – und dann hätte sie noch mehr zu erklären. Sie stopfte sie in ihre Schultasche und verließ den Schlafsaal.

 

Unten herrschte helles Chaos. Alles ging ziemlich schnell. Ron hatte immerhin noch seinen Schlafanzug an, während er sich bereits heiser geschrien hatte.

 

„Nein! Einer nach dem anderen, Merlin noch mal!“, rief er zornig aus, während drei Erstklässler eine Wasserschlacht in ihrem Badezimmer angefangen hatten. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie Percy es geschafft hat!“, wandte er sich an sie, als sie ihm ein mitleidiges Lächeln zuwarf. „Hältst du einen Platz für mich frei?“, ergänzte er, als sie mit Harry und Ginny losging. Sie nickte ihm zu.

 

„Du schaffst das! Ich glaube fest an dich, Ronald!“, rief sie gähnend und war tatsächlich zum ersten Mal froh, sich nicht mit Schulsprecheraufgaben rumärgern zu müssen.

 

Draußen auf dem Korridor hörte sie Ron noch einmal zornig brüllen, ehe endlich Ruhe im Badezimmer der Erstklässler einkehrte. Hermine liebäugelte bereits mit der Idee, heute Abend ein schönes heißes Bad im Badezimmer der Vertrauensschüler zu nehmen. Und vielleicht hatte sie sogar Glück und keiner wäre im Plan eingetragen, denn es war ja noch Sommer. Und die meisten schwammen dann im See. Aber sie hatte nicht viel übrig für den schmutzigen See.

 

In der Halle war das Geplauder so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Die Erstklässler übertönten alle anderen Gespräche. Sie waren so aufgeregt, heute zum ersten Mal ihre Zauberstäbe benutzen zu dürfen, dass sie von nichts anderem mehr sprachen. Am Gryffindortisch gab Harry ein paar Tricks zum Besten, und ließ sogar seinen Hirsch durch die Halle galoppieren, bis Dumbledore sich mahnend über das Chaos erhob und sich eindeutig räusperte.

 

Dann trat ein wenig mehr Ruhe ein. Allerdings nur bis Hermine die Hälfte ihres Tees getrunken hatte, und die Post eintraf. Sie gähnte noch einmal herzhaft und erntete Ginnys amüsierten Blick.

 

„Bist du nicht auch um elf ins Bett gegangen, Hermine?“, fragte sie jetzt kopfschüttelnd. „Dass du schon so alt bist und so viel Schlaf brauchst – macht dir das keine Sorgen?“ Hermine schenkte Ginny ein säuerliches Lächeln.

 

„Warte ab, bis du in mein Alter kommst“, erwiderte Hermine nur. Sie spähte nach oben. Die Eulen kreisten kreischend über ihren Köpfen, und sie steckte sich demonstrativ die Finger in die Ohren. War es immer so laut und wild in Hogwarts gewesen, fragte sie sich unwillkürlich und vermisste fast das höfliche, ruhige Ministerium.

 

Sie entdeckte sehr lange Pakete von einigen übereifrigen Eltern, die sich wohl nicht nehmen ließen, ihren Kindern Geschenke zu schicken. Dann wiederum bekamen einige Zweitklässler bereits Rennbesen geschenkt, nach denen sich Harry und Ginny die Köpfe verrenkten.

 

Mit einer weiteren Masse an Gryffindorerstklässler kam Ron in die Halle geschlurft, mittlerweile in seiner Uniform. Allerdings immer noch ungekämmt. Er sah ziemlich wild aus, und Hermine musste tatsächlich lächeln. Es gefiel ihr, wie sich Ron um die Kleinen kümmerte. Einige Mädchen himmelten ihn bereits an, und zwei hatte er an der Hand. Sie zogen ihn praktisch mit sich, und Hermine versteckte ihr Lächeln hinter ihrer Hand.

 

„Oh Merlin, was für ein Biest!“, rief Seamus begeistert aus, als ein Greifvogel direkt den Grydffindortisch ansteuerte. Hermine hob den Blick und schluckte hastig den Tee runter, den sie gerade noch im Mund hatte. Dann sprang sie praktisch von der Bank zurück, als der Greifvogel das riesige Paket direkt vor sie fallen ließ. Tee und Kaffee schwappten aus den übrigen Bechern, tränkte einige Schüler, die sich lautstark beschwerten, und Hermine betrachtete mit großen Augen das riesige rechteckige Paket, was ihre halbe Körpergröße maß – wenn nicht mehr!

 

Der Greifvogel legte sich in der Luft mit einem Falken an, aber der Kampf war schnell entschieden, als McGonagall einen zornigen Funkenstoß in die Luft schickte, um die Vögel zu trennen. Der gesamte Gryffindortisch starrte nun neugierig auf das Paket.

 

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Mum dir einen Rennbesen geschickt hat“, mutmaßte Ron, der sich relativ gelassen den übergossenen Tee mit einer Serviette vom Hemd zu tupfen versuchte.

 

„Oh entschuldige, Ron!“, rief Hermine sofort bei seinem Anblick, aber er winkte lediglich ab.

 

„Heute ist mir alles egal“, sagte er nur. „Also? Was ist es?“, wollte er wissen, aber Hermine zückte mit spitzen Fingern erst einmal die Karte unter dem Paketband hervor.

 

Ihr Name stand dort in schöner geschwungener Schrift.

 

„Von wem ist es?“, wollte Ginny nun auch wissen. Sie zog die schmale Karte aus dem Couvert. Nur zwei Worte standen im Innern:

 

Zur Anprobe.

 

Und sie schluckte.

 

Großer Gott, bitte nicht! Ihr Herz schlug schnell. Viel zu schnell für sieben Uhr morgens. Ihr Blick fiel nahezu automatisch auf den Slytherintisch, aber er war nicht dort. Nein! Dieser Albtraum konnte nicht einfach weiter gehen!

 

Dafür, dass sie kaum geschlafen hatte, schaltete sie ihrer Meinung nach ziemlich schnell.

 

„Ich werde das hochbringen“, erklärte sie nur, während sie sich ihre Schultasche wieder über die Schulter schwang.

 

„Weißt du, was es ist?“, wiederholte Ginny.

 

„Ja, ich… meine Mum sollte mir ein Kleid schicken. Für… den Weihnachtsball“, erklärte Hermine eilig.

 

„Der ist in vier Monaten“, erwiderte Ginny gedehnt.


„Ja, ich… dachte… man kann nicht früh genug eins haben, richtig?“, wich sie Ginnys Worten aus. „Ich bringe es hoch“, schloss sie hastig.

 

„Brauchst du Hilfe?“, wollte Ginny langsam wissen, aber Hermine schüttelte hastig den Kopf, wuchtete das Paket quer vor ihre Brust und ging rückwärst aus der Halle, während sie noch ihre Schultasche auf der Schulter balancieren musste.

 

„Nein! Nein, absolut nicht! Alles unter Kontrolle. Ich sehe euch bei McGonagall!“, rief sie Harry und Ron noch zu, ehe sie ächzend aus der Halle verschwand.

 

Sie rannte fast die Treppen hoch. Aber nicht zum Gemeinschaftsraum. Denn wenn es das war, was sie dachte, was es war, dann wollte sie auf keinen Falle, dass es irgendeine der Mädchen zufällig fand, wenn sie es unter ihr Bett verfrachtete – oder in Ginnys Fall: dass sie es mit Absicht fand!

 

Der Raum der Wünsche lag, wo sie ihn immer noch vermutete. Im siebten Stock, gegenüber dem Portrait von Barnabas, dem Bekloppten. Sie war vollkommen fertig, nachdem sie dreimal nach links und dreimal nach rechts gegangen war. Gut, dass niemand auf den Gängen war, aber hier oben um diese Zeit konnte sie wohl damit rechnen alleine zu sein.

 

Der Raum schmolz aus der Wand hervor und öffnete sich.

 

Es war ein leeres Zimmer. Der alte Raum der Wünsche war im Dämonsfeuer verbrannt, mit all seinen Geheimnissen. Jetzt hatte sie einen ganz privaten Raum zur Verfügung.

 

Sie legte das Paket in die Mitte und riss das Packpapier vom Karton. Es war ein weißer Karton, und sie öffnete den Deckel fast vorsichtig, als könne er bei raschen Bewegungen womöglich auch noch explodieren.

 

Aber nichts geschah. Sie legte den Deckel neben sich auf den Boden und schlug mit spitzen Fingern das Seidenpapier zurück.

 

Ihr Mund öffnete sich verzweifelt.

 

Ach du großer Hippogreif!

 

Im Innern des Kartons lag, was ihre Albträume befürchtet hatten: Ein weißes Hochzeitskleid. Mit Schleier. Sie holte es nicht aus dem Karton. Was dachte sich Narzissa eigentlich? Zornig stopfte sie die Karte zwischen die Schichten an Seide des Kleides, zusammen mit der Einladung in ihrem Rock. Sie bräuchte demnächst ein besseres Versteck, aber für den Moment sollte es ausreichen. Sie klappte den Deckel wieder auf den Karton, ließ ihn einfach in der Mitte des Raumes, denn, egal, wo sie ihn verstecken würde, als einziges Objekt im Raum, wäre er immer noch wunderbar zu finden. Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Vielleicht könnte sie alles im See versenken?

 

Sie verließ den Raum eilig und machte sich daran die Treppen wieder runter zu laufen. Es war viertel nach sieben, und sie hatte noch etwas Zeit. Die Adresse der Malfoys hatte sie im Kopf. Sie würde noch vor der ersten Stunde einen Brief an Narzissa schreiben, nach dem sie unmöglich noch weiter annehmen würde, Hermine wäre bereit, ihren Sohn zu heiraten!

 

Die Flure lagen nahezu leer vor ihr. Vereinzelt traf sie auf Ravencalws, die noch ihre Schultaschen holen mussten. Sie wurde begrüßt, in zwei kurze Gespräche verwickelt, aber dann lag ihr Weg frei. Immerhin wollte Schülerinnen sie begrüßen, erkannten sie und hielten sie für toll. Das war immerhin etwas, überlegte sie gehetzt, als sie draußen über die Wiesen zur Eulerei marschierte. Dort war sie auch nicht allein, als sie keuchend die Steinstufen erklommen hatte. Einige Erstklässler verschickten bereits Eulen, einige Mädchen hatten Tränen auf den Wangen.

 

Hermine wollte sich erkundigen, ob alles in Ordnung war, aber eilig packten die Mädchen ihre Taschen und verschwanden ängstlich. Sie nahm an, es handelte sich um eine schwere Form von Heimweh.

 

Die Eulen bewegten sich über ihrem Kopf auf den Stangen, und sie wich dem Eulenmist auf dem Boden geschickt aus. Jahrelanges Training…. Sie setzte sich auf eine Steinbank und zog Pergament und Feder hervor.

 

Liebe Mrs Malfoy, begann sie den Brief, obwohl sie eigentlich sehr gerne anders begonnen hätte. Aber sie war sich nicht sicher, wie sie beginnen sollte. Zumindest würde sie nicht mehr den Vornamen der Hexe benutzen, so viel stand fest! Sie atmete aus, versuchte, nachzudenken und sich zu beruhigen. Wie absurd es überhaupt war, Narzissa Malfoy zu schreiben, ignorierte sie komplett.

 

Ich habe versucht, mit Ihnen zu sprechen. Ich habe versucht, nach Malfoy Manor zu gelangen, aber man sagte mir, Sie und Ihr Mann seien in Urlaub gefahren.

 

Wie wütend sie alleine dieser Gedanke schon machte! Die Malfoys fuhren in Urlaub und ließen sie mit ihrer Angst und ihren Sorgen allein! Und sie kümmerten sich nicht mal um ihren eigenen Sohn! Und plötzlich schrieb sie weiter, zornige Worte, die sie gestern zurückgehalten hatte.

 

Ihr Sohn hat sich auf seiner Geburtstagsfeier verletzt und musste gestern in den Krankenflügel gebracht werden. Er hat mehrere Knochenbrüche gehabt, die anscheinend unbemerkt geblieben sind. Ich dachte mir, ich setze Sie davon in Kenntnis, da ich mir nicht vorstellen kann, dass er es tun wird.

Vielleicht sollten Sie und Ihr Mann sich ein wenig mehr um das Wohlergehen Ihres Sohnes sorgen, als darum, Urlaubsreisen zu organisieren. Er hätte niemals etwas von sich aus gesagt, wäre er gestern nicht auf den Gängen beinahe ohnmächtig geworden! Auch eine Nacht später ist er nicht in der Halle erschienen. Natürlich bin ich überzeugt, der Schulleiter wird Sie in Kenntnis setzen. Und vielleicht glauben Sie, er wäre selber schuld. Wahrscheinlich ist er das auch, aber das rechtfertigt ganz bestimmt nicht, die Vernachlässigung, die er anscheinend zu tragen hat.

Er ist immer noch Ihr Kind!

 

Hermine Granger

 

Ihre Hand zitterte noch, nachdem sie die Feder abgesetzt hatte. Sie wünschte ihrem schlimmsten Feind nicht eine solche Verletzung. Und erst recht nicht, dass jemand mit so etwas leben musste. Unbemerkt, in seinem eigenen Zuhause.

Aber sie wusste, seine Eltern kümmerten sich nicht. Und sie hatte gestern für einen Moment sogar angenommen gehabt, dass Lucius ihn geschlagen hatte, denn sie hatte ja schon gesehen, wie Lucius ihn geschlagen hatte.

 

Sie konnte nicht behaupten, dass Malfoy eine einfache Kindheit gehabt haben musste, aber sie wollte auch nicht laut zugeben, dass sie vielleicht ein wenig der Wut verstand, die er fühlte. Sie wollte überhaupt nicht mit ihm sympathisieren, denn sie konnte ihn nicht leiden. Sie interessierte es auch nicht, ob er die Nacht über gesund geworden war oder ob er nun ins Mungo gebracht werden musste.

 

Nicht einmal das interessierte sie wirklich. Aber sie war Hermine Granger und fand, dass es aber wenigstens so wichtig war, dass es seine Eltern zu interessieren hatte. Ihr Herz klopfte schnell bei diesen Gedanken.

 

Es ging sie zwar nichts an, aber wer sollte Narzissa sonst so etwas schreiben? Und sie glaubte noch immer nicht, dass Narzissa ein böser Mensch war. Aber sie begriff auch langsam, was Malfoy meinte, wenn er sagte, sie hatte keine Ahnung und kannte seine Eltern nicht. Er hatte recht. Sie wusste nicht viel über diese Familie.

Sie faltete den Brief sicher zusammen, fixierte ihn mit dem Zauberstab und schrieb die Adresse vorne auf das Pergament.

 

Sie hob den Blick zur Stange, und eine muntere Eule schwang sich zu ihr hinab. Sie wirkte eifrig, wie manche Eulen noch waren, die nicht endlos viele Briefe zu tragen hatten. Hermine beäugte sie misstrauisch, denn sie fühlte sich an Pig erinnert, der aber diesen Sommer bei Mrs Weasley geblieben war. Er hatte einen kleinen Beinbruch gehabt, weil er sich mit einem Päckchen Besenlack übernommen hatte. Ron hatte seinen Unmut zu Beginn der Ferien bezüglich seiner kreuzdämlichen Eule, wie er Pig nannte, zur Genüge kundgetan.

 

Aber die Eule schien ihr regelrecht auffordernd zuzunicken, also gab Hermine nach.

 

„Bring den zu den Malfoys, ok?“, raunte sie der Eule zu, denn sie hatte immer noch nicht ganz begriffen, woher die Eulen wussten, wohin ein Brief musste, wenn sie doch gar nicht lesen konnten. Oder überhaupt verstehen konnten. Sie wusste, auf den Hogwartseulen lag ein bestimmter Zauber, so dass alle Briefe dort ankamen, wo sie ankommen sollten. Bei den Ministeriumseulen – und allen magisch registrierten Eulen – war dies genauso.

 

Die Eule schuhute als hätte sie verstanden und schwang sich übermütig in die Luft. Hermine blickte der Eule besorgt hinterher. Und dann wurde es schon Zeit, stellte sie mit einem panischen Blick auf die Turmuhr fest.

 

~*~

 

Die Klassentür war zu, als sie außer Atem angekommen war. McGonagall würde ihr bestimmt Punkte abziehen, nahm sie bitter an. Aber sie hatte gestern schon Punkte abgezogen bekommen. Erschöpft klopfte sie und trat dann ein.

 

„Miss Granger, Sie sind zu spät“, bemerkte Professor McGonagall, den Blick bereits ins Klassenbuch vertieft, während sie ein Strich mit ihrer Feder hinter Hermines Namen setzte. Wahrscheinlich der erste Strich auf weiter Flur, nahm sie enttäuscht an.

 

„Entschuldigen Sie, Professor“, sagte Hermine hastig und suchte nach einem freien Platz. Harry saß neben Ron, Parvati neben Lavender und mit Schrecken stellte sie erst jetzt fest, dass sie Verwandlung mit den Slytherins hatten.

 

„Hermine“, zischte Pansy aus der ersten Reihe, und es war einfach nur wirklich Pech, was sie hatte. Kurz überlegte sie, aber es gab wirklich nicht viel zu überlegen. Blaise saß neben Goyle und lächelte ihr ebenfalls zu, und der andere freie Platz war neben einem Jungen, den sie nicht kannte und der auch nicht besonders freundlich zu ihr aufblickte. Sie ignorierte Harrys und Rons bestürzte Blicke und schob sich zu Pansy in die erste Reihe.

 

„Danke“, flüsterte Hermine, während McGonagall sich wieder umgewandt hatte, um weitere Formeln an die Tafel zu schreiben. Blaise lehnte sich von hinten vor.

 

„Hey, ich war heute Morgen im Krankenflügel“, flüsterte er von hinten, und Hermine erschrak. „Pomfrey sagt, du hast ihn dorthin gebracht?“, fuhr er fort, und Hermine nickte unbewegt, um dieses Gespräch auf jeden Fall abzukürzen.

 

„Ist er wach?“, fragte Pansy jetzt besorgt. „Ich hatte noch gar keine Zeit, mich darum zu kümmern, bei den verdammten Erstklässlern“, zischte sie, und Hermine erkannte auch in Pansys hübschem Gesicht eine ungewohnte Müdigkeit.

 

„Nein, er ist noch bewusstlos. So ein Mist, ich hatte geglaubt, ich hätte die Heilung gut durchgeführt“, fuhr er betreten fort.

 

„Wenn die erste Reihe jetzt auch mitschreiben würde?“, zerschnitt McGonagalls Stimme das Gespräch, und Hermine schluckte ertappt. Sie wollte auf keinen Fall noch mehr Punkte verlieren.

 

„Wieso habt ihr euch getroffen?“, fuhr Blaise unbeeindruckt, wenn auch leiser fort. Hermine schüttelte knapp den Kopf.

 

„Unwichtig“, flüsterte sie unfreundlich. Ihr Blick glitt zu Harry und Ron, die von der anderen Seite des Raumes versuchten, zu verstehen, was Blaise und Pansy sagten. Beide wirkten vollkommen ungläubig. Hermine konnte es gut verstehen.

 

„Miss Parkinson, seien Sie so gut und nennen Sie mir die exakte Bewegung, die bei diesem Spruch anzuwenden ist“, befahl McGonagall, ohne sich umzudrehen.


„Äh… ja, sicher…“, sagte Pansy überfordert, während sie die Formel an der Tafel studierte. Hermine beobachtete sie. Pansy Lippen bewegten sich schnell, als sie die Worte stumm nachlas. Ja, vielleicht war sie nicht vollkommen unfähig. „Das… ist die Formel des…“ Pansy stutzte plötzlich. „Das ist die Formel des Imperius-Fluchs“, schloss sie verdutzt.

 

Auch Hermine hob den Blick zur Tafel. Das gehörte wohl kaum hierhin, oder?

 

McGonagall wandte sich um. „Da Professor Snape heute Außerschulisches zu erledigen hat, werde ich in dieser Stunde ein wenig Wiederholung zu Verteidigung gegen die Dunklen Künste machen.“ Die Schüler sahen sie an.

 

„Professor Snape unterrichtet Zaubertränke“, stellte Harry nun unaufgefordert und äußerst besorgt fest.

 

„Nicht dieses Semester, Mr Potter“, korrigierte ihn McGonagall mit mahnender Stimme. Aber McGonagall hatte nun die gesamte Aufmerksamkeit der Schüler inne. Hermine konnte sich daran kaum stören, denn sie überlegte, ob Snapes Abwesenheit, irgendetwas mit den Dingen zu tun hatte, die Malfoy gestern von sich gegeben hatte. Sie war fast schon überzeugt davon. Ihr wurde übergangslos schlecht.

 

„Und… und wer unterrichtet dann Zaubertränke?“, wollte Harry unerfreut wissen, und Dean nickte hinter ihm heftig mit genauso fragendem Blick. Hermine wusste, das Verhältnis zwischen Harry und Snape war nicht gerade das einfachste. Seit dem Krieg war es besser geworden, natürlich. Aber die Tatsache, dass Snape in Harrys Mutter verliebt gewesen ist – und es immer noch war – machte es alles nicht besser. Es machte auch nicht besser, dass Harry Snape sein Leben zu verdanken hatte, und dass Dumbledore mit Harry übereingekommen war, dass dieser nach Hogwarts auch bei Snape leben konnte, wenn es den Weasleys im Fuchsbau mit Harry zu voll werden sollte, was es aber Mollys Ansicht nach niemals werden würde.

 

Sie wusste nicht, was Harry davon hielt. Sie hatten alle bisher vermieden weiter über diese Konsequenzen nachzudenken. Aber Hermine kam nicht umhin, anzunehmen, dass Snape Harry doch lieber hatte, als es äußerlich den Anschein machte, aber darüber sprachen sie alle nicht. Nie.

 

„Der Schulsprecher dürfte sich besonders über unsere Auswahl freuen“, bemerkte McGonagall mit einem bezeichnend schmalen Lächeln, während ihr Blick über Rons strubbeligen Schopf wanderte. Hermine registrierte erst jetzt, dass er sein Abzeichen falsch herum trug. Das S war spiegelverkehrt, und das Wappen der Schule zeigte nach unten. McGonagall runzelte missbilligend die Stirn, aber Rons Mund öffnete sich in stummem Horror.

 

„Oh nein!“, entfuhr es ihm, völlig vergessend, dass er McGonagalls Unterricht war. „Das hat Mum gemeint!“, stöhnte er ungehalten. „Ich dachte, sie macht irgendwelche Witze!“ Ron klang jetzt nur noch gequält.

 

„Na, na, Mr Weasley. Beherrschen Sie sich bitte“, ermahnte ihn McGonagall wieder streng.

 

„Er ist überhaupt kein Lehrer, Professor! Er darf das überhaupt nicht!“, beschwerte sich Ron verzweifelt.

 

„Wir stellen nicht immer nur ausgebildete Lehrer ein, Mr Weasley. Wir stellen ein, wer kompetent genug ist, diese Stellung zu übernehmen.“ Hermine hörte Ron nur irgendetwas murmeln, von wegen, er sei nicht mal kompetent genug den Schnatz zu finden, wenn er vor ihm auf dem Boden liegen würde.

 

Hermine runzelte die Stirn. Ron flüsterte Harry etwas ins Ohr, und Harrys Kopf sank resignierend auf die Tischplatte.

 

„Miss Parkinson, bitte!“, wiederholte McGonagall, und mit wiederholenden Blicken auf Ron, begann Pansy die Bewegungen für den Fluch zu erläutern.

 

~*~

 

Als er aufwachte dämmerte es draußen. Die Sonne warf noch ihre letzten langen orangenen Strahlen auf seine Bettdecke. Mit dem ersten Atemzug spürte er bereits wieder den sehr straffen Verband um seinen Körper.

 

Richtig. Er lag ja im Krankenflügel. Er bewegte sich ächzend, spürte aber, dass das wohl nicht unbedingt die beste Idee zu sein schien. Stöhnend sank sein Kopf zurück nach hinten und sein Blick fiel beiläufig nach rechts, um sich umzusehen.

 

Er zuckte so erschrocken zusammen, dass er vor Schmerz das Gesicht verzog. Vielleicht war er doch nicht wach und in einem Albtraum gefangen.

 

„Au, verdammt“, entfuhr es ihm heiser, und er rieb sich die Augen. Aber nein. Das Bild änderte sich nicht. Der Tagesprophet in den Händen seines Vaters war gesunken, ehe dieser in zusammenrollte und zurück in seinen Koffer steckte. Dracos Mund öffnete sich ungläubig.

 

Er trug die Haare zusammengebunden. Der lange Zopf fiel ihm über die linke Schulter, und über seine lange, gerade Nase betrachtete er ihn aus grauen Augen. Sein Kiefer wirkte angespannt, und er kam wohl direkt aus dem Ministerium, denn er trug einen dunklen Anzug, ein dunkles Hemd und hatte seinen Reiseumhang über das Ende des Bettes gelegt.

 

Draco erkannte feine Bartstoppeln.

 

„Schönen Urlaub gehabt?“, rang sich Draco die ersten zornigen Worte ab, nachdem er sich an den fremden Anblick gewöhnt hatte. Auf seinem Nachttisch stand ein Glas Wasser, wonach er fast gierig griff und seine Kehle hinab stürzte.

 

„Wie geht es dir?“, fragte sein Vater förmlich, faltete die Hände in seinem Schoß und beobachtete ihn eingehend.

 

„Interessiert dich das?“, entgegnete Draco prompt, nachdem er das Glas zurück auf den Nachttisch gestellt hatte. Sein Vater sagte dazu nichts. „Wer hat dir das überhaupt erzählt?“, fuhr Draco fort. „Und mit welcher Drohung dahinter, wenn du nicht hier auftauchst? Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals-“

 

„Severus hat mich besucht“, erwiderte Lucius und ignorierte seine Worte. Snape hatte seinen Vater besucht? Woher wusste Snape davon?! Draco versuchte sich an gestern Abend zu erinnern, aber er konnte den Abend nicht mehr rekonstruieren, wusste nur noch, dass Madame Pomfrey ihm unglaubliche Schmerzen zugefügt hatte.

„Und Miss Granger hat geschrieben“, ergänzte er anschließend.

 

Draco hob den Blick. Granger.

 

„Was hat sie geschrieben?“, entfuhr es ihm augenblicklich. Und er erinnerte sich schlagartig. Er fuhr sich erschlagen über das Gesicht. „Richtig, euer verrückter Plan!“, entfuhr es ihm am Rande der Erschöpfung. Er hatte keine Lust mehr.

 

„Sie hat uns nahegelegt, uns mehr um dein Wohlergehen zu sorgen“, fuhr Lucius kühler fort. „Ich bin mir sicher, du hast mich und Narzissa in das rechte Licht gerückt?“, erkundigte er sich nun glatt. Draco ließ die Hände von seinem Gesicht sinken. Sie hatte was?! Was dachte sich dieses verdammte Miststück eigentlich?! Er starrte seinen Vater hasserfüllt an. Er sprach nicht mit Granger! Er erzählte ihr überhaupt nichts.

 

„Glaub mir, es ist mir scheiß egal-“

 

„-da bin ich mir sicher!“, unterbrach ihn Lucius kalt und erhob sich schließlich. „Ich sehe, mein Weg war umsonst. Dir scheint es gut genug zu gehen, um unausstehlich zu sein, aber anderes bin ich nicht gewohnt.“ Dracos Mund öffnete sich entrüstet.

 

„Verzeihung, Vater“, spuckte er ihm entgegen. „Ihr verlobt mich und glaubt, ich würde euch mit offenen Armen empfangen?“, knurrte er zornig. „Übrigens liege ich hier im Krankenflügel, ich werde mich bestimmt nicht rechtfertigen! Für gar nichts!“

 

„Natürlich nicht. Warum solltest du auch? Ich nehme an, dass du hier liegst, ist alleine dein Werk? Dein Ungeschick, alleine deine Schuld?“, fuhr Lucius kälter fort, und Draco glaubte nicht, dass irgendein andere Vater auf der Welt seinen eigenen Sohn in einem Krankenbett mit so viel Gleichgültigkeit behandeln konnte, wie es Lucius fertigbrachte. Heiße Gefühle kochten in ihm hoch, die er nicht ganz zuordnen konnte.

 

„Und wäre es anders, würdest du es ohnehin nicht glauben, oder nicht?“ Draco hatte überhaupt nichts mehr sagen wollen. Er klang trotzig und er kotzte sich selber an, deshalb.

 

„Du bist unverändert undankbar!“, sagte sein Vater schließlich.


„Und diese scheiß lächerliche Verlobung ist vorbei!“, erwiderte Draco schließlich, ehe sein Vater gehen konnte. Lucius hielt tatsächlich inne, den Umhang über dem Arm, den Koffer in der Hand.

 

„Ist das so?“, vergewisserte er sich mit einem kalten Blick auf ihn. Draco hätte am liebsten geschrien.

 

„Wenn ihr glaubt, ich lasse mich von euch zwingen, ein wertloses Schlammblut zu heiraten, irrt ihr euch gewaltig! Wenn das eine Strafe sein soll, wenn mir das zeigen soll, wie sehr ihr mich hasst, dann habt ihr euch verrechnet!“, schrie er schließlich. Seine Seite pochte unangenehm nach dieser Anstrengung. Lucius‘ Ausdruck änderte sich nicht unter seinen Worten, wurde, wenn möglich, nur noch ausdrucksloser. „Ich werde sie niemals – niemals – heiraten! Euer scheiß Plan war ein Fluch in den Arsch! Das wird Granger euch wohl auch gesagt haben!“, knurrte er heiser. Lucius‘ Mund kräuselte sich verächtlich.

 

Draco atmete heftig, aber beim besten Willen konnte er nicht aufstehen. In seiner Brust baute sich ein furchtbarer Druck auf. Sein Vater schien irgendeinen Entschluss zu fällen und wirkte für den Bruchteil einer Sekunde so erschöpft wie Draco sich fühlte, aber er ließ Draco keine Zeit, dies näher zu ergründen, denn er schüttelte kaum merklich den Kopf.

 

„Nein, hat sie nicht“, sagte Lucius schließlich. Und das zerschoss seine Pläne.

 

Dracos Mund öffnete sich zornig, schloss sich aber so verblüfft wieder. Er hatte sich… verhört, richtig?! Hatte sie nicht?! Was hatte sie nicht?

 

„Was?“, keuchte er nur, ohne zu begreifen und vergaß, seinen Vater zu beleidigen. „Aber… - was?!“, wiederholte er kopfschüttelnd und setzte sich weiter auf. „Das – ich werde das niemals tun!“, sagte er nur schockiert.

 

„Dann bist du nicht mehr in meinem Haus willkommen“, schloss er bitter. Draco starrte ihn an.

 

„Was?!“, fuhr er seinen Vater fast hysterisch an und setzte sich unter Schmerzen auf. „Bist du verrückt geworden? Ich bin euer Sohn! Nur weil ich mich weigere, auf diese bescheuerte Wahnvorstellung, ein Schlammblut zu heiraten, einzugehen, könnt ihr mich nicht-!“

 

„Du beharrst auf Reinblüter-Traditionen, auf alte Ideale – bitte! Dann sollst du es so haben. Wir haben dir eine Braut ausgesucht, der Deal ist, dass du heiratest, um dein Gold zu erhalten, solltest du dich weigern, droht dir damit der Verstoß!“, erklärte sein Vater voller Kälte. „Ich denke, du solltest die Regeln kennen, Draco!“ Sein Vater hatte die Stimme so plötzlich erhoben, dass Draco verstummt war. „Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe, dass ich jemanden wie dich verdiene! Bei all meinen Fehlern, schaffst du es noch, mich zu übertrumpfen, du unverbesserlicher, arroganter, völlig ignoranter Junge!“, schrie sein Vater jetzt, und kurz fühlte sich Draco zurückversetzt in eine Zeit, die sein Kopf längst verdrängt hatte.

 

Und er war kein Junge! Er war kein Junge mehr….

 

„Du willst gerne ein Todesser sein, Draco, mit allem, was dazu gehört?“, fuhr sein Vater kälter fort, legte den Umhang aufs Bett zurück, kam näher und griff ihm tatsächlich in den Kragen seines Schlafanzuges, um ihn näher zu sich zu ziehen. Für einen wilden Moment glaubte Draco, dass er ihn verfluchen wollte, ihn nun tatsächlich in einen Todesser verwandeln würde, oder etwas ähnlich Absurdes. Draco biss sich bei den plötzlichen Schmerzen auf die Lippe und Tränen schossen übergangslos in seine Augen. „Du willst ein dummes Arschloch sein, das Muggel immer noch Schlammblüter nennt, nicht für sich selber denken kann und immer noch einer Richtung folgt, die uns damals Kopf und Kragen gekostet hat? Du willst dich gegen die Mehrheit der magischen Gesellschaft stellen, Harry Potter als unterlegener und geistig umnachteter Reinblüter entgegentreten? Dann nur zu! Deine Dummheit lässt mich sprachlos, Draco!“, rief sein Vater und schüttelte seine Faust unkontrolliert, so dass Draco in seinem Griff zitterte. „Und glaub mir, würdest du nicht bereits verletzt im Krankenbett liegen, würde es mir nicht schwer fallen, dir eine Tracht Prügel zu verpassen, die du seit deinem siebten Lebensjahr verdient hast!“

 

Zornig ließ ihn sein Vater fahren. Draco sackte zurück, und wischte sich zornig und beschämt die Tränen von den Wangen.

 

„Und glaub nicht, dass ich weiter mit mir spielen lasse! Dass ich mich in meinem eigenen Hause von dir bloßstellen lasse, während du nichts Besseres zu tun hast, als das Gold meiner Väter für Alkohol und Quidditch-Equipment auszugeben, wofür du gänzlich unbegabt bist! Dass du Prostituierte in mein Haus schleppst, dich von ihnen auf die schamloseste Weise befriedigen lässt und denkst, du kommst damit durch! Ich habe lange genug auf Narzissa gehört, aber damit ist Schluss. Es gibt keine Sonderbehandlungen mehr für Draco Malfoy. Du solltest dich schämen meinen Namen mit deinem Verhalten so zu entehren! Die Kollegen im Ministerium sprechen mich schon nicht mehr auf dich an, Draco!“, schrie er so laut, dass eine Ader auf seiner Stirn zu pochen begonnen hatte. „Niemand interessiert sich mehr dafür, ob du im Ministerium anfangen möchtest! Niemand wird mehr ein gutes Wort für dich einlegen, hast du das begriffen?!“

 

Dracos Herz schlug viel zu schnell. Hitze war in seine Wangen gestiegen. Er sah seinen Vater nicht mehr, starrte nur noch blind durch seine Tränen nach vorne. Langsam schien sich Lucius zu beruhigen, hatte die Hände aber immer noch an seinen Seiten zu Fäusten geballt. Draco gönnte Lucius nicht, ihn womöglich betteln oder flehen zu sehen, obwohl Draco es wollte. Er schluckte, während er versuchte, nicht zu weinen. Er wollte ihn fragen, wie er so etwas tun konnte, dass er das nicht durfte, und warum zur Hölle ausgerechnet ein dummes Schlammblut das Fass zum Überlaufen bringen konnte?!

 

„Wir sind fertig, Draco“, sagte sein Vater plötzlich erschlagen und schüttelte schließlich resignierend den Kopf. „Du wirst das Mädchen heiraten, hast du mich verstanden? Narzissa ist Zuhause, weint sich die Augen aus dem Kopf, weil du sie krank machst, Draco“, fuhr sein Vater. „Sie stirbt vor Angst, weil sie denkt, du bist tödlich verletzt, weil sie denkt, sie ist schuld an all deinen Fehlern. Als wäre es ihre Schuld!“, spuckte er ihm entgegen. „Der Unterschied zwischen dir und Hermine Granger erstreckt sich nicht in eurem Blut“, sagte er plötzlich, und Draco hob erschüttert den Blick. Wie konnte es Lucius wagen so einen Vergleich zu ziehen?! Was passierte nur?!

 

Und zu gerne würde er wissen, worin sich der Unterschied zwischen ihm und dem verdammten Schlammblut sonst erstrecken sollte! Und was zur Hölle sich Granger dabei gedacht hatte! 

 

„Zuerst hielt ich es für eine fixe Idee“, schien sich sein Vater zu besinnen und rieb sich über die Schläfen. „Ich habe geglaubt, Narzissa hätte vor Kummer völlig den Verstand verloren, aber weißt du… vielleicht macht es mehr Sinn, dich da zu treffen, wo es vielleicht noch weh tun könnte“, schloss er achselzuckend. Draco begriff nicht, aber er wollte auch nichts weiter hören müssen. Dann sah Lucius ihn ein letztes Mal direkt an. Draco hasste ihn. So sehr! „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Draco“, sagte er mit einem seltsamen Ausdruck auf den Zügen. Und seine Worte waren so kalt, düster und grau, wie es seine Augen waren.

„Solltest du dich uns widersetzen, möchte ich dich daran erinnern, dass du von deinem Pflichtteil nicht lange überleben wirst. Es dürfte dann auch schwer genug werden, einen Job zu finden, mit deinen Ansichten als Todesser“, war das letzte, was Lucius sagte, ehe er sich umwandte. Vor den Türen des Krankenflügels hielt er inne, ohne den Blick zurückzuwenden. „Am 20. Dezember ist die Hochzeit. Narzissa wird sich mit deiner Verlobten für weitere Details in Verbindung setzen.“ Und damit war er gegangen.

 

Draco saß auf dem Bett, atmete laut mit geöffnetem Mund, ballte die Hand zur Faust und schlug sie neben sich auf die Matratze, während heiße Tränen über seine Wangen liefen. Er vergrub den Kopf in seinen Händen und schrie gegen seine Handflächen, bis er erschöpft und fiebrig nach hinten auf die Matratze zurückfiel.

 

 

Kapitel 12

 

Es hatte sich herum gesprochen, sich verbreitet, wie ein Lauffeuer: Percy Weasley war der neue Lehrer für Zaubertränke.

 

Ron konnte es nicht fassen. Ron konnte seit zwei Tagen nichts mehr fassen. Die Gryffindors und Slytherins standen gespannt vor den Türen des Klassenzimmers in den Kellern, während Ron stur den Kopf schüttelte.

 

„Ich kann es nicht fassen“, wiederholte er wieder. „Wie bei Merlins Unterhosen, kann Percy ein Lehrer sein?“, wollte er wieder von Harry wissen.

 

„Ich weiß es nicht“, räumte Harry ein, wie schon zweihundert Mal zuvor. Hermine konnte es sich sehr gut vorstellen, wenn sie ehrlich war. Sie hatte Percy damals schwer bewundert, als er Schulsprecher gewesen war. Natürlich gab es eine kurze Phase, in der sie wenig mit Percy zu tun gehabt hatten, denn während des Kriegs, hatte Percy zu Beginn auf der Seite des Ministeriums gestanden.

 

Es hatte einen riesigen Streit innerhalb der Weasley-Familie gegeben, aber letztendlich hatte sich Percy eines Besseren besonnen, und eigentlich kam sie gut mit Percy zurecht. Das natürlich bisher nur, als er noch kein Lehrer war.

Aber heute war nicht nur ihre erste Stunde Zaubertränke, nein. Heute war der erste Tag, an dem Draco Malfoy den Krankenflügel verlassen durfte.

 

Hermine hatte keine Ahnung, wie die Lage war. Sie hatte zumindest keine weiteren Hochzeitskleider geschickt bekommen. Keine weiteren Einladungen, und sie war sich nicht sicher, ob sie jemals wieder mit Malfoy würde sprechen müssen. Sie hoffte, nicht.

Sie hatte sich nicht danach erkundigt, wie es ihm ging. Und fast fühlte sich der gute Mensch in ihr schlecht dafür, denn sie hatte mehr als nur einmal in den letzten Tagen an seine schlimme Wunde denken müssen.

 

Niemand schien genau zu wissen, weshalb er im Krankenflügel hatte liegen müssen. Niemand schien sich allzu sehr dafür zu interessieren, hatte sie festgestellt. Sie natürlich mit eingeschlossen. Harry interessierte es nicht, Ron erst recht nicht. Aus den Augenwinkeln beobachtete Hermine, wie er bei seinen Freunden stand. Goyle und Blaise sprachen auf ihn ein, während Malfoy an der Wand lehnte, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Er wirkte abwesend, stellte sie fest. Er merkte nicht mal, dass sie ihn beobachtete.

 

Bevor sie sich noch weitere Gedanken machen konnte, schwangen die Türen zum Klassenraum auf. Die Schüler spähten gespannt ins Innere. Kurz öffnete sich Hermines Mund verblüfft, aber Ron brach bereits in schallendes Gelächter aus.

 

Hermine biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht auch noch anfing zu lachen. Es war fast niedlich, denn Percy war vor der Lehrerpult getreten und schien, ganz zu Snapes Ehren, ebenfalls einen langen schwarzen Umhang zu tragen darunter ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und schwarze Lackschuhe.

 

Aber Snapes Look passt beim besten Willen nicht zu Percy. Percys Körper konnte den Umhang nicht wirklich ausfüllen und er wirkte fast verloren in dem endlosen schwarzen Stoff. Percy schenkte seinem Bruder einen eisigen Blick, aber auch der wirkte nicht gut einstudiert.

 

„Wenn Sie bitte eintreten würden?“, sagte Percy pikiert, und die Schüler betraten mit feixenden Gesichtern das Klassenzimmer.

 

„Oh Mann, Percy! Bist du persönlich durch Snapes Kleiderschrank gegangen?“, wollte Ron von ihm wissen, aber Percy bedachte ihn mit einem strengen Blick.

 

„Ronald, als Schulsprecher solltest du wissen, was für eine große Verantwortung auf deinen Schultern liegt“, begann er streng. „Ich freue mich sehr, über die Gelegenheit, euch als Aushilfslehrer zu unterrichten, und ich hoffe, wir werden uns gut verstehen. Setzt euch bitte“, schloss er seine Rede ab und schritt hinter das Pult.

 

Ron setzte sich kopfschüttelnd an einen Tisch mit Harry, Seamus, Parvati und Hermine, und Percy stand kerzengerade vorne und wartete, bis Ruhe eingekehrt war.

 

„Ich möchte heute beginnen, mit dem Trank, den ich in meiner Abschlussprüfung in Zaubertränke gebraut habe, bei Professor Snape. Und ich habe diese Prüfung mit Ohnegleichen bestanden.“

 

„Ja, ja. Schon gut, Percy“, beschwerte sich Ron entnervt.

 

„In meinem Unterricht möchte ich auch den Schulsprecher von Hogwarts bitten, mich mit Professor Weasley anzusprechen“, erklärte Percy reserviert. Rons Mund öffnete sich.

 

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Aber Percy wirkte sehr, sehr ernst. Schon, wie er die roten Haare nach hinten gekämmt hatte. Kurz zuckte sein Auge. Scheinbar fand er Rons Verhalten absolut unmöglich. – Was es wohl auch war. Bruder oder nicht.

 

„Es ist mein voller ernst, Mr Weasley. Wenn Sie mich noch einmal beim Vornamen nennen, werde ich zu härteren Mitteln greifen“, versprach Percy besonders streng.

 

„Du ziehst mir Punkte ab?“, vermutete Ron unbeeindruckt.

 

„Ganz recht. Das wären bereits fünf Punkte Abzug für Gryffindor.“

 

„Oh Merlin, Percy, jetzt stell dich nicht so an!“, knurrte Ron praktisch. Hermine musste ihr Lächeln hinter ihrer Hand verbergen.

 

„Und das sind direkt noch einmal fünf Punkte Abzug, Mr Weasley“, erklärte Percy mit einem schmalen Lächeln.

 

„Verdammt noch mal, ich fasse es nicht!“, sagte Ron wieder verzweifelt.

 

„Und noch einmal fünf. Wir können das bis zum Mittagessen fortführen, aber ich habe noch andere Pläne mit der Klasse“, entgegnete Percy mit entschuldigendem Blick.

 

„Was? Wofür waren die fünf? Ich habe dich nicht mal angesprochen!“, entrüstete sich Ron sauer.

 

„Nein, aber Sie haben geflucht. Noch einmal fünf Punkte Abzug, denn Sie haben mich erneut geduzt.“

 

Ron war kurz davor nach vorne zu stürmen, aber Harry und Seamus hielten ihn an den Armen zurück. Percy war hinter seinem Pult kurz zusammen gezuckt.

 

„Na, da werde ich wohl ein Wörtchen mit Ihrer Hauslehrerin reden müssen, nicht wahr, Mr Weasley?“, mutmaßte Percy, und Hermine sah, er hatte sehr viel Freude an seinem neuen Job.

 

„Professor Weasley – dass ich nicht lache“, murrte Ron unverständlich und riss sich von Harry und Seamus los, um wütend die Arme vor der Brust zu verschränken.

 

„So, wenn wir das geklärt haben, würde ich doch gerne beginnen. Wer kann mir etwas über den Trank der Unsterblichkeit erzählen?“, fragte er direkt, und Hermine wusste, es handelte sich hierbei um den letzten Trank im letzten Kapitel des Zaubertrankbuches für Fortgeschrittene. Und nicht einmal sie hatte das letzte Kapitel schon gelesen. Sie war ein wenig hinterher mit ihrer schulischen Besessenheit, denn… sie hatte nicht unbedingt mehr das Gefühl gehabt, sich so sehr reinhängen zu müssen, nachdem sie nicht Schulsprecherin geworden war.

 

„Das ist sehr fortgeschritten“, meinte Pansy etwas überfordert. „Professor Weasley“, ergänzte sie hastig, und Hermine bemerkte, wie sich alle Mundwinkel in der Klasse spöttisch hoben. Hermine ging auf, dass sie alle hier von Percy als Erstklässler noch durch die Flure gescheucht worden waren. Jeder kannte Percy hier noch als lästigen Vertrauensschüler. Und lästigen Schulsprecher.

 

„Nun, das soll uns aber nicht abhalten, Miss… äh Parkinson“, sagte Percy lächelnd, nachdem er ihr Abzeichen begutachtet und einen Blick in die Klassenliste geworfen hatte. „Mr Malfoy, wie wäre es mit Ihnen? Irgendwelche Ideen?“ Percy strahlte förmlich.

 

Hermine hob langsam den Blick.

 

„Nein“, sagte Malfoy nur. Eine eisige Kälte ging von diesem Wort aus.

 

„Oh, schade. Nicht mal… ein wenig Grundlagenwissen, was Sie anbringen könnten?“, fragte Percy weiter, aber Hermine sah, wie Malfoys Mund schmaler wurde.

 

„Nein“, wiederholte dieser gepresst, vielleicht ein wenig erwartungsvoll, denn er schien, wie Ron, nicht abgeneigt, nach vorne zu gehen und Percy zu schütteln. Kurz herrschte Stille.

 

„Tja, dann wären das wohl weitere fünf Punkte Abzug, diesmal für Slytherin. Dean Thomas, könnten Sie Mr Malfoy aushelfen?“, fuhr Percy fort, aber auch Dean hatte nicht die blasseste Ahnung, und bis zum Ende der Doppelstunde hatte Percy bestimmt rund hundert Punkte von Gryffindor und Slytherin abgezogen – die meisten gingen auf Rons Rechnung, denn nach einer Stunde war ihm der Kragen dermaßen geplatzt, als er vorne Nieswurzeln hatte schneiden müssen, und Percy ihn bei jedem Schnitt darüber belehrt hatte, dass man die Wurzeln von Anfang an dünner schneiden müsste, weil sie noch gemörsert werden mussten.

 

Ron hatte ihm die Nieswurzeln ins Gesicht geworfen nach diesen Ratschlägen.

 

Alles in allem war es eine lustige Stunde geworden. Abgesehen von dem immensen Punkteverlust. Dumm war nur, dass es keine seltsame Vertretungsstunde gewesen war –nein. Percy Weasley war jetzt ihr Lehrer und sie würden das zweimal die Woche aushalten müssen, überlegte Hermine. Und wenn es so anspruchsvoll weiterging, wären sie entweder in einigen Wochen superschlau oder die Sanduhren der Häuser wären innerhalb der nächsten Wochen gähnend leer.

 

So oder so war es nicht wirklich entspannend.

 

Es hatte geklingelt, und Ron hatte sich die Ärmel des Hemdes bereits hochgekrempelt, was Hermine mit gerunzelter Stirn bedachte.

 

„Und jetzt kriegt er erst mal eine ordentliche Abreibung!“, knurrte Ron und ließ seine Tasche zurück, als er zum Pult stürmte. Percy packte hastig alle seine Sachen zusammen.

 

„Ron! Ronald, du wirst dich ja wohl jetzt nicht gehen lassen! Ich bin jetzt dein Lehrer, du kannst nicht-“ Aber Ron schien gerade nicht in der Stimmung für Percys rationalen Weg zu sein, er umrundete das Pult, immer hinter Percy her, der seine Tasche an die Brust gepresst hielt. Ron griff nach ihm, aber Percy stolperte hastig zur Treppe, und stolperte die Stufen hinauf, die zu den Lehrerunterkünften führten. „Ronald! Ich sage es Mutter!“, rief Percy, bevor er die Tür ins Schloss knallte, ehe Ron ihn erreichen konnte.

 

Ron schlug einmal gegen die Tür. „Sie froh, dass George und Bill nicht hier sind!“, drohte er seinem Bruder, aber es kam keine Antwort mehr.

 

„So ein kleiner Schleimer!“, knurrte Ron. Die restlichen Schüler lachten, während sie das Klassenzimmer verließen. Ron schulterte seine Tasche, und Hermine warf einen knappen Blick zum letzten Slytherintisch.

 

„Und wenn wir mit ihnen darüber reden würden?“, schien Pansy gerade vorzuschlagen, und Harry schloss zu Ron auf.

 

„Hermine?“ Er sprach in einem sehr eindeutigen Ton. Er fand es seltsam, dass sie hinüber zu den Slytherins sah. Er hatte es schon seltsam gefunden, dass sie überhaupt Zeit in ihren Ferien mit Slytherins verbracht hatte. Ihm alles andere zu erklären könnte zu Harrys Ungnade führen. Malfoys Blick glitt kurz über ihre Gestalt. „Kommst du?“, ergänzte Harry mit Nachdruck. Und nichts tat Hermine lieber als das, denn Malfoys Blick war… mörderisch. Und nichts sonst. Ihr Herz schlug verräterisch schnell und sie ignorierte Pansys hilfesuchenden Blick. Sie setzte sich in Bewegung, denn es sah fast so aus, als wolle Malfoy etwas zu ihr sagen, und sie wusste, das durfte nicht passieren.

 

„Ja“, sagte sie also hastig, ignorierte Blaise, Pansy, Goyle und Malfoy und folgte Harry und Ron. Sie wollte gar nicht näher wissen, um was es ging. Sie wollte nichts mehr mit irgendetwas zu tun haben, was mit Malfoy überhaupt nur im Entferntesten zusammenhing.

 

~*~

 

Sie saß neben ihm am Tisch und hatte die Hand über den Mund gelegt.

 

„Das kann ich nicht! Wie konntest du ihm nur all das sagen, Lucius?“, wollte sie von ihm wissen, mit diesem Blick, der ihm Magenschmerzen verursachte.

 

„Ich hatte keine andere Wahl“, rechtfertigte er sich, während sein Blick wieder auf die Dokumente fiel. Es fehlte noch Narzissas Unterschrift, um Draco von der Erbfolge auszuschließen und ihn nach altem Recht aus der Familie zu verstoßen, für den Fall, dass er sich widersetzen sollte zu heiraten.

 

„Lucius!“, sagte sie tonlos. „Unser Sohn liegt schwer verletzt im Krankenflügel, und dir fällt nichts Besseres ein, als ihn zu enterben und ihm zu sagen, dass er sich in unserem Haus nicht mehr blicken lassen soll, wenn er sie nicht heiratet? Was willst du anschließend machen? Ihm als Warnung alle seine Sachen nach Hogwarts schicken?“, wollte sie nun heiser von ihm wissen, aber er hatte darauf keine Antwort parat. „Wie konntest du das tun?“, wiederholte sie unter Tränen.

 

„Es war deine Idee“, sagte er jetzt abwehrend.

 

Meine Idee?“, wiederholte sie entrüstet. „Nein, meine Idee war… - ach, es doch unwichtig. Was machen wir jetzt?“ Lucius atmete langsam aus und fuhr sich wieder über die Stirn. „Wie… sieht es denn aus? Geht es ihm gut?“, flüsterte sie und war kreidebleich.

 

„Snape hat heute eine Eule geschickt. Er hat den Krankenflügel verlassen und muss nicht ins Mungo“, erklärte er schließlich und fuhr sich müde durch die Haare. Narzissa nickte stumm, aber er erkannte die Tränen in ihren Augen. „Sag mir, was ich tun soll“, verlangte er, denn er hielt es nicht aus, sie so zu sehen. Er hatte sich erhoben und sich neben sie gekniet. Mit leerem Blick schüttelte sie den Kopf. Seine wunderschöne Frau.

 

„Sie wäre so gut für ihn, Lucius“, flüsterte Narzissa plötzlich.

 

„Was?“, fragte er sanft, aber sie wusste, wovon sie sprach.

 

„Hermine Granger“, beharrte sie ausdruckslos.

 

„Narzissa“, begann er behutsam, aber sie sah ihn an. Er wusste, er hatte es Draco gesagt. Draco musste sie heiraten. Er hatte nicht angenommen, dass Hermine Granger tatsächlich zustimmen würde. Dass sie tatsächlich aufopferungsvoll genug sein würde, um zuzustimmen. Aber sie hatte nichts Gegenteiliges geschrieben. Es war der Plan gewesen, Draco Angst zu machen, aber… wie es schien, war Hermine Granger nicht abgeneigt.

 

„Sie ist… so bodenständig, und so anders, und… jemand wie sie könnte ihn ändern, verstehst du?“ wiederholte sie eindringlich. Lucius atmete angestrengt aus.

 

„Narzissa, es besteht die Möglichkeit, dass er sich widersetzt. Er hasst sie. Ich denke, er meint wirklich-“

 

„-nein, das tut er nicht!“, widersprach sie augenblicklich. Sie atmete aus.

 

„Warum ausgerechnet sie?“, wollte Lucius nun ergeben wissen. Zwar stand die Entscheidung gegenüber Draco, aber Lucius wusste, es gab bessere Mädchen zur Auswahl. Wenn auch nur in dem Sinne, dass Draco nicht Reißaus nehmen würde. Zuerst antwortete Narzissa nicht. Dann hob sie den tränenverschleierten Blick und lächelte verzweifelt.

 

„Weil ich etwas besseres für unseren Sohn will. Etwas Besseres als uns, etwas besseres als diese Schlangen von Töchtern, die hinter ihm her hecheln, als wäre er der Prinz von England“, flüsterte sie. „Ich möchte jemanden für ihn, dessen Güte und Größe und Mut ich selber nicht begreifen kann.“ Sie sah ihn nicht mehr an. „Sie ist so anders als ich“, flüsterte sie kopfschüttelnd. „Sie ist… bescheiden und… rechtschaffen…“, schloss Narzissa und wischte sich über die Wange. „Und sie will ihn auch!“, flüsterte sie abschließend.

 

„Du hast ihr sicher mehr als nur Angst gemacht“, erklärte er ruhiger. „Und wenn sie ihn doch nicht will?“, warf er unsicher ein.


„Dann hätte sie das geschrieben, denkst du nicht? Denkst du, sie tut irgendetwas, was sie nicht will? Ich denke, wir setzen unsere Chancen auf diese eine Karte, Lucius.“

 

„Und du denkst nicht, dass es richtiger wäre, dass unsere zukünftige Schwiegertochter von ihrem Ehemann auch nur im Ansatz gemocht werden sollte?“, brachte er nun das letzte Totschlagargument, was er hatte, hervor. Narzissa wirkte kurz besorgt und biss sich auf die Unterlippe.

 

„Ich bin mir sicher, er mag sie. Ich bin mir sicher, es wird… kommen. Bald“, wich sie seinen Worten aus, und er atmete ein letztes Mal in Stille aus.

 

Und dann war es beschlossen. „Ich schreibe ihren Eltern noch heute Abend“, sagte Lucius. Auch, um sich selber zu beruhigen. Narzissa nickte mit großen, ängstlichen Augen. Malfoys hatte selten Angst. Aber wenn sie es denn mal zeigten, dann gab es meist wenig Auswege mehr. Langsam erhob er sich. Früher war er überzeugt gewesen, einer der besten Väter auf der Welt zu sein. Und jetzt, achtzehn Jahre später stand er hier und war kurz davor seinen eigenen Sohn aus der Familie zu verstoßen.

Er konnte nicht sagen, wann er so geworden war.

 

Er wusste, er war verletzt. Durch Dracos Handlungen und seine Gleichgültigkeit. Denn letztendlich musste Lucius sich wohl eingestehen, dass er nicht unschuldig an Dracos Entwicklung sein konnte. Aber wenn er zu lange darüber nachdachte, wurde sein Selbsthass zu groß. Er wollte so etwas wie Draco nicht geschaffen haben, aus seiner eigenen Dummheit heraus.

 

Und er wollte auch nicht zurücknehmen, was er ihm gesagt hatte. Er war so zornig gewesen. Es hatte ihn erschreckt, wie willig er gewesen war, seinen Sohn an diesem Tag zu schlagen. Solange zu schlagen, bis er endlich Respekt gelernt hatte.

 

Aber er war dankbar. So dankbar, dass er es nicht getan hatte. Narzissa hatte ihm vorgeworfen, zu streng zu sein. Aber er wusste nicht anders mit ihm umzugehen. Er vertraute Draco nicht. Und er wusste, Draco vertraute ihnen auch nicht. Und was Narzissa auch versuchen würde, es würde nicht funktionieren, das wusste er auch.

Sie hatten Draco längst verloren. Draco hatte schon lange angefangen, davon zu driften. Es hatte vor langer Zeit begonnen.

Und jetzt hatte Lucius es beendet.

 

Und es würde funktionieren – oder sie hätten ihn für immer verloren.

 

 

Kapitel 13

 

Es war Alkohol aus Snapes Vorrat. Aber konnte man von einem Vorrat sprechen, bei zwei Flaschen? Er nahm es nicht an. Die Sonne versank hinter den Bergen in der Ferne. Wind zerzauste seine Haare, und er setzte die Flasche wiederholt an die Lippen.

Der Astronomieturm war weder gemütlich, noch besonders einfach zu erreichen. Aber hier war er allein.

 

Er spürte den scharfen Wind auf seinem Gesicht. Es war zwar noch warm draußen, aber er roch den Herbst bereits in der Luft. Sein Blick starrte ins Leere. In leere, weite Ferne. In seinem Kopf spielten sich viele Szenarien ab.

 

Wie er nicht zu seinem Quidditchauswahlspiel ging, weil er unbegabt war…

 

Wie er seinen Eltern trotzte, sein Erbe, seinen Namen ausschlug. Dafür müsste er anfangen zu lernen. Richtig zu lernen. Er würde… irgendwo wohnen müssen. Er würde… arbeiten müssen. Aber wo…?

 

Wie er es einfach tat. Einfach springen. Vom höchsten Turm von Hogwarts. Er nahm an, der Fall wäre lang, aber schmerzlos, wenn er erst einmal unten aufschlagen würde.

 

„Draco?“

 

Er schreckte nicht aus seinen Gedanken. Er war angenehm betrunken genug, um es nicht zu tun. „Ich habe dich überall gesucht. Was machst du da?“ Pansys Stimme klang entrüstet. „Du trinkst?“ Fast klang sie so, als hätte er das noch niemals in seinem Leben getan.

 

„Weißt du noch, als Sommer war?“, hörte er seine betrunkene Stimme.

 

„Wie viele Flaschen hast du getrunken, Draco?“, wollte Pansy fast vorsichtig wissen.

 

„Weißt du noch, als du mir Dates organisiert hast?“ Er lachte auf, blickte nach unten auf den Boden, während seine Ellbogen immer noch auf dem breiten Steinsims lehnten.

 

„Draco, komm vom Fenster weg“, befahl ihm Pansy strenger als zuvor.

 

„Denkst du, ich springe?“, wollte er amüsiert wissen.

 

„Weißt du, wir finden eine Lösung, Draco!“, versprach sie ihm flehend. „Aber… bitte mach keine Dummheit, ok?“ Sie war langsam näher gekommen.

 

„Ich springe nicht, Pansy“, sagte er entnervt. Er würde gerne, aber er glaubte nicht, dass er sich traute. Er wandte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Steinbalustrade. Er betrachtete seine Schulfreundin Pansy, die mittlerweile Schulsprecherin geworden war. Sie trug noch immer die Schuluniform.

 

Sie wirkte… fast erwachsen. Seine Stirn runzelte sich. War es nicht erst letztes Jahr, dass Pansy geweint hatte, weil er alle ihre Schokofrösche im Zug aufgegessen hatte? Er legte den Kopf in den Nacken und schloss seufzend die Augen.

 

„Hast du… mit ihr gesprochen?“ Draco hatte keine Lust auf Spiele, also antwortete er.

 

„Mit dem Schlammblut?“

 

„Draco!“, maßregelte sie ihn sofort, aber es klang schrecklich geheuchelt aus ihrem Mund. Oder vielleicht kam es ihm nur so vor, weil es für ihn nur Heuchelei wäre, würde er das Schlammblut jemals anders nennen. „Hast du jemals überlegt, dass…“

 

Sie sprach nicht weiter, und er senkte den Blick wieder auf sie, während er einen weiteren tiefen Schluck aus der Flasche mit der klaren Flüssigkeit trank.

 

„Ich kann die Punkte abziehen, das weißt du, oder?“, wollte sie fast trocken von ihm wissen, aber er schenkte ihr ein schiefes Lächeln.

 

„Und ich bin wahnsinnig stolz auf dich dafür, Pansy“, bemerkte er anerkennend, auf ironische Weise. Aber er war stolz auf sie. War er tatsächlich. Und auf Blaise. Beide wurden scheinbar nicht wie ihre Eltern. Pansys Vater saß seit drei Jahren in Askaban. Pansy sprach nicht mehr von ihm.

 

„Glaubst du nicht, dass…“

 

„Dass was?“, unterbrach er ihr Zögern gereizt.

 

„Dass es nicht das Schlechteste ist?“, schloss sie, ohne ihn anzusehen.

 

„Was?“, wollte er ehrlich verwirrt von ihr wissen. Aber sie sprach nicht weiter, führte es nicht aus. Aber er nickte, als er verstanden hatte. Nicht das Schlechteste, dass er gezwungen wurde, zu heiraten. Er wusste, Pansy würde heiraten, wenn Hogwarts vorüber war. Goyle ebenfalls. So auch Blaise.

Aber er nicht. Er hatte es nie gewollt. Nie darüber nachgedacht. Nicht, dass er an Liebe glaubte. Nicht, dass er vorhatte aus Liebe zu heiraten.

 

Wozu sollte er sein Gold teilen?

 

„Pansy“, begann er langsam, als er sich wieder umwandte, die fast leere Flasche ein letztes Mal an die Lippen setzte und sie leerte, „ich werde das Schlammblut niemals als einen gleichwertigen Menschen akzeptieren“, sagte er ruhig. Pansy sagte nichts mehr.

 

Aber er wusste, sie stand noch immer hinter ihm.

 

„Hör auf, sie so zu nennen“, flüsterte sie schließlich, und Draco hörte, sie war wütend.

 

„Wie?“, provozierte Draco sie lallend. „Schlammblut? Wie soll man ein Schlammblut sonst nennen, Parkinson? Sie ist schmutzig bis ins Mark. Sie ist widerlich, nieder, dumm und nutzlos. Eben ein Schlammblut“, schloss er bitter.

 

„Fünfzig Punkte Abzug für Slytherin“, brachte Pansy zitternd über die Lippen. Draco lachte freudlos auf. Er hörte, wie Pansy wieder verschwand. Sein Blick richtete sich wieder in die Ferne, aber die Landschaft verschwamm vor seinem Blick. Der Wind trieb ihm die Tränen in die Augen.

 

Es musste der Wind sein. Es musste.

 

~*~

 

Es war Donnerstag. Harry, Ron und Ginny maßen dem Tag besondere Aufmerksamkeit bei, denn heute gab es das erste Auswahlspiel. Hermine war so desinteressiert an Quidditch, dass sie sogar vergessen hatte, welches Team heute spielte. Hufflepuff? Sie hätte keinen Knut drauf wetten mögen.

 

Mittlerweile hatte sie sich sogar an das Geschrei der Eulen gewöhnt. Zwei stürzten sich in eine Art Sturzflug auf den Gryffindortisch hinab. Ein Brief landete auf ihrem leeren Teller, einer auf Rons. Ron drehte den Umschlag kauend um.

 

„Oh nein“, murrte er und schoss einen zornigen Blick in Richtung Lehrertisch. Percy ignorierte Ron seit der ersten Stunde. Das war besser, als wenn sie sich gegenseitig anschrien und Percy Ron schließlich hundert Punkte abzog. „Er ist von Mum“, erläuterte Ron gequält. „Und ihre Handschrift sieht mächtig wütend aus“, ergänzte er und öffnete mit spitzen Fingern seinen Umschlag.

 

Hermine betrachtete ihren eigenen Umschlag näher, und erkannte die Handschrift ihrer Mutter sofort. Schlagartig fühlte sie sich etwas besser. Sie liebte Briefe ihrer Mutter besonders. Ginny wartete gespannt, ob Ron einen Heuler erhalten hatte, und Harry konnte sich das Grinsen kaum verkneifen.

 

„Unglaublich, Professor Weasley hat gepetzt“, bemerkte Harry mit neuer Anerkennung für Percy, während er über Rons Schulter mitlas.

 

„Percy ist einfach nur peinlich“, erwiderte Ron und las widerwillig die Zeilen seiner Mutter. „Ist das zu fassen? Ich soll Percy in seinem neuen Job nicht ärgern! Ich soll auf meinen großen Bruder hören, weil er mir ein Vorbild sein kann?! Oh Mum!“, rief Ron ärgerlich aus. „Ich hasse Percy dafür!“, knurrte Ron angewidert.

 

Hermine beschloss ihren Brief später in Ruhe zu lesen, wenn sie mehr Zeit hatte.

 

Sie beendeten das Frühstück und machten sich auf den Weg zu Zauberkunst.

 

~*~

 

Und sie hatte sich extra viel Mühe gegeben heute, fiel ihr beinahe ärgerlich auf. Sie trug einen Rock, hohe Strümpfe in ihren Stiefeletten und ein grünes Oberteil.

Sie hatte sich immerhin ihre Haare gewaschen und von Hand gebändigt. So viel Aufwand hatte sie betrieben für wahrscheinlich überhaupt nichts. Sie hatte sich geschminkt in dem definitiven Wissen, dass es Ron sowieso nicht auffallen würde, ob sie Lidschatten trug oder Tomaten auf den Augen.

 

Es war ein schmaler Grat, den sie bei Ron beschritt, denn sie wusste nicht, was er dachte, oder ob er sich überhaupt für sie interessierte.

 

Aber manchmal versuchte sie, es herauszufinden. Denn scheinbar war ihr einfach entfallen, dass Gryffindor heute Auswahlspiel hatte. Deswegen waren Harry, Ginny und Ron auch so aufgeregt. Harry hatte als Kapitän einen sicheren Platz im Team, aber Hermine ging nicht davon aus, dass weder Ginny noch Ron plötzlich ihre Position verlieren würde.

 

Heute Abend hatte sie sich sogar auf die leere Liste im Badezimmer der Vertrauensschüler eingetragen, um heute Abend ein Bad zu nehmen. Bevor sie mit Narzissa sprechen würde. Sie hatte sich entschieden, der Frau eine Chance zu geben, sich zu erklären. Hermine war kein Unmensch, und manchmal wünschte sie, sie wäre einer.

 

„Hermine, kommst du?“, rief Lavender, und Hermine war nicht entgangen, dass auch Lavender Ron manchmal länger ansah, als es nötig war. Es störte sie nicht allzu sehr, denn sie glaubte nicht, dass Ron noch Interesse an Lavender hatte. Zumindest hoffte sie das.

 

„Ja“, erwiderte Hermine und verließ das Badezimmer. Sie mussten auch noch die Tribünen hochklettern und einen Platz finden. Sie nahm an, so zuwider es ihr auch war, dass die gesamte Schülerschaft das Auswahlspiel verfolgen würde.

 

Und wie recht sie doch hatte.

 

Sie lag sogar so richtig, dass Lavender und sie nicht mal mehr Platz auf der Gryffindortribüne fanden. Hermine suchte nach einem Platz bei den Ravenclaws, aber die Tribünen waren allesamt voll. Hermine erspähte nur noch einen freien Platz neben Percy Weasley, der gespannt in der ersten Reihe auf dem Rand seines Sitzes saß, hier, bei den Gryffindors. Und nichts auf der Lehrer-Tribüne. Aber sie konnte sich vorstellen, warum der Platz neben ihm frei war…. Sie ließ den Blick über die vollen Plätze gleiten, bis sie auf der anderen Seite des Feldes Pansy mit einem Schal winken sah.

 

„Meint sie uns?“, fragte Lavender verwirrt, und Hermine wollte schon nur ungerne neben Lavender sitzen. Pansy war auf ihrer Beliebtheitsskala noch einige Stufen weiter unter Lavender. Hermine seufzte auf.

 

„Ok, lass uns rüber gehen“, gab sie sich geschlagen, denn sie kannte Harry. Er würde sich seine Zeit nehmen, und das Auswahlspiel würde Stunden dauern. Und sie wollte nicht auf hohen Stiefeln zwei Stunden im Gras warten müssen. Das würde sie jedoch vorziehen, ehe sie sich neben Percy setzte, der sie wahrscheinlich zwei Stunden über die richtige Abschlagtechnik der Spieler belehren würde, ohne dass er jemals selber Quidditch gespielt hatte. Und sie schämte sich fast für ihre Gedanken. Aber sie wusste, dass es Percy wohl gleichgültig war, wem er einen Vortrag hielt.

 

Lavender und sie waren auf die Tribüne der Slytherins gestiegen und duckten sich durch die Gänge hindurch. Alle trugen ihre silbergrünen Schals, wenn auch nur zu dekorativen Zwecken, denn es war immer noch warm.

Pansy winkte ihr zu. Sie hatte tatsächlich einige Plätze in der ersten Reihe freigehalten.

 

„Jetzt können wir zusammen zusehen! Ich hoffe, dass Weasley keinen Platz im Team bekommt, wenn ich ehrlich bin“, erklärte sie lächelnd. Hermine und Lavender sahen sie beide schockiert an. „Damit er sich um die Schulsprecheraufgaben kümmert“, ergänzte Pansy mit eindeutig erhobener Augenbraue. „Ich weiß nicht mal, wann ich das erste Treffen der Vertrauensschüler anberaumen soll“, beschwerte sich Pansy nervös.

 

„Immer freitags“, erwiderte Hermine stoisch. „Sie waren immer freitags, also würde ich das so beibehalten, wenn ich du wäre“, erklärte sie fast kühl.

 

„Weißt du, manchmal denke ich, du wärst eine bessere Wahl gewesen als ich“, seufzte Pansy, also sie den Blick kopfschüttelnd aufs Feld richtete. Hermine verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln.

 

Ja. Ja, das dachte sie auch. Aber sie sagte nichts.

 

„Ich würde später gerne ein Wort mit dir reden“, ergänzte Pansy plötzlich leiser als zuvor, mit eindringlichem Blick. Hermines Mund öffnete sich perplex. Sie wandte den Kopf, aber Lavender sah sich auf der Tribüne um und schien nichts mitbekommen zu haben. Hermine ruckte nur mit dem Kopf.

 

„Ich fühle mich hier nicht wohl!“, flüsterte Lavender neben ihr, und Hermine war dankbar, nicht antworten zu müssen. „Dürfen wir hier überhaupt jubeln?“, erkundigte sie sich lautlos. Hermine zuckte die Achseln. Sie wusste nicht, ob die Slytherins sich interessierten, wer ins Gryffindorteam kam. Sie wusste nicht mal recht, ob sie sich dafür interessierte.

 

„Oh, seltener Besuch in unseren Rängen!“, begrüßte Blaise sie, und Hermine hob den Blick. Er hatte irgendwas an sich, was sie fast beunruhigend fand. Es war nichts Unfreundliches, aber auch er musterte sie mit einem unverhohlenen Interesse. Aber er war nie unfreundlich zu ihr gewesen. Ihre Slytherin-Vorurteile begannen sich langsam aufzulösen.

 

Zumindest fast.

 

Malfoy erschien hinter ihm. Zwar war das zu erwarten gewesen, aber Hermine blendete ihn immer aus. Sie fand ihn nervtötend. Wirklich. Lavender hatte sich auf ihrem Platz ein Stück vorgelehnt, um Malfoy wohl verhohlen zu betrachten. Es quetschten sich noch einige Mädchen in die zweite Reihe hinter Blaise und Malfoy.

 

Und Blaise deutete auf den Platz neben Hermine. „Bitte, Draco“, sagte er freundlich. Fast zu freundlich. Zuerst schien Malfoy etwas sagen zu wollen, zögerte aber.

 

Er bedachte sie mit einem seltsamen Blick. Fast prüfend. Er sah müde aus, stellte sie fest. Sie bemerkte, dass Pansy ihn ignorierte, ihn nicht einmal ansah. Sein Blick war ihr nicht zu deuten. Fast ungläubig setzte er sich dann aber wortlos neben sie. Sie sah, wie er den Mund verzog. Er hatte wohl noch Schmerzen. Sie erinnerte sich wieder an seine scheußliche Wunde, an sein unmögliches Benehmen. Er würdigte sie mit keinem Blick mehr, starrte stumm hinab auf das Feld und wirkte, als würde er einem öffentlichen Hängen auf dem Marktplatz beiwohnen, anstatt einem viel zu gehypten Auswahlspiel.

Der Wind spielte mit seinen hellen Strähnen und ihr war es vorher nicht aufgefallen, aber seine Hautfarbe wirkte wieder wesentlich gesünder. Er hatte die letzte Nacht nicht gut ausgesehen. Ihren Eltern wäre so etwas niemals entgangen!

 

Sein Blick traf sie so unerwartet, dass sie innerlich zusammen zuckte und sofort den Kopf nach vorne drehte.

 

Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie starrte.

 

Unter ihnen passierte endlich etwas. Harry hatte seinen Besen bestiegen und stieg höher in die Luft. Er rief irgendwelche Worte zur Begrüßung und forderte dann alle diejenigen auf, die als Jäger fliegen wollten, die Besen zu besteigen. Hermine nahm an, er tat dies Ginny zu Liebe. Sie entdeckte Rons roten Schopf am Boden des Feldes. Er wanderte nervös auf und ab.

 

„Potter wählt die kleine Weasley bestimmt wieder ins Team“, bemerkte Blaise, wohl um irgendetwas zu sagen.

 

„Ich denke, es wäre die Hölle im Paradies los, wenn er das nicht täte“, schloss Pansy knapp. Malfoy sagte dazu nichts, beobachtete die Formation der Jäger und drehte abwesend den silbernen Ring um seinen Zeigefinger.

Nein, Hermine fühlte sich hier nicht wohl.

 

So wie sie es einschätzen konnte, flog Ginny nicht übel. Wie immer. Sie wirkte selbstbewusst und ließ den Quaffel kein einziges Mal fallen. Das kommentierte auch Blaise und knuffte Malfoy ab und an in die Seite, um ihn zum Gespräch zu animieren. Aber Malfoy blieb dabei genauso stumm wie vorher. Auch die Süßigkeiten, die die Mädchen aus der zweiten Reihe zu ihm nach vorne reichten, lehnte er stumm ab. Er war eine ziemliche Spaßbremse, überlegte Hermine düster, während sie das Auswählen in die Länge zog.

 

Endlich ernannte Harry Ginny, ein weiteres Mädchen mit dunklen Haaren, was Hermine nicht kannte, und Cormac McLaggen zu den Jägern.

Jubel brach auf den Gryffindorrängen aus, und Hermine und Lavender tauschten einen kurzen hilflosen Blick. Sie würden einfach still zusehen, beschlossen sie beide stumm, als sie wieder nach vorne blickten.

Hermine erkannte, dass sich der Platz neben Percy gefüllt hatte. Ein winziger Lucas Diggory stand wohl auf Zehenspitzen am Geländer und hatte die Arme begeistert in die Luft gerissen, während sich Percy zu ihm vorgelehnt hatte und ununterbrochen sprach.

 

Hermine musste grinsen.

 

„Ich bin zu spät, ich bin zu spät, entschuldigt bitte!“, ertönte plötzlich die Stimme von Luna Lovegood über allen Tribünen. Hermine wandte überrascht den Kopf zur mittleren Tribüne, wo die Lehrer und Besucher sonst saßen. Da stand eine schlecht gelaunte McGonagall neben einer freudestrahlenden Luna Lovegood. „Mehrheitlich wurde abgestimmt, dass auch die Auswahlspiele kommentiert werden sollen, und ich freue mich, diese Aufgabe zu übernehmen.“

 

„Besser als Lee Jordan ist sie alle mal“, bemerkte Blaise lachend.

 

„Das siehst du vielleicht so“, erwiderte Malfoy. Es war das erste, was er bis jetzt gesagt hatte. Er verschränkte gelangweilt die Arme vor der Brust. Sie verdrehte von ihm genervt die Augen. Aber er hatte diese Geste wohl aufgefangen. Sie spürte seinen Blick auf sich, aber er sagte nichts.

 

„Ich kündige nun die erste Aufstellung an! Harry Potter bleibt dem Gryffindorteam als Sucher erhalten! Potter als Held und Kapitän der Mannschaft kann nur ein Gewinn sein!“, rief Luna, und alle johlten. Sie hörte Malfoy knurren, ehe er sich erhob. Aber Blaise griff in seinen Arm.

 

„Ruhig, Malfoy. Hab einfach mal ein klein wenig Spaß, ok? Du wirst sehen, es wird dich nicht umbringen“, erläuterte Blaise ruhiger als Hermine es bei Malfoys Anblick gewesen wäre.

 

„Zuzusehen, wie das Arschloch als Held gefeiert wird, kenne ich zur Genüge, danke, Blaise“, erwiderte er kalt, während er immer noch stand.

 

„Er ist kein Arschloch, du unfreundliches Ekel!“, entrüstete sich Hermine zornig neben ihm und sah kalt zu ihm auf. Er senkte den Blick auf sie.

 

„Am besten sagst du das in unseren Rängen nicht zu laut, Granger“, informierte Malfoy sie tatsächlich gepresst. Hermine bemerkte die bösen Blicke der Mädchen hinter sich. Schon war sie auf den Beinen und ignorierte, wie Lavender peinlich berührt ihr Gesicht in ihren Händen vergraben hatte. Malfoy wirkte fast verblüfft über ihren Mut.

 

„Und welche Ränge meinst du, Malfoy? Die Ränge der Slytherins oder die Ränge der Tod-“

 

„-die neuen Jäger sind Ginny Weasley, eine fabelhafte Freundin von mir, die bezaubernde Keira Crown und Cormac McLaggen, der besonders liebe Grüße an Hermine Granger schickt!“, rief Luna, und Malfoys Stirn zog sich in krause Falten. Hermine blinzelte mehrfach. „Wo ist Hermine denn?“, ertönte Lunas Stimme magisch verstärkt über das Spielfeld. Oh, Merlin noch mal! „Ah, da hinten, auf der Slytherintribüne. Was treibt sie da wohl?“ Hermine schloss die Augen.

 

„Meine Güte, setzt euch hin!“, zischte Pansy neben ihnen. Hermine sank beschämt auf ihren Platz zurück. Auch Malfoy ließ sich von Blaise wieder auf die Bank ziehen.

 

„Cormac?“, wisperte Lavender interessiert. Hermine hatte nur einen Liebesbrief von Cormac bekommen. Und das war drei Jahre her. Drei ganze Jahre, in denen er nicht ein Wort mehr mit ihr gesprochen hatte. Und wenn sie ehrlich war, dann war das auch gut so! Denn Cormac rangierte ungefähr, wo sich auch Malfoy befand – sehr weit unten.

 

„Keine Ahnung“, flüsterte Hermine zurück. Peinlich. Es war einfach unglaublich peinlich.

 

Harry stellte jetzt eine Reihe an Treibern auf, während Hermine noch immer mit ihren roten Wangen zu kämpfen hatte. Das ging schneller, denn die meisten Treiberkandidaten wurden von ihren Klatschern vom Besen gehauen. Bei jedem der aus der Luft stürzte, keuchte die Menge an Schülern auf und lehnte sich hastig nach vorne, aber Madame Hooch bremste jeden der Stürze erfolgreich.

 

„Die neuen Treiber, meine Damen und Herren: Dean Thomas und Corvin Beckett.“ Hermine klatschte bestätigend  in die Hände. Sie sah wie Dean triumphierend zur Lehrertribüne hochflog und Luna etwas zurief. Diese reckte den Daumen in die Höhe. „Oh, und Dean richtet ebenfalls besonders liebe Grüße an Hermine Granger!“ Hermine hörte, wie die Schüler anfingen zu lachen und zu pfeifen. Hermine legte sich die Hand über die Augen.

 

Wahnsinnig witzig. Dean würde später noch von ihr zu hören kriegen, schwor sie sich stumm. Sie hörte wie Malfoy neben ihr zornig die Luft ausstieß.

 

Endlich kamen die Torhüter dran. Es waren etliche Bewerber mehr als letztes Jahr. Ron wirkte höchst konzentriert, als der erste Kandidat war den Ringen schwebte. Hermine kannte ihn. Es war ein Zweitklässler, aber leider war er zu klein, als dass er alle Torringe hätte schützen können. Er bekam dennoch Applaus von der Menge. Nicht von den Slytherins, natürlich. Harry rief Ron nach oben. Pansy kaute mittlerweile auf ihren Fingernägeln.

 

„Komm schon, Weasley. Bitte, bitte, lass sie durch!“, flehte sie abwesend. Hermine musste kurz schmunzeln. Pansy stand praktisch, als Ron den ersten Quaffel mit Bravour gefangen hatte. Hermine klatschte so laut wie möglich.

„Oh verflucht!“, schimpfte Pansy neben ihr, nahm den Blick aber nicht von Rons Gestalt.

 

Die Gryffindorränge hatten begonnen „Weasley ist unser King“ anzustimmen. Und Hermine merkte, wie Ron sich merklich entspannte. Er hielt auch die nächsten Quaffel, einen sogar nur mit dem Fuß. Die Menge johlte, während Malfoy neben ihr dazu übergegangen war, noch tiefer in seinen Sitz zu sinken.

 

Ron hatte jeden Quaffel gehalten, und Hermine wusste, er würde den Platz bekommen. Er riss triumphieren die Hand in die Höhe, als er wieder landete. Es folgten noch drei weitere Torhüter, die aber jeder den ersten Quaffel nicht halten konnten, und schon nach jedem ersten Treffer tobte die Gryffindortribüne.

Harry brauchte am Schluss nicht anzukündigen, wer der Torhüter von Gryffindor werden würde, und nun flog auch Ron zu Luna hoch. Hermine biss sich auf die Lippe. Denn Grüße von Ron würde sie nur zu gerne entgegen nehmen.

 

Luna lachte laut über die Menge. „Der neue Torhüter, der König der Torhüter, lässt Professor Weasley ausrichten, dass er ihn gerne zu einem Mann-gegen-Mann Quidditch-Match herausfordernd möchte, in Professor Snapes Garderobe!“, rief sie zu Percy hinüber, während die Schüler sich vor Lachen kringelten. „Und er entschuldigt sich bei Pansy Parkinson, dass er leider alle Quaffel gehalten hat!“, schloss Luna, und Hermine seufzte kurz.

 

Pansy hatte den Mund verzogen, aber Hermine sah, wie ihre Mundwinkel kurz zuckten. Ron hatte Pansy erwähnt. Sie wusste nicht, ob das irgendwas zu bedeuten hatte. Eigentlich hatte sie sich nur Sorgen gemacht, dass er vielleicht noch Interesse an Lavender hatte. Hermine warf Pansy einen argwöhnischen Blick zu, aber Pansy verfolgte immer noch, wie Ron Siegeskreise über den Rängen drehte.

 

„Schade, dass es keine neue Sucherauswahl gibt“, bemerkte Malfoy spöttisch neben ihr, ehe er sich erhob, und die Mädchen hinter ihm sprangen regelrecht von ihren Sitzen. Auch Blaise folgte ihm und klopfte ihm auf die Schulter.

 

~*~

 

Es war kurz vor sieben, als Hermine den Gemeinschaftsraum verließ, um ein entspannendes Bad zu nehmen. Es herrschte immer noch Feierstimmung im Gemeinschaftsraum. Ron war auf Höchsttouren. Hermine hatte sich lächerlich albern gefühlt, als sie kurz beleidigt gewesen war, dass er ihr Aussehen nicht kommentiert hatte. Sie wusste selber, wie dumm es von ihr war.

 

Vielleicht brauchte es einfach nur Schlagsahne und einen Bikini, überlegte sie bitter, während sie die Tür zum Badezimmer erreichte.

 

Das Portrait schwang zur Seite und sie betrat den weiten, gefliesten Raum. Verwirrt blieb sie stehen. Die Wanne war bereits gefüllt.

 

„Lass dich nicht aufhalten“, erklärte er gedehnt, und sie schrak zusammen, als sie fast aufgeschrien hatte, vor Überraschung über seine Erscheinung. Er lehnte an der Wand, wirkte aber weder entspannt, noch besonders freundlich.

 

Nein, er wirkte, als er hätte er auf sie gewartet. Und aus keinem guten Grund.

 

„Was… was tust du hier?“, entfuhr es ihr heiser. Er trug seine Uniform noch und eine eisige Kälte ging von ihm aus. „Ich habe mich eingetragen!“, ergänzte sie kleinlaut. Dann stieß er sich wortlos von der Wand ab und schritt auf sie zu.

 

Ihr Herzschlag beschleunigte sich fast augenblicklich als er auf sie zukam. Aber sie hatte einen Zauberstab. Sie brauchte keine Angst vor ihm haben.

 

Aber sie hatte Angst vor ihm.

 

„Möchtest du mir irgendetwas sagen, Granger?“, sagte er plötzlich, als er vor ihr stand.

 

„Was?“, flüsterte sie, ängstlicher als es ihr lieb war.

 

Er sah sie an. „Welche meiner unzählig positiven Eigenschaften war es, die dich überzeugt hat?“, wollte er eisig von ihr wissen. Sie starrte ihn an. Blinzelte ein paarmal, und ihr Mund öffnete sich  verwirrt.


„Wovon redest du?“, fragte sie, aber er schien ihr nicht zuzuhören.

 

„Ich dachte, wir hätten ein klärendes Gespräch gehabt, du und ich“, fuhr er gefährlich ruhig fort. „Zwar war ich nicht in Topform, in dieser Nacht, aber ich glaube, mein Gedächtnis funktioniert noch gut genug, oder nicht?“, fuhr er sie schließlich etwas lauter an.

Aber noch schrie er nicht.

 

„Ich weiß nicht, was du von mir willst“, schaffte sie zu sagen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Augen flogen über sein Gesicht, seine blauen Augen, seine ganze angsteinflößende Erscheinung.

 

„Wirklich nicht?“, sagte er tatsächlich, und seine Mundwinkel kräuselten sich verächtlich, voller Ungeduld. „Dann lass mich dir auf die Sprünge helfen, Granger.“ Die Art und Wiese wie er sprach, machten ihr mehr Angst als jeder Fluch, den er äußern könnte.

„Hast du meinen Eltern geschrieben?“, wollte er langsam von ihr wissen, und sie sah ihn an.

 

Dann begriff sie.


„Ja! Ja, habe ich! Am Anfang der Woche!“, rief sie aus.

 

„Und was hast du geschrieben?“ Es war nicht wirklich eine Frage, fiel ihr auf. Es klang wie eine Frage, aber sein Ausdruck verriet ihr ganz klar, dass er wohl wusste, was sie geschrieben hatte.

 

„Ich habe… deiner Mutter geschrieben, dass ich dich auf keinen Fall heiraten will!“, erklärte sie entrüstet. „Was denkst du, was ich geschrieben habe?“, fuhr sie ihn zornig an.

 

Er sah sie an. „Nein, hast du nicht“, sagte er nur. Kälte kroch in seine Worte. Eine unangenehme Kälte. Hermine begriff zuerst nicht, was es bedeutete, aber ihre Instinkte sprangen alle auf einmal an.

 

„Was? Natürlich!“

 

„Nein“, widersprach er und kam einen Schritt näher. Aber sie vergaß, zurückzuweichen, denn was er sagte, war absurd.


„Doch, Malfoy“, beharrte sie und stemmte die Hände herausfordernd in die Hüften.

 

„Nein, hast du nicht“, brachte er gepresst hervor.


„Doch, ich-“

 

Oh Gott! Nein, hatte sie nicht!!! Sie hatte nicht geschrieben, dass sie ihn nicht heiraten wollte! Sie hatte seinen Eltern einen Vortrag darüber gehalten, dass sie sich nicht ausreichend um ihren Sohn kümmerten! Oh nein! Oh Merlin!

 

Ihr Blick hob sich ertappt zu seinem Gesicht, und sein Kiefermuskel zuckte angespannt.

„Hast du nicht“, wiederholte er ein letztes Mal und Horror trat in ihren Blick. Sie spürte es. Sie hob die Hand zu ihrem Mund.

 

„Aber… das lag doch klar auf der Hand“, flüsterte sie undeutlich.

 

„Ich habe dich nur um diese eine Sache gebeten“, fuhr er unbeeindruckt fort, während sie vor ihm zurückwich. „Nur diese eine“, wiederholte er, als sie die Wand im Rücken hatte, und panisch zu ihm auf starrte. „Und ich frage mich ernsthaft, was in deinem Kopf schief läuft.“


„Malfoy-“

 

„-denn jetzt ist es zu spät“, unterbrach er sie fast ruhig. Ihr Mund öffnete sich sprachlos. Zu spät für was…? Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.

 

„Hör auf so zu reden!“, flüsterte sie panisch.


„Mein Vater war hier am Montag“, fuhr er kälter fort. Sie schüttelte weiterhin den Kopf. „Er hat sich gehalten gefühlt, mich zu informieren, dass, wenn ich mich weigere, dich zu heiraten, ich aus der Familie verstoßen werde!“ Und jetzt hatte er angefangen zu schreien.

„Wie konntest du mir das antun, Granger? Sag mir, was ich dir getan habe! Wie konntest du?“, schrie er so laut, dass seine Stimme blechern klang.

 

Sie hielt sich die Ohren zu und schüttelte den Kopf, aber er überschritt die Linie, die feine Grenze des Abstands zwischen sich und ihr. Er packte ihre Schultern fest, zwang sie, ihn anzusehen. „War das dein scheiß Plan?“, schrie er, schüttelte sie und ihre Hände fielen von ihren Ohren.

 

„Malfoy…“, flüsterte sie zitternd, denn natürlich war es nicht wahr. Es passierte nicht wirklich. „Ich werde das klären!“, versprach sie ängstlich. „Lass mich los, ich-“

 

„-es ist zu spät!“, erklärte er außer sich. „Es gibt nichts zu klären!“

 

„Meine Eltern würden niemals erlauben, dass ich dich heirate! Niemals!“, beharrte sie mit Tränen in den Augen.

 

„Ich bin sicher, deine Eltern wurden von meinen Eltern bereits unterrichtet und haben dieselbe Gehirnwäsche bekommen, die dein verdammtes Schlammbluthirn bereits bekommen hat“, knurrte er.

 

Das Wort brachte sie dazu, den Mund zu verziehen. Er registrierte es sofort.

 

„Und tu nicht so, als wüsstest du nicht, wie ich dich nenne! Tu nicht so, als wäre dir das entgangen, bei deinem Plan, an mein Gold zu kommen!“, fuhr er sie an.


„Mich interessiert dein Gold nicht, du Arschloch! Und jetzt lass mich los!“, fuhr sie ihn heiser an. Sie wehrte sich in seinem Griff, aber freudlos lachte er auf.


„Das glaube ich dir nicht. Du hast das alles geplant. Ist es das, was du wolltest? War dir den Sommer über langweilig, und du hast nichts Besseres in deinem Kopf gewusst, als zu überlegen, wie man Draco Malfoy zu Fall bringen könnte?“, schrie er wieder, und diesmal sah sie es in seinen Augen. Ein Glanz hatte sich über das eisige Grau gelegt. Tränen.

„Herzlichen Glückwunsch, Granger! Denn ich habe keinen Ausweg!“ Seine Stimme brach, und sie zitterte nur noch mehr vor Angst.

 

„Nein“, flüsterte sie, schüttelte wieder und wieder den Kopf, und jetzt hob er den Blick. Verzweiflung und Hass vermischt. „Nein!“, wiederholte sie tonlos, mit aufgerissenen Augen, als sein Griff fester wurde. Sein Blick war erbarmungslos.

 

Seine Stimme war dunkel als er sprach. „Du hast keine Ahnung, was du dir gewünscht hast. Und was du jetzt bekommst. Ich verspreche dir, es wird die Hölle auf Erden für dich werden, Granger.“ Eine dunkle Drohung lag in seinen Worten, die ihr die Luft aus den Lungen nahmen. Ihr Atem ging flacher, und sie schüttelte wieder und wieder den Kopf. „Ich hasse dich dafür“, versprach er ihr fast. „Das ist es, was du willst?“ Er presste sie übergangslos fester gegen die kalte Wand. Sie zuckte zusammen.

 

„Nein“, flüsterte sie unter Tränen.

 

„Ich denke schon. Dann bitte. Du willst es, dann bekommst du es, verflucht noch mal!“, donnerte seine Stimme. „Und ich hoffe, du hasst mich, Granger! Ich hoffe, du hasst mich so sehr, dass du irgendwann bereuen wirst, was du begonnen hast!“, knurrte er.

 

Ihre Augen waren weit aufgerissen, als er sich gegen sie zwang, als er den Kopf senkte, als er sie küsste.

 

Nein!!!

 

~*~

 

Es war passiert, ohne dass er es geplant hatte. Er hatte von Pansy nur erfahren, dass Granger sich an diesem Abend in den Plan für das Badezimmer der Vertrauensschüler eingetragen hatte. Er hatte von Pansy das Passwort verlangt, was sie ihm widerwillig genannt hatte, denn er wusste solche lästigen Kleinigkeiten nicht. Und das war alles gewesen.

 

Er brauchte… Worte. Er hatte gewollt, dass sie ihm erklärte, warum zur Hölle sie ihn heiraten wollte! Und er fand Pansys Theorie so einleuchtend. Natürlich wollte Granger sein Gold. Was sollte sie sonst wollen?! Und als Bonus bekam sie ihn noch dazu. Er wusste, er war beliebt genug, um jede eventuell zu bekommen, die er wollte. Und Granger nutzte es aus! Das musste sie tun.

 

Und irgendwie hatte sie seine Eltern um ihren Finger gewickelt. Er hatte ja schon vor einigen Wochen gesehen, wozu sie fähig war!

 

Und jetzt…? Jetzt tat er nur, was er eben tat, weil er nichts weiter wusste, was er tun sollte. Und das sollte es doch sein, was das Miststück wollte, oder nicht?

Und er war erbärmlich genug, um es ihr zu geben, dabei praktisch zu weinen und sich gleichzeitig übergeben zu wollen.

 

Sie wollte das doch!

 

Seine Lippen lagen auf ihrem Mund, verschlossen ihren heißen Protest, und er musste es tun, denn er war so wütend auf sie. Wie konnte sie das tun? Merkte sie es denn nicht? Sie passten nicht.

 

Er und sie.

 

Sie passten nicht zusammen. Es funktionierte nicht. Es widerte ihn an, sie zu berühren, sie zu küssen, sie zu zwingen, einzusehen, wie falsch das hier war! Aber sie musste das doch einsehen? Wer sollte all das Chaos sonst noch verhindern?

 

Seine Hände lagen auf ihrem Gesicht, hielten es beinahe ruhig, während er die Augen fest geschlossen hatte. Fast verlor er sich in diesem unglücklichen Moment, und begriff, wie tief er gesunken war. Dass er schon so verwirrt war, dass er sich praktisch mit seinem Schicksal abfand und tatsächlich Granger küsste! Ihr auflauerte, sie zwang zuzuhören und sie anschließend küsste!

 

Und sie nutzte seine Schwäche in diesem Moment tatsächlich aus.

 

Aber es war nicht wirklich Schwäche. Er antizipierte jede ihrer Bewegungen, denn er testete nur. Er wollte sie nur ausprobieren, sie schmecken, fühlen, ob irgendwo irgendwelche Wahrheiten verborgen lagen, die er nicht begreifen konnte. Wollte wissen, ob sie ihn wirklich wollte, warum sie diese Dinge tat.

 

Und sie schubste ihn hart, schlug gegen seine Brust, wehrte sich mit aller Macht unter tausend Tränen, befreite sich von ihm, fing an zu schreien… Worte, die er nicht verstand. Worte, die unbedeutend geworden waren – denn wie sollte sie einen Ausweg wissen?

Sie wollte doch keinen Ausweg! Sie war doch schuld.

 

Sie schrie irgendetwas, und stieß ihn hart, so dass er stolperte.

 

Er griff nach ihrem Handgelenk.

 

Es passierte schnell. Sie fielen beide.

 

Ins Wasser.

 

Kurz blieb er unter dem heißen Wasser, hielt die Augen geschlossen und Stille füllte seinen Kopf. Dann tauchte er wieder auf. Er kämmte sich die nassen Haare mit den Fingern nach hinten über den Kopf.

 

Schwer atmend standen sie im hüfttiefen Wasser, beide nass. Beide angezogen. Und es erinnerte ihn an den Abend in Malfoy Manor, wo sie ihn auch in den Pool geschubst hatte. Es kam ihm Jahre entfernt vor. Wasser perlte über ihr Gesicht. Sie wirkte panisch und überfordert.

 

Er watete durch das Wasser zu ihr, wieder trat diese scheiß Angst in ihren Blick, die er ihr am liebsten vom Gesicht fluchen würde.

 

Sie schrie nicht mehr. Das war immerhin etwas Positives. Sie sah zu ihm auf, bereit sich wieder zu streiten. Er war so müde. Es strengte ihn an.

Er hatte nicht gewusst, wie müde er wirklich gewesen war, das gesamte Jahr über.

Und war sie es? War sie seine einzige Chance, sein Vermögen zu behalten? Und was sollte er sagen? Was sollte er seinen Eltern unterstellen? Dass sie wussten, was gut war und was nicht? Er traute es kaum jemandem zu, zu wissen, was gut war und was nicht. Vielleicht Potter. Aber er hasste Potter. Wussten alle Leute, was gut war, die er hasste? War das die Wahrheit in den Dingen, die er nicht verstand.

 

Ihr Blick verlor an Panik, fiel ihm auf. Keiner hatte bisher etwas gesagt. Er hätte nicht gewusst, was er sagen sollte.

 

Bestand die Möglichkeit, dass es egal war? Dass es nur ein Trick war? Eine Strafe seiner Mutter, weil sie ihn genauso hasste wie sein Vater ihn hasste? Sein Leben war ein trostloser Ort. Dass seine Strafe ein Leben mit einem Schlammblut sein sollte, erschien ihm nicht allzu weit hergeholt.

 

Die Worte seines Vaters verfolgten ihn wie böse Träume. Niemand interessierte seine Zukunft. Niemand fragte nach ihm. Er war unbegabt für Quidditch. Er war kein Schulsprecher. Er war gar nichts.

 

Er war Draco Malfoy.

 

Wer?

 

Malfoy. Nein, er brachte ja Schande über den Namen seiner Väter!

 

Draco. Er war Draco. Draco Niemand.

 

Seine Augen schlossen sich unwillkürlich. Er weinte nie vor anderen. Er weinte nie. Und jetzt kamen ihm seine Tränen heißer als das Badewasser vor, was er vor fünfzehn Minuten eingelassen hatte.

 

„Malfoy?“ Sie sprach. Er hörte ihre Stimme. Er wischte sich zornig über die feuchten Augen. Er hoffte nur, man konnte das Badewasser von den Tränen nicht unterscheiden. Er öffnete blinzelnd die Augen, aber sie sah es. Er wusste, sie sah es. Ihr Mund öffnete sich fast ratlos. So endlos überfordert. Mit ihm. Sie konnte ihn nicht einordnen. Ihre Haare waren jetzt glatt, fiel ihm auf. 

 

Kurz spannte sich sein Kiefer an. Ihr Blick war zu viel. Sie sollte ihn verflucht noch mal hassen! Er wollte keine Sorge in ihrem Blick erkennen! Nicht jetzt! Nicht, nachdem er… - Und ehe sie sprechen konnte, ehe er sprechen würde oder noch mal so etwas endlos Dummes tun würde wie vorhin, watete er hastig zu der schmalen, im Wasser eingelassenen, Treppe.

 

Er verließ das Badezimmer der Vertrauensschüler tropfnass. Ohne einen Blick zurück.

 

 

Kapitel 14

 

Sie stand alleine vor ihrem Bett, und ihr Herz schlug mit jedem Wort schneller. Sie hatte den Brief ihrer Mutter schon fast vergessen, aber jetzt zitterte er in ihren Händen.

Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich trocken zu hexen. Sie war pitschnass aus dem Badezimmer der Vertrauensschüler geflohen, hatte nicht einmal das schaumige Wasser aus der Wanne gelassen, war einfach nur gerannt.

 

Im Gemeinschaftsraum hatte sie nicht reagiert, als Parvati sie auf ihren nassen Zustand angesprochen hatte. Hermine las die Worte wieder und wieder, ohne sie begreifen zu können.

 

Hermine,

wir haben uns gestern mit den Malfoys getroffen. Mr Malfoy war so freundlich, uns von deiner Entscheidung zu unterrichten. Ich weiß wirklich nicht, was wir dazu sagen sollen!

Uns ist natürlich aufgefallen, dass du dein Augenmerk in diesem Sommer auf etwas anderes gerichtet hattest, als Ferien im Fuchsbau, aber ich bin ehrlich gesagt mehr als nur schockiert über deine Entscheidung.

Eine Heirat mit kaum achtzehn Jahren ist ein schwieriger Schritt, und ich weiß nicht, ob dein Vater und ich uns einfach so damit abfinden können. Vor allem, ohne den Jungen vorher kennengelernt zu haben.

Mrs Malfoy ist eine sehr umgängliche Person, das möchte ich nicht bezweifeln, aber Hermine, du hast und nie von Draco Malfoy erzählt.

Seine Familie gehörte zu den Todessern, so viel habe ich verstanden. Es ist eine ungewöhnliche Verbindung, finde zumindest ich.

Dein Vater und ich möchten gerne mit dir persönlich sprechen – und dem Jungen. Ich habe gesehen, über wie viel Geld die Malfoys verfügen, und es wäre mit Sicherheit eine Absicherung deinerseits, aber wieso hast du nie ein Wort gesagt?

Zwar habe ich dir gesagt, dass dein Vater und ich dich in der magischen Welt nicht weiterbringen können, aber ich habe damit bestimmt nicht gemeint, dass du als Teenager heiraten musst.

Was sagen Ronald und Harry überhaupt dazu?

Du würdest eine ernste Verbindung eingehen, so viel habe ich gestern verstanden. Lucius Malfoy nimmt eure Entscheidung so ernst, dass bereits ein Termin feststeht! Der 20. Dezember. Dein Vater und ich haben dort unseren Urlaub gebucht und müssen ihn nun absagen, Hermine. Ich kenne dich nicht so impulsiv.

Ich weiß, ich werde dich nicht davon abhalten können, den Jungen zu heiraten, denn selbst, wenn ich es dir verbieten würde, hättest du dann wahrscheinlich genug Geld, damit es dir egal sein könnte, was wir davon halten.

Ich möchte dir nur sagen, dass junge Liebe schnell vergehen kann. Und falls er dir irgendetwas versprochen hat oder irgendetwas gegen dich in der Hand hat, dann bitte, sag es mir! Oder bist du schwanger? Weißt du, es gibt kein Problem, was wir nicht lösen können. Du musst keine Angst haben. Und wenn es denn nun aus Liebe geschieht, dann werden dein Vater und ich uns natürlich fügen. Fügen müssen, denn Mrs Malfoy hat die Einladungen bereits schreiben lassen. Sie scheint damit besser umgehen zu können als dein Vater und ich. Es scheint Tradition zu sein, jung zu heiraten, unter Reinblütern.

Du scheinst all das besser zu wissen, denn Mrs Malfoy sagt, du stehst mit ihr in Kontakt und alles ist besprochene Sache.

Deshalb lass mich bitte wissen, was geschehen ist und warum du dich nicht eher an uns gewandt hast?

Mir ist klar, dass du keinen unserer Verwandten einladen kannst, wegen all der Zauberer, aber dein Vater und ich hätten uns gewünscht, dass du zuerst zu uns gekommen wärst.

Sie haben uns bereits versichert, alle Kosten zu übernehmen und für euch aufzukommen, euch sogar ein eigenes Haus auf dem Grundstück zu errichten.

Es gibt wohl nicht viel, was wir dagegen vorzubringen hätten.

Dein Vater und ich sind nur enttäuscht, dass du mit deinen Wünschen nicht zuerst zu uns gekommen bist. Das war es, was ich dir sagen wollte.

Alles Liebe,

deine Mutter Rose

 

Sie hatte ein heißes Gefühl in ihrer Magengegend. Ihrer Mutter fand sich ab?! Einfach so, weil sie glaubte, es wäre ihr, Hermine, wirklich ernst, Draco Malfoy zu heiraten?! Das war doch einfach nur absurd!

 

Sie fühlte sich bodenlos. So schrecklich ausgenutzt. Und Tränen der Wut bildeten sich in ihren Augen, denn sie war wahrscheinlich auch noch selber schuld an dieser Situation!

 

„Hermine?“ Sie erkannte Ginnys Stimme und fuhr erschrocken herum, den Brief hinter ihrem Rücken versteckt. „Ist… alles in Ordnung?“ Ginny betrachtete Hermines nassen Aufzug mit argwöhnisch erhobener Augenbraue. „Ich wusste, du wolltest baden gehen, aber… ich dachte, du ziehst vorher deine Kleidung aus?“, witzelte Ginny, aber sie wirkte ein wenig ratlos.

 

„Es ist… - ich…“, begann Hermine etwas atemlos, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wollte es Ginny sagen. Sie musste es doch wohl irgendwem sagen?! Und ihre Mutter fragte, was Harry und Ron dachten? Merlin, Hermine konnte sich ausmalen, was sie denken würden! Es war doch vollkommen verrückt!

 

Und sie hatte nichts getan! Sie hatte keine Ahnung, wie es dazu hatte kommen können! Hatte sie Narzissa noch irgendeine Art von rationalem Menschenverstand unterstellt, war sie jetzt eines besseren belehrt worden.

 

„Ginny, ich…“ Sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte. Wie man so etwas sagen sollte! „Ich glaube, ich…“, fuhr sie fort, und Ginny verschränkte gespannt die Arme vor der Brust. „Ginny, in den Ferien sind seltsame Dinge passiert, und ich… konnte nicht wirklich etwas dafür. Es ist… einfach…passiert!“, begann Hermine und hörte den rechtfertigenden Ton, den ihre Stimme bereits angenommen hatte.

 

„Jaah, ich weiß“, sagte Ginny nur. „Ich meine, sechs Wochen alleine im Ministerium arbeiten, bei den Malfoys auf Poolpartys gehen, Pansy Parkinson nicht den Hals umdrehen, weil sie Schulsprecherin geworden ist und nicht du, das ist schon eine Menge seltsames Zeug“, spottete Ginny zwinkernd.

 

„Ich bin verlobt, Ginny“, entfuhr es Hermine vollkommen tonlos. „Und ich weiß nicht, wie ich es rückgängig machen kann.“

 

Ginny starrte sie an, als hätte sie nicht verstanden. Sie schien darauf zu warten, dass Hermine ihr sagte, es wäre ein Witz.

 

„Ginny?“, wiederholte Hermine ernst.

 

„Hermine…“, begann Ginny verwirrt und betrat nun ganz den Schlafsaal der Siebtklässlerinnen. „Wovon sprichst du? Wieso solltest du verlobt sein?“ Sie klang vollkommen entgeistert, als wäre Hermine verrückt geworden und spräche wirres Zeug.

 

„Weil ich… weil ich – keine Ahnung! Ich bin es jetzt!“ Sie wischte sich die nassen Strähnen aus der Stirn. „Ich hätte niemals damit gerechnet! Ich dachte, es wäre ein Spaß – zuerst! Dann habe ich geglaubt, alle wären verrückt geworden!“, rief sie verzweifelt. „Und jetzt… jetzt…“ Sie brach kopfschüttelnd ab. „Jetzt schreibt mir meine Mutter, dass sie ihren Urlaub absagen muss, wegen der Hochzeit!“

 

„Welche Hochzeit?“, wagte Ginny vollkommen perplex zu fragen. Hermine sah sie an.

 

„Meine! Meine Hochzeit, Ginny!“

 

„Und… und wen heiratest du? Cormac McLaggen? Dean Thomas?“, vermutete Ginny vorsichtig, denn sie schien wirklich zu glauben, Hermine hätte nicht mehr alle Zacken in der Krone. Oh Merlin!

 

Und es klang mehr als widersinnig in Hermines Ohren.

 

„Nein, ich heirate Draco Malfoy. Am…“ Sie überflog noch einmal die Zeilen des Briefes, „am 20. Dezember!“, rief sie hysterisch aus. Und Ginnys Mund hatte sich entgeistert geöffnet.

 

„Hermine, ich weiß… es ist alles schwierig. Ron ist Schulsprecher und du-“


„-Ginny!“, fuhr Hermine sie an.


„-und Hogwarts ist anstrengend im siebten Jahr, ich weiß das! Meine Brüder waren alle komisch – oder sind es! Guck dir Ron an-“

 

„-Ginny, ich bin nicht verrückt geworden!“, versicherte Hermine ihr ungläubig.

 

„Du heiratest Draco Malfoy am 20. Dezember? Wirklich, Hermine? Komm, wir gehen zu Madame Pomfrey. Es gibt tausend Beruhigungstränke für Lernstress, Hermine.“ Ginny bot ihr den Arm an. Hermines Mund öffnete sich langsam.

 

Ginny glaubte ihr nicht. Ginny glaubte ihr nicht!

 

Natürlich nicht. Hermine glaubte sich selber nicht.

 

„Ginny-“, begann sie erneut, aber Ginny schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln.

 

„Ach Hermine, es ist ein netter Witz. Eine gute Geschichte, wirklich. Aber… es ist doch ein wenig… weit hergeholt, findest du nicht?“, wagte sie zu sagen, und Hermine nickte heftig.

 

„Ja! Ja, es ist weit hergeholt, aber… nichtsdestotrotz ist es wahr“, schloss sie kopfschüttelnd.

 

„Ich… ich hole Ron, ok?“, schlug Ginny jetzt vor, denn sie schien nichts Besseres auf Lager zu haben. Hermine sah sie entgeistert an. „Oh. Nein, er ist auf Patrouille, aber… später hole ich Ron, versprochen!“ Dann verdrehte Hermine die Augen.

 

„Ron wird nicht helfen können. Und es wäre mir recht, wenn du es niemandem erzählen würdest“, informierte sie Hermine seufzend.

 

„Aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll“, erwiderte Ginny besorgt.

 

„Nein, Ginny! Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll!“, erwiderte Hermine aufgebracht. „Denkst du wirklich, ich bin so verrückt, dass ich so eine Geschichte erfinden würde? Meine Welt steht Kopf, seitdem ihr beschlossen hattet, diese blöden Ferien zu machen!“, schrie sie schniefend und Tränen liefen über ihre Wange.

 

Ginny starrte sie hilflos an.

 

„Malfoy hat noch nie mit dir gesprochen!“, rief sie aus. „Er ist… - Hermine, warum sollte er etwas mit dir zu tun haben? Es ist einfach – absurd, was du erzählst! Dass du ihn in den Pool geschubst hast, ja, das glaube ich dir gerne! Aber… komm schon! Vielleicht… wünschst du es dir nur?“, flüsterte Ginny nun praktisch, als Hermine an ihr vorbeistürmte.

 

Das war doch nicht zu fassen!

 

Als ob sie es sich wünschte! Also ob sie wahnsinnig geworden wäre!

 

Im Gemeinschaftsraum, wo die Gryffindors immer noch das Auswahlspiel feierten hielt sie kurz inne. Ihre Tränen waren versiegt.

 

War sie… verrückt geworden? War es so abwegig, weil sie tatsächlich halluzinierte?!

 

Nein.

 

War es leider nicht. Sie hielt ja den verdammten Brief in der Hand!

 

Und ihre beste Freundin glaubte ihr nicht.

 

Es war wie ein seltsames Geheimnis. Sie wusste nicht, warum, aber den Sommer über war irgendetwas passiert. Irgendetwas hatte sie und ihre besten Freunde ein Stück weit auseinander gebracht. Und sie hatte noch nicht überwunden, dass Pansy Parkinson vielleicht offener ihren Problemen gegenüber stand als Ginny Weasley.

 

„Hey Hermine!“, rief ihr Harry prostend zu, aber Hermine schenkte ihm keine Aufmerksamkeit mehr. Ron war auf Patrouille? Dann war es Pansy auch.

 

Und Hermine hasste Ginny gerade dafür, dass sie zu solchen Mitteln greifen musste!

 

~*~

 

Sie hatte sich auf dem Weg trocken gehext, aber jetzt stank ihre Kleidung nach Seife und Badeschaum. Viele Gänge hatte sie bereits hinter sich gelassen, ohne die Schulsprecher finden zu können.

 

Es war doch absolut lächerlich, dass sie die Gänge nach Pansy Parkinson durchsuchte!

 

Sie lief behände die nächste Treppe hinab, in den Flur der Ravenclaws.

 

„-als ob du eine Ahnung hättest, wie man eine Gruppe leitet!“, vernahm sie Pansys zornige Stimme. „Sieh dich an! Du bist völlig betrunken!“, ergänzte sie hysterisch.

 

Erleichtert bog Hermine um die Kurve. Dort standen sich Pansy und Ron gegenüber – Pansy rot vor Wut und Ron ziemlich gelassen an die Wand gelehnt, immer noch eine Flasche Butterbier in der Hand.

 

„Hermine!“, entfuhr es ihm dankbar. „Erzähl dieser Schreckschraube bitte, dass ich nicht darum gebeten habe, Schulsprecher zu sein.“ Er grinste, denn anscheinend fand er das alles hier äußerst komisch.

 

„Schreckschraube? Wen nennst du hier eine Schreckschraube?“, brauste Pansy mit gezogenem Zauberstab auf.


„Pansy?“ Hermine war an sie heran getreten. „Können… können wir jetzt reden?“, bat sie still, und Pansys Wut verrauchte langsam.

 

„Reden?“, wiederholte sie und begriff dann. „Oh“, sagte sie nur.

 

„Ron, wie wäre es, wenn du zurück feiern gehst – Harry vermisst dich schon. Ich beende für dich die Runde“, schlug Hermine seufzend vor. Ron grinste triumphierend und schlug ihr die Hand auf die Schulter.

 

„Fabelhaft!“, sagte er. „Ich schulde dir was, dafür, dass du mit der Schreckschraube weitermachst! Samstag ein Butterbier in Hogsmeade?“, versicherte er ihr mit einem eindeutigen Blick auf Pansy, die wieder ihren Zauberstab hob, aber Ron duckte sich lachend vor ihr und wankte aus dem Flur, während er ‚Weasley ist unser King‘ summte.

 

„Er ist ein Idiot!“, murmelte Pansy ungehalten, bis sie Hermine wieder ansah. Dann seufzte sie auf. „Draco hat mit dir gesprochen, hm?“

 

Das war etwas untertrieben, aber so könnte man es wohl sagen. Hermine nickte allerdings nur, während sie und Pansy still weitergingen.

 

Nach einer Weile steckte Pansy den Zauberstab wieder ein, denn der Gang lang einfach nur ruhig und leer vor ihnen.

 

„Und jetzt?“, wagte sie zu fragen. Hermine atmete erschöpft aus.

 

„Meine Eltern haben mir geschrieben“, sagte sie nur, ohne Pansy anzusehen. „Und sie verbieten es mir nicht mal. Sie wurden… von den Malfoys bereits heimgesucht.“

 

„Du willst ihn nicht heiraten?“, vermutete Pansy jetzt. Und sie sprach über dieses Thema wie über eine Belanglosigkeit. Wie das schlechte Wetter im November, wie ein schlechtes Quidditchspiel.

 

„Ich…- nein!“, sagte Hermine wahrheitsgemäß.

 

„Aber du hast es seinen Eltern nicht gesagt?“, erwiderte Pansy eindringlich.

 

„Ich…- nein“, wiederholte Hermine erschlagen. „Ich hatte es nicht ernst genommen! Kein achtzehnjähriges Mädchen würde das ernstnehmen, oder?“

 

Pansy sah sie verständnislos an. „Ich bin auch versprochen, Granger. Ich heirate ebenfalls nächsten Frühling. Unter Reinblüter gehört es zur Tradition“, schloss sie, und Hermine merkte, Pansy war eine Spur beleidigt. Hermine schluckte schwer.

 

„Aber… kann ich es… nicht absagen? Nicht rückgängig machen?“, flüsterte sie verzweifelt.


„Er verliert dann alles, Hermine“, sagte Pansy nur.

 

„Und?“, fragte Hermine tatsächlich ungerührt, und Pansy blieb stehen.


„Du weißt nicht, was das heißt, oder?“, wollte sie traurig wissen. „Was es für uns bedeutet, aus der Familie verstoßen zu werden?“, ergänzte sie ernster. Hermine schüttelte nur den Kopf.

 

„Lucius würde das nicht machen! Ich kenne Lucius!“, beharrte sie trotzig.

 

„Du kennst Lucius Malfoy? Ich glaube nicht, Hermine“, erwiderte Pansy mit einem traurigen Lächeln. „Ich kenne Lucius Malfoy. Ich kannte ihn, da war er nicht so liberal wie jetzt. Und glaub mir, er hat Draco keine leichte Kindheit geschenkt“, erklärte sie.

 

„Merlin, ihr wurdet nicht von Voldemort gejagt, aus einer Laune heraus! Ihr wart die Jäger. Erzähl mir nichts von leichter Kindheit!“, fuhr sie Pansy an. „Ich habe keine Lust, mir anhören zu müssen, dass der reiche Goldjunge keine hübsche Kindheit gehabt hat, weil er mit seinen Millionen alleine spielen musste, während sein Vater Schlammblüter gejagt hat!“, entfuhr es ihr zornig. Pansy verzog den Mund, als wäre all das nur eine unangenehme Erinnerung.


„Hermine, du hast es doch so gewollt! Du bist nicht vollkommen unbeteiligt an dieser Situation! Und du hattest doch die Chance, Nein zu sagen, oder nicht? Du stehst doch in Kontakt mit den Malfoys, oder nicht?“

 

In Kontakt?“, wiederholte sie zornig. Pansy sprach schon wie ihre Mutter! „Nein, ich stehe nicht in Kontakt, verdammt!“, fuhr sie Pansy an. „Ich habe einen Brief geschrieben! Einen. Und dass ich da nichts von dieser lächerlichen Verlobung erwähnt habe, hat für mich nichts bedeutet. Ich hatte angenommen, sie wäre ein Witz! Ein Spaß!“

 

„Dir ist immer noch nicht klar, wie einflussreich die Malfoys sind, oder? Reinblüter machen keine Scherze bei so einem Thema!“ Hermines Mund öffnete sich sprachlos unter Pansys Worten. Es war doch absurd!

 

„Ich kann ihn nicht heiraten, Pansy!“, flüsterte Hermine verzweifelt. „Wie könnte ich? Das… das ist doch verrückt! Er hasst mich, verstehst du das?“, schrie sie jetzt aufgebracht, und Pansy senkte kurz den Blick, als wüsste sie das bereits sehr genau – was sie wohl auch tat! „Er hasst mich, aber er nimmt es in Kauf! Wie schrecklich ist das bitte?“, wollte Hermine entgeistert wissen.

 

„Weißt du, wie viel Gold er hat, Hermine?“, wollte Pansy sehr sachlich wissen.

 

Hermine schluckte bitter. Sie wusste, was sein Vater besaß. Wie viel Malfoy Manor wert war. Sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Weißt du, was er haben würde, wenn er den Vertrag bricht? Wenn er dich nicht heiratet? Er hätte nichts. Er dürfte nicht einmal zurück in sein Haus. Und es wäre legal bindend. Es sind Reinblüter-Gesetze. Nichts, was du verstehen würdest, aber wir… wir haben diese Gesetze. Und… es macht auch Sinn“, sagte Pansy plötzlich vehementer, und Hermine sah sie an.

 

„Was?“, flüsterte sie verstört. „Es macht Sinn?“, wiederholte sie Pansys Worte, aber Pansy wandte beschämt den Blick. Hermine begriff.

„Oh, du sagst… es ist richtig so? Du gönnst es ihm, oder?“, wollte Hermine gefährlich ruhig wissen. „Es ist dir sogar egal, dass ich es bin, Hauptsache, er befolgt die Tradition?“, zischte Hermine, aber Pansy hob die Hände in die Luft.

 

„Nein! Ok, nein, das ist es nicht! Du kennst uns nicht, Hermine! Du bist neu in unserem Kreis! Keine Ahnung, wie du hineingeraten bist, aber jetzt bist du drin, ok? Und es geht nicht darum, dass ich will, dass er Traditionen befolgt! Es kann ihm nicht schaden, das stimmt, aber… Draco ist… er ist…“

 

„Ein Arschloch“, kürzte es Hermine auf die beiden treffendsten Worte ab, die sie für ihn finden konnte. Oh, er war ein Arschloch!

 

„Nein“, widersprach Pansy mit erhobenen Augenbauen. „Er ist… verloren“, sagte sie schließlich abwesend.

 

„Verloren? Was soll das sein? Eine Beschönigung für die Worte selbstsüchtig, verwöhnt, bescheuert, arrogant und widerlich?“, wollte Hermine ungehalten wissen, und Pansy atmete aus.

 

„Nenn es wie du willst“, sagte sie knapp. „Aber weißt du, weshalb regst du dich überhaupt so auf?“, entfuhr es ihr plötzlich. Sie musterte Hermine fast verständnislos. Hermines Augen wurden groß. „Er sieht gut aus-“

 

„-Pansy!“, unterbrach Hermine sie fassungslos.

 

„-er ist der reichste von uns, du müsstest dich um nichts sorgen“, fuhr sie fort, aber Hermine lachte auf.

 

„Nein, nur um mein Leben, oder? Er wird mich bei der nächsten Gelegenheit im Schlaf erwürgen oder mich von den Hauselfen umbringen lassen!“, schrie Hermine unter Tränen. „Und das weißt du!“, fuhr sie Pansy an, die betreten den Kopf schüttelte.


„Hermine-“

 

„-nein! Du weißt, was er von mir hält!“

 

„Du bist selber schuld“, sagte Pansy fast sanft. „Vielleicht wolltest du es auf irgendeiner Ebene auch, Hermine“, fuhr sie rigoros fort. Hermine starrte sie an. Ginny unterstellte ihr, sie bildete es sich auf einer Ebene nur ein, weil sie Malfoy wollte – Pansy erzählte ihr dasselbe, nur umgekehrt!

 

„Meine Eltern halten mich für wahnsinnig, meine Freunde werden mir den Rücken zukehren – und warum? Weil ich den Fehler gemacht habe, und Narzissa Malfoy nicht die bösen Absichten unterstellt habe, die ich jedem Todesser unterstellen würde? Weil ich ein guter Mensch bin? Deshalb bin ich selber schuld?“

 

„Narzissa wird ihre Gründe haben“, schloss Pansy diplomatisch, ohne Hermine anzusehen.

 

„Sie wird ihre Gründe haben? Was ist das für reaktionäres, fatalistisches Verhalten von euch? Wie abhängig seid ihr alle von eurem scheiß Gold? Ihr nehmt ein Leben in Gefangenschaft und ein Leben, ausgewählt von euren Eltern, in Kauf als wärt ihr nicht fähig, selber zu denken und-“

 

„-weißt du, es ist nicht schlecht!“, unterbrach sie Pansy plötzlich eisig. „Du kommst in keine persönliche Hölle, Granger“, ergänzte sie kalt. „Du heiratest Draco Malfoy. In unserer Welt, wie du es nennst, ist das der Jackpot“, informierte sie sie fast abfällig. Hermine hatte verstanden. Sie nickte also bitter.

 

„Ach ja?“ Hermine spürte wie ihre Stimme bebte. „In meiner Welt, Pansy, ist, jemanden zu heiraten, der einen lieber tot als lebendig sieht, schlimmer als jede Hölle. Eher stürze ich mich vom höchsten Turm hier, als seine Frau zu werden!“, flüsterte sie.

 

Pansy atmete schließlich aus. „Hermine, denkst du… denkst du, Draco will verstoßen und enterbt werden? Denkst du, es macht ihm Spaß, dass sein Vater hierherkommt und – anstatt ihn zu fragen, wie es ihm geht – ihm ein Ultimatum stellt?“, wollte Pansy ruhiger von ihr wissen. „Ich weiß, wie er ist. Ich weiß, er sagt, er hasst seine Eltern. Weißt du, mein Vater sitzt in Askaban. Schon so lange! Und… und nicht mal ich hasse meinen Vater, Hermine!“, informierte sie sie streng. „Ich bin sicher, wir würden alle gerne unsere Eltern hassen und…“, sie zuckte die Achseln, „keine Ahnung, abhauen, oder was man so tut!“

 

Aber Pansys Schultern sackten ein Stück weit. „Aber wir tun es nicht.“ Ihr Blick war nicht auf Hermine gerichtet. Resignation schien sich über Pansy zu legen, wie ein dunkler Schatten. „Ich weiß, Draco will Anerkennung von seinem Vater! Merlin, vor fünf Jahren hat er ihn noch angehimmelt, wollte so sein wie er, hat nur von Lucius geschwärmt! Er hat ihn so verinnerlicht wie kein Junge seinen Vater zuvor! Aber natürlich hat er es ihm nicht gesagt, kein Gefühl gezeigt. Und dann… dann…“ Pansy schwieg. Hermine nickte fast grimmig.

 

„Dann kam Voldemorts Fall, und alle Menschen sind endlich aufgewacht“, brachte sie bitter hervor.

 

„Ja“, erwiderte Pansy tatsächlich, mit einer Stimme, die weit entfernt klang, und Hermines Aufmerksamkeit wieder erregte. „Alle Menschen, bis auf einer“, flüsterte sie.

 

Hermine sah Pansy an. Pansys Ausdruck war gequält, verzweifelt, und Hermine begriff – Pansy war genauso ratlos. Genauso überfordert. Und Hermine war sich sicher, Pansy frohlockte auch nicht gerade darüber, heiraten zu müssen. Aber… sie fand sich damit ab. Auch sie nahm es irgendwie in Kauf.

 

Aber Hermine konnte nicht. Sie konnte Peter Pan nicht retten.

 

Malfoy wollte ein verlorener Junge sein? Er dachte, er wäre noch ein Kind? Es war ihr scheiß egal. Er war achtzehn Jahre alt! Sie konnte das nicht für ihn tun, damit er alles behalten konnte, was ihm sein scheiß Leben noch leichter machte!

 

Sie schüttelte mit trockenem Mund den Kopf. Sie war doch nicht naiv! Sie wusste, was er nebenher mit anderen Mädchen veranstaltete! Wie er andere Mädchen ansah! Er war ein Schwein. Untreu, widerlich, versaut und selbstverliebt.

 

„Ich glaube…, ich verfüge nicht über so viel Hingabe wie ihr Reinblüterfrauen. Ich kann mich nicht für Reichtum und das fragwürdige Ansehen opfern, Pansy“, sagte Hermine mühsam. „Wieso sollte ich mein kurzes Leben auf dieser Erde dafür opfern, ohne Liebe in einer Situation gefangen zu sein, die für mich nur böse enden kann?“, flüsterte sie verzweifelt.

 

Und Pansy lächelte tatsächlich. „Ich weiß es nicht, Hermine“, erwiderte sie. „Es ist das, was meine weiblichen Vorfahren seit Jahrhunderten tun. Wenn sie es tragen können, trage ich es auch.“

 

„Wie kannst du das?“, wollte Hermine ungläubig wissen.

 

„Weil es nicht nur eine Bürde ist. Gold bringt Macht, Hermine. Und Freiheit“, ergänzte sie mit einem fernen Blick. „Ich brauche mir keine Sorgen mehr zu machen“, schloss sie fast feierlich.

 

„Bitteschön, was für Sorgen machst du dir? Du bist Schulsprecherin! Du kannst alles machen!“, rief Hermine gereizt aus.

 

„Was für Sorgen? Wo soll ich sein, wenn ich dreißig bin? Wie viele Kinder habe ich dann? Und mit wem, und wird für sie gesorgt sein? Kann ich das Vermächtnis meiner Familie für weitere Generationen aufrecht erhalten? Für Draco ist es leichter. Ich muss einen reichen Mann finden, denn ich bin nur die Erbin“, erklärte sie, als wäre es etwas niederes eine Frau zu sein. Hermines Mund öffnete sich entrüstet über so viel Unverstand und vergeudete Talent, was Pansy offensichtlich besaß – sonst wäre sie keine Schulsprecherin!

 

„Narzissa wird dich ausgewählt haben, weil es nichts Besseres für ihn geben wird. Und offen gesagt, stimme ich mit ihr überein. Du bist genau das, was er braucht! Jemanden, der nicht nur sich selber voran stellt. Jemand, der ihm zeigt, was wahre Größe und Aufopferung sein kann, Hermine“, fuhr Pansy plötzlich mit schwerer Stimme fort. „Denkst du nicht, dass ich mich jede und jede Nacht frage, weshalb ich es geworden bin? Ich? Und nicht du?“, entfuhr es ihr nun mit glasigem Blick. „Und seitdem versuche ich, zu sein wie du. Mach die Augen auf, Hermine! Wenn du nicht für Draco bestimmt bist, wer ist es dann?“, wollte sie ehrlich ratlos von ihr wissen.

 

Hermine schüttelte wieder mit offenem Mund den Kopf.

 

„Ich kann das nicht, Pansy!“, sagte Hermine wieder. „Er verdient es nicht. Er verdient es, verstoßen zu werden“, flüsterte sie. Pansy senkte den Blick.

 

„Ich werde die Runde jetzt beenden. Allein“, ergänzte sie mit einem Seitenblick. Das Gespräch war vorüber. Hermine nickte überfordert. Dann ging Pansy weiter, während Hermine ihr nachblickte.

 

Pansy wollte sein wie sie? Hermine wäre die perfekte Wahl?

 

Nein, sie war nicht die richtige Wahl für Draco Malfoy! In welcher Welt wäre sie die richtige Wahl? In einer kranken, verrückten Welt, die nichts von Recht und Ordnung und Liebe verstand! Sie war die richtige Wahl für Ron. Und für niemanden sonst!

Sie schluckte bitter. Die Tränen liefen über ihre Wangen, und sie wusste nicht, wie sie die Welt wieder richten konnte. Sie wusste nichts mehr.

 

 

Kapitel 15

 

 

Sie hatte keine Aufgabe in Hogwarts.

 

Sie war keine Schulsprecherin. Und für alle anderen war es nicht schlimm. Für sie war es unvorstellbar.

 

Und Malfoy hatte sie geküsst.

 

Und Ginny glaubte ihr nicht. Und Pansy wollte ihr nicht helfen, wollte, dass Hermine sich abfand mit einer unmöglichen Tatsache!

 

Es war Samstag und es kochten das schlechte Gewissen und Schuldgefühle in ihrem Bauch. Die Siebtklässler und alle, außer den Erstklässlern durften heute das erste Mal nach Hogsmeade, aber Hermine hatte nicht vor, nach Hogsmeade zu gehen.

 

Sie wollte woanders hin. Zur Quelle ihres Übels. Sie hatte ihrer Mutter noch nicht geantwortet – noch nicht antworten können, denn sie wusste nicht, wie sie ihr Verhalten rechtfertigen sollte. Sie hatte Mist gebaut, so viel stand fest.

Aber sie wusste, man konnte den meisten Mist, den man anrichtete, wieder gerade biegen.

 

Sie hatte Harry und Ron und Ginny – die sie die gesamte Zeit über fast mitleidig ansah – eine Ausrede aufgetischt, weswegen sie dringende Dinge zu erledigen hatte, und nicht mit in die Drei Besen zum Essen kommen konnte. Ron war es egal, solange er nur essen konnte, und Hermine hoffte, sie wäre zeitig wieder zurück.

 

„Vielleicht…“, begann sie, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie rechtfertigen sollte, dass sie vielleicht nicht zurückkam heute, wenn sie auch noch zu ihren Eltern ging, um alles zu richten. Deshalb unterbrach sie sich und schüttelte knapp den Kopf. „Ach schon gut“, endete sie und verabschiedete sich von den anderen.

 

Sie erkannte die Slytheringruppe aus der Ferne, war aber verschwunden, bevor irgendjemand sie bemerken konnte.

 

Sie drehte sich um sich selbst und war verschwunden mit dem nächsten Windhauch.

 

Sie kam taumelnd zum Stehen vor den großen schmiedeeisernen Toren des Anwesens. Sie hatte das Gefühl, schon viel zu oft hier gewesen zu sein, stellte sie mit einem Schaudern fest. Als sie näher kam, schwangen die Tore wie gewohnt auf.

 

Sie blickte sich um. Die Auffahrt war noch dieselbe, weniger Pfauen stolzierten durch den Garten, aber sonst war alles so imposant, wie sie es in Erinnerung hatte.

Sie schluckte schwer, und jeder Schritt kam ihr vor wie eine immense Last. Fast wünschte sie sich, wie im Zaubere von Oz, der gelben Linie folgen zu können, nicht selber denken zu müssen – und es wäre bestimmt nicht schlecht, einen Löwen dabei zu haben – sei es nur zur Sicherheit.

 

Sie hatte ein schlechtes Gefühl, hatte sich in eine Welt manövriert, die nicht ihre eigene war. Sie konnte immer noch nicht überwinden, wie reich die Malfoys eigentlich waren. Wie viel Einfluss sie hatten – und wie schlecht sich so etwas anscheinend auf ein Kind auswirken konnte! Nicht, dass Malfoy noch ein Kind war – aber… eigentlich schon, dachte sie verärgert!

 

Und als der Weg in eine Anhöhe überging, und ihr der Blick auf den Garten gewährt wurde, blieb sie stehen. Zauberer liefen Befehle schreiend durch den weiten Garten, während eine weitere Gruppe ein komplettes Dach in der Luft schweben ließ, um es auf ein Haus zu setzen.

 

Ein schneeweißes, kleineres Herrenhaus, mit langen Sprossenfenstern, Balkonen und Erkern.

Es war wie eine Miniaturausgabe von Malfoy Manor, und ihr Mund klappte zu. Oh nein! Das Haus, was die Malfoys für sie bauten! Nein! Es war ja schon fertig! Wie schnell waren Zauberer, wenn sie Massen an Zeit und alles Gold der Welt zur Verfügung hatten bitteschön?! Sie nahm die Beine in die Hand, rannte fast die letzten Meter zur großen Haustür, hechtete die Stufen empor und klopfte so hart und so lange gegen die Tür, bis sie zornig aufgezogen wurde.

 

„Was zur-!“ Lucius Malfoy unterbrach sich sofort, als er sie erkannte. Ihr Atem ging schnell. Kurz war sie verleitet, den Fuß in die Tür zu stellen, falls er vorhatte, die Tür wieder zu schließen, aber er starrte nur verblüfft über seine Lesebrille auf sie hinab. Er trug ein weißes Hemd unter einem beigen Pullover und tatsächlich Jeans. Seine Haare waren zusammengebunden, wie immer, und Hermine ging auf, dass sie ihn seit Ende des Praktikums nicht mehr gesehen hatte.

 

Er strahlte etwas Anmutiges aus, ging ihr auf. Etwas Aristokratisches, was ihr Angst machte. Und gleichzeitig befand sie sich unter seinem Blick wie unter einem Mikroskop und fühlte sich bewertet, gemustert und absolut nicht wohl.

 

„Miss Granger“, sagte er nun endlich mit Bedacht. Er blickte an ihr hinab. „Sie kommen aus Hogwarts“, stellte er fest, mit Blick auf ihre Schuluniform. Ja, was dachte er? Dass sie gerade von Honolulu rübergejettet gekommen war? Sie atmete immer noch schnell, hatte noch nichts gesagt, er deutete ins kühle Innere des Hauses. „Bitte“, schloss er ruhiger, und sie folgte der Aufforderung und betrat das Haus. Vorsichtig. Denn es war Kriegsgebiet.

 

Es war so groß wie sie es in Erinnerung hatte und Stille erschlug sie, so dass sie versuchte, nicht zu laut zu atmen. Es war einschüchternd hier zu sein. Einschüchternder, als sie vermutet hatte. Als sie es jemals in Erinnerung gehabt hatte. Wahrscheinlich war das so, wenn es um schlechte Dinge ging. Alles kam einem böser vor, schlechter. „Ich nehme an, Dumbledore weiß nicht von Ihrem… Besuch hier?“, führte er schließlich das einseitige Gespräch fort, während er sie ins große Wohnzimmer führte. Und Hermine wüsste ehrlich gesagt nicht mehr, wie man doch gleich in Malfoys Zimmer käme.

 

Über welche der hundert Treppenaufgänge….

 

„Narzissa?“, rief Lucius in die Weiten des Wohnzimmers, und hinten, vor dem kalten Kamin, hob die Frau den Blick aus einer magischen Zeitschrift. Hermine erkannte die bewegten Bilder von hier aus. Blumen und Mehr hieß die Zeitschrift. Molly Weasley vergötterte diese Zeitschrift, kam es Hermine dumpf in den Sinn. „Wir haben Besuch“, erklärte er laut über ihre Gedanken hinweg. Aber Narzissa stand bereits. Und mit einem breiten Lächeln kam sie auf Hermine zu.

 

Ehe Hermine hatte reagieren können, wurde sie von der Frau in die Arme gezogen.

 

Sie spürte den Druck in ihrem Innern lockerer werden, roch Narzissas fruchtigen Duft, und dann ließ Narzissa freudestrahlend von ihr ab.

 

„Oh, wie wunderbar!“, rief sie aus. „Hermine, ich bin so froh, dass Sie uns besuchen kommen! Haben Sie gesehen? Das Haus im Garten ist fast fertig! Ich hoffe, Sie hatten Gelegenheit, mit Ihren Eltern zu sprechen?“, plapperte sie aufgeregt, während sie Hermine zu den offenen Verandatüren schob. „Sehen Sie?“, schloss sie und deutete in den Garten, wo Hermine in der Ferne das Haus mit Schrecken emporragen sehen konnte. Glänzende Ohrringe baumelten an Narzissas Ohrläppchen, ihr Makeup saß perfekt, sie sah aus, als käme gleich eine Film-Crew, die das Haus und den Garten der Malfoys in Hochglanzmagazinen mit dem perfekten Paar, was hier wohnte, ablichten wollte.

 

„Ich…“, begann sie aber Narzissa legte den Arm um ihre Schulter und drückte sie wieder an sich. Hermine roch den Duft ihres Shampoos. Jasminblüte und Vanille.

 

„Sie haben bestimmt Durst! Wie wäre es mit Limonade? Lowyn?“, rief sie scheinbar nach einer Elfe, aber Hermine schüttelte nur den Kopf.

 

„Mrs Malfoy!“, begann sie erneut.

 

„Aber meine liebe Hermine!“, sagte Narzissa tadelnd. „Nennen Sie mich doch Narzissa. Ich hoffe, der Termin zur Hochzeit passt Ihnen? Ich habe mich extra erkundigt, wann in Hogwarts die Ferien dieses Jahr anfangen. Oder haben Sie am 20. Dezember zu tun?“ Hermines Mund öffnete sich ratlos.

 

„Ich… nein, aber-“

 

„-und ich weiß, Dezember ist kalt, aber wenn Sie schon Gelegenheit hatten das fantastische Kleid anzuziehen, werden Sie gemerkt haben, dass die Ärmel unsichtbar sind! Ist es nicht perfekt?“ Narzissa strahlte sie an. „Und stellen Sie sich vor, es schneit! Ich plane ein märchenhaftes, tschechisches Thema! Es wird bombastisch werden! Der gesamte Garten wird wie verzaubert wirken! Vor allem mit der großen Eisfläche!“

 

„Ich – Eisfläche?“, entfuhr es Hermine mit großen Augen.

 

„Oh ja. Ich habe bereits eine Kutsche mit Kufen anfertigen lassen für eine Runde auf dem Eis. Es ist unglaublich, was man alles bekommen kann, wenn man nur mit den richtigen Leuten spricht und bereit ist, jeden Preis zu zahlen. Ihr Haus hat sogar eine eigens errichtete Bibliothek. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, denn Sie lesen doch so gern!“, erklärte sie zwinkernd. „Und natürlich haben Sie auch dort einen eigenen Pool. Das Dach war eigentlich schon fertig, aber von der Farbe war es mir zu rot. Ich hätte gerne doch einen gedeckteren Ton gehabt. Haben Sie das Dach gesehen? Wenn es nicht Ihren Vorstellungen entspricht, können wir es ändern!“, sagte sie sofort.

 

Hermines Mund öffnete sich langsam.

 

„Wie fanden Sie die Farbe vom neuen Dach?“, wollte Narzissa besorgt wissen.

 

„Das… das Dach ist völlig in Ordnung!“ entfuhr es Hermine dringend. „Aber ich-“

 

„-Sie möchten es sich ansehen? Das verstehe ich zu gut, ich würde auch nicht abwarten können! Hier, in Malfoy Manor habe ich auch nicht abwarten können, muss ich gestehen“, räumte sie lächelnd ein. „Soll ich eine Tour mit Ihnen machen? Die Handwerker sollten fertig sein, mit dem Dach“, wandte sie sich fragend an Lucius, der nur die Hände hob, und keine Antwort wusste. „Kommen Sie, wir schauen mal nach“, schloss Narzissa vergnügt.

 

Sie zog Hermine durch die Verandatüren nach draußen. Im Tageslicht erkannte Hermine, dass Narzissas fließend weißer, loser Pulli, den sie über der schwarzen Leggings trug, golden schimmerte. Sie wollte nicht fragen, was es für ein Material war, aber es war beeindruckend. Wieder beeindruckte sie diese Frau mit ihrer Leichtigkeit, während sie Hermine lachend über die weite Wiese zog, unbeschwert, wie ein Mädchen, kam sie Hermine dabei vor. Und bestimmt nicht wie Ende Dreißig.

 

„Narzissa!“, rief Hermine angestrengt und versuchte, mit der Frau mitzuhalten, ohne zu fallen.

„Ja?“ Narzissa wandte lächelnd den Kopf über die Schulter, und Hermine musste kurz blinzeln. Sie erkannte Draco in ihr, verblüffenderweise. Dieser fragende Blick aus diesen grauen Augen. Aber nichts von ihrer Wärme war in seinen Augen.

 

Schon waren sie angekommen. „Die Rosenbüsche werden noch gepflanzt, aber Sie können es sich bestimmt schon gut vorstellen, oder? Ich hoffe, es war nicht impertinent von mir, ein weiteres Haus in unseren Garten zu setzen?“, entfuhr es ihr plötzlich als sie durch die offene Tür schritten.

 

Impertinent war wohl eher, dass die Malfoys sie –

 

Aber Hermine vergaß für einen Moment, was sie sagen wollte. Sie stand im Korridor des Hauses. Und an der Wand, wo ein leerer Garderobenschrank stand, hingen bereits einige Bilder. Kinderbilder von ihr, wie sie erkannte. Von Harry und Ron. Sie schluckte schwer. Auch Kinderbilder von Draco in allen möglichen Posen hingen an dieser, Wand in weißen polierten Rahmen.

 

„Ihre Eltern waren so freundlich mir einige Bilder zu überlassen“, deutete Narzissa Hermines Schweigen flüsternd, während sie zufrieden lächelte. „Kommen Sie!“, rief sie aufgeregt und zog Hermine weiter. „Die Küche wurde maßangefertigt“, erläuterte Narzissa beiläufig, „und ich liebe ein offenes Haus. Ich hoffe, Sie sehen es ähnlich?“ Hermine betrat durch einen Bogen ein riesiges Zimmer. Sie konnte durch einen weiteren breiten Bogen in der Wand auf eine Kochinsel blicken, hinter der zwei riesige, bodenlange Fenster den hinteren Garten ungestört überblicken ließen.

 

Ein riesiges Wohnzimmer, mit teuren Teppichen auf glänzendem Parkett, einer riesigen hellen Couch und einem Kamin, so groß, dass er die gesamte Wand einnahm. Verschiedene Kleinigkeiten waren liebevoll in verschiedene Schränke und auf breite Wandbretter geräumt worden. Frische Blumen standen bereits auf den niedrigen Tischen, und Hermine wollte sich auf keinen Fall wohl fühlen hier!

 

„Ich weiß, eine helle Couch ist natürlich problematisch bei kleinen Kindern, aber magisch lässt sich ja alles reinigen. Bis auf Blut“, erklärte Narzissa für einen Moment abwesend, mit einem nachdenklichen Kopfschütteln, und Hermines Mund klappte auf.

 

Kleine Kinder?

 

Blut?!

 

Was?!

 

„Wollen Sie oben die Schlafzimmer sehen? Es sind drei!“, rief sie zwinkernd und war bereits in Richtung Treppe gewandert. Die Farben unterschieden sich zum Herrenhaus drastisch, denn hier war alles in Creme gehalten, eher heller, weniger gotisch, wie es drüben zur Zeit der Erbauung üblich gewesen war. Und sehr modern. Weiße Holzbalken hier und da, ein heller Teppich auf der kastanienfarbenen Treppe, und Hermine hatte Mühe, mit Narzissa Schritt zu halten.

 

Sie öffnete die ersten schneeweißen Flügeltüren.

 

„Das hier kann ein Gästezimmer sein, oder eine kleine Zufluchtsinsel bei Streitereien“, bot sie Hermine an und ging zur nächsten Tür, ehe Hermine den riesigen Flachbildschirm kommentieren konnte, den sie verblüfft entdeckt hatte. Ihr Blick fiel auf die Leisten am Boden.

 

„Steckdosen!“, entfuhr es ihr entgeistert.

 

„Oh ja! Ich habe darauf bestanden! Ihr Vater hat mir alles über Lewan erklärt, aber Internet ist für mich ein Mysterium“, winkte Narzissa ab, und Hermine nahm an, dass sie von Wlan sprach. Sie schüttelte verwirrt den Kopf.

 

„Aber Malfoy Manor ist nicht angeschlossen an gewöhnliche Stromnetze, das-“

 

„-wir haben keinen Aufwand gescheut, Hermine“, unterbrach Narzissa sie achselzuckend. „Sie sollen sich hier so wohl fühlen, wie Sie es zuhause auch getan haben. Außerdem haben wir eine direkte portale Verbindung zum Haus Ihrer Eltern eingerichtet – die Sie natürlich auch unterbinden können – wann immer Sie… alleine sein wollen“, räumte Narzissa sofort ernster ein.

 

„Das hier ist das Kinderzimmer. So habe ich es zumindest erst einmal geplant“, fuhr Narzissa fort, als sie die nächste Tür öffnete. Es war in Blau gehalten, hatte bereits kleine Schränke, mit Handtüchern, einem Schaukelstuhl am langen Fenster, einem Babybett, und Hermine begriff zuerst nicht den gesamten Ausmaß dieser Sache, denn es sah allerliebst aus. Ein Teddy saß lächelnd auf dem winzigen Kissen, und bereits eine Kiste mit buntem Spielzeug stand auf dem Boden.

 

„Und hier…“, sagte Narzissa feierlich, „das Master-Schlafzimmer!“ Hermines Mund klappte auf, denn es maß fast den gesamten Platz des Erdgeschosses. Das Bett war ein Kingsize Monstrum! Mit cremefarbenem Himmel auf vier geschnitzten Pfosten. Sie schüttelte den Kopf über den Platz, die weiten des Schlafzimmers. Zwei Badezimmer gingen hiervon ab, auch hier hing ein Plasmafernseher an der Wand, ein Balkon schloss an die Flügeltüren aus Glas an. Anscheinend hatte Narzissa auch ein paar Blicke zu viel in Zeitschriften von Muggel-Einrichtungshäusern geworfen.

 

„Aber… wir sind noch nicht durch!“, unterbrach Narzissas Hermines Faszination.

 

Sie griff unter Hermines Arm, hakte sich fast freundschaftlich ein, und führte sie in das nächste Zimmer.

 

Diese Türen waren ungleich dunkler, und öffneten sich beim leisesten Druck. Hermine Mund öffnete sich. Hier wurden die Erker ausgenutzt, die sie von draußen bereits bemerkt hatte. Sie starrte die Wände voller Bücher nur an, erkannte einige Titel aus Hogwarts, und ihr Blick flog über die gemütlich Theke, die in der Wand eingelassen war, wo sie verschiedene dunkle Flaschen mit Whiskey oder Brandy oder Wein erkannte. Eine Sitzgruppe vor einem hellen Kamin, viele Sessel und Lampen und kleine Treppenaufgänge führten zu den Erkern, in denen jeweils ein kleines Sofa stand, welche auch den Garten überblickten, bis zu den hohen Tannen in der Ferne.

 

„-Peter Pan“, entfuhr es ihr tonlos, als sie ein wahres Muggelsortiment entdeckte.

 

„Oh ja, Ihre Mutter hat mir offenbart, welche Bücher Sie als Kind besonders gemocht haben. Vielleicht würden Sie sie ja Ihrem Kind gerne vorlesen?“

 

Hermine stand hilflos in der großen Bibliothek.

 

Narzissa schien gespannt auf Hermines Reaktion zu warten. Es war ruhig im Haus. Angenehm ruhig. Und Hermine begriff erst jetzt – es würde ihr Haus sein. Ihr eigenes! Ganz für sie allein. Sie schluckte und sah sich um. Es war ein wunderschönes Haus. Sie beschloss wenigstens das zu sagen.

 

„Ich… es ist ein wunderschönes Haus, Narzissa. Es steckt… viel Arbeit hier drin“, sagte Hermine anerkennend. Narzissa schien vor Erleichterung auszuatmen.

 

„Wenn Sie wollen, können wir bestimmt einrichten, dass Sie hier eine Nacht bleiben. Ich meine, es ist Wochenende, der Strom ist angeschlossen. Und morgen ist keine Schule“, fuhr sie lächelnd fort. Hermine biss sich auf die Lippe. Wie stellte sie es am besten an? Wie sagte man so einer Frau, die ein Haus mit Kinderzimmer und Bibliothek im eigenen Garten für sie gebaut hatte, dass sie nicht ihre Schwiegertochter sein wollte…? Sein konnte!

 

Hermine sah Narzissa ausdruckslos an.

 

„Oder wollen Sie zurück?“, deutete Narzissa ihre Unentschlossenheit jetzt mit gerunzelter Stirn. „Wenn Sie wollen, kann ich Draco Bescheid sagen, dann kann er auch kommen“, ergänzte sie mit dem Verdrehen ihrer Augen, auf sehr jugendliche Art. Oh großer Gott, bloß das nicht! Was dachte sie? Dass sie frisch verliebt waren? Es war so absurd.

„Haben Sie Hunger?“, fuhr Narziss schließlich fort, als Hermine immer noch nicht gesprochen hatte.

 

„Mrs Malfoy“, begann Hermine nun am Boden der Resignation, und Narzissa blieb regungslos vor ihr stehen. Draußen zwitscherten die Vögel harmonisch. Und etwas legte sich über Narzissas fröhlichen Ausdruck. Ein tiefer Schatten, etwas sehr Trauriges. Fast wie… eine Vorahnung, die niemand laut äußern wollte.

„Meinen Sie, ich… könnte mit Ihrem Mann sprechen?“, wich Hermine dem traurigen Blick der Frau vor sich aus. Es war als würde man Elmo aus der Sesamstraße sagen müssen, dass man ihm das rote Fell abziehen und verkaufen wollte. Und Hermine brachte es einfach nicht über das Herz, Narzissa das anzutun.

 

Narzissa wirkte kurz verwirrt. „Mit Lucius? Ja, sicher“, sagte sie betont munter. Sie bedeutete Hermine nach einem Moment, vorzugehen, und beide verließen das frischgebaute Haus.

 

Schweigend schritten sie über die Wiese, und Narzissa versuchte sich die ernste Stimmung wohl nicht anmerken zu lassen, aber Hermine sah, wie besorgt Narzissa wirklich war.

 

Lucius saß noch immer im Wohnzimmer, blätterte ebenfalls durch ein Magazin, aber Hermine erkannte Pferde auf der Titelseite, keine Blumen. „Lucius?“, unterbrach Narzissa Lucius bei seiner Lektüre, und er hob den Blick. Dann setzte er die Brille ab.

 

„Ja?“

 

„Hermine hätte dich gerne kurz gesprochen“, erklärte Narzissa ruhig, ohne sich irgendeinen Stimmungswechsel anmerken zu lassen.

 

„Sicher“, bemerkte er ein wenig argwöhnisch, erhob sich aber, nachdem er seine Zeitschrift beiseitegelegt hatte. „In meinem Studierzimmer können wir reden, Miss Granger“, fuhr er fort und ging vor. Sie folgte ihm, ohne Narzissa noch einmal anzusehen.

 

Es kam ihr irgendwie unfair vor, Narzissa zu hintergehen und mit Lucius zu sprechen, aber sie wusste keinen Ausweg. Er schloss schließlich die Tür hinter ihr, als sie ihm durch den langen Flur, gesäumt von Portraits und allerlei Wandteppichen gefolgt war.

 

Sein Schreibtisch war riesig, und er bedeutete ihr, vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Automatisch setzte er sich hinter den Schreibtisch. Sie kam sich vor wie bei einem Vorstellungsgespräch. Oder wieder wie im Ministerium. Unsicher knetete sie die Hände in ihrem Schoß. Es hatte auch etwas von Dumbledores Büro. Es war beeindruckend.

 

Auch hier säumten sich Bücherregale, aber es war nicht vergleichbar mit der Bibliothek im neuen Haus. – Oder gar hier in diesem Haus!

 

„Was möchten Sie besprechen?“, wollte er mit wachsamem Blick wissen. Sie hatte die Hände zu ihrem Gesicht gehoben, fuhr sich über die Augen, die Wangen und schüttelte schließlich den Kopf, als müsse sie sich erst wappnen. Hermine blickte hinab auf ihre Hände.

 

Kurz herrschte ein unangenehmes Schweigen, bis Lucius sich schließlich räusperte und die Hände auf dem Tisch faltete. „Sie haben nicht die Absicht, Draco zu heiraten, nehme ich an?“, sagte er tatsächlich mit ernstem Ausdruck. Ihre Finger kribbelten unangenehm. Schuldbewusst hob sie schließlich den Blick zu seinen blauen Augen.

 

„Mr Malfoy, ich…“ Sie unterbrach sich selber. „Beantworten Sie mir eine Frage“, sagte sie schließlich erschöpft.

 

„Welche Frage?“, verlangte er zu wissen. Er wirkte angespannter als vorher.

 

„Wieso ich?“

 

Kurz dachte sie, er würde nicht antworten, dann seufzte er und fuhr sich über die geschlossenen Augen.

 

„Ich sage Ihnen ehrlich, ich wusste es zu Beginn auch nicht“, sagte er nach einer Weile, und sie blinzelte mehrfach. Er antwortete wirklich ehrlich? Und er tat nicht so selbstverständlich glücklich wie seine Frau? Das war mal etwas Neues. „Was tut er? Droht er Ihnen Mord und Folter an?“, verlangte Lucius ernster zu wissen, und sie öffnete kurz den Mund.

 

„Nun…“, wich sie einer Antwort aus, aber er seufzte auf.

 

„Aber er verflucht Sie nicht, oder?“ Hermine sah ihn verblüfft an.

 

„Nein, er… nein, das tut er nicht.“

 

„Wie ist das Verhältnis? Ich meine, ich verstehe, wenn er… sich wie ein unmögliches Kind verhält, und Sie natürlich kein Interesse haben, ihn zu-“

 

„-Mr Malfoy“, sagte sie ernsthaft, „Ihr Sohn hat sich bereits abgefunden, wie mir scheint“, erklärte sie ungleich kühler. Das war auch etwas, was sie mehr aufregte, als sie es für möglich halten konnte. „Ich wollte nicht mit Ihnen über meine oder seine Abneigungen dem jeweils anderen gegenüber sprechen“, fuhr sie mutiger fort. Er sah sie an. Ihre Worte schienen ihn zu überraschen. Sie hatte schonfestgestellt, dass die Worte eines Schülers, Lucius Malfoy öfters überraschen konnten. Wahrscheinlich unterstellte er jedem jungen Erwachsen, noch genauso dumm wie ein kleines Kind zu sein.

 

„Abgefunden? Er hat sich…?“ Lucius starrte sie nun praktisch an.

 

„Ja, aber, wie kann es sein, dass ein menschliches Wesen sich so abhängig von seinem Vermögen macht? Wie kann es sein, dass er gegen all seine Instinkte handelt, mich sogar gegen jedes bessere Wissen küsst“, fuhr sie fort, und Lucius Mund öffnete sich völlig perplex, „und nicht einmal versucht, gegen seine Eltern vorzugehen?“

 

Sie wartete auf eine Antwort, aber Lucius schien noch nicht ihre Offenbarung überwunden zu haben. „Und wenn Sie ihn besuchen –  im Krankenflügel – wie können Sie ihn dann nicht umarmen? Sich freuen, dass er am Leben ist? Wie können Sie hergehen und ihm ein Ultimatum stellen?“ Ihr Herz schlug wieder besonders schnell.

 

Er schloss den Mund. „Er… hat sie geküsst?“, war alles, was er sagte. Sie bereute schon, dass sie es gesagt hatte.

 

„Mr Malfoy, ich habe ein weitaus wichtigeres Anliegen als das!“, erinnerte sie ihn streng. Es regte sie auf. Er begriff nicht mal, von was sie sprach! Was sie ihm vorwarf!

 

„Miss Granger, ich erwarte nicht, dass Sie unsere kleine Familiendynamik begreifen – zumindest nicht innerhalb dieser kurzen Zeitspanne – aber, was ich erwarte, ist, dass, wenn es Ihnen nicht ernst ist, mir dies jetzt zu sagen. Wollen Sie Draco heiraten?“ Mit einem Mal war ein völlig neues waches Interesse in seinen Blick getreten. Und eine neue Ungeduld.

 

Nein, wollte sie nicht – aber sie würde zu gerne das neue Haus im Garten mitnehmen, dachte sie fast bitter, als ihre Mundwinkel wütend zuckten.

 

„Miss Granger“, wiederholte Lucius nachdrücklich. Und Hermine wusste, sie hatte schon sehr viel von dieser Familie kennengelernt. All ihre seltsamen Seiten. Narzissa, die furchtbar anstrengend war mit ihrer gezwungen Heirat, die für Hermine eigentlich ein Kompliment darstellen sollte, und Lucius, der seinen Sohn genauso wenig leiden konnte, wie sein Sohn ihn, oder… -

 

Aber Hermine lächelte nun traurig. „Wissen Sie, ich wurde nicht einmal gefragt, Mr Malfoy. Ihre Frau hat mich in eine Löwengrube geworfen und mich den Tieren zum Fraß präsentiert. Keiner hat mich je gefragt. Sie nicht, Narzissa nicht – und Ihr Sohn erst recht nicht.“

 

Lucius wirkte nicht zufrieden mit dieser Antwort. „Ich frage Sie jetzt gerade“, sagte er ruhiger, und er verstand es immer noch nicht. Hermines Mundwinkel zuckten zornig. Niemand hatte sie gefragt, ob sie ein Teil hiervon sein wollte! Niemanden interessierte ihre Meinung – oder gar Dracos Meinung dazu! In Lucius‘ Augen war sie ein Kind, ein Objekt, mit dem er verfahren konnte, nach seinem Belieben, nach seiner scheinbar königlichen Meinung.

 

„Und es ist Ihnen nicht wichtig, was Ihr Sohn denkt?“ Hermine wollte es aus ihm heraus kitzeln – das bisschen Menschlichkeit, was sie in ihm vermutete. Vielleicht.

 

„Miss Granger, meinem Sohn wird nichts Besseres passieren, als Sie zu heiraten. Davon bin ich überzeugt.“

 

„Seit wann das?“, wollte sie argwöhnisch wissen.

 

„Seit wann?“, wiederholte er nachdenklich. „Seit dem Sie mir an Ihrem ersten Arbeitstag bei mir erklärt haben, dass Sie weder Kleider noch ein Schloss benötigen, um sich zu beschäftigen. Seit diesem Zeitpunkt, ungefähr“, antwortete er wohl scheinbar wahrheitsgemäß.

 

Sie dachte nach. Sie saß vor Lucius Malfoys Schreibtisch und dachte tatsächlich darüber nach, das Unaussprechliche zu tun. Aber nicht aus Nazissas oder Lucius‘ Gründen!

 

„Also?“ Ein Hauch Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. Wie weit sie gekommen waren, fiel ihr auf. Sie erinnerte sich an Lucius‘ unverfängliche Einladung zu seiner Gartenparty. An die folgende Poolparty. An die Nacht in Dracos Bett. An… den Tanz mit ihm und Pansy.

Aber Lucius hatte es nicht begriffen. Er begriff seine Fehler nicht mal und begriff nicht mal diesen Fehler, obwohl es keinen größeren Fehler gab als diesen!

 

Und ein wenig hasste sie Lucius dafür. Und sich selbst. Und sie wusste nicht, was aus ihr sprach. Ob es die Enttäuschung war, die sie empfand, wenn sogar Pansy Parkinson ihr erklärte, dass Hermine besser geeignet als Schulsprecherin war. Ob es Ron war, der ihr keine Beachtung mehr schenkte – nein, sogar Pansy mehr Beachtung schenkte! Dass ihre Eltern einwilligten, dass Sie bei fremden Menschen im Garten wohnte. Dass ehemalige Todesser sich die Dreistigkeit herausnahmen über fremde Menschenleben zu entscheiden!

 

Und sie begriff es hier und jetzt.

 

Draco war nicht ihr Feind. Draco war von seinem Vater zu dem gemacht worden, was er war. Und Narzissa war nicht das Übel. Ein Junge suchte sich sein Vorbild nicht in seiner Mutter.

 

Und ihr Ausdruck wurde kälter. Denn ihr Feind war Lucius Malfoy, den Mann, den sie ausnahmslos einnehmend und charmant gefunden hatte. Aber welcher Vater konnte seinen Sohn so sehr hassen? Sie spürte die Erheblichkeit in ihren Worten schon bei der ersten Silbe.

 

„Ich werde es tun“, sagte sie kühl, ein wenig überrascht von sich selbst.

 

Und wenn auch nur, damit Lucius Malfoy begriff, was für einen Fehler er beging. Wie dämlich eine solche Tradition war! Was er eigentlich tat, wenn er seinem Sohn verbot, eigene Entscheidungen zu treffen. Und wie es Draco zerstören würde. Sie wusste, warum sie Reinblüter nicht leiden konnte. Genau aus diesen Gründen! Sie hatte sich fast zornig erhoben, während sich sein Mund wieder verblüfft geöffnet hatte.

 

Und es war ein seltsamer Kampf – dessen Strategie sie tatsächlich nicht vollkommen durchdacht hatte, ging ihr mit klopfendem Herzen auf, aber es war zu spät. In ihrem Kopf war es bereits zu spät. Sie fixierte ihn immer noch. Es war der Beginn. Der Beginn von etwas Furchtbarem.

Und Lucius würde es noch einsehen. Die Malfoys wollten mit ihr spielen?

 

Die Malfoys glaubten, ihre Macht wäre grenzenlos? Traditionen könnten endlos fortgeführt werden, bis sie sich letztendlich selber vernichteten? Dann wäre das die Kampfansage.

Pansy hatte davon gesprochen. Von Aufopferung – der Tradition zuliebe!

Es ging ihr mehr als nur gegen den Strich, Zeit ihres Leben dafür zu verschwenden, ausgerechnet Draco Malfoy zu helfen, aber Lucius war viel zu enttäuscht von seinem Sohn, um zu erkennen, wie ähnlich sie doch waren! Hermine hatte zuerst nicht begriffen, warum sie Pansy Worte so abstoßend gefunden hatte – aber jetzt?

 

Sie hatte verstanden. Liebe fehlte. Sonst wären sie alle nicht so verdammt unfähig hier!

 

Alle hielten sie für gut und selbstlos – für so perfekt?

 

Oh, wie sie sich irren würden! Niemand holte sich Hermine Granger ins Haus, ohne die Konsequenzen. Sie war gut, ja. Vielleicht manchmal selbstlos, aber dachten die Leute, so etwas würde sich zu ihren Gunsten auswirken, wenn sie selber alles andere als das waren? Draco Malfoy zu heiraten würde niemandem einen Gefallen tun. Narzissa hing sich an der Idee so sehr auf, klammerte sich an diese letzte lächerlicher Hoffnung – und irgendwann musste die Malfoys doch eingesehen haben, wie lächerlich und absurd diese Idee wirklich gewesen war -, Lucius war jenseits von Gut und Böse, begriff nicht, dass sein Sohn sich abgewandt hatte, weil Lucius sich nicht um ihn kümmerte und dachte, dass ausgerechnet sie seinen Sohn ändern konnte, weil sie bescheiden war? Ein Schlammblut, gezeichnet vom Krieg und der Welt? Damit sie seine verdammten Fehler allesamt beseitigen konnte?

Nein, sie hatten einen Denkfehler begangen! Man konnte niemanden ändern, wenn man ihn zwang! Jeder musste sich selber ändern wollen!

 

Und Draco Malfoy? Es würde ihn zerstören. Sein Nimmerland läge zerbombt in brennenden Scherben, würde er sie heiraten müssen. Vielleicht würden seine Eltern dann aufwachen. Vielleicht dann aufhören, die Schuld bei anderen zu suchen und Vorwände zu finden, ihren Sohn zu richten, zu reparieren, obwohl sie ihn selber zerstört hatten! Sie hatte genug gesehen. Sie hatte verstanden. Hatte Lucius Malfoy vergessen, dass sie bereits einen Krieg gewonnen hatte?

 

Und diesen Krieg hier gedachte sie nicht zu verlieren.

 

~*~

 

Lucius und Narzissa lagen nebeneinander in dem großen Bett. Der Mond schien zwischen den Vorhängen ins Zimmer. Sie schlief noch nicht. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass ihre Augen offen waren, an die Decke gerichtet.

 

Keiner von ihnen sagte ein Wort.

 

Er hatte erwartet, dass sie Nein sagen würde. Narzissa vielleicht auch. Er wusste nicht, was sie gerade dachte.

 

Ihm wurde klar, dass sie die erste alter Reinblüterfamilie waren, die mit der Tradition gebrochen hatten.

 

Sie hatten eine Muggel gewählt – nein, gezwungen – ihren Sohn zu heiraten. Und sie hatte zugestimmt. Und Lucius fragte sich für einen wilden Moment, wieso sie das getan hatte.

 

Wie sie ihn heute Nachmittag angesehen hatte. In ihrem Blick hatte viel gelegen, jedoch keine Freude. Keine Erwartung. Kein Verständnis. Nichts davon. Eine Enttäuschung war von ihr ausgegangen, jedes ihrer Worte, wie eine düstere Kampfansage, so war es ihm vorgekommen.

 

Wenn er ehrlich mit sich war, dann hatte er sich erst heute nach ihren Worten wohl damit abgefunden, dass es tatsächlich passieren würde. Und er wusste nicht, weshalb er jetzt hellwach dalag. Es war doch der Plan gewesen! Wahrscheinlich lag es daran, dass er von Hermine Granger überrascht worden war. Tatsächlich überrascht von einem Kind, dem er nicht viel mehr zugetraut hatte, als ein paar vorlaute Antworten, wie sie alle Jugendlichen auf Lager hatten.

 

Er hatte gewusst, Draco würde nicht ablehnen – nicht ablehnen können. Er war zu abhängig vom Reichtum, den er gewöhnt war. Aber sie?

 

Wieso tat sie es? War sie so selbstlos, wie es Narzissa die ganze Zeit über angenommen hatte? Oder war da etwas anderes, etwas Verborgenes, was er noch nicht gesehen hatte?

Er hatte darüber nicht nachdenken wollen. Draco zur Heirat zu zwingen, war seine letzte Option gewesen. Dass das Mädchen, welches lebensmüde genug war, sich darauf einzulassen, vielleicht ein besonderes Mädchen war, hatte er lange verdrängt.

 

Ja, Hermine Granger hatte ihm am ersten Tag Angst gemacht. Und das tat sie noch. Narzissa war mittlerweile eingeschlafen.

Er war gespannt. Was er alles auf sich nahm, um seinen Sohn zu retten. Sogar Hermines grauenhafte Eltern hatte er in Kauf genommen. Nein, er konnte Muggel nicht leiden.

Und er hatte das dumpfe Gefühl, die graue Vermutung, dass sie es heute gesehen hatte. In seinen Augen. Er nahm an, sie dachte, sie hätte irgendetwas durchschaut, verfolgte ihren eigenen Plan, eine eigene Agenda.

 

Gerne hätte er Hermine Granger klargemacht, dass sie aufgeben konnte.

Wahrscheinlich war sie jung und motiviert, wollte irgendetwas bewirken, aber… der Krieg war vorbei. Und war es nicht ironisch? Hermine Granger hatte gegen Unterdrückung, gegen Reinblüter und ihre Ideale gekämpft, nur um sich mit achtzehn Jahren genau diesen Idealen zu unterwerfen?

 

Lucius empfand die Ideale nicht als schlecht. Hermine tat das vielleicht. Vielleicht tat Draco das auch, vermutete er düster. Aber er würde ihn brechen können.

Er musste vorsichtig sein. Vielleicht vermutete Narzissa hinter Hermine eine selbstlose Gestalt, aber nicht einmal die unschuldigste Fee war selbstlos und nur auf das Wohl anderer bedacht, wenn sie in Kriegsbekleidung, bereit zu kämpfen, auftauchte. Lucius hatte Hermine bereits von anderen Seiten kennengelernt.

 

Sie war praktisch ein Kind gewesen, als sie ihren ersten Todesfluch ausgesprochen hatte. Vielleicht erinnerte sie sich selber nicht mehr wirklich daran, an das Gefühl, aber… ein Kind sollte dazu nicht in der Lage sein, egal, wie begabt und fähig sie sein mochte.

Ihr Geist war stark. Und sie würde zumindest irgendeinen Einfluss auf Draco haben, denn… er gab zu, Hermine war stärker als es sein Sohn jemals sein würde. Aber er wusste noch nicht genau, was passierte, wenn man einen Feigling und eine Kämpferin zwang, zu heiraten.

 

Es klang wie ein Märchen, dessen Ausgang katastrophale Auswirkungen annehmen könnte.

 

Aber er kam über eine wichtige Tatsache nicht hinweg: Narzissa hatte Recht gehabt. Hermine hatte mehr Größe als sie alle zusammen. Aber vielleicht ein wenig zu selbstgerecht, dachte er schließlich. Manchmal vergaß er, dass die Kinder selber denken konnten.

Er hoffte, sie hatten keinen Fehler gemacht.

 

Er hoffte, das Ansehen der Familie würde nicht leiden, Draco würde die Kurve kriegen – und… und Hermine Granger…?

 

Er hoffte, sobald Dracos Verwandlung zum vorbildlichen Reinblüter abgeschlossen war, würde sich Hermine Granger in Luft auflösen. Er atmete aus.

 

Merlin, er hatte Angst vor Hermine Granger. War das zu fassen?! Er hatte Angst vor einem Kind! Merlin sei Dank, war niemand mehr wach, um diese absurde Tatsache zu kommentieren.

 

 

Kapitel 16

 

Sie hatte bei ihren Eltern nur kurz vorbeigeschaut, aber es war ihr vorgekommen, wie eine Ewigkeit. Und sie hatte alle Gefühle durchlebt, war bereit gewesen, aufzugeben und ihrer Mutter zu beichten, dass es nicht echt war. Aber sie hatte es letztendlich nicht getan.

 

Sie hatte auch beantwortet, warum sie nicht Schulsprecherin dieses Jahr geworden war. Aber eigentlich konnte sie die Frage mit gesundem Menschenverstand nicht beantworten. Ihr Vater war sehr still gewesen, wortkarg beinahe. Er hatte nachgedacht und nicht gesprochen. Aber vielleicht wusste Hermine schon, was er dachte. Er hielt sie wahrscheinlich für übergeschnappt. Und Hermine war erstaunt gewesen, wie einfacher ihre Heirats-Entscheidungen für ihre Eltern zu akzeptieren waren, wo doch so viel Gold im Spiel war.

                                                                                                          

Fast war Hermine geneigt gewesen, ihre Eltern darauf anzusprechen. Was hatte Narzissa ihnen wohl versprochen? Oder waren ihre Eltern leicht um den Finger zu wickeln. Hermine hatte es sich nicht vorstellen können. Und dann hatte ihre Mutter gefragt.

 

Sie hatte sie tatsächlich gefragt, was sie Hermine noch nie zuvor gefragt hatte. Natürlich war es vorher nicht notwendig gewesen, denn Hermine hatte noch nie so etwas wie einen Freund gehabt. Krum war eine Ausnahme gewesen. Eine kurzweilige Ausnahme.

 

Nein, ihre Mutter hatte sie tatsächlich gefragt, ob sie Draco Malfoy lieben würde.

 

Und es war seltsam, fand Hermine.

 

Es war seltsam, dass irgendwann ein Punkt eintreten konnte, an dem Eltern ihren Kindern nicht mehr ansehen konnten, wann sie logen, wann sie etwas anderes fühlten, als sie sagten. Als wären die Kinder über das Verständnis der Eltern hinaus gewachsen. Als wären sie nicht mehr das eigene Kind, sondern eine wildfremde Person, der solche Anwandlungen tatsächlich zuzutrauen wären.

 

Und Hermine hatte sich den restlichen Nachmittag über gefragt, ob es eine willkommene Wandlung war? Ob ihre Eltern es gar nicht tragisch fanden?

 

Sie fand es tragisch. Vertrauten ihre Eltern ihren Entscheidungen so sehr, dass nichts in Frage gestellt wurde? Nicht einmal eine solche Sache?

 

Vielleicht hatte Hermine zu viel erwartet gehabt. Wahrscheinlich. Das hatte sie ja ohnehin. Sie hatte zu viel gegeben und nichts dafür bekommen. Nicht mal ein blödes, silbernes Abzeichen!

 

„Hermine, liebst du ihn denn? Diesen… diesen Draco?“, hatte ihre Mutter sie vorsichtig gefragt, etwas beschämt, denn anscheinend fragte eine Mutter eine Tochter so etwas nicht.

 

„Ja, Mum“, hatte Hermine einfach gelogen. Vielleicht auch, um zu sehen, ob ihre Mutter irgendeinen Unterschied merken würde. „Sehr“, hatte sie ergänzt, um noch einen drauf zu setzen, aber ihre Mutter hatte genickt – und dann gelächelt.

 

„Gut“, hatte ihre Mutter gesagt, sich an ihren Vater gewandt, und dieser hatte sich danach endlich wieder am Gespräch beteiligt. Hatte Fragen über das blöde Haus im Garten der Malfoys gestellt, die Hermine widerwillig beantwortet hatte.

 

Ihre Eltern schienen nicht zu merken, wie unbeteiligt sie sprach. Aber es war egal. Sie wollte nicht auffliegen. Noch nicht. Sie hatte eine Mission. Sie verfolgte ein anderes Ziel. Ein Ziel, bei dem sie allen Reinblütern zeigen würde, wie weit man tatsächlich mit gezwungenen Traditionen kam!

 

Sie hatte dem Gespräch ihrer Eltern nur halbherzig folgen könne. Und seit der Sekunde, als sich sogar ihr Vater zu erwärmen versuchte, hatte sie immer weniger gesagt, bis sie gehen musste.

 

Seitdem sie selber beschlossen hatte, sich auf diese lächerliche Hochzeit einzulassen, war ihre Angst verschwunden. Sie hatte etwas begriffen, was allen Erwachsenen scheinbar entging.

 

Es würde nicht funktionieren. Fast war es bedauerlich. Denn alle schienen es zu glauben. Dass man mit Zwang etwas würde überkommen können, dass Lucius Malfoy tatsächlich glaubte, mit Druck ließe sich etwas tatsächlich lösen, ohne dass er es jemals mit Zuneigung und Verständnis versucht hatte, war in Hermines Augen so grenzenlos dumm, so dass sie nur gewinnen konnte.

 

Und dann war sie wieder nach Hogsmeade appariert. Sie hatte mit Luna und einigen Ravenclaws zurückgehen können.

Und sie hatte sich seltsam gefühlt. Zum ersten Mal besaß sie auch etwas Außergewöhnliches in diesem Schuljahr, war es auch kein Schulsprecherabzeichen.

Sie hatte nicht viel gesprochen, hing ihren Gedanken nach, während Luna von ihren vielen seltsamen Einkäufen berichtet hatte.

 

Und jetzt war es spät.

 

Jetzt saß sie still im Gemeinschaftsraum. Ginny saß neben Harry, sie lachten, während Ron damit angab, wie viele Punkte er heute abgezogen hatte. Aber sie versuchte, ruhig zu bleiben. Versuchte, nicht überstürzt die Worte hinauszuschreien. Es gab keinen Grund.

 

In ihrem Kopf machte es Sinn. Harry hatte eine Aufgabe gehabt, und ihr gefiel die Idee, selber eine Aufgabe zu haben. Sei sie auch bedeutungsloser und weniger erfüllend.

 

Sie erhob sich plötzlich. Niemand hatte sie gefragt, wo sie gewesen war. Was sie wichtiges zu erledigen gehabt hatte. Es wurde Zeit, das Spiel zu spielen. Es war ein großes Gefühl in ihrem Innern. Und fast – aber nur fast – tat ihr Malfoy leid, denn für ihn musste es ein Untergang seiner Welt bedeuten. Aber er war lediglich ein Bauer in einem Schachspiel, sagte sie sich. Sie hoffte nur, sie könnte diese Ansicht weiterhin aufrechterhalten.

 

„Hermine, alles klar?“, rief Ron, als sie zum Portraitloch ging. Ron war derjenige, den sie gewollt hatte. „Wo gehst du hin?“ Aber ihn bekam sie nicht. Etwas in ihrem Magen krampfte sich zusammen.

 

„Ich bin gleich wieder da. Ich muss etwas holen“, sagte sie, beinahe abwesend. Sie blickte über die Schulter zurück, aber ihre Freunde waren wieder ins Gespräch vertieft. Hermine war kurz der Gedanke gekommen, dass sie sich kindisch verhielt, aber… schnell hatte sie diesen Gedanken verworfen, denn sie wusste ja, was sie tat.

 

Und das war schon schlimm genug. Sie wusste, sie würde schlecht schlafen.

Sie wusste, es würde nicht einfach werden.

Sie stahl einen letzten Blick aus den Augenwinkeln auf Ron. Er lachte, tiefe Grübchen in den Wangen, und für wenige Sekunden ließ ein Schauer sie erfrieren.

 

Sie gab sich einen Ruck, und ging weiter. Schritt für Schritt.

Sie wusste, sie würde Ron verlieren.

 

Aber wahrscheinlich konnte man nichts verlieren, was man nie besessen hatte, nahm sie traurig an.

 

Jetzt würde sie ihr Hochzeitskleid holen.

 

~*~

 

Und am nächsten Morgen war es anders. Alles kam ihr anders vor. Es war, als vibrierte bereits etwas in der Luft. Ein Gefühl, eine seltsame Angst.

 

Sie hob langsam den Blick, als die Eulen kamen. Sie hatte es tief im Gefühl. Aber es fühlte sich kaum noch an wie ihr Körper. Es fühlte sich an, als passierte alles nur noch außerhalb ihrer Wahrnehmung. Auf Ginnys Teller landete ein seidig glänzender Umschlag, so auf Harrys und Rons. Und weitere schneeweiße Eulen verteilten ähnlich aussehende Briefe auf verschiedenen Plätzen des Slytherintisches und am Lehrertisch.

 

Und fast trotzig trank sie einen Schluck Tee. Selbstgefällig hörte sie Besteck klirren, Gemurmel ansteigen, und sie war sich Ginnys Blick sehr wohl gewahr.

 

„Oh verfluchter Merlin! Was für ein geschmackloser Scherz soll das bitte sein?“, hörte sie Ron sagen. „Hermine!“, rief er schockiert.  Hermine nippte wieder am Tee.

 

„Ginny, könntest du mir den Brotkorb reichen?“, fragte sie teilnahmslos, aber Ginnys Mund hatte sich geöffnet. Sie starrte sie an. „Auch gut“, sagte Hermine achselzuckend, lehnte sich vor und angelte sich selber eine Scheibe Brot.

 

Eine Eule tauchte aus dem Schwarm ab, kreiste über dem Gryffindortisch und ließ ein Päckchen direkt neben ihren Teller fallen. Sie öffnete es gespannt und ignorierte weiterhin die Blicke der anderen. Narzissa hatte ihr Pastetchen geschickt.

Es war mäßig absurd.

 

„Oh!“, entfuhr es ihr überrascht. „Ausgezeichnet“, bemerkte sie schließlich, mehr an sich selbst gewandt, und schob ihre Scheibe Brot zur Seite. Ginny starrte sie immer noch an. Dann wandte Ginny den Blick zurück. Hermine bemerkte, dass jemand hinter ihr stand und drehte sich auf der Bank langsam um.

 

Ok. Sie hatte damit eventuell gerechnet. Nur vielleicht nicht in Großen Halle.

 

Malfoy stand hinter ihr.

 

Und wenn sie sich an all die Momente zurück erinnerte, wo sie ihm gegenüber gestanden hatte, wo sie ihn erlebt hatte, so war das eine neue Seite. Sie konnte seinen Blick nicht deuten, aber sie wusste nie, was er dachte, also… - war das nicht unbedingt etwas Neues. Und sie atmete langsam aus. Es war schwer. Ihr Herz klopfte laut. Sein Blick wirkte… furchtbar. Gebrochen und… leer.

 

Perfekt. Genauso wollte sie ihn haben! Vielleicht klappte es. Sie hoffte es. Er hielt eine Schachtel in seiner Hand.

 

„Ja?“, fragte sie also, aber so unbeteiligt wie sie geplant hatte, klang sie leider nicht. Er war immerhin hierhin gekommen. Sein Blick fiel auf die Schachtel in seiner Hand, als würde er sie auch erst jetzt bemerken. Sie spannte den Kiefer an, denn da war kein Hass mehr. Da war nichts mehr in seinem Blick, als er die Schachtel ausdruckslos neben sie auf den Tisch stellte. Sie war aus Samt.

 

Sie schluckte schwer, denn es war unschwer zu erraten, was sich im Innern der Schachtel befand. Ihre Freunde sagte gar nichts mehr, starrten nur noch. Das war ihr Ring.

Etwas wie Verzweiflung und Wut zuckten über seine Züge, als er die Fäuste ballte und sich wortlos abgewandt hatte, um die Halle in zügigen Schritten zu verlassen. Hermine sah ihm nach, aber sie erlaubte dem schlechten Gefühl in ihrem Innern nicht, sich auszubreiten.

Sie öffnete den Deckel der Schachtel.

 

Drei blaue Saphire eingebettet in Weißgold. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Pansy ebenfalls die Halle verließ. Sie klappte hastig den Deckel wieder zu und ließ die Schachtel verschwinden.

 

Harry erhob sich anschließend, blieb abwartend stehen, ohne sie aus dem Blick zu lassen. Hermine schluckte das bittere Gefühl hinunter. Es war nicht echt. Es war der Plan. Sie wusste, was sie tat!

 

Auch Ron stand auf.

 

„Hermine?“, entfuhr es Harry tonlos, als er bedeutete, dass sie ihm folgen sollte. Sie kannte es von Harry. Er war immer so gewesen, suchte immer die Möglichkeit, Dinge irgendwie zu begreifen, brauchte ihre Worte tatsächlich, gab ihr die Chance, sich irgendwie zu erklären, das Missverständnis zu beseitigen. Aber dieses Mal konnte sie ihm den Gefallen nicht tun. Dieses Mal nicht, Harry.

 

„Ok.“ Sie reagierte endlich, erhob sich ebenfalls, nahm aber eine kleine Pastete auf die Hand. Sie hatte tatsächlich Hunger. Endlich war es raus. Und endlich hatte sie wieder Hunger. Sie folgte ihren stummen Freunden nach draußen auf den Flur. Alle sahen sie an. Harry öffnete stumm die Türen, die nach draußen führten.

 

Der Morgen war noch jung. Wenige Vögel sangen draußen.

 

Harry wirkte so betrogen, sah sie verloren an. Ähnlich wie Malfoy es getan hatte. Aber sie bekämpfte den Drang, zu weinen, sich zu erklären. Sie streckte also den Rücken durch.

 

„Ja, Harry?“, fragte sie, als wüsste sie nicht, worum es ging. Er sah sie an. Er schien keine Worte zu finden. „Es tut mir leid. Ich… wollte es euch schon eher sagen“, erklärte sie, mit einem Seitenblick auf Ginny, die vollkommen entgeistert den Kopf schüttelte.

 

„Aber… wie… wie?!“ Ginnys Mund hatte sich ungläubig geöffnet. Noch immer schien sie es nicht fassen zu können. Nicht ein Stück.

 

„Du heiratest Draco Malfoy am 20. Dezember?“, fragte Ron, merklich ruhiger als die anderen. „Seit wann weißt du das?“ Er nahm es recht gefasst auf, wurde ihr klar.

 

„Seit einer Weile“, sagte sie fest. Er nickte. Und sie erkannte es. Sie kannte Ron gut genug. Gut genug, um zu wissen, dass jetzt Funkstille herrschte. Sie hatte das geahnt. Alles in ihrem Innern brannte und schrie. Sie wollte es ihm erklären. Sie wollte ihn am liebsten schlagen dafür, dass er nicht da war, dass er Schlagsahen von sich ablecken ließ, dass er Schulsprecher war! Und sie nicht mal grüßte bei einem verdammten Quidditchauswahlspiel, und es kostete sie alles, jetzt nicht zu weinen!

 

Er war sauer. Er war verletzt und enttäuscht. Und es war vorbei. Sie erkannte es genau. Das war das Aus. Er wandte sich augenblicklich von ihr ab.

 

„Noch ein schönes Leben, Hermine“, entfuhr es ihm heiser und zutiefst gekränkt. Sie wusste nicht, ob er weinte, aber es brach ihr Herz. „Ich werde nicht zu deiner Hochzeit kommen“, schloss er, als er ging. Eine Leere erfüllte sie plötzlich. Kalt und schwer.

Harry sah ihm nach, um dann sie anzusehen. Kurz zuckte etwas über Harrys Gesicht, fast als wolle er sagen, dass Ron es nicht so meinte, dass er sich erst abreagieren musste, denn es war ja alles ein Missverständnis, aber diese Versicherung war schnell von Harrys Gesicht verschwunden, als er mit seiner eigenen Ratlosigkeit zu kämpfen hatte.

 

„Sag mir nicht, dass du…“ Harry unterbrach sich selbst. Es war warm draußen. Fast lächerlich angenehm, im krassen Gegensatz zur Stimmung, die herrschte.

 

Dass sie was? Ihr Herz schlug schnell. Sie wünschte, er würde zu Ende sprechen und sie nicht so ansehen! Wie sollte dieser Satz enden? Dass sie das ernst meinte? Dass sie mit ihm geschlafen hatte? Dass sie – was?! Ihr Mund öffnete sich, sie wartete, zu antworten, auf egal, was Harry fragen würde, nur solange er noch mit ihr sprach.

 

Sie hatte diese wichtige Konstante unterschätzt ging ihr auf. Die Konstante Harry Potter in ihrem Leben. Fast leichtsinnig war sie davon ausgegangen, dass er immer an ihrer Seite sein würde.

 

„Er liebt dich nicht, Hermine“, sagte Harry schließlich, mit mehr Bedacht, als sie ihm heute Morgen zugetraut hatte. Seine Augen ruhten prüfend auf ihr, als ob er sehen wollte, ob sie verrückt geworden war. Als wäre ihr diese wichtige Tatsache irgendwo entgangen. Nein, er liebte sie nicht. Natürlich nicht! Sie liebte ihn auch nicht. Aber Harry würde nicht verstehen. Er würde nichts davon verstehen.

 

Und deshalb sagte sie es.

 

„Du verstehst das nicht, Harry“, erwiderte sie, und ihre Stimme klang nicht fest und sicher. Gar nicht.

 

„Was?“, wollte er seltsam ruhig wissen. Zu ruhig. Es ging um etwas anderes, Harry. Bitte, begreif doch…! „Du bist so nicht, Hermine“, informierte er sie tatsächlich. „Was auch immer er… sagt…“ Es schien ihm schwer zu fallen, überhaupt zu sprechen. „Was auch immer… - ich meine…, was ist das überhaupt?“, entfuhr es ihm, mehr als ratlos. „Du hast doch gar keinen Kontakt mit ihm. Er hat dich noch nie beachtet, Hermine. Nie mehr als… als irgendeinen willkürlichen Schüler. Kennt ihr euch überhaupt? Wieso sollte er mit dir reden, geschweige denn… dich zu seiner Frau machen wollen?“ Und das Gespräch hatte eine abstruse Richtung angenommen.

 

Hermines Mund öffnete sich unschlüssig.

 

Was?!

 

Sie hatte mit vielem gerechnet. Aber bestimmt nicht damit, dass sie Harry erklären musste, warum Malfoy ihr auf jeden Fall Beachtung schenkte.

 

„Ja“, wiederholte sie, was sie ihrer Mutter gestern schon teilnahmslos zu verstehen gegeben hatte, mit beinahe tatsächlicher Vehemenz, „wir lieben uns.“

 

Aber gegenüber Harry und Ginny klang es einfach nur falsch in ihren Ohren. Sie biss nervös auf ihre Unterlippe.

 

„Hermine, was redest du da?“ Harry schien ihr nicht zu trauen, ihr nicht einmal ansatzweise zu glauben. „Er ist ein Todesser“, schien er ihr erklären zu müssen. „Seine Eltern… seine…“ Seine Augen verengten sich. „Seine Eltern haben damit zu tun, oder?“ Eindringlich sah er sie an.

 

Harry war ein kluger Junge. Ein ausnahmslos aufmerksamer Zuhörer und eigentlich erriet er immer alle wichtigen Punkte einer Sache nahezu sofort. Aber dieses Mal konnte sie ihm dafür keine Punkte schenken, konnte ihn nicht loben für seine schnelle Auffassungsgabe. Sie würde gerne. Und sie war froh, dass er es begriff, wenn sie es auch nicht gestehen konnte. Sie wusste, diese Sache ging Harry nichts an. Es war als… hätten sie sich auseinander gelebt. Und sie verfolgte mittlerweile eigene Ziele, eigene Pläne.

 

„Nein“, sagte sie nur. „Dieser Sommer… war… so anders, Harry. So verrückt“, erklärte sie, begann sich tiefer in ihr eigenes gefährliches Netz aus Unwahrheiten zu begeben. „Und ich weiß, es sieht nicht unbedingt so aus, als würden er und ich… ideal zusammen passen, aber… ich habe in den Ferien in Malfoy Manor übernachtet, hatte viel Spaß mit seinen Eltern, und… es ist nicht so, als hätten wir hier in Hogwarts nicht auch bereits unsere Zeit zusammen verbracht“, erläuterte sie ernsthaft. Harry starrte sie an.

 

Harry schüttelte den Kopf, als hätte sie ihn so eben verraten. Aber er glaubte ihr nicht. Denn sein verletzter Blick wandelte sich augenblicklich in einen abweisenden.

 

„Nein, Hermine, ich glaube dir nicht“, sagte er nur.

 

„Harry, da gibt es nichts zu glauben. Es… ist einfach wie es ist…“, schloss sie, und hasste sich selber für diese leeren Worte, die nicht ihre eigenen waren. Und Harry schüttelte zornig den Kopf.

 

„Wie kannst du, wie…? Ich kenne dich. Das bist nicht du!“

 

Aber zornige Slytherinmädchen stürmten bereits aus dem Schloss auf sie zu, über den geharkten Kies.

 

„Du miese Schlange!“, rief Cynthia Bellows, und Hermine konnte gerade noch den Kopf zwischen die Schultern ducken, als sie einen Fluch losließ. Geistesgegenwärtig hatte Harry den eigenen Zauberstab gezogen. Stumm entwaffnete er Cynthia, die wütende Blitze aus den Augen in seine Richtung schoss. Immerhin, dachte Hermine dumpf. Immerhin verteidigte Harry sie noch gegenüber anderen verrückten Mädchen.

 

Hermine atmete schneller. „Am besten versteckst du dich gut!“, knurrte Cynthia ihr zu, nicht besonders von Harrys Zauberstab beeindruckt.

 

„Halt deine Klappe, Cynthia!“, rief Ginny, endlich aus ihrer Starre erwacht. „Bild dir bloß nicht zu viel ein!“ Hermine war so dankbar!

 

„Du stehst auf meiner Liste, Granger!“ Cynthia bückte sich nach ihrem Zauberstab. Und welche Liste war das wohl? Die Liste voller Mädchen, die Cynthia umbringen wollte, weil sie ein einziges Mal mit Malfoy zu tun gehabt hatten? Hermine konnte sich gerade noch daran hindern, die Augen zu verdrehen. Pansy stürmte praktisch aus dem Schloss, direkt auf die kleine Gruppe zu.

 

„Fünfzig Punkte Abzug für Slytherin! Und bald heißt sie Malfoy, Cynthia. Wäre ich du, würde ich mich nicht mit ihr anlegen! Sie hat den gesamten Rückhalt der Gemeinschaft hinter sich, also sieh du dich lieber vor!“, ergänzte Pansy grimmig. Cynthia schenkte Hermine einen letzten hasserfüllten Blick, ehe sie und ihre Mädchen den Rücktritt antraten.

 

Hm… Hermines Panik flatterte leise auf. Ihren Namen? Sie musste ihren Namen für dieses Spiel hergeben! Für diese lächerliche Scharade. War das wieder ein weiteres Opfer? Na ja, sie würde ihren Namen eventuell wieder bekommen, nahm sie an. Nach der Scheidung. Sie wusste, sie würde noch heute irgendwann alle Nerven verlieren, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Nicht vor Harry und Ginny. Und garantiert nicht vor Pansy!

 

Ihr Blick hob sich langsam zu Pansys Gesicht. Pansys Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen. Hermine musste schlucken. Es war anders bei Pansy. Pansy schien nicht eine Sekunde lang daran zu zweifeln, dass Hermine Malfoy lieben konnte oder umgekehrt, so wie Harry und Ginny – und generell normale Menschen – es tun würden. Pansy war… wie beseelt von diesem beknackten Reinblüter-Kult! Ehe Hermine Pansys Verhalten überwinden konnte hatte sie den Abstand geschlossen, und Hermine wurde in Pansys Schraubstockgriff umarmt.

 

„Danke“, flüsterte Pansy so leise, dass nur Hermine es hören konnte. Hermine schloss die Augen. Wofür dankte ihr Pansy wohl? Wahrscheinlich dafür, dass sie Malfoy rettete. Wenn Hermine ihr erklären würde, dass das das letzte war, was sie tun wollte, dann würde Pansy sie auch nicht mehr umarmen, nahm sie an. Malfoy zu retten war… zugegebenermaßen das Ende des Plans, aber es war nur ein Nebeneffekt. Eine Nebenwirkung, die zwangsläufig folgte. Oder auch nicht. Je nachdem wie dumm Malfoy sich anstellte. Sie tat das auch zu Pansys Wohl, auch wenn Pansy es nicht begriff. Hermine statuierte ein Exempel mit ihrer Tat. Sie hoffte nur, es würde Früchte tragen, und kein Reinblüter wäre jemals wieder so dumm, seine Kinder zwangszuverheiraten.

 

„Er ist… er hat sich noch nicht abgefunden“, wisperte Pansy eine Spur verzweifelt, „aber nimm es nicht persönlich, Hermine, ok?“

 

Hermine reagierte gar nicht. Ha ha. Was dachte Pansy? Dass Malfoy vor Freude im Kreis springen würde? Natürlich war er verzweifelt. Wer wäre das nicht? Sie begriff, dass sie diejenige sein musste, die es durchzog. Sie würde Malfoy einfach mit durchziehen. Irgendwie. Sie wusste nur noch nicht genau, mit was sie genau zu tun haben würde. Wie sehr sich Malfoy sträuben würde – sehr –; wie schwer es werden würde, mit ihm zurechtzukommen – schwer - ; auf was sie sich überhaupt vorbereiten musste….

 

„Hermine?“ Ginny hatte sich geräuspert, und Pansy ließ von ihr ab.

 

„Ich… konnte das nicht glauben, und… ich…“ Sie schien immer noch verzweifelt. „Es ist so…“

 

Absurd? Dieses Wort hätte Hermine ihr gerne angeboten, aber sie verkniff sich jede unpassende Reaktion. Aber auf Harry war Verlass.

 

„-abwegig? Unmöglich?“, sprang Harry ihr schließlich zu Hilfe. Ginny nickte hilflos.

 

„Wie konnte das passieren?“, wollte Ginny verständnislos wissen.

 

„Wo die Liebe hinfällt!“, kürzte Pansy diese Unterhaltung lapidar ab. „Beide haben sich fantastisch im Club verstanden, getanzt, getrunken gelacht – und der Rest ist Geschichte!“ Pansy log wie ein Weltmeister. „Wo ist Weasley? Gehört er nicht sonst auch zu eurem Trio?“, wollte sie wieder geschäftig wissen. Hermine schluckte schwer.

 

„Ich denke nicht, dass er noch mit mir spricht“, sagte sie, teilnahmsloser, als sie es von sich erwartet hätte. Sie befand sich in einem seltsamen Traum, von dem sie noch nicht wusste, wie er ausgehen würde. Pansy verdrehte nur die Augen.

 

„Ich rede mit ihm. Ich muss ohnehin noch mit ihm reden. Das Vertrauensschülertreffen war doch eine Katastrophe gewesen!“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd. Pansy verstand es immerhin, sie etwas abzulenken.

 

„Es hat nicht stattgefunden“, erklärte Hermine trocken. Pansy ruckte unwirsch mit dem Kopf.

 

„Nein – ja. Na ja, ich… ach, das war einfach ein Missverständnis, ich-“

 

„-Hallo?“, rief Harry fast zornig. „Könnten wir vielleicht – für nur eine verrückte Minute über Hermine und Malfoy reden? Nur kurz, für diejenigen, die bei den verrückten Ferien im Irrenhaus nicht dabei waren?“ Hermine schluckte unter seinen Worten, bewahrte aber Haltung. Seine rationale Minute war scheinbar vorbei.

 

„Habe ich es nicht gerade ausreichend genug erklärt?“, wollte Pansy ungnädig wissen, und Harry tat so als müsse er überlegen.

 

„Hm… also, eigentlich – jetzt, wo du es so sagst, denke ich – nein, Pansy!“, fuhr er sie dann an. „So wie ich es sehe, heiratet Hermine angeblich in zweieinhalb Monaten einen Todesser!“, knurrte er.

 

„Draco ist kein Todesser“, sagte Pansy konsterniert. Ob sie es aus reinem Reflex sagte, oder ob sie es wirklich glaubte, wusste Hermine nicht. Sie hob entsprechend eine Augenbraue, als sie Pansy ansah. Wenn nicht Malfoy ein Todesser war, wer dann?

 

„Von mir aus kann er der Osterhase sein, Pansy! Hermine heiratet Draco Malfoy, Merlin noch mal!“ Harry starrte von einem Mädchen zum anderen. „Ich… muss mich setzen“, beschloss er schließlich, als die Worte wohl zu ihm durchgedrungen waren, und sank auf die Schlossstufen. „Entschuldige meine Unwissenheit, aber weiß Lucius Malfoy das?“, wollte Harry probehalber von ihr wissen, und Hermines Mund öffnete sich unschlüssig.

 

„Natürlich weiß er es!“, antwortete Pansy mit einer wegwerfenden Handbewegung. Hermine erkannte, wie sich im Durchgangsbogen mehrere Schüler gesammelt hatten, und sie anstarrten.

 

„Du bist achtzehn“, erläuterte Harry langsam. „Deine Eltern?“

 

„Sind begeistert“, sagte Hermine schließlich, was wohl teilweise einer Wahrheit entsprach. Sie klang wenig euphorisch, aber sie zwang anschließend einen freundlichen Ausdruck auf ihre Züge. Harrys Mund hatte sich wieder geöffnet. „Ich finde, wir sollten reingehen“, ergänzte sie mit mulmigem Gefühl.


„Zeig mir deinen Ring!“, forderte Pansy sie auf, während Hermine den Weg zurück ins Schloss antrat. Sie musste mit Malfoy reden. Irgendwann zumindest mal, überlegte sie dumpf. Hermine reichte ihr teilnahmslos die Schachtel. Pansy klappte sie hastig auf. „Er ist wunderschön!“, ergänzte Pansy anerkennend. „Du solltest ihn aufsetzen!“, ergänzte sie mit einem freudigen Nicken. Aber Hermine fand nicht, dass alles freudig war, und sie wollte auch gar nicht so denken.

 

„Gemeinschaftsraum“, befahl Harry kurz angebunden. Er war kreidebleich.

 

„Ich… äh… Harry, ich wollte eigentlich noch einmal kurz mit Malfoy-“

 

„-Gemeinschaftsraum, Hermine!“, wiederholte Harry erbarmungsloser als zuvor. Hermine schluckte. Ihr ging auf, dass sie wohl anfangen musste, ihn Draco zu nennen. Eventuell….

 

„Pansy, wir… sehen uns später?“ Pansy nickte bloß, beinahe ein seliges Lächeln auf den Zügen. Hermine fand es so unpassend wie nichts sonst.

Und Harry sprach nicht mehr, bis sie nicht tausend Schüler ignoriert hatten und im Gemeinschaftsraum angekommen waren. Sonntags war es voll hier. Merlin, war es voll!

 

Harry schritt voran zum Jungenschlafsaal der Siebtklässler, der leer war und zog hinter Hermine und Ginny die Tür zu.

 

„So, und jetzt will ich wissen, was hier läuft“, befahl Harry mit heiserer Stimme.

 

„Harry-“

 

„-bist du schwanger?“, wollte er tatsächlich wissen, aber nichts stand mehr in seinem Blick, als der absolute Unglaube, bezüglich dieser Tatsache. Hermine verdrehte die Augen. Das wäre noch schöner! Wie konnte er so etwas annehmen? Sie wusste, wie es aussah. Als hätte sie komplett den Verstand verloren. Als wäre sie die Ferien über verrückt geworden.

 

„Nein“, antwortete sie fast geduldig.

 

„Du kannst ihn nicht lieben!“, behauptete Harry kopfschüttelnd.

 

„Ach nein?“, wollte Hermine wissen, und Harry nickte. Sein Ausdruck war eisern. Es war schwer, ihn anzusehen, wenn er auch noch Recht hatte.

 

„Nein.“

 

Es war schwer, Harry anzulügen. Sie würde behaupten, fast unmöglich.

 

„Weißt du, während du und Ginny und Ron Spaß hattet in den Ferien, habe ich mich-“

 

„-in Malfoy verliebt? Oh ja. Das klingt logisch, Hermine! Das klingt nach etwas, was wir alle tun sollten, oder?!“, fuhr er sie an. Hermine zuckte zusammen. „Nein, bitte, erklär es mir! Ich möchte wirklich verstehen, wie diese Liebesgeschichte zustande gekommen ist!“

 

„Harry-“

 

„-und selbst wenn! Selbst wenn, Hermine – wieso dann nicht einfach nur zusammen sein? Was ich schon widerlich genug finde, aber – hey- lass uns mal ein bisschen herum spinnen, ok?“ Fast war er hysterisch. „Was zur Hölle lässt dich annehmen, mit achtzehn Jahren Draco Malfoy zu heiraten, wäre die Krönung des Jahres?“

 

Sie sah ihn an. Ihre Freunde hatten sie alleine gelassen. So würde sie ihren Sommer beschreiben, wenn sie anfangen würde zu erzählen. Und sie hatte die Malfoys kennengelernt.


„Du verstehst das nicht!“, rechtfertigte sie sich wieder. Und wieder mit diesem nichtssagenden Argument, was sie selber hasste. Gott, was sollte sie sagen?! Sie konnte es nicht erklären. Harry würde niemals zulassen, dass sie so etwas tat. Sie glaubte, dass einzige, was Harry davon abhielt, sich mit Malfoy zu duellieren, und die Einladung zu zerreißen, war die Tatsache, dass er es vielleicht doch für möglich halten könnte – zu einem geringen Grat – dass sie Malfoy tatsächlich liebte! Wie er das jedoch annehmen konnte, war ihr schleierhaft. Sie machte sich noch selber wahnsinnig!

 

„Dann sag es mir“, erwiderte er fast schon lauernd. „Er sieht gut aus, aber… seit wann interessiert es dich, wie jemand aussieht?“, schrie er sie an. Sie sah ihn verwirrt an.

 

„Was soll das bitteschön heißen?“, erwiderte sie tatsächlich.

 

„Ich meine nur, du bist… du hast nie…“ Er schien keine Antwort zu wissen.

 

„Du möchtest sagen, ich würde jede Kröte in Erwägung ziehen, solange sie mich nur fragt?“, erkundigte sie sich bitter.

 

„Nein!“, sagte er sofort, schüttelte den Kopf, und schien verwirrt zu sein. „Nein, das meine ich nicht. Gott, du weißt, was ich meine!“, fuhr er sie an.

 

Ja. Sie wusste es wohl. Sie wusste, er meinte, was sie wohl sonst an Malfoy gefunden haben könnte. Über sein Aussehen hatte sie ehrlich gesagt noch nicht ein einziges Mal nachgedacht. Er war zu widerlich, als dass sie über seine Beleidigungen hinaus sehen konnte.

 

„Was willst du, Harry? Einen Beweis, dass ich ihn liebe?“, wollte sie spöttisch wissen. „Es ist… einfach passiert. Und es geht… niemanden etwas an.“ Gott, sie war so erbärmlich, wenn sie log. „Warum denkst du, sitze ich auf der Slytherintribüne?“, fuhr sie fort. „Warum sollte ich sonst Kontakt mit Pansy und Blaise haben?“, plapperte sie weiter. „Und gestern war ich auf Malfoy Manor und Narzissa hat mir unser hübsches neues Haus im Garten gezeigt!“

 

„Hermine“, sagte er sehr ruhig, „das klingt wie… wie eine Falle.“ Und ja. Harry hatte völlig Recht. Dachte er, Hermine wusste es nicht? Nein! Natürlich wusste er es nicht, denn nur in ihren Gedanken konnte sie ihm die Antwort geben, die sie ihm gerne geben wollte.

 

„Keine Falle, Harry. Bitte, glaub mir doch“, sagte sie nun eindringlicher, wenn auch eher mit halbherziger Absicht. „Ich weiß, es ist plötzlich, aber eine Heirat hat… Tradition“, wiederholte sie Pansys Worte, die ihr zum Halse raushingen. Harry schüttelte wieder und wieder den Kopf, bis er mit der Faust gegen seinen Bettpfosten schlug.

 

„Ich glaube dir nicht!“, schrie er außer sich.

 

„Weißt du“, sagte Hermine und erhob sich von Harrys Bett, ehe sie weinen würde vor Dankbarkeit, dass er sie nicht für vollkommen übergeschnappt hielt. Nun, das tat er wohl, aber immerhin glaubte er ihr nicht. Dafür war sie dankbar, auch wenn sie es ihm nicht sagen konnte. „Mehr kann ich nicht tun, Harry. Das Verhör ist jetzt beendet!“, erklärte sie traurig und verließ den Schlafsaal wieder. Hastig suchte sie ihren eigenen Schlafsaal auf. Hier war Merlin sei Dank auch gerade keiner. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und bedeckte das Gesicht mit den Händen.

 

Ach wäre doch schon Montag, und keiner würde mehr darüber reden….

 

~*~

 

„Willst du drüber reden?“, bot sie ihm an, denn sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Besser, alle gewöhnten sich schnell daran, dann wäre es auch nicht seltsam. So sah Pansy es. Es war vollkommen absurd, ja. Aber sie fand es wirklich gut. Sie konnte es nicht anders sagen. Sie hätte es Hermine niemals zugetraut.

 

Weasley schnippte Eulenfedern vom breiten Sims in die Luft, wo der Wind sie davon trug. Aber er antwortete nicht. „Hör zu, ich… weiß, es ist schwer“, begann sie, denn sie wusste nichts Besseres. Schließlich hob er den Blick und sah sie unter roten Strähnen hinweg an.

 

„Schwer?“, wiederholte er rau ihre Worte. „Nein“, widersprach er träge. „Schwer ist es ist nicht. Es ist falsch und krank und widerwärtig. Aber nicht schwer!“

 

„Weasley“, begann sie wieder und kam näher, aber er wandte den Blick stur geradeaus. Sie lehnte sich mit gerümpfter Nase gegen den Sims, während die Eulen leise schuhuten. Alles stank nach Eulenmist hier oben.

 

„Was willst du?“, kürzte er das Gespräch mäßig ab.

 

„Ich möchte, dass du kein Drama aus der Sache machst“, informierte sie ihn knapp. Wieder sah er sie an. Kopfschüttelnd, vollkommen ungläubig.

 

„Du kennst sie nicht, ok? Du hast keine Ahnung von uns, von… unserem Leben!“ Er schüttelte wieder den Kopf. „So etwas tut sie nicht! Niemals! Und er? Er hasst sie, Merlin noch mal!“

 

„Liebe und Hass liegen dicht beisammen“, sagte sie bedächtig.

 

„So dicht nicht“, erwiderte er kalt.

 

Wieder blickte er stumm in die Ferne.

 

„Weasley“, sagte sie wieder, aber ruckte mit dem Kopf.

 

„Ich wäre gerne alleine“, informierte er sie erschöpft.

 

Aber Pansy seufzte. Sie ging nicht und stellte sich neben ihn, so dass sie gemeinsam über die Ländereien von Hogwarts blickten. Und er scheuchte sie nicht fort.

Sie biss sich auf die Lippe, während sie nachdachte.

 

Sie musste zugeben, sie war plötzlich an Weasleys Gestalt interessiert gewesen, als sie erfahren hatte, dass er der andere Schulsprecher war, aber… sie glaubte nicht, dass sie sich für ihn erwärmen könnte. Er war viel zu schnell beleidigt und eine zu große Diva. Sie hatte geglaubt gehabt, sie wären sich ähnlich – als Schulsprecher und Schulsprecherin. Aber langsam glaubte sie, Dumbledore handelte mit absoluter Willkür, was seine ersten Vertrauensschüler anging.

 

Und sie war versprochen. Aber das war gut. Also konnte sie ruhig und rational mit ihm sprechen. Vielleicht. Jetzt gerade war er einfach nur kindisch und anstrengend.

 

„Es ist verrückt“, sagte er nach einer Weile und unterbrach ihre Gedanken, „und völlig falsch.“

 

„Es ist nicht so verrückt“, bemerkte sie achselzuckend. Dann sah er sie wieder an. Die blauen Augen ungläubig auf sie gerichtet.

 

„Pansy, willst du mich heiraten?“, fragte er voller Ernst und sie sah ihn mit großen Augen an.

 

„Was? Was soll der Quatsch, Weasley?“, sagte sie vollkommen verständnislos, und er wartete noch einen Augenblick.

 

„Ganz genau“, bestätigte er nickend. Sie sah ihn an. Dann öffnete sie den Mund – und schloss ihn wieder.

 

„Nein. So war es nicht“, behauptete sie einfach nur kopfschüttelnd.

 

„So sieht es aber aus“, erwiderte er kopfschüttelnd, um wieder nach vorne zu blicken.

 

„Du hast mir einen Heiratsantrag gemacht“, sagte sie bedeutungsschwer. Er atmete aus.

 

„Es war zur Verdeutlichung“, entgegnete er gereizt. Sie lächelte überlegen und betrachtete ihre Fingernägel.


„Jaah, erzähl dir das ruhig, Weasley“, sagte sie lächelnd und wieder schwiegen sie beide.

 

Und ja. Gut, er hatte ja Recht. So sah es für Außenstehende aus. Und wenn sie recht überlegte, so sah es wohl auch für Draco und Hermine aus. Wieder begann sie nachzudenken.

Wieso… wieso hatte Hermine wohl doch ja gesagt? Pansy hätte ziemlich viel Gold darauf gewettet, dass sie niemals, in tausend Jahren nicht, Ja sagen würde.

Wieso hatte sie es wohl doch getan? Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie den grauen Himmel.

 

Es war nicht unangenehm, neben Weasley zu schweigen, stellte sie am Rande fest.

 

Kapitel 17

 

Träge hoben sich seine Augenlider, als wögen sie die Last der Welt. Der Raum besaß kein Fenster, aber es brannten noch einige der antiquierten Stehlampen, mit vergilbten Schirmen, aber das Petroleum war fast verbraucht. Er blinzelte und jemand streckte sich neben ihm.

 

„Morgen Dray“, säuselte sie lächelnd, das Seidenlaken über die Brust gezogen.

 

Er blieb völlig regungslos im Bett liegen, versuchte, nicht zu denken. Denn wenn er dachte, dann kam es wieder. Dieses Gefühl. Diese Niederlage, die er empfand. Die Bitterkeit zuckte um seine Mundwinkel. Wie hatte es passieren können?

 

War nicht vor einem Monat der beste Monat seines Lebens gewesen? War es nicht vor kurzem noch alles offen gewesen? Und jetzt stand er bereits am Ende? Wie hatte sie ihn finden können? Die Aussichtslosigkeit?

 

Hatte er sich nicht gut genug versteckt? Nicht gut genug gelebt?

 

Was hatte er getan? Er wusste es nicht. Er wollte wieder zurück. Zurück in diesen Sommer. Etwas hatte sich in den letzten Wochen in sein Leben gestohlen.

Es war… eine Dunkelheit, die er nicht greifen konnte. Granger war ein Schatten, der ihn zu fassen versuchte.

 

Was war nur mit ihm passiert? Er hatte erwartet, dass diese guten Momente seines Lebens immer wiederkehren würden. Nicht, dass er selber irgendwann verloren gehen würde.

Verloren in den Schatten…. In Grangers Schatten.

 

„Dray?“, wiederholte das Mädchen mit rauchiger Stimme und fuhr mit den Fingerspitzen über seinen Brustkorb. „Tut es noch weh?“, fragte sie, als ihr Blick wohl auf seine Seite fiel. Die Wunde war fast verheilt. Aber es schmerzte immer noch. Er regte sich nicht, starrte weiter an die Decke, während sie ihren Kopf auf seine Brust bettete und Kreise auf seine bloße Haut zeichnete und antwortete nicht.

 

Ihr Name war Cynthia. Sie hatte ihn gestern gefunden, als er sich betrunken hatte, mit Snapes letzter Vorratsflasche Koboldschnaps. Sie hatte ihm Dinge gesagt, die er hatte hören wollen. Die ihn wieder hatten fühlen lassen. Er hatte sich wieder gefühlt wie Draco Malfoy, in ihrer Anwesenheit, unter ihren verehrenden Blicken.

 

Jetzt war es morgen und morgens wirkte die Welt immer wie in ein hässliches Licht getaucht. Wie zu streng gezeichnet. Viel zu real. Könnte es doch immer Nacht bleiben. Könnte der Spaß doch ewig dauern, dachte er antriebslos.

 

Sie küsste seine Brust.

 

Seine Eltern hassten ihn.

 

Ihre Zähne kratzten verlangend über seine Haut.

 

Er war verdammt und musste sich fügen. Sich fügen, die Schlammblut-Schlampe zu heiraten!

 

Sie stöhnte leise, als sie sich enger an ihn presste.

 

Mit einem Knurren hatte er sich aufgelehnt, sie gegen die Matratze gepresst und küsste sie erbarmungslos, ohne ein Gefühl. Nur mit dem bloßen Drang, zu vergessen. Sein Körper drängte sich zwischen ihre Beine und seine harte Erektion fand ihren Weg mühelos, und sie war bereit für ihn, begegnete seinen Stößen, als wäre es ein verdammter Genuss für sie, aber das konnte es kaum sein, denn er verschaffte lediglich sich selber Erleichterung.

 

Er beachtete sie gar nicht. Benutzte sie, wie man ein Mittel zum Zweck eben benutzte.

Fuck, er wusste nicht mal ihren Nachnamen und es interessierte ihn einen Scheißdreck, wie sie hieß!

 

Er war derjenige, der zählte. Er war derjenige, der alles verloren hatte.

 

Und als er kam verschwamm alles vor seinen Augen. Sein Stöhnen war rau, war bodenlos, tief in seiner Kehle. Er zog sich aus ihr zurück, hatte bekommen, wofür er hier war, hatte genug. Sie stank. Sie stank nach ihm, nach dieser Nacht, nach allem, was er nicht mehr haben konnte!

 

„Draco?“, entfuhr es ihr fast kleinlaut, als er sich erhoben hatte, sie einfach liegen ließ, sich seine Hose anzog, das Hemd zuknöpfte, den Zauberstab in den Bund schob und ging. Ohne sich umzudrehen.

 

„Draco?!“ Ihre Stimme war lauter geworden, klang ungläubig, entrüstet, beschämt – all diese Sachen auf einmal. Und es interessierte ihn nicht.

 

Es war Montag. Er verließ den Raum der Wünsche. Er hatte gestern Nacht ein Motelzimmer gewünscht – er hatte eins bekommen. Mit einem schäbigen Bett, einer schäbigen Einrichtung, schmutzigem Sex und dem Abgang in Schande. Genau, was er gewollt hatte.

 

Er kämmte sich mit den Fingern durch die Haare, und hörte am Geräuschpegel, dass das Frühstück wohl so gut wie vorbei sein musste.

Verwandlung mit den Gryffindors. Danach Verteidigung mit Snape. Danach Percy Weasley – auch mit den Gryffindors. Seine Mundwinkel zuckten voller Hass. Er hatte das Gefühl, dass sein gesamtes scheiß Leben mit den Gryffindors stattfand!

 

Er war fast froh, zu spät zu sein, und keine Zeit zu haben, über all das nachzudenken, was passierte. Er hatte keine Ahnung, ob man ihm ansah, dass er nicht in seinem Schlafsaal geschlafen hatte, dass er die Uniform von gestern trug, dass er noch keinen Blick in den Spiegel geworfen hatte.

 

Einige Hufflepuffs kamen ihm entgegen, die noch einmal zu ihrem Gemeinschaftsraum wollten, und betrachteten ihn unverhohlen. Er wusste nicht, wie er aussah und es scherte ihn nicht. Er wusste, die meisten Schüler starrten aus Neid, aber was zur Hölle war da noch, worauf man neidisch sein konnte? Granger hatte all das genommen.

 

Er war nur noch erbärmlich. Sein Leben war vorbei.

 

Endlich hatte er die letzte Treppe nach unten erreicht, wich den Gryffindors aus, die ebenfalls noch mal zu ihrem Gemeinschaftsraum gingen, ignorierte Worte und Beleidigungen gekonnt, und schob sich in die Große Halle.

Pansy erhob sich gerade mit Blaise vom Tisch. Er beschleunigte seine Schritte. Pansy verschränkte zornig die Arme vor der Brust.

 

„Wo bist du gewesen?“, zischte sie nur, während er sich Tee in seine Tasse goss und im Stehen trank. Er griff sich ein Puddingplätzchen und verschlang es auch im Stehen. Pansy zog die Luft ein. „Du stinkst nach Parfüm“, informierte sie ihn böse.

 

Nicht seins, hätte er gerne gesagt, aber er hatte den Mund voll.

 

„Draco, ich rede mit dir!“, sagte sie nachdrücklich. Er hob die Hand in die Luft, um ihr zu bedeuteten, dass er gerade nicht sprechen konnte. „Wo warst du die Nacht über?“ Aber er hatte ihr nicht vor, ihr das zu erzählen. Er hörte, wie eine Tasse zu Bruch ging.

 

„Wirklich? So soll es jetzt also sein?“ Er hob den Blick. Granger sprach mit Weasley. Er hörte auf zu kauen, denn Weasley hatte sich von ihr abgewandt und marschierte zum Ausgang der Halle. „Ron!“, rief sie laut, aber Weasley blickte nicht zurück. Draco fing Potters Blick auf. Er kaute wieder weiter und senkte den Blick.

 

„Du solltest vielleicht mal mit ihr reden?“, schlug ihm Pansy säuerlich vor. Draco sah sie an.

 

„Nein“, sagte er nur, nachdem den letzten Bissen runtergeschluckt hatte. Pansy atmete entnervt aus.

 

„Wir sollten los“, erklärte Blaise mit einem Blick auf die Uhr an der Wand. „McGonagall sitzt schon nicht mehr an ihrem Platz.“

 

„Ich werde mit ihr reden!“, bemerkte Pansy kühl, als sie losgingen.

 

„Ich werde dich nicht aufhalten“, erwiderte er, als sie die Halle verließen, aber er merkte, wie Potter zu ihm aufschloss. Er fiel in einen Gleichschritt neben ihn. Draco hatte keine Lust darauf.

 

„Ich hätte gerne ein paar Worte mit dir gesprochen“, sagte Potter fast gelangweilt. Dracos Mundwinkel zuckten.

 

„Das nehme ich an. Aber vielleicht solltest du die paar Worte mit deinem Schlammblut sprechen und nicht mit mir“, erwiderte er glatt, und Potter stieß ihn hart, dass er fast gegen Pansy fiel. Die kleine Gruppe kam zu einem Halt. Draco blickte in Potters Augen. Entschlossen funkelten sie hinter seinen Brillengläsern. Er war etwas kleiner als Draco, aber ängstlich war Potter noch nie gewesen.

 

„Was soll das? Ist das irgendein krankes Spiel, was ihr spielt? Du beleidigst sie? Ist das euer… Ding?“, wollte Potter angewidert wissen, aber Draco hatte keine Ahnung, was er von ihm wollte. Er sah Granger sehr schnell auf Potter zukommen. „Sie ist deine Verlobte, oder?“, wollte Potter verächtlich wissen. Dracos Blick fiel schließlich auf Granger, die Potter zurückzuziehen versuchte.

 

Dracos Mund kräuselte sich verächtlich. „Sie ist eine Goldgräberin. Nichts weiter als das“, knurrte er abwertend in ihre Richtung. Und es irritierte ihn, dass sie so ruhig war. So verflucht ruhig!

 

„Harry, komm. Lass es sein“, sagte sie bestimmt.


„Hermine!“, entfuhr es Potter entrüstet. „Er redet über dich wie-“

 

„-Harry! Es geht dich nichts an, hast du das verstanden?“, sagte Granger tatsächlich, und Potter schwieg einen Moment lang.

 

„Er behandelt dich wie Dreck! Er beachtet dich nicht mal!“, schrie Potter jetzt. „Und das soll die große Liebe sein? Wirklich, Hermine? Denn ich sehe sie nicht!“ Potter riss sich von ihr los und lief ohne sie weiter. Granger atmete vor ihm aus. Jetzt waren es nur noch Pansy, Blaise, Granger und er.

 

„Es wird schon einfacher“, versprach Pansy ihr völlig aus jedem Kontext heraus.

 

„Pansy, bist du vollkommen-?“, begann er, aber sie schoss zu ihm herum.

 

„Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin! Weißt du, ich habe langsam genug davon, unserem Haus ausschließlich die Punkte abzuziehen, Draco Malfoy!“ Kurz blinzelte er heftig, dann senkte sich sein Blick auf Granger. Sie sah ihn allerdings nicht an, schien tief in Gedanken zu sein.

 

Sie kaute auf ihrer Unterlippe, während sie nachdachte. „Das ist erst mal egal“, ergänzte sie nachdenklich. „Ich werde das mit Harry schon klären“, und als wäre gerade überhaupt nichts passiert – als würden sie so etwas ständig tun, wandte sie sich mit einer Selbstverständlichkeit an ihn, dass ihm kurz die Luft wegblieb. Nur kurz.

„Narzissa hat mir geschrieben, dass wir zum Schneider müssen, um deinen Anzug anzupassen? Sie sagt, dein alter Anzug wäre definitiv nicht angemessen für eine Hochzeit“, endete sie, und schien auf seine Reaktion zu warten. Sie sagte eine Hochzeit, nicht seine oder unsere, fiel ihm am Rande dieses Wahnsinns auf.

 

„Ich denke, am Freitag können wir die Erlaubnis von Snape bekommen“, ergänzte sie nickend. Sie wirkte so… geschäftig, als… wären das hier Hausaufgaben, als…- er wusste es nicht.

 

Große Liebe? Meinte Potter das ernst? Hatte sie das gesagt?!

 

„Wieso sollte ich-“, begann er zu sagen, aber sie hörte ihm nicht mal zu, und nickte wieder.

 

„Gut, dann wäre das geklärt. Außerdem sollen wir uns überlegen, ob Ferien auf Malfoy Manor angebracht wären“, schloss sie mit einem fragendem Blick. „Also anschließend. Weihnachten“, fügte sie hinzu, als er nicht reagierte. Und sein Blick glitt zu Pansy. Er hatte keine Ahnung, wie er aussehen musste, aber Pansy war ihm keine Hilfe.

 

Aber er schüttelte einfach nur den Kopf. Er überlegte bereits, ob er sie vielleicht bezahlen konnte, damit sie wegging?

 

„Du willst nicht darüber reden?“, schloss sie aus seinem Verhalten. Er starrte sie immer noch an wie eine verrückte Banshee, nahm er an. Sie nickte abwesend. „Ich sehe euch später“, sagte sie dann zu Pansy und Blaise, ehe sie ging. Ihre Haare wippten hinter ihr her, und er konnte kein Wort sagen.

 

„Du bist ein Arschloch“, sagte Pansy gereizt. Aber Draco reagierte gar nicht mehr. Sie würde das doch wohl nicht ernsthaft durchziehen wollen?!

 

~*~

 

Nicht nur, dass er von Verteidigung heute keine Ahnung gehabt hatte, nein, jetzt saß er auch noch in Snapes Büro. Die glänzende Einladung lag vor ihm auf dem Tisch. Snape hatte die Hände aneinander gelehnt. Eine ähnliche Verwirrung, wie sie Draco empfand, zeichnete das Gesicht seines Paten, gemischt mit mildem Unglauben.

 

„Sie werden also heiraten?“, erkundigte sich Snape fast gelassen. Draco sagte nichts darauf. „Nicht, dass es nicht absolut großartig ist“, fuhr er mit einem besonders spöttischen Ausdruck fort, „aber so wie ich es sehe, handelt es sich hierbei um ein Ultimatum, nicht wahr?“

 

Draco atmete aus. Es war wie ein verrückter Albtraum, der einfach nicht enden wollte. Das war es, was es war!

 

„Oh, und ich weiß, dass Sie meinen Alkohol gestohlen haben. Ich erwarte Strafarbeiten oder Ersatz von Ihnen. Suchen Sie es sich aus.“ Aber wieder zierte ein seltsam ungewohntes Lächeln Snapes Züge, als er ihn amüsiert betrachtete. „Miss Granger hat mich bereits darum gebeten, Sie beide nach Hogsmeade zu lassen, um einen Anzug für sie anfertigen zu lassen. Das dürfte ein geeigneter Zeitpunkt sein?“ Er ließ die Frage im Raum hängen.

 

Draco verzog den Mund. Er würde bestimmt nicht mit ihr dorthin gehen! Ganz bestimmt nicht!

 

„Lucius erpresst Sie?“, fuhr er fort. „Heirat oder… was?“ Draco atmete aus. Es war faszinierend, wie lustig Snape seine Situation wohl fand.  Draco fixierte ihn nur missmutig.

 

„Was denkst du?“, sagte er also, nicht willig die ganze Lehrer-Schüler-Nummer mit seinem Paten aufrecht zu erhalten.

 

„Verstoß“, schloss Snape nur, ohne ihn wegen der persönlichen Ansprache zu maßregeln. Er versteckte diesmal sein Lachen hinter seiner Hand. „Lucius hatte schon immer ein Händchen für gelungene Strafen, Draco“, sagte er anschließend, das Grinsen nur zu deutlich auf den Zügen. „Ich nehme an, der Streit darüber ist schon gelaufen?“ Draco hasste ihn. Sehr.

 

Er nickte unwillig.

 

Oh ja. Er hatte mit ihm darüber gesprochen!

 

„Und Hermine Granger ist…?“ Snape sah ihn an, öffnete die Hände und machte eine lapidare Handbewegung. „Eine Laune deiner Eltern?“, schloss er immer noch grinsend. Draco ruckte mit dem Kopf. Es war nicht wirklich gut, mit Snape zu reden. „Und du hast dich also abgefunden? Ich meine, das musst du, aber… sie? Weshalb tut sie es wohl?“, mutmaßte er jetzt, also wäre Draco gar nicht mehr da.

 

Snapes amüsierter Blick senkte sich wieder auf die Einladung. „Du wirst das also durchziehen?“, erkundigte sich Snape fasziniert bei ihm, hob die Einladung vom Tisch und drehte sie in den Fingern.

 

„Was soll ich sonst tun?“, entfuhr es Draco fast angriffslustig. Snape lehnte sich im Stuhl zurück. Er schien antworten zu wollen, entschied sich aber dagegen.

 

„Dann würdest du im Frühjahr gemeinsam mit deiner Frau Hogwarts besuchen“, fuhr Snape fast zufrieden fort. Draco biss die Zähne fest zusammen. „Dein Vater ist ein wahrer König. Merlin, wer hätte ihm das zugetraut…“, bemerkte Snape lächelnd. „Obwohl die Strafe ja effektiver wäre, wenn Miss Granger abgelehnt hätte…“, schloss er kopfschüttelnd, in Gedanken versunken.

 

„Ich sehe keinen Unterschied“, entgegnete Draco mit verschränktem Armen. Snape hob den Blick, als hätte er erst jetzt wieder gemerkt, dass Draco überhaupt anwesend war.

 

„Was? Zwischen Heirat und Verstoß?“, wollte er wissen. Nein, Heirat mit einem Schlammblut. Und auch generell. Ja, wahrscheinlich schon. Dann wechselte Snape das Thema. „Es scheint nicht wie eine Liebesheirat“, fuhr er langsamer fort. Draco hätte fast gelacht, aber Snape hob die Hand. Er wechselte so schnell wieder in Lehrer-Schüler-Modus, dass es gruselig war. „Draco, Ihre Seite interessiert mich rein gar nicht. Sie machen das mit, um Ihr Erbe behalten zu können, aber…“ Er schien sich keinen Reim darauf machen zu können. „Nun, Miss Granger ist jung. Vielleicht hat sie Spaß an der Idee, Sie zu heiraten?“, begann er eine neue Vermutung, aber Draco wollte nur noch gehen.

 

„Aber wieso sollte Sie?“, beantwortete Snape seine eigene Frage schließlich, während er sich den langen Zeigefinger gegen das Kinn tippte.

 

„Vielleicht sollten Sie mit ihr darüber sprechen“, erwiderte Draco schlecht gelaunt, ebenfalls wieder mit förmlicher Anrede, aber Snape winkte tatsächlich ab.

 

„Das habe ich bereits vor der Stunde“, schloss Snape nachdenklich. „Sie ist verliebt. Zumindest behauptet sie das….“, fuhr Snape mit gerunzelter Stirn fort.

 

„Sie will das Gold“, korrigierte ihn Draco nur zornig. Snape sah ihn an. Und ja. Das war Dracos einzige Antwort auf diesen Wahnsinn.

 

„Glauben Sie das wirklich?“

 

Es verging eine weitere Minute in absoluter Stille, ehe sich Snape schließlich erhob. „Na gut, ich denke, dieses Gespräch ist beendet.“ Draco erhob sich dankbar. Was sollte er sonst glauben? Wieso erzählte das Miststück so eine Scheiße? Er begriff es nicht! Dann sollte sie wenigstens ehrlich sein.

 

Er atmete müde aus. Er hasste sie. Er hasste sie bald mehr als Lucius und Narzissa zusammen! Er verließ Snapes Büro.

 

Und es interessierte ihn mittlerweile. Wusste sie, wie viel Gold sie damit bekommen würde?

 

Seine Füße trugen ihn, tief hinab, wo sie gleich Zaubertränke haben würden. Und es war ihm egal, denn er musste fragen. Musste es einfach wissen. Denn er würde sich niemals damit abfinden. Und das musste sie doch wissen?!

 

Als er unten im Flur angekommen war, warteten die Schüler bereits an der Wand. Er ignorierte die Welt, ignorierte Potter und Weasley, ignorierte Pansy und Blaise und Goyle.

Vor ihr blieb er stehen. Sie besaß die Dreistigkeit auch noch verblüfft zu wirken. Sie war unfassbar!

 

„Ja?“, wagte sie zu fragen, nicht zu laut, nicht besonders zuversichtlich. Und nicht besonders angetan von seiner Aufmerksamkeit. Und er hasste es, ihr Aufmerksamkeit zu schenken.

 

„Ich hätte da eine Frage“, sagte er schließlich.

 

„Hier?“, entkam es ihr sofort, und er ruckte mit dem Kopf. „Nein“, sagte sie nur, als wäre es keine Option, dass er jemals mit ihr auf einem der Flure sprach.

 

Entnervt entwich ihm die Luft aus seinen Lungen. „Dass ich überhaupt mit dir rede, sollte Ehre genug für ein widerliches Schlammblut sein“, erklärte er überheblich. Und sie verdrehte die Augen! Merlin, sie verdrehte tatsächlich ihre scheiß Augen! Als hätte er eine Laune, als hätte er einen geflügelten Scherz gemacht!

 

„Es ist unvorstellbar! Du tust praktisch so, als würde ich dich dazu zwingen und nicht umgekehrt!“, kam es ihm zornig über die Lippen. Sie sah ihn an.

 

„War das deine Frage? Denn es klang nicht wie eine Frage, und Percy kommt bestimmt gleich“, bemerkte sie und reckte den Kopf in die Höhe, um den Gang hinabblicken zu können. Sie wimmelte ihn ab?! War das ihr Ernst?


„Nein, das war nicht meine scheiß Frage, Granger“, erwiderte er lauter, so dass die Slytherins die Köpfe reckten und er wusste, gleich würde Pansy kommen, weil sie ihn entdeckt hatte. „Ich hatte gestern Nacht Sex“, eröffnete er ihr gepresst. Sie schien kurz darüber nachzudenken. Er beobachtete sie genau. „Verdammt guten Sex“, ergänzte er lauernd, wenn es auch gelogen war, denn er erinnerte sich an nichts mehr. Es ging nur um den Effekt. „Das muss doch dein kleines Schlammblutherz brechen, wenn du mich so sehr liebst, oder?“, entfuhr es ihm böse, und sie sah ihn an. Dann öffnete sich ihr Mund langsam.

 

Sie schien gerade sehr schnell nachzudenken und er beobachtete sie genau dabei.

 

„Ja, sicher tut es das“, entschied sie, leise zu erwidern. Er sah sie mit verengten Augen an. Denn sie log. Das Schlammblut log! Und sogar so schlecht, dass es nicht zu übersehen war, selbst wenn man sie hasste, wie er es tat!

 

„Was spielst du hier?“, wollte er jetzt tonlos von ihr wissen. Denn dass sie log hatte er von vornherein vermutete, aber es jetzt bestätigt zu wissen, machte gar nichts besser, fiel ihm erschreckenderweise auf.

 

„Percy kommt“, schien sie mehr als erleichtert festzustellen, und sie hatte ihn stehen gelassen, ehe er etwas Zorniges erwidern konnte, und war zu Potter und Weasley gelaufen, als hätte er sie bedroht. Als wäre er es, der komplett wahnsinnig geworden war!

 

Fast verdattert stand er immer noch an derselben Stelle.

 

Was zur Hölle war gerade eben passiert?

 

Sie würde sich mehr anstrengen müssen, wenn er ihr überhaupt glauben sollte! Und er musste es nicht ergründen. Er musste nicht mal besonders tief ins ich gehen, um zu wissen, dass sogar Gold diesem Schlammblut scheiß egal war.

Wenn sie dachte, er wäre ihr treu, würde sie mit Geschenken überhäufen oder Respekt ihr gegenüber empfinden hatte sie sich geirrt. Er hasste sie.

Und das wusste sie! Und sie hatte ihn abgewimmelt!

 

Er begriff überhaupt nichts mehr. Worauf hatte sie es abgesehen, Salazar noch mal?

 

 

Kapitel 18

 

Es war das erste Mal, dass sie alleine mit ihm irgendwo war, seit dem Abend im Badezimmer. Sie hatte mehr Auflehnung erwartet, wenn sie ehrlich war. Und ehrlich gesagt, hatte sie es gehofft. Sie hatte eigentlich vorgehabt, Narzissa zu schreiben, dass Malfoy sich nicht fügte, dass er keinen Anzug haben wollte – dass Hermine alle ihre Kräfte anwandte, aber dass er jetzt schon zu stur wäre.

 

Aber das war nicht wirklich passiert. Er wirkte fast gleichmütig. Er beachtete sie auch nicht, während sie zusammen den Weg nach Hosgmeade hinabgingen.

 

Und sie wollte es bestimmt nicht. Heute hatte sie zumindest geschafft, dass Ron nicht fluchtartig ihre Nähe verließ. Und es schmerzte sie so sehr. Sie wollte so gerne mit Ron reden, wollte ihn einweihen, wollte… - dass auch sie sich – wie Malfoy es tat – ablenken konnte. Mit Ron. Was auch immer das bedeutete. Dass sie Ron einfach erklären konnte, weshalb sie sich entschieden hatte, den Malfoys einen Denkzettel zu verpassen, und dass sie und Ron… vielleicht insgeheim… ein Paar sein könnten.

 

Ach, es war zu traurig. Es war einfach aussichtslos. Und vor allem war sich Hermine nicht einmal sicher, ob sie überhaupt – ohne all das Chaos – eine Chance bei Ron gehabt hätte.

 

Immer wieder ihr glitt ihr Blick über ihn, fast um sich zu vergewissern, dass er immer noch da war. Es war ungewöhnlich, dass er tat, was man ihm sagte. Sie kannte ihn natürlich nicht. Nicht gut genug, um überhaupt etwas über seine Gedanken sagen zu können.

War es nicht absurd? Sie würde diesen Mann heiraten und wusste nichts über ihn!

 

Und es widerstrebte ihr. Sie biss sich auf die Zunge, denn fast hätte sie ihn gefragt, was er gerade dachte. Aber sie musste sich davon abhalten. Sie durfte auf gar keinen Fall, eine freundschaftliche Beziehung zu ihm aufbauen – nicht, dass sie das überhaupt für möglich hielt. Er war Malfoy.

 

„Ich brauche dich dafür nicht“, sagte er plötzlich in die Stille hinein, und sie hob erschrocken den Blick. Fast hätte sie seine Worte gar nicht registriert.

 

„Ich weiß“, sagte sie nur, fast selbstgefällig. Denn natürlich brauchte er sie nicht. Das war der ganze Plan! Den er nicht begriff…. Aber es sollte für ihn extra schlimm werden.

 

Sie machte das hier schließlich nicht zum Spaß.

 

Es war seltsam, wie sich alles geändert hatte. Sie erinnerte sich an die Nacht, als er auf der Garage gestanden hatte, viel gelassener als sie es in dieser Nacht gewesen war. Und jetzt? Jetzt schien es, als hielte sie alle Fäden in der Hand.

 

„Warum bist du dann hier?“, fuhr er sie von der Seite an, ohne sie anzusehen.

 

Um es für dich noch schlimmer zu machen, dachte sie.

 

„Ich bin deine Verlobte“, sagte sie aber. Und er verzog angewidert den Mund.

 

„Du bist ein Schlammblut, und nichts weiter“, informierte er sie abfällig. Er sah sie immer noch nicht an. „Nur gut, dass uns im Dorf niemand kennt“, ergänzte er.

 

„Lass uns nicht reden, ok?“, erwiderte sie gereizt. Jetzt wandte er den Blick.

 

„Ich rede nicht. Ich beleidige dich, falls es dir nicht aufgefallen ist?“, knurrte er und seine Schritte wurden energischer, aber sie hielt mit ihm mit.

 

„Lass es einfach“, entgegnete sie stoisch.

 

„Oh, halt deine Klappe, Granger.“

 

„Du wirst dich außerdem dran gewöhnen müssen, mich…“ Und kurz konnte sie nicht weiter sprechen. Er schien zu wissen, was sie sagen wollte. Sie wusste selber, was sie sagen wollte, Merlin noch mal. Sie wollte ihn einfach nerven, auf die Palme bringen. Aber es war schwer. Schwerer als sie angenommen hatte.

 

„Ich soll mich dran gewöhnen, dich mit Malfoy anzusprechen?“, beendete er ungläubig den Satz für sie. „Was ist? Kommt es dir nicht über die Lippen? Ist es dir so zuwider? Glaub mir, daran werde ich mich nie gewöhnen! Hast du Lust, mir zu erklären, was du spielst, du dummes Miststück?“

 

„Sei einfach still, Merlin noch mal!“, fuhr sie ihn jetzt an. Sie gingen schweigend weiter.

 

Aber nur nach wenigen Metern, sah sie, wie er lächeln musste. Sie hielt sich davon ab die Augen zu verdrehen. Sie hatte das hier nicht durchdacht. Mit ihm alleine irgendwo hin zu gehen, gab ihm lediglich die Gelegenheit, sie pausenlos zu beleidigen.

 

„Granger?“, fragte er tatsächlich, das Lächeln immer noch auf den Lippen. „Weißt du eigentlich, worauf du dich einlässt?“, ergänzte er fast belustigt. Sie atmete aus.

 

„Ja, Malfoy“, erwiderte sie teilnahmslos, ohne ihn anzusehen.

 

„Und du hast damit kein Problem? Nicht eines?“, fuhr er fort. Jetzt sah sie ihn an.

 

„Was willst du von mir?“, schnappte sie ungeduldig.

 

„Oh, ich meine nur… du musst mir hörig sein“, entgegnete er spöttisch, während er die Hände in seinen Taschen vergrub. Hörig sein? Sie sah ihn an.

 

„In deinen Träumen“, schloss sie kopfschüttelnd. Er lachte freudlos auf.

 

„Nein, in meinen Träumen jage ich dir tausend Flüche in die Brust und du stirbst einen qualvollen Tod, Granger“, klärte er sie kalt auf. „Aber in der Wirklichkeit, musst du alles tun, was ich von dir verlange.“

 

Sie atmete sehr langsam aus, damit sie nicht schreien würde.

 

„Das ist alles schön und gut. Wo steht das? Auf dem Papier, was ich unterschreiben muss, sobald es soweit ist?“, fragte sie mit verengten Augen. Er sagte nichts, wartete nur ab, was sie sonst zu sagen hatte. „Meinetwegen. Ich unterschreibe gerne alles, was deine Eltern mir vorlegen, Malfoy“, erklärte sie achselzuckend. Und sie liebte, wie seine Züge entglitten, wie er sie praktisch anstarrte.

 

„Du lässt mich alles mit dir machen?“ Seine Stimme klang ein wenig atemloser, und sie schenkte ihm einen ungläubigen Blick.

 

„Sicher, beleg mich mit dem Imperius, vielleicht folterst du mich vorher noch ein wenig, und ich bin sicher, dann sollte alles zu deiner Zufriedenheit laufen“, bestätigte sie mit einem bösen Lächeln. Seine Mundwinkel verzogen sich.

 

„Oh ok“, sagte er nickend. „Dann wird es eine spannende Hochzeitsnacht werden. Weißt du, ich stehe auf kranken Scheiß“, fuhr er kälter fort.

 

„Das ist mir bewusst“, sagte sie nur, ehe sie sich hindern konnte. Sein Blick traf sie voller Hass.

 

„Du weißt nichts über mich, Granger! Bild dir das nicht ein, nur weil meine Mutter dir ein Puppenhaus gebaut hat und dich ihre Tochter nennt!“, knurrte er zornig. „Wenn du denkst, mir meine Privilegien zu verweigern, macht dich zum Gewinner bei dieser kranken Sache, dann hast du vergessen, dass du nicht alleine in dieser Ehe sein wirst“, informierte er sie, und sprach bereits, als hätte er Zeit gehabt, ausgiebig darüber nachzudenken.

 

„Was soll das heißen? Du willst mich tatsächlich foltern? Mich zu Dingen zwingen? Mich noch schlechter behandeln, als du es ohnehin schon tust?“, lockte sie ihn, denn sie hatte ihn, wo sie ihn haben wollte. Und er nickte nur.

 

„Sicher, was bleibt mir sonst?“, erkundigte er sich mit einem bösen Lächeln.

 

„Gut“, erwiderte sie, fast zufrieden. „Dann bekommen wir ja beide, was wir wollen“, schloss sie und richtete den Blick wieder nach vorne. Sie wusste, er starrte sie noch immer an, konnte sie nicht einordnen, ihre Worte nicht begreifen, und sie wusste, es machte ihn wahnsinnig.

 

„Du wirst mein Kind bekommen“, sagte er nach einer Weile, mit etwas mehr Bedacht. Sie sah ihn nicht an, schüttelte lächelnd den Kopf.

 

„Ja, sicher, Malfoy“, tat sie seine Worte ab.

 

„Es ist vertraglich geregelt. Es hat nichts mit deinen Wünschen oder meinen Vorstellungen zu tun“, erwiderte er, fast überheblich. „Wenn nämlich kein Kind auftauchen wird, wirst du untersucht, dann werde ich untersucht, dann werden so lange sämtliche Vorkehrungen getroffen, bis es nicht mehr anders geht. Und wenn kein Kind gezeugt wird, Granger, wird die Ehe annulliert, und das Gold ist weg!“, schloss er lächelnd.

 

Sie war stehen geblieben. Mehr unbewusst, als bewusst. Und sie war kurz davor, ihn aufzuklären, dass er sich seine Millionen Galleonen in die Haare schmieren konnte, ehe ihr seine Worte bewusst wurden. Was?!

 

Sie hatte die Pflicht einen Erben zu zeugen? Die Pflicht? Mit zeitlicher Komponente? Sie atmete aus. Gut, sie hatte darüber so nicht nachgedacht.

 

„Nach wie viel Zeit?“, fragte sie ihn jetzt schroff. Er hatte ebenfalls angehalten und atmete entnervt aus.

 

„Was?“, fragte er verständnislos.

 

„Wie viel Zeit darf vergehen, bis ein Erbe da sein muss?“, fragte sie ihn, als wäre er begriffsstutzig. Und so sah er sie an.

 

„Ein Jahr“, erwiderte er, als wäre es verdammtes Allgemeinwissen. Dämliche Reinblüter!

 

„Das heißt…“ Ihre Stimme verlor sich, als ihr die Worte klar wurden.

 

„In den ersten drei Monaten musst du schwanger werden, oder du hast ein Problem“, klärte er sie achselzuckend auf. Sie dachte darüber nach. Gut, dann müsste er innerhalb der ersten drei Monate so ausrasten, dass seine Eltern wieder zu Verstand kämen, und diese Hochzeit der Hölle annullierten. Sie nickte.

 

„Gut“, schloss sie. Und er starrte sie immer noch an.

 

„Warum hast du damit kein Problem?“, fragte er sie tatsächlich mit einem Hauch von Ehrlichkeit in der Stimme.

 

„Weil ich eingewilligt habe, deine Frau zu werden“, gab sie ihm die unbefriedigende Antwort, die sie ihm ab jetzt immer geben würde, sollte er schwierige Fragen stellen. Ihre wahre Antwort lautete: Weil es alles nur Show ist, und ich eher meinen Zauberstab verschlucken würde, als auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, schwanger von dir zu sein!

 

„Was ist… was ist, wenn ich dich schlagen werde? Dir Gewalt antun werden, weil es keinen größeren Abschaum gibt als dich?“, fragte er, wieder einmal so ruhig, als würde er nach der Uhrzeit fragen. Sie zwang sich zur Ruhe.

 

„Dann nehme ich an, ist das dein gutes Recht“, erwiderte sie, mit ausgewählter Ruhe. Und dieses Mal reagierte er gar nicht. Er sah sie nur an. Ihr Herz schlug schnell, denn sie hegte die Befürchtung, er würde sie vielleicht wirklich schlagen wollen, wäre es erst mal soweit.

 

„Ich dachte, meine Mutter hätte dich ausgewählt, damit ich mich ändere. Nicht damit du mich machen lässt, was ich will?“, entfuhr es ihm ruhiger.

 

„Ich habe nicht vor, dich zu ändern“, antwortete sie das erste Mal in diesem Gespräch wahrheitsgemäß. „Niemand kann dich ändern“, ergänzte sie tonlos. Seine Augenbraue hob sich fragend in die Höhe.

 

„Ich möchte nicht den ganzen Tag hiermit verschwenden“, sagte sie nach einer Weile, als er sich noch nicht gerührt hatte. Sie schritt weiter, und er folgte ihr erst nach einer ganzen Weile, weiter den Berg hinab.

 

~*~

 

Gelegentlich hob sie den Blick, aber sie schien weder interessiert an ihm zu sein, noch besonderes Interesse an seinem Anzug zu haben. Das war wohl gut so, aber er wusste nicht, woran er bei ihr war. Er war sich sicher, sie hatte keine Gefühle für ihn. Keine positiven zumindest…. Und das Gold interessierte sie aber auch nicht.

Seit einigen Tagen dachte er nur darüber nach. Was sprang für sie dabei raus, wenn Reichtum keine Rolle spielte, und ihr sein Aussehen gleichgültig war?

 

Das Kind? Gefiel ihr diese Regelung? Aber wie sie ihn gerade angesehen hatte, schien sie nicht gewusst zu haben, dass eine Erben-Pflicht überhaupt bestand.

Und selbst wenn – sie war achtzehn. Er war achtzehn! Er konnte nichts mit dem Gedanken an ein Kind anfangen. Und sie?! Dann doch wohl auch nicht – oder?!

 

„Mr Malfoy?“

 

Mr Beckett riss ihn aus den Gedanken. Er war ein alter Zauberer, so alt, dass Draco die Falten auf seinem Gesicht nicht anfangen würde zu zählen. Das Schneidererjackett war ihm nun perfekt angepasst, und mit einem ausladenden Schwung seines Zauberstabs, verwandelte Mr Beckett den Stoff, auf dem so viele Kreidelinien gezeichnet waren, in einen Hochzeitsanzug.

 

Er war schwarz, elegant und matt. Die Aufschläge des Jacketts schimmerten wie mattes Karbon, und er gefiel sich nach einem Blick in den Spiegel immer besser. Zwar mochte der Anlass eher dazu auffordern, aus dem höchsten Turmfenster zu springen, aber er sah verdammt gut aus.

 

„Könnte man immer tragen“, murmelte er sich zu, während er sich vor dem großen Spiegel drehte.

 

„Miss Granger, wenn ich Sie bitten dürfte?“, fuhr Mr Beckett fort. „Man nennt es den glücklichen Bund. Ganz im Gegensatz zum Kummerbund“, ergänzte Mr Beckett lächelnd, nachdem sie Granger widerwillig von ihrer Zeitschrift gelöst und sich erhoben hatte. „Er wird vor der Hochzeit von Ihnen gebunden und nach der Hochzeit – zur Nacht – auch von Ihnen gelöst. Es gilt als alter Brauch – und als Unglück – wenn die Braut ihn nicht gelöst bekommt“, ermahnte Mr Beckett sie.

 

Granger betrachtete das lange schwarze seidige Band, was Mr Beckett in ihre Hände gelegt hatte, argwöhnisch. „Mr Malfoy, treten Sie hinab“, forderte ihn Mr Beckett auf. Malfoy trat vom Podest, überragte Granger aber immer noch um einen Kopf.


„Na, Sie sind wirklich gewachsen, seit dem letzten Mal!“, zwinkerte Mr Beckett, und Draco erinnerte sich an das letzte Mal – da war er neun gewesen. Der neunundzwanzigste Geburtstag seines Vaters war riesig gefeiert worden. Draco begriff, in zehn Jahren wäre er selber so gut wie neunundzwanzig und mit viel Pech… würde Granger seine Feier dann ausrichten. Dann hätte er einen neunjährigen Sohn. Er schluckte schwer. „Neigen Sie Miss Granger den Kopf zu. So! Jetzt legen Sie ihm das Band auf gleicher Länge um den Kragen des Hemds“, befahl Mr Beckett.

 

Er hatte den Kopf geneigt. Sie war jetzt sehr nah, und er sah, wie ihre Hände etwas zitterten, bei der ungewohnten Geste. Ihre Hände lagen abwesend auf seiner Brust, während sie – ganz Granger – Mr Beckett zuhörte, wie sie das Band binden musste. Draco hatte es aber schon oft genug gesehen. Granger musste es überhaupt nicht wissen. Er konnte es auch alleine. Und er beherrschte sich, sie nicht zu beleidigen, weil ihre Schlammblut-Hände immer noch auf seiner Brust ruhten.

 

„Also…“, begann sie nachdenklich, während sie auf seine Brust starrte. „Von links nach rechts, durch die Schlaufe, über den was?“, wollte sie erneut wissen, löste den Knoten wieder, und Draco verzog spöttisch den Mund.

 

„Klügste Hexe des Jahrgangs?“, spottete er, und sie funkelte das erste Mal zu ihm auf.

 

„Nein, das ist Pansy“, korrigierte sie ihn, so dass er den Hauch von Eifersucht in ihrer Stimme erkennen konnte.

 

„Ah, ich bin sicher, Pansy könnte es ohne Probleme auf Anhieb“, erwiderte er. Grangers Hände sanken lustlos an ihre Seiten.

 

„Ich bin sicher, Pansy kann viele Dinge ohne Probleme auf Anhieb“, konterte sie mit genau der richtigen Mischung aus Zweideutigkeit und Abscheu. Draco musste grinsen.


„Möchtest du mir irgendetwas unterstellen? Sag es doch laut, ich bin sicher, Mr Beckett hört gerne neuen Tratsch und Klatsch“, fuhr er mit einem Nicken, in Richtung Mr Beckett fort, der sich verlegen am Kopf kratzte.


„Na ja, ich… würde vorschlagen, wir üben noch mal?“, fragte er fast vorsichtig. „Miss Granger, von links nach rechts, durch die Schlaufe, über den Berg, einmal gewechselt, einmal getaucht, schon ist er erfüllt, der alte Brauch“, sprach Mr Beckett den Merksatz zu Ende, den Draco von seiner Mutter schon tausendmal gesagt bekommen hatte.

 

Granger schien nur nervöser zu werden. „Mr Beckett, ist das notwendig? Kann er es nicht selber machen?“, fragte sie verzweifelt, und Mr Becketts Augen wurden groß.

 

„Selber machen? Meine Liebe! Es ist Brauch von alters her!“, rief er aus. „Wenn der Bräutigam in der Hochzeitsnacht seinen eigenen glücklichen Bund lösen muss, dann… steht ein schwarzer Stern über Ihrem gemeinsamen Glück!“, flüsterte der Zauberer kopfschüttelnd. Aber Granger hatte die Augen verengt.

„Mir Verlaub, das ist Aberglaube und völliger Unsinn, Sir!“ Mr Beckett sah sie kurz an, ehe er den Blick zu Dracos Gesicht hob.

 

„Meine Mutter hat sie ausgesucht, Mr Beckett“, erklärte er freudlos. Granger verdrehte die Augen.

 

„Das ist mir zu blöd!“, rief sie aus und ließ ihn stehen.

 

„Sie ist recht wehrig, nicht wahr?“, bemerkte Mr Beckett, während er kopfschüttelnd den glücklichen Bund selber wieder löste und Draco aus dem Anzug hexte. Draco hätte noch einige andere Worte gefunden, aber er wollte den alten Mann nicht schockieren, also nickte er knapp.

 

„Hm“, machte er nur zur Bestätigung.

 

Und sie wartete tatsächlich draußen als er den Laden verließ.

 

„Du hättest gehen können. Sofern du nicht vorhast, mir anzubieten auf deinem Rücken zu reiten, sehe ich keinen Sinn darin, dass du auf mich wartest, Granger.“

 

Sie hob angewidert den Blick.

 

„Ok, weißt du was?“, knurrte sie, und scheinbar verlor sie nun etwas Kontenance, von dieser eisigen Hinnahme und Resignation, die sie vor sich trug wie einen Schild. „Dann lass uns die Dinge klären, die wir noch klären müssen, damit deine Mutter mir nicht eintausend weitere Eulen schickt, weil du zu faul bist, zu antworten!“, fuhr sie ihn zornig an.

 

„Was soll das, Granger?“, wollte er gereizt wissen.

 

„Also? Was ist mit Weihnachten?“, fragte sie böse. Er sah sie an.

 

„Was soll damit sein?“

 

„Verbringen wir es auf Malfoy Manor?“ Faszinierend, wie gelassen sie darüber sprechen konnte.

 

„Nein?“, erwiderte er verwirrt, und vollkommen ungläubig. „Ich fahre mit Blaise und Greg in Blaises Winterhaus in die Schweiz?“, erklärte er, und sie starrte ihn an.

 

„Was meinst du damit, mit Blaise und Greg?“

 

„Es sind Winterferien, oder nicht? Am zwanzigsten ist die Hochzeit“, - Gott wie er das Wort einfach schon sagen konnte, er war schockiert von sich selber, „und danach fahre ich mit meinen Freunden – wie jedes Jahr – in Winterurlaub.“

 

„Davon weiß ich nichts!“, erdreistete sie sich tatsächlich zu sagen.

 

„Nun“, begann er mit betonter Ruhe, „das mag darin liegen, dass meine Eltern nie wissen, wo ich bin oder was ich tue – oder… aber das ist jetzt vollkommen aus der Luft gegriffen, Granger, es mag daran liegen, dass wir beide uns nicht kennen, keinen Kontakt haben, nicht befreundet sind, und ich lieber schon nach der Zeremonie abreisen möchte, um mich vor dem Kamin in Sankt Moritz von leichtbekleideten Urlaubsflirts bedienen zu lassen“, schloss er kühl.

 

Sie starrte ihn an. Irgendetwas schien für sie ganz falsch zu laufen. „Was soll das bedeuten? Du willst nach der Hochzeit direkt abreisen?“, entfuhr es ihr nun etwas kleinlauter als noch alle Tage zuvor. Er runzelte die Stirn.

 

„Nein, Granger. Ich werde vorher natürlich noch in den Genuss kommen, deinen Schlammblut-Körper zu erniedrigen, und dich zu vögeln, auch wenn ich es nicht will“, erklärte er fast etwas ungläubig, denn sie schüttelte wieder den Kopf.

 

„Nein! Du… kannst nicht… abreisen, wie… soll ich…?!“ Sie schüttelte wieder den Kopf. Sie schien seine vorangegangene Beleidigung überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, stellte er ärgerlich fest.

 

„Und was genau möchtest du dagegen unternehmen? Ich werde dich bestimmt nicht mitnehmen. Ich habe dir bereits erklärt, dass es für mich nichts ändert. Du bist weiterhin ein Schlammblut, Respekt habe ich für dich keinen, und Weihnachten verbringe ich lieber mit Menschen, die mir nicht vollkommen zuwider sind. Also weder mit dir, noch mit meinen widerlichen Eltern. Aber euch wünsche ich viel Spaß.“ Seine Stimme hatte einen ätzenden Ton angenommen, den er beim besten Willen nicht ändern wollte.

 

Und sie schwieg. Den Blick abgewandt, während ihre Gedanken zu rasen schienen.

 

„War es das? Oder möchtest du sonst noch irgendetwas besprechen? Ich habe meinen Anzug, du hast dein Kleid, den Ring – ich denke, alle weiteren Dinge erledigen sich an diesem verfluchten Tag – und bis dahin möchte ich keinen Kontakt mehr mit dir haben. Das liegt doch auch in deinem Interesse, oder irre ich mich?“

 

Sie sah wieder an. Ihr Mund hatte sich geöffnet.

 

„Wann… wann kommst du wieder?“, fragte sie tatsächlich, als ob es verdammt noch mal wichtig wäre. Ihre Augen wirkten seltsam, stellte er fest. Sie suchten seinen Blick nicht mehr, und sie wirkten… glasig?

 

„Nach Silvester“, schloss er. „Ich denke, das war es dann“, ergänzte er. Sie regierte nicht mehr, und er ließ sie zurück.

 

Er bemerkte, dass sie sich nicht bewegt hatte. Und er hatte das Gefühl, dass, was immer sie auch geglaubt hatte, sich gerade in Luft auflöste.

Gut so. Grimmig ging er alleine zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Denn er hatte seine Schuldigkeit getan.

 

~*~

 

Sie hatte gewartet. Bis er fort war. Und sie hatte geweint.

Fast den gesamten Weg zurück. Aus Wut. Aus Verzweiflung.

 

Wenn sie wollte, dass sich etwas änderte, musste er doch da sein! Dann mussten seine Eltern doch das Elend sehen! Er konnte doch nicht weitermachen, wie bisher.

 

Sie war wieder auf dem Gelände von Hogwarts. Aber sie ging nicht zurück ins Schloss. Sie wich vom Weg ab, lief über die Wiesen, und wischte sich die Tränen von der Wange.

Was sollte sie tun? Weihnachten bei den Malfoys verbringen? Oder bei ihren Eltern? Was würden die denn sagen, wenn sie Weihnachten ohne ihren Mann verbrachte, den sie doch angeblich so sehr liebte?!

 

Und Silvester war er auch nicht da? Und seine Eltern erlaubten das einfach so?

 

Sie sank an einer Eiche zusammen, stützte den Kopf auf die Knie, während sie wusste, dass sie mit niemandem würde reden können.

 

„Hey, Hermine!“, hörte sie eine Stimme und hob den Kopf. „Geht schon mal vor!“, rief Lucas Diggory seinen Freunden zu, während er fröhlich auf sie zulief. Nur zu hastig hatte sich Hermine die Tränen von der Wage gewischt, aber sie war wohl nicht unbedingt gründlich gewesen, denn Lukes Lächeln verblasste eine Spur.

 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er sie etwas unschlüssig, aber tapfer nickte sie ihm entgegen.

 

„Ja, alles ok“, erwiderte sie knapp. „Und? Hattest du eine schöne Woche?“, lenkte sie vom Thema ab, und er fiel neben sie ins Gras.

 

„Jaah!“, rief er aus. „Am liebsten habe ich Verwandlung!“, verriet er ihr. Dann wurde sein Ausdruck ernster. „Sag mal, stimmt das mit deiner Hochzeit? Die Mädchen reden viel darüber“, fuhr er fort. Er musterte sie, fast als wolle er sie prüfen. Sie nickte langsam.


„Ja, was reden die Mädchen denn?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, was zehnjährige Mädchen darüber zu reden wussten. Er verdrehte die Augen und verzog angewidert den Mund.


„Ach nur solchen Unsinn! Sie finden deinen Freund hübsch und so was“, entgegnete er unwillig und angewidert. Hermine nickte langsam.

 

„Ich verstehe“, sagte sie verständnisvoll.

 

„Meine Eltern haben auch nach der Schule geheiratet“, erklärte er ihr jetzt nickend. „Du bist ja fast fertig“, schloss er achselzuckend.

 

„Deine Eltern sind Reinblüter, oder?“, fragte sie, denn sie konnte sich nichts anderes bei den Diggorys vorstellen, nachdem sie Cedric und seinen Vater damals kennen gelernt hatte. Der Junge überlegte angestrengt.

 

„Äh… das war noch mal, wenn… die Mutter und der Vater Zauberer sind, richtig?“, fragte er verwirrt, und Hermine war kurz erstaunt über dieses Unwissen. Aber es überraschte sie nicht wirklich. Wenn der kleine Diggory über den Krieg wusste, dann wohl eher, dass Muggel gejagt worden sind. Aber für die jüngeren Schüler musste es sowieso abstrakter sein. Man machte schon keinen Unterschied mehr unter den Zauberern.

 

Eigentlich fand sie es nett, zu sehen, dass nach all den Zeiten des Krieges, ihr gemeinsames Handeln Früchte getragen hatte, und die junge Generation schon nicht mehr wusste, was Reinblüter ausmachte.

 

„Ja“, bestätigte sie also.

 

„Ja, dann… glaube ich, sind sie Reinblüter“, erwiderte er grinsend. „Heiratet man dann jünger?“, ergänzte er verwirrt, und Hermine zuckte die Achseln.

 

„Das passiert schon öfters, ja.“ Es war ihr etwas unangenehm mit einem Kind darüber zu reden. Beide schwiegen, während der Junge versuchte, etwas zu verstehen, denn seine Stirn war gerunzelt.

 

„Aber…“, sagte er nach einer Weile, „ich weiß, dass die Malfoys Reinblüter sind. Vater hat es mal erzählt. Und du bist aber eine Muggel. Dann müsstest ihr doch gar nicht so früh heiraten – weißt du, das ist doch ein bisschen eklig, oder nicht?“ Er sah sie mit weiten Augen an, dass sie fast lachen musste.

 

„Wenn man… sich liebt, ist es nicht eklig“, sagte sie, was sie an Wahrheit zu sagen wusste, auch wenn auf sie nicht zutraf. 

 

„Oh“, entfuhr es ihm überrascht. Dann nickte er resignierend. „Na, dann muss ich mir wen anders zum Heiraten suchen, wenn du jetzt schon heiraten willst“, ergänzte er seufzend. Hermine musste tatsächlich lachen.

 

„Du wolltest mich heiraten?“, erkundigte sie sich mit erhobener Augenbraue, aber der kleine Lucas zuckte die Achseln.

 

„Sicher. Ich habe alles über dich gelesen, und du bist mutig und klug. Mutter sagt, kluge Mädchen sind besser als dumme – also… ja. In zehn Jahren oder so hätte ich dich gefragt“, eröffnete er ihr. Hermine nickte feierlich.


„Da hätte ich bestimmt ja gesagt. Tut mir leid, dass es jetzt so gekommen ist, Luke.“

 

Gönnerhaft winkte er ab. „Ach, schon gut. Ich werde bestimmt drüber weg kommen!“, versprach er ihr. „Wollen wir rein? Gleich gibt es Abendbrot?“, forderte er sie auf, und er durchkreuzte ihre Pläne, alleine in ihrem Selbstmitleid zu baden.

 

Sie erhob sich seufzend.

 

Und sie wusste noch nicht, wie sie es schaffen würde. Aber sie glaubte, sie hatte sich ein wenig verschätzt, mit ihrer Theorie, Malfoy machen zu lassen.

Denn eigentlich bot sie ihm gerade einen Freifahrtschein, genauso ein widerliches Arschloch zu bleiben wie bisher, nur ohne, dass er dafür von seinen Eltern bestraft werden würde – denn er würde sie ja heiraten und das Ultimatum erfüllen.

 

Nachdenklich schritt sie neben Lucas her, der ihr von all seinen fabelhaften Eindrücken hier erzählte und munter ohne Punkt und Komma plapperte. Alles, was sie tun musste, war ab und an zu nicken, und ihn in seinen Worten zu bestätigen.

 

Und nebenbei konnte sie überlegen, wie sie Malfoy Weihnachten gehörig verderben würde.

 

Sie kam sich vor wie der Grinch. Aber gegen Malfoy war der Grinch ein Waisenknabe, dachte sie bitter.

 

 

Kapitel 19

 

Es war ein relativ normaler Donnerstag gewesen. Ron sprach noch immer nicht mit ihr, Hermine schlief nicht mehr richtig, und Malfoy hielt sein Wort, und hatte sie seit ihrem Ausflug nach Hogsmeade nicht mehr beachtet. Darüber hatte sich Harry erst gestern beschwert. Er hatte sogar eine mentale List für Hermine vorbereitet, wo er ihr hundert Gründe aufzählte, warum er ihr kein Wort glaubte, und ihr versicherte, dass sie einen riesigen Fehler machte.

 

Aber sie hatten Percys Horror-Stunde hinter sich gebracht, und Hermine war wieder einmal vollkommen überrascht, wie absolut wenig sie von Zaubertränke wusste. Aber immerhin schnitt niemand gut ab. Zu dumm, dass sie es morgen früh wieder über sich ergehen lassen mussten.

 

Auch die Schulsprecher waren in diesem Fach absolut schlecht. Aber Ron war das sowieso, denn Percy hatte es sich zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht, Ron besonders zu quälen.

 

Irgendwann erlöste sie das Läuten der Glocke am Ende der Stunde, und Hermine schüttelte den Kopf über ihren klumpigen Trank, der mittlerweile eigentlich die Farbe von Flieder erreicht haben sollte. – Hatte er aber nicht.

 

Seufzend füllte sie einen Flakon ab.

 

„Und die beste Probe, die ich auswähle, bekommt von mir ein besonderes Geschenk, nächste Woche!“, versprach Percy mit einem angsteinflößenden Zwinkern. Es würde bestimm in einer öffentlichen Demütigung vorne vor dem Pult enden. Hermine war sich sicher. Aber sie war sich auch sicher, dass ihre Probe nicht als beste abschneiden würde – also hatte sie kein Problem.

 

Nachdem Percy zu jedem Tisch gekommen war, um die Proben einzusammeln, hatte Pansy ihren Tisch erreicht. Ron hatte so eilig zusammen gepackt, dass selbst Harry die Augen verdrehte.

 

„Hier“, sagte sie feierlich, und reichte Hermine einen mattschwarzen Umschlag. Er war nicht beschriftet.

 

„Was ist das?“, wollte Hermine argwöhnisch wissen, nachdem sie in ihrer Hand gedreht hatte. Ein Blick über die Schulter sagte ihr, dass Malfoy gerade einen ähnlichen Umschlag von Zabini bekommen hatte.

 

„Mach ihn auf. Und komm nicht zu spät“, ermahnte Pansy sie, und als Hermine die Lasche geöffnet und die ebenso schwarze Karte hervorgezogen hatte, hatte sich Harry näher gebeugt.

 

Hermine drehte die Karte gespannt um.

 

„Raum der Wünsche, 20 Uhr, Losung: Pansys Party“, las Hermine beunruhigt vor. Harry kratzte sich am Kopf.

 

„Klingt wie… - hoffentlich kein Jungesellinnen-Abschied, oder? Pansy-?“ Sie hatten den Blick gehoben, aber Pansy war bereits verschwunden.

 

Hermine hatte es bereits befürchtet, aber nie ausgesprochen. Sie seufzte unglücklich auf. Wie immer, wenn es zum Thema Hochzeit kam, wurde Harry äußerst eigenwillig.

 

„Nicht, dass ich darauf achten würde, aber du hast diese Woche noch nicht einmal mit ihm gesprochen“, bemerkte er kälter.

 

„Mit wem?“, versuchte Hermine Zeit zu schinden, aber Harry schlang mit eindeutigem Blick die Tasche über seine Schulter.

 

„Mit wem wohl? Mit Prinz Eisenherz“, erklärte er bitter. So nannte er Malfoy von Zeit zu Zeit.

 

Sie verdrehte die Augen. „Wir verhalten uns traditionell. Außerdem möchte ich nicht, dass… diese Verbindung uns noch mehr schadet, Harry“, erklärte sie sanfter. Sie hatte angefangen in diese Kerbe zu schlagen. Es machte es auch für sie leichter, denn sie wollte es Harry immer dringender beichten. Dass er richtig lag, und sie einfach nur noch panischer wurde. Aber sie hielt durch, glaubte immer noch, dass sie durch ihr Handeln eine ganze Reinblütergeneration würde retten können, und deshalb nutzte sie Malfoys kalte Ablehnung und Ignoranz zu ihrem Vorteil, als wäre es seine Idee gewesen, dass sie sich beide kalte Schulter zeigten. „Das ist eben eine Seite von mir, die du nicht begreifst, und deshalb verschone ich dich davon, weil ich dich sehr liebe, und dann musst du nicht mal so tun, als ob du alles ignorierst, denn er ist so verständnisvoll und geht diese Längen. Für mich“, ergänzte sie fast liebevoll, und es widerte sie innerlich so sehr an, Malfoy auch nur eine halbe gute Eigenschaft zuzuschreiben – die gelogen war.

 

Harry verzog den Mund. „Diese Längen?“, hörte sie ihn verächtlich schnauben. „Dass er dich mit dem Arsch nicht anguckt sind plötzlich Längen?“, fuhr er ungläubig fort, aber sie wusste, er überlegte, ob sie Recht hatte. Und es störte ihn. Sie hatte gemerkt, dass, wenn sie Harry mit Liebe und Freundschaft und Malfoys falschem Verständnis kam, er ihr meisten alles verzieh – sei es auch noch so dämlich. „Gehst du da hin?“, wollte er anschließend von ihr wissen, und sie betrachtete die schwarze Karte unglücklich.

 

Sie würde schlecht Nein sagen können. Dann würde Harrys Misstrauen wieder überkochen.

 

„Ich… schätze schon“, räumte sie also lustlos ein.

 

Aber sie wollte nicht. Wirklich nicht!

 

~*~

 

Sie hatte ihre Bücher abgegeben und zog dieses schreckliche Ereignis so lange wie möglich hinaus. Pansys Party. Pansy hatte auch Ginny, Parvati und Lavender eingeladen – als einzige Mädchen aus Gryffindor. Harry und Ron waren natürlich nicht auf Malfoys Gegenparty eingeladen, die Blaise für ihn veranstaltete, und keiner der beiden schien darüber besonders betrübt zu sein, soweit sie es hatte beurteilen können.

 

„Miss Granger?“

 

Sie hielt überrascht inne. Sie erwartete ihn nie hier oben, stellte sie fest. Und bestimmt nicht, während er sich selber Bücher auslieh. Obwohl er sie bestimmt nie leihen musste, denn als Schulleiter stand es ihm wohl zu, sie einfach – zu nehmen, nahm sie an.


„Professor Dumbledore“, begrüßte sie ihn verhalten, hatte fast das Bedürfnis zu knicksen, vor seiner Erscheinung. Er trug einen purpurfarbenen Umhang. Sie überlegte, dass Snape wahrscheinlich nicht mal unter Folter so farbenfroh durch die Schule laufen würde wie Dumbledore es scheinbar gerne tat.

 

„Ein guter Abend, um Bücher zu leihen, nicht wahr?“, begann er unverfänglich ein Gespräch, so sorglos, als wäre er einer der Schüler.

 

„Ja“, räumte sie in Ermangelung besserer Worte ein. „Ich… habe Sie selten in der Halle gesehen, diese Woche“, ergänzte sie. Gerne hätte sie ihn auf die Schulsprecherangelegenheit angesprochen, aber sie hielt sich zurück.

 

„Oh, das ist richtig“, erwiderte er lächelnd, scheinbar beeindruckt, dass es ihr aufgefallen war. Aber… sie hatte ja viel Zeit, solche Dinge zu bemerken, denn – sie war ja keine Schulsprecherin geworden! Sie spürte, wie sie etwas zorniger wurde. Denn hier vor ihr stand schließlich der Mann, der diese Entscheidung letztendlich getroffen hatte und sprach mit ihr so unbefangen, als… als wären sie gute Freunde. „Wissen Sie, das mag daran liegen, dass ich meinen Ruhestand plane, Miss Granger“, schloss er zwinkernd.

 

Sie starrte ihn an und vergaß ihre selbstsüchtigen Gedanken für eine Minute.


„Was?“, entfuhr es ihr, ohne jede Form der Höflichkeit.

 

„Oh ja!“, erwiderte er sofort. „Es wird Zeit. Und ich denke, mein Nachfolger wird ein würdiger werden“, schloss er nickend. Sie überlegte kurz. McGonagall oder Snape. Ansonsten fiel ihr kein würdigerer Kandidat ein.

 

„Solange es nicht Percy Weasley ist…“, sagte sie mit einem feinen Lächeln, denn es war schwer, wirklich böse mit Dumbledore zu sein. Und der Schulleiter lachte angenehm auf. Er hatte immer eine beruhigende Stimme gehabt.

 

„Oh, nein. Ich denke, das hat noch Zeit“, erklärte er abwehrend. Er ließ das Buch, dessen Titel Hermine nicht hatte lesen können, in eine seiner riesigen Taschen seines Umhangs gleiten, so dass es aus ihrer Sicht verschwand. Er schüttelte die Ärmel über seine Hände und verschränkte sie vor seinem Körper, wirkte vollkommen mit sich zufrieden. Wie sich das wohl anfühlte, überlegte Hermine. Sie hatte dieses Gefühl schon lange vergessen.

 

„Sie… sie gehen also wirklich?“, wollte sie ungläubig wissen. Und er nickte still, mit einem versonnenen Ausdruck.


„Wissen Sie, ich habe lange Zeit mit dem Gedanken gespielt. Und… Hogwarts braucht mich nicht mehr“, sagte er schließlich achselzuckend.


„Wie… wie können Sie so etwas sagen?“, entfuhr es ihr verblüfft. „Natürlich braucht Hogwarts Sie!“ Er wirkte kurz geschmeichelt.

 

„Miss Granger, wissen Sie, wie alt ich bin?“, wechselte er das Thema, und Hermine musste gestehen, nein, das wusste sie wirklich nicht. Aber Dumbledore war bestimmt… schon weit über das gewöhnliche Rentenalter hinaus, das gab sie zu. Er nahm ihr eine mögliche peinliche Antwort ab. „Alt genug“, beantwortete er eindeutig die Frage.

 

„Aber Sir-“

 

„Und ich sehe keinen Krieg, der ins Haus steht“, unterbrach er sie mit abwehrender Geste. „Aber es wird noch eine angemessene Abschiedsfeier geben.“ Kurz schienen seine Gedanken zu entgleiten, und mit einem Mal betrachtete er sie eingehender.

„Ich glaube, ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu gratulieren“, merkte er mit der Idee eines Lächelns an. Und sofort sank ein tonnenschwerer Stein in ihre Magengrube.

 

Sie schluckte schwer. „Danke, Sir“, würgte sie gezwungen hervor. Wozu sollte sie vorgeben, nicht zu wissen, wovon er sprach? Es gab keinen Grund dazu.

 

„Wissen Sie, hätte es vor sieben Jahren die Prophezeiung gegeben, dass Hermine Granger und Draco Malfoy heiraten würden – ich hätte es durchaus nicht für vollkommen abwegig gehalten“, räumte er nickend ein. Sie sah ihn an.


„Was? Wieso?“, fragte sie vollkommen entgeistert.


„Halten Sie es für so abwegig?“ Ehe sie ehrlich antworten konnte, hielten sie ihre Sinne davon ab – denn – was sollte sie sagen?! Dass sie es furchtbar abwegig fand? Das würde ziemlich schlecht aussehen.

 

„Ich – nein“, rang sie sich also ab. „Jetzt… nicht mehr. Aber damals – hätte ich diese Prophezeiung für einen Witz gehalten!“, erklärte sie kopfschüttelnd.

 

„Ich finde es bemerkenswert“, sagte er geheimnisvoll. Und Hermine musste nachfragen. Er setzte sich bereits in Bewegung, wohl um seinen Abschied anzudeuten. Sie folgte ihm, denn sie hatten vorerst dieselbe Richtung. Es war seltsam, mit dem Schulleiter auf selber Höhe zu gehen. Dumbledore war so anders als die meisten Erwachsenen, die Hermine kannte.

Vollkommen anders! Ihm machte es überhaupt nichts aus, neben einem Schüler zu gehen, als wären sie ebenbürtig.

 

„Was, Sir?“, wollte sie wirklich wissen, während sie den Flur hinab gingen, und Dumbledore fröhlich die Hände hinter dem Rücken verschränkte.


„Eine Muggel und ein Reinblüter. Es scheint fast, als würde die neue Generation den alten Werten trotzen. Und ich finde es wunderbar, dass Sie den Anfang machen“, erklärte er aufmunternd.

 

Und Hermine nickte, denn es stimmte. Aber… sie heiratete Malfoy nicht, weil sie ihn liebte. Nein, sie heiratete ihn, um ihn vor der eigenen Inkompetenz und Dummheit zu retten, und seinen Eltern eins auszuwischen. Aber das sagte sie nicht laut. Natürlich nicht.

 

„Äh ja“, sagte sie stattdessen. „Es ist recht… ironisch“, schloss sie nachdenklich. Dumbledore lächelte. Sie erreichten die Kreuzung, an der sich ihre Wege trennten.

 

„Im Schloss munkelt man, Sie hätten heute einen besonderen Abend?“, entfuhr es ihm mit erhobenen Brauen, und Hermine fragte sich, was Dumbledore eigentlich nicht wusste! Er wusste einfach immer alles.

 

„Ach?“, wich sie seiner Frage aus.


„Na, ich will nichts gehört haben. Professor Snape patrouilliert heute. Nur zur allgemeinen Information. Ich würde also aufpassen, wenn ich später noch etwas vorhätte, was… vielleicht die normalen Bettruhezeiten ein wenig strecken könnte…“, schloss er mit eindeutigem Blick. Hermine tat vollkommen planlos und ruckte mit Kopf.

 

„Gut zu wissen. Ich werde es so weitergeben, falls jemand fragt, Professor.“

 

„Na dann“, schloss er und schenkte ihr einen letzten erwartungsvollen Blick. Kurz bevor es unangenehm wurde, nickte sie.

 

„Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Sir“, verabschiedete sie sich höflich.

 

„Das wünsche ich Ihnen ebenfalls, Miss Granger“, erwiderte er den Gruß, und sie wandte sich ab.

 

„Miss Granger?“, hielt er sie jetzt tatsächlich mit dem Hauch von Neugierde in der Stimme auf. Sie wandte sich fragend um. „Ich hatte erwartet, dass Sie mich fragen würden“, fuhr er interessiert fort.


„Sie fragen? Was sollte ich Sie fragen, Professor?“, wiederholte sie verwundert seine Worte.

 

„Warum ich nicht Sie ausgewählt habe.“ Hermines Herz schlug plötzlich schneller in ihrer Brust und sie spürte die Röte in den Wangen. „Ich jedenfalls hätte mich wohl gefragt“, fuhr er fort.

 

Sie biss sich auf die Lippe. Sie glaubte nicht, dass es Sinn machte, zu fragen. Dass es etwas brachte, wenn sie sich jetzt beschwerte, denn, es war doch bereits vorbei. Die Auswahl war gelaufen, und sie war scheinbar nicht in die engere Wahl gekommen. Also streckte sie tapfer den Rücken durch und lächelte so aufrichtig, wie sie es zustande brachte. Und alle ihre Gefühle, die sie die letzten Wochen deswegen gehabt hatte, verschwanden unter ihren nächsten Worten.

 

„Sir, das spielt keine Rolle für mich. Sie haben Pansy Parkinson bestimmt mit sehr guten Gründen ausgewählt. Wieso sollte ich eine Ihrer Entscheidungen in Frage stellen? Das habe ich vor dem Krieg nie getan, und ich habe nicht vor, jetzt damit anzufangen“, schloss sie, fast streng mit ihm. Und fast mit Resignation stellte sie fest, dass ihre Worte die Wahrheit waren. Unterm Strich würde sie keine von Dumbledores Entscheidungen jemals im Kern anzweifeln. Keine. Sie wäre ihm auch blind in den Krieg gefolgt, denn… es war Dumbledore. Der klügste Zauberer, den sie kannte.

 

Und seine Mundwinkel hoben sich tatsächlich zu einem herzlichen Lächeln. Dann nickte er. „Sie sind ein selbstloser Mensch, Miss Granger“, sprach er die nächsten Worte, fast mit Bedacht. „Wissen Sie“, begann er schließlich, während sie merkte, dass das Gespräch nun zu einem Ende gelangte, denn er hatte sich bereits halb abgewandt, „auch ich glaube, dass man das Beste aus Slytherins machen kann, wenn man sie nur in die richtigen Positionen bringt. Es ist… ein wenig wie Schach, nicht wahr?“

 

Und vielleicht spielten ihre Augen ihr einen Streich, aber sie glaubte, ihn zwinkern zu sehen. Eine Gänsehaut befiel sie fast augenblicklich.

 

Und dann hatte er ihr den Rücken zugewandt und spazierte summend den Gang hinunter. Hermine starrte ihm nach. Und ihr Herz schlug sehr schnell, denn sie hatte das seltsame Gefühl, aufgeflogen zu sein – obwohl sie glaubte, dass er das mit seinen Worten bestimmt nicht gemein hat. Das… konnte er nicht gemeint haben? Oder?! Dumbledore mochte klug sein, aber er durchschaute nicht alles. Auf gar keinen Fall.

 

Das Beste aus Slytherins machen, wenn man sie nur in die richtige Position brachte?

 

Nein, er konnte nicht sie und Malfoy meinen. Der einzige Slytherin, der aus ihrer gefährlichen Aktion vielleicht lernen würde, wäre nur Lucius Malfoy.

Sie unterstellte Malfoy nicht, auch nur eine Sekunde zu begreifen, was für ein Opfer sie brachte. Man konnte nicht aus allen Slytherins das Beste machen.

 

Vielleicht konnte Dumbledore das. Aber sie nicht.

 

Und sie ignorierte schleunigst den Gedanken, dass Dumbledore der einzige Mensch auf dieser Welt sein konnte, der ihren Plan durchschaut hatte.

Denn es verursachte ihr nur Magenschmerzen….

 

~*~

 

Als sie sich auf den Weg machte, waren Ginny, Lavender und Parvati bereits gegangen. Und Hermine fühlte sich nicht wohl. Sie war nicht gerne der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Vor allem nicht bei einer Party für sie, auf der sie nicht sein wollte, weil es alles nur Show war. Sie hoffte nur, Pansy hatte sich zurückgehalten, es würde vielleicht Kuchen geben, irgendein blödes Spiel, Butterbier, und dann könnte Hermine gehen, ohne sich großartig zum Affen zu machen.

 

Der Raum der Wünsche lag schließlich vor ihr. Die Wand so unspektakulär, wie sie es immer war.

 

„Ich suche Pansys Party. Ich suche Pansys Party. Ich suche Pansys Party“, sagte sie, weniger enthusiastisch, aber tatsächlich schmolz eine dunkle Tür aus der Wand. Hermine wartete, bis der alte Stein sich gesetzt hatte, bis die Bewegung aufgehört hatte und betrachtete die Tür misstrauisch. Sie konnte kein Geräusch von innen hören.

 

Sie legte die Hand auf die kühle altmodische Klinke. Das Holz der Tür war nahezu schwarz.

Sie schluckte schwer, als sie die Klinke lautlos hinab drückte. Sie brauchte einiges an Kraft, denn die Tür war dick und schwer.

 

Sie schwang nach innen auf, und Stille erschlug sie. Es war stockfinster, aber es war eine Art von enger Dunkelheit, wo man sofort wusste, dieser Raum war winzig klein. Wie eine Besenkammer.

 

„Hermine Granger, willkommen im Raum der Wahrheit“, ertönte er eine magisch verstärkte, dunkle Stimme. Hermine war vor Schreck zusammen gezuckt.

 

„Merlin, noch mal!“, rief sie empört. „Pansy?“, fragte sie in die Dunkelheit, aber sie begriff, es war ein Zauber. Eine Sperre. Die Stimme sprach weiter, ohne sie zu beachten. „Beantworte der Fragen drei, dann bist du auf Pansys Party dabei“, versprach die Stimme, und Hermine verdrehte die Augen.

 

Die Tür war bereits hinter ihr zugefallen, und sie stand reglos in der Dunkelheit. Aber schon flammten Buchstaben vor ihr auf.

 

„Nimm deinen Zauberstab und beantworte die Fragen“, befahl die Stimme, die sie nicht zuordnen konnte. Hermine griff sich gereizt ihren Zauberstab. „Wann ist Draco Malfoys Geburtstag?“, fragte die Stimme, und Hermine nahm sehr stark an, dass Malfoy nicht solche Fragen beantworten musste. Blaise würde ihn einfach mit Alkohol überschütten und MÄchen würden nackt für sie alle tanzen.

 

Fast zornig schrieb sie das Datum in die Luft, was sie bedauerlicherweise wusste.

 

„Der fünfzehnte August ist korrekt!“, rief die Stimme glücklich.

 

„Wann wurde eure Verlobung verkündet?“, fuhr die Stimme jetzt fort. Hermine atmete aus. Gut, diese Fragen würde sie beantworten können.

 

„Der sechzehnte August ist korrekt!“, wiederholte die Stimme in derselben Tonlage. Hermine wartete entnervt, dass es endlich weiterging.

 

„Wie war der Name von Draco Malfoys erstem Haustier?“

 

Hermine starrte die Frage in der Luft an. Ernsthaft? Woher sollte sie wissen, wie irgendeines seiner Haustiere hieß? Sie wusste nicht einmal, dass er so etwas besessen hatte. Eine Eule, eine Ratte oder eine Katze war es nicht gewesen, dachte sie sauer.

 

„Ernsthaft?“, rief sie verzweifelt in die Dunkelheit. „Pansy? Woher soll ich sowas wissen?“ Vielleicht war es Absicht, überlegte er Hermine dumpf. Dass sie die Fragen gar nicht beantworten konnte? Dass Pansy es mit Absicht tat, weil sie Hermine doch nicht leiden konnte?

 

Aber es geschah gar nichts. Sie wandte sich um, um die Tür in der Wand zu finden, durch die sie wieder zurück konnte, aber da war nur noch die kalte Wand hinter ihr.

 

„Mist“, murmelte sie. Sie hob lustlos den Zauberstab. Sie schrieb die Hundenamen in die Luft, die sie kannte, denn sie ging jetzt erst mal davon aus, dass Malfoy vielleicht einen Hund gehabt hatte. Aber weder Buster, noch Dexter, noch Snoopy, noch Rex, Binky, Pluto oder Fluffy waren einschlägig. Hagrid würden all diese Namen gut gefallen, dachte sie dumpf.

 

„Der Name beginnt mit S“, verknüdete die Stimme nach einer Weile. Die Stimme gab ihr Tipps? Na, immerhin, dachte sie mürrisch. Unordentlich schrieb sie den nächsten Namen in die Luft.

 

„Snuffles ist korrekt!“, rief die Stimme begeistert, und Hermine hob entsprechend eine Augenbraue.

 

Snuffles war bloß ein Witz von ihr gewesen. So hatte ihr erster Teddybär geheißen. Und dann sah sie einen Schimmer vor sich an der nächsten Wand. Licht brach durch neue Türschlitze herein, und sie tastete sich vor, bis zur Türklinke.

 

Sie öffnete die Tür eilig, und blickte in einen leeren Saal. Es war wie ein riesiges Wohnzimmer. Mit vielen Couchen und einer großen Bar, einem brennenden Kamin, vielen Decken und Kissen auf dem Boden, überall standen Dessertschüsseln mit allerlei Kleinigkeiten drin und verschiedene Sektkelter mit Champagnerflaschen, überall im Zimmer verteilt.

 

Ehe Hermine Zeit hatte, einen Schritt weiterzugehen, sprangen die Mädchen hinter den Sofas hervor.

 

„Überraschung!“, riefen sie alle, und wieder zuckte Hermine vor Schreck zusammen.

 

Ein Hauself kam eilig auf sie zu, bereits ein volles Glas Champagner auf einem Tablett. Widerwillig nahm es Hermine dem Elf ab, denn er strahlte ihr praktisch ihr entgegen. Es ging ihm wohl nicht zu schlecht, nahm sie bitter an.

Die anderen Mädchen – von denen sie wirklich nur Lavender, Ginny, Parvati und Pansy kannte – hatten bereits Gläser in der Hand.

 

„Auf Hermine Granger!“, riefen sie gleichzeitig, wie Pansy es wohl vorher mit ihnen einstudiert hatte. Cynthia sah Hermine jedoch Merlin sei Dank nirgendwo.

 

Dann kam Pansy auf sie zu. „Gleich gibt es Geschenke!“, erläuterte sie ihr strahlend. Pansy trug ein kurzes pinkes Kleid und wirkte sehr schick. Hermine trug ihre Schuluniform und wirkte… wie immer. An einem Donnerstag. Kurz tauschte Hermine einen Blick mit Ginny, die allerdings recht zufrieden wirkte und genüsslich in eine riesige Schokoerdbeere biss.

 

Hermine sah sich hilflos in dem riesigen Saal um und hoffte, dass Pansy nicht vorhatte, sie alle hier schlafen zu lassen….

 

~*~

 

Er hatte keine Ahnung, wie Blaise es geschafft hatte, aber vor ihm, auf dem erhellten Laufsteg tanzten tatsächlich leichtbekleidete, exotische Schönheiten an einer Pole-Stange. Draco saß zwischen Blaise und Goyle und einigen weiteren Jungen aus ihrem Jahrgang auf breiten Ledersesseln, trank Whiskey aus einem tiefen Kristallglas und beobachtete die Mädchen im Spagat an der Stange, während leise Musik aus der Decke zu kommen schien.

 

„Ich bin beeindruckt“, sagte er zum wiederholten Mal an Blaise gewandt.


„Ach, das ist gar nichts! Warte ab, bis später!“, erklärte Blaise zwinkernd.


„Wieso? Gibt es eine private Lounge, in die ich eines der Mädchen mitnehmen kann?“, wollte Draco interessiert wissen, und Blaise lächelte.


„So ähnlich“, wich er seiner Frage aus, aber seine Mundwinkel zuckten amüsiert. Draco nippte an seinem Glas.

 

„Lapdance irgendjemand?“, erkundigte sich Blaise aufmunternd in die Runde und bedeutete einigen Mädchen vom Laufsteg zu kommen. Einige der Jungen nickten begeistert, während Goyle verlegen auf seine Hände in seinem Schoss starrte. Draco nickte ebenfalls.

 

Blaise dirigierte eine brünette Schönheit in seine Richtung. „Das ist Skala“, stellte er sie lächelnd vor. „Sie ist einundzwanzig und kommt aus Hawaii“, fuhr er begeistert fort, während Skala Draco zuzwinkerte. Draco lehnte die Arme entspannt auf die Lehnen des Sessels und ließ das Mädchen beginnen. Sie tanzte zwischen seinen Beinen, ehe sie ihm ihren Po entgegenstreckte und dann auf seinem Schoß Platz nahm.

 

Goyle war neben ihm rot wie eine Tomate.

 

Das Mädchen wandte sich in einer komplizierten Drehung auf seinem Schoß, um ihn anzusehen. Sie war stark geschminkt und roch nach süßem Parfüm. Es stieg ihm in die Nase.

 

„Ich küsse nicht auf den Mund“, informierte sie ihn, und er hob eine Augenbraue. Das brauchte er auch nicht, aber er sagte gar nichts, während er zuließ, dass sie seinen Hals küsste, während sich ihre Mitte hart auf seinen Schritt bohrte und kreisende Bewegungen zur Loungemusik vollführte.

 

Nebenher trank er lässig seinen Whiskey und lehnte den Kopf entspannt zurück, während er hart wurde unter ihren Bewegungen.

 

Blaise war ein guter Freund.

 

~*~

 

Hermine hielt die Handschellen mit spitzen Fingern von sich weg, während sich Lavender nicht mehr einbekam vor Lachen.

 

„Wirklich witzig“, bemerkte Hermine mit hochroten Wangen.

 

„Nein, witzig soll es nicht sein. Diese Handschellen sind besondere Handschellen, Hermine“, erläuterte Pansy vollkommen ernsthaft. „Sie werden mit einem Codewort verschlossen. Ihr könnt es vorher vereinbaren – oder du sagst es ihm nicht. Und dann… kannst du mit ihm machen, was du willst“, erklärte sie zwinkernd, und Hermine schloss wieder die Augen, denn sie wollte davon kein mentales Image haben. Sie würde gar nichts mit ihm machen!

 

Nichts! Niemals!

 

Die Mädchen lachten alle noch einmal. „Und weil Hermine eine Muggel ist, spielen wir jetzt ein Spiel, was sie kennen dürfte!“, rief Pansy über die Köpfe hinweg. Tatsächlich holte sie unter einer der Sofas eine Schachtel hervor.

 

„Datenight?“, entfuhr es Hermine ungläubig, denn sie hatte es früher in der Grundschule aus Spaß gespielt. Es war ein Brettspiel mit einer aufgestellten Papptür in der Mitte, wohinter sich ihr geheimnisvolles Date befand, wenn sie richtig geraten hatte.

 

„Oh ja!“, rief Pansy, während die anderen Mädchen die Schachtel begutachteten. Pansy öffnete sie mit einem Ruck, und eine rosa Wolke stieg mit einem Knall in die Höhe.

 

Das war aber damals nie passiert. Der rosa Dampf lichtete sich, und eine rosa Tür war zum Vorschein gekommen. Hermines Augen waren groß geworden. „Ich habe es etwas modifiziert“, erklärte Pansy lächelnd. „Aufstehen, Ladies“, befahl sie klatschend. Die Mädchen erhoben sich, manche schon angetrunken durch den Champagner, und alle kicherten. Sogar die Gryffindors.

 

„Ginny?“ Pansy sah sie aufmunternd an. Ginny warf Hermine einen knappen Blick zu, ehe sie vor die Tür trat.

 

„Was ziehst du vor? Einen romantischen Spaziergang am Strand, eine Verabredung zu einem Quidditchspiel und danach ein Essen mit dem Star-Sucher des Teams oder eine heiße Nacht voller sinnlicher Verführungen?“

 

Immerhin hatte Ginny den Anstand rot zu werden unter Pansys Worten, aber es war klar, was Ginny wählen würde.


„Verabredung zum Quidditchspiel“, sagte sie lächelnd. Pansy tippte mit dem Zauberstab gegen die Tür. Es klopfte dreimal, obwohl Hermine sicher war, dass die Tür im Raum stand, und nichts dahinter war. „Öffne deinem geheimnisvollen Date!“, ergänzte Pansy lächelnd. Ginny zog die Tür auf, und die Mädchen kreischten begeistert. Hermine musste dne Blick senken.

 

Denn dort stand Harry im Scheinwerferlicht. Nur eben… ziemlich… nackt.

 

Sie nahm an, es war ein komplizierter Desillusionierungszauber, und lieber hätte sie Pansy danach gefragt, als sich mit dem halbnackten Harry zu beschäftigen, der nur seine Quidditchshorts trug, ein verwegenes Lächeln auf den Zügen und ein wenig muskulöser wirkte als der echte Harry. Aber Ginny hatte rote Wangen und ergriff nur zu gerne die Hand des falschen Harrys. „Ich würde dir gerne die Umkleidekabinen zeigen“, schnurrte der falsche Harry mit täuschend echter Stimme, und Hermine musste grinsen.

 

Harry würde so niemals rumlaufen und niemals so etwas sagen!

 

Aber sie gab zu, dieses Spiel hätte sie damals aufregender gefunden.

 

„Millicent?“, rief Pansy, nachdem sich der flasche Harry und Ginnys Berührung aufgelöst hatte. Enttäuscht hatte Ginny geseufzt.

 

„Es wäre zu schön“, raunte sie Hermine zu, die die Augen verdrehte. Millicent trat vor die Tür.

 

„Was ziehst du vor? Ein aufrichtiges Gespräch mit deinem Seelenverwandten, ein heißer Streit mit der Person, die dein Blut zum Kochen bringt oder die Sterne beobachten in einer lauen Sommernacht mit dem Mann deiner Träume?“

 

Millicent überlegte lange. Sie war recht unscheinbar. Sehr dünn, sehr klein, und sie drehte ratlos eine dünne blonde Strähne zwischen ihren Fingern.

 

Das… das letzte, nehme ich an?“, flüsterte sie, und Pansy tippte gegen die Tür. Es klopfte zaghaft. Millicent öffnete unsicher, um sich sofort die Hände vors Gesicht zu schlagen, während selbst Hermine lachen musste, als der rosa Rauch sich gelegt hatte.

 

Neville stand vor ihr. Aber langhaarig, lächerlich muskulös, mit einem ziemlich eindeutig phallusartigen Teleskop über der Schulter. Er trug ein weißes Hemd, was halbaufgeknöpft war und sein volles Brusthaar zeigte. Hermine versteckte ihr Lachen hinter der Hand, während Millicent knallrot anlief.

 

„Wirklich witzig, Pansy!“, fauchte sie, und Hermine fragte sich kurz, ob der Zauber von Pansy ausging, oder ob tatsächlich jedes Mädchen einen Schwarm in Hogwarts hatte. Aber Hermine nahm stark an, Pansy beeinflusste das Spiel. Denn Pansy würde Hermine bestimmt auffordern ebenfalls nach vorne zu kommen, und wenn dann nämlich nicht Malfoy durch die Tür kam, sondern… jemand anders, wäre es eine sehr schlechte Party, oder nicht?

 

Ehe sie weiter überlegen konnte, hatte sich Millicent auf Pansys Platz gestellt.

 

„Also Pansy?“, fragte sie mit hochroten Wangen, und Hermine nahm an, Millicent mochte Neville tatsächlich. Faszinierend. Pansy wischte sich seine Lachträne aus dem Augenwinkel.

 

„Ja? Möchtest du mich fragen, Mills?“, fragte sie, immer noch lachend.

 

„Ja!“, sagte sie.

 

„Ich weiß allerdings nicht, wer bei mir auftauchen wird, Mills. Da ich meinen Verlobten noch nie gesehen habe und-“

 

„-das ist egal“, lächelte Millicent, und Hermine hätte gerne nach dem Zauber gefragt, denn sie wurde nervöser. Und irgendwie kam es Hermine nicht besonders kollegial vor, dass die Slytherinmädchen wohl voneinander wussten, wen sie mochten, aber dass es kein Gehemnis in Verschwiegenheit war.

 

„Na gut! Dann frag mich!“, lächelte Pansy, die wohl keine Angst vor ihrem möglichen Schwarm hatte.

 

„Was ziehst du vor, Pansy? Eine Weltreise auf einer Yacht mit deinem Ehemann“, Millicent schien zu überlegen, während Pansy lächelnd abwartete, „ein Leben auf dem Land, beschaulich und abgeschieden, mit dem Mann deiner Träume oder das Leben als Frau und Mutter mit deiner glücklichen Familie?“, endete sie, und Pansy zuckte die Achseln.


„Natürlich die glückliche Familie“, sagte sie, und Hermine konnte nicht verhindern, die Stirn zu runzeln. Sie hätte Pansy gerade diese Antwort nicht zugetraut, denn wie konnte sie glauben, eine glückliche Familie mit jemandem zu haben, den sie nicht einmal gesehen hatte, aber nächste Jahr würde heiraten müssen?

 

Aber selbstbewusst öffnete Pansy die Tür nach dem Millicent sie mit dem Zauberstab berührt hatte. Der Rauch legte sich, und verschmitzt grinste ihr Ron entgegen. Er sah gewöhnlich aus, so wie Hermine ihn kannte, und kurz schwiegen die übrigen. Hermines Herz schlug schneller, als sie einen Blick in Pansys Gesicht wagte.

 

Pansy hatte überrascht geblinzelt. Ihr Lächeln war verschwunden, aber dann schüttelte sie sanft den Kopf und schlug die Tür dem lächelnden Ron ins Gesicht.

 

Hermine wurde schmerzlich bewusst, wie sehr sie Ron selber vermisste. Und dann begriff sie. Pansy… dachte an Ron? Die Mädchen waren immer noch still. Keine lachte, wie bei Millicent. Pansy erwiderte schließlich Hermines Blick und zuckte die Achseln.


„Der Zauber ist nicht wirklich akkurat“, wich sie Hermines entgeistertem Blick aus. Aber Hermine erkannte eine feine Röte auf Pansys geschminkten Wangen. Hermine spürte eine seltsame Wut, eine komische Leere in ihrem Innern. „Aber Ron Weasley wäre eine extrem amüsante Wahl!“, fuhr Pansy lächelnd fort, als sie in die Runde blickte. Ginny wirkte nicht begeistert. Aber Pansy lachte sorglos. „Es ist ein Spiel, Ladies! Nur ein Spiel!“

 

Oh Gott, aber dieses Spiel würde nicht gut ausgehen, wenn Hermine gleich die Tür öffnen würde und Ron schon wieder dort stehen würde.

 

Sie hatte keine Zeit mehr, Pansys Gefühle näher zu ergründen, ihren leicht beschämten Blick zu deuten, überhaupt sauer auf Pansy zu sein, denn schon sah Pansy sie aufmunternd an.

 

„Und nun unser Ehrengast vielleicht?“

 

Und Hermine wusste, Pansy musste annehmen, weil Hermine sich für Malfoy entschieden hatte, musste sie ihm auch gleich die Tür öffnen – denn warum sonst sollte sie ihn heiraten?

 

OH Merlin. Wie kam sie aus der Sache raus? Der Zauber war nicht akkurat? Sagte Pansy das nur, weil gerade vielleicht ihr größtes Geheimnis ans Licht gekommen war? Schauspielerte Pansy einfach nur gut, wenn sie es so herunter spielte? Aber es machte nicht wirklich einen Unterschied. Und Hermine sah, Ginnys Blick hatte etwas Neugieriges angenommen. Fast etwas Prüfendes. Denn Hermine wusste, wenn sie gleich nicht Malfoy die Tür öffnen würde, sondern Ginnys Bruder, dann… dann würde es Ginny Harry sagen!

 

Hermines Herz klopfte schnell.


„Muss das sein?“, fragte sie Pansy gepresst.

 

„Oh ja!“, riefen ein paar Slytherinmädchen, von denen Hermine nur annehmen konnte, dass sie einfach nur Malfoy sehen wollten. Sie schluckte schwer. Oh Merlin.


„Komm schon, Hermine. Ich meine, ich habe mich gerade gedemütigt“, behauptete Pansy achselzuckend. „Wenn du gleich Severus Snape die Tür öffnest wird es natürlich seltsam sein“, fuhr sie lachend fort, und die Mädchen kicherten heftig, „oder Lucius Malfoy“, ergänzte sie mit einem breiten Grinsen, und die Mädchen kreischten begeistert, „es ist nur ein Spiel!“

 

Und Hermine wusste, das war es nicht. Zumindest nicht für sie. Und bestimmt nicht für Ginny.

 

Sie ballte die Hände fest zu Fäusten. Malfoy. Sie musste an Malfoy denken. Der Zauber konnte nicht besonders schwer strukturiert sein. Er sprach bestimmt nur die Frontallappen des Gehirns an, in denen sich die letzte Vorstellung von dem Mann befand, den Hermine mit Pansys Date-Varianten assoziierte. Es würde nicht schwer sein, den Zauber auszutricksen. Pansy war Schülerin. Sie war nicht Dumbledore.

 

Sie konzentrierte sich. Denn das war jetzt eine Reifeprüfung. Es war von so entscheidender Wichtigkeit, denn sollte Ginny Harry hiervon erzählen, dann erzählte sie am besten, dass Hermine Draco Malfoy die verdammt Tür geöffnet hatte – und nicht ausgerechnet Ronald Weasley!

 

„Was ziehst du vor, Hermine?“, begann Pansy lächelnd, während die Mädchen hinter ihr kicherten. Hermine schloss die Augen. Sie rief sich seine Gestalt ins Gedächtnis.

Seinen Duft. Seinen Körper. Seine Nähe. „Einen Tanz mit einem fremden, geheimnisvollen Prinzen in schwarzer Maske“, säuselte Pansy, und die Mädchen lachten, während Hermine fest die Augen schloss. Sie hatte mit Malfoy getanzt.

 

Sie erinnerte sich an die schottische Musik, an die Hitze im Saal, an die Stimmung, die immer noch so greifbar für sie war, dass sie sich sofort zurückversetzt fühlte, obwohl sie sich nicht mehr an seinen Körper erinnern konnte, als er sie gehalten hatte.

 

„Eine Berghütte in den Alpen, wo ihr euch auf einem Bärenfell vor dem Kamin zusammenkuschelt und heiße Schokolade trinkt?“ Und Hermine dachte an Malfoys Vorstellung, mit Blaise Skiurlaub zu machen! Sie ballte die Hände zu Fäusten, rief sich den Tag in Hogsmeade ins Gedächtnis, wo sie sich gestritten hatten. WO sie es nicht geschafft hatte, den glücklichen Bund zu binden, und ihm so nah gewesen war, dass sie das Grau seiner Augen deutlich hatte erkennen können. Wenn sie ihn doch nur anziehend finden würde! Sie dachte an sein Gesicht, aber es verschwamm immer wieder, immer wieder schlichen sich rote Haare in ihre Gedanken, und sie kniff die Augen fester zusammen, konzentrierte sich nur auf Malfoy.

 

„Oder ein Wellnessurlaub zu zweit, mit Partnermassagen und einer herzförmigen Badewanne, wo ihr euch gegenseitig verwöhnen könnt und-“ Hermine hörte Pansy nicht zu, zwang ihre Gedanken zum Pool der Malfoys, wo sie ihn geschubst hatte, wo er abgetaucht war, sie hinab gezogen hatte, wo sie sich gestritten hatten, wo sie sich gegenüber gestanden hatten, er ihre Hand abgefangen hatte, und… sie angesehen hatte.

 

Dann hier in Hogwarts im Badezimmer der Vertrauensschüler, wo… er sie geküsst hatte. Sie waren in die Wanne gefallen, und sie erinnerte sich. Er hatte mit den Fingern seine hellen Haare zurückgekämmt. Sie erinnerte sich an das Gefühl seiner Lippen, so brutal auf den ihren.

 

„Das Letzte!“, sagte sie hastig, rief sich Malfoy wieder und wieder ins Gedächtnis, spürte seine Hände auf ihrem Körper, seine Lippen auf ihren Mund, seine ganze Nähe, bis sie sicher war, dass sie gerade an nichts anderes dachte als an ihn. Nur an ihn! Malfoy!

 

Sie öffnete die Augen, als sie das Klopfen an der Tür hörte. Ihr Herz schlug schnell, feiner Schweiß war auf ihre Stirn getreten, und sie hatte schon fast Kopfschmerzen davon, an Malfoy zu denken und zu versuchen, ihn vor Augen zu haben. Sie atmete aus, ehe sie die Tür öffnete.

 

Rosa Rauch vernebelte auch ihre Sicht, ihr Herz schlug schnell, und…

 

- sie war noch nie so erleichtert gewesen, tatsächlich Malfoy zu sehen.

 

Aber sie wurde knallrot, denn er trug nichts, nur noch ein Handtuch um die Hüften.

 

Er sah aus wie… an dem Morgen, als sie in seinem Bett aufgewacht war, und er aus der Dusche gekommen war.

 

Die Mädchen kreischten hinter ihr, und aus den Augenwinkeln sah sie, wie Pansy zufrieden die Arme vor der Brust verschränkte. Hermine hatte mit all ihrer Kraft den Zauber ausgetrickst. Und Gott sei Dank hatte sie das. Sie fühlte sich, wie nach einem physischen Kraftakt. Sie war vollends erschöpft, während der falsche Malfoy arrogant und selbstbewusst aus der Türe trat und gewinnend in die Runde lächelte.

 

Es war ein schmales Lächeln, überheblich und absolut ekelhaft.

 

Und sie war wirklich begabt, stellte sie fest. Die klügste Hexe ihres Jahrgangs. Ja. Sie wäre eine verdammt gute Schulsprecherin geworden, dachte sie erschöpft. Bevor die Mädchen noch schmachtend zu seinen Füßen sinken würden, wedelte Hermine die Gestalt vor sich weg, und Malfoy löste sich in rosa Luft auf.

 

Enttäuscht beschwerten sich einige Slytherinmädchen, aber Hermine schenkte ihnen einen eindeutigen Blick. Und sogar die ausschließlich selbstfixierten Slytherins schienen sich zu erinnern, dass Hermine ihn heiraten würde und senkten betreten die Blicke.

 

Ginny wirkte nicht zufrieden, aber immerhin nicht mehr misstrauisch.

 

Und Hermine begriff, dass sie ihre Rolle eigentlich zu gut spielte. Wie würde sie Ginny in einigen Monaten die Wahrheit beichten können, überlegte sie plötzlich verzweifelt. Hermine war einfach eine überzeugende Schauspielerin. Das war alles. Ginny würde ihr schon glauben.

 

„Ich brauche was zu trinken“, sagte Hermine vollkommen fertig mit den Nerven. Sie hatte genug von Malfoy. Sie wollte heute nicht mehr an ihn denken müssen. Sie wollte nie mehr an ihn denken müssen, wenn sie es genau nahm.

 

Aber… Pansy hatte noch mehr geplant. Sie verkündete gerade das nächste Spiel, während Hermine erst mal erschöpft auf das nächste Sofa sank und tatsächlich das nächste Glas Champagner ohne abzusetzen in hastigen Zügen trank.

 

~*~

 

Er war betrunken genug.

 

Betrunken genug, um diesen Abend nicht nur grauenhaft zu finden. Denn all das wurde veranstaltet, weil er gezwungen war, das Schlammblut zu heiraten.

Er hatte es fast vergessen. Er konnte fast so tun, als ob er es vergessen hatte.

 

Und jetzt Gentlemen, nach der feinsten Flasche Scotch, dem Tanz der Sieben Schleier unserer reizenden Damen und der netten Unterhaltung mit unseren exotischen Schönheiten, darf sich der Junggeselle in das Séparée begeben!“, verkündete Blaise und deutete auf die leere Wand. Draco blinzelt, und fein auf dem Stein, kristallisierte sich eine Tür heraus.

 

„Und dort erwartet dich die letzte Überraschung!“, versprach er mit einem Zwinkern. Draco erhob sich langsam, das volle Glas gefährlich schwankend in der Hand. Etwas Sex vorm Schlafen wäre genau das Richtige für ihn.

 

„Draco?“ Blaise hielt ihn auf, ehe er die Tür erreicht hatte. „Hier endet unser gemeinsamer Abend. Ich hoffe, du hattest genügend Spaß?“ Blaise wirkte ehrlich gespannt. Draco lächelte en schräges Lächeln.

 

„Jaah. Müsste ich das scheiß Schlammblut nicht heiraten, wäre alles perfekt!“, lallte er, und kurz geriet Blaises Lächeln ein wenig ins Wanken, aber er überspielte es schnell.

 

„Also, wir sehen uns morgen“, verabschiedete sich Blaise. Die übrigen Jungen winkten ihm zu, zwinkerten und wünschten ihm verdammt viel Spaß.

 

Draco leerte das Glas in einem Rutsch und sah sich um.

 

„Welche darf ich mitnehmen?“, lallte er in freudiger Erwartung, aber Blaise schüttelte den Kopf. Ein Hauch von Ernsthaftigkeit auf seinen Zügen, der Draco allerdings entging.

 

„Nein, nein. Keine von ihnen. Der Hauptgewinn wartet dort drin, mein Lieber“, erklärte Blaise mit einem kollegialen Schulterklopfen. „Bis morgen früh!“

 

Zaubertränke, fiel ihm träge wieder ein. Er hatte keine Lust auf Zaubertränke.

 

Aber erst mal… würde er eine Menge Spaß haben!

 

Er öffnete die Tür. „Es ist dunkel“, beschwerte er sich.


„Geh rein. Der Zauber wirkt, wenn du die Tür hinter die geschlossen hast“, versprach er, und Draco hob die Hand zum Abschied, ohne sich umzudrehen und zog die Tür hinter sich zu.

 

Zuerst passierte überhaupt nichts.

 

Dann brach helles Licht aus der Decke hervor, der Raum verwandelte sich, und er hörte, wie eine andere Tür ins Schloss fiel.

 

Keinen Moment später stand sie ebenfalls im Licht.

 

Dracos Kiefer entspannte sich, wurde schlaff, und sein Mund öffnete sich angewidert.

 

„Oh nein“, entfuhr es ihm gereizt, denn er fühlte sich um seinen Hauptgewinn gebracht. Granger starrte ihn mit großen Augen an.

 

„Das… das ist nicht der Ausgang“, sagte sie, ohne jeden Zusammenhang, und ein Gongschlag lenkte sie beide ab. An der Wand hing eine große Uhr. Sie lief allerdings nicht vorwärts, sie lief rückwärts. Und Draco erkannte, er würde die Nacht hier festsitzen, denn wahrscheinlich würde erst wieder eine verdammte Tür in diesem Zimmer erscheinen, wenn der Countdown von acht Stunden abgelaufen war.

 

Er sah sich angewidert um. Neben ihnen stand ein herzförmiges, riesiges Bett. Überall lagen Rosenblüten, es brannten rote Teelichte, weicher Teppich lag überall und im angrenzenden Zimmer erkannte er eine herzförmige eingelassene Badewanne.

 

Neben Schlafen, Baden und Champagner trinken schienen sie hier nicht viel machen zu können, stellte er zornig fest.

 

Scheiße. Er hasste Blaise.

 

Granger schien ebenfalls begriffen zu haben und verschränkte wütend die Arme vor der Brust. Schon hatte sie den Zauberstab gezogen und versuchte ihre Tür wieder erscheinen zu lassen, während sich Draco resignierend eine der verschlossenen Champagnerflaschen griff und den Korken aus der Flasche hexte.

 

Er würde ein Bad nehmen und sich besinnungslos trinken, denn… es machte den Anschein, als würde er die Nacht hier mit dem Miststück verbringen müssen.  

Verflucht großartig. Seine gute Laune hatte ein verdammt jähes Ende gefunden.

 

 

Kapitel 20

 

Fast weinte sie bereits.

 

Fast. Aber sie riss sich zusammen. Es half nichts. Keiner der Zauber, von denen sie überzeugt war, dass sich irgendeine Wirkung zeigen musste, funktionierte. Und sie hasste Slytherins! All das Vertrauen, was sie Pansy entgegengebracht hatte, war mit einem Mal verschwunden!

 

Und Ginny würde vielleicht merken, dass sie nicht in den Gemeinschaftsraum zurückgekehrt war. Aber… nach Hermines wunderbarer Vorstellung mit dem blöden Mystery Date Spiel, glaubte sie nicht, dass Ginny sich die Mühe machen würde, nach ihr zu suchen.

 

Sie starrte auf die Stelle, wo die Tür verschwunden war. Sieben Stunden und dreißig Minuten noch. Sie hatte registriert, wie er mit einer Flasche Champagner im Bad verschwunden war.

Und sie hatte noch sieben Stunden und dreißig Minuten, bis es sechs Uhr war, und sie aufstehen musste.

 

Zornig sank sie auf die Kante des absolut lächerlichen herzförmigen Bettes, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es gab hier nichts zu tun! Wenn man nicht gerade hier war, um sich in einem herzförmigen Bett zu vergnügen oder… zu baden – in einer herzförmigen Wanne – dann blieb einem nur…-

 

Ihr Blick fiel auf den Kelter neben sich auf dem – herzförmigen – Nachttisch.

 

Dort stand eine weitere Flasche Champagner. Sie griff sie sich emotionslos. Was sollte sie sonst sieben Stunden lang tun? Warten? Schlafen? Sie hatte nicht einmal ihre Zahnbürste! Was dachte Pansy?

 

Hermine erkannte ein magisches Grammophon in der Ecke. Es war seltsamerweise nicht herzförmig, dachte sie dumpf, während sie den Korken aus der Flasche knallen ließ und sich wieder erhob. Sie berührte mit dem Zauberstab die Fläche auf dem Grammophon, und überlegte, welches Lied sie hören wollte. Magische Grammophone kopierten jedes Lied, was sie sich wünschte – in jeder Version, in der sie es sich wünschte – wenn sie es nur schon bereits einmal in ihrem Leben gehört hatte.

 

Sie begann mit dem Lied einer Muggel-Sängerin, was sie immer gemocht hatte. Upbeat, voller Frauenpower, und sie setzte die Flasche direkt an die Lippen. Wahrscheinlich war es keine gute Idee, zu trinken, aber sie wusste nicht, was sie in dieser Hölle sonst tun sollte!

 

Es gab keine Fenster, und sie nahm an, es handelte sich um einen kombinierten Zauber von Pansy und Blaise, den nur Pansy und Blaise lösen konnten – und… weder der eine, noch der andere waren gerade zur Verfügung.

 

Sie wanderte durch das Zimmer, nickte ihren Kopf zu der Musik, und hoffte, er war bereits in der Wanne ertrunken.

 

Sie trank einen weiteren tiefen Schluck, und die drei Gläser zuvor zeigten langsam eine unangenehme Wirkung, denn sie war bei weitem nicht so verzweifelt, wie sie eigentlich sein wollte – oder sollte!

 

Aber ihre Stimmung änderte sich. Dauernd.

 

Mit den nächsten Liedern wurde sie depressiver, war auf das Bett gesunken, die Flasche noch immer in ihren Händen.

 

Das war es also.

 

So würde es wohl sein, oder nicht? Verheiratet mit Malfoy? Sie starrte an die Decke des verzauberten Zimmers. Herzen waren dort an die Decke gezeichnet, und sie schüttelte sanft den Kopf. Es war verrückt, was sie getan hatte.

 

Jetzt war sie hier gefangen. In einem verzauberten Zimmer, sieben Stunden mit Draco Malfoy, während er sein Leid in der Wanne ertränkte.

 

Die Tür zum Badezimmer öffnete sich plötzlich.

 

Es waren immerhin vierzig Minuten vergangen. Sechs Stunden und fünfzig Minuten musste sie also nur noch warten.

 

„Runter vom Bett, ich will schlafen“, informierte er sie, ein Handtuch um seine Hüften gewickelt, und sie erhob sich, ohne auf seine Worte zu achten, brachte mit einem wackligen Spruch, das Grammophon zum Schweben und verschwand damit im Badezimmer.

Denn, egal in welchem Zimmer er sein würde, dort wäre sie nicht!

Und wenn sie im Badezimmer würde schlafen müssen!

 

Dann ging sie jetzt eben banden. Damit konnte sie bestimmt noch eine Stunde totschlagen.

 

Leider hatte die Tür kein Schloss, aber sie nahm nicht an, dass er erpicht darauf war, ins Bad zu kommen. Ganz bestimmt nicht!

 

Sie schälte sich unbeholfen aus ihrer Uniform. Es hing noch Dampf im Badezimmer, und sie ließ erneut Wasser in die furchtbare Wanne laufen. Die Wanne füllte sich magisch schneller. Sie stieg vorsichtig in den heißen Schaum, saß dort, die Flasche Champagner neben sich auf dem Rand, und die Hitze benebelte sie angenehm, während sie mit dem Zauberstab auf das Grammophon zielte und ein altes Lied von Queen zu spielen begann, an was sie sich gerade erinnerte.

 

Sie lehnte den Kopf zurück, drehte mit einem weiteren Schlenker die Hähne zu, nachdem sie im Schaum beinahe unterging, und schloss die Augen.

 

Es war nicht so spannend, wie sie es sich ausgemalt hatte.

Sie konnte nicht mal schwimmen hier drin. Die Wanne war zu klein. Sie besaß nur Bänke zum Sitzen und… zum  - wusste Merlin was noch!

 

Sie trank verzweifelt weiter aus der Flasche, bis ihr Kopf wieder gegen die warme Emaille zurücksank. Eine Träne rollte über ihre Wange. Das Lied von Queen würde sich wiederholten, bis sie ein anderes wählte. Die Lautstärke war nicht mehr besonders laut. Es war angenehm, aber nicht störend.

 

Und nur am Rande merkte sie, wie Champagner und heißes Badewasser keine gute Kombination waren.

 

Sie wusste, würde sie jetzt aufstehen und aus der Wanne gehen, wäre die Bewusstlosigkeit bestimmt nicht weit entfernt. Also entschied sie sich, einfach hier zu bleiben.

Mit Queen und Champagner… in der Wanne.

 

Das war also ihre Jungesellinnen Party gewesen.

 

~*~

 

Er schlug die Augen auf, als es dunkel war. Er passte nicht vollständig in das herzförmige Bett. Seine Füße guckten am Ende raus. Es war nicht gerade bequem.

 

Er hatte das Licht gelöscht, aber er wusste nicht mehr wann – oder wie spät es jetzt wohl war. Er entfachte eine der kitschigen Lampen wieder mit dem Zauberstab.

 

Vier Stunden zeigte der Countdown. Die Tür zum Badezimmer war zu. Sie war… wohl noch da drin.

 

Müde schwang er die Beine aus dem Bett. Der Champagner war ein herber Fehler gewesen, er musste jetzt sehr, sehr dringend! Er schlurfte über den weichen Teppich und klopfte widerwillig an die Tür.

 

Nichts geschah.

 

„Granger?“, krächzte er rau, aber er bekam keine Antwort. Er verdrehte die Augen. Er drückte die Klinke runter. Er spähte durch den Türspalt, und erkannte, sie war eingeschlafen. In der Wanne. Der Kopf war halb im Wasser, aber ihr Mund war noch frei, zum Atmen.

 

Leise spielte irgendein Lied auf dem Grammophon, und er konnte gerade keine Rücksicht nehmen. Er musste. Jetzt!

 

Also tat er, was er tun musste. Er ging zur Toilette, während Granger in der Wanne schlief. Aber sie wurde nicht wach.

 

Er zog ab, wusch sich die Hände, das Gesicht und betrachtete sich kurz im Spiegel. Er nahm an, das Badewasser dürfte kalt sein. Er ging neben ihr auf Kopfhöhe auf die Knie. Die leere Flasche Champagner lag neben dem Wannenrand auf den Fliesen, und er tauchte einen Finger durch den matschigen Schaum.

Eiskalt.

 

Er zog den Finger zurück, und stupste seinen Zeigefinger gegen ihren Kopf.

 

„Granger“, sagte er wieder, aber eigentlich war er nicht wirklich besorgt. Nur genervt. „Merlin“, knurrte er unterdrückt, während er sie an der Schulter antippte, die aus dem Schaum ragte.

 

Sie war betrunken. Sehr betrunken.

 

Langsam regte sie sich, verzog die Muskeln ihres Gesichts und öffnete die Augen. Sie zuckte zusammen als sie ihn erkannte.

 

„Was…?“, fragte sie verständnislos und schien zu bemerken, wo sie war. „Oh“, murmelte sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete angewidert das Wasser.

 

Der Alkohol pochte unangenehm gegen seine Schläfen, und würde er nicht gleich wieder schlafen, hätte er morgen garantiert Kopfschmerzen. „Bei allem Respekt, Schlammblut, ich würde es begrüßen, wenn du ertrinkst, aber wahrscheinlich bringt Pansy mich dann um“, knurrte er ungehalten mit rauer Stimme.

 

„Raus“, sagte sie nur und machte Anstalten sich zu erheben, und er war ernsthaft froh, dass er ihr nicht noch helfen musste, also folgte er ihren Worten wahrscheinlich zum ersten Mal.

 

Er verließ das Badezimmer, hörte, wie sie plump aus der Wanne kletterte und anschließend fluchend das Wasser ausließ. Er hatte sich wieder ins Bett gelegt, das Nachtlicht schimmerte an der Decke, und er lag wach, bis sie aus dem dunklen Badezimmer kam.

Nun stand sie unschlüssig im Raum und trug nur noch ihre Bluse.

 

„Ich war zuerst hier drin“, nuschelte er unverständlich, als sie Anstalten machte, ins Bett zu kommen.

 

„Na und?“, war ihre müde und zornige Antwort, ehe sie sich eine Ecke der Decke griff und sich ins Bett fallen ließ. „Rühr mich ja nicht an, Malfoy!“, ergänzte sie, als wäre das jemals auch nur eine einzige Sekunde eine Möglichkeit in seinem Kopf gewesen. Er wandte angewidert den Blick in ihre Richtung. Im Dämmerlicht sah er, dass sie die Augen geöffnet hatte und an die Decke starrte.

 

„Ja. Das war genau, was ich vorhatte“, erwiderte er mehr als trocken, und sie wandte den Blick in seine Richtung, während sie gereizt aufstöhnte.

 

Er blickte wieder stur an die dunkle Decke und hörte nach einer Minute, wie sie ausatmete.

 

„-danke“, brachte sie tatsächlich gepresst neben ihm hervor. Sein Mund öffnete sich – und schloss sich wieder. Was?! Er sah sie an – oder er starrte zumindest auf die dunkle Stelle, wo er ihr Gesicht in der Dunkelheit schemenhaft erkennen konnte.

 

„Wofür?“, wollte er nun argwöhnisch von ihr wissen. Es war so lächerlich, dass sie nun zusammen im selben Bett lagen.

 

„Dass du mich geweckt hast. Es ist gefährlich in der Wanne einzuschlafen“, sagte sie förmlich, und schien sich selber mit ihren Worten maßregeln zu wollen. Sein Mund verzog sich. Er wollte ihren Dank nicht haben!


„Du solltest nicht so viel trinken, wenn du keine Ahnung hast, wie viel du verträgst. Es ist alleine deine-“

 

„-gute Nacht, Malfoy“, unterbrach sie ihn ruhig. Er legte sich zurück auf die Matratze. Er erwiderte ihre Worte nicht, denn… er hatte Angst. Angst, dass er es ohnehin irgendwann würde tun müssen. Wenn sie… verheiratet waren. Sie würden dann in einem Bett schlafen. Zumindest bis sie schwanger wäre, oder?

 

Er wandte den Kopf, um in ihre Richtung zu sehen. Er konnte sehen, dass ihre Augen noch immer offen waren.

 

„Granger“, sagte er und hasste, dass er so ängstlich klang. Seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr. Diesmal wandte sie den Blick nicht.

 

Was?“, wollte sie, fast resignierend von ihm wissen.

 

Und er hatte den Eindruck als wollte sie hier nicht sein. Als wollte sie all das nicht.

 

Und er wusste, es musste stimmen. Sie wollte das nicht. Also wieso tat sie es? Die Frage kreiste wieder und wieder in seinem Kopf. Und jetzt, wo er betrunken war, musste er sie wieder fragen.

 

„Wieso tust du das?“, murmelte er träge in die Dunkelheit.

 

„Was?“, fragte sie tatsächlich, und er stützte sich mit Mühe auf seinen Ellbogen auf, um sie besser sehen zu können.

 

„Merlin!“, knurrte er ungehalten, und sie zuckte zusammen. „Frag nicht so dämlich!“, fuhr er sie an.

 

„Du solltest schlafen!“, informierte sie ihn böse, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Du hasst mich“, sagte er dumpf. Er hörte, wie sie ausatmete.

 

„Ich hasse dich nicht“, erwiderte sie, aber ihre Worte klangen leer, vollkommen bedeutungslos.

 

„Doch. Ich weiß es. Und du weißt es. Und all das hier ist lächerlich!“, entkam es ihm verzweifelt. Sie richtete sich selber auf.

 

„Malfoy-“

 

„-du nennst mich bei meinem Nachnamen, Granger“, bemerkte er kühl. „Nie bei meinem Vornamen. Du hattest heute deinen Jungesellinnen Abschied – du liegst mit mir in einem Bett – und ich kann nur annehmen, du hast Angst vor meiner Mutter!“ Er wusste nicht, warum er entschieden hatte, jetzt mit ihr reden zu müssen. Aber er konnte nicht anders.

 

„Ich habe keine Angst vor deiner Mutter, Malfoy“, korrigierte sie ihn.

 

„Wieso hast du keine Angst, verflucht noch mal?“, verlangte er zu wissen.

 

„Vor was?“, fuhr sie ihn an. Und er begriff es nicht. Er konnte nicht. Es war unmöglich.

 

„Vor was?“, wiederholte er mit schwacher Stimme. „Ich will dich nicht heiraten, Granger“, sagte er, mit aller Ehrlichkeit, die er aufbringen konnte. „Warum zwingst du mich? Was… zur Hölle denkst du dir dabei? Ich will dich nicht!“, informierte er sie erneut, aber es schien sie nicht zu beeindrucken.

 

„Gut“, war alles, was sie sagte. Es verging ein Moment in vollkommener Stille, ehe er ihre Worte überhaupt begriff.

 

„Was?“, flüsterte er vollkommen verständnislos, und sie schien sich zu besinnen, bewegte sich unter der Decke, und seine Stirn legte sich in Falten.

 

„Du wirst deine Meinung ändern“, winkte sie lapidar ab. Er schüttelte in der Dunkelheit den Kopf.

 

„Nein. Es wird die Hölle werden. Für dich und vor allem für mich!“, klärte er sie auf, und er konnte nicht umhin, zu glauben, dass es ihr gefiel. Dass sie… genau das hören wollte? In seinem Kopf machte es keinen Sinn. Sie… wollte, dass er sie hasste? Das konnte nicht sein!

 

Sie legte sich wieder hin und drehte sich von ihm weg. Und seine betrunkenen Gedanken formten sich neu. Er konnte mit ihr einfach nichts anfangen. Und es war wichtig, was er sagte! Sie hatte ihm gefälligst zuzuhören!

 

„Du wirst doch wohl nicht die Dreistigkeit besitzen und vor mir einschlafen, Granger?“, fragte er jetzt gereizt. Aber sie antwortete nicht mehr.

 

Sie machte ihn wahnsinnig!

 

Knurrend drehte er sich auf die Seite – bloß von ihr weg – und er wollte einfach aufwachen.

 

Aufwachen und sehen, dass alles wieder normal war.

 

Aber er wusste, Gott erfüllte keine Wünsche. Zumindest nicht seine…

 

~*~

 

Sie öffnete blinzelnd die Augen. Es war immer noch dunkel, und sie brauchte eine Sekunde, um sich zu orientieren, aber ihr wurde schnell klar, dass sie nicht in ihrem Schlafsaal war. Es war zu dunkel dafür, und für gewöhnlich schlief sie allein.

 

Als sie diesen Gedanken abgeschlossen hatte, verfiel sie in eine Schockstarre.

 

Ein Arm lag um ihre Mitte. Und es war nicht ihr Arm. Sie spürte warmen, gleichmäßigen Atem in ihrem Nacken, und sie biss sich auf die Lippe. Sie hatte leichte Kopfschmerzen.

 

-Malfoy!

 

Es fiel ihr so plötzlich ein, dass sie zusammenzuckte.

 

Oh Gott! Wieso hielt er sie im Arm? Wieso?!

 

Sie bewegte sich vorsichtig, versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, aber er murmelte etwas gegen ihre Halsbeuge, und kuschelte sich tatsächlich enger an sie.

 

Oh nein! Seine Wärme hüllte sie von hinten ein, während sie in einer Art Löffelchenstellung unter ihm gefangen war. Nein, nein, nein!

 

„Lass mich los!“, wisperte sie panisch, aber Malfoy war wieder eingeschlafen. Er hielt sie effektiv gegen sich gepresst, vollkommen selbstverständlich. Er war auf ihrer Seite! Er war unter der Decke, direkt an ihren Körper gepresst. Sie spürte seine nackten Beine an ihren nackten Beinen. Seine Hand lag unter ihrer Bluse auf ihrem bloßen Bauch.

 

Oh Gott.

 

Je länger sie nachdachte, umso schwerer gelang es ihr, sich zu konzentrieren.

Und bevor sie sich einen Plan zurecht gelegt hatte, wie sie ihn wecken konnte, ließ ihr Körper sie im Stich, denn seine Wärme hatte sie längst eingehüllt, und nur kurz hatte sie die Augen geschlossen, aber… sie schaffte es nicht mehr, sie wieder zur öffnen.

 

Oh… das war… nicht gut….

 

 

Sie hörte den morgendlichen Gong dumpf durch die Schlosswände dröhnen. Es war hell geworden. Die Lichter im Zimmer brannten wieder. Träge hob sie den Kopf von seiner nackten Brust. Sie wusste nicht, warum, aber er lag auf dem Rücken und sie war wohl auf seiner Brust, in seinem Arm, eingeschlafen.

 

Verschlafen blinzelte er ihr entgegen, als er den Kopf minimal aus den Kissen gehoben hatte.

 

Müdigkeit lähmte ihre Glieder fast, und vollkommen ohne jede weitere Kraft sank ihr Kopf zurück auf seine nackte, glatte Brust. Auch wenn sie es wirklich, wirklich nicht wollte.

 

„Zaubertränke“, sagte er tatsächlich mit rauer Stimme, und wenn sie jetzt gerade an Percy dachte, wurde ihr übergangslos schlecht. Sie schüttelte den übermüdeten Kopf gegen seine bloße Brust.

 

„Mh-mh“, bemerkte sie nur ablehnend, während auch sein Arm, weiterhin um ihre Taille liegen blieb.

 

„Wenn… wenn wir nicht aufstehen, kommen sie und holen uns“, fuhr er tatsächlich fort, und seine Stimme vibrierte fast angenehm durch seine Brust. Sie glaubte nicht, dass er schon vollständig wach war und überhaupt begriff, in welch einer kompromittierenden Lage sie waren. Sie war im so nahe. So nahe, dass sie alles wahrnehmen konnte. Sie blinzelte gegen seine Haut, mit ihren Lippen berührte sie seinen weichen Brustkorb – und es war alles falsch.

 

Sie durfte hier nicht liegen.

 

Sie durfte nicht auf seiner Brust schlafen.

 

Sie durfte es nicht!

 

Und es war die kleinste Bewegung, die er machte.

 

Die allerkleinste, aber für Hermine fühlte es sich an, wie ein Stromschlag durch ihre Glieder, denn unter ihrer Bluse, fuhr sein Daumen in einer winzigen, liebkosenden Bewegung sehr kurz, federleicht über ihre nackte Hüfte.

 

Und sie wusste nicht, was es war – aber sie wusste, es könnte etwas unglaublich gefährliches werden, wenn sie nicht sofort den Kopf von seiner Brust hob, aufhörte gegen seine Haut zu atmen, vielleicht auch nur ansatzweise mit den Lippen seine Haut erkundete – was sie nicht tat, aber vielleicht einen Millimeter wanderte ihre Unterlippe über seine glatte Brust.

 

Nur einen winzigen Millimeter! Nur… um diese samtene Weiche ganz kurz zu spüren – ohne, dass sie sich dabei irgendetwas dachte! Denn sie dachte gar nichts. Sie war gerade nur gefangen – und das war alles! Mehr nicht!

 

Und sie zwang sich. Zwang ihren Kopf in die Höhe, und sie wünscht wirklich, sie hätte ihn nicht angesehen!

 

Ihn nur nicht angesehen.

 

Denn sein Blick war…- oh.

 

So absolut gefährlich. Seine Augen waren dunkler geworden. Nicht wesentlich, aber genug, dass sie den Stimmungswechsel spüren konnte.

 

Und sie musste seinen Blick mit so riesigen Augen erwidern.

 

Und sie spürte plötzlich das seltsame Gefühl in ihrem Innern, dass etwas mächtig falsch lief. Es war… zu viel Haut. Es war zu viel Elektrizität, die sich da gerade staute. Es war –

 

Und er wandte minimal viel Kraft an, presste seine Handfläche nur ein wenig gegen ihre untere Rückenpartie, so dass sie ihm immer näher kam, während er sie nicht aus den Augen ließ.

 

Und sie wusste, sie durfte das nicht! Sie hatte gestern Nacht schon zu vieles falsch gemacht! Sie durfte ihm keine Gelegenheit geben, an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Sie brauchte ihn verzweifelt und hoffnungslos an ihrer Seite. Sie… wollte ihn doch… retten! Und dafür durfte er nicht… er durfte nicht…-

 

Er überbrückte mit einem letzten Bisschen Kraftaufwand den Abstand zwischen ihnen, und vollkommen hilflos hielt sie die Luft an.

 

Und als ihre Lippen nach einer Endlosigkeit unendlich weich aufeinander trafen, hätte sie es nicht mal verhindern können, selbst wenn Harry und Ron zusammen plötzlich in das Zimmer appariert wären.

 

Seine Augen schlossen sich vielleicht eine Sekunde eher als ihre, aber sie schlossen sich, und für einen Moment erlaubte sie sich diesen unwirklichen Moment.

 

Es war nichts. Es war… ein gegenseitiges Testen. Vollkommen ruhig lagen ihre Lippen aufeinander. Seine Lippen waren so voll, so früh am Morgen, und kurz überlegte sie, wie viele Jungen sie bereits geküsst hatte und kam auf – einen. Viktor Krum. Und ihre Gedanken rasten.

 

Denn sie durfte das hier nicht!

 

Keiner von ihnen durfte das hier!

 

Und seine Hand legte sich probehalber um ihren Nacken, und hastig wich sie zurück. Nicht viel, denn er hielt sie keine handbreit von seinem Gesicht entfernt. Seine Augen hatten sich wieder geöffnet, und sie blinzelte heftig.

 

Sie spürte seinen heißen Atem, seine Wärme deutlich.

 

Und es durfte nicht noch einmal passieren!

 

Hastig unterbrach sie die Spannung, den Moment – was auch immer es war! Sie war zurückgewichen, hatte sich von ihm zurückgezogen, war rückwärts auf dem Bett ausgewichen.

 

Und sie erkannte endlich die erlösende Tür, die sich auf der Wand abgezeichnet hatte.

 

Ohne ein weiteres Wort war sie schleunigst im Badezimmer verschwunden, um ihre restlichen Sachen anzuziehen.

 

Es war alles schlimm genug. Da brauchte sie nicht auch noch das Pech, noch betrunken genug zu sein, um Draco Malfoy gewähren zu lassen, was sie ihm sonst niemals erlauben würde. Sie registrierte das chaotische Badezimmer und erinnerte sich nur zu plötzlich wieder daran, dass er sie nackt in der Wanne gesehen hatte! Nein, wahrscheinlich hatte der kalte Schaum sie versteckt, aber es war schlimm genug!

 

Nein, es war keine Glanzleistung von ihr gewesen.

 

Als sie angezogen das Bad verlassen hatte, saß er auf der Bettkante und kämmte sich mit den Fingern die hellen Haare über den Kopf zurück.

 

Ihr Mund war unglaublich trocken. Sie roch ihn immer noch an sich.

 

„Kein Wort, Malfoy!“, warnte sie ihn jetzt, als er sie ansah. Der Moment war vorbei, so viel stand fest. Seine Stirn runzelte sich langsam, während er sich träge erhob. Er war… wirklich groß, ging ihr wieder auf, und abgesehen von seiner Shorts, war er… wirklich nackt. Sie wandte beschämt den Blick.

 

„Kein Wort?“, wiederholte er ihre Worte nachdenklich, und sie konnte seine Stimme nicht deuten. Er kam näher. Und sie wünschte sich, er würde es nicht tun. „Es ist nicht so, als wäre es ein Geheimnis“, fuhr er langsam fort. „Das hier…“, er deutete auf das herzförmige Bett, was ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb, „das ist es, was passieren wird, Granger“, erinnerte er sie finster an die Zukunft.

„Also kein Wort zu wem?“, wiederholte er gereizt. Sie hob ertappt den Blick, und ihr Mund öffnete sich. Aber wissend hatte sich sein Mund geöffnet.

 

„Zu deinen Freunden? Zu meinen Freunden?“, wollte er ungläubig wissen.

 

„Behalt es einfach für dich“, erwiderte sie gepresst und senkte den Blick wieder und wandte sich von ihm ab.

 

„Weil es peinlich für dich werden könnte, wenn ich erzähle, dass du fast in der Wanne ertrunken bist, weil du betrunken warst?“, sprach er die nächsten Worte, fast kalt. „Weil es dir peinlich ist, dass du letztendlich mit mir in einem Bett geschlafen hast? Weil du mich geküsst-“

 

„-Stopp!“, unterbrach sie ihn zornig. „Das hier…“, sie deutete herrisch um sich, „war nicht echt. Es war furchtbar und widerlich, und… ich schäme mich dafür!“, entfuhr es ihr zitternd. Und sie sah es ihm an. Er verstand es nicht. Er verstand nichts von all dem.

Und sie musste irgendeinen Weg hier raus finden. Sie brauchte einen Draco Malfoy, der sie hasste. Und dafür musste sie ihn nur genug hassen. „Und jetzt zieh dir was an, dein Anblick widert mich an“, sagte sie, was er wohl sonst zu ihr gesagt hätte, hätte sie so vor ihm gestanden.

 

Und etwas schmerzte in ihrer Kehle. „Und… dass ausgerechnet du mich in der Wanne geweckt hast, lässt mich fast wünschen, lieber ertrunken zu sein“, informierte sie ihn fast tonlos. Und sie wusste, sie hatte sich gestern noch bei ihm bedankt dafür.

 

Sie fixierte ihn voller Abscheu, und es war das erste Mal. Das erste Mal, dass er sprachlos war.

 

Und all das, was vor nur wenigen Minuten so offen in seinem Gesicht zu lesen gewesen war, die Aussicht auf… sie, die ihn wohl fast zu willig küsste – nach einer solchen Nacht – all diese neuen Gedanken waren endlich wieder verschwunden. Sein Blick war verschlossen, sein Ausdruck so abweisend, dass sie fast erleichtert aufgeatmet hätte, wäre es alles nicht so schmerzhaft, und er biss die Zähne wohl zusammen, denn sein Kiefermuskel hatte sich angespannt.

 

Ihr fiel seine Wunde auf. Noch immer war seine Hüfte ein wenig dunkel verfärbt.

 

Sie schluckte schwer. Denn… es tat weh. Es tat weh, ihm weh zu tun, aber sie musste doch! Es konnte keine Freundschaft – oder gar irgendetwas anderes – zwischen ihnen geben. Es war nicht möglich. 

 

Und jeder noch so kleine Fortschritt war… fort.

 

Tränen stachen unangenehm in ihren Augen. Sie wandte sich ab, ehe sie weinen würde. Es musste so sein. Sie durfte ihm keine Hoffnung geben, darauf, dass sie vielleicht nicht verrückt war.

 

Aber letztendlich tat sie es für ihn. Und vielleicht würde er ihr danken, wenn sie ihn befreit hätte. Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.

 

Er sagte nichts mehr zu ihr. Er ging, ehe sie es tun konnte, war an ihr vorbeigeschritten und hatte sie zurückgelassen.

 

Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.

 

Sie wusste nicht, wie sie die nächsten Wochen überstehen sollte.

Mit Harry und Ron. Und jetzt auch mit Malfoy, der sie verabscheute.

 

Aber das war gut so. Natürlich nicht die Sache mit Harry und Ron, dachte sie verzweifelt. Sie hoffte nur, dass sie es würde lösen können.

 

Aber langsam verstärkte sich das Gefühl.

 

Dass sie einen Fehler gemacht hatte.

Aber sie wusste nicht, wie sie sich überzeugen konnte, dass alles gut werden würde.

Dass sie es schaffen würde.

 

An welche Hoffnung konnte sie sich klammern?

 

Sie würde einfach aufstehen, weitermachen – und so jeden weiteren neuen Tag überstehen müssen. Sie würde an Ron denken, und hoffen, dass er ihr vergeben würde….

Irgendwann.

 

Sie schloss die Augen und klammerte sich blind an diesen Funken Hoffnung.

 

 

Kapitel 21

 

~ Dezember ~

 

Es war Harry, der sie unverhohlen betrachtete. Ronald machte keinen Hehl mehr daraus, zu ignorieren, dass sie überhaupt existierte. Sie hatte Ron schon lange nicht mehr gesehen, fiel ihr dumpf auf. Sie starrte in die Flammen des Gemeinschaftsraums und hatte noch keine Kraft gehabt, sich umzuziehen. Ihr Blick war leer nach vorne gerichtet, und in ihrem Kopf durchlebte sie die grauenvollen letzten Stunden.

 

Während alle anderen wieder einmal gemütlich durch die winterlichen Straßen von Hogsmeade hatten bummeln dürfen, war sie mit Pansy beim Kurs der Rose and Crown Gesellschaft gewesen. Dort, wo sie seit acht Wochen, jeden Samstag war.

Für vier Stunden. Um… zu lernen.

 

„Und?“, fragte Harry, nicht ohne ein gewisses Maß an Gehässigkeit, wie ihr auffiel. „Ist dir der Hauselfen-Schmorbraten auch gut gelungen?“, erkundigte er sich schließlich, während seine Mundwinkel zuckten.

 

Langsam sah sie ihn an. Ihre Haare mussten abscheulich aussehen. Ihren Blazer hatte sie sich leider verkokelt, nachdem es ihr wieder einmal nicht gelungen war, den verdammten Fasan zu garen, und sie mit beiden – magisch geschützten – Händen die Form aus dem Ofen hatte ziehen müssen, während ihre Kartoffeln verkocht waren und das Grünheidengemüse angefangen hatte, auszuschlagen – denn magisches Gemüse besaß die lästige Eigenart zu knollen und zu sprießen, wenn es nicht nach fünf Minuten aus dem Topf genommen wurde.

 

Es hatte ihre Soßen umgestoßen, dadurch hatte sie die Form mit dem Fasan fallen gelassen – auf ihre Schuhe – weshalb ihre Füße nun hässliche Brandblasen besaßen, die zwar bereits vor Ort behandelt worden waren – aber das machte es nicht besser!

 

Ihr Nachtisch war von ihrer Lehrerin als ungenießbar und aller Wahrscheinlichkeit nach giftig gebrandmarkt worden, während Pansy ein goldenes Reinblüter-Sternchen nach dem anderen bekam.

 

Sie verzog bitter den Mund, während sie langsam den Blick zu Harrys Gesicht wandte.

 

Denn es gab weitere Dinge, die sie nicht bedacht hatte.

 

Sie musste kochen. Nicht nur das. Sie musste hervorragend kochen.

Nicht, dass die Elfen im Haus sie nicht von hinten bis vorne bedienen würden, nein. Das war unerheblich, denn es galt, die Schwiegereltern mit Kochkünsten zu beeindrucken, selbst wenn man sie so gut wie niemals zum Einsatz bringen würde.

Sie besuchte die Benimm-Schule der Reichen und Bekloppten jeden zweiten Sonntag, und ihr wacher Geist war mittlerweile so sehr abgestumpft, dass sie sich nicht mal mehr beschwerte.

 

Sie hatte beide ihre Schuluniformen zerstört – bereits mehrfach – und auch diesen Samstag durften die Hauselfen wieder einmal ihre Sachen flicken. Zwar sollte Hermine mittlerweile die hohen Künste der Näh-, Stick- und Wollmagie beherrschen, aber… sie war einfach unbegabt. Und vollkommen desinteressiert daran, irgendwelche Deckchen, Söckchen, Spitzen oder Gardinen zu nähen!

 

„Du hast Ruß im Gesicht“, bemerkte Harry mit einem Kopfnicken beflissen, und ihr Ausdruck wurde noch finsterer.

 

„Danke, Harry“, brachte sie mit einem Knurren hervor. Er vertiefte sich wieder in seinen Quidditch-Artikel, als hätte er besonders viel Spaß an ihrem Leid.

 

„Und?“, fuhr er unverfänglich fort. „Noch immer in Malfoy verliebt?“

 

Er fragte es jedes Mal, wenn sie so wieder kam. Sie hasste Malfoy. Aber mit ihm hatte sie seit über einem Monat nicht mehr gesprochen. Seit dem Fiasko, was Pansy und Blaise organisiert hatten, hatte sie auch deutlich weniger Kontakt mit Pansy. Allerdings merkte es Pansy nicht einmal!

 

Nein, Pansy hatte wohl das Gefühl gewonnen, dass sie und Hermine mittlerweile die besten Freundinnen geworden waren. Zwar gab es von Hermines Seite aus dafür keine Anzeichen, aber das war Pansy herrlich egal.

 

Pansy heiratete im Frühling, und deshalb besuchte sie mit Hermine den Kurs. Aber Hermine hatte schon festgestellt, Pansy erledigte die Arbeiten gewissenhafter, anmutiger und dankbarer als Hermine es tat. Pansy liebte es, sich auf die Ehe vorzubereiten.

 

Hermine konnte nicht erwarten, wenn alles wieder vorbei wäre!

 

„Ich gehe mich umziehen“, ließ Hermine Harrys Frage im Raum stehen, und erhob sich abwesend von der Couch, wo sie sich hatte aufwärmen müssen.

 

Sie erreichte die Treppe zu den Schlafsälen, und Ron kam ihr entgegen. Es war immer unangenehm. Es war nie einfach.

 

Er betrachtete kurz ihre Erscheinung, während sie sich gar keine Mühe mehr gab, ihn anzusehen, ihn anzusprechen, oder sonst irgendein Zeichen zu senden, dass sie mit hm befreundet sein wollte.

 

Ihr Herz schlug immer noch schnell bei seinem Anblick, und alles in ihrem Innern schmerzte zu sehr, als dass sie es in Worte fassen konnte. Er hatte sich fertig gemacht für die Patrouille, und sie wusste nicht, ob Pansy ihn manchmal auf sie ansprach, aber sie war sich sicher, er sprach nie von ihr.

 

Sie erwiderte seinen Blick, aber er schien sich wieder daran zu erinnern, dass er sie nicht leiden konnte.

 

Schweigend ließ er sie stehen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

Seufzend ging sie nach oben.

 

Sie war so unendlich müde. Sie war so kaputt und absolut nicht mehr in der Lage, überhaupt noch einen klaren Gedanken zu fassen. Es kam ihr alles vor eine Strafe, und sie wusste schon nicht mehr, weshalb sie sich hatte hinreißen lassen, so etwas Bescheuertes zu tun!

 

Sie heiratete nicht nur das Arschloch – nein! Sie musste auch noch für ihn kochen und Socken stopfen!

 

Ohne sich umzuziehen ließ sie sich auf das Bett fallen, denn morgen musste sie schon wieder runter ins Dorf. Den Unterricht der jungen Damen der Gesellschaft besuchen, wie er sich schimpfte.

 

Sie wollte keine junge Dame der Gesellschaft sein!

Sie war Hermine Granger. Und sie sollte nicht so viele Strafen durchleben müssen, dafür dass sie alle Reinblüter in Zukunft vor diesem Horror der Zwänge bewahren würde! Sie sollten ihr frei geben, dafür, dass sie so großzügig war!  

Aber nein… das schien nicht zu funktionieren.

 

Und sie hatte keine Ahnung, wie Narzissa es geschafft hatte, es schmackhaft klingen zu lassen. Wahrscheinlich gelang es Narzissa mit Leichtigkeit, alle furchtbaren Dinge in schöne Dinge zu verwandeln. Hermine war verzweifelt, und sie konnte es niemandem sagen.

 

Sie war auf ihr Bett gesunken, vergrub den Kopf in den Händen, und zog die Beine näher an ihren Körper. Ach, wäre es doch vorbei! Hätte sie doch nur nie damit angefangen!

 

„Alles ok?“

 

Es war Ginny.

 

Hermine schreckte aus ihrer mitledigen Pose und war froh, nicht auch noch zu weinen. Sie versuchte wieder Ruhe in ihre Züge zu bringen, richtete ihre Haare, so gut es ging, und Ginny sah sie fragend an.

 

„Jaah“, murmelte Hermine müde. „Alles gut“, log sie erschöpft.

 

„Mhm, so siehst du auch aus“, kommentierte Ginny ihre Erscheinung. „Der Kurs lief nicht gut?“

 

„Ich kann nicht kochen“, fasste Hermine ihre achtwöchige Hölle in einem Satz zusammen. „Und morgen muss ich in der Benimm-Schule tanzen“, flüsterte sie kopfschüttelnd.

 

„Ich glaube, so heißt es nicht“, korrigierte Ginny sie sanft, während sie sich neben sie setzt. Sie strich mitfühlend über den Rücken.

 

„Es ist nicht mehr lange.“ Und vielleicht klang das in Ginnys Ohren tröstlich, aber Hermine fand sogar die furchtbaren Kurse besser als die Idee Mrs Malfoy zu werden. Es jagte Schauer über ihren Rücken. „Wie hältst du es eigentlich aus?“, erkundigte sich Ginny jetzt, mit einem neugierigen Funkeln in den Augen.

 

Hermine runzelte die Stirn, aber ein inneres Gefühl sagte ihr, sie müsse wissen, wovon Ginny sprach.

 

„Na ja… ihn so lange nicht… zu sehen“, gab Ginny ihr zwinkernd einen Denkanstoß.

 

Und Hermine wollte sagen, sie sah ihn ja ab und an.

 

Jeden Morgen, wenn er aufstand. Beim Frühstück, während des Unterrichts, wenn er Training hatte, zu dem sie nur ging, um ihn zu sehen – einfach länger zu sehen, denn es war so schwer, es nicht zu tun.

 

Sie wollte sagen, dass sie ihn beobachtete, wann immer sie konnte und dass sie versuchte, wieder eine gewisse Nähe aufzubauen, irgendwie versuchte, seine Vergebung zu erhalten, aber dass sie noch mehr Zeit brauchte.

 

Aber die ehrlich Antwort war: Sie hielt es nicht aus, ihn nicht zu sehen. Es war unerträglich.

 

Und gleichzeitig wusste sie, dass Ginny an jemand ganz anderen dachte.

 

Kurz spürte Hermine die Tränen in den Augen. Aber sie hatte die Chance, Ginny zu täuschen. Ihr vorzumachen, ihre Tränen galten Malfoy. Denn Malfoy sollte es ja sein, den sie nicht sehen konnte, weil sie sich so hanebüchenen Unsinn aus den Fingern gesogen hatte, dass sie und Malfoy es traditionell angehen wollten.

 

Dabei hatte er längst aufgehört, irgendetwas in Frage zu stellen.

Und sie dachte nicht an ihn. So gut wie nie.

 

Und sie wusste, es würde sich ändern. So furchtbar der Kurs auch war, sie machte ihn lieber als in Malfoys Nähe zu sein.

 

Alles, woran sie dachte, war Ron. Alles.

 

Also tat sie so, als wären es Tränen für Malfoy, und sie wischte sich über die Augen.

 

„Die Hochzeit ist ja schon bald, dann hat das Warten ein Ende“, fasste sie ihren schlimmsten Horror in sehnsüchtige Worte. Ginny lächelte.

 

„Du hast mir nie erzählt, ob in der Nacht noch mehr passiert ist?“, versuchte Ginny sie zu locken. Hermine wusste, von welcher Nacht sie sprach. Und sie wäre rot geworden, wäre es nicht absurd.

 

„Nein“, sagte sie kopfschüttelnd. „Wir sind… traditionell.“ Ja, traditionelle Feinde, dachte Hermine fast bitter.

 

„Gar nichts? Absolut gar nichts?“

 

Hermine wusste, sie durfte sich nicht einmal über diese Nacht aufregen, denn, wie seltsam würde das wohl klingen? Es war zum Verrücktwerden!

 

„Na ja, wir…“ Sie wusste nicht, ob es wichtig war oder nicht, wenn sie die Wahrheit sagte, bezüglich des Kusses. Daran war nichts schlimmes, bedachte man, dass sie und Malfoy verlobt waren. Bedachte man jedoch, dass sie rein gar nicht an ihm interessiert war, dann… war dieser Kuss nicht ganz unbedenklich….

 

Sie hatte einige Male darüber nachgedacht, seit dem es passiert war.

 

Dieses… Gefühl. Aber sie schrieb es einfach der Tatsache zu, dass sie nicht erfahren in solchen Dingen war, und sich wahrscheinlich jeder Kuss mit jedem anderen Mann genauso angefühlt hätte.

 

Sie hatte wenige Vergleiche.

 

„Wir haben uns geküsst, aber mehr auch nicht“, räumte Hermine mit einer wegwerfenden Handbewegung ein. Ginny schien daran nicht mal etwas Verwerfliches zu finden. Es gab Hermine zu bedenken, wie gut sie schauspielern konnte.

 

„Und?“

 

Hermine hatte diese Frage befürchtet.

 

„Und was?“, wiederholte sie gespielt ahnungslos. Ginny verdrehte die Augen.

 

„Und, wie ist er so?“, hakte sie grinsend nach. „Also… was man so hört-“

 

„-Ginny!“ Hermine hätte sich gerne selber applaudiert, denn Ginny sah betreten zu Boden. Eigentlich hatte Hermine sie mit dem Hintergrund maßregeln wollen, dass es ihr unangenehm war, mehr über Malfoys Fähigkeiten zu erfahren, aber andererseits kam es Ginny nun reichlich unhöflich vor, vor Hermine Geschichten über Malfoys Eskapaden auszubreiten.

 

Es war ein Win-Win, dachte Hermine zufrieden.

 

„Es tut mir leid! Ich meinte natürlich nicht, dass-“

 

„-er ist ein Playboy“, schloss Hermine, und würzte ihre Stimme mit der richtigen Prise Eifersucht. „Aber ich treibe es ihm schon aus“, ergänzte sie siegessicher. Ginny wirkte erleichtert, dass Hermine nicht sauer geworden war.

 

„Wenn nicht du, wer dann?“, wollte Ginny mit einem anerkennenden Nicken wissen.

 

Hermine hasste es, über ihn zu reden, als würde sie auch nur ein positives Gefühl mit ihm verbinden. Sie verband nichts mit ihm. Vielleicht höchstens ihre schlechte Laune und die Ungeduld, dass es endlich vorbei sein sollte!

 

~*~

 

Sie war nicht faul. Das war sie wirklich nicht. Und Pansy fand Hermine so undankbar!

 

Sie ging hier wirklich über ihre Kompetenzen hinaus.

 

„Und warum nicht?“, fragte Pansy ihn erneut, während sie durch die leeren Gänge des Schlosses patrouillierten. Er funkelte sie zornig an.

 

„Könntest du nicht mit mir sprechen? Danke“, knurrte er und wandte den Blick wieder nach vorne. Pansy wurde wahnsinnig mit ihm.

 

„Er kann nicht kommen. Er ist… krank“, log sie einfach, denn sie wollte Weasley nicht sagen, dass Draco einfach nur – unter keinen Umständen der Welt – morgen mitkommen würde.

 

„Parkinson, hör auf damit!“ Er war nahe dran, die Kontenance zu verlieren.

 

„Du bist Reinblüter! Nur Reinblüter drüfen in den Club!“, rief sie zornig aus, als er schnellere Schritte machte und sie ihn wieder einholen musste.

 

„Merlin, es reicht!“, fuhr er sie an.

 

„Weasley, ich finde, es ist deine Pflicht als-“

 

„-als was?“, unterbrach er sie plötzlich scharf, während er stehen blieb.

 

„Als Hermines Freund!“, endete sie erbarmungslos.

 

„Scheinbar hat dich die Neuigkeit nicht erreicht, aber wir sind keine Freunde mehr!“, informierte er sie sauer.

 

„Unsinn!“, widersprach sie ihm einfach. „Du bist eifersüchtig, schön. Wir haben’s begriffen, Weasley!“, rief sie aus. „Aber komm drüber weg, verhalte dich nicht wie ein Arsch und tu ihr diesen Gefallen, Merlin noch mal!“

 

Er starrte sie an. „Ich bin nicht eifersüchtig, Gott, Parkinson!“, knurrte er und wandte sich wieder um.

 

„Wie beleidigt kann ein Mensch eigentlich sein, Weasley?“ Sie folgte ihm wieder. Er schüttelte stur den Kopf, während er weiter ging. „Du bist wie ein Mädchen. Selbst deine Schwester ist nicht mehr wütend.“

 

„Du verstehst es nicht. Jetzt lass mich in Ruhe!“

 

„Dann liegt es daran, dass du zwei linke Füße hast und dich bewegst wie ein Troll bei hohem Seegang?“, vermutete sie nun, und er hielt wieder inne. Zorn tobte in seinen blauen Augen.

 

„Ok, noch einmal zum Mitschreiben für dich, Parkinson“, begann er gefährlich ruhig, „ich werde nicht zu eurem beschissenen Tanzkurs für dumme Reinblüter kommen, nur um Hermine auszuhelfen, weil ihr Arschloch von Ehemann keinen Bock hat, sich zu kümmern! Weil er sie ausnutzt, weiß Gott wofür, und weil ich nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte!“

 

„Also, noch ist er ihr Verlobter“, korrigierte sie ihn gereizt, „dann ist er kein Arschloch“, ergänzte sie kopfschüttelnd, „und du bist einfach nur kindisch!“, schloss sie böse.

 

Er sah sie an, kurz vorm Explodieren.

 

„Nein!“, wiederholte er so laut, dass die Menschen in den Portraits zusammenzuckten.


„Warum nicht?“, fragte sie ihn wieder, bereit, all seinen Zorn in Kauf zu nehmen. „Ich kann dir tanzen beibringen!“, versprach sie. „Selbst ein Weasley könnte es lernen“, wog sie ab, und er atmete zornig aus.

 

„Lass mich in Ruhe mit dieser Scheiße!“, rief er. „Nerv irgendwen anders! Ich bin nicht der einzige Reinblüter in dieser Schule, und nebenbei – Hermine ist eine Muggel. Wieso darf sie in eurem bescheuerten Club tanzen? Dann müsste ja-“ Aber Pansy unterbrach ihn, denn es war so absurd, dass er es in Frage stellte.

 

„Sie heiratet Draco Malfoy“, erklärte sie, als wäre es selbsterklärend – was es auch war!

Weasley sah sie mit säuerlichem Ausdruck an. „Sie wird damit die führende junge Dame unserer Gesellschaft sein. Was die größte Ehre für den Club sein wird. Sie ist einfach perfekt“, seufzte Pansy kopfschüttelnd. Und zum ersten Mal trat ein weicher Zug auf Weasleys zorniges Gesicht. „Und wen soll ich fragen? Ich gehe mit Blaise. Soll ich Goyle fragen? Oder irgendeinen anderen Slytherin? Wie sähe das bitteschön aus?“

 

Sie wusste, ihre Argumente waren nicht gerade wasserdicht.

 

„Was soll das heißen?“, wollte er jetzt wissen.

 

„Meine Güte, sie soll nicht mit dem letzten Troll über die Tanzfläche tanzen, Weasley!“ So, da hatte er sein dämliches Kompliment, was er wohl unbedingt hatte hören müssen. Er war unmöglich, befand sie. Dass sie ihn überhaupt so bitten musste!

 

„Wie nett“, war alles, was er sagte, „aber nein“, schloss er kalt.

 

Sie atmete aus. „Deine beste Freundin hat ihr Glück gefunden, sie möchte heiraten, eine gute Ehefrau sein, und du führst dich auf wie ein gekränkter, tiefverletzter Exfreund! Dabei solltest du sie unterstützen, denn wegen dir weint sie sich die Augen aus dem Kopf, wenn ich sie heimlich beobachte, weil du nicht mehr ein Freund sein möchtest! Es ist schäbig, Weasley! Es ist nicht loyal, und es ist nicht die Welt! Es ist eine Tanzstunde!“

 

Sie hatte so schnell gesprochen, dass sie ganz außer Atem war.

 

Er hatte den Abstand überraschend geschlossen.

 

„Ich hasse all das, Parkinson!“, fuhr er sie an, dass sie zusammenzuckte. „Ihr seid keine Freunde, du und sie! Sie gehört nicht in eure verkorkste Gesellschaft!“, zischte er böse. „Und ihr seid das, wogegen wir gekämpft haben! Ihr nennt sie Schlammblut, und egal, wie liberal deine Show hier auf Hogwarts sein mag, Parkinson, ich weiß, wie ihr früher wart! Ihr habt sie beleidigt und gequält. Und nicht nur ihr Schüler, nein, all ihr Reinblüter da draußen! Und jetzt? Jetzt soll ich mich damit abfinden, dass Hermine uns alle verraten hat? Dass sie Draco Malfoy heiratet? Merlin! Hörst du nicht, wie verrückt das ist?“

 

„Sie liebt ihn!“, beteuerte Pansy, wovon sie selber nicht ganz überzeugt war.

 

„Gott! Hörst du dich reden?“, schrie er jetzt, und sie schloss kurz die Augen, um sich zu fangen.

 

„Du… du bist…!“ Sie konnte nicht ruhig atmen. Sie hatte gelernt, immer Ruhe zu bewahren, eine Lady zu sein, sich niemals reizen zu lassen. Sie war besser als das. Aber er machte es ihr verdammt schwer, eine Lady zu sein. „Du bist Schulsprecher!“, spuckte sie ihm entgegen. „Das heißt, du bist loyal, du bist… geeignet, die Schule würdig zu vertreten! Du bist ein Vorbild, weil du warmherzig bist und… und freundlich und klug und…-“

 

Sein Mund verzog sich. „Denkst du etwa, all diese Eigenschaften treffen auf dich zu, Parkinson?“ Er lachte auf. „Vielleicht treffen sie auf Hermine zu, oder sie haben es irgendwann einmal – aber nicht auf-“

 

Und sie hatte ausgeholt.

 

Ihre flache Hand traf seine Wange so überraschend hart, dass sie unterdrückt fluchte, als der Schlag ihre Hand verbrannte. Sein Kopf flog zur Seite, und er fluchte noch unbeherrschter als sie. Dann traf sie sein überaus zorniger Blick.

 

„Bist du übergeschnappt? Du schlägst mich?“, fuhr er sie an, und sie war überfordert.

 

„Du beleidigst mich!“, erwiderte sie heiser. „Und glaub ja nicht, dass auch nur eine dieser Eigenschaften auf dich zutrifft, du egoistischer, widerlicher, selbstbezogener, eifersüchtiger, nachtragender, kreuzdämlicher Gryffindor-Scheißkerl!“

 

Und sie wusste… - es waren viel zu viele Adjektive, die sie ihm zuteilwerden ließ….

 

Und der lächerliche Gedanke… diese lächerlich Hoffnung, dass er sie urplötzlich küssen würde, sie an sich reißen würde, hier, mitten auf dem Flur, raubte ihr kurz den Atem.

 

Denn das war es, was sie gerade dachte – nein, was sie gerade lächerlicherweise hoffte!

 

Oh Gott!

 

Wieso schlug ihr Herz so albern schnell? Wieso sah sie ihn immer noch so an, mit blöden großen Augen?

 

Sie hatte gewusst, es hatte nichts zu bedeuten gehabt, dass Weasley hinter der Tür gewesen war, dass sie ihn als Mystery Date im Kopf gehabt hatte!

Es hatte nichts zu sagen. Es war nicht wichtig, aber jetzt fiel es ihr schwer, zu atmen.

 

Und bevor er sich umdrehen konnte und verschwand, tat sie das einzig sinnvolle: Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte.

 

Rannte den Flur zurück. Zurück in den Gemeinschaftsraum.

Wieso konnte er sie nur so wütend machen, fragte sie sich verzweifelt? Wieso konnte Weasley es schaffen, dass sie ihre Manieren, ihre Erziehung, all ihre Werte vergaß, auf die sie so stolz war? Wieso brachte er es fertig, dass sie vor ihm immer ehrlich sein musste?

Sie konnte es nicht verstecken. Sie wollte es nicht verstecken.

 

Es war… absurd. Nur vor ihm war sie… wie sie wirklich war.

 

Sie rannte immer noch. Denn sie hatte Angst.

Plötzlich hatte Pansy Angst bekommen.

 

 

Kapitel 22

 

„Du bist einfach nur…! Unmöglich!“, rief sie ihm entrüstet zu, während sie ihre Schuhe hastig in die Tasche stopfte. Draco ignorierte Pansy seit dreißig Minuten. Sie hatte sich über ihn beschwert, über Greg, weil er immer nur im Weg stand, über Weasley, aus was für Gründen auch immer, und über Männer im Allgemeinen.

 

Draco zog es vor, nicht zu reagieren. Er las nicht umsonst demonstrativ das langweilige Zaubertränkebuch.

 

„Hm“, machte er abwesend, aber Pansy atmete aus.

 

„Weißt du, es ist nicht so, dass du ein begnadeter Tänzer wärst“, brauste sie jetzt auf. Ja. Das störte ihn natürlich am meisten. Dass er nicht tanzen konnte.


„Der Tanz ist unwichtig“, wiegelte er das Thema achselzuckend ab, während Pansy schnaubte wie ein Bulle.

 

„Weißt du, wäre es die Hochzeit von irgendwem anders, ja, dann würde ich überhaupt streiten!“, zischte sie aufgebracht, kurz davor endlich zu gehen.

 

„Doch. Würdest du“, widersprach er, ohne jeden Blickkontakt. Es machte sie rasend.

 

„Draco!“, fuhr sie ihn schließlich noch ein letztes Mal an, und nach dem er in Ruhe den nächsten Absatz gelesen hatte, hob er den Blick.

 

„Was?“ Es machte fast Spaß, vollkommen ruhig zu bleiben, während Pansys Augen beinahe in Tränen schwammen.

 

„Du bist unglaublich! Sie tut alles für dich-!“

 

„-alles für mich?“, griff er belustigt ihre Worte auf.

 

„-ja! Alles!“, knurrte sie. „Und du sitzt hier seelenruhig, und es stört dich nicht!“

 

„Kein bisschen, Pansy“, gestand er lächelnd, kurz davor, weiterzulesen.

 

„Hast du kein Gewissen, Draco Malfoy? Wie willst du dastehen?“

 

„Dastehen? Mal sehen…“ Er tat so, als müsse er darüber nachdenken. „Ich bin der Malfoy-Erbe. Ich denke, ich stehe immer sehr gut da, Pansy. Und die Tänze sind alle der gleiche Scheiß. Ich tanze mit der Schlampe und fertig“, schloss er, während Pansy vor Entrüstung Schnappatmung bekam.

 

„Das nimmst du zurück!“

 

„Fein!“, räumte er mit erhobenen Händen ein. „Nicht alle Tänze sind gleich, zufrieden?“ Er lächelte sogar bei seinen Worte, während Pansy scheinbar jedes Bisschen Freundlichkeit verloren hatte.

 

„Du bist widerlich“, flüsterte sie mit zittriger Stimme.

 

„Danke, Pansy. Ich weiß“, nahm er das Kompliment entgegen. Sie schüttelte bleich den Kopf.

 

„Fünfzig Punkte Abzug, Draco“, setzte sie hinzu, und er tippte sich ans Kinn.

 

„Oh nein!“, rief er amüsiert aus. „Fünfzig Punkte! Was soll ich nur tun? Wie kann ich das jemals wieder gut machen?“ Einige andere Schüler hatten bereits belustigt die Köpfe gehoben. Draco sprang fast von der Couch auf. „Oh ich weiß!“, rief er lachend aus, während Pansys Blick böse Blitze schoss.

 

„Darf ich bitten?“, fragte er theatralisch und sank in eine lächerliche Verbeugung. Pansy ignorierte seine Hand konsequent und drehte sich zu Blaise um, der lachend neben dem Portrait wartete.

 

„Halt den Mund Blaise, oder es werden auch fünfzig Punkte Abzug für dich!“, knurrte sie zornig, während Blaise betroffen die Hände erhob.

 

„Was habe ich getan?“, wollte er beleidigt wissen, während der Gemeinschaftsraum leise lachte und Draco sich kopfschüttelnd wieder auf die Couch fallen ließ. Ganz bestimmt versaute er sich seinen Sonntag nicht damit, ein widerliches Schlammblut anzufassen.

 

Garantiert nicht, überlegte er lächelnd, während er das leidige Kapitel über Tüftelkraut weiterlas, dem er keinen besonderen Sinn abgewinnen konnte, außer, dass es vorzüglich im Kressesalat schmeckte.

 

~*~

 

„Er ist so ein blöder Mistkerl!“, zischte Pansy aufgebracht. „Ich kann nicht fassen, dass alle Männer so unglaublich faul und selbstverliebt sind!“

 

Hermine wartete zwangsläufig auf Blaise und Pansy, denn… sie würde sie ja ohnehin sehen. Und Pansy hatte ausgewählt schlechte Laune, stellte sie resignierend fest.

 

„Hey, ich bin gut. Ich komme mit, Merlin noch mal!“, regte sich Blaise neben ihr auf, aber Pansy schien sich nicht besänftigen lassen zu wollen.

 

„Ja, ja“, knurrte Pansy abweisend. „Dein Verlobter ist ein blöder Arsch!“, rief sie aus, und Hermine war überrascht, dass Pansy keine weitere der unzähligen Ausreden erfand, die sie sonst für Malfoys Verhalten stets parat hielt. „Er ist rücksichtslos und vollkommen undankbar!“, regte sich Pansy weiter auf. „Es ist eine herbe Enttäuschung! All die Jahre der Freundschaft! All die Jahre!“, stöhnte sie verzweifelt auf.

 

Blaise tauschte einen Blick mit ihr, und Hermine erkannte, Blaise hielt Pansy für ebenso verrückt wie Hermine es tat. Hermine konnte nur annehmen, Pansy hatte es wieder einmal versucht. Versucht, Malfoy zu überzeugen.

 

„Als wäre er der Gott vor dem Herrn!“, knurrte Pansy, und Hermine runzelte die Stirn über die falsche christliche Metapher. Pansy tat sich schwer mit Muggel-Religionen, versuchte jedoch trotzdem sporadisch in jedes Gespräch die Worte Jesus und Gott und die Welt fließen zu lassen. „Merlin in Frankreich“, versuchte sie es wütend erneut, ehe sie die Hände in die Luft warf. „Ach, ihr wisst schon, was ich meine!“, rief sie, ehe Blaise eine unbedarfte Frage stellen konnte.

 

„Lasst uns einfach gehen“, murrte er, anscheinend sauer, dass er so dumm gewesen war, Pansys Bitten nachzukommen. Hermine fürchtete nichts mehr, als diese dämliche Tanzstunde. Und jetzt hatte sie keinen Partner. Das wäre vielleicht auch besser. Für den Partner, nahm sie dumpf an.

 

„Ja. Was sollen wir auch sonst tun?“, fuhr Pansy ihn an, dass er zusammenzuckte. „Auf niemanden kann man sich verlassen! Alle wollen heiraten, alle wollen ihr Vermögen behalten, alle Männer stehen so sehr auf ihre dummen, beschissenen Traditionen in ihrem Reinblüter-Club, aber auch nur einen Finger krummzumachen ist schon zu viel! Ich fasse es nicht!“, setzte sie ihre Tirade fort, während Blaise und Hermine hinter ihr zurückfielen.

 

Hermine hörte die Worte aus Pansys Mund jedoch nicht ungern. Denn… es war das erste Mal, dass Pansys die Traditionen nicht leiden konnte.

 

„Ja, man sollte sie alle verbrennen“, hörte Hermine plötzlich eine viel zu vertraute Stimme hinter sich, deren Klang sie seit Wochen nicht mehr vernommen hatte. Sie blieb kalt erwischte stehen, und Pansy wandte sich langsam und ungläubig um.

 

„Weasley!“, hauchte sie vollkommen verblüfft. Sie blinzelte mehrfach, und Hermine hatte es bis gerade nicht geglaubt. Sie hob scheu den Blick als er neben sie trat, für den Fall, es wäre nur ein seltsamer Traum.

 

„Du brauchst einen Partner?“, fragte er sie schließlich und sah sie an, als wäre nie etwas gewesen. Seine Bewegungen ihr gegenüber waren etwas ungelenk, etwas steif, denn sein Umgang mit ihr war seit Wochen eingerostet, und abgesehen von ein paar verabscheuenden Blicken, bekam sie selten etwas von ihm.

 

Er sprach mit ihr. Er… wollte mit ihr tanzen!

 

Und Hermine konnte sich nicht halten. Sie brach jetzt in Tränen aus, versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen, und sah durch ihre Finger, wie Ron vor ihr perplex den Mund öffnete.

 

„Hermine…?“, sagte er überfordert, aber sie schüttelte hastig den Kopf, wischte die Tränen fort, die noch weiter auf ihre Wangen fielen und senkte hastig den Blick. Pansy hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und schien Ron irgendetwas bedeuten zu wollen, mit einem heftigen Nicken.

 

„Ich… es… tut mir leid“, murmelte Ron schließlich. „Ich wollte nicht…“, fuhr er ratlos fort, während Hermine nur noch mehr weinen musste. Es war so furchtbar peinlich, stellte sie fest. „Hermine!“, ermahnte er sie, während sie sah, dass er selber feuchte Augen bekam.

 

„Oh Ron!“, rief sie und warf sich in seine Arme. Sie klammerte sich an seinen Nacken, roch seinen Duft, und sie liebte ihn einfach. Er war ihr bester Freund, er war alles, was sie brauchte, und sie bereute jedes böse Wort! Jede Lüge, die er bisher hatte ertragen müssen.

 

Überrascht hatte er sich versteift, aber dann legte er sanft die Arme um sie und hielt sie fest. So… wie früher. Nicht, dass sie sich oft umarmt hätten, aber keiner von ihnen hatte irgendwelche Berührungsängste gehabt.

 

Seine Wärme kroch in ihren Körper. Es hatte etwas wohliges, etwas beruhigendes. Es fühlte sich an, als wäre sie nach Hause gekommen.

 

„Ron“, wisperte sie in seine Haare, die ihm bis zum Kinn reichten. Sie spürte, wie er lächeln musste.


„Hey, schon gut“, murmelte er, und als sie es endlich über sich bringen konnte, ihn loszulassen, waren seine Wangen tiefrot geworden.

 

Hermine wischte sich hastig die letzten Tränen von der Wange.

 

„So. Können wir?“, wollte Pansy peinlich berührt wissen, aber Hermine bemerkte, sie sah nicht sie an. Sie betrachtete Ron. Nur Ron.

 

„Ja“, sagte Ron schließlich. „Aber… tanzen kann ich auch nicht“, flüsterte er ihr zu, und an Tanzen dachte Hermine schon gar nicht mehr. Fast wollte sie schon Rons Hand ergreifen und nie mehr loslassen. Aber sie beherrschte sich. Sie tat gar nichts. Sie war einfach nur dankbar, dass er da war. Sie nicht im Stich ließ.

 

Ron war wieder da, dachte sie, und ein Gefühl der Leichtigkeit breitete sich aus, ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, und sie war kurz davor, ihm alles zu erklären, aber sie biss sich auf die Zunge, um bloß nicht alles zu verderben, was sie begonnen hatte.

 

Es war so etwas Wundervolles neben Ron herzugehen, ihn neben sich zu spüren, zu wissen, er war wieder da!

 

~*~

 

„Aufstellen!“

 

Die Tanzlehrerin hatte erschreckende Ähnlichkeit mit McGonagall. Natürlich war die Lehrerin jünger, wenn auch nicht sonderlich viel, aber in Strenge stand sie McGonagall ins gar nichts nach, hatte Hermine schnell festgestellt. Es war seltsam. Viele Damen waren hier ohne ihre Verlobten erschienen, und Hermine nahm an, viele der Mädchen kannten ihren Verlobten gar nicht.

So wie Pansy auch nicht. Und ihre Männer kamen von weit her, und konnten somit erst zur Hochzeit anreisen, weil ihre Geschäfte sie aufhielten.

 

So zumindest hatten es die Mädchen geschildert, mit denen Pansy ihr Leid teilte. Viele warfen Blaise bereits auffordernde Blicke zu. Blicke, die Hermine sagten, diese Mädchen wären wahrscheinlich gerne bereit, ihren unbekannten Verlobten mit Blaise Zabini zu betrügen.

 

Blaise hingegen kannte seine Braut auch noch nicht.

 

Pansy neben ihr hatte es beim Anblick der Tanzlehrerin, die sie vorher noch nicht hatten erblicken können, die Sprache verschlagen.

 

„Oh Gott“, flüsterte sie mit großen Augen, aber ehe Hermine eine Frage stellen konnte, begann die strenge Frau zu sprechen.

 

„Mr… Weasley?“ Die Lehrerin hob den Blick. „Sohn von Arthur Weasley“, ergänzte sie mit einem nachdenklichen Nicken, über die gerade Nase hinweg, die dunklen Augen auf Ron geheftet. „Ich kannte ihren Vater, als er jung war.“ Hermine überlegte, wie alt die Tanzlehrerin dann wohl schon sein musste. Wahrscheinlich konnte man Alter mit Tanzsport und betonten Kleidern sehr gut verbergen. Ron war rot angelaufen. „Sie vertreten…“, ihr Blick fiel wieder kurz auf ihr Klemmbrett, „Draco Malfoy?“ Sie hob überrascht den Blick.

 

Die Aufnahme war nicht von der Tanzlehrerin gemacht worden, sondern von der Empfangshexe unten. Und Ron war es schon zuwider gewesen, Malfoys Namen aufzuschreiben und sich selber als Vertretung zu bezeichnen.

 

Viele der Mädchen fassten nun sie neugierig ins Auge. Wahrscheinlich kannten sich die meisten Mädchen unter ihnen, nahm Hermine an. Und sie kannten Draco Malfoy. Sie kannte hier niemanden. 

Auch die Tanzlehrerin betrachtete sie kurz. „Granger…“, las sie langsam. Ihre Stirn runzelte sich plötzlich.

 

Denn scheinbar waren nicht alle engstirnig und verbohrt. Und anscheinend war Tanzen nicht alles, was diese Frau kannte. Kurz wanderte der Blick der Tanzlehrerin über Hermines Gestalt.

 

„Mein Name ist Madame Lestrange, und so möchte ich Sie bitten, mich fortwährend anzusprechen“, erklärte sie, und Hermines Mund öffnete sich langsam.

Ron neben ihr war ebenfalls erstarrt.

 

Lestrange?

 

So wie…?

 

Und Hermine vermutete, sie konnte nur eine Schwester oder Cousine von Bellatrix‘ Mann sein. Oder etwas Ähnliches. Und das war schon schlimm genug!

Sie hatte keine Ähnlichkeit mit Bellatrix. Natürlich nicht, denn Bellatrix war ja auch Narzissas Schwester gewesen.

 

Oh Gott… - Hermine glaubte nicht, dass sie das hier durchstehen würde.

Sie vergaß, wie eng alle Reinblüter miteinander verbunden waren, und ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sie hier zwischen ehemaligen Töchtern von Todessern würde tanzen müssen.


„Hermine?“, flüsterte Pansy neben ihr. „Alles in Ordnung?“ Hermine hob verstört den Blick.

 

„Was? Oh… ich…“ Hermine konnte dazu nichts sagen. Sie konnte gerade überhaupt nicht reagieren.

 

Rons Mutter hatte Bellatrix umgebracht.

 

Und jetzt wurden sie höchstwahrscheinlich von Bellatrix‘ Schwägerin unterrichtet, wie man richtig tanzte? Und… kannte sie dann Narzissa? Wahrscheinlich. Hier kannten ja alle Idioten jeden!

 

„Ich kenne sie von unseren Festen“, zischte Pansy, ehe sie sich mit Blaise aufstellte. Ron hörte zu. „Sie ist die jüngere Schwester von Rodolphus und Rabastan Lestrange, aber sie hat sich schon sehr früh gegen die Todesser ausgesprochen“, erzählte Pansy hastig. Hermine konnte nur annehmen, Pansy erzählte es, weil sie dachte, Ron würde gleich seinen Zauberstab ziehen wollen. „Sie… äh… war von ihrer Familie dann in verschiedenen Internaten in Europa untergebracht worden und von ihrer Existenz erfuhren wir praktisch erst, als Voldemort gestürzt war“, wisperte Pansy mit gerunzelter Stirn. „Mutter konnte sie nie leiden, sie galt als Schande der Familie, aber-“

 

„-Miss Parkinson!“, unterbrach Madame Lestrange sie kalt. „Private Unterhaltungen können Sie nach dem Unterricht fortführen“, befahl sie harsch. Dann trat ein etwas eigensinniger Wohlwolle auf ihre scharfen Züge. „Wie wäre es, wenn unser berühmtes Paar in die Mitte kommt?“

 

Hermine konnte sie nur perplex anstarren.

 

Ok.

 

Scheinbar… war diese Frau nie auf der Bösen Seite gewesen.

 

So etwas sollte es auch geben, dachte sie plötzlich. Auch unter Reinblütern.

 

Und dann überlegte sie, dass diese Frau denken musste, sie, Hermine, hätte nun die Seiten gewechselt – falls die Frau überhaupt so etwas dachte!

 

Ron neben ihr war wieder blass geworden. In die Mitte zu kommen war wohl nichts gewesen, was er auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen hatte.

 

Widerwillig leisteten sie dem strengen Blick der Frau Folge.

 

Niemand tuschelte, niemand lachte.

 

„Dann wollen wir mal sehen, ob sie neben Welt retten auch beherrschen zu tanzen!“, rief sie lächelnd aus.

 

Oh Gott! Hermine wusste, sollte die Frau denken, sie wären begnadete Tänzer, denn steuerte sie die nächste Enttäuschung an.

 

 

Kapitel 23

 

„Und noch einmal den Cercle du Mariage!“, rief Madame Lestrange in die Runde, während Pansy verbissen versuchte, die Abstände richtig einzuhalten. Blaise war wie immer hervorragend, in allem was er tat, aber Pansy schlug sich besser als Hermine. Das konnte sie sagen.

 

Aber Madame Lestrange hatte einen Narren an Weasley und Hermine gefressen, also war es egal, wie sich Hermine auf der Tanzfläche schlug, nahm Pansy an.

 

Nicht, dass sie neidisch war. Nicht wirklich. Vor allem gleich passierte, was sie hasste. Wenn sie den Kreistanz machten, passierte es dauernd. Sie wechselten die Partner. Und da sie und Blaise neben Weasley und Hermine tanzten, musste sie mit Weasley tanzen, nach jeder Drehung.

 

Und nicht auf jeder Hochzeit wurde der doofe Kreistanz überhaupt getanzt!

 

Sie war so wütend auf sich selber, denn eigentlich konnte sie tanzen! Eigentlich war sie wirklich gut. Aber jedes Mal, wenn sie vor Weasley stand verwandelte sie sich in eine ungeschickte Gans, die Weasley jedes Mal auf die Zehen stieg.

 

Aber dieses Mal konzentrierte sie sich noch besser.

 

Und jedes Mal fand sie sich in einem Gespräch mit ihm wieder, und bemerkte nicht mal die bösen Blicke der Lehrerin, wenn Pansy als einzige verpasst hatte, sich wieder zurück zu Blaise zu drehen.

 

Sie war einfach nicht auf der Höhe heute – oder überhaupt irgendwann, wenn sie mit Weasley sprach.

 

Und dann war es soweit.

 

„Vergiss mich nicht wieder“, bemerkte Blaise spöttisch, der Hermine in Empfang nahm, und Pansy verdrehte gereizt die Augen.

 

Schon war die Drehung vollendet, und Weasley ergriff ihre Hand, die lästigerweise wieder feucht geworden war.

 

Sie war einfach nur erbärmlich, entschied Pansy mit hochroten Wangen.

 

„Wo waren wir stehen geblieben?“, wollte Weasley fast amüsiert wissen, aber Pansy biss die Lippen zusammen, um sich nicht zu verzählen. Sie verzählte sich nie bei der Schrittfolge! Sie hatte diesen Tanz mit ihren Freundinnen schon getanzt, da gingen sie alle in die magische Vorschule! Es war lächerlich!

 

„Nirgendwo. Könnten wir einfach tanzen?“, zischte sie, ohne in sein Gesicht zu sehen.

 

„Ok“, bemerkte er grinsend, während er seine Hand immer ein Stück zu tief auf ihrem Rücken liegen hatte. Aber das letzte Mal, als sie ihn darauf hingewiesen hatte, hatte er ihr zugeflüstert, sie solle sich nicht so anstellen, seine Hand würde schließlich nicht auf ihrem Po liegen. Und sie war so rot angelaufen wie eine überreife Tomate, und er hatte die Stirn gerunzelt.

 

Und das brauchte sie nicht! Sie brauchte kein unpassendes Schamgefühl gegenüber dem schusseligen, blöden, vergesslichen und unfähigen Schulsprecher.

 

Gott! Und dabei war sie ihm dankbar. So dankbar, dass er doch aufgetaucht war.

Sie hatte auch schon versucht, darüber ein Gespräch anzufangen, aber er war so verdammt… einsichtig, dass sie nur wieder und wieder rot geworden war, unter seinen Worten.

 

Er hatte ihr gesagt, sie hätte recht gehabt, er hätte sich schlecht gegenüber Hermine verhalten und dass er nicht wollte, dass sie wegen ihm litt.

 

Und ja – toll. Was sollte Pansy dazu großartig sagen? Sie konnte ihn wohl nicht mal mehr anschreien!

 

Nein, sie wurde lieber rot und flirtete unabsichtlich mit ihm. Und es war peinlich. Sie vergaß ihre Schritte, sie vergaß das Tempo, und mittlerweile machte er die bessere Figur. Und das war unmöglich!

 

„Diese Tanzstunde ist die Hölle meines Lebens“, brummte er, und weil sie gerade so dämlich verletzlich und selbstbezogen war, spürte sie, wie sie hochnäsig die Stirn in Falten legte.

 

„Es ist ja bald vorbei, dann kannst du wieder mit Hermine tanzen“, beschwerte sie sich leise, und er senkte verstört den Blick. Sie erschlug sich selber mit einem metaphorischen Zaunpfahl und konnte nicht fassen, dass sie gerade wirklich eifersüchtig war! Merlin…, sie gehörte zu Madame Pomfrey in den Krankenflügel.

 

„Äh… ich meinte, dass ich nicht tanzen kann und froh bin, dass mich meine Eltern ganz bestimmt nicht zu so etwas zwingen werden“, erläuterte er mit einem eindeutigen Blick. „Zwar ist mit dir tanzen nicht übel, aber… ich kann mir besser Sachen vorstellen.“

 

Ihr Mund öffnete sich perplex. Er konnte sich… was? Bessere Sachen vorstellen? Generell oder bessere Sachen, die sie beide tun könnten?

 

Und schon wieder wurde sie rot. Zornig mit sich selber, schüttelte sie böse den Kopf und senkte den Blick.

 

„Ist… ist dir heiß?“, fragte er sie verwirrt, und wieder sah ihn verdattert an.

 

„Was?“, zischte sie heiser.

 

„Du… bist so rot“, erklärte er, und ihr Mund schnappte zu. Oh Gott!!! Nein, nein, nein!

 

Wann war es vorbei? Sie wollte wieder zu Blaise, der keine seltsamen Bemerkungen machte!

 

„Es war… nett, dass du das gemacht hast. Und ich denke, deine Eltern sind ganz dankbar, dass du nicht alle Traditionen in den Wind schießt“, wechselte sie konsequent das Thema. Er lachte leise. Sie war ihm zu nahe. Es nervte sie schon, dass sie sich an seinen Duft gewöhnt hatte. Dass sie bereits wusste, wie stark seine Arme waren, wie er sie hielt, ohne den nötigen Anstand, den sonst jeder männliche Reinblüter hatte. Er tanzte mit ihr, als wären sie auf einem Scheunenfest, Merlin nochmal! Es war kein Meter Abstand zwischen ihnen. Er hielt sie eng. So eng, dass sie jeden blauen Funke in seinen Augen schon tausend Mal hatte studieren können.

 

Seine Hand lag nicht auf ihrer mittleren Rückenpartie, sondern unterhalb ihres Rückens, auf ihrer Taille. Noch ein weniges tiefer, und sie würde noch röter werden!

Und wenn sein Arm verbotenerweise müde wurde, dann zog er ihre Hand näher, legte sie praktisch auf  seine Schulter ab, und dann war sie ihm noch näher! Er schien es überhaupt nicht verwerflich oder anstößig zu finden, während Pansy kaum noch atmen konnte.

 

„Ich schieße nicht alle Traditionen in den Wind. Nur dumme Reinblüter-Traditionen.“ Und wieder ging es los! Und sie konnte sich nicht mal aufhalten.

 

„Nicht alle Traditionen sind blöd!“, fuhr sie ihn an, ohne sich halten zu können. Er senkte den Kopf, so dass sie zusammen zuckte. Das war verboten. Er musste seinen Abstand einhalten! Aber Madame Lestrange korrigierte ihn nicht mal!

Sie bevorzugte Kriegshelden, hatte Pansy bitter festgestellt.

 

„Nenn mir eine, die nicht blöd ist“, forderte er sie auf, während er den Blick nie von ihrem Gesicht wandte. Pansy würde noch wahnsinnig werden. Sie würde ihn gerne informieren, dass es nicht höflich war, eine Dame anzustarren, während sie doch offensichtlich peinlich berührt war. Aber würde sie ihm das sagen, würde er wahrscheinlich auch noch laut lachen und sich geschmeichelt fühlen.

 

Und dann sagte sie das Dümmste, was ihr in den Sinn kam. Ihr Verstand funktionierte nämlich nicht richtig, wenn sie so nervös war.

 

„Wir sind Jungfrauen bis zur Ehe“, schnappte sie beleidigt und bereute sofort, das Thema Sex in den Raum gestellt zu haben. Die Hitze in ihren Wangen war unerträglich.

 

„Du bist Jungfrau?“, fragte er direkt, und sie wusste nicht, was schlimmer war, dass sie vor Scham explodierte oder dass er angenommen hatte, sie wäre es nicht mehr!

 

„Natürlich!“, knurrte sie überheblich, denn sie bildete sich darauf etwas ein. Nicht alle Mädchen waren… noch… keusch. Nicht, dass sie es darauf wirklich angelegt hatte, nein. Aber das einzige worüber ihre Freundinnen gesprochen hatten, war Draco Malfoy, und von Draco wollte sie wirklich nicht… - nun, sie kannte ihn zu lange, und es war ihr ein Leichtes von ihm in dieser Hinsicht Abstand zu nehmen. „Willst du mir sagen, du bist das nicht?“

 

Und sie wusste nicht, warum sie solche Fragen stellte. Und kurz wirkte er verwirrt.

 

„Interessiert dich das?“

 

Und sie bemerkte nicht mal, dass er sie hatte locken wollen, dass es keine ernstgemeinte Frage war.

 

„Ja“, sagte sie. Er hob eine Augenbraue. „N-nein!“, ruderte sie zurück, wieder einmal rot bis unter den Haaransatz, und dann hörte sie das Räuspern hinter sich.

 

Hermine wartete lächelnd, dass Pansy den Platz räumte und ihren Partner wieder freigab.

 

Es war doch zum Verrücktwerden. Ein Blick in Weasleys Gesicht sagte ihr, dass er wieder einmal grinste, und jedes weitere Wort würde es noch schlimmer machen. Blaise ergriff hastig ihre Hand und zog sie zurück in den Kreis. Er hatte die Stirn gerunzelt.

 

„Also… so wie dein Gesicht aussieht, muss ich jedes Mal annehmen, Weasley flüstert dir Unanständigkeiten ins Ohr, Pans“, murmelte er amüsiert. Pansy schloss die Augen.

 

Sie benahm sich wie ein junges Mädchen. Merlin, sie musste sich konzentrieren.

 

Sie wusste nur nicht wie….

 

~*~

 

Hermine hatte es schon bemerkt. Pansy verhielt sich merkwürdig.

 

„Alles in Ordnung?“, wagte sie Ron zu fragen, und dieser zuckte die Achseln.

 

„Es ist furchtbar, ja. Aber du bist meine beste Freundin, also…“ Hermine musste lächeln.

 

„Nein, nicht das Tanzen. Mit Pansy“, korrigierte sie sich.

 

„Ich mache überhaupt nichts!“, rechtfertigte er sich sofort. Hermine warf wieder einen Blick auf Pansy. Sie hatte sich wieder gefangen. Ihre Schritte waren wieder sicherer, aber Blaise war auch ein anderer Partner als Ron. Wahrscheinlich konnte Pansy mit Rons Vertraulichkeit nicht umgehen, denn von Tanzabstand hatte Ron wohl noch nie etwas gehört.

 

Und Hermine genoss jede Sekunde, die Ron sie in seinem Arm hielt. Und sie hatte die Befürchtung, Pansy genoss ebenfalls jede Sekunde. Und es war seltsam, oder nicht?

Ron wirkte nicht gerade zugetan, also musste sie sich wohl keine Gedanken deshalb machen, oder? Sollte sie Ron nach Pansy fragen? Ob da noch etwas anderes zwischen ihnen war, als lediglich das Schulsprecheramt, was sie sich teilten?

 

„Ist etwas?“, fragte er besorgt, während er ihren Blick falsch gedeutet hatte.

 

„Nein“, sagte sie schnell. „Alles ist gut. Ich danke dir noch mal vielmals, dass du das tust, Ron“, flüsterte sie. „Wir…hatten überhaupt keine Zeit mehr, zu reden.“

 

„Ich… denke… das Thema hätte mir auch nicht gefallen“, räumte er zerknirscht ein.

Hermines Mund klappte vollkommen schockiert auf.

 

„Malfoy“, flüsterte sie fast panisch.

 

„Ja, sicher Malfoy. Was sollte sonst das Thema sein, Mine?“, wollte Ron gereizt wissen, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Er… er ist hier“, wisperte sie, als wäre es Hochverrat. Als wäre es eine grauenhafte Vorstellung – was es auch war.

 

Er war gerade zur Tür herein marschiert, als gehöre ihm der Tanzsaal. Und er hatte sie gefunden. Sein Blick glitt über Weasley mit gewisser Verblüffung, und Rons Hand legte sich fester um ihre. Hermine schluckte schwer.

 

Und sie wusste, sie sollte vor Ron nicht in Frage stellen oder anzweifeln oder… überhaupt ein Problem daraus machen, dass er gekommen war. Aber… wieso war er hier?!

 

Die Mädchen hatten die Blicke gewandt, beobachteten ihn, während er ausdruckslos seinen Umhang ablegte, sowie die Handschuhe, und mit selbstsicheren Schritten auf sie zukam.  Fast besitzergreifend hielt Ron sie fest.

 

„Weasley, bist du fertig?“, sagte er, und Ron schien kurz zu zögern. Aber dann schien er sich wohl daran zu erinnern, weswegen er und Hermine nicht gesprochen hatten. Und kurz wollte Hermine, dass er sie verteidigte, für einen wilden Moment hatte sie gehofft, Ron würde Malfoy schubsen, ihn fragen, was zum Teufel ihm einfiel, aber… Hermine war ja mit Malfoy verlobt – und nicht mit Ron.

 

Es war eine so herbe Enttäuschung. Und sie wollte Ron nicht gehen lassen, aber sie musste.

 

„Deine Erkältung ist wohl vorbei“, bemerkte Ron spitz, und Hermine verstand nicht. War das eine Ausrede, die Pansy ihm erzählt hatte. Malfoy sah ihn verständnislos an.


„Verpiss dich, Weasley“, knurrte er unfreundlich. Ron ließ ihre Hand los. Kurz tauschte er einen Blick mit ihr, und sie versuchte, ihn anzuflehen, dass er nicht wieder fortging. Dass es nicht wieder vorbei wäre zwischen ihnen. Aber Ron ging von der Tanzfläche und setzte sich Merlin sei Dank nur auf einen der Stühle am Rand.

 

Er blieb. Und sie spürte Rons Blick auf sich.

 

„Was tust du hier?“, zischte sie Malfoy zornig zu. Er schien keine nette Begrüßung erwartet zu haben, griff ohne Umstände, ohne irgendein Gefühl nach ihrer Hand, und die Paare begannen wieder zu tanzen.

 

„Wurde gezwungen“, war alles, was er sagte. Er sah sie nicht an. Er war anders als Ron, denn er hielt jeden Abstand – wenn nicht mehr als nötig – ein. Er drehte sie exakt zur richtigen Zeit in die richtige Richtung, er verzählte sich nicht, starrte stur über ihren Kopf durch den Saal, zwinkerte dem einen, mal dem anderen Mädchen zu, und Hermine schämte sich für ihn und für sich.

 

Sie konnte nur annehmen, dass Narzissa ihn irgendwie über Floh gesprochen hatte oder erfahren hatte, dass sie ohne ihn zum Tanzen gegangen war. Und wahrscheinlich hatte seine Mutter oder sein Vater mit irgendeiner lächerlichen Strafe gedroht, und deshalb leistete er Folge.

 

Er widerte sie an. Wirklich.

 

„Merlin, du bist wie ein nasser Sack, Granger.“

 

„Lieber ein nasser Sack, als ein scheiß Todesser“, erwiderte sie ohne Bedacht, und fast zornig wirbelte er sie herum.

 

„Fick dich, Granger“, presste er hervor, aber sie hatte keine Lust, Nettigkeiten vorzuschützen.

 

„Fick dich selber, Malfoy“, erwiderte durch zusammen gebissene Zähne, und Abscheu und Hohn traten auf seine Züge.

 

Es war das erste Mal, dass sie wieder mit ihm sprach. Er widerte sie so sehr an, dass sie weinen könnte! Er brachte sie plötzlich näher an sich. Er ignorierte den Abstand.

 

„Merlin, es wird ein verdammtes Vergnügen werden, dir in der Hochzeitsnacht den Mund zu stopfen, du widerliches Schlammblut“, knurrte er, so nahe vor ihrem Gesicht, dass sie jeden seiner vor Zorn verzogenen Züge deutlich erkennen konnte.

 

„Lass mich los!“ Sie wehrte sich gegen seinen festen Griff.

 

„Hör schon auf! Die Leute wissen, dass du mich heiraten willst, also am besten gewöhnst du dich an-“

 

Sie entzog ihm ihre Hand und wich vor ihm zurück. Die Paar um sie herum hörten eines nach dem anderen auf zu tanzen.

 

Sie bemerkte, wie Ron sich aufrechter hingesetzt hatte. Und Hermines Herz schlug schnell. Und sie wusste, er provozierte sie. Fast feixend wartete er wohl darauf, dass sie aus dem Saal stürmte. Dass sie wohl auch noch anfing zu weinen, vor allen Leuten hier die Hochzeit absagte, aber so lief es nicht! Sie wäre nicht diejenige, die klein bei gab. Er wäre derjenige, der zusammen brechen musste.

 

Und mit dem größten Widerwillen schloss sie den Abstand, ging fast auf die Zehenspitzen, um sein Ohr zu erreichen, und legte die Hände auf seine Schultern.

 

„Malfoy, glaubst du wirklich, du kannst damit irgendetwas erreichen? Wenn du denkst, es bringt dir irgendetwas, dass ich vor dir flüchte, dass ich die Hochzeit absage, dann irrst du dich! Es wird dich nur in deinen finanziellen Ruin treiben, denn ich werde Lucius erzählen, dass du mich gefoltert und mich vergewaltigt hast, und dass niemand mit so jemandem wie dir auch nur eine Sekunde zurecht kommen würde, dann wäre alles, was dir bliebe, nichts weiter als deine heiße Luft, die du hier verbreitest!“, flüsterte sie mit einem bitteren Lächeln.

 

„Folter und Vergewaltigung liegen nicht mehr besonders fern, Granger“, erwiderte er nahezu augenblicklich, bevor er zornig ihre Hand ergriff, so feste, dass sie glaubte, die Knochen knacken zu hören und den Arm grob um ihre Taille legte, dass sie vor Schmerz den Mund verzog. Aber sie wusste, ihre Worte hatten gewirkt. Denn nichts bedeutete ihm mehr als sein Gold.

 

„Arschloch“, wisperte sie, so dass nur er es hören konnte, während sie lächelte, damit die anderen glaubten, sie wären einfach verliebt, würden sich streiten, wären eben heißblütig, und er lächelte ebenfalls ein bitterböses Lächeln.

 

„Schlammblut“, erwiderte er die Liebkosung ebenso falsch, und die Tatsache, dass sie ihn an diesem einen Morgen geküsst hatte – dass überhaupt jemals so etwas wie Nähe zwischen ihnen gewesen war – kam ihr absolut unmöglich vor! 

 

 

Kapitel 24

 

Er erwachte aus diesem Albtraum.

Er war nassgeschwitzt.

 

Er hatte so gut wie überhaupt nicht geschlafen und saß nun mit einem Ruck gerade in seinem Bett.

 

„Morgen, Malfoy“, begrüßte ihn Blaise mit einem verschmitzten Lächeln. Und Draco befiel das klamme Gefühl, dass es kein Albtraum gewesen war.

Dass es… tatsächlich passierte. Übelkeit kroch ihm in die Glieder. „Heute beginnt dein letzter Tag als freier Mann“, gratulierte ihm Blaise grinsend.

 

Dracos Finger waren eiskalt, ihm war schlecht, und er konnte sich nicht vorstellen, aufzustehen, sich anzuziehen, seinen Koffer zu packen, nach Hause zu fahren und morgen zu heiraten. 

 

„Blaise?“, hörte er seine raue Stimme, und sein bester Freund setzte sich gespannt neben ihn auf die Bettkante. „Könntest du mich umbringen und es wie einen Unfall aussehen lassen?“, bat er verzweifelt, ohne jeden Hauch von Spaß.

 

Blaise seufzte langsam. „Draco“, begann Blaise, aber er schien nicht zu wissen, was er sonst noch sagen sollte. „Du siehst beschissen aus“, sagte er endlich, fast überrascht. Jede Freude war aus Draco verschwunden. Er hatte das letzte Mal mit ihr gesprochen, als Narzissa ihm gedroht hatte, er würde keinen Fuß mehr in Malfoy Manor setzen, wenn er nicht sofort auf der Stelle zu Madame Lestrange in die Unterrichtsstunde apparieren würde.

 

Und dort hatten sie sich beleidigt, bis die verdammte Stunde zu Ende gewesen war und jeder endlich wieder zurück apparieren durfte.

 

Und morgen… musste er ein Schlammblut heiraten. Er! Der vielversprechendste Junggeselle der magischen Gesellschaft war verdammt dazu, ein Schlammblut zu ehelichen, es zu seiner Frau zu machen, sein Gold mit ihm zu teilen, und in ihren widerlich schmutzigen Körper seinen königlichen Samen zu pflanzen, damit sie einen verabscheuungswürdigen Mischling bekam, der ihm auch noch sein Gold nehmen wollte.

 

Er lehnte den Kopf in seine Hände. Und er weinte, wie ein kleiner Junge. Sein Oberkörper war auf das Bett gesunken, während Blaise erschrocken zurückgewichen war.

 

„Malfoy?“ flüsterte Blaise vollkommen verstört, aber Draco konnte nicht reagieren. „Mann, du weinst jetzt nicht wirklich, oder?“, wisperte Blaise, wahrscheinlich aus Angst, dass jemand reinkommen könnte. Draco wollte nur noch, dass es vorbei war.

 

„Na, wenn das nicht unser Bräutigam ist, der endlich vom Schönheitsschlaf erwacht ist!“ Pansy hatte verflucht beschissen gute Laune, stellte Draco, mit dem Gesicht in den Händen vergraben fest. „Stell dich nicht so an, Malfoy“, ergänzte sie ungnädig.

 

Es interessierte ihn nicht mal mehr, wer von seinen angeblichen Freunden sah, dass er weinte. Kurz verlor Pansys überhebliches Gesicht an Ausdruck, während Draco die heißen Tränen spürte.

 

„Wie konntet ihr das zulassen?“, flüstert er anklagend. Pansys Mund öffnete sich verblüfft. Aber Draco sah, dass sie sich schnell fing, und bei Pansy würde er auf bitterbösen Granit beißen, er wusste das.

 

„Zulassen?“, wiederholte sie tatsächlich. Ihre Augen verengten sich böse. „Wir haben gar nichts zugelassen, Draco“, stellte sie klar, während sie ohne jede Gnade zu ihm kam, seine Decke zurück schlug, und bereits anfing Kleinigkeiten in seinen Koffer zu räumen. „Wärst du nicht so ein undankbarer Erbe, dann müsstest du dich jetzt bereit machen, mit neunzehn zu heiraten“, erläuterte sie ihm zuckersüß.


„Ich bin nicht undankbar!“, fuhr er sie an, hatte sich aus dem Bett erhoben und machte bestimmt keinen besonders beeindruckenden Eindruck, in Shirt und Shorts. Pansy belächelte ihn nur.

 

„Nein, natürlich nicht. Das Gold deines Vaters ausgeben, ohne dich zu revanchieren ist auf jeden Fall dankbar.“

 

„Nicht jeder lässt sich gerne in die Ehe knechten, Parkinson!“, fuhr er sie zornig an. Pansy hielt inne und wandte sich um.


„Es ist die Pflicht, Draco. Und ich diskutiere das nicht wieder mit dir. Blaise und ich finden uns ab. Du bist einfach nur kindisch. Und du wirst schon sehen, was du davon hast“, schloss sie achselzuckend.

 

„Ich werde schon sehen?“, brüllte er praktisch. „Ich habe es bereits, Parkinson!“, keuchte er. „Ich habe ein verdammtes, elendes Schlammblut, was ich lieber tot als lebendig sehen möchte! Aufgespießt auf den höchsten Zinnen von Malfoy Manor als Mahnung, als Abschreckung für jedes weitere Stück Dreck, das es wagt, mir in den Weg zu kommen!“, schrie er, bis seine Stimme brach.

 

„Beeindruckend“, erwiderte Pansy eiskalt. „Einhundert Punkte Abzug für Slytherin. Zieh dich an. Es wird dein letztes Frühstück hier sein“, schloss sie. Hundert Punkte? Sie zog ihm ernsthaft hundert Punkte dafür ab, dass er die scheiß Wahrheit sagte?!

 

Alkohol. Er brauchte kein scheiß Frühstück, er brauchte verfluchten Alkohol!

 

„Hast du gewusst, dass Dumbledore eingeladen ist?“, wechselte Blaise das Thema, das Draco zusammen zuckte.

 

„Ja, natürlich. Ich finde es großartig“, bemerkte sie. „Es soll angeblich das letzte Event sein, was er besucht, vor der Pensionierung“, setzte sie das belanglose Gespräch fort.

 

„Ihr könnt mich!“, knurrte Draco, während er zornig den Schlafsaal verließ, nachdem er mit einer Hand nach seiner Hose und dem Hemd gegriffen hatte, mit der anderen nach seinen Schuhen. „Beide!“, ergänzte er mit einem Schrei, und lief die Treppe hinab.

 

Er zog sich in einem der Badezimmer an, verließ den Gemeinschaftsraum ohne Pansy und Blaise und traf auf dem Flur auf Goyle.

 

Draco wusste, Goyle hatte keinerlei Meinung in Bezug auf diese Hochzeit.

 

Das einzige, was Draco nicht den Verstand verlieren ließ, war die Tatsache, dass er es ihr heimzahlen würde. Oh, er würde sie morgen Abend zu Sachen zwingen, von denen sie nicht wusste, dass sie existierten! Und wenn er sie vergewaltigen müsste! Es war ihm scheiß egal! Sie sollte schreien, sie sollte weinen! Sie sollte um Vergebung wimmern!

 

„An was denkst du?“, wollte Goyle plötzlich neben ihm wissen. Draco sah ihn an. Goyles Augenbraue wanderte in die Höhe.

 

„An gute Dinge“, erwiderte Draco dunkel.

 

„Freust du dich?“, wollte Goyle ein wenig verwirrt wissen, und Draco verzog den Mund.

 

„ Oh ja. Sie wird büßen“, murmelte er nickend.

 

„Was?“, vergewisserte sich Goyle verwirrt, aber Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Sag mal, kann ich heute bei dir übernachten?“, fragte Draco sofort, denn er hatte keine Lust auf Blaise oder Pansy. Die beiden Verräter, die ihm in den Rücken fielen.

 

„Äh… denkst du nicht, deine Eltern hätten dich lieber im Haus?“, erkundigte sich Goyle ein wenig unsicher, aber Draco winkte ab.

 

„Ich erzähle ihnen irgendeine Scheiße, von wegen, ich würde lieber traditionell getrennt schlafen wollen oder so was“, erklärte er. „Ich habe Lust, zu trinken“, fuhr er fort. Goyles Mund öffnete sich ratlos.

 

„Heute… abend? Aber… du musst morgen-“

 

„-und? Ich denke, das wichtigste ist, dass ich morgen Abend einen hoch bekomme, und das war bisher nie ein Problem“, knurrte er unwillig, während Goyles Augen groß geworden waren.

 

„Draco, vielleicht solltest du Zuhause schlafen“, wich er ihm aus. „Ich will wirklich nicht verantwortlich dafür sein, dass-“

 

„-dass was?“, fuhr Draco ihn an. „Nein! Schon gut! Ich brauche deine Hilfe nicht!“, rief er haltlos.

 

„Draco!“, entgegnete Goyle überfordert. „Du… bist einfach nur aufgeregt, du-“

 

„Gott, Goyle! Ich bin nicht aufgeregt, verflucht!“

 

Nein, er war am Rande des Wahnsinns angekommen, stellte Draco bitter fest.

 

„Lass uns was essen, ok?“, versuchte Goyle ihn zu besänftigen, und Draco sah sich aller seiner Fluchtmöglichkeiten beraubt. Ihm würde etwas einfallen, wie er sich heute Abend um seine Besinnung bringen konnte. Irgendetwas würde ihm einfallen…!

 

Er folgte Goyle in die Große Halle. Die Schüler waren alle aufgeregt, denn es ging in die Weihnachtsferien.

 

„Wollen wir über unseren Ausflug sprechen?“, schlug Goyle versöhnlicher vor, und Draco ruckte ausdruckslos mit dem Kopf, während er sich von Goyle zum Tisch bugsieren ließ, am Gryffindortisch vorbei.

 

„-sie übergibt sich schon den ganzen Morgen“, hörte er Potter besorgt von sich geben.

 

„-nicht, das…-schwanger ist“, vernahm er nun die Stimme von der kleinen Weasley. Sein Blick glitt rüber zum Tisch. Er erntete einen besonders tödlichen Blick von Weasley.

 

Von ihm war sie bestimmt nicht schwanger, hätte er am liebsten gesagt, aber Goyle plapperte weiter neben ihm und bemerkte das Blickduell gar nicht erst. Sie übergab sich? Gut. Vielleicht starb sie noch vor Sonnenuntergang, dachte er dumpf. Es wäre super. Er würde sogar ihre verdammte Beerdigung bezahlen, sie ausrichten, Merlin, er würde sogar hingehen, verflucht! Panisch zuckten seine Mundwinkel.

 

Wieder betrachtete ihn Goyle als hätte er den Verstand verloren. Draco wollte wieder weinen. Ihm war schlecht.

 

Jetzt war ihm auch schlecht! Sie übergab sich? Wie konnte sie es wagen?! Er war derjenige, der ein Recht hatte, sich zu übergeben!

 

Er machte kehrt.

 

„Draco!“, rief Goyle ihm verwirrt nach, aber Draco drehte sich nicht um und war aus der Halle verschwunden. Er musste raus. Er brauchte… Luft. Er würde ersticken. Sein Hemd war zu eng.

 

Es war…-

 

Er stürmte praktisch durch den Flur, rüber zu den schweren Toren, zog sie auf, ungeachtet der Schüler, die ihn anstarrten und ohne Umhang, ohne Schal oder Handschuhe verließ er das Schloss.

 

Ziellos lief er die Treppe hinab, über den Kiesweg nach links. Der Wind blies ihm scharf ins Gesicht, zerzauste seine ohnehin unordentlichen Haare, trieb das Blut aus seinen Wangen, und ehe er überlegt hatte, lief er die Stufen zur Eulerei empor.

 

Dort heulte der Wind noch mehr, und seine Hände zitterten. Tränen perlten wie heiße Kohlen über seine eiskalten Wangen. Teils waren es echte Tränen, teils nur, weil der Wind so scharf in sein Gesicht geblasen hatte.

 

Er war die vielen Stufen nach oben gelaufen, rieb sich seine Oberarme, als er in der Eulerei angekommen war, und stellte fest, der Wind hier, war genauso erbarmungslos wie unten.

Aber… es machte ihm nichts. Sollte er am besten eine Lungenentzündung bekommen und sterben, dachte er verzweifelt. Wie hatte es ihm passieren können? Dem besten von ihnen?

 

Er sackte an der Mauer zusammen, vergrub sein Gesicht zwischen den Händen und schluchzte hemmungslos.

 

Gott, er war erbärmlich.

 

Aber… was konnte er tun? Er brauchte sein Gold! Er brauchte es mehr als die Luft zum Atmen! Nichts machte mehr Sinn ohne Gold!

 

Jemand kam.

 

Hastig hob er den Kopf. Wo war sein Zauberstab? Wer wollte ihn in dieser Situation bloßstellen? Er würde ihn verfluchen, sein Gedächtnis rauben und-

 

Sein eiskalter, trockener Mund öffnete sich.

 

Sie hielt einen Brief gegen ihre Brust gepresst, die Augen rot und verquollen, blass wie der weite graue Himmel, und ihre leeren Augen öffneten sich weit, als sie ihn erkannte.

Sein Körper zitterte im eisigen Wind, und sie erfasste die Situation recht schnell.

 

Und er wollte vor ihr zurückweichen, aber sie kam bereits näher, betrachtete ihn, und für eine Sekunde war sie… anders.

 

Sie zog den Umhang von ihren Schultern.


„Bist du vollkommen übergeschnappt?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. „Wo ist dein Zauberstab? Du holst dir den Tod!“, fuhr sie ihn an. Er wollte sich wehren, aber sie hatte ihren Umhang umstandslos um seine Schultern geworfen. „Merlin, du bist fast erfroren!“, informierte sie ihn abwesend. Sie zog den Zauberstab, sprach stumm eine Formel und er spürte, wie Wärme ihn erfüllte.

 

Er konnte ihr nur zusehen, konnte nicht sprechen, konnte sie nicht mal beleidigen. Sie trug einen dicken Pullover. Er war wohl selbstgestrickt, scheußlich und pink. Ein helles H war auf Bauchhöhe eingestickt.

 

Der Brief in ihrer Hand war an den Fuchsbau adressiert, stellte er fest. Sie bemerkte seinen Blick wohl und hatte den Brief schnell in ihrer Rocktasche verschwinden lassen. Fast trat ein schuldbewusster Ausdruck auf ihr Gesicht. Sie betrachtete ihn wie einen Zaubertrank, der noch garen musste, ging ihm verwirrt auf.

 

„Besser?“, fragte sie ihn tatsächlich.

 

„Ich… hasse… dich“, flüsterte er zitternd. Und es war so absurd, aber ein Lächeln durchbrach ihre müden, blassen und kranken Züge. Es wirkte so fehl am Platze wie der pinke Pullover, den sie trug.

 

„Ok, gut“, sagte sie fast sanft. „Hauptsache, du weißt noch, wer ich bin, und die Kälte hat dich nicht senil werden lassen“, ergänzte sie fast ruhig, während sie vor ihm kniete.

 

„Wer du bist?“, wiederholte er langsam und rau. „Du bist die Person, die mein Leben zerstört“, entkam es ihm zitternd.

 

„Nein“, sagte sie ernsthaft und schüttelte den Kopf, während er sah, dass sie weinen würde. „Du dummer Idiot“, flüsterte er, sie während sie eine Träne fortwischte. „Ich rette dein scheiß, undankbares Leben“, schloss sie, rieb abwesend über seine schlaffen, kalten Oberarme, und er spürte, wie wieder Blut durch seine Glieder pulsierte.

 

Immer mehr Tränen fielen auf ihre Wange. Sie erhob sich, als hätte sie festgestellt, dass sie schon zu viel Zeit mit ihm verbracht hatte.

 

Er erinnerte sich an diese Granger. Diese Granger, die… so seltsam sanft gewesen war.

 

Er hatte diese Granger in seinem Delirium geküsst. Er hatte es letztendlich auf die unzähligen Flaschen Champagner geschoben, die er in dieser Nacht getrunken hatte. Aber… nichtsdestotrotz erkannte er diese Granger wieder.

 

Er hatte es verdrängt. Die Erinnerung an diese Nacht. Die Nacht, in der sie auf seiner Brust geschlafen hatte. Die Nacht, nach der sie zusammen aufgewacht waren. Und wo sie sich verwandelt hatte, ihm gesagt hatte, er sei widerlich! Wie lächerlich es gewesen war. Sie war doch diejenige, die widerlich war, hatte er gedacht, aber sie hatte ihn überrascht, und er hatte nichts sagen können. Hatte sie nicht beleidigen können, hatte nicht mal mehr gewusst, wie es ging.

 

Ja, sie hatte ihn überrascht. Sie überraschte ihn dauernd. Nein, sie jagte ihm eine scheiß Angst an.

 

„V-verpiss dich“, stotterte er, denn er wollte sie nicht sehen. „N-nimm deinen scheiß Um-umhang mit!“, rief er und zerrte sich den warmen Stoff von den Schultern. Die Kälte erfasste ihn sofort wieder.

 

Unschlüssig stand sie vor ihm. Dann hob sie den Umhang vom Boden auf und legte ihn sich selber wieder um die Schultern. Sie sah ihn fast mitleidig an.


„Ich brauche deine sch-scheiß Hilfe n-nicht!“, hörte er sich schreien, aber er schrie nicht wirklich. Seine Stimme trug die Worte nicht mehr richtig.

 

Wieso weinten sie beide, zur Hölle noch mal, fragte er sich verzweifelt? Sie bekam doch, was sie wollte.

 

Sie bekam ihn.

 

Das war doch der Hauptgewinn!

 

Er bekam… sie.

 

Er bekam das Schlammblut.

 

Als hätte er gespielt, und verloren. Er vergrub den Kopf wieder in seinen Händen, und als er den Blick irgendwann wieder gehoben hatte, war sie verschwunden.

 

Er zitterte am ganzen Körper. Und fast dachte er, es wäre eine Erscheinung die er sah. Pansy näherte sich kopfschüttelnd und eilig.

 

„Ok, du Sorgenkind, hoch mit dir! Hermine sagte schon, dass du am Durchdrehen bist!“, ermahnte sie ihn, hatte ihn an den Schultern gepackt und zerrte ihn mit aller Macht in die Höhe. „Hier ist dein Umhang, du Idiot“, murmelte Pansy versöhnlicher und wollte ihn mit sich ziehen.

 

Er erkannte den Brief. Granger musste ihn verloren haben, ging ihm dumpf auf. Er bückte sich geistesgegenwärtig und stopfte ihn in seine Hosentasche.

 

„Wem schreibst du jetzt? Am letzten Tag? Und wieso kommst du hierher ohne deinen Umhang?“, schimpfte sie, fast mütterlich, während sie ihn weiterzog.

 

Granger hatte Pansy geschickt, fiel ihm auf. Das Miststück sollte nur nicht glauben, dass er ihr dankbar war.

 

Sie sollte ihm dankbar sein! Für den Rest ihres erbärmlichen Lebens, was nur sein Name erträglich machen würde!

 

„Du bist wirklich schrecklich, Draco Malfoy!“, flüsterte Pansy, aber sie klang nicht mehr so zornig wie vorhin, ging ihm auf. Endlich. Endlich bekam er auch etwas Mitleid!

 

~*~

  

„Und freust du dich?“ Ihre Mutter schenkte ihr ein aufgeregtes Lächeln. „Ich finde es so schön, dass du uns besuchen kommst, kurz vorher!“, rief sie aus. „Am liebsten hätte ich es, wenn du hier schlafen würdest, Minchen“, sagte sie voller Stolz. Hermine verzog den Mund.

 

„Mum!“, rief sie aus. „Nenn mich nicht so“, beschwerte sie sich und war froh, dass es nur ihr Vater hören konnte. Ihre Mutter schüttelte verständnislos den Kopf.

 

„Früher hast du diesen Namen geliebt“, widersprach sie sanft.

 

„Ja. Da war ich fünf“, bestätigte Hermine und verdrehte die Augen.

 

„Schade, dass dein Verlobter nicht mitgekommen ist“, sagte ihre Mutter schließlich.

 

„Ihr lernt ihn morgen kennen“, versprach Hermine hastig, denn sie war dankbar, dass Malfoy nicht hier war. Es stellte sich ihr überhaupt keine Frage, ob sie ihn hätte mitnehmen müssen. Er wäre niemals mitgekommen – und sie hätte ihn niemals gefragt.

 

„Wann willst du los?“, fragte ihr Vater sie schließlich. Hermine warf einen Blick auf die Uhr. Leider bald, fiel ihr auf.

 

„In einer halben Stunde“, sagte sie seufzend.

 

„Kommt morgen jemand, den wir kennen?“, fragte ihr Mutter, während sie die Tasse Earl Grey vor Hermine abstellte.

 

„Die Weasley und Harry“, ergänzte sie nachdenklich. „Dumbledore, McGonagall und Snape“, ergänzte sie nachdenklich. „Ach, und bestimmt noch mehr“, winkte sie lapidar ab.

 

Sie musste vor ihren Eltern ruhig bleiben.

 

Heute Morgen war sie ein Wrack gewesen.

 

„Und Draco?“, fragte ihre Mutter plötzlich, und Hermine spürte, wie fremd der Name aus dem Mund ihrer Mutter klang.

 

„Ja?“, hakte Hermine nach.

 

„Ist er auch aufgeregt?“ Hermine dachte kurz nach. Wenn er sich nicht gerade versuchte umzubringen, wäre er wohl aufgeregt. Oder etwas ähnliches. Sie nickte also.

 

„Mhm“, machte sie unwirsch.

 

„Ach, Hermine sieh doch!“, rief ihre Mutter plötzlich aus. „Es hat angefangen zu schneien!“

 

Auch das noch!

 

Hermine blickte aus dem Fenster. Tatsächlich. Es legte sich ein weißer Film auf die Baumwipfel und die Straße.

 

„Dann müssen wir uns morgen warm anziehen“, bemerkte ihr Vater, während er die Zeitung aufschlug. Ihr Vater war so ruhig, wie sie es gerne gewesen wäre.

 

„Mum“, begann sie und erhob sich augenblicklich, „ich werde schon jetzt apparieren, damit ich in kein Schneetreiben komme“, beschloss sie resignierend.

 

„Oh wie schade“, rief ihre Mutter aus. Dann wurde sie ernst. „Sei vorsichtig. Und wir sehen uns morgen. Wir kommen, so früh wir können“, versprach sie. Und Hermine wusste, wenn sie etwas zu beichten hatte, dann wäre es jetzt oder gar nicht. Ihre Mutter schenkte ihr diesen Blick. Diesen Blick, von dem Hermine wusste, dass sie ihrer Mum alles anvertrauen konnte, was schlimm war. Dass sie alles vergeben würde, was Hermine jemals getan hatte, was ihre Vergebung verdiente.

 

Aber sie schwieg. Sie wusste, es wäre fatal, jetzt zu knicken; zusammen zuklappen und aufzugeben. Deshalb nickte sie nur.

 

„Ok, Mum“, sagte sie zuversichtlich. „Schlaft gut, und bis morgen.“

 

Fast hatte sie das Bedürfnis, zu weinen. Ihre Mutter zu umarmen, sich trösten zu lassen und einfach zu weinen. Ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und einfach alles zu beichten.

 

Aber sie tat es nicht. Sie ging schweigend zur Haustür, nachdem sie beide umarmt hatte und apparierte vor die Pforten des Anwesens.

 

Schweigend war sie durch den Garten gegangen. Die Pfauen schliefen in der kleinen Hütte, und im Herrenhaus sowie im Gästehaus brannte Licht.

 

Narzissa hatte ihr empfohlen, lieber hier zu schlafen, damit sie morgen früh direkt vor Ort wäre, und nicht noch apparieren müsste und ein wenig ausschlafen könnte.

 

Hermine wollte nicht hier sein, denn sie würde bestimmt nicht schlafen können. Aber sie hatte die Sorge, dass, wäre sie nicht hier, sie Reißaus nehmen würde. Und nie mehr wieder käme.

 

Also öffnete sie schweren Herzens die Tür mit ihrem Schlüssel und konnte noch immer nicht fassen, dass es ihr Haus sein würde.

 

Aber ihr Umhang hing nicht alleine an der Garderobe.

 

Er war hier….

 

Was? Wieso war er hier? Wozu war er in ihrem Haus? Sie hatte vermutet, er würde in der Stadt sein. Bei Blaise oder Pansy. Würde ihr untreu sein, oder was auch immer ihn ablenkte!

 

Langsam betrat sie das Wohnzimmer. Er saß auf der Couch.

 

Und es war anders als in der Schule.

 

Denn das hier war nicht die Schule. Es war privater als das.

 

Zum ersten Mal erfasste sie eine Angst, die sie nicht kannte. Sie erinnerte sich an ihn heute Morgen. Er war halb erfroren gewesen. Halb wahnsinnig und verweint. Er war genau das gewesen, was sie brauchte. Er sollte verzweifelt sein.

 

So hatte sie ihn lieber als in seiner angeblich überlegeneren Position.

 

Er hob den Blick von dem Brief, den er gerade las.

 

„Was ist das?“, fragte er schlicht, ohne sie zu begrüßen, ohne sie überhaupt weiter zur Kenntnis zu nehmen, denn er hatte den Blick wieder gesenkt. „Du schreibst Weasley Briefe?“, ergänzte er, und sie konnte seinen Ton nicht einschätzen. Sie war näher gekommen.

 

„Was?“, wagte sie zu fragen, denn jetzt gerade weinte er nicht. Jetzt gerade wirkte er nicht unterlegen oder schwach. Er hielt den Brief in der Hand! Den sie heute Morgen hatte abschicken wollen. Oh Gott! Sie hatte es ganz vergessen.

 

Sie war verzweifelt gewesen, hatte eine Nachricht an Ron geschickt, verschlüsselt natürlich, und hatte ihm alles gebeichtet. Adressiert hatte sie den Brief an den Fuchsbau, damit Molly ihn heute noch bekommen hätte und ihn Ron geben könnte.

 

Aber sie hatte von diesem Plan Abstand genommen, hatte gedacht, der Brief wäre gut verborgen in ihrer Rocktasche in ihrem Koffer, aber scheinbar war er das nicht.

 

„Gib ihn her“, sagte sie, so ruhig sie konnte. Er hielt ihn weiter in der Hand und hob den Blick.

 

„Du hast diesem Abschaum nicht zu schreiben“, informierte er sie kalt. Nein, er weinte definitiv nicht mehr. Ein Glas Scotch stand vor ihm auf dem Tisch.


„Gib mir den Brief“, befahl sie erneut und streckte die Hand aus. Leider zitterten ihre Finger.

 

„Was ist die Losung hierfür?“, wollte er unbeeindruckt wissen. Sie atmete gereizt aus, schloss den Abstand und wollte ihn aus seinen Fingern ziehen. Aber er zog ihn weiter zurück und fing an zu lesen.

 

„Liebe Molly, gib den Brief bitte an Ron weiter, er kennt die Losung“, las er angewidert vor. „Was geht durch deinen kranken Kopf, du widerliches Miststück?“, spuckte er ihr entgegen, genauso feindlich wie sonst. Sie hatte seine Grausamkeit unterschätzt. Natürlich brauchte sie das, aber sie hatte nicht geglaubt, dass er ihr wirklich Angst machen könnte. Sie brauchte seinen Zorn.

 

Aber… sie hatte Angst vor ihm.

 

„Gib mir den Brief, Malfoy!“, rief sie wieder. „Ich habe keine Lust darauf! Das ist privat!“, fuhr sie ihn an und lehnte sich weiter vor, während er den Hand in die Luft reckte.

 

„Du kleine Schlampe, es gibt nichts Privates mehr, hast du verstanden?“, drohte er. Schon war sie um die Couch gelaufen, entriss ihm den Brief, denn der Alkohol hatte seine Reflexe langsam werden lassen, hastete zum Kamin, aber schon war er aufgesprungen.

 

Gerade eben so konnte sie den Brief in die Flammen werfen.

 

„Hey!“, rief er zornig, warf sich nach vorne und riss sie herum, versuchte, das kokelnde Pergament aus dem Feuer zu ziehen, verbrannte sich jedoch nur die Finger. Er fluchte ungeniert, und hielt sie dann gefangen zwischen den Natursteinen neben dem offenen Kamin, während er über ihr stand.

 

„Was spielst du, Miststück?“, fuhr er sie an, so laut, dass sie die Augen schließen musste. „Ich habe dich etwas gefragt!“, donnerte seine Stimmer, und mit den Händen hielt sie sich die Ohren zu. Sie hörte ihn noch einmal schreien, bevor sich seine Hände um ihre Schultern schlossen und sie schüttelten.

 

„Lass mich los!“, rief sie, als sie erschrocken die Augen wieder geöffnet hatte.

 

„Was hast du ihm zu schreiben, Granger?“, schrie er wieder. „Was ist es? Vögelt er dich, ist es das? Denn dann bist du-“

 

„-das hättest du gerne, oder?“, fuhr sie ihn, mittlerweile genauso zornig, und beleidigt, dass er es ihr unterstellen würde!


„Was?“, entfuhr es ihm, und er starrte sie an. „Es ist mir scheiß egal, aber dann könnten wir dieses Theater hier beenden!“, knurre er, während er sich gegen sie presste, damit sie nicht vor ihm davon laufen konnte. „Ich lasse dich gehen, wenn du es einfach nur gestehst. Du gehst zu meinen Eltern und gestehst, dass du eine untreue, kleine Hure bist und-“

 

„-hör auf damit!“, sagte sie kopfschüttelnd, und sein Ausdruck war so dunkel und gefährlich, dass sie sich immer mehr fragen musste, was sie nur angerichtet hatte. Es war, als hätte sie eine unberechenbare Bestie gereizt. Und sie hatte geglaubt, sie wäre stak, hätte endlos viel Kraft, aber sie befand sich am Ende ihrer Kräfte. „Lass mich los“, wiederholte sie wieder, die Stimme brüchig, während ihre Schultern bereits schmerzten.

 

„Hast du Angst?“ Ein Lauern lag in seiner Stimme. „Gut, ich will, dass du verdammte Angst hast, Granger!“, informierte er sie.


„Du bist ein Arschloch!“, flüsterte sie, aber sie erwiderte seinen Blick.

 

„Du hast ja keine Ahnung“, flüsterte er, während er bereit für alles wirkte, so wie er gefährlich vor ihr stand.

 

Hermine hörte nur, wie die Tür ins Schloss gefallen war. Malfoy hob zu spät den Blick, und Narzissa betrat das Wohnzimmer. Hermines Herz machte einen fast dankbaren Satz. Narzissa erfasste sie beide neben dem Kamin, die Stirn leicht gerunzelt. Und tatsächlich widerwillig ließ Malfoy ihre Schultern fahren. Er wich vor ihr zurück und ging zurück zur Couch.

 

„Seid ihr vertraut miteinander?“, fragte sie mit einem seltsamen Unterton. Am liebsten hätte Hermine vor Schmerz das Gesicht verzogen und sich ihre Schultern gerieben, aber sie tat es nicht. Nein, sie waren nicht vertraut miteinander. Sie waren im Krieg miteinander. „Ich will das junge Glück auch gar nicht stören“, ergänzte sie freundlich. Und Hermine konnte nicht verhindern, dass ihr Blick genauso ungläubig wie Malfoys Blick geriet, als sie Narzissa ansahen.

 

„Ein guter Grund, den Schlüssel abzugeben“, schloss Narzissa und legte den Ersatzschlüssel auf den niedrigen Couchtisch. „Morgen allerdings steht das Haus offen, damit sich keiner hier verstecken kann“, ergänzte sie.

 

Verstecken. Eine gute Idee.

 

„Hermine, du solltest dich ausruhen, du siehst sehr müde aus“, bemerkte Narzissa plötzlich. Kunststück, Hermine hatte auch mit dem Teufel zu kämpfen.

 

„Ja, Narzissa, ich… gehe sofort schlafen“, sagte sie. Und ja, sie würde keine Sekunde länger hier mit ihm zu bringen.

 

 

„Lucius sendet seine Grüße“, erklärte Narzissa kurz angebunden.

 

„Danke“, würgte Hermine hervor.

 

„Ich… lasse euch allein. Macht euch mit dem Haus vertraut, und… bis morgen früh“, sagte sie sie, und ihr Blick ruhte ein wenig länger auf Malfoy. „Schön, dass du hier bist, Draco“, ergänzte sie sanft, ohne dass Malfoy reagierte. Er griff sich einfach sein Glas vom Tisch.

„Gute Nacht“, schloss sie lächelnd. Hermine erwiderte das Lächeln.

 

„Gute Nacht“, murmelte sie, immer noch beschämt, dass Narzissa reingekommen war, während sie glaubte, dass sie und Malfoy vertraut miteinander gewesen waren. Gott, wie absurd! Und peinlich!

 

Unschlüssig stand sie im Zimmer, während Malfoy zur Bar geschritten war, um sein Glas neu zu füllen. Er war seit mittags hier und hatte es nicht für nötig erachtet, seinen Eltern Hallo zu sagen? Hermine fand ihn unmöglich! Aber es wunderte sie nicht.

 

„Ich gehe ins Bett“, informierte sie ihn nur, denn sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.

 

„Interessiert mich das?“, vernahm sie seine kühle Stimme und atmete aus.

 

„Vielleicht solltest du weniger trinken“, schlug sie ihm bitter vor.


„Vielleicht solltest du deinen Mund halten und zu Weasley verschwinden?“, entgegnete er kalt, während er sich mit vollem Glas wieder umwandte. Sein Blick war regelrecht bösartig.

 

Mussten sie noch irgendetwas klären? Gab es noch etwas, was sie bereden mussten? Wahrscheinlich einhunderttausend Dinge, ja, aber Hermine hatte keine Lust mehr.

Es war alles zu kaputt.

 

„Gute Nacht“, sagte sie und bereute es sofort.


„Fick dich“, entgegnete er mit einem kalten Grinsen und leerte das Glas nahezu in einem Zug. Und sie verschwand, denn sie wollte nichts mit ihm zu tun haben, wenn er betrunken war. Auch nicht, wenn er nüchtern war, natürlich.

 

Sie war nach oben verschwunden und wusste, ihr Koffer würde im gemeinsamen Schlafzimmer stehen. Mit dem Leviosa brachte sie ihn rüber ins Gästezimmer und machte sich nicht die Mühe, ihre Sachen in den Schrank zu räumen.

 

Sie verriegelte die Tür mit einem stummen Zauber, auch wenn sie nicht glaubte, er würde dieses Zimmer betreten. Nun, vielleicht, um sie umzubringen. 

Und dieser Gedanke machte ihr genug Angst, die Tür zu verriegeln.

 

Sie sah sich in dem schicken Zimmer um. Es wirkte so künstlich, mit den modischen Laken, der vertäfelten Decke, den blauen Gardinen. Parkett lag hier, mit einem flauschigen weißen Läufer. Es war so schön. Von außen. Und so leer von innen. Es bedeutete gar nichts. Dieses hübsche Haus war lediglich eine hübsche Fassade für etwas sehr Böses, was im Innern lebte.

 

Und zum ersten Mal fühlte sich Hermine so, als hätte sie feindliche Mauern um sich herum. Sie war nicht entspannt, nein. Sie war auf feindlichem Gebiet. Und sie hätte gerne Harry und Ron ein Lebenszeichen geschickt, ihnen erklärt, dass sie hinter die feindlichen Linien gekommen war, Narzissa und Lucius Malfoy ausgetrickst hatte, ihren Sohn heiratete, und sie dann systematisch zerstörte.

 

Die Malfoys mussten sie doch für verrückt halten, dass sie eingewilligt hatte. Vielleicht war ihnen so eine verrückte Frau gerade recht für ihren missratenen Sohn gekommen, überlegte sie bitter.

 

Sie ging ins angrenzende Bad, zog sich um, wusch ihr Gesicht, putzte ihre Zähne, kämmte ihre wilden Haare und legte sich anschließend in das große Gästebett. Allein.

 

Und sie wusste, hier würde sie bleiben. Hier würde sie schlafen.

 

Auch wenn an schlafen nicht zu denken war.

 

Sie tat kein Auge zu. Sie hörte, wie er unten rumorte, wie er über Floh mit irgendjemandem sprach, wie ein Glas scheinbar zersprang, wie unten Flaschen klirrten, wie er die Treppen nach endlosen Stunden halb hochgefallen kam, wie er irgendwann an ihrer Tür rüttelte, ohne zu sprechen – und ihr Herz schlug so laut in ihrer Brust.

 

Sie war dankbar, dass sie die verdammte Tür verriegelt hatte! Sie glaubte nicht, dass er für ein freundliches Gespräch gekommen war. Sie hörte, wie er im angrenzenden Badezimmer, mehrere Flaschen Shampoo zerbrach, wie er fluchte, wie er – nach einer Ewigkeit – wohl endlich in das große Bett gestürzt war.

 

Und ein Blick auf ihre Uhr sagte ihr, dass es kurz nach vier Uhr morgens war.

 

Und sie war immer noch wach. Und in zwei Stunden musste sie aufstehen.

 

Sie würde niemals Schlaf finden, überlegte sie unglücklich.

 

Stille legte sich endlich über das hübsche Gästehaus.

 

Sie hoffte, er hatte so viel getrunken, dass er morgen nicht mehr aufwachen würde.

 

Aber… es war ja schon heute.

 

Ihr Hochzeitstag…

 

~*~

 

Ihr Zauberstab summte unerträglich laut. Als wären ihre Augen zugeklebt, tastete sie unwirsch nach ihm auf dem Nachttisch, bis sie ihn endlich zum Verstummen gebracht hatte.

Sie gähnte herzhaft und wollte wieder in die Kissen sinken, aber draußen lenkte sie Männergeschrei von ihren süßen Plänen ab.

 

Sie blinzelte verschlafen und streckte sich zur Seite, um aus dem Fenster sehen zu können.

 

Sie war wach.

 

Draußen herrschte das reinste Schneechaos! Mehrere Männer waren um eine provisorische Eisfläche versammelt, eine Kutsche stand bereits am Rand, und überall wurden Lichter und Lampions aufgestellt, sowie riesige Schneeflocken aus Kristall. Zelte erstreckten sich weit über die Rasenfläche des Anwesens, und Hermine erinnerte sich, sie hatte Narzissa gar nicht gefragt, wie viele Gäste überhaupt kommen würden.

 

Sie schwang die Beine aus dem Bett. Ihr war ein wenig schwindelig und sie gähnte schon wieder. Sie wusste, sie musste ins Herrenhaus kommen, denn dort war Frühstück, ihr Kleid, das Makeup-Team, wie Narzissa es nannte, und Hermine wollte sowieso nicht in diesem Haus mit Malfoy bleiben.

 

Sie nahm nicht an, dass er einen Wecker gestellt hatte. Missmutig hatte sie ihre Katzenwäsche beendet, sich die Haare gebürstet, nicht willig, mehr zu tun als nötig, wenn das Makeup-Team kam, und stieg in einen gemütlichen Hausanzug. Er war türkis und warm und weich.

 

Unwillig schlurfte sie über den Flur zum großen Schlafzimmer, was er wohl ohne Umstände für sich beanspruchte.

 

Aber gut. Wahrscheinlich wäre er auch ins Gästezimmer verschwunden, dachte sie gähnend.

 

Die Tür war nicht abgeschlossen, stellte sie fest, nachdem sie sanft geklopft hatte, und eine der Türen aufgeschwungen war.

 

Er lag quer im Bett, halb zugedeckt, halb nackt.

 

Sie verzog angewidert den Mund. Es stank nach Alkohol hier drin.

 

„Malfoy“, murmelte sie rau, während sie am liebsten im Stehen schlafen wollte. Sie kam näher an sein Bett. Wahrscheinlich gehörte es zu ihren Pflichten, ihn zu wecken….

So ein Mist.

 

Sie stand auf seiner Kopfhöhe neben dem Bett. Unschlüssig kaute sie auf ihrer Lippe.

 

„Malfoy?“, wiederholte sie gereizt.

 

„Hmpf“, machte er nur und regte sich überhaupt nicht. Sie setzte sich schließlich auf die Bettkante. Merlin! Wieso musste sie sich auch noch darum kümmern?!

 

„Malfoy“, wiederholte sie zornig. „Steh auf, es wird Zeit!“, sagte sie nur.

 

„Hau ab“, brummte er unverständlich in sein Kissen.

 

„Merlin, steh endlich auf!“, rief sie, und boxte ihn in die Seite. Schneller, als sie es ihm zugemutet hätte, hatte er nach ihrem Handgelenk geschnappt. Seine Augen fixierten sie müde und rot unterlaufen. Seine Haare lagen zerzaust auf seinem Kopf, und sie fühlte sich wieder an die dämliche Nacht erinnert. Sie biss die Zähne fest zusammen, nicht willig, ihm zu zeigen, dass sie Angst hatte.

 

„Scheiße“, sagte er nur. „Ich hatte geglaubt, es wäre nur ein Albtraum gewesen.“ Sie verzog angewidert den Mund und versuchte, ihre Hand freizubekommen, aber er hielt sie weiterhin fest.

 

„Lass mich los“, sagte sie abschätzend, aber er sah sie weiterhin an.

 

„Wag es nicht, mich noch einmal zu wecken, Schlammblut“, erwiderte er sehr ernst, ehe er von ihr abließ, den Kopf vergrub, und wütend erhob sie sich.

 

„Schön!“, rief sie böse. „Es ist mir scheiß egal, ob d aufstehst oder ob du liegen bleibst, du Arschloch!“, schloss sie, zitternd vor Wut, und knallte die beiden Flügeltüren hinter sich zu, so laut, dass sie ihn fluchen hörte.

 

Immer noch zornig lief sie die Treppen runter, warf sich den Umhang über, griff sich ihren Schlüssel von der Kommode und knallte auch noch die Haustür so voller Wucht ins Schloss, dass der Türrahmen bebte.

 

Arschloch. Dämliches Arschloch, war das erste, was sie an ihrem Hochzeitstag zornig dachte.

 

 

Kapitel 25

 

„Master Draco“, wisperte eine Hauselfe neben seinem Kopf.

 

„Hmmm“, machte er, denn sein Kopf dröhnte unangenehm laut.

 

„Aufstehen, Master Draco“, flüsterte die Hauselfe wieder.

 

Er schlug träge die Augen auf. Die Elfe stand am Kopfende und zitterte vor Angst. Sie hieß Lowyn. Er kannte die Elfe. Er verzog den Mund.

 

„Wie spät?“, entfuhr es rau seiner Kehle.

 

„E…e…elf!“, erwiderte sie ängstlich. „Ihr… Ihr Vater schickt nach Ihnen“, ergänzte sie und duckte sich zusammen. Draco runzelte die Stirn. Gott, diese Elfen waren nichts als feige und nutzlos.

 

„Ich komme“, murrte er, ohne sich zu bedanken. Die Elfe verschwand hastig, und er war allein. Er fiel erschöpft auf seinen Rücken. Merlin, wie viel hatte er getrunken? Er wusste, er hatte sich noch mit Blaise über Floh gestritten. Und irgendwann war er so betrunken gewesen, dass er nicht mehr wusste, wie er hieß und war nach oben getorkelt.

 

Und jetzt, scheinbar fünf Minuten später, musste er aufstehen. Ob sie schon wach war, fragte er sich dumpf, aber er nahm es an. Sie war ja scharf auf diesen Müll, nicht er.

 

Er erhob sich nach einer ganzen Weile. Aber erst, als das Zimmer aufgehört hatte, sich zu drehen. Als sein Blick aus dem Fenster des lächerlich kleinen Gästehauses fiel, stockte ihm der Atem.

 

Scheinbar hatte es sich seine Mutter es nicht nehmen lassen, den Garten in ein nicht politisch nicht korrektes Winterland verwandeln zu lassen. Männer mit Kapuzen und übertrieben dicken Wintermänteln dienten als Deko und gleichzeitig wohl als Kellner, die hinter einer immens langen Theke ausschenken mussten.

 

Sie erhielten Anweisungen von seiner Mutter, die die Haare hoch zum Pferdeschwanz trug.

 

Überall standen Tische und Stühle, Deko und Lampen, und er wandte sich schlecht gelaunt vom Fenster ab.

 

Wenn er nur diesen Tag überstehen würde konnte er morgen mit Blaise und Gregory in Urlaub fahren. Endlich.

 

Er musste ins Haupthaus. Sein Vater war kein geduldiger Mann. Nicht, dass es ihn störte oder interessierte, was er wollte.

 

Er würde jetzt erst mal gemütlich duschen. Am besten den Rest des Tages.

 

Er hatte ein ziemliches Chaos veranstaltet hier oben, fiel ihm auf. Aber er nahm an, unten hatten die Elfen bereits aufgeräumt. Er hätte wieder weinen können, wenn ihm nicht so schlecht gewesen wäre.

Er wusste nicht, wie er den Tag überleben sollte. Er würde duschen. Mehr wusste er gerade nicht. Er würde runter gehen. Er würde rüber gehen und frühstücken.

 

Er würde… tun, was alle von ihm wollten, sei es auch unter seiner Würde.

 

Er würde alles tun müssen, um sein Gold zu behalten.

 

Und mehr blieb ihm nicht übrig, dachte er bitter, während er die Dusche andrehte. Er würde durch die Hölle gehen, denn nichts anderes blieb ihm übrig.

 

~*~

 

Es war lange her, dass er vor dieser Tür gewartet hatte. Im Haupthaus herrschte lautes Treiben. Hexen mit Blumengestecken waren an ihm vorbei gerauscht, ein Dutzend Köche, während einige Gäste bereits angekommen waren, deren Stimmen er kannte und vor denen er sich versteckt hielt.

 

Das letzte Mal hatte er mit Lucius gesprochen, als er im Krankenflügel gelegen hatte.

 

Er klopfte widerwillig.

 

„Herein“, hörte er die Stimme seines Vaters, gleichgültig und kühl.

 

Er öffnete die Tür, nachdem er kurz überlegte hatte, zu fliehen. Aber er war gebrochen. Sein Geist, all das, was ihn einst ausgemacht hatte, war nicht mehr da. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Er betrat das fremde Büro. Lucius hob den Blick.

 

Es lag nichts Freundliches in seinen Augen. Aber das hatte Draco auch nicht erwartet.

 

„Du siehst müde aus“, stellte sein Vater lediglich nach all den Monaten fest. „Und du hast mich lange warten gelassen. Es wird außerdem Zeit, dass du dich fertig machst, deine Mutter ist bereits in heller Panik“, fuhr er fort, ehe er scheinbar einen letzten Satz mit seiner schwarzen Feder schrieb, ehe er sie ganz beiseitelegte. „Setz dich, bitte“, sagte er förmlich, als wäre Draco ein Kunde, der ein Stück Land kaufen wollte.  

 

„Wie geht es dir?“, schien sein Vater lediglich der Form halber zu fragen, und Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Fantastisch“, griff er die leeren Worte seines Vaters auf, ohne sie zu meinen.

 

„Gibt es einen Grund, weshalb deine Mutter Miss Granger einen Fruchtbarkeitstrank verbreicht hat, heute Morgen?“ Draco runzelte die Stirn. Sein Vater nannte sie Miss Granger. Und was…? Er musste vollkommen ungläubig aussehen.

 

„Es hätte mich auch gewundert“, stellte Lucius schließlich fest, nachdem Draco nicht geantwortet hatte. Er hasste seinen Vater. Er wusste es sicher. Warum seine Mutter Fruchtbarkeitstränke braute? Weil sie verrückt war, deshalb. „Du hast wohl gestern getrunken. Lass den Zauberer bitte dein Gesicht herrichten. Du siehst aus, als hättest du die Nacht durchgemacht“, bemerkte er bitter, und Draco ignorierte die Worte stumm.

 

Er saß also hier, um sich betrachten zu lassen, damit er gemaßregelt und erniedrigt wurde.

 

Es klopfte erneut. Fast war Draco dankbar, erlöst zu sein. Er hatte nicht vor, mehr als nötig mit diesem Mann zu sprechen.

 

„Herein“, rief Lucius gleichmütig. Es war Granger. Sie blieb wie versteinert in der Tür stehen. „Ah, Miss Granger, da sind Sie“, begrüßte Lucius sie durchaus wärmer als ihn. „Kommen Sie rein. Der Vertrag ist aufgesetzt, bereit von beiden unterschrieben zu werden.“

 

Anscheinend waren sie hier aus einem Grund, stellte Draco fest. Granger ignorierte ihn tatsächlich. Sie trug einen seltsamen Hausanzug. Auch sie war wohl noch nicht hergerichtet worden. Er hatte einen Mordshunger, fiel ihm auf.

 

„Es ist Standard“, erläuterte Lucius jetzt. „Sie unterschreiben, eine Malfoy zu werden, mit allen Pflichten. Sie gebären innerhalb eines Jahres einen Erben oder eine Erbin, wir sind da offen“, ergänzte er lächelnd, während Draco übel wurde, „und sollten sie sich trennen, erhalten sie eine fünf prozentige Abfindung. Das ist verhandelbar, wenn Ihnen das zu wenig-“

 

„-perfekt“, unterbrach sie ihn mit einem Kopfschütteln. „Von mir aus auch weniger. Ich habe nicht vor, mich scheiden zu lassen. Und wenn, will ich nichts haben“, erklärte sie. Lucius sah sie an. Auch Draco konnte es nicht verhindern. War sie… verrückt?

 

„Sie wollen gar nichts haben, wenn es zur Trennung kommt?“, fragte Lucius erneut, aber Granger nickte, ohne ihn überhaupt anzusehen.

 

„Gar nichts, Mr Malfoy“, bestätigte sie, und sie meinte es wirklich ernst. Draco hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Sie könnte fünfzig Mal so viel verlangen – und sie wollte gar nichts? Wie sicher war sie sich, bitteschön?! Oder besser, wie dumm war sie eigentlich?!

 

„Wir können es so regeln, Miss Granger“, sagte er schließlich gedehnt. „Dass Sie… gar nichts bekommen“, fuhr er gedehnt fort, während er sie beobachtete, aber sie zuckte nicht mit der Wimper, sie… schien es wirklich ernst zu meinen.

 

„Ich bitte darum“, sagte sie tatsächlich. Lucius hob probehalber den Zauberstab.

 

„Sind Sie sich da völlig sicher?“, fragte er, als wäre es ein Spiel. Er ließ sie nicht aus den Augen, sie ließ ihn nicht aus den Augen. Draco sah von einem zum anderen. „Sie wissen, das wäre äußerst töricht, Miss Granger“, schien Lucius sie erinnern zu wollen. Was unterstellte ihr Lucius? Dass sie… vorhatte sich zu trennen?

 

Aber Granger lächelte. „Mr Malfoy, ich möchte Ihren Sohn heiraten. Und ganz bestimmt nicht, wegen seines Goldes“, schloss sie mit demselben Lächeln. Und Draco hätte wirklich gerne gefragt, weshalb sonst, aber er verkniff es sich, denn er heiratete sie nur wegen seines Goldes. Und wenn sie gar nichts wollte, dann war er froh und dankbar. Er musste sie nur dazu bringen, sich von ihm so schnell wie möglich scheiden zu lassen.

 

„So soll es sein“, erklärte Lucius, schwang stumm den Zauberstab und Draco sah, wie sich der Vertrag änderte. Granger würde nichts bekommen. Nicht mal die kleinste Abfindung. Und sie lächelte! Sie war vollkommen übergeschnappt. Das wusste er natürlich, aber jetzt hatte er es Schwarz auf Weiß. Lucius schien nicht minder beeindruckt zu sein.

 

„Wunderbar. Wo kann ich unterschreiben?“, fragte sie munter.

 

„Auf der Linie“, sagte Lucius neugierig, gespannt, ob sie doch noch einen Rückzieher machen würde. Aber sie unterschrieb. Einfach so. Und dann war es vorbei.

 

„Dann bis später“, sagte sie in keine bestimmte Richtung und verließ das Büro wieder. Er starrte wie gebannt auf ihren Namenszug, der klar auf der Linie zu lesen war. Die schwarze Tinte sickerte in das Pergament, trocknete und verwandelte den Vertrag somit in ein legal bindendes Stück Papier.

 

„Bitte“, sagte sein Vater, und reichte ihm weniger zufrieden die Feder. „Sie ist verrückt“, ergänzte er kopfschüttelnd. Draco sagte nichts, unterschrieb ebenfalls, und besiegelte sein Schicksal. Er unterschrieb sein Todesurteil, und sein Vater reichte ihm auch noch die Feder dazu.

 

Er hatte gedacht, sein Vermögen wäre Grangers wunder Punkt.

 

Aber… er hatte sich geirrt.

 

„Das war alles, du kannst gehen“, bemerkte sein Vater spitz und desinteressiert an seiner Erscheinung. Draco ging, schluckte das bittere Gefühl hinunter und verließ nur zu gerne die Nähe seines Vaters.

 

Auf dem Flur traf er auf Blaise. Er trug bereits einen Anzug. Schick und schwarz.

 

„Malfoy!“, rief er entsetzt. „Du siehst abscheulich aus! Lass uns anfangen!“, wandte er sich nach hinten, zu einem Haufen Hexen und Zauberer, mit reichlich viel Equipment, um ihn wohl herzurichten, wie sein Vater es nannte.

 

Er gähnte.

 

„Elfe!“, rief er in das Haus, und keine Sekunde später erschien die Elfe vor ihm. „Bring mir was zu essen nach oben“, befahl er befehlsgewohnt und die Elfe verschwand mit einer Verbeugung.

 

Er war froh, seine ganze Verwandtschaft nicht begrüßen zu müssen. Blaise bugsierte ihn direkt nach oben in sein Zimmer. Dort wartete sein grauenhafter Anzug.

Es kam ihm vor wie seine eigene Beerdigung.

 

~*~

 

Pansy, Ginny, Millicent, Lavender und Parvati standen um sie herum, während eine Schneiderin ihr das Kleid anhexte.

 

Sie stand seit einer Stunde auf dem Podest, aber irgendwann war ihre Müdigkeit verschwunden. Wahrscheinlich als das Kleid angefangen zu leuchten. In allen Farben aller Eiskristalle, die sie jemals gesehen hatte. Narzissa hatte Recht. Es wirkte sehr offen, aber wie eine zweite Haut, hatte sich Magie auf ihre bloße Haut, ihr Dekolleté, gelegt und wärmte sie ganz allein.

 

Das Kleid schimmerte weiß und blau und manchmal erfassten ihre Augen einen roten Funken, als würde sich die untergehende Sonne im Kleid spiegeln.

 

„Hermine…“, sagte Ginny, aber sie schüttelte nur den Kopf, vollkommen bezaubernd. „Du siehst aus wie eine Eisprinzessin.“

 

Die Stylisten zauberte winzige Kristalle in Hermines Haar, keiner glich dem anderen, und das Blau des Kleides passte perfekt mit der glitzernden blauen Magie zusammen, die auf ihrer Haut schimmerte.

 

Ihre Locken waren gebändigt, hinten halb zusammengefasst, und sie fielen in anmutigen Wellen ihren Nacken hinab. Ihre Nägel waren lackiert, durchsichtig wie Kristalle, und sie schimmerten Perlmutt, je nachdem, wie Hermine ihre Hände bewegte.

Sie hatte sogar den Ring aufgesteckt, denn die Saphire passten so perfekt.

 

Und sie hatte schon vollkommen vergessen, was passieren würde, denn dieses Kleid war ein wahres Kunstwerk. Wie Millionen feinste Schichten aus Eis, und es war nicht kalt.

Aber die Schuhe waren wohl die Krönung.

 

Denn sie waren aus Kristallglas. Sie schmiegten sich an ihre Füße als wären sie aus Seide. Sie wirkten so zerbrechlich, sie waren sehr hoch, und Hermine hatte Angst, dass sie stolpern würde und dann bräche ihr Absatz buchstäblich in tausend Sterben, auch wenn die Stylisten ihr versichert hatte, dass das niemals passieren konnte.

 

„Du bist wunderschön“, flüsterte Pansy kopfschüttelnd. „So werde ich niemals aussehen“, ergänzte sie mit Tränen in den Augen.

 

„So ein Unsinn, Pansy“, sagte sie nur, denn Pansy war selber so wunderschön, ohne jedes Kleid.

 

„Deine Haare“, ignorierte Pansy ihre Worte. „Sie passen so perfekt, und deine Haut…“ Scheinbar entging Hermine, was Pansy in ihre sah. Sie betrachtete sich erneut in dem riesigen Spiegel. So hatte sie sich noch nie gesehen, und sie erkannte sich nicht mal.

 

Das Makeup war so perfekt. Würde sie sich jeden Tag so einen Aufwand machen, vielleicht würde sie sich an dieses fremde, markante, königliche Gesicht gewöhnen, was nicht ihres sein konnte. Sie wusste, Mädchen konnte wahre Schönheitsoperationen mit Makeup vollbringen, aber sie konnte das nicht.

 

Sie würde es niemals so hinbekommen.

 

„Du darfst nur nicht weinen“, schlug ihr Lavender vor, die Hermine eine Weile lang nur mit offenem Mund angesehen hatte.

 

„Komm vom Podest, wir stoßen an“, sagte Ginny jetzt fröhlich. Vorsichtig stieg Hermine mit den Schuhen, auf denen sie zu schweben schien vom Podest. Und sie flog tatsächlich. Sie bewegte sich, wie sie es niemals für möglich gehalten hatte.

 

Weich, wie Schichten aus Schnee wogte sich das Kleid um ihre Hüften, schmiegte sich an jede ihrer Körperbewegung, und sie konnte nicht glauben, dass es ein Kleid war. Es war eher ein eigenes Lebewesen, was sie, Hermine, lediglich zu erdulden schien, wie sie unbedarft in seinen Wogen aus Seide und Diamanten verschwand und als schöner Schwan auferstanden war.

 

Sie wusste nicht, wie teuer dieses Kleid war, aber alleine die tausende von Diamanten reichten aus, um sie annehmen zu lassen, dass man ein kleines Land hiervon würde ernähren können.

 

Sie nahm das Glas entgegen, und die Mädchen starrten sie wieder an.


„Wow“, sagte Parvati nur. „Ich wünschte, ich würde so aussehen“, flüsterte sie fassungslos.

 

Hermine nahm an, die Magie auf dem Kleid ließ sie anmutiger aussehen, als sie es war.

 

„Warte ab, bis du mich tanzen siehst“, erwiderte Hermine jetzt lächelnd. „Das ist dann nicht mehr schön.“

 

Die Mädchen stießen mit ihr an. Die teuren Kristallgläser klirrten verheißungsvoll, und Hermine war fast entspannt. Würde sie doch nur nicht heiraten müssen.

Aber das Kleid entschädigte sie für einiges.

 

Sie hatte über eine Stunde ein magisches Schönheitsbad nehmen müssen, um ihre Poren zu reinigen, ihre Haare mit speziellen Kuren zu behandeln, um dann noch eine goldene Milch und Honigkur zu machen. Und sie musste gestehen, sie hatte sich noch nie sauber, so rein, so ausgewogen und wohl gefühlt.

 

Es war, als wäre ihr Körper mit einer neuen seltsamen Magie und Kraft und Stärke aufgetankt worden. Sie bewegte sich ganz anders als vorher, kam es ihr vor.

Schade, dass es nicht für immer so sein würde, dachte sie lächelnd.

 

Aber sie würde wohl noch Angst vor sich selber bekommen.

Ihre Haut schimmerte als wäre sie ein fremdes Wesen. Und sie wollte nicht wissen, wie teuer eine solche Spa-Behandlung in der echten Welt war.

 

Draußen hatten sich so viele Gäste angesammelt, dass Hermine tausend Flugzeuge im Bauch hatte. Sie hatte Angst und war aufgeregt.

 

Ginny ergriff plötzlich ihre Hand.

 

„Ich freue mich für dich, Hermine“, sagte sie aufrichtig. „Wenn es das ist, was du dir immer erträumt hast, dann… wünsche ich euch von Herzen alles Gute“, sagte sie, mit Tränen in den Augen. Hermine schüttelte heftig den Kopf.

 

„Nicht weinen, Ginny!“, rief sie aus, denn sie befürchtete, selber weinen zu müssen. Und nein. Sie war nicht glücklich. Sie hatte einen anderen Traum. Und sie wusste nicht, ob sie ihn jemals erreichen würde.

 

Die Tür öffnete sich lautlos. „Ladys, es wird Zeit“, verkündete Narzissa zwinkernd, und sie sah atemberaubend aus. Ihr Blick fiel auf Hermine, und sie blinzelte zweimal.

Sie hatte Smokey Eyes, trug ein dunkles Chiffon-Kleid und wirkte so jung, nicht älter als die Mädchen hier, dachte Hermine. Narzissas Schuhe waren schwarz und endlos hoch.

 

„Hermine“, rief Narzissa aus. „Du bist perfekt!“, entfuhr es ihr. „Merlin…“ Sie drückte Hermine kurz an sich, nachdem sie den Abstand geschlossen hatte.

Hermine erfasste Angst. Narzissa drückte ihre Hand fest. „Komm“, sagte sie. „Die Gäste sind draußen, die Sonne geht gleich unter, und du musst die Eisfläche noch sehen, eh die Dunkelheit alle Lichteffekte raubt“, sagte sie, aufgeregt, wie ein Kind.

 

Und sie war die einzige, die Hermine leid tat. Narzissa war die einzige, der sie nicht wehtun wollte. Narzissa war die einzige, die sich wirklich für sie interessiert hatte.

Sie war die einzige, die Hermine nicht enttäuschen wollte.

 

Aber sie musste. Und sie wollte das Vertrauen der Frau nicht missbrauchen, aber sie musste. Und sie wünschte sich, danach könnten sie Freunde sein, aber Hermine wusste, das ging nicht.

 

Wie könnte sie noch mit Narzissa befreundet sein? Wie könnte Narzissa ihr vergeben, wenn sie erst einmal wusste, weshalb Hermine ihre Freundlichkeit und Gastfreundschaft und Zutraulichkeit ausgenutzt hatte?

 

Sie schluckte diese Ängste hinunter, schenkte Narzissa ein tapferes Lächeln und verließ mit ihr den Salon, in dem sie zurecht gemacht worden war, gefolgt von den Mädchen.

 

Das Haus lag vor ihr wie ausgestorben. Alle mussten bereits draußen sein.

 

Sie hörte Klavierklänge von draußen. Es klang wie Blues, irgendetwas Romantisches. Sie atmete langsam aus, als sie unten angekommen waren, nur noch durch das Wohnzimmer mussten und durch die Verandatüren nach draußen.

 

Hermine sah das Schimmern der Deko auch von drinnen.

 

„Keine Angst“, flüsterte Narzissa.

 

Eigentlich wollte Hermine sie noch fragen, ob sie sicher war, dass Draco nicht abgehauen war, aber Hermine verkniff es sich. Sie sammelte all ihren Mut, streckte den Rücken durch, und Narzissa und die Mädchen gingen vor. Sie trugen alle so schöne Kleider. Es war so eine Verschwendung. Und niemand wusste, was sie tat.

 

Außer vielleicht Dumbledore.

 

Kurz betete sie zu allen Göttern, die ihr vertraut waren, dass sie es schaffen würde. Und dass sie am Ende etwas zum Guten verändern würde. Und nicht zum Schlechten. Dass aus der bösen Asche vielleicht doch ein wunderschöner Phönix steigen würde, der all das Leid wettmachte, was sie vielleicht über die Familie bringen würde.

 

Und dann trat sie nach draußen in das Wunderland aus Eis, was Narzissa Malfoy für sie geschaffen hatte. Und es übertraf alles, was Hermine sich jemals ausgemalt hatte.

 

 

Kapitel 26

 

Er hatte schon schlimme Tage gehabt. Jedes Mal, wenn Harry Potter den verdammten Schnatz vor ihm in der Hand gehalten hatte. Jedes Mal, wenn er Punktabzug bekommen hatte, obwohl es die Schuld von jemand anderem gewesen war.

Jedes Mal, wenn irgendwer in Zaubertränke wieder einmal besser gewesen war als er, und Snape es als persönliche Beleidigung aufgefasst hatte.

 

Jedes Mal, wenn sein Vater von ihm enttäuscht war – was jeden Tag passierte.

 

Und heute war bestimmt keine Ausnahme.

Sein Blick wanderte finster über die versammelte Gesellschaft. Nicht nur, dass er Blaise verabscheute, dafür, dass er Narzissa wie ein frühreifer Welpe begaffte, nein. Dumbledore, McGonagall, Snape und ein Haufen Gryffindors standen in seinem Garten und warteten.

 

Nicht einmal auf ihn. Nein, er war hier. Demütig ergeben wartete er ebenfalls. Auf sein Todesurteil. Seine persönliche Hölle. Ihm war schlecht. Er hatte so wenig geschlafen und so viel getrunken, dass die Zauber für sein Gesicht und seinen Magen ewig gedauert hatten, bis sie ihre Wirkung zeigten.

Der schwarze Anzug war exquisit, saß wie eine zweite Haut, und die letzten Wochen steckten schwer in seinen Gliedern. Er war jung und verarbeitete Stress wahrscheinlich schneller als ältere, aber selbst für ihn war es anstrengend gewesen.

 

Er entdeckte auch Madame Lestrange in der Menge. Zu dumm, dass sie gar nicht so war wie seine Tante gewesen war, dachte er bitter. Ansonsten hätte er wenigstens auch ein bisschen Spaß an dem Tanzkurs gehabt.

 

Sein Blick fiel auf Weasley, der neben Potter mit in der ersten Reihe, neben ihren Eltern stand. Ihm war aufgefallen, dass Grangers Mutter ihn mit demselben forschen Blick betrachtete wie ihre Tochter es tat. Dieselben schlammigen Augen.

Ansonsten war – Merlin sei Dank – kein Muggel auf ihrer Rasenfläche.

 

Aber nein.

 

Es war kein Rasen mehr, dachte er dumpf, während er sich umsah. Schnee.

 

Schnee häufte sich auf dem Rasen. Die gesamte Wiese war voll damit. Und es schneite immer noch verhalten. Es wurde eine weiße Weihnacht, wie er es seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Ob seine Mutter nachgeholfen hatte, wusste er nicht mit Sicherheit.

Überall standen magische Heizsäulen, die die Gesellschaft wärmten, ohne den Schnee zu zerstören. Neben ihm erstreckte sich eine Eisfläche, beleuchtet, spiegelglatt, auch wenn er noch nicht wusste, wozu es gut sein sollte.

 

Die Luft kondensierte vor seinem Mund, aber er spürte die Kälte nicht. Seine Mutter hatte etwas mit seinem Anzug angestellt.

Die Pferde vor der weißen Kutsche mit Kufen schüttelten träge ihre dunklen Mähnen.

Es war ein Aufwand, als käme der russische Zar höchstpersönlich angereist.

Die Dekoration ging eher ins hellblaue. Silberschellen bewegten sich sanft in den Bäumen, erfüllten die Fläche vor dem Haus mit konstanten Geräuschen, während Streicher, Posaunen und Flöten sich bereits am Rand einstimmten.

 

Er merkte, dass sich alle erhoben hatten. Er konnte schon gar nicht mehr die Veranda des Hauses erkennen, so viele Menschen hatten sich davor versammelt.

 

„Aufgeregt?“, murmelte Blaise neben ihm. Aber Draco antwortete nicht. Er war starr vor Angst. 

 

Anscheinend ging es los. Das nächste Lied, was angestimmt wurde, war nichts Traditionelles, was Draco mit Namen benennen konnte. Die Harfe zupfte moderne Klänge, eine Sängerin begann ein gälisches Lied, und Dracos Magen krampfte sich zusammen.

Er hatte sich die Wochen und Monate gewehrt, ignoriert, was passieren würde – und jetzt… war es soweit.

 

Er hatte es nicht verhindern können.

 

Pansy schritt voran, in einem kurzen Kleid, sehr eng, sehr figurbetont.

 

Es folgten namenlose Gryffindors, die ihm scheiß egal waren. Die ganze Prozedur dauerte ewig. Und er nahm an, alle Brautjungfern sahen besser aus, als das Schlammblut, was folgen würde. Fast würde er lieber einer dieser namenlosen Gestalten heiraten müssen, als den größten Fehler seines Lebens zu machen, und auf seine Mutter zu hören.

Dann erschien die kleine Weasley, bei der das blaue Kleid gar nicht mal übel aussah, aber Draco machte sich nichts aus Blutsverrätern.

Richtig. Sein Garten war voller Weasleys….

 

Aber die kleine Weasley blieb auf Mitte des tiefblauen Teppichs stehen, der sich zwischen den Bänken durch den Garten zog. Sie hatte sich umgewandt, mit einem auffordernden Blick. Kurz herrschte angespanntes Schweigen. Die Musik spielte weiter, aber niemand folgte der kleinen Weasley.

 

Dracos Gehirn erwachte. War sie abgehauen? Das wäre großartig! Dann wäre sein Trauertag zu seinem Glückstag geworden!

 

Sein Herz schlug eine wilde verzweifelte Sekunde schneller in seiner Brust – aber nein.

 

Die Musik änderte sich.

 

Sie kam.

 

~*~

 

Es waren tausend Leute, müsste sie schätzen! Sie war so aufgeregt!

 

Sie hatte Angst um das Kleid, die Schuhe, ihr Makeup, ihre Haare.

 

Und wenn es immer so war, wenn man so aussah, dann wollte sie so einen Aufwand nie mehr betreiben. Sie hatte gar keine Zeit, das Winterwunderland um sich herum wahrzunehmen, bei der ganzen Vorsicht, die sie aufwenden musste, ihre Erscheinung nicht zu zerstören, dass sie sich ärgerte.

 

Aber ihr entging nicht, wie warm es draußen war.

 

Wie die Magie des Kleides plötzlich anfing zu wirken, wie es ihrem Körper erschien, als wäre laues Frühlingswetter. Die Leute starrten sie an und sie kannte kein Gesicht in der Menge.

Ihr Herzschlag flachte ab, vor Angst. Sie blieb stehen.

 

Schnee fiel sanft. Das Grundstück war so weit und weiß. Weiß wie eine Wüste.

Ihre Brust hob und senkte sich unregelmäßig, während sie das Bouquet an stahlblauen Rosen verkrampft umklammert hielt.

 

Ginny hatte angehalten und sich umgewandt. Sie hatte die Augenbrauen gehoben, und Hermine dachte, dass der Brautvater die Braut führen musste, oder war es so nicht? Scheinbar nicht. Sie ging allein. Als letzte.

 

Ob er überhaupt gekommen war? Sie nahm es an, denn sonst würde sie hier entlanglaufen, ohne dass jemand sie darüber aufklärte, dass sie eine Demütigung erwartete.

Aber die erwartete sie wahrscheinlich sowieso.

 

Sie atmete aus.

 

Sie musste das jetzt tun. Es gab jetzt keinen Weg zurück. Es gab keine andere Möglichkeit, die sie auf die Schnelle, in Glasschuhen, entwerfen und ausführen könnte. Sie hatte nicht einmal ihren Zauberstab bei sich!

 

Und deshalb schritt sie weiter.

 

Kaum hatte sie den blauen Teppich betreten, änderte sich das Lied. Eine Geige begann eine süße Melodie zu spielen, die Sängerin sang anbetungswürdig in einer Sprache, die sie nicht verstand.

 

Und tapfer, als wäre es ihr letzter Gang in ewige Dunkelheit, folgte sie Ginny. Sie wollte weinen, aber dann hätte sie drei Stunden umsonst steif auf dem Sessel gehockt, während drei Hexen ihr Gesicht und ihre Haare bearbeitet hatten.

 

Sie hob den Blick zum Ende des Gangs.

 

Die süße Musik erfüllte ihre Ohren, als sie ihn sah.

Sein helles Haar hob sich von der Menge ab. Er trug einen dunklen Anzug, wohl den, den sie ausgesucht hatten.

 

Sie hatte seinen Bund nicht gebunden, fiel ihr auf. Brachte es Unglück? Aber wie viel mehr Unglück sollte sie noch haben? Immerhin war er aufgetaucht. Ob er vollkommen betrunken war?

 

Sie brachte es nicht über sich, zu lächeln, denn sie glaubte, dann würde sie schreien vor Schmerz. Also blieb sie ernst, gab vor, ernsthaft berührt und ehrfürchtig zu sein.

 

Was sie von der Dekoration auch war. Ihr Blick fiel auf die riesige Eisfläche, die Pferde, das Streicherorchester am Rand…. Sie hatte Angst.

 

Sie erreichte die erste Reihe, während sie alle Blicke ignorierte. Und der erste Blick, den sie erwiderte war Harrys. Sein Mund stand halb offen, und sie fragte sich, ob sie so widerlich aussah, oder ob er sie noch in einem Kleid gesehen hatte und einfach verblüfft war. Ron trug einen ähnlichen Ausdruck im Gesicht, und Dumbledore daneben lächelte vergnügt, zwinkerte ihr zu, während McGonagall bereits ein Taschentuch gezückt hatte.

 

Selbst Snape wirkte nicht vollkommen schlecht gelaunt wie sonst, nein. Seine Mundwinkel zuckten, stellte sie verwundert fest. 

 

Molly Weasley und ihre Mutter standen nebeneinander und weinten überglückliche Tränen, während auch ihr Vater nicht so standhaft wirkte, wie sie ihn kannte. Er hatte die Lippen aufeinandergepresst, und fast wollte sie auch weinen. Wenn auch aus anderen Gründen. Narzissa und Lucius standen auf der anderen Seite, gefasst, wenn auch wohlwollend.

Obwohl sie bei Lucius annehmen musste, sein prüfender Blick war eher wie ein persönlicher Test. Ein Test, ob sie es wirklich durchziehen würde.

 

Ihr Blick wandte sich stur wieder nach vorne. Wahrscheinlich gehörte es sich nicht ein Blickduell mit seinem Schwiegervater zu beginnen, dachte sie dumpf, während das Wort einen furchtbaren Nachgeschmack in ihrem Mund hinterließ. Die Musik hatte aufgehört. Sie sah ihn nicht an, schritt bis zum Ende des Teppichs und blieb neben ihm stehen.

Aber sie musste ihn wohl oder übel ansehen.

 

Und tatsächlich erwiderte er ihren Blick, nicht ganz so verdattert und geschockt wie Harry und Ron es getan hatten, aber definitiv hatte sein Gesicht heute nicht den verächtlichen Zug um den Mund, den sie bereits gewöhnt war. Nein, sein Ausdruck zeigte keine Spur von Hass oder Abscheu. Seltsam. Und er wirkte… so ausgeschlafen. Aber das konnte nicht sein, richtig? Wahrscheinlich hatte er einige Aufputsch-Zauber erhalten. Sie wusste, wie wenig er geschlafen hatte und wie betrunken er gewesen war.

 

Und dass er versuchte hatte, noch nachts in ihr Zimmer zu kommen.

Und ihr war nicht aufgefallen, dass der Pfarrer vor ihnen wohl auf ihre Aufmerksamkeit wartete, denn sie betrachtete ihn immer noch. Er war, trotz ihrer hohen Schuhe, größer als sie, füllte das Jackett komplett aus und machte eine gute Figur neben ihr. Das ärgerte sie. Es ärgerte sie, wie gut er aussah. Wie lächerlich gut er tatsächlich aussah.

Es wunderte sie nicht wirklich, denn sie wusste ja, wie er aussah.

 

Auch sein Blick schien noch immer auf ihrem Gesicht gefangen zu sein.

 

„Chrm“, machte der Pfarrer beflissen, und Malfoy wandte tatsächlich ertappt den Blick als erster nach vorne, als hätte er vollkommen vergessen, wo er gerade eben war. Auch sie hatte kurz alle Leute um sich herum vergessen, bei dem Gedanken, wie unmöglich er sich verhielt, und wie dreist es von der Natur doch war, ihn gut aussehen zu lassen dabei.

 

Sie senkte hastig den Blick auf die tausend Schichten ihres funkelnden Kleides.

 

„Wir sind heute hier versammelt, um diese beiden junge Menschen im Bund magischer Verbundenheit zu vereinen und als vollwertige Mitglieder des Gesellschaft willkommen zu heißen“, begann der Pfarrer, während Hermine die Stirn kraus zog. Vollwertige Mitglieder der Gesellschaft? Und was war sie vorher gewesen? Eine halbe Muggel, die zufällig im Kampf gegen Voldemort gesiegt hatte? Gott, sie hasste Reinblüter.

 

Dennoch schlug ihr Herz ungewöhnlich schnell, obwohl sie sich versicherte, es war ja alles nur zum Schein. Nur ein Projekt. Eine Befreiungsaktion. Aber es war schwer, diesen Gedanken streng fortzuführen, wenn es niemand wusste, während sie alle diese Leute hier, die sich ehrlich für sie freuten, nur täuschte.

 

Hermine hatte auf Durchzug geschaltet, während der Pfarrer irgendetwas vom reinen Blut, Traditionen und dem großartigen Geschenk, Reinblüter zu sein, erzählte.

 

„…- wollen Sie, Draco Lucius Malfoy, Hermine Jean Granger zu ihrer Ehefrau nehmen, mit ihr im magischen Bund der Gesellschaft eine Einheit bilden, die Traditionen der Reinblüter schätzen und fortführen, in Ehren halten und als Gesetze befolgen, bis dass der Tod Sie scheide?“, fragte er schließlich, und Hermine hob den Blick, ernsthaft gespannt, was er sagen würde, aber sie kannte die Antwort ja bereits. Sonst wäre er hier nicht aufgetaucht, denn sie half ihm nur, sein Gold zu behalten. Merlin…. Was für eine verlogene Gesellschaft.

 

Und sie glaubte, Muggel heirateten unter einer anderen Prämisse. War es nicht: Ihre Frau lieben und ehren, in Krankheit und Gesundheit, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheide?

 

Und fast glaubte sie, er würde es tun. Er wirkte so gequält. Ihr Mund öffnete sich einen Spalt, als sie glaubte, er würde Nein sagen. Für eine Sekunde, sah sie es in seinen Augen.

Und dann war es verschwunden. Sein Blick wurde stumpf, und stoisch, ohne jedes Gefühl, nickte er nur.

 

„Ich will“, sagte er, und hätte auch nach der Uhrzeit fragen können, so gleichgültig klang er. Hermine seufzte auf. Ok. Damit hatte sie ja gerechnet.

 

„Miss Granger“, fuhr der Pfarrer fort, und Hermine hörte nicht weiter zu. Ihr Blick glitt zur Seite, und fast spürte sie wieder Tränen des Zorns in ihren Augen. Jetzt wäre ein denkbar schlechter Zeitpunkt für eine Szene, überlegte sie ärgerlich.

 

„Miss Granger?“, bemerkte der Pfarrer argwöhnisch einige Sekunden später, als er wohl seine Frage bereits gestellt hatte. Ihr Blick hob sich beschämt.

 

„Ich will“, sagte sie hastig, denn sie nahm an, danach hatte er gefragt.

 

„Damit erkläre ich Sie zu Mann und Frau vor dem magischen Gesetz“, rief er zufrieden über die Menge. Und kurz erfasste Hermine eine unglaubliche Panik, denn Malfoy würde sie jetzt küssen oder nicht? Kam es nicht jetzt? Wo war der Ring? Aber der Pfarrer sagte nichts, die Menge applaudierte lediglich, und plötzlich änderte sich das Licht.

 

„Wenn ich Sie zum Hochzeitstanz bitten darf?“, sagte der Pfarrer abschließend und Hermine war verwirrt. Bedankte man sich nicht erst bei allen Leuten, dass sie gekommen waren? Ging man nicht den Gang wieder hinunter, seinen Bräutigam an seiner Seite? Tat man nicht ungefähr alles andere, als ausgerechnet jetzt zu tanzen?!

 

Sie starrte den Pfarrer panisch an, denn sie konnte nicht tanzen! Und in den Schuhen ohnehin nicht. Im Tanzkurs war sie grottenschlecht gewesen. Und war es nicht ein Gruppentanz? Und wo sollten sie tanzen? Und bekam sie nicht noch einen Ring aufgesetzt?

 

Aber der Pfarrer war ihr keine weitere Hilfe und sie wandte sich verwirrt an Malfoy, der bereits zur Eisfläche gegangen war. Hastig lief sie hinter ihm her. Es musste furchtbar aussehen, wie sie vollkommen unfähig hinter ihm her dackelte.


„Malfoy“, zischte sie böse, damit er anhielt. „Nein!“, entfuhr es ihr, als er einfach die Eisfläche betrat. Er wandte sich um, und schiere Verständnislosigkeit löste seinen verzweifelten Blick ab.

 

„Was?“, fuhr er sie tonlos an. Und sie hörte es. Sie hörte, wovon sie ausging, dass es von nun an immer in seiner Stimme sein würde. Unterdrückter Abscheu, gemischt mit Hohn und ewiger Enttäuschung. Das hieß wohl, es lief alles nach Plan. Immerhin etwas, aber… was nun folgte war unmöglich. Sie blickte hinab auf das spiegelnde Eis. Und… es war… wie ein Muster aus kristallenen Schneeflocken unter dem Eis. Er verdrehte tatsächlich die Augen. Was dachte er? Dass sie mit Schuhen aus Glas die Fläche betreten würde?

 

Sie spürte einen Schatten neben sich.


„Deine Schuhe sind imprägniert. Dracos auch. Es wird sich anfühlen wie… Parkett“, wisperte Narzissa mit Tränen in den Augen neben ihr. Hermines Mund öffnete sich in stummem Verständnis. Hastig wandte sie den Blick.


„Was müssen wir tanzen? Ich kann keinen-“

 

„-lass dich führen“, flüsterte Narzissa wohlwollend. Das wollte Hermine nicht. Dann wollte sie lieber mit Ron eröffnen. Sie entschied, sie hatte schon zu oft mit Malfoy getanzt. In ihrem Leben wollte sie es nicht noch einmal tun müssen. Sie sah zu Narzissa auf, die ein wenig verblüfft wirkte. „Es ist Tradition“, wisperte sie mit Nachdruck. Hermine hörte bereits Getuschel.

 

Oh, Merlin noch mal! Wie oft musste sie tanzen?

 

Vorsichtig, wie auf Eierschalen betrat sie das spiegelnde Eis.

 

Aber… Narzisa hatte Recht. Es war… nicht glatt.

 

„Verflucht, Merlin, beweg dich endlich!“, knurrte er zwischen den Zähnen hindurch, und sie hob den Blick.

 

Das waren also die ersten echten Worte, die er zu ihr sagte?

 

„Wag es nicht so mit mir zu reden, Malfoy!“, zischte sie zornig und überfordert mit dem Eis, den Schuhen und dem furchtbaren Tanz, der folgen würde. Kurz tauschten sie Blicke, die geeignet waren einander umzubringen. Und tatsächlich gab er nach. Das erste Mal in ihrer gemeinsamen Geschichte, stellte sie fest. Er kam zu ihr und reichte ihr – wenn auch zornig – seine Hand. Sie hasste es. Jetzt musste sie handeln.

 

Lustlos streckte sie ihm ihre Hand entgegen, die er grob nahm. Sie legte die Hand auf seine Schulter, sah ihn nicht an, und mit dem ersten Takt der Musik begann er den Tanz.

 

Oh Gott! Hätte er nicht ein paar Takte warten können?!

 

Niemand folgte ihnen auf die Tanzfläche. Sie spürte, wie angespannt er war. Sie wollte nur nicht fallen, wollte alles, nur nicht fallen, und krallte sich praktisch in seine Schulter.

Er wollte sie scheinbar in eine Pirouette drehen, aber sie klammerte sich praktisch an ihn. Sein Blick fiel.

 

Ein wenig verwirrt, ein wenig überrumpelt.

 

„Was soll das?“, fragte er tatsächlich, als wäre er abhängig davon, dass er sie drehte. Sie atmete angestrengt aus. Sie schüttelte einfach nur stumm den Kopf.

 

„Nicht“, sagte sie einfach nur. „Ich will nicht mehr tanzen, Malfoy“, flüsterte sie. „Ich habe genug vom Tanzen, wirklich“, sprach sie zitternd, obwohl es nicht kalt war. Er hatte innegehalten, und die Gespräche wurden lauter. Als hätte sie soeben Hochverrat begangen. Zuerst dachte sie, er wolle nach seiner Mutter rufen, aber dann sanken seine Hände von ihrem Körper, er atmete aus, und blickte kurz zur Seite, als müsse er nachdenken.

 

Die Musik war nach und nach verstummt.

 

Dann löste er sich von ihr und ging vor ihr auf die Knie.

 

Verdattert zog sich ihre Stirn in krause Falten, als sie auf seinen hellen Schopf blicken konnte. Gereizt hob sich schließlich sein Blick.

 

„Fuß, Granger“, knurrte er tatsächlich und sie zuckte vor Schreck zusammen. Fahrig hielt sie sich an seiner Schulter fest und hob den linken Fuß. Und geschickt zog er den Glasschuh von ihrem Fuß, nahm ihren anderen Knöchel in die Hand und befreite sie auch von diesem Schuh. Sie war wieder klein.

 

Er erhob sich zu seiner vollen Größe, und ihr Kopf lag nun in ihrem Nacken, um ihn anzusehen. „Besser?“, erkundigte er sich mit einem Hauch von Spott in der kühlen Stimme.

 

„Du hältst dich für besonders witzig, oder?“, murrte sie beschämt, während einige der Gäste lachten.

 

„Nein, ich halte mich für überhaupt nichts mehr“, erklärte er ruhig, fast tonlos, ohne jede Emotion. Er beobachtete sie, aber sie spürte die Röte in den Wangen, denn die Menge hatte sich näher an die Eisfläche gestellt. Sie spürte einen Hauch von Kälte unter ihren Füßen.

 

„Ok, fein“, gab sie schließlich entnervt nach, legte ihm die Hand auf die Schulter, während er ausatmete und den Arm um ihre Taille legte.

 

„Das ist zu eng“, wisperte sie hastig. Er atmete angestrengt aus.

 

„Das ist ein verfluchter Hochzeitstanz, Granger“, erwiderte er gereizt. Gerne wollte sie ihn daran erinnern, dass sie jetzt Malfoy hieß, nur um ihn zu ärgern, aber sie tat es nicht.

 

Sie hielt sich einfach an ihm fest.

 

Er wirbelte sie anschließend über die Fläche, hielt sie fest an sich gepresst, so dass sie niemals würde fallen können, und sie betete nur, dass es aufhören würde. Diese traditionellen Tänze waren so erschöpfend.

 

Und dann verstummte die Musik und er war mit ihr stehen geblieben.

Es hatte nicht lange gedauert.

 

Es war ein guter Tanz gewesen, denn sie war ihm nicht auf die Zehen gestiegen, war nicht gefallen, und nun suchte er ihren Blick, und kaum hatte er ihre Aufmerksamkeit zog er den Ring aus seiner Jackettasche.

 

Er unterschied sich zu ihrem Verlobungsring in Größe, Gewicht und wahrscheinlich dem Preis immens. Er war vierreihig. Abwechselnd eine Reihe Diamanten, folgend von einer Reihe glänzendem Platin. An Schmuck wurde wohl nicht gespart. Verblüfft ließ sie es über sich ergehen, dass er den Ring auf ihren Finger schob. Er passte, als wäre er für sie angefertigt.

 

Und jetzt klopfte ihr Herz schneller, denn die Leute hatten aufgehört zu reden. Stumme Erwartung hing in der Luft.

 

Und ein Blick in seine grauen Augen bestätigte ihr, dass etwas Erhebliches folgte.

 

„Du bist verdammt anstrengend“, sagte er schließlich, als sie sich nicht bewegte.

 

„Was?“, flüsterte sie geschockt. „Was ist eigentlich dein Problem?“, brachte sie gepresst hervor. „Du hast die gesamte Zeit beschissene Laune, und-“ Er hatte sie stehen gelassen, war zu der Stelle gegangen, wo ihre Schuhe standen, kam wieder und sprach, während er wieder auf die Knie ging.

 

„Du bist zu klein, Granger. Und wenn ich dich schon nicht küssen will, weil du ein Schlammblut bist, will ich dich auch nicht küssen, weil du verdammt noch mal zu klein bist für mich. Es ist unbequem“, schloss er, und erhob sich, nachdem er ihr umstandslos die Schuhe wieder angezogen hatte, und sie wackelige zehn Zentimeter höher vor ihm stand.

 

 

„Küssen…“, sagte sie verständnislos, und wäre Narzissa dankbar gewesen, wenn sie sie wenigstens über zwei, drei Traditionen hier aufgeklärt hätte.

 

„Ja, ich finde es auch widerlich“, bestätigte er ihre Worte, und seine Mundwinkel hoben sich zu einem freudlosen Lächeln. Sie stellte fest, dass sie ihn noch nie hatte lächeln sehen. Es war so offensichtlich, wie unwohl er sich fühlte, wie unerwünscht sie in seinen Augen war, wie sehr er sich quälte mit dieser Hochzeit. Es war kein ehrliches, aufrichtiges Lächeln.

 

Aber es war gut so. Sie wollte auch niemals ein aufrichtiges Lächeln von ihm sehen. Er musste durch dieses dunkle Kapitel gehen, bevor er befreit werden konnte. Es sollte die unglücklichste Hochzeit in der Geschichte aller Hochzeiten werden. Und es schadete ihm überhaupt nicht, wenn ihm mal nicht alles zu Füßen gelegt wurde!

 

Sie schluckte schwer, denn auch ihr war nicht nach Lachen zu Mute. Nicht nach Freudentränen, nicht nach Liebe bis zum Lebensende.

 

Sie dachte an Ron. Und sie würde alles geben, was sie noch hatte, würde sie Malfoy jetzt nicht küssen müssen. Und würde es Ron nicht sehen müssen. Präventiv fuhr sie sich mit den Fingern über die Wange. 

 

Kurz verschwamm er vor ihren Augen. Oh nein! Sie durfte nicht weinen. Ihr Körper schmerzte bereits, weil sie sich so sehr zusammen reißen musste. Die Zeit tickte zäh dahin, Sekunden wurden immer länger, und sie wusste, es musste jetzt sein oder es würde nur noch unangenehmer werden.

 

Fast zwang sie ihn mit ihrem Blick, es endlich zu tun. Diese lästige Kleinigkeit hinter sich zu bringen. Sie hoffte, ihre Eltern und Narzissa und Lucius taten es als Nervosität ab, als… kleine Angst. Zitternd reckte sie ihr Kinn in die Höhe.

 

Und sie hasste nichts mehr, als den Gedanken, dass sie ihn auch noch dazu nötigen musste, sie zu küssen.

 

„Merlin, tu es einfach, Malfoy!“, knurrte sie, als er sich scheinbar nicht entschließen konnte. „Die Leute müssen schon denken, wir sind vollkommen unfähig“, entfuhr es ihr, denn plötzlich war sie sich wieder im Klaren, dass sie von tausend Leuten beobachtet wurden. Er kam näher.

 

„Na und? Mir ist es scheiß egal, was die Leute denken“, sagte er nur, und sie glaubte nicht, dass es in der nächsten Zukunft passieren würde, dass er sie tatsächlich küsste. Merlin, er war so anstrengend!

 

„Malfoy!“, ermahnte sie ihn gepresst.

 

„Was?“, fuhr er sie an, aber sie verdrehte die Augen. Schön, dann musste sie es eben tun! Sie griff in seine Jackettaufschläge. Kurz trat Überraschung in seine grauen Augen, aber sie ließ ihm keine Zeit, zu verdauen, zog ihn einfach näher, und ignorierte ihrer beider Abscheu.

 

Mit ihrer Überwindung brach sie auch den Abstand, und sie verschloss seine überrascht geöffneten Lippen, während sie fast auf Zehenspitzen stand. Kühl war das Gefühl, und sie spürte er, wie er einatmete.

Unbeholfen schlossen sich ihre Augen, und sie würde ihn einfach umbringen, wenn er weiter wie eine Salzsäule vor ihr stehen würde! Es war so bezeichnend, dass er sie nicht einmal küssen wollte.

 

Sie hoffte, sie konnte nach drei Sekunden wieder von ihm ablassen, und die Leute würden es noch für glaubhaft halten. Ja, das waren ihre Gedanken.

 

Und nicht für sie, aber für alle anderen sollte dies ja der schönste Tag ihres Lebens sein. Es war fast traurig. Noch immer waren ihre Finger in sein Jackett gekrallt. Wahrscheinlich wäre es netter, würde sie die Arme um seinen Nacken legen, und ihn nicht gerade dazu zwingen, sie zu küssen, aber solche Gedanken waren lächerlich. Sie wollte hier keine perfekte Show hinlegen. Sie fühlte sich ohnehin nicht wohl, wenn fremde Menschen sie beobachteten.

 

Es war das dritte Mal, dass sie Draco Malfoy küsste.

 

Und tatsächlich zog er fast grob den Kopf zurück, aber Hermine glaubte nicht, dass die Leute es würden erkennen können. Sein Blick war fast schockiert, als er sie ansah.

Und sie glaubte, er würde sie beleidigen. Sie nahm es wirklich an!

 

Dann brach er den Blickkontakt und ließ sie stehen. Er ließ sie auf der Fläche zurück, und sie wusste, sie musste ihm schnell folgen, denn sonst stand sie alleine auf der Tanzfläche.

Verhalten klatschte die Menge, und sie sah, die Leute waren aufrichtig gerührt.

 

Merlin, die Leute mussten alle blind sein, dachte sie bitter.

 

~*~

 

Er hatte tausend Hände geschüttelt – nicht Potters, darauf hatte er geachtet. Jetzt standen die Leute im Garten quer verteilt, einige tanzten, einige lachten und tranken, und die Kellner achteten darauf, dass sein Glas Scotch immer voll war. Er war bereits betrunken. Und es fiel scheinbar auf.

 

„Vielleicht solltest du auf dein Limit achten.“ Lucius hatte sich neben ihn gestellt, nippte ebenfalls an einem Kristallglas, gefüllt mit goldener Flüssigkeit, und Draco sah ihn nicht an. „Du hast Glück, dass deine Mutter deine Gäste so gut unterhält.“

 

„Sie hat sie auch eingeladen“, knurrte er Draco bloß.

 

Lucius seufzte lediglich, als wäre Draco eine große Bürde. „Wo ist deine Braut?“, fragte er schließlich. Und es war noch eine weitere langweilige Frage, die Draco nicht beantworten konnte oder wollte. Es war ihm egal, wo sie war. Er zuckte die Achseln. Aber der Blick seines Vaters war erbarmungslos. „Dann such sie!“, befahl er kalt.

 

Draco tat nichts lieber, als sich von ihm zu entfernen. Er hatte sich abgewandt und war wieder verschwunden. Kurz blickte er über die Menge, konnte sie aber nicht entdecken, also ließ er sich ein volles Glas geben und schritt hinüber zu Blaise und Goyle.

 

Je länger sie weg war, umso weniger musste er von ihr sehen, zog er dumpf den Umkehrschluss.

Noch immer war er angewidert von ihrem Kuss. Sie hatte diese Hochzeit bisher abgehandelt wie eine lästige Hausarbeit, die erledigt werden musste.

Er hatte ein Schlammblut geküsst. Er musste diesen Nachgeschmack loswerden.

Blaise sprach mit einer hübschen Blondine, die sein Interesse schon vor einigen Minuten geweckt hatte.

 

Und er hatte sich eine Ablenkung verdient. Denn er hatte heute alles getan. Er hatte geheiratet und sein Vermögen war sicher.

Jetzt musste er nur noch Grangers Leben zur Hölle machen.

Bitter leerte er das Glas und bekam sofort ein volles gereicht.

 

Grimmig trank er auch davon, beinahe gierig, den ersten Schluck.

 

Blaise winkte ihm bereits zu. Draco erwiderte den Gruß mit einem Nicken, schüttelte vom Alkohol kurz benebelt den Kopf, und ging zu seinen Freunden, um ein unverfängliches Gespräch mit seiner nächsten Eroberung anzufangen.

 

 

Kapitel 27

 

Es war still hier im Haus.

 

Sie wusste nicht, wann sie ihren Weg hierher gefunden hatte. Jetzt saß sie auf der Couch in ihrem neuen Haus, allein. Das Kleid türmte sich in vielen Schichten auf ihrem Schoß, während sie vorsichtig die Tränen von ihrem Gesicht tupfte.

 

Sie war so erschöpft. Es war so anstrengend, dieses Spiel zu spielen. Sie schloss die Augen, versteckte ihr Gesicht in den Händen und versuchte sich vorzustellen, alles wäre wie früher.

 

Sie hörte, dass jemand im Wohnzimmer war. Sie hatte die Tür zwar nicht gehört, aber sie hörte die Schritte jetzt. Sie hielt vor Schreck den Atem an. Narzissa? Lucius? Ihre Mutter? Wer könnte es sein?

 

„Hermine?“

 

Sie hob den Kopf und ihr Mund öffnete sich überrascht.

 

„Ron“, sagte sie nur. „Äh… das ist übrigens mein Haus“, erklärte sie, mit einem gespielten Lächeln, aber Ron folgte ihren ausladenden Bewegungen nicht mit den Augen.

 

„Wieso weinst du?“, fragte er schließlich. Und ihr Herz schlug so schnell. Er trug einen schwarzen Anzug, aber er war nicht wie Malfoys Anzug. Bestimmt war er nicht mal einen Bruchteil so viel Wert, aber sie fand, Ron sah so viel besser aus als Malfoy, auch wenn die Hosenbeine zu kurz für seine langen Beine waren.

 

„All die Aufregung…“, wich sie aus, zuckte die Achseln und er wirkte nicht zufrieden. Unschlüssig stand er vor ihr, schien nicht zu wissen, wie er mit ihr reden sollte, ob er näher kommen sollte oder nicht, und sie fühlte sich genauso unwohl alleine auf der Couch.

 

„Deine Mutter sucht dich“, sagte er schließlich. Hermine wusste, es gab keine Nähe mehr zwischen sich und Ron. Sie war jetzt… verheiratet.

 

Sie erhob sich ohne jedes Gefühl. Ohne jede Hoffnung. Ohne jede Aussicht auf irgendetwas Gutes.

 

„Alles ok?“, fragte er jetzt trotzdem, als sie auf seiner Höhe war.

 

Nein, wollte sie sagen, aber sie schwieg. Sie lächelte, denn sie wollte nicht mehr weinen.

 

Die Tür öffnete sich erneut. „Und das hier ist das Gästehaus, und oben ist ein Whirpool in-“ Malfoy unterbrach sich, denn er lockerte gerade den schwarzen Bund des Glücks Krawatte, als er ein fremdes Mädchen ins Wohnzimmer führte und sie und Ron erblickte.

 

Hermines Mund öffnete sich ratlos. Brachte er tatsächlich an seiner eigenen Hochzeit ein fremdes Mädchen in ihr Haus, um…?

 

Kurz herrschte Stille. „Stören wir?“, lallte er tatsächlich mit einem angewiderten Blick auf Ron. Wie betrunken war er bitteschön? Es war kaum acht Uhr! Hermine erkannte das Mädchen als irgendeine Nichte von Lucius zweiten Grades. Sie war sechzehn oder zumindest bewegte sie sich irgendwo in diesem fragwürdigen Bereich. Und sie trug ein so knappes Kleid, dass Hermine sich fragen müsste, ob es vielleicht von ihrem Körper platzen würde, wenn sie sich bückte.

 

Sie war so schockiert. Nicht wirklich zu sehr, denn sie hatte nichts anderes von Malfoy erwartet.

 

„Was tust du da?“, wollte Weasley schließlich von ihm wissen.

 

„Wonach sieht es aus, Weasley?“, entgegnete Malfoy angriffslustig.

 

„Wonach es aussieht, du Wichser?“, wiederholte Ron, mit Zorn in der Stimme. „Es sieht danach aus, als wolltest du Hermine mit einer minderjährigen Schlampe betrügen, Malfoy! Danach sieht es aus!“, rief Ron zornig. Ein widerlicher Ausdruck trat auf Malfoys Züge als er näher kam.

 

„Ja? Und was treibst du hier mit ihr, wenn ich fragen darf?“, entfuhr es ihm kühl. „Alleine mit ihr?“, ergänzte Malfoy mit einem Blick auf sie. Kurz blieb sein Blick an ihr hängen.

 

„Wir reden“, erläuterte Ron mit geballten Fäusten.

 

„Ja? Tiffany und ich reden auch“, wiederholte Draco spöttisch.

 

„Stacey“, berichtigte ihn das Mädchen, ein wenig beleidigt. Hermine schloss die Augen. Es ging so nicht. Sie konnte es ihm nicht durchgehen lassen, so egal es ihr auch war, was er tat! Sie zwang sich, wütend zu sein. Auf ihn. Sie zwang sich dazu, sich vorzustellen, sie würde ihn wirklich mögen. Er würde wirklich ein Mädchen an ihrer Hochzeit in das Haus führen, um mit ihr in den Whirpool zu steigen.

 

Sie öffnete die Augen. Den Blick klar und kalt.

 

„Mach, dass du hier rauskommst!“, sagte sie ernsthaft und voller Abscheu. Das Mädchen bekam große Augen. „Was erlaubst du dir eigentlich? Meinen Mann auf so schamlose Weise verführen zu wollen? Hast du keinen Respekt, Stacey?“, fuhr Hermine sie an. „Am besten verschwindest du schleunigst und gehst mir aus den Augen, bevor ich dir den nächsten Fluch auf den Hals hetze, der mir einfällt! Und lass die Finger von meinem Ehemann!“

 

Das Mädchen hatte so schnell Reißaus genommen, dass Hermine kaum Zeit gehabt hatte, zu Ende zu sprechen. Malfoy sah sie verwirrt an. Ron schien nicht wirklich überzeugt.

 

„Und du beleidigst nicht noch einmal meinen Ehemann, Ronald“, warnte sie ihren besten Freund widerwillig. Das Wort war so absurd und sie sagte es nur überaus unwillig. Ehemann war kein Wort, mit dem sie Malfoy bezeichnen wollte. Aber sie musste es.

Rons Mund öffnete sich schockiert.


„Er war doch… er hat das Mädchen doch…!“

 

„Genug“, unterbrach ihn Hermine streng. Und er wandte sich mit einem Nicken ab. Tiefe Verletzung stand in seinem Blick geschrieben. Hermine hoffte nicht, dass es wieder zu einer Eiszeit zwischen ihr und Ron führen würde.

 

Schon wieder war sie alleine mit Malfoy. Erschöpft sank sie wieder auf die Couch. Würde er doch einfach wieder gehen!

 

„Wirklich?“, fragte seine Stimme jetzt spöttisch. Sie lehnte den Kopf zurück.


„Wirklich was?“, wiederholte sie gereizt.

 

„Du verteidigst mich vor Weasley?“, erläuterte er ungläubig. Sie schloss die Augen. Ja, leider tat sie das wohl. Wie unfassbar war er eigentlich, dass er das jetzt kommentieren musste?

 

„Malfoy, geh einfach wieder raus, ok?“, sagte sie nur und versuchte, sich zu sammeln.

 

„Ich hatte Tiffany aus einem bestimmten Zweck hergebracht“, erklärte er, nun eine Spur zorniger. Fast wollte ihn Hermine erinnern, dass das Mädchen Stacey hieß, aber sie hielt sich in letzter Sekunde davon ab. Ihr war klar, dass er widerliche Absichten mit ihr gehabt hatte. Sie ignorierte seine Worte.

 

„Wer soll sich jetzt um mich kümmern?“, fuhr er sie an. Diese Aussage erinnerte sie nur daran, dass sie… irgendwie verhindern musste, dass… sie mit ihm schlafen würde.

 

Oh Gott! Der Gedanke war so widerlich!

 

„Wieso bist du schon wieder betrunken?“, fragte sie schließlich, während sie sich müde erhob. Enttäuscht über seine Unfähigkeit nur einen halben Tag auszuhalten, ohne unerträglich zu sein, stand sie vor ihm. Sein Blick war wieder kalt und abweisend, wie sie es gewöhnt war.

 

„Wieso bist du immer noch ein Schlammblut?“, konterte er, schneller als sie erwartet hatte.

 

„Oh, halt den Mund“, erwiderte sie kopfschüttelnd. Plötzlich lichtete sich der Zorn auf seinem Gesicht.


Du könntest dich kümmern, Granger“, schien ihm eine neue Idee gekommen zu sein, und er ließ den Blick an ihr hinab wandern. Ihr Ausdruck wurde finster. „Du siehst heute nur halb so beschissen aus wie sonst, und außerdem hast du mich heute geküsst und-“

 

„-weil ich es musste!“, sagte sie nur, wollte an ihm vorbei, aber er umfasste ihren Unterarm und drehte sie zu sich herum. Und irgendetwas änderte sich an der dunklen, negativen Grundstimmung. Etwas wurde gefährlich hier, zwischen ihnen.

 

„Granger, ich denke, es ist deine Pflicht“, widersprach er, eine dunkle Mahnung in der Stimme. „Vor allem, wo du mir jetzt meinen Spaß genommen hast, die kleine Tiffany zu vögeln.“ Er hatte sie nah an sich gebracht und sie roch den widerlichen Alkohol.

 

„Sie heißt Stacey“, würgte sie angewidert hervor. Seine Mundwinkel zuckten spöttisch. „Und wenn du mich mit meinem Nachnamen anreden möchtest, dann müsstest du ab heute Malfoy zu mir sagen“, klärte sie ihn auch über diese Kleinigkeit auf, die sie abstoßender fand, als die Idee, dass er mit Stacey Sex im Whirlpool hätte haben wollen. Kurz blinzelte er.

 

„Es ist mir scheiß egal, wie sie heißt“, knurrte er nur. „Es ist mir scheiß egal, wie du heißt, Granger!“, fuhr er sie jetzt lauter an. Hermine zuckte zusammen, denn in den Farben des Alkohols hatte sie ernsthafte Angst vor ihrem neuen Ehemann. „Für mich wirst du Granger bleiben“, informierte er sie finster.

 

„Lass mich los“, flüsterte sie fast.

 

„Nein, ich denke nicht“, erwiderte er fast bedauernd. „Weißt du, ich kann ab jetzt mit dir machen, was ich will“, erklärte er, betrunken und eine Spur angewidert.

 

Und sie wusste, etwas lief gerade mächtig falsch.

 

Und wahrscheinlich war sie auch noch schuld daran, war alles, was sie panisch dachte!

 

Sie wollte rennen, aber er hielt sie fest.

 

„Das Kleid ist zu schön für dich“, stellte er fest, einen boshaften Ausdruck auf seinen markanten Zügen. Und bevor sie begreifen konnte, was er tat, rissen seine Hände die Front des Kleides einfach auf. Winzige Diamanten rieselten auf den Teppich.

 

„Bist du wahnsinnig?!“, entfuhr es ihr panisch, und hastig hielt sie mit den Händen den Stoff vorne zusammen, damit er nicht fallen würde. Er hatte den Rock vorne halb vom oberen Bereich getrennt, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Weißt du, wie teuer dieses Kleid ist? Was deine Mutter für einen Aufwand-?“

 

„-es ist mir scheiß egal!“, rief er zornig, während er schwer atmete, mit den Fingern, völlig neben sich, durch die vollen Haare kämmte. Sein Blick glitt durch das Haus, ohne etwas wahrzunehmen, als müsse er kurz nachdenken. „Ich werde das jetzt tun!“, informierte er sie, fast, um sich selber Mut zu machen. Sie schüttelte wieder panisch den Kopf.


„Malfoy, nein!“, sagte sie nur wieder, als er nach ihren Oberarmen griff.

 

„Halt einfach den Mund! Du wolltest es so! Es ist… ich kann nicht…“ Er schüttelte den Kopf, als sie sich wieder wehrte, aber sie weinte bereits so viele Tränen, dass ihr Makeup schon verschmiert sein musste. Er hatte ihr Kleid zerrissen! Und wie sollte sie es richten? Sie konnte solche Zauber nicht ausführen! Und was sollte sie Narzissa nur sagen? Fast trommelte sie bereits auf ihn ein.

 

„Geh weg von mir!“, kreischte sie praktisch, aber er hielt sie fester, schüttelte sich bereits das Jackett von den Schultern. „Nein!“ Ihre Stimme war bereits heiser, als er sie versuchte, auf den Boden zu pressen.

 

Und sie schrie. Sie dachte, sie schrie nach Hilfe, aber dass er plötzlich für einen Moment keine Gewalt mehr anwandte, lenkte sie ab. Der Blick aus seinen Augen war… tödlich.

 

„Was?“, fragte er verstört und ihr Atem gefror.

 

Sie hatte nach Harry geschrien. Sie hatte Harrys Namen geschrien. Ihre Brust hob und senkte sich unregelmäßig, ihre Wangen waren noch immer nass. Er ließ zornig von ihr ab – und öffnete sein Hemd.

 

„Du rufst nicht ernsthaft nach Potter, Granger“, fuhr er sie mit finsterer Mahnung an. Hermine schluckte schwer.

                                                                                           

„Du kannst das nicht tun“, sagte sie mit schwacher Stimme, während sein Hemd nun offen hing.

 

„Nein?“, erkundigte er sich, ein wenig nüchterner, kam es ihr vor. „Dann pass gut auf“, sagte er nur. Ihr Herz schlug schneller.

 

„Deine Eltern-“

 

„-Granger, du bist jetzt meine Frau. Wenn ich es für passend halte, dich hier auf meinem Teppich zu vögeln, dann ist es verdammt noch mal mein gutes Recht!“, schrie er jetzt.

 

Zitternd hielt sie ihr Kleid zusammen, während er vor ihr völlig die Fassung verlor.

 

„Du wolltest das!“, donnerte seine Stimme jetzt, und sie zuckte vor Schreck zusammen. „Tu verdammt noch mal nicht so, als ob es dich überrascht! Es war dein verdammter Plan!“, schrie er, fuhr sich wieder durch die Haare, und sie weinte immer noch. Und sie glaubte ihm. Sie glaubte, dass er es tun würde.

 

„Wenn du das tust, dann…“

 

„Dann was?“, wollte er fast müde von ihr wissen, als hätte sie niemals auch nur die geringste Chance, ihn aufzuhalten.

 

„Dann-“

 

„-es gibt nichts, was du gegen mich in der Hand hättest“, flüsterte er, mit einem gequälten Ausdruck. „Jetzt kannst du nicht einmal zu Dumbledore rennen, Granger. Jetzt kannst du niemandem sagen, ich hätte dich… gezwungen, denn… jetzt bist du… meine Frau“, brachte er tonlos hervor. „Und ich hasse dich dafür, glaub mir“, ergänzte er mit glasigem Blick.

 

Sie wusste keinen Ausweg. Niemand kam, um sie zu retten, sie zu bewahren vor dem Unglück, das sie sich selber auferlegt hatte. Sie zitterte noch immer. Und ihre Unerfahrenheit, was eine solche Nähe anging, war fast greifbar. Und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr Zauberstab war nicht mal hier.

 

„Du bist ein Arschloch“, flüsterte sie unter Tränen. „Ein widerlicher Mistkerl, Malfoy!“, sagte sie. „Du wirst das bereuen!“ Ihre Stimme bebte, als er näher kam, unbeeindruckt von ihren Worten. Er schloss den Abstand. „Du wirst mich niemals haben, verstehst du?“ Sie wehrte sich wieder, aber er schien es nicht einmal zu merken. „Niemals!“, wiederholte sie gepresst, als er ohne jede Warnung den Kopf senkte, und ihre Lippen verschloss. Sie roch bereits den schweren Alkohol, den er getrunken haben musste und zog angewidert den Kopf zur Seite.

 

„Nein!“, rief sie wieder, aber er hielt sie in seiner zornigen Umarmung gefangen. Sie spürte die Wärme seiner nackten Haut, und sie hasste ihn. Alles an ihm! Und ja, sie war selber schuld. Sie hatte nicht nachgedacht. Mit einer herrischen Geste, hielt er ihr Kinn gefangen, küsste sie wieder grob, ohne Emotionen, und sie wimmerte gegen seine ungnädigen Lippen.

 

Er tat jetzt hier, was er vorher auf der Eisfläche nicht hatte tun wollen. Und jetzt tat er es nur zu gierig!

 

Und er schaffte es, sie an sich zu ziehen, so dass ihre Arme nutzlos auf seinen Schultern lagen. Sofort zog sie an seinen Haaren, kratzte über seinen Nacken, versuchte, ihm wehzutun, aber er biss kurzerhand in ihre Unterlippe, so fest, dass sie aufschrie.

Er löste sich kurz von ihr. Seine Augen waren dunkel vor Gefühlen. Alle Gefühle tobten in dem eisigen Grau, was sie gelernt hatte zu verabscheuen. Ihre Unterlippe schwoll an, mit wiederkehrendem Schmerz.

 

Ihre Brust war gegen seinen nackten Oberkörper gepresst, bebte unter jedem gehetzten Atemzug, und er schlang eine Hand grob um ihren Nacken, wischte mit dem kühlen Daumen über ihre Wange und sah sie fast verächtlich an.

 

„All diese aufgemalte Schönheit kann nicht verstecken, wie widerlich du wirklich bist“, informierte er sie rau.

 

„Fick dich, Malfoy!“, spuckte sie ihm entgegen, und er quittierte es mit einem bösen Lächeln. „Wenn du-“, begann sie, aber er unterbrach sie, küsste sie erneut, und ihre Worte verstummten unter seinen Lippen. Effektiv lag seine Hand immer noch um ihren Nacken geschlungen, zwang sie, stillzuhalten, und sie zog und zerrte an seinen Schultern. Mit der anderen Hand riss er an ihrem Kleid, löste den Rock immer weiter von der oberen Hälfte, und sie zuckte und wimmerte unter jedem Reißen gegen seine Lippen.

 

Seine Hand lag plötzlich auf ihrer bloßen Hüfte, Haut an Haut. Seine Augen waren geschlossen, während er ihre Hände nun zwang, auf seinem Oberkörper zu liegen. Er zwang sie rückwärst gegen den bogenartigen Durchgang aus hellem Holz, und kurz blieb ihr bei dem Aufprall dagegen die Luft weg. 

 

Sie wollte weg von ihm, wollte rennen – wollte einfach nur weg, aber er ließ sie nicht. Seine Augen waren immer noch geschlossen, und sein Mund verließ ihre Lippen, küsste ihre Wange, die Linie ihres Kiefers, ihren Hals, während sie weinte, während sie ihn beleidigte, während sie versuchte, ihn von sich zu schieben.

 

Er richtete sich auf, und sie sah in sein Gesicht, blinzelte die Tränen fort, und sein Ausdruck hatte sich verändert.

 

Hunger stand in seinem Blick. So würde sie es nennen, und es raubte ihr kurz die Luft, um zu schreien und ihn weiter zu beleidigen. Er zerrte sich sein Hemd vom Körper. Kurz sah sie den verblassten dunklen Schimmer an seiner Seite.

 

Seine Wunde, fiel ihr träge wieder ein. Sie war immer noch nicht vollständig verheilt. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich nicht mehr wehrte. Er riss in einer kraftvollen Bewegung den Rock von ihren Hüften so dass sie nur noch das funkelnde Oberteil des Kleides trug, ihr Höschen und die hohen Schuhe.

 

Sein bloßer Oberkörper war muskulös, sehnig, und geeignet dafür Ausdauersport zu machen. Sie hasste, dass sie nicht dieselbe körperliche Kraft besaß. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie Beule in seiner dunklen Anzughose, und sie war so heillos überfordert. Sie weinte noch immer, aber sie schrie nicht mehr.

 

Was gab es noch zu schreien? Es kam sowieso niemand hierher. Er hatte ihr Kleid tatsächlich zerstört, und jetzt? Jetzt wollte er sie…? Zwingen.

 

Seine Hände griffen plötzlich fast erschreckend sanft nach ihrem Gesicht, hielten es fest, während er langsam den Kopf senkte. Sie fragte sich, wie betrunken er wohl wirklich sein musste, und sie ließ den Kuss über sich ergehen.

Es würde kein Weg daran vorbeiführen, nahm sie an.

 

Dass er mit ihr schlief. Wenn sie es jetzt schaffte, zu fliehen, dann würde sie es aber wohl oder übel dennoch tun müssen, ansonsten würde die Ehe annulliert werden, oder was auch immer – und es wäre ihre Schuld. Und sie hätte nichts erreicht. Sie wusste nicht mal mehr, ob ihre Gedanken noch einen Sinn ergaben.

 

Ihr Körper tat weh von seiner Gewalt, von ihren Versuchen, zu entkommen, und jetzt gerade war sie einfach nur müde und erschöpft. Er durfte solche Gewalt nicht anwenden, aber er tat es doch. Sie war so wütend auf ihn. Sie hasste ihn so sehr! Er würde das nie wieder gut machen können! Und sie würde es ihm niemals vergessen, ihm niemals verzeihen! Er war nichts weiter, als ein widerlicher Todesser, der-

 

- seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen, so dass all ihre überflüssigen Gedanken abrupt abbrachen.

 

Sie spürte, wer Abstand zwischen sich und ihm enger wurde, wie er gänzlich verschwand, wie ihr Herz hämmerte, das Blut in ihren Ohren rauschte, als er den Arm um sie geschlungen hatte, sich seine Lippen öffneten – und er sie hochhob. Er trug sie! Weg vom Türrahmen, weiter ins Esszimmer, und er setzte sie auf die Tischkante. Danach löste er sich kurz von ihren Lippen.

 

Ihre Finger hatten sich um seinen Nacken versteift, denn sie hatte sich festhalten müssen. Er stand zwischen ihren Beinen, und unter ihren Wimpern sah sie zu ihm auf. 

 

Und oh Gott! Es war dieses lästige Gefühl! Dieses seltsame Gefühl, was sie schon am Morgen nach ihrem Junggesellinnenabschied so gehasst hatte. Diese seltsame Elektrizität, die von ihm ausging, dieses Gefühl von… - Gott! Nein!

 

Und es verging diese eine bedeutungsschwere Sekunde. Ihre Hände lagen absolut nutzlos auf seinen nackten Schultern. Röte musste ihre Wangen bereits sprengen, und kurz schien er ihr die Zeit zu geben, dachte sie.

 

Er stand vor ihr, die Arme hingen an seinen Seiten, aber sie wusste, gleich wäre der Moment vorbei. Sie spürte ein seltsames Gefühl in ihrem Unterleib, und es war nicht gut! Gar nicht gut! Denn so konnte sie sich unmöglich wehren.

 

Sie konnte nicht, wie an jenem Morgen, rückwärst über das Bett vor ihm fliehen.

 

Sie saß vor ihm, er zwischen ihren Beinen, und dieses furchtbare Gefühl war fast zu mächtig für sie. Seine Präsenz erschlug sie fast, seine unverhohlene Sexualität, seine ganze Erfahrung, seine Ungeduld, und sein Blick. Sein Blick war so anders! So absolut…-

 

Sie musste schlucken.

 

Und die Sekunde war fairerweise vorbei. Und sie war eine dumme Kuh.

 

Er schloss den Abstand so heftig, dass sein Mund praktisch auf ihre Lippen krachte. Ihr Unterleib explodierte förmlich. Seine Zunge drang zwischen ihre Lippen und sie keuchte auf, als das Gefühl sie erfasste. Er fuhr mit der Zunge an ihrer entlang, und sie spürte die Hitze augenblicklich in den Wangen, und das seltsame Gefühl in der Magengegend verstärkte sich um das Dreifache. Es war ein unangenehmes Prickeln, und sie war stocksteif vor Schreck.

 

Sie fiel in eine seltsame Trance, gefangen von seiner Nähe, der Härte seines Körpers, ihr Herz flatterte unkontrolliert und machte einen gefährlichen Satz, als sie das leise Geräusch hörte, was seinem Mund entwich. Es war ein fast unhörbares Stöhnen, und es schickte tausend Schauer ihre Wirbelsäule hinab.

 

Sie schmeckte den Alkohol auf seinen Lippen. Es war fast toxisch, dieses Gefühl. Und sie wusste, es war so ein großer Fehler, sich jetzt von irgendwelchen pubertären Schwankungen lenken zu lassen, vor allem nach der er sie gezwungen hatte, Gewalt angewandt hatte, um –

 

-mit einem zornigen Knurren zerriss er ihr Höschen. Sie zog den Kopf zurück, Scham auf ihrem gesamten Gesicht, wahrscheinlich flächendeckend ausgebreitet, während sie nicht fassen konnte, dass das jetzt passierte!

 

Hier auf dem Esszimmertisch! Einfach so! Er konnte nicht-

 

-er zog sie wieder an sich, während er seine Hose öffnete. Sie hörte das Klirren der Gürtelschnalle, vernahm das Reißen des Reißverschlusses, und dennoch war sie benebelt von seiner Zunge, die ihren Mund erkundete. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern, reglos, effektlos, und sie spürte, wie er sich positionierte.

 

Ihre Augen flogen auf. Sie war so unglaublich feucht, dass es schamlos war! Und mochte das hier als Vergewaltigung begonnen haben, so befürchtete sie fast, dass es jetzt gerade nicht mehr immer noch als solche zu deuten wäre.

 

„Malfoy“, entfuhr es ihr heiser, und er sah sie an, hörte nicht auf, griff unter ihren Po, um sie anzuheben. Er sah ihr in die Augen, schien ihr bedeuteten zu wollen, zu sprechen, oder was auch immer.

 

Sie wusste im Nachhinein nicht, warum, aber sie sagte kein einziges Wort mehr.

 

Er schien sich nicht beherrschen zu können; nicht zu wollen.

 

Seine Brust hob sich schneller, während er ungeduldig verharrte.

 

Und alles, was sie in dieser Sekunde dachte, war, dass es wehtun würde. Und wie sehr sie sich schämte. Und sie hasste ihn immer noch.

 

Er drang nach vorne, während er ihre Lippen mit seinen verschloss. Zuerst gab nichts nach, aber dann keuchte sie in seinen Mund, als er die Barriere fast mühelos überwandte, mit nur einem einzigen Stoß nach vorne, während sich etwas in ihrem Innern überraschend geweitet hatte. Sie klammerte sich praktisch an ihn, weinte wieder heiße Tränen, und er bewegte sich, ließ ihr keine Zeit, dieses Unglück zu begreifen, den Schmerz auch nur ansatzweise zu verdauen, zu bewältigen, und er entfernte sich, nur um wieder in sie zu stoßen, und sie weinte gegen seinen Hals.

 

Er küsste ihre Schulter, ihr Schlüsselbein, schien unendlich weit entfernt, während er mit einem rauen Stöhnen wieder in sie eindrang.


„Fuck…“, entfuhr es ihm fast genüsslich. „Fuck, Granger!“, keuchte er, und blind vor Tränen griff sie in seine vollen Haare, zerrte sein Gesicht zu sich nach oben, und sie küsste ihn, denn mehr fiel ihr nicht mehr ein, mehr wollte sie jetzt gerade gar nicht.

Er erwiderte den Kuss sofort, und sie zuckte zusammen, als seine Hand plötzlich zwischen ihre Körper glitt, und einen Punkt zwischen ihren Beinen fand, der bunte Sterne vor ihren geschlossenen Augen tanzen ließ.

 

Der Schmerz war so schnell abgeklungen, wie er gekommen war. Seine Stöße waren zu einem dumpfen Gefühl geworden, was sie gar nicht mehr wahrnahm. Seine Länge und seine Größe, ließen sie bei jedem Stoß nach Luft schnappen, und wahrscheinlich konnte sie gerade keinen größeren Fehler machen, nichts Verruchteres tun als das hier!

 

Und sie hasste sich, dass sie nicht einmal so tun konnte, als würde sie es hassen. Als würde sie hassen, dass er ihr Kleid zerrissen hatte, um mit ihr Sex auf dem Esstisch zu haben.

 

Denn sie hasste ihn nicht mal dafür! Sie hasste ihn. Aber nicht dafür.

Merlin, sie war so gefangen. Sie war nicht mehr sie selbst.

 

Seine Hand presste sich gegen ihren empfindlichen Punkt, und kurz wurde ihr schwarz vor Augen, als ihr erster Orgasmus in Wellen ihren Körper schüttelte. Er rammte sich so tief in sie, dass sie glaubte, sie würde zerbrechen, als er zitternd mit einem tiefen Grollen in ihr kam, während er seine Arme um ihren Körper geschlungen hatte. Seine Lippen küssten sie fast sanft, küssten ihr Gesicht, ihren Hals, bis sein Kopf schwer atmend auf ihrer Schulter zum Ruhen kam.

 

Er war immer noch in ihr, als die Punkte vor ihren Augen nachließen, und sie begriff, dass er sie so eben entjungfert hatte. Mit ihrer verdammten Erlaubnis dazu! Eine Träne fiel auf ihre Wange bei dieser Erkenntnis, und sie stank nach seinem Duft. Er war überall.

Sie war… seine Frau.

 

Sie hielt ihn noch immer fest, aber dann verging dieser Moment, und die Zeit tickte weiter.

 

Er hob träge den Blick.

 

„Ich-“, begann er rau, aber sie schüttelte fast ängstlich den Kopf.

 

„-nicht!“, unterbrach sie ihn gefasst. Sie wollte nichts von ihm hören. Gott, wie sie versagt hatte. Und das schon nach wenigen Stunden Ehe mit ihm. War sie es nicht gewesen, die sich geschworen hatte, niemals mit ihm zu schlafen? Ihn hängen zu lassen mit diesem Verlangen? Dass er wahnsinnig werden würde, weil sie sich verweigerte? Vor seinen Eltern wie das Elend in Person wirkte?

 

Und was tat sie?!

 

Merlin…! Sie sah sich um. Irgendwann hatte sie ihre Schuhe verloren. Ihr Kleid lag in Fetzen im Haus verteilt, und es waren zornige Tränen, die sie weinte. Sie schob ihn von sich, bemerkte die zähe Flüssigkeit zwischen ihren Beinen, glitt vom Tisch und verzog schmerzhaft das Gesicht, denn es tat verdammt weh, zu laufen.

 

Er war zu grob gewesen. Er war ein Arschloch gewesen, und jetzt brauchte sie nicht hören, wie er triumphierte! Wie er ihr schadenfroh noch ein paar Beleidigungen reindrückte, weil sie genauso dumm war wie alle Jungfrauen, die er wohl schon ‚erlegt‘ hatte!

Gott, wie sie sich selber hasste. Sie sammelte humpelnd ihre Kleidungsfetzen auf, würdigte ihn mit keinem Blick mehr, denn Scham erfüllte sie, während sie halb nackt durch ihr Haus stolzierte, eilig zu den Treppen, schleunigst nach oben ins Badezimmer.

 

Sie sah seinen Glücksbund zerknüllt auf dem Boden liegen. Nein, ihr hatte er kein Glück gebracht! Und sie konnte kaum noch schneller rennen.

 

Sie schlug die Tür des erstbesten Badezimmers hinter sich zu als sie es erreicht hatte, verriegelte sie von ihnen und wusste, das war kein glanzvoller Abgang gewesen. Sie hatte ihn nicht mehr angesehen.

Sie hatte nicht gekonnt. Jetzt gerade konnte sie seinen verdammten Triumph nicht ab!

 

Und sie schämte sich! Gott, wie sie sich schämte!

 

 

Kapitel 28

 

Er hatte sich angezogen. Er hatte sich einen Drink gemacht.

Er lehnte an der Tischkante, auf der er sie vor einer halben Stunde genommen hatte.

Leer starrte er geradeaus. Das hatte ihn alles an Kraft gekostet.

Und er konnte nicht. Er konnte sich nicht bewegen, er konnte nicht darüber nachdenken.

 

Er bekam endlose Kopfschmerzen, wenn er drüber nachdachte.

 

Sie duschte. Er hörte es. Sie duschte seit einer Weile. Er fuhr sich über das Gesicht, und er erschrak zutiefst, als die Tür vorne ins Schloss fiel.

 

Seine Mutter kam ins Wohnzimmer, ehe er sich sammeln konnte. Sie runzelte die Stirn.

 

„Was tust du hier?“, verlangte sie zu wissen. Zu viele Menschen konnten hier ein und ausgehen.

 

„Wieso haben wir nicht direkt hier gefeiert, Mutter?“, wollte er knapp von ihr wissen, während er noch einen Schluck Whiskey zur Beruhigung trank. „Es gehen doch ständig alle ein und aus“, entfuhr es ihm bitterer, als beabsichtigt. Sie wirkte kurz betroffen.

 

„Oh, nur heute, wegen… der Hochzeit“, schloss sie langsam, während ihr Blick auf einen übriggebliebenen gläsernen Schuh fiel und einen einsamen Fetzen Stoff des sündhaft teuren Kleides, welches er blind zerstört hatte. Er schluckte kurz, als der Blick seiner Mutter ihn traf.

 

„Was ist hier passiert?“, fragte sie also, mit sehr prüfendem Blick. Was passiert war? „Wo ist Hermine?“, fragte sie sofort, als er nicht antwortete, Panik in ihrem Blick. „Ist sie hier? Ist sie oben?“ Sie setzte sich in Bewegung, aber Draco sprach, ehe er sich abhalten konnte, und er hätte sich anschließend am liebsten dafür erschlagen, dass er so ein dämlicher Idiot war.

 

„Sie duscht“, unterbrach er seine Mutter, die bereits nach oben gehen wollte.

 

Sie… was?“ Narzissa hatte sich umgewandt, in der Bewegung innegehalten und starrte ihn an. Er verdrehte, zornig mit sich selbst, die Augen. „Wieso duscht sie?“, fragte sie so verstört, dass Draco den Blick senken musste. „Wieso hat – oh.“

 

Sie schwieg plötzlich. Er hörte sie ausatmen.

 

„Mutter“, begann er, aber Narzissas Blick war eisig.

 

„Draco, ihr seid erwachsen. Ihr seid verheiratet, aber es ist eure Hochzeit, und ich erwarte euch draußen. In zehn Minuten, hast du mich verstanden?“, fuhr sie ihn an, und selbst seine Mutter konnte also rot werden. „Und hör auf, dieses widerliche Zeug zu trinken! Du bist wie dein Vater!“, beleidigte sie ihn anschließend zornig. Er sagte nichts, und sie verschwand kopfschüttelnd und wütend aus dem Wohnzimmer.

 

Und jetzt? Was zur Hölle sollte er jetzt tun?!

 

Und äußerst widerwillig leerte er sein Glas. Und dann machte er den schweren Marsch nach oben. Und zum ersten Mal war er sich nicht völlig sicher, was er tun sollte.

 

Er hörte sie im ersten Badezimmer. Er blieb vor der Tür stehen, kaute auf seiner Lippe, und entschied, es gab keinen guten Zeitpunkt dafür. Er musste es einfach hinter sich bringen.

 

Er klopfte gegen das Holz und hörte sie im Innern innehalten. „Narzissa will uns draußen sehen“, sagte er also die ersten Worte, die besten Worte, die ihm einfielen. Zuerst glaubte er, sie hätte ihn nicht gehört. Dann, als er noch einmal klopfen wollte, entriegelte sie die Tür.

 

Erschrocken war er zurückgewichen. Sie öffnete schließlich.

 

„Ich kann es nicht reparieren“, gestand sie ein, während sie Fetzen des Kleides in den Armen hielt. „Ich habe keinen Zauberstab, und selbst mit Zauberstab…“ Sie unterbrach sich, beendete den Satz nicht, denn sie betrachtete den Stoff in ihrer Hand.

 

Merlin, es war unangenehm. Er wusste nicht zu sagen. Er zog seinen Zauberstab aus dem Hosenbund und gab ihn ihr. Sie nahm ihn nicht.

 

„Ich kenne keinen Zauber hierfür“, räumte sie kopfschüttelnd ein. Ihm fiel erst jetzt auf, dass sie ihn nicht ansah. Scheiße. Er fühlte sich beschissen.

 

„Dann zieh ein anderes Kleid an“, erwiderte er schlicht.

 

„Ich kann kein anderes Kleid anziehen“, sagte sie nur kopfschüttelnd, die Stimme seltsam gebrochen, und er wollte gehen. Er wollte hier nicht sein.

 

„Dann geh so“, sagte er achselzuckend, und sie hob den Blick – und er wünschte, sie hätte es nicht getan.

 

Sie hatte geweint, selbst er konnte es sehen. Selbst der dümmste Idiot konnte es sehen! Sie war blass geworden. Aber er konnte niemanden trösten. Und er wollte sie nicht trösten. Sie war niemand, den er… überhaupt kannte – oder kennen wollte. Und er war einfach nur ein Arschloch. Und jetzt… wusste er nicht, was er tun sollte.

 

„Sie wird wütend sein“, murmelte Granger, ohne ihn noch einmal anzusehen.


„Unsinn. Es ist ein scheiß Kleid, Granger. Es ist nicht die Welt“, fuhr er sie an. Sie zuckte zusammen, und für den Bruchteil einer Sekunde tat es ihm leid. Für den Bruchteil einer Sekunde wusste er definitiv, dass er sie vergewaltigt hatte. Und es war kein gutes Gefühl.

Und nicht einmal Granger wollte er so etwas wirklich antun. Aber es war zu spät für halbherzige Entschuldigungen, und sie wirkte nicht so, als wolle sie irgendetwas Derartiges hören.

 

„Zieh… zieh dir ein anderes Kleid an. Irgendetwas wird in deinem Schrank hängen. Es ist egal“, wiederholte er mit mehr Nachdruck. „Mir ist es egal, was du anhast“, versuchte er es erneut, als sie nicht reagierte. Dann hob sich ihr Blick. Eine Kälte war in ihren Blick gekrochen.

 

„Und du denkst, deine Meinung bedeutet irgendetwas, weil du das Sagen hast, Malfoy?“, erkundigte sie sich scharf bei ihm, zu scharf, als dass es ihm nicht auffallen könnte. „Weil du alles bestimmst? Immer Recht hast? Weil du der König bist, dem alle gehorchen zu haben, oder du zwingst sie dazu?“

 

„Ich habe dich nicht gezwungen!“, entfuhr es ihm gepresst, ein wenig zorniger, und ihre Augen weiteten sich ungläubig. „Zumindest nicht, als – es ist egal!“, unterbrach er sich gereizt. „Merlin, zieh dir ein scheiß Kleid an oder lass es bleiben. Ich gehe wieder raus, und wenn du nicht kommst, ist es nicht mein Problem!“, knurrte er.

 

„Ein wahrer Gentleman, mein Ehemann!“, spuckte sie ihm freudlos entgegen, und er lehnte sich näher zu ihr.


„Jeder bekommt, was er verdient, Mrs Malfoy. Jeder bekommt, was er verdient“, wiederholte er mit einem bitteren Ausdruck, und bei ihrem Namen verzog sie fast schmerzhaft ihren Mund. Sie sah ihn an. Und er konnte nicht mal sagen, dass es nicht gut war. Er würde ihr gerne sagen, dass sie nicht mal gut gewesen war, aber es wäre gelogen, und er wollte nicht lügen.

 

Es reichte, wenn einer von ihnen beiden log. Denn er wusste, sie log. Er wusste nicht, weswegen, aber er kannte sie wohl gut genug, um zu wissen, dass sie ihn ganz bestimmt nicht heiraten gewollt hatte. Unter keinen Umständen! Er wusste nur noch nicht, wieso sie log.

 

„Und danke“, ergänzte er kälter. „Für deine… Dienste vorhin“, erläuterte er, und ihr Mund öffnete sich langsam. „Sieh es als… deine Bezahlung dafür, dass du nun meinen Namen tragen darfst“, schloss er mit einem Lächeln.

 

„Malfoy, am besten verschwindest du, oder ich bringe dich um“, informierte sie ihn eisig.

 

Und schon wieder hatte er das seltsame Bedürfnis, sie gegen den nächsten Türrahmen zu pressen und ihr solche Widerworte auszutreiben. Wahrscheinlich sah er gerade auch genauso aus, denn sie wich unbewusst vor ihm zurück.

 

Er schenkte ihr ein feines Lächeln, welches den Argwohn sofort in ihre Augen trieb, er sah es genau. „Ich mag es rau. Vielleicht sparst du dir dein Temperament für später auf, Darling“, sagte er fast sanft. Röte war in ihre Wangen gekrochen, und ihr Atem hatte sich beschleunigt.

 

„Raus!“, rief sie zornig, und er zog sich mit einem überlegenen Ausdruck zurück, während sie die Tür wieder ins Schloss knallte.

 

Oh vielleicht könnte er es aushalten. Mit ihr. Sie würde sich zweifelsohne mit der Zeit verbessern, würde wissen, worauf er stehen würde, und wenn sie alles mit demselben Elan anging, wie diese seltsame Hochzeit voranzutreiben, nahm er an, dass es für ihn durchaus amüsant werden könnte.

 

Denn dass sie wild und unbändig war, das störte ihn überhaupt nicht. Dass sie andere Mädchen anschrie und rauswarf, weil er mit ihnen flirtete, machte ihn höchstens an.

Er könnte mit ihr Spaß haben, bevor er ihr Leben zur Hölle machen würde.

 

~*~

 

Der Schmerz in ihrem Unterleib war einem beständigen Pochen gewichen, das sie mit nur genügend Alkohol unter Kontrolle bekommen würde.

Harry unterstellte ihr bereits, noch nie so lustig gewesen zu sein, wie heute Abend, und sie hatte auch mit ihrem Vater getanzt.

 

Na ja, ihr Vater hatte sie festgehalten und geführt, und Hermine war ihm nur dreimal auf die Zehen gestiegen. Sie hatte all ihre natürliche Scham fortgetrunken und verbannte die skandalöse Erinnerung an Draco Malfoy und dem Esstisch so gut es ging, bis an das Ende ihres Gedächtnisses. Sie wusste, das würde nicht lange gut gehen.

 

Und sie wusste nicht, was in sie gefahren war! Sie wusste nur, es durfte nicht wieder vorkommen, dass sie sich so gehen ließ.

Und das Schlimme war, Narzissa sprach kein Wort mehr mit ihr. Und Hermine ignorierte auch das, so gut sie konnte.

 

Sie wusste nicht, warum Narzissa beleidigt war. Sie könnte Malfoy fragen, und dieser würde ihr dann wahrscheinlich sagen, dass Narzissa Bescheid wusste. Und Hermine wollte es gar nicht wissen. Und wenn sie nur zu lange darüber nachdachte, wurde sie selber wütend mit Narzissa, denn Narzissa war es doch gewesen, die unbedingt gewollt hatte, dass Hermine ihren missratenen Sohn heiraten sollte.

 

Also trank sie. Die Wirkung von genug Champagner wurde unterschätzt, stellte sie fest. Sie war fast schon ausgelassen. Fast schon so viel, dass es peinlich war.

 

Ihre Eltern kamen Arm in Arm auf sie zu. Schlimmer war, dass Malfoy betont gelassen neben ihnen schritt. Harry, Ron und Ginny wandten sich um.

 

„Hermine, wir wollen uns verabschieden. Es war eine herrliche Feier! So etwas habe ich noch nie erlebt!“, rief ihre Mutter aus, während sie sie an sich drückte. „Und dein Ehemann… ist ein großartiger Tänzer“, ergänzte sie lächelnd. Hermines Stirn runzelte sich. Hatte Malfoy mit ihrer Mutter getanzt?

 

Esstisch.

 

Das Wort kam ihr augenblicklich in den Sinn, als sie seinen Blick auf sich spürte. Und es war kein einfacher Blick. Nein, es war der Esstisch-Blick. Sie wurde rot bis unter den Haaransatz.

 

„Habt noch viel Spaß, Kinder“, sagte ihr Vater jetzt, drückte sie ebenfalls kurz an sich und reichte Malfoy die Hand. „Pass gut auf sie auf“, ergänzte er nur. Und Malfoy lächelte tatsächlich.

 

„Darauf können Sie sich verlassen, Mr Granger“, erwiderte er mit einem so eindeutigen Unterton, dass Hermines Herz einen unpassenden Satz machte. Oh Merlin!

 

„Auf Wiedersehen, ihr Lieben!“, rief ihre Mutter Ron, Harry und Ginny zu, und ihre Eltern verschwanden schließlich. Malfoy stand nun alleine vor den vier Freunden. Ron bedachte ihn mit einem besonders widerwärtigen Ausdruck. Immerhin hatte Ron aufgehört zu schweigen, nachdem sie vor einer Stunde volltrunken die Hogwarts-Hymne für ihn gesungen hatte. Es hatte ihn erweicht.

 

Jetzt allerdings schienen alle schlechten Malfoy-Erinnerungen zurückgekehrt zu sein, und Hermine befand sich wieder einmal zwischen den Stühlen. Und es sah so aus, als ob sie zu der Harry-Gruppe gehörte. Nicht zu der einsamen Malfoy-Gruppe.

 

Und Malfoys Blick ruhte auf ihr. Sie wusste nicht, ob er überhaupt bemerkte, wie er sie anstarrte! Es war fast schamlos, und es war ihr unendlich peinlich, sogar durch die Champagner-Wolke hindurch. Ihre Atmung beschleunigte sich unwillkürlich.

 

„Möchtest du irgendetwas Bestimmtes?“, zwang sie ihre Stimme zu kühler Raison, und er verzog kurz den Mund.

 

„Darf ich hier nicht stehen und dich ansehen?“, erkundigte er sich unschuldig, aber sie war nicht mehr wirklich fähig, die Scharade vor ihren Freunden aufrecht zu erhalten.

 

„Ich denke, wenn es nichts gibt, was du willst, dann kannst du genauso gut gehen, oder nicht?“, entgegnete sie, und sie spürte vor allem Harrys Blick auf sich. Aber sie war nicht bereit das Wettstarren mit Malfoy zu unterbrechen.

 

„Hm, du bist nicht mehr so zuvorkommend wie vorhin“, erklärte er nachdenklich mit einem eindeutigen Lächeln. Sie verengte die Augen.

 

„Nein. Und das gehört hier auch nicht hin“, schloss sie strenger. So streng es bei so vielen Gläsern Champagner eben noch möglich war.

 

„Vielleicht magst du Potter und Weasley davon erzählen?“, schlug er ihr lächelnd vor.

 

„Malfoy, halt den Mund!“, knurrte sie zornig.

 

„Ich sehe dich später“, informierte er sie, gerade, als sie explodieren wollte, und wandte sich nickend ab. Zornig hatte sie die Hände zu Fäusten geballt.

 

„Du magst ihn nicht sonderlich?“, stellte Harry gedehnt fest.

 

„Nein! Er ist einfach ein-“ Und sie fing sich gerade noch ebenso. Sie hatte Harrys Fangfrage nicht einmal als solche erkannt. Sie hob den Blick. Oh, Harry sah nicht freundlich aus.

 

„Du… nennst ihn beim Nachnamen“, stellte Ginny knapp fest. „Und du bist ziemlich wütend auf ihn“, fuhr sie langsam fort.

 

„Unsinn“, tat Hermine ihre Worte achselzuckend ab.

 

Die Stille, die folgte war unangenehm. Sie war noch nie so dankbar, dass Pansy zu ihnen kam.

 

„Na? Ist das die beste Hochzeit der Welt, oder was?“, wollte sie lächelnd wissen, aber schnell verlor ihr Ausdruck an Heiterkeit. „Was ist los?“, wollte sie plötzlich wissen.

 

„Malfoy und Hermine hatten Streit“, ließ sich Ron zu bösen Worten hinab. Hermine schüttelte nur abwesend den Kopf.

 

„Und? Gibt es sonst was Neues? Weasley, du solltest wissen, dass der beste Streit im besten Sex resultieren kann, wenn man es richtig anstellt“, maßregelte Pansy Ron, und Hermine spürte erneut die Hitze. „Nicht wahr, Hermine?“, fragte sie zwinkernd, aber Hermine war so rot, Pansy musste nicht mal zwinkern.

 

„Pansy!“, entfuhr es Hermine peinlich berührt.

 

„Aber… wie ich sehe, weißt du das bereits?“, vermutete Pansy, und Hermine vergrub das krebsrote Gesicht in ihrer Hand. Und es war Ron, der daraufhin uncharakteristisch vortrat.

 

„Parkinson, kannst du mittlerweile tanzen?“, fragte er schroff und schritt bereits zur Eisfläche. Pansy folgte ihm verblüfft. Harry und Ginny sahen sie beide äußerst angewidert an. Wahrscheinlich weil Hermine so rot geworden war, was praktisch ein Geständnis gewesen sein musste, auf Pansys Andeutungen hin. 

 

„Hermine, hast du-?“ Aber Hermine schüttelte hastig den Kopf.

 

„Oh, können wir bitte über alles reden? Nur nicht über… nicht über… - alles sonst, ok?“, wich Hermine ihr hastig aus. Ginnys Auen weiteten sich kurz, ehe sie schließlich nickte.

 

„Seit wann tanzt Ron mit Pansy?“, wollte sie gedehnt wissen. Hermine setzte das nächste Glas an die Lippen.

 

„Keine Ahnung“, murmelte sie, froh, ihre Gedanken ablenken zu können. „Wirklich keine Ahnung.“

 

~*~

 

„Hey, ich dachte, du wolltest tanzen!“, rief sie ihm nach, als er die Wärme der Party verlassen hatte.

 

„Habe es mir anders überlegt“, knurrte er zornig und trat nach einer Schneewehe, auf seinem Weg, das Grundstück zu verlassen.

 

„Weasley, vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber der Wärmezauber reicht nicht bis hierhin!“, erinnerte sie ihn, während sie eine Gänsehaut bekam.

 

„Dann geh einfach!“, rief er wütend. Sie schloss zu ihm auf.

 

„Gott, du benimmst dich wie ein Kind!“ Er wandte sich zornig um. Der Zorn auf seinem Gesicht verflüchtigte sich leicht, als er bemerkte, wie stark sie zitterte.

 

„Für deinen Aufzug ist es zu kalt. Du solltest gehen. Ich brauche keine Hilfe“, erklärte er und bemühte sich um Ruhe in seiner Stimme.

 

„Mein Aufzug?“, wiederholte sie langsam, und er deutete mit einer entsprechend genervten Geste auf ihren Körper.  „Mein Aufzug, Weasley, ist ein achttausend Galleonen teures Cocktailkleid, was wohl kaum so einen abfälligen Namen wie ‚Aufzug‘ verdient hat!“, erklärte sie beleidigt. Gott, er war so blöd!

 

„Schön, dann sollten du und dein Kleid zurück zur Party gehen. Ich habe genug“, erklärte er. Sie verdrehte die Augen.


„Du tust so, als wäre es vollkommen unerwartet, dass Hermine und Draco geheiratet haben, aber du wusstest das!“, informierte sie ihn gereizt. Sie rieb sich die bloßen Oberarme.


„Du wirst dir den verfluchten Tod holen“, knurrte er nur, zog sich widerwillig das Jackett aus und legte es ihr unbeholfen um die bloßen Schultern. Sie ließ diese Geste über sich ergehen.

 

„Du magst sie, oder?“, fragte Pansy plötzlich unvermittelt.

 

„Wen?“, wollte er wissen. „Hermine? Ja, natürlich mag ich sie. Wir sind beste Freunde, wir-“

 

„-nein, ich meine…“ Sie unterbrach sich selber. Und er starrte plötzlich ins Leere. Die Hände zu Fäusten geballt.

 

„Das hatte ich mal gedacht“, gestand er tatsächlich ein, und Ärger zuckte über seine Züge, „aber das ist nicht mehr so. Wie könnte es so sein, Parkinson, erklär mir das? Sie… hat Malfoy genommen! Sie macht sonst was mit ihm, und kann ihn nicht mal leiden!“, brauste er auf.

 

„Manchmal“, begann Pansy ruhiger, „mag man jemanden, obwohl er Fehler macht“, sagte sie.

 

„Ach ja? Meinst du damit Malfoy oder mich?“, wollte er angriffslustig wissen.

 

„Ich meine damit Hermine“, klärte sie ihn mit erhobener Braue auf. Weasleys Mund öffnete sich knapp.

 

„Du sagst also, dass sie Malfoy geheiratet hat, war ein Fehler gewesen?“ Sie atmete daraufhin aus.

 

„Nein, aber du siehst es so. Aber ich bin sicher, du hast auch schon mal einen Fehler gemacht“, erklärte sie streng. Und er wandte tatsächlich ertappt den Blick.

„Weißt du“, sagte sie langsam, „du kannst es ihr nicht ewig vorwerfen.“ Es wurde langsam anstrengend mit ihm, befand sie.

 

„Ich verstehe nicht, wie sie sich damit abfinden kann! Mit Malfoy! Mit diesem… Reinblüter-Quatsch!“, fing er wieder an.

 

„Du bist selber Rein-“

 

„-nein!“, schrie er jetzt aufgebracht, so dass sie abrupt schwieg. „Nein, Parkinson! Das bin ich nicht, Merlin noch mal! Denkst du das wirklich? Dass ich so bin wie ihr?“, wollte er außer sich wissen, und sie blinzelte verblüfft.

 

„Wie ihr?“, wiederholte sie langsam.

 

„Ja!“, rief er verzweifelt. „Du machst doch dieselbe Scheiße!“ Er schüttelte den Kopf. „Ich möchte wirklich alleine sein, ok?“ Er versuchte wieder, sich zu beruhigen, aber seine Fäuste zitterten unkontrolliert.


„Es ist nicht alles Scheiße, was wir tun!“, rechtfertigte sie sich zornig. Dann wandte er sich um.

 

„Ach nein?“ Und plötzlich trat ein zorniges Funkeln in seine blauen Augen. Er war wirklich sauer. Tapfer streckte sie den Rücken durch. „Und wie oft hast du deinen Verlobten schon gesehen? Wie oft hat er dir geschrieben? Wie sieht er aus? Hat er irgendwelche Hobbys, Lieblingsbücher, die du kennst?“, wollte er jetzt kalt wissen, und sie verzog den Mund.

 

„Ich erfahre alle diese Dinge mit der Zeit“, wich sie ihm energisch aus.


„Oh, ja! Das klingt verflucht fantastisch, oder nicht?“, knurrte er. „Das ist echte Liebe, oder? Man heiratet irgendeinen Unbekannten Vollpfosten, und weiß nicht mal seinen Vornamen!“

 

„Ich kenne seinen Vornamen!“, rief Pansy wütend. „Ich weiß alles, was wichtig ist!“, brachte sie zitternd vor Wut hervor.

 

„Ja, du kennst das Vermögen in seinem Verlies! Mehr nicht, Pansy! Mehr nicht!“, schrie er, und sagte zum ersten Mal ihren Vornamen.

 

„Und du denkst, du bist ein Geschenk für jedes Mädchen, oder wie darf ich das verstehen, Weasley?“, fragte sie und verschränkte die Arme unter seinem Jackett. „Mit deinen Ansichten, die niemand anzweifeln darf, die niemand kritisieren darf – mit deiner sorglosen, blauäugigen Einstellung, die alles andere als ein sicheres Leben garantiert!“

 

„Sicheres Leben?“, rief er hysterisch aus. „Wir sind die Kriegsgeneration! Denkst du, so etwas brauche ich? Ein sicheres Leben, garantiert durch lebenslangen Zwang?!“

 

„Es ist kein Zwang!“, rechtfertigte sie sich, mittlerweile heiser vom Schreien.

 

„Nein, sicher nicht!“, rief er belustigt. „Hermine liebt Malfoy! Das war schon immer so! Gott! Sag mir, dass du deinen Idioten liebst!“, forderte er plötzlich mit einem überlegenen Grinsen. „Bitte, sag es mir. Und sag mir genau, was es an ihm ist, dass dich überzeugt hat.“

 

„Du bist ein Idiot“, erwiderte sie kopfschüttelnd.

 

„Weil du es nicht kannst, oder? Du kannst mir nicht eine gute Eigenschaft an ihm nennen. Sofern du überhaupt irgendetwas über ihn weißt!“, ergänzte er triumphierend.

 

„Er ist ein guter Mann. Er ist fleißig und rechtschaffen“, sagte sie kopfschüttelnd.

 

„Und woher weißt du das? Hat er dir eine Bewerbung geschickt? Mit Resümee und Lebenslauf? Mit Foto und Referenzen von all den armen Frauen, die er mit seinem Reinblüterschwanz bereits beglücken durfte?“

 

Und bevor sie sich hinreißen würde, noch ein einziges Wort zu sagen, hatte sie sich im Schnee von ihm abgewandt und dankte Merlin, dass ihre Schuhe imprägniert waren. Sie wunderte sich, dass der Schnee nicht unter ihren Füßen schmolz, so wie der Zorn in ihrem Innern kochte.


„Hey!“, rief er ihr wütend nach. „Mein Jackett!“

 

Und sie blieb stehen, atmete zornig aus, ehe sie sich das Jackett von den Schultern riss, zurück stapfte, und direkt vor ihm stehen blieb.

 

„Du weißt überhaupt nichts, Weasley!“ Sie knallte das Jackett mit voller Wucht in seine Arme. „Du bist ein gemeiner, missgünstiger Bastard, der nicht ertragen kann, wenn andere glücklich sind!“, schrie sie außer sich. Er pfefferte das Jackett in den Schnee und schloss den Abstand.

 

„Ja, du klingst verdammt glücklich, du dumme Slytherin-Ziege! Du bist eine scheiß Reinblüterin-Prinzessin mit Ansichten vom vorletzten Jahrhundert, die uns allen-!“

 

Und sie war es gewesen, die die letzten Zentimeter überwunden hatte. Und sie hatte als erste ihre Lippen auf seinen Mund gepresst und seine Worte gestoppt.

Und sie spürte die Kälte für einen Moment nicht mehr.

 

Denn sie küsste Ronald Weasley, und ihr kühnes Herz explodierte in ihrer Brust.

 

 

Zuerst dachte sie, er wäre versteinert, aber dann hob sich seine Hand langsam zu ihrem Gesicht, seine Finger strichen blind ihre kinnlagen Haare hinter ihr Ohr, ehe er den Abstand vollends schloss und sich ihre Zungen praktisch gleichzeitig trafen.

 

Sie hatte die Arme um seinen Nacken gelegt, während seine Arme sich um ihre Hüfte geschlungen hatten. Sie hatte nicht erwartet, dass er so gut küssen konnte. Sie hatte gedacht, er hätte keine Ahnung davon, und jetzt bekam sie weiche Knie, unter den Bewegungen seiner Zunge, unter der Kraft seiner Quidditch-Arme.

 

Und sie war es auch, die den Kuss beendete. Sie zog den Kopf zurück, und nur widerwillig ließ er das zu. Sie starrte ihn mit großen Augen an. Oh nein! Was hatte sie getan?

Wahrscheinlich war das kein korrektes Verhalten von einer verlobten Reinblüterin.

 

„Du…“, keuchte sie völlig überrumpelt, „du… küsst mich nicht noch einmal, Weasley, hast du verstanden?“, flüsterte sie, mit hochroten Wangen. Und tatsächlich war all sein Zorn verflogen.

 

Und sie erwartete, dass er ihr überheblich erklärte, dass sie diejenige gewesen war, die ihn geküsst hatte, aber er nickte langsam. „Ok, Pansy“, sagte er rau und sein Blick fiel auf ihre Lippen. Und sie hoffte wirklich, er würde sie gleich loslassen, denn sonst… würde sie ihn bestimmt noch einmal küssen.

 

Oh Gott…. Sie musste dringend aufhören. Sie durfte keine Zeit mehr mit ihm verbringen.

Sein Kopf senkte sich sehr langsam, und während sie wirklich plante, wegzulaufen, schlossen sich ihre Augen bereits erneut….

 

 

Kapitel 29

 

Sie kehrte zurück in die Welt der Lebenden. So kam es ihr vor. Sie hörte ein seltsames Geräusch. Ein Reißen.

 

Ein Reißen?

 

Ja, ein Reißen, entschied ihr müdes Gehirn. Sie musste schlafen. Eigentlich noch ein Jahrhundert lang. Aber da war das Geräusch schon wieder.

 

Ihre Augen mussten zusammen geschweißt worden sein, denn sie brauchte mehrere Anläufe, um sie zu öffnen. Ihr Kopf drehte sich einen kurzen Moment lang, ehe auch dieses Gefühl abebbte.

 

Sie tauchte aus vielen grauweißen Kissen empor.

 

Sie lag… auf einer Couch.

 

Es war taghell. Sie lag auf ihrer Wohnzimmercouch. Diese Dinge kristallisierten sich alle sehr langsam heraus. Sie trug ein unbequemes Kleid. Hatte sie es sich angezogen? Es warf tausend Falten, hatte bereits einige Flecken und ein winziges Brandloch am Saum.

 

Sie runzelte die Stirn. Dann hörte sie das Reißen erneut und hob erschrocken den Blick.

 

Buntes Papier flog in ihr Sichtfeld.

 

Geschenkpapier.

 

Er saß im Sessel. Nur wenige Meter neben ihr, und sie zuckte erneut zusammen.

 

„Malfoy“, kam ihre Stimme unscharf über ihre Lippen. Er hatte zerstrubbelte Haare, trug aber bereits andere Kleidung. Sie brauchte noch einen Moment, während er überhaupt nicht reagierte.

 

Es war nicht Hogwarts. Es war ihr Haus. Sie war verheiratet mit Malfoy.

 

Und er war ein Arschloch.

 

„Du packst die Geschenke ohne mich aus?“

 

„Du hältst deinen Koma-Schlaf. Ich hatte gehofft, du wärst gestorben, Granger“, erklärte er. Ohne ein ‚Guten Morgen‘ in ihre Richtung, ohne den Blick überhaupt zu heben.

 

Sie hatte Sex mit ihm gehabt!

 

Sie stand so schnell auf den Beinen, dass ihr beinahe schwindelig wurde. Sie hatte es wieder verdrängt. Oh Merlin!

 

Jetzt hob sich langsam sein Blick. Ihr Mund hatte sich schockiert geöffnet.

 

„Was?“, wollte er angriffslustig wissen, aber sie wollte nichts sagen. Sie erkannte auf dem Tisch ein Salz- und Pfefferstreuer-Set aus Kristall, weitere Eirichtungsgegenstände, viele Töpfe, Brater und Auflaufformen – mit denen sie nichts würde anfangen können! Dann viele Kleidungsstücke für Puppen – nein, sie dachte nicht an Babys, sie dachte konsequent an Puppen!

 

Und jetzt riss er das Papier achtlos von einer weißen Box.

 

Seine Augen senkten sich auf die Packung.

 

„iPad?“, las er das Wort falsch ab. Sie nahm an, es musste von ihren Eltern sein. Andere Muggel waren nicht dort gewesen. Sie schnappte die Karte aus dem zerfetzten Papierberg.

 

„Meine Lieben“, las sie die Schrift ihres Vaters vor, „benutzt es ruhig beide. Ich habe ein Konto eingerichtet, damit ihr kein Ärger mit dem Wechselkurs haben müsst“, las sie weiter. „Damit du nicht ganz vom Schuss abkommst, und den Wert von Muggel-Spielzeug weiterhin schätzt, Hermine“, schloss sie lächelnd. „Vorsichtig!“, fuhr sie Malfoy sofort an, als er den Deckel von der Box gehoben hatte und probehalber gegen das Glas des iPad Air klopfte.

 

„Was soll das sein?“, fuhr er sie an. „Irgendeine Muggel-Scheiße, die niemand braucht?“

 

 Hermine schluckte die zornigen Worte und die Tränen runter, die ihr aufkamen, bei diesem lieben und viel zu teurem Geschenk ihres Vaters. Malfoy war ein undankbarer Scheißkerl, der es noch fertig bringen würde, das iPad kaputt zu machen, ehe Hermine es hatte aufladen können! In den Genuss solcher feinen Spielzeuge der Muggel-Technik kam sie tatsächlich nur, wenn sie Zuhause bei ihren Eltern war. Wo sie nie mehr sein würde!

 

Als die kleine Elfe erschien, schrie Hermine leise auf.

 

„Die Herrin wünscht Sie zu sehen“, sagte sie mit kläglicher Stimme, und Malfoy bedachte sie mit einem genervten Blick.

 

„Ja, ja“, knurrte er der Elfe zu.


„Sei nicht so unhöflich, Merlin noch mal!“, maßregelte Hermine ihn. „Wir kommen“, sagte sie, zur Elfe gewandt. Diese nickte panisch und verschwand. Hauselfen hatten hier kein leichtes Leben. Gut, wenn sie hier wieder verschwinden würde. Besser früher als später, sonst ließe sie sich noch hinreißen, einige der armen Kreaturen in ihrem Martyrium zu befreien.

 

„Ich gehe“, erklärte er ohne Umstände, schenkte dem iPad keine weitere Beachtung, und ließ sie zurück.


„Ja! Es sieht super aus, wenn wir getrennt erscheinen, du egoistischer Scheißkerl!“, knurrte sie zornig, und er wandte sich übergangslos um.

 

„Ich weiß, du bist mit diesen Traditionen nicht wirklich vertraut, Schlammblut, aber ich darf dich vögeln, wann ich will, schlagen, wann ich will, dich benutzen und wegwerfen, wie es mir gefällt!“, klärte er sie eisig auf.

 

„Gestern war gestern, Malfoy. Heute ist heute. Es wird sich nicht wiederholen, du verdammtes Todesser-Arschloch! Und wenn du auf deinem Zahnfleisch daherkommst und mich anbettelst! Selbst wenn du mich folterst, es wird nicht mehr passieren, was gestern passiert ist!" vermied sie, das böse Wort zu sagen. Sie würde keinen Sex mehr mit ihm haben.

 

Kurz musterte er sie. „Du denkst doch nicht ernsthaft, ich bin auf deine Gnade angewiesen? Gestern war nur das Beispiel von Macht. Ich bekomme, was ich will“, entschied er, überlegen zu erwidern.

 

„Ach ja?“, forderte sie ihn heraus, die Hände in die Hüften gestemmt. „Du wolltest also ein Schlammblut heiraten, richtig?“, benutzte sie hasserfüllt das Wort, was er immer verwandte. Er verzog kurz den Mund, aber ehe er antworten konnte, sprach sie weiter. „Nein, Malfoy. Das wolltest du nicht. Du warst nur zu feige und zu schwach, eine Entscheidung zu treffen, die dein Vater nicht akzeptieren würde, weil du, wie ein kleiner Junge, nicht ohne deine Eltern existieren kannst!“

 

Er hatte die Hand im Zorn gehoben und ausgeholt. Ihre Augen schlossen sich praktisch automatisch, denn mehr konnte sie nicht tun – aber der Schlag blieb aus.

 

„Mach so weiter“, knurrte er, sehr nahe, „und du wirst dir wünschen, ich hätte dich nicht genommen. Die Sache auf dem Esstisch wird dir wie Blümchen-Sex vorkommen, im Vergleich zu dem, was dich erwartet“, flüsterte er praktisch. Ihre Lider flatterten auf. 

 

„Ich wünsche mir bereits, du hättest mich nicht genommen“, erwiderte sie genauso leise, ihr Ausdruck war härter geworden. Kurz schien er verwirrt über ihre Worte. Sein Mund öffnete sich knapp, aber sie hatte sich abgewandt.

 

Sollte er ihr ruhig drohen! Es würde nicht wieder passieren, dass sie Angst vor ihm hatte! Und sollte er doch ruhig im Dunkeln tappen! Sollte er sich doch einfach wochenlang fragen, was sie damit hatte sagen wollen! Er würde noch wahnsinnig werden. Und es freute sie ungemein!

 

Allerdings musste sie schlucken, wenn er der Annahme war, das gestern wäre Blümchensex gewesen, denn für ihr erstes Mal war es ihr reichlich brutal vorgekommen, wenn sie sich denn erlaubte, daran überhaupt zu denken.

 

Was… wäre denn dann kein Blümchensex, fragte sie sich unwillkürlich, und ein Schauer rann ihre Wirbelsäule hinab, als sie die Stufen noch schneller nach oben lief.

 

~*~

 

Als sie drüben angekommen und ins Esszimmer geführt worden war, saß die Familie bereits.

 

Narzissa würdigte sie mit keinem Blick.

 

„Du bist zu spät“, sagte sie nur. „Draco sagte mir, du hast über deinen Durst getrunken und warst außer Stande, aufzustehen?“, wiederholte sie wohl die dreiste Lüge, die ihr feiner Sohn ihr aufgetischt hatte.

 

„Nein, Narzissa. Es geht mir wunderbar“, log sie jetzt. Ihr Kopf dröhnte leicht, aber es war auszuhalten. Aber wunderbar war dennoch etwas anderes….

 

„Was sind eure weiteren Pläne?“, unterbrach Lucius das unfreundliche Gespräch.

 

„Ich reise heute ab“, warf Malfoy ein, ohne den Blick vom Tagespropheten zu heben, der vor ihm auf dem Tisch, neben seinem Teller lag. Richtig. Er fuhr weg. Hermine biss sich auf die Lippe. Eigentlich begrüßte sie es, dass er ging. Dann musste sie ihn nicht sehen.

 

„Ohne Hermine?“, erkundigte sich Lucius knapp, und Malfoy hob den Blick.

 

„Sie will nicht mit“, log er achselzuckend. Aber… sie wollte auch nicht mit. Eher grub sie den verschneiten riesigen Garten um. Die Deko war wieder verschwunden. Alles sah aus wie zuvor. Als wäre niemals etwas gewesen.

 

„Wie hat dir die Hochzeit gefallen, Hermine?“, unterbrach Narzissa das Gespräch, den Blick nun auf sie geheftet. „War alles angenehm? Oder hattest du gar nicht wirklich Zeit, alles wahrzunehmen?“, fragte sie sanft, aber ihre Augen blieben kalt. Hermine runzelte die Stirn.

 

„Bist du sauer auf mich?“, fragte sie direkt. Narzissa lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. Hermine kannte diese Art von Lächeln bereits von allen Malfoys hier, stellte sie entnervt fest.

 

„Nein, Liebes, warum sollte ich sauer sein?“, fragte sie kühl. Aber Hermine spielte weder mit dem einen Malfoy, noch mit dem anderen Malfoy irgendwelche Arten von Spiele.

 

„Na ja“, begann sie, während sie Butter auf ihr Brötchen schmierte, „weil du aussiehst, als ob du mich umbringen möchtest“, erläuterte sie knapp.

 

„Lächerlich“, wiegelte Narzissa konsterniert ab. „Vielleicht können wir gerade einfach nicht auf derselben Wellenlänge sprechen, Hermine“, blockte sie jedes weitere Wort von ihr ab. Hermine verzog lächelnd den Mund, schüttelte den Kopf und schmierte ihr Brötchen zu Ende.

 

„Wann reist du ab?“, wollte Lucius nun gereizt wissen.

 

„Zwei Stunden“, erwiderte Draco ausdruckslos. Niemand sah sich hier wirklich an. Niemand sagte, was er wirklich dachte, und Hermine atmete langsam aus. Gott, waren sie hier alle anstrengend.

 

„Es war eine schöne Hochzeit“, bemerkte Lucius nun, ebenfalls wieder in seinen Teil des Tagespropheten vertieft.

 

„Oh ja“, bemerkte Hermine der Höflichkeit halber. „Wirklich schön. Narzissa hat fabelhafte Arbeit geleistet.“

 

„Solange es gewürdigt wurde, war es mir ein Vergnügen“, entgegnete sie mit einem falschen Lächeln. Hermine legte das Brötchen auf den Teller zurück. Hunger hatte sie sowieso nicht wirklich.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte Lucius sie schließlich. Hermine nickte stumm. „Wenn es dir drüben zu einsam ist, kannst du auch hier bei uns bleiben“, bot er ihr schließlich an.

 

„Ja, ich kenne ja Dracos Zimmer bereits“, bemerkte sie spitze, den Blick nun wieder auf Narzissa gerichtet, deren Augen sich überrascht geweitet hatten. „Vielen Dank, ich mag es einsam, Mr Malfoy“, ergänzte sie. Kurz hob sich seine Augenbraue.

 

„Bitte, nenn mich Lucius“, entgegnete er kopfschüttelnd. „Wir sind jetzt eine Familie“, erklärte er. Malfoy schnaubte neben ihr belustigt auf. „Und wann kommst du wieder?“, fragte Lucius ihn schließlich, um einiges kälter.

 

„Wir bleiben über Neujahr, wahrscheinlich am Dritten“, erwiderte er lapidar.

 

„Du bleibst nicht über Neujahr!“, fuhr Lucius dazwischen. Jetzt hob Malfoy den Blick.


„Wir bleiben immer über Neujahr“, schien er Lucius trotzig zu erinnern. Hermine verdrehte die Augen.

 

„Du bist jetzt verheiratet, und du verbringst Neujahr mit deiner Frau!“

 

Hermine wusste, es würde zu einem Streit kommen. Und es klang wie eine Strafe. Was hatte sie getan? Sie musste nicht bestraft werden, dachte sie trotzig.

 

„Oh bitte! Ich habe besseres zu tun als das!“, erwiderte Malfoy ungehalten.

 

„Du wirst hier sein an Neujahr, hast du mich verstanden?“, knurrte Lucius zornig, und Malfoy biss die Zähne fest zusammen, so dass sie seinen Kiefermuskel erkennen konnte. „Dich an den Rand des Todes zu trinken und deine Zeit mit sinnlosen Ablenkungen zu verbringen, kann unmöglich etwas Besseres sein!“

 

Nein, Hermine hatte sich geirrt. Lucius sagte tatsächlich, was er dachte.

 

„Ihr ist es scheiß egal!“, riss Malfoy sie jetzt auch noch mit rein, aber sie würde ihm den Gefallen nicht tun. Nicht mal sich selber tat sie den Gefallen, dass sie ihn gerne nicht hier haben würde. Denn so lief es nun mal nicht.

 

„Ich habe dir gesagt, wie gerne ich dich hier hätte, Draco“, begann sie, fast flehend. Malfoy verzog zornig den Mund.

 

„Du bist ein Miststück und eine verdammte Lügnerin!“, rief er erbost, ehe er die Serviette auf den Tisch knallte und das Zimmer zornig verließ.

Es war der ideale Moment für sie, dieses Frühstück zu beenden. Sie wollte hier auch nicht länger sein. Und erst recht nicht, wenn Narzissa komisch war!

 

„Draco!“, rief Hermine mit gespielter Entrüstung, entschuldigte sich bei ihren Schwiegereltern und folgte ihm aus dem Esszimmer, wenn auch langsamer als er gegangen war. Er war auch schon aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Gott sei Dank! Nachher hätte sie ihn noch eingeholt. Er wäre bestimmt in der Laune, sie anzuschreien. Oder zu schlagen, wie er bereits angedroht hatte. Allerdings nahm sie diese Drohung nicht besonders ernst.

 

Sie spazierte durch die Räume, ehe sie hörte, dass ihr jemand folgte.

 

„Hermine.“ Es war Narzissas Stimme. Überrascht hielt sie inne. Dann wandte sie sich gespannt um.

 

„Ja?“, fragte sie argwöhnisch, denn Narzissa wirkte nicht freundlich oder zuvorkommend, wie sie es vorher immer getan hatte.

 

„Du… du hast…“ Sie unterbrach sich selbst. Hermine runzelte die Stirn. „Du hast mit ihm geschlafen, oder nicht?“, fragte sie direkt, und Hermine hielt die Luft an. Was? Darüber wollte Narzissa doch nicht ernsthaft mit ihr reden! „Ich meine…“

 

Hermine hütete sich davor, irgendetwas zu sagen. Sie spürte die Röte nur zu deutlich in ihren Wangen. „Ich meine, das ist… normal“, bemerkte Narzissa widerwillig, „aber…“

 

Aber? Aber was?!

 

Dann atmete Narzissa aus. „Wieso hast du das getan?“, fragte sie schließlich. Hermines Mund öffnete sich verblüfft. Warum sie es getan hatte? Das fragte sie sich selber seit einem Tag. Sie wusste es nicht. Aber warum fragte es Narzissa? Hermines Mund öffnete sich verwirrt. Narzissa wollte das doch so? Hatte sie ihr nicht erst gestern einen Fruchtbarkeitstrank in den Rachen gezwungen, Merlin noch mal?!

 

„Ich meine“, begann Narzissa wieder, „der Zeitpunkt war… - ich hatte die Hochzeit vorbereitet, und… es hat allen gefallen! Wieso musstest du ausgerechnet während der Feier…“ Sie unterbrach sich wieder. Hermines Mund schloss sich langsam wieder. Narzissa hob abwehrend die Hände. „Es geht mich nichts an, ich weiß. Aber… er ist immer so… respektlos. Und er… - von ihm habe ich nichts anderes erwartet, aber… von dir…“ Sie brach erneut ab.

 

Hermine begriff. Oh Gott.

Narzissa fühlte sich nicht gewertschätzt?

 

„Ich“, sagte sie heillos überfordert, während Narzissa unglücklich vor ihr stand, „ich… es tut mir so leid!“, schloss sie, und sie meinte es ehrlich und aufrichtig. „Ich… wollte es nicht. Ich-“ Und es stimmte. Sie hatte nicht gewollt, er hatte sie gezwungen.

 

„-er wollte es aber?“, schloss Narzissa finster, und Hermine ruckte mit dem Kopf. Das klang einfach falsch. „Du darfst nicht nachgeben“, entschied sich ihre Schwiegermutter jetzt zu sagen. „Weißt du, wieso ich dich gewählt habe, Hermine?“

 

Hermine stellte sich auch diese Frage seit Monaten! Nein, sie wusste es nicht.

 

„Weil du besser bist als er“, entfuhr es ihr beinahe kalt. „Und ich will, dass er so wird wie du. Dass du auf ihn abfärbst, ihn formst und änderst, so wie ich es bei Lucius getan habe.“

 

Hermines Mund hatte sich langsam wieder geöffnet. Ha ha. Ernsthaft? Da könnte sie eher einer Kuh das Tanzen beibringen. Und das wäre für sie schon unmöglich.

 

„Es ist eine hohe Kunst, aber es ist möglich. Ich wollte nicht böse mit dir sein. Ich war nur… enttäuscht“, schloss sie sanfter. Hermine nickte plötzlich. Sie war auch enttäuscht gewesen, von sich selber.

 

„Es tut mir leid“, wiederholte sie tatsächlich, denn wenn es jemanden in diesem Haus gab, den sie mochte, waren es bestimmt nicht Lucius oder sein Sohn.

 

„Du konntest nicht anders?“, vermutete Narzissa, und Hermine begriff, Narzissa glaubte gar nicht, dass Malfoy sie wirklich gezwungen hatte. Sie glaubte lediglich, er hätte sie überzeugt von etwas, was sie ohnehin von ihm wollte. Oh, fast war es traurig. Denn Narzissa hatte Lucius verändert, aber wohl unter der Prämisse, dass sie ihn liebte.

 

Hermine seufzte. Denn tatsächlich stimmten die Worte der Frau vor ihr. „Nein. Ich… konnte nicht anders“, murmelte sie beschämt. Merlin, selten war ihr etwas so peinlich wie dieses Gespräch. Und natürlich die Tatsache, dass sie tatsächlich etwas von Malfoy gewollt hatte. Dass sie… tatsächlich nicht anders gekonnt hatte. Aber sie verdrängte das. Weit, weit nach hinten in ihrem Kopf.

 

„Möchtest du einen Fruchtbarkeitstrank nehmen?“, wechselte Narzissa so schnell das Thema, dass Hermine verwirrt blinzelte.

 

Fruchtbarkeitstrank? Der wäre reichlich hinderlich, nachdem sie heute Morgen penibel einen Verhütungszauber durchgeführt hatte, der jedes einzelne Spermium in ihrem Körper und jedes möglicherweise befruchtete Ei wieder neutralisiert hatte. 

 

„Hm, ich denke nicht“, lehnte sie mit einem gekünstelten Lächeln ab.

 

„Du musst keine Sorge haben, Draco wird an Silvester bei dir sein. Wir feiern alle zusammen“, versprach sie, aber Hermine graute schon davor. Nächste Woche war Silvester und sie würde es mit Draco Malfoy feiern müssen.

Nicht mit Harry. Nicht mit Ron. Nein, mit dem Arschloch von Slytherin.

 

„Ja“, sagte sie mehr oder weniger begeistert. „Ich werde zu ihm gehen“, log sie, und Narzissa schloss lächelnd den Abstand, um sie zu umarmen.

 

„Lass dich nicht von ihm bevormunden oder bestimmen, Hermine. Du bist stärker als das“, flüsterte die Frau sanft. Und Hermine wollte fast weinen, denn es war Bestätigung, die sie dringend brauchte, aber nicht, um ihn zum Guten zu bekehren. Nein. Sie wollte das Schlechteste von ihm zuerst sehen. Es wurde erst schlimmer, bevor es gut wurde. Das hatte sie gelernt in all den Jahren.

 

~*~

 

Er zog den Reißverschluss der Reisetasche zu. Der Inhalt war nahezu schwerelos. Viel zu tragen hatte er also nicht. Er wollte weg! Er wollte so dringend weg, dringender ging es schon nicht mehr. Weg von hier, von seinen Eltern, und weg von dem verrückten Schlammblut, was ihn ebenso zu hassen schien, wie er es tat.

 

Er verstand sie nicht, und er wollte es nicht mal. Er wollte einfach weg! Blaise würde ihn gleich abholen, und dann konnte er gehen. Zwar nur für eine Woche, weil sein Vater ein Arschloch war, aber immerhin. Das war besser als nichts!

 

Er verließ das Schlafzimmer, von dem er nicht annahm, dass sie jemals einen Fuß rein setzen würde, und lief die Treppe hinunter. Ihm fiel immer mehr Dekoration auf. Teilweise auch Deko, die er heute Morgen ausgepackt hatte. Sie musste sie schon verteilt haben.

 

Abwesend schüttelte er den Kopf. Frauen….

 

Er stellte die Tasche unter den Torbogen zum Wohnzimmer. Sie hatte den gläsernen Schuh, den sie gestern verloren hatte ins Regal gestellt, wie ein wertvolles Objekt, stellte er stirnrunzelnd fest.

 

Sie lag auf der Couch, in ihren Händen das seltsame Pad. Sie hob nicht mal den Blick als er das Wohnzimmer betrat. Ihre Finger glitten über die Glasfläche, die mittlerweile hell erleuchtet war. Es schien eine Art Fenster zu sein, überlegte er. Oder ein Spiegel? Bevor sein Interesse tatsächlich erweckt werden konnte, wurde er abgelenkt.

 

Es klopfte laut an der Haustür, aber sie sah nicht mal auf. Eilig machte er sich auf den Weg durch den Flur zum Korridor. Er riss die Tür praktisch auf.

 

„Malfoy!“, begrüßte ihn Blaise grinsend. „Bereit für unseren Ausflug?“, erkundigte er sich. Goyle stand hinter ihm, ebenfalls feixend.

 

„Darauf kannst du wetten!“, versprach er Blaise hastig. Pansy schob sich schniefend an Blaise vorbei.

 

„Hey Draco, Hermine da?“, fragte sie, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie schob sich an ihm vorbei ins Haus, während sie in ein Taschentuch schniefte.

 

„Was ist los mit ihr?“, wollte Draco wissen, aber Blaise zuckte die Achseln.

 

„Erkältet. Keine Ahnung, wieso, eure Hochzeit war heißer als Cancun im Hochsommer, mein Freund“, erwiderte Blaise. Dann betrat Blaise ebenfalls das Haus.

 

„Was tust du?“, wollte Draco verwirrt wissen.

 

„Deiner Frau Guten Tag wünschen, du grober Klotz. Scheinst es ja kaum erwarten zu können, unseren Trip zu machen. Ist sie so anhänglich, Draco?“, neckte ihn Blaise, aber Draco sagte nichts dazu. Schon waren seine Freunde im Haus verschwunden.

 

Er folgte unwillig. Pansy saß bereits schniefend auf der Couch. Granger hatte das Spielzeug zur Seite gelegt, während sie Pansy ungläubig musterte.

 

„Wie konntest du krank werden?“, fragte sie gerade als sie wieder ins Wohnzimmer kamen.

 

„Hermine“, rief Blaise aus, die Arme gehoben. Granger erhob sich tatsächlich mit einem Lächeln.

 

„Blaise, na, entführt ihr meinen Mann? Sehr ungerecht von euch!“ Draco Kiefer lockerte sich. Man konnte es ihr fast abkaufen, stellte er überrascht fest. Falsche Schlange.

 

„Schon eingelebt?“, wollte Blaise beeindruckt wissen.

 

„Ach du weißt doch, Schwiegermama macht alles so schön wie möglich. Ich fühle mich wie Zuhause“, sagte sie, aber Draco starrte sie an, um zu sehen, ob sie log. Denn das musste sie tun. Schwiegermama? Sie machte Witze, oder?!

 

„Draco, willst du lieber hier bleiben?“, fragte Blaise. „Wir zwingen dich nicht!“, versicherte er nickend. Draco verdrehte leidglich die Augen.

 

„Tolle Show“, bemerkte er spöttisch, die Stimme gesenkt. „Was ist das? Das Granger-Bekloppten-Theater?“ Granger sah ihn tatsächlich verblüfft an. „Wie lange wirst du hier gastieren?“, ergänzte er kälter. „Den ganzen Winter? Oder nur, bis ich wahnsinnig werde?“ Ihre Mundwinkel zuckten kurz. Keiner der anderen sagte etwas.

 

„Ich wünsche dir viel Spaß, wir sehen uns ja schon sehr bald wieder.“ Und er war sich sicher, das war eine Drohung. Aber er spielte dieses Spiel ebenso gut wie sie es tat. Er kam näher.

 

„Ja, ich kann es wirklich kaum erwarten“, erwiderte er glatt, die Mundwinkel gehoben. Drohen konnte er besser als sie. Und kurz legte sich ein Schatten über ihre Augen, als wüsste sie, wovon er sprach. Aber sie hatte keine Ahnung, denn… sie kannte ihn nicht. Und Blaise unterbrach das Wettstarren des grenzenlosen Abscheus, das er mit Granger führte – und zu gewinnen gedachte – mit dem absurdesten Vorschlag, seit sein Vater in den Krankenflügel gekommen war, um ihn zu zwingen, zu heiraten.

 

„Na komm, gib ihr einen Abschiedskuss, und auf geht’s!“ Blaise klatschte in die Hände. Draco verzog den Mund. Die böse Stimmung war vorbei. Zwischen sich und Granger herrschte nun unangenehmes Schweigen.

 

„Nein, schon gut“, lenkte er achselzuckend ein. Er würde sie nicht küssen. Auf gar keinen Fall! Sie mochte dieses Spiel vor anderen gerne spielen, er war froh, wenn er sie nicht sehen musste. Oder küssen musste.

 

„Oh bitte, macht schon, damit ich endlich mit ihr reden kann!“, fuhr ihn Pansy tatsächlich gereizt an, ehe sie wieder in ihr Taschentuch schniefte.

 

„Macht schon. Eher gehen wir nicht“, verkündete Blaise grinsend. „Es war schon eine erbärmliche Schande, dass Draco den Hochzeitskuss nach dem Tanz versaut hat“, ergänzte Blaise lachend. Draco warf ihm einen knappen Blick zu. Er war starr vor Ekel gewesen. Er hatte garantiert nichts versaut!

 

Granger wirkte mittlerweile nicht mehr ganz so fröhlich, gegenüber Blaise. Geschah ihr recht.

 

„Wirklich, wir… sind eher privat“, wich sie schließlich aus. Aber Blaise runzelte die Stirn.

 

„Ja? Seit wann bist du denn privat, Draco?“, wollte er prustend wissen. „Komm schon, wir warten nur darauf, dass-“

 

„-oh verflucht, noch mal!“, unterbrach ihn Draco knurrend, schloss den Abstand zu Granger, und sie schüttelte fast kaum merklich voller Panik den Kopf. Oh, sie würde von ihm so bestraft werden, wenn er wieder kam und gezwungen war, hier mit ihr zu sein, wenn er sich von Schönheiten in der Lodge wesentlich besser befriedigen lassen könnte. Aber er war ein Mann. Letztendlich war es ihm egal, welche Frau sich unter ihm befand, so lange sie passabel war.

 

Heute sah sie nicht so aus wie gestern. Heute erkannte er sie wieder. Sie trug Jeans. Einen beigen Pullover. Er war eng, und ihre Figur war nicht unbedingt schlecht. Nein, Granger besaß Kurven und ihre Figur könnte ihn wohl reizen. Sie war passabel, selbst nach seinen Maßstäben. Und er hatte sie gestern geküsst, sie entjungfert, und sie heute noch einmal zu küssen, mochte ohne Alkohol vielleicht widerlich sein, aber… er würde es über sich bringen.

 

„Mal-!“, begann sie zu protestieren, aber er hatte den Arm um ihre Taille geschlungen und den Kopf auf ihre Lippen gesenkt. Dass sie seinen Nachnamen hatte sagen wollen, hatte ihm noch ein wenig mehr Nervenkitzel verpasst. Ihre Augen hatten sich panisch geweitet, aber er wusste, sie würde ihn wohl kaum von sich stoßen. Das würde ihre kleine Show zu Nichte machen, nahm er bitter an.

 

Ihre Proteste waren unter seinen Lippen verstummt.

 

Und er hatte ein seltsames Gefühl. Seine Augen schlossen sich automatisch, denn ein Kuss war ein Kuss. Mit offenen Augen küsste man kein Mädchen. Er hatte ein seltsames Gefühl in seinem Bauch. Sie wand sich unterdrückt in seinem Arm, aber er küsste sie noch immer, bis sie still in seinem Griff wurde.

 

Und wie bereits gestern, als ihre Gegenwehr aufgehört hatte, spürte er das lästige Bedürfnis.

 

Das Bedürfnis, sie haben zu müssen.

 

Und es war unpassend. Und furchtbar. Und widerlich. Er bestrafte sich und er bestrafte sie, aber… es war eine angenehme Strafe. Und er hatte keine Ahnung, wie seine Finger in ihre Haare geraten waren, er wusste nur, er hatte seine Hand in ihren Locken vergraben, als sich seine Lippen öffneten.

 

Und ihre Gegenwehr erwachte schlagartig, als seine Zunge zwischen ihre Lippen fuhr. Er registrierte gar nichts mehr, wollte sie am liebsten hier und jetzt bestrafen, von ihm aus auch wieder auf dem verfluchten Esstisch, an dem er wohl niemals unbefangen würde essen können. Und sein Herz jagte, und es war ein unglaubliches Gefühl.

 

Er traf auf die Hitze ihres Mund, traf auf ihre Zunge, die gegen seine zu kämpfen begann, träge, abwehrend zu Beginn, aber der Kampf wurde fordernder, bis er wusste – er hatte sie!

 

Seine Erektion pochte bereits unangenehm heftig gegen seine Hose, und als Blaise sich verhalten räusperte, zog Draco unwillig den Kopf zurück. Er verharrte nur Millimeter vor ihrem Gesicht.

 

„Goyle und ich… können auch… später wiederkommen“, murmelte Blaise schließlich, aber Draco fixierte ihr Gesicht, hörte Blaise nicht mal. Blinzelnd hatten sich ihre Augen weit geöffnet, starrten ihn an. Ihr Mund war geöffnet, ihr heißer Atem traf sein Gesicht, und er sah, wie sie sich schämte. Sein Arm lag noch immer um ihren Körper.

 

„Das war ein kleiner Vorgeschmack“, wisperte er, so dass nur sie ihn hören konnte, und die Röte, die in ihre Wangen stieg, ließ ihn ahnen, es wäre wohl kaum eine Strafe für sie – oder für ihn, würde er an Silvester wiederkommen. Denn jetzt gerade… - fiel es ihm schwer, überhaupt zu gehen. Denn jetzt gerade… - wollte er sie haben.

 

Noch mal.

 

Sie blinzelte schließlich, schluckte schwer, und ihre Hände, die reglos auf seine Brust gelegen hatten, wandten wieder Kraft an, um ihn von sich zu schieben.

 

Und der Moment war vorbei. Er ließ von ihr ab, und fast sah sie wütend aus. Zornig mit ihm oder zornig mit sich selbst. Von beidem etwas schimmerte in ihrem aufgewühlten Blick.

 

„Gute Reise“, kam es eisig über ihre geschwollenen Lippen, und Bitterkeit trat auf seine Züge. Sie würde sich nicht mehr wehren können, wenn er wieder kam. Und das schien sie sogar zu erahnen.

 

„Werd ich haben, Liebling“, erwiderte er genauso kalt. Das Kosewort klang wie eine Beleidigung. Sie wandte sich zornig von ihm ab.

 

„Dann… äh… wollen wir mal?“, erkundigte sich Blaise beinahe, und Draco griff nach seiner Reisetasche. Höchste Zeit, dass er verschwand. Zu viel Zeit in ihrer Nähe war definitiv gefährlich. Zu gefährlich für ihn.

 

Zeit, dass er sich endlich ablenken ging.

 

 

Kapitel 30

 

Blaise kam tatsächlich sehr spät zurück. Draco lag vor dem Feuer, neben Goyle, während ein Mädchen namens Stella seine Füße massierte. Es ging nichts über die Chalet-Mädchen, die einem jeden Wunsch von den Augen ablasen. Vor allem, nachdem er auf der dämlichen Piste gestürzt war, und es ihm seine linke Seite seines Körpers übel nachzutragen schien.

 

Er war immer noch nicht über die Wunde seines Sturzes zu seinem Geburtstag hinweg gekommen.

 

Blaise schüttelte den Schnee aus seinen Haaren, nachdem er die Mütze vom Kopf gezogen hatte.

 

„Ihr seid so unglaublich faul!“, beschwerte er sich grinsend, während er sich neben Draco auf einen Sessel vor dem Kamin fallen ließ und sich aus den dicken Klamotten schälte, während auch auf ihn ein zuvorkommendes Mädchen wartete – die nicht fluchte, sich nicht ständig beschwerte, die sich nicht aufführte, als hätte sie immer zu recht. Nein! Sie war einfach nur ein unterwürfiges Mädchen, was keines ihrer Worte hier anzweifelte.

 

So hatte es Draco am liebsten.

 

„Ah, vielen Dank“, bemerkte Blaise, während eine Kellnerin ihm ein Glas Sherry brachte. Draußen war es stockfinster und das Feuer prasselte angenehm. „Und?“, erkundigte sich Blaise plötzlich bei ihm, während auch vor ihm ein Mädchen niederkniete, ihm die Schuhe auszog und seine Füße massierte.

 

„Was?“, fragte Draco, der sich endlich wieder entspannen konnte.

 

„Vermisst du es?“

 

Was?“, wiederholte Draco verständnislos.

 

„Dein Zuhause!“, erwiderte Blaise ungläubig. „Ich dachte ja, du würdest absagen und bei ihr bleiben.“ Draco lehnte den Kopf zurück.

 

„Über meine Leiche“, entgegnete er knapp. Blaise lehnte sich weiter vor, um ihn besser sehen zu können.

 

„Ist das dein Ernst?“, wollte er langsam wissen. „So sah es für mich heute nicht aus“, schloss er unzufrieden.

 

„Blaise, glaub mir, ich bin froh, hier zu sein, und ich hege nicht das geringste Verlangen, zurückzugehen“, erklärte Draco kalt. „Wirklich nicht. Es ist so, wie ich gesagt habe. Sie ist ein Schlammblut, und ich bin froh über jede Sekunde, die ich sie nicht sehen muss.“

 

Er schloss genüsslich die Augen, während Stella sich nun seinen verspannten Waden widmete.

 

„Ich finde sie nett.“

 

„Du bist ja auch ein glücklicher Idiot, der sie nicht zur Frau haben muss“, knurrte Draco praktisch. „Ich möchte mich jetzt entspannen und nicht mehr darüber reden, Salazar noch mal!“, fuhr Draco ihn jetzt schließlich an, als er den Mund wieder geöffnet hatte. Wahrscheinlich um weiter Lobeshymnen auf Granger zu singen.

 

„Draco-“

 

„-was?“, fuhr er jetzt Goyle an, der neben ihm wagte ebenfalls ungläubig dreinzublicken.

 

„Wenn es… wenn es dir so zuwider ist, wieso…?“ Aber Goyle sprach scheinbar doch nicht aus, was er dachte. Wieso hatte Draco es dann gemacht?

 

War es das? Wollte Goyle wissen, warum er es getan hatte?!

 

Draco öffnete die Augen, lehnte sich vor, um ihn näher ins Auge zu fassen.

 

„Es ist ein Geschäft, Goyle. Ein Vertrag. Nichts weiter. Es ist eine Ehe. Eine Ehe, von der Lucius angenommen hatte, ich würde sie nicht eingehen, damit er mich aus dem Testament streichen kann. Aber er wird älter werden. Er wird sterben, hoffentlich bald. Und dann lasse ich mich scheiden. Dann ist alles wie zuvor.“

 

Es klang kindisch wie er sprach.

 

„Lucius ist noch nicht alt“, bemerkte Goyle schockiert.

 

„Na und? Was glaubst du? Dass es… anders wird? Besser? Mit der Zeit? Nein! Ich werde es ertragen, Merlin noch mal! Ich werde diese Last eben tragen müssen, so lange ich muss. Und dann wird es vorbei sein“, schloss er zornig.

 

„Wenn sie schwanger wird?“, warf Goyle schließlich ein, und Draco scheuchte das Mädchen vor sich fort, um die Füße auf den Boden zu stellen, und sich energisch vorzulehnen.

 

„Das ist der Plan. Das Miststück wird schwanger werden, ihre minderbemittelte Brut gebären, damit muss ich leben. Aber auch das nehme ich in Kauf!“

 

„Für das Gold?“, vermutete Goyle nun tatsächlich. Draco verengte die Augen.

 

„Für was sonst, Gregory?“, wollte er vorsichtig wissen. „Denkst du, es geht um irgendetwas anderes? Heiratest du aus Liebe?“

 

Liebe? Draco hatte das Wort nicht mal in den Mund nehmen wollen, aber nun war es zu spät.

 

„Nun, ich… werde sie schon leiden können, Draco“, murmelte Goyle ein wenig beschämt.

 

„Wäre sie ein Schlammblut, sähe das anders aus“, versprach Draco ihm mit Gewissheit. Goyle schwieg letztendlich. Draco hatte schon befürchtete, er würde niemals die Klappe halten. Merlin sei Dank, interessierte hier im Chalet niemanden, wen er beleidigte oder was er sagte. Sie bezahlten hier schließlich für unterwürfigen Service. Schade, dass er Goyle nicht ebenfalls bezahlen konnte, dachte er missmutig.   

 

Blaise hatte sein Glas geleert. „Tu nicht so“, bemerkte er mit einem feinen Lächeln. Dracos Kiefer lockerte sich ein wenig verblüfft bei dem siegessicheren Ausdruck auf Blaises Zügen. „Ich habe doch gesehen, wie du sie angesehen hast. Du hättest es tausendmal schlechter treffen können, Malfoy“, schien er ihn erinnern zu müssen. Dracos Augen weiteten sich ungläubig. „Sie ist… hübsch. Sie ist bestimmt nicht demütig. Und das gefällt dir. Und ich bin sicher, du kannst es nicht erwarten, nach Hause zu kommen.“

 

Draco beschloss, nichts mehr zu sagen, sich wieder zurückzulehnen und die Augen zu schließen. Was sollte er dazu noch sagen?! Sie gefiel ihm nicht!

Blaise hatte keine Ahnung.

 

~*~

 

Hermine sah Pansy fast neidisch zu. Pansy hatte irgendwoher Zutaten gefunden. Hermine wusste nicht mal, wo sich die Töpfe in der Küche befanden. Und mittlerweile duftete es in der Küche nach verschiedenen Gewürzen, nach Kirschen, nach Glühwein.

 

Pansy hatte ein Rezept aus der Erinnerung nachgekocht, und Hermine stand recht hilflos daneben, ohne groß von Hilfe sein zu können.

 

Fast widerwillig nahm Hermine den dickwandigen Becher entgegen, den Pansy ihr schließlich mit dampfend roter Flüssigkeit reichte.

 

Sie putzte sich zum neunzigsten Mal die Nase, und endlich saßen sie und Pansy wieder auf der Couch.

 

„Also? Wieso bist du krank geworden?“, wollte Hermine wissen, um bloß nicht über Pansys Küchenkünste sprechen zu müssen. Pansy schniefte erneut, versuchte sich gesünder zu geben als sie war, und seufzte schließlich auf.

 

„Ich muss mit dir reden“, sagte sie fast beschämt. Hermine sah sie an, denn sie wusste auf die Schnelle nichts, was Pansy peinlich sein könnte. Außer natürlich, sie hatte herausgefunden, was Hermine vorhatte. Aber Hermine bezweifelte das. Pansy war viel zu dankbar, dass Hermine Malfoy geheiratet hatte.

 

Pansy trank einen tiefen Schluck Glühwein. Der Duft stieg Hermine in die Nase, während einige Gewürze noch im Becher schwammen, um das Aroma zu entfalten. Sie nippte ebenfalls an ihrem Becher, und war überrascht, wie gut es schmeckte.

 

„Worüber?“, fragte Hermine schließlich.

 

„Über… über…“ Pansy blickte kurz ins Leere und schien sich dann zu besinnen. „Über die Hochzeit. Also… meine“, ergänzte sie knapp. Hermine runzelte die Stirn.

 

„Ok?“, erwiderte sie langsam. Pansy nickte.

 

„Also ich möchte gerne, dass… - es soll perfekt werden“, begann sie nun hektisch, während sie sich wieder die Nase putzte. „Fandest du es perfekt? Also deine Hochzeit?“

 

Hermine überlegte kurz. Die Hochzeit war das Beste, was sie jemals erlebt hatte. Es war so ein aufwendiges Event gewesen, dass sie keine Ahnung hatte, wie jemals wieder jemand so etwas würde toppen können.

 

„Es war perfekt“, räumte sie also nickend ein.

 

„Ja.“ Pansy nickte. „Und selbst… wenn es nicht der perfekte Mann  ist, mit dem man vorm Altar steht kann es perfekt sein, oder?“, wagte Pansy zu fragen, und Hermines Augen weiteten sich ungläubig.

 

„Ich dachte, dein Lord Prinz sonst was wäre perfekt?“, wollte sie nun wissen, und Pansy nickte.

 

„Natürlich ist er perfekt!“, bestätigte sie. „Es ist nur…“

 

„Was?“, wollte Hermine vorsichtig wissen.

 

„Es ist…- ach, weißt du, es ist gar nichts. Kalte Füße, das ist alles.“

 

„Du hast… kalte Füße?“, vergewisserte sich Hermine jetzt.

 

„Ja, ich… denke schon“, räumte sie ein. Hermine zog die Stirn noch krausere Falten. Dann musterte sie Pansy prüfend.

 

„Du denkst also, Draco ist nicht perfekt für mich?“ Sie benutzte seinen Vornamen ungern, aber da sie nun mal denselben Nachnamen trugen, wenn auch nur vorrübergehend, blieb ihr wohl nichts anderes übrig.

 

„Was?“ Pansy wirkte verwirrt.

 

„Du hast gesagt, selbst wenn es nicht der perfekte Mann ist“, wiederholte Hermine langsam. Pansys Mund öffnete sich, schloss sich aber wieder. „Du hast Zweifel“, ließ Hermine die Anschuldigung wieder fallen, denn sie wollte nicht wirklich darüber diskutieren, wie wenig perfekt Malfoy eigentlich war.

 

„Ich habe… - nein, habe ich nicht“, widersprach Pansy kopfschüttelnd. Hermine betrachtete sie eingehender.


„Und wieso hast du überhaupt die Erkältung?“, wiederholte sie wieder. Pansy wich ihrem Blick immer wieder aus.

 

„Habe mich von der Party entfernt. Es war einfach zu kalt“, erklärte sie achselzuckend.

 

„Du hast dich von der Party entfernt?“ Hermine versuchte zu rekonstruieren, was passiert war, aber sie erinnerte sich überhaupt nicht mehr. „Aus welchem Grund? Apparieren konntest du nicht mehr“, fuhr sie fort.

 

„Hermine, bitte“, flehte Pansy jetzt. Hermine sah sie an.

 

„Was?“, wollte sie beinahe besorgt wissen.

 

„Frag nicht weiter, ok?“ Pansy schien es physische Qualen zu bereiten, darüber zu reden, stellte Hermine völlig entgeistert fest.

 

„Pansy-“, begann Hermine, aber Pansy schüttelte ernsthaft den Kopf.

 

„Hermine, sag mir, dass es gut ist“, befahl Pansy mit trockener Stimme. Hermines Mund öffnete sich. „Dass es gut ist, wenn es nicht der perfekte Mann ist. Dass es wichtigeres gibt, als Kompatibilität. Dass es gut ist, diesen Kompromiss einzugehen!“ Pansys Ausdruck war tränenschwer, und Hermine war überfordert mit Pansys Forderung.

 

„Du bist diesen Kompromiss doch eingegangen!“, flüsterte Pansy. „Und du musst einen sehr guten Grund gehabt haben. Und… ich beneide dich so sehr!“, entkam es stockend Pansys Lippen. Hermine starrte sie an, während eine Träne auf Pansys Wange fiel.

 

„Pansy“, wiederholte Hermine tonlos. Denn nein. Natürlich war es nicht gut! Es war niemals gut gegen seine Gefühle zu handeln, gegen seine Instinkte. Hermine hatte es nun selber schon dutzendfach zu spüren bekommen. Sie bekam regelrecht Magenschmerzen, wenn sie daran dachte, dass das Arschloch aus dem Skiurlaub zwangsläufig wiederkommen musste.

 

„Nein!“, entfuhr es Pansy scharf. „Sag mir jetzt nicht, dass ich meinem Herz vertrauen soll oder so einen Quatsch! Du hast es nicht getan!“, fuhr sie Hermine jetzt an, und Hermines Mund öffnete sich wieder. „Du liebst ihn nicht! Und du hast es trotzdem getan!“, flüsterte Pansy, während mehr Tränen auf ihre Wange fielen. „Oder nicht?“, entkam es entwaffnend Pansys Lippen.

 

Hermine konnte sie nur anstarren. „Oder nicht, Hermine?“, wiederholte sie mit mehr Nachdruck.

 

Nein, sie liebte ihn nicht. Aber sie sagte etwas anderes, aber nur, weil ihr Pansy gerade mächtig Angst einjagte. „Wenn… wenn du weißt, du machst einen Fehler, wenn du nicht deinem Herzen vertraust – dann tu es nicht!“, ergänzte Hermine sehr ernsthaft, denn sie hatte nicht erwartet, dass ihre Mühen so schnell Früchte tragen würden. Sie war vollkommen verblüfft.

 

„Blödsinn!“, fuhr Pansy sie an. Sie stand nun wieder auf ihren Füßen. Der Becher zitterte in ihren Händen. „Gott, ich will nicht… ich…“ Sie schloss die Augen, schüttelte heftig den Kopf, schniefte wieder und bot einen jämmerlichen Anblick, fand Hermine, mit neu aufkommendem Mitleid für Pansy.

 

„Pansy, was ist los?“, wollte Hermine nun ernsthafter wissen. Sie war ebenfalls aufgestanden, aber Pansy hielt sie mit ausgestreckter Hand auf Abstand.

 

„War es schlimm?“, fragte Pansy plötzlich, ohne jeden erkennbaren Zusammenhang, die Hand immer noch zitternd von sich gestreckt, während sie auf Hermines Antwort lauerte.

 

„Was? War was schlimm?“, wollte Hermine verwirrt wissen, denn sie hatte keine Ahnung, worauf Pansy hinaus wollte.


„Ihn zu heiraten? Ihn zu… - Draco zu heiraten, obwohl du es nicht wolltest?“

 

Es war faszinierend, wie gut Pansy Bescheid zu wissen schien. Es verblüffte Hermine, dass Pansy anscheinend zu wissen glaubte, dass Hermine ihn überhaupt nicht liebte, ihn nicht wollte. Und sie konnte also nur annehmen, Pansy mochte jemand anderen.

 

„Pansy-“, begann sie wieder, aber Pansy schüttelte wild den Kopf.

 

„Bist du so gut?“, flüsterte Pansy jetzt mit verengten Augen. „Du wolltest ihm helfen? Du wolltest verhindern, dass er sein Gold verliert?“ Pansys Stimme war nur ein Wispern.

 

„Pansy“, sagte Hermine nur wieder, und Pansy schluchzte auf.

 

„Wie konntest du das tun? Es gab niemand anderen, den du wolltest? Du hast einfach… entschieden, ihm zu helfen? Völlig selbstlos? Du wolltest niemand anderen?“

 

Langsam aber sich verlor Hermine an Fassung. „Gott, Pansy! Sag mir einfach, was los ist!“, entfuhr es Hermine zornig.

 

„Hermine, ich… ich will nur wissen, ob – ob du niemand anderen lieber-“

 

„-es gab jemand anderen“, sagte Hermine schließlich ruhig. Sie hatte es gar nicht sagen wollen. Es waren nur vier Worte, aber sie brachten Pansy zum Verstumme. Hermine bereute schon, es gesagt zu haben.

 

Und Pansys Mund schloss sich. Hermines Atem ging schnell und sie musste sich beeilen, zu entscheiden, wie dieses Gespräch jetzt weiter ging.

 

„Weasley?“, entfuhr es Pansy tonlos, fast anklagend. Kurz hielt Hermine die Luft an. Wahrscheinlich stellte sich die Auswahl an jungen Männern, die in Frage kamen, tatsächlich geringer dar, als es den Anschein machte. Aber dasselbe galt für Pansy auch.

 

Und Hermine sprach es nicht aus. Aber… wenn sie sofort auf Ron zu sprechen kam – sie hatte den Blick zu Pansys Gesicht gehoben. Tränen standen in ihren Augen. Und Hermine hasste es. Sie hasste es, dass sie fast sehen konnte, wie sie beide erfasst hatten, wen sie lieber wollten. Und es war absurd! Pansy mochte Ron?! Das konnte unmöglich sein!

Aber Hermine würde es nicht sagen, sie würde es nicht unterstellen, so wie Pansy es ihr unterstellt hatte, denn es machte es weniger wahr.

 

Und alles, was sie jetzt noch tun konnte, war, es abzustreiten.

 

„Nein, nicht Ron“, log sie ernsthaft. Kurz flackerte so etwas wie Erleichterung über Pansys Züge, aber Hermine wusste, es war nur Pansys Hoffnung. Und was sollte Hermine ihr sagen? Dass sie nicht heiraten sollte? Dass sie… es bei Ron versuchen sollte? Wie kam Pansy überhaupt zu so einem absurden Schluss? Hatten sie mehr miteinander zu tun, wo sie jetzt Schulsprecher waren? Hermine begriff es nicht mal.

 

Und sie sagte, was sie sagen musste, denn… das konnte sie nicht zulassen!

 

„Pansy, weißt du, ich kenne keinen, der so viel Wert auf die Tradition legt, wie du. Und ich denke, kalte Füße sind ganz normal, aber… du wirst schnell einsehen, dass das nur eine Phase ist, und du wirst so glücklich werden, wie… wie ich mit Draco“, schloss sie mit einem überzeugenden Nicken.

 

Pansy kaute abwesend auf ihrer Unterlippe, und langsam sank sie auf die Couch zurück. Hermine trank einen heißen Schluck Alkohol und fühlte sich abscheulich.

Aber was hätte sie sagen sollen?! Sie konnte Pansy doch wohl schlecht raten, den Mann zu nehmen, den Hermine selber wollte!

 

Pansy sagte gar nichts mehr, nickte nur noch dann und wann.

 

Und Hermines innere Stimme, die wusste, was richtig war, und die immer noch wusste, weshalb sie diese Scharade überhaupt vollzog, rüttelte in ihrem Innern, wollte sie zum Sprechen bewegen, aber der andere Teil in Hermine, der etwas selbstsüchtiger war als der Rest, konnte nicht. Sie konnte es nicht über sich bringen.

 

Denn so selbstlos wie Pansy dachte, war Hermine nicht.

Und sie fühlte sich abscheulich, aber Hermine hoffte immer noch, Ron gewinnen zu können, wenn es alles erst mal vorbei war.

 

Dass was sie von Malfoy wollte, war Pansy bereit, zu tun, ging ihr dumpf auf. Pansy war fast bereit, sich von Traditionen zu lösen. Und Hermine tat genau das Gegenteil von dem, was sie sich eigentlich geschworen hatte.

Aber wie sollte sie das einzige aufgeben, was ihre ganze Hoffnung war?

Sie konnte Ron nicht aufgeben.

 

So einfach war es eben. Pansy hatte eben Pech gehabt, dachte der böse Teil in ihr bitter.

Und ihre innere Stimme war über so viel Boshaftigkeit verstummt.

Gut, dachte sie. Besser so.

 

 

Kapitel 31

 

Ihre Finger fuhren über das kühle Glas, während sie immer wieder verblüfft über die klare Internetverbindung auf Malfoy Manor war. Auf dem iPad besuchte sie gelangweilt Kochforen, einfach nur so. Stöberte durch die Neuigkeiten in der Muggelwelt, aber es interessierte sie tatsächlich nur noch am Rande.

 

Pansy war vor Stunden gegangen. Geknickt und unglücklich. Und Hermine hatte es nicht über sich gebracht, Pansy zu trösten, ihre Meinung zu ändern. Sie hatte nicht gekonnt, so scheiße das von ihr auch gewesen sein mochte. Sie hatte es selber nicht leicht. Wieso sollte es Pansy leichter haben?

 

Sie wusste, sie verhielt sich trotzig und entgegen aller guten Vorsätze, die sie gefasst gehabt hatte. Sie hatte eine furchtbare Hochzeit gehabt. Alles in allem. Die Planung, das Kleid, die Deko – das war alles großartig gewesen, aber… zählte das irgendetwas? Sie fragte es sich wieder und wieder.

Sie hatte es nicht gut getroffen. Das Objekt, was sie sich zum Retten ausgesucht hatte, war ein widerlicher, bösartiger Mensch. Er hatte sie gezwungen mit ihm zu schlafen, hatte sie furchtbar behandelt, und wahrscheinlich betrog er sie jetzt gerade in irgendeiner Luxus-Skihütte mit der nächstbesten Blondinen, die ihm über den Weg lief.

 

Nicht, dass es sie störte! Es störte sie nicht. Es konnte ihr kaum egaler sein, was er tat. Allerdings merkte sie, dass sie egoistisch geplant hatte. Denn ihre Eltern als auch seine Eltern glaubten, sie wären ein glückliches Paar. Sie hatte angenommen, auch Pansy hatte das gedacht. Wie schnell Pansy bereit gewesen war, diesen Gedanken wieder aufzugeben, überlegte Hermine düster.

 

Denn selbst Pansy konnte nicht verwehrt geblieben sein, wie wenig sie und Malfoy zusammen gehörten. Langsam aber sich zweifelte Hermine an der Idee, die sie gehabt hatte.

Es war still im Haus. Sie hatte keine Angst, aber sie fühlte sich einsam. Es war beruhigend, dass sie nur temporär hier sein würde. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie irgendjemand gerne hier war. 

 

Geduld war etwas, was sie dringend brauchte, aber leider nicht besaß, stellte sie immer wieder fest. Hartnäckig suchte sie sich durch weitere Rezepte im Internet, um bloß das schlechte Gewissen niederzukämpfen, was sie gegenüber Pansy noch immer verspürte.

 

Pansy… und Ron. Wie lächerlich.

 

Er musste im Fuchsbau sein. Mit Harry und Ginny. Und Hermine überlegte, ob sie es wagen könnte, über Floh dort anzurufen. Wie sähe es aus? Und was für Diskussionen musste sie sich stellen? Wieso ist Malfoy nicht bei dir, würden sie fragen. Sie würde sagen, er wäre Urlaub machen. Ohne sie, wäre die Frage darauf.

Und dann? Dann sagte sie, sie wolle alles, nur nicht mit ihm in Urlaub fahren.

 

Es war doch zum Verrückt werden. Sie hatte es sich anders vorgestellt. Sie hatte sich eine ereignisreiche, märtyrerische Zerstörung vorgestellt, in der sie ihre Wut ausleben konnte, und gleichzeitig den Reinblütern eine Lektion erteilte, während Malfoy auf seinen Knien um Vergebung winselte. Ja, so ungefähr. Nicht endloses Warten darauf, dass Malfoy endlich begann, sich elend zu fühlen!

 

Und sie stellte mürrisch fest, dass sie es ihm bisher überhaupt noch nicht schwer gemacht hatte. Ihrer Ansicht nach, hatte er mächtiges Glück gehabt, dass sie ihn geheiratet hatte.

Ach, wenn sie seine Mutter doch nicht so gut würde leiden können!

Und sie hatte Angst vor sich selber bekommen. Wie weit sie ging, für etwas, was sie wollte. Und es war nichts Positives, was sie wollte.

Sie hatte sich erschreckend verändert. Sie ging nicht über Leichen, um es zu bekommen, aber sie ging zu ihren Feinden, heiratete einen von ihnen, hatte sogar ihre Jungfräulichkeit an einen von ihnen verloren, und hatte noch nicht mal begonnen, ihn systematisch auszuschalten.

 

Bisher musste sie sich eingestehen, dass sie nichts erreicht hatte, außer, dass er Sex bekommen hatte und in Urlaub durfte. Das war nicht gut, entschied sie dumpf.

Und die Früchte, die ihr selbstloses Vorbild gebracht hatte, hatte sie zerstört und riet Pansy auch noch, mit der dummen Tradition fortzufahren.

 

Es musste anders gehen. Sie legte das iPad zur Seite und schritt durch das stille Wohnzimmer in die angrenzende Küche. Sie goss sich den letzten lauwarmen Glühwein vom Herd in ihre Tasse und trank nachdenklich einen Schluck. Der Alkohol wärmte sie, während sie darüber nachdachte, wie schamlos viel sie in den letzten Tagen getrunken hatte. War es das, was Reinblüter ausmachte? Viel Alkohol?

 

Wie sollte sie alles schaffen, was sie sich vorgenommen hatte? Sie lehnte sich gegen den Küchentresen, schloss die Augen und versuchte, irgendeine glückliche Erinnerung hervorzurufen, die all das Böse verdrängen konnte.

 

Aber ihr fiel nichts ein. Einen Patronus würde sie heute nicht zustande bekommen, überkam es sie bitter.

 

~*~

 

Narzissas Versuche, sie bei Laune zu halten, waren anstrengend mitanzusehen. Lucius glaubte nicht mal, dass Hermine sich gerne im Haupthaus aufhielt, geschweige denn, dass sie Wert darauf legte, magisches Stricken zu erlenen.

 

„Es geht leicht, wenn man es einmal beherrscht“, versprach Narzissa aufmunternd, während Hermine noch keinen Aufwand betrieben hatte, es wirklich zu versuchen. Lucius ließ das Magazin sinken.

 

„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich, denn es war der zweite Tag, an dem Hermine widerwillig und gedankenverloren bei ihnen auf der Couch saß.

 

„Hm“, machte sie nur, starrte in den sanft verschneiten Garten hinaus, und reagierte nicht weiter, während ihr Zauberstab dieselbe Masche wieder und wieder auf und abstrickte. Er rollte das Magazin zusammen, steckte es in den Zeitungsständer neben sich und schüttelte schließlich den Kopf.

 

„Genug damit“, beschloss er. „Ich halte nichts von Winterdepressionen“, erklärte er gereizt. „Entweder wir… reden über das Problem oder wir handeln jetzt“, beschloss er streng. Sie hob den ausdruckslosen Blick. „Es sind Winterferien. Was haben Sie für gewöhnlich in den Winterferien getan?“ Er vermisste fast, wie erwachsen sie gewesen war, als sie mit ihm gesprochen hatte. Jetzt ging ihm auf den Geist, wie kindlich sie noch war.

 

„Für gewöhnlich?“, wiederholte sie langsam und zuckte die Achseln. „Für gewöhnlich war ich im Fuchsbau“, schloss sie und wieder wanderte ihr Blick nach draußen.

 

„Und dort? Was haben Sie dort getan?“, hakte Lucius ungeduldig nach, denn die Welt konnte sie dort auch nicht erlebt haben, fügte er mürrisch in Gedanken hinzu. Hermine zuckte wieder die Achseln. Oh, wie er es verabscheute. Diese wortkarge Gleichgültigkeit, die er von seinem eigenen Sohn bereits zur Genüge kannte. „Hermine!“, sagte er mit Nachdruck, und nur widerwillig benutzte er ihren Vornamen. Aber was sollte er sagen? Sie hieß nicht mehr Granger.

 

„Alles Mögliche“, murmelte sie knapp.

 

„Merlin, steh mir bei“, erwiderte er gepresst und fuhr sich über die Schläfe. „Es kann nicht so viel geben, was man im Fuchsbau tun kann“, sagte er nun doch. Fast gekränkt hob sich ihr Blick.

 

„Wir… wir haben Marshmallows überm Feuer gebraten, wir… haben Schneeballschlachten im Garten veranstaltet und… abends hat uns Mrs Weasley großartiges Essen gekocht. Selber! Nicht mit Hilfe der Elfen!“, ergänzte sie, wohl als Kritik an dieses Haus, stellte er mit gerunzelter Stirn fest.

 

„Schneeballschlacht?“, wiederholte er mit äußerst spitzen Lippen. Er tauschte einen Blick mit Narzissa. Er sah das unverschämte Gehirn seiner Frau bereits hinter ihren Augen arbeiten. Er hoffte nur, ihr schwebte nicht vor, dass er gleich tatsächlich nach draußen in den Schnee stapfen sollte, um sich, wie ein Kind mit gefrorenem Wasser zu bewerfen.

 

„Komm mit“, sagte Narzissa plötzlich und hatte sich erhoben, während sie eine Hand nach der frisch gebackenen Schwiegertochter ausstreckte. „Zwar sind wir mit den Weihnachtstraditionen ein wenig eingerostet, aber mir fällt etwas ein!“

Sie wandte sich an ihn. „Lucius, sag Iwan Bescheid!“, informierte sie ihn jetzt. Lucius‘ Stirn runzelte sich wieder einmal. „Und zieh dich entsprechend an. Erinnerst du dich an Dracos zehnten Geburtstag?“, ergänzte sie, und Lucius‘ Mund öffnete sich entrüstet.

 

„Nein!“, sagte er nur. „Auf gar keinen Fall! Es liegen dreißig Zentimeter dichtester Schnee, Narzissa!“ Aber ihr Lächeln war unerträglich einnehmend. „Nein“, wiederholte er, weniger energisch als zuvor.

 

„Ich bitte dich“, sagte sie jetzt mit großen blauen Augen, und er verdrehte gereizt die Augen. Mit einem Blick auf Hermine erhob er sich, die das Geschehen schweigend beobachtet hatte.

 

Er seufzte lange. „Schön“, rang er sich ab und erhob sich. Narzissa strahlte. „Selbst wenn es kindisch und dumm und bei diesem Wetter vollkommen unmöglich ist, meine Liebe. Und wenn ich auch nur ein Wort davon auf dem Beamtenball an Silvester höre, lege ich dich über mein Knie!“ Und es sollte weniger erotisch klingen, als eher drohend, aber seine Frau lächelte ein charmantes Lächeln.


„Aber Lucius, nicht vor der Schwiegertochter“, flirtete sie augenklimpernd, während er erkennen konnte, wie eine sanfte Röte in Hermines Wangen stieg, als ihr seine Worte aufgingen. Er atmete erneut aus, dann verließ er das Wohnzimmer.

 

„In einer halben Stunde kommen wir!“, rief Narzissa ihm nach. Lucius ging kopfschüttelnd weiter. Wieso ließ er sich zu so etwas überreden? Merlin, gut, dass sein Sohn nicht hier war. Verdammt gut.

 

~*~

 

Und Hermine ließ es über sich ergehen, in dicke weiße Winterklamotten gesteckt zu werden, die wahrscheinlich ein Vermögen kosteten, während Narzissa sich selber dicke Stulpen überzog, und fröhlich hin und her eilte, um weitere Kleidungsstücke für sie zu finden.

 

„Das hier ist meine alte Reithose. Aber wir haben eine ähnliche Größe, also passt es fast perfekt!“, rief sie aus. Hermine wünschte sich insgeheim in Narzissas Alter auch noch diese Größe zu haben.

 

… Reithose?

 

„Ich… ich kann nicht reiten“, sagte Hermine ein wenig ängstlich. Verwundert sah Narzissa sie an.

 

„Nicht? Oh“, entfuhr es ihr. „Ach, nicht schlimm, es gibt für alles einen Zauber, Hermine. Vieles lernt man, wenn man es probiert“, zwinkerte sie.

 

„Es gibt einen Reitzauber?“, wollte Hermine ungläubig wissen, aber Narzissa machte eine wegwerfende Handbewegung.

 

„Nein, aber es gibt Zauber, die dich auf dem Satteln halten werden“, entgegnete sie lächelnd. Hermine schwante Übles. „Meine alten Stiefel sind mir etwas zu groß, also werden sie dir hervorragend passen!“, versprach sie ihr und zerrte eine große Schuhschachtel aus dem Schrank. Hermine sah mit großen Augen, dass Narzissa ihr tatsächlich blanke, hohe Reitstiefel vor die Füße stellte.

 

Und dann kristallisierte sich etwas anderes für sie heraus.

 

„Sie… sie haben Pferde?“, flüsterte sie überrascht.

 

„Ja. Draco hat sie dir nicht gezeigt?“ Es war eine Frage, aber Narzissa schien sie sich selber beantworten zu können. Hermine war es mittlerweile gewöhnt, von der schönen Frau geduzt zu werden, die nun ihre Schwiegermutter war.

 

„Nein, er… nein“, schloss Hermine still. Sie mochte Pferde gerne. Früher wollte sie ihre Eltern immer überreden, ihr ein Pferd zu schenken, aber natürlich war dafür weder Geld noch Platz vorhanden gewesen.

 

„Lucius und ich sind früher häufiger ausgeritten. Auch mit Draco, aber mittlerweile… wo wir älter sind, und sich Draco nur noch für Quidditch interessierte – und nicht mehr für uns – ergibt es sich seltener“, erklärte sie, ein wenig kühler.

 

Hermine schluckte schwer und stieg Narzissa zuliebe in die Reitstiefel. Sie passten. Sie saßen wie angegossen.

 

„Und ich habe einen weißen Helm für dich!“, rief sie glücklich aus. Hermine sah aus wie ein Schneemann in Reiterkluft, stellte sie am Ende fest. Aber auch Narzissa trug weiße Kleidung, also ähnelten sie sich wenigstens. „Komm mit! Es geht gleich los!“, stellte Narzissa aufgeregt mit einem hektischen Blick auf die Wanduhr fest.

 

Hermine war zum ersten Mal im Hauptschlafzimmer des Hauses gewesen und hatte nicht mal genügend Zeit gehabt, seine gesamte Größe zu bewundern. Dieses Haus war so riesig! Ein kleines Dorf könnte hier untergebracht werden! Es war ein Palast.

 

Sie folgte Narzissa, denn was anderes blieb ihr wohl nicht übrig, und eilig hatten sie die vielen Stufen des Hauses zurückgelassen, waren an verdutzten Elfen durch die Korridore marschiert und erreichten jetzt wohl die Rückseite des Hauses. Von den Gerüchen her, erahnte Hermine hier irgendwo die Küche, aber Narzissa ging zielstrebig auf zwei hohe gläserne Flügeltüren zu, die auf einen weiten Steinhof führten.

 

„Hier hinten sind die Stallungen. Wir haben nur noch drei Pferde. Es wird Zeit, noch eines zu besorgen, nicht wahr?“, fragte sie Hermine zwinkernd, während Hermine nicht wusste, was sie sagen sollte. Das Grundstück um Malfoy Manor erstreckte sich in schiere Endlosigkeit, stellte sie überfordert fest.

 

Ein Mann kam ihnen entgegen. Hermine kannte ihn nicht. Aber sie kannte die meisten Angestellten, die keine Elfen waren, hier nicht. Von ihnen gab es auch nicht allzu viele.


„Iwan, vielen lieben Dank!“, sagte Narzissa. Der Mann brachte ein dunkles und ein helles Pferd über den verschneiten Hof. Hermine fror nicht einmal. Nein, sie starb eigentlich vor Angst, denn dieses Pferd war – viel zu hoch.

 

„Hier. Narzissa griff ohne Umstände nach dem Zügel des weißen Pferdes. Es ist Dracos Hengst“, erklärte sie. „Sein Name ist Jawhar“, erläuterte sie. Ehrfürchtig blieb Hermine vor dem großen Tier stehen. „Es ist ein arabischer Name. Er bedeutet Juwel“, fuhr sie fort, während sie Hermine umstandslos die Zügel selber in die Hand drückte. „Linker Fuß, linker Steigbügel, und auf geht’s“, forderte Narzissa sie auf, und Hermine trat hilflos an das große Tier heran. Es war wunderschön. Ein Lipizzaner. Er war schneeweiß. Kein Schimmel, nein, er war makellos weiß.

 

„Iwan, helfen Sie meiner Schwiegertochter“, rief sie dem Mann zu, während sie bereits schon magischerweise bereits auf dem Rücken des braunen Pferdes saß, stellte Hermine bewundernd fest. Der Mann trat hinter sie, half ihr in den Steigbügel, umfing ihr Schienbein und hob sie hoch, hoch vom Boden, so hoch, dass sie nur noch ihr rechtes Bein über den Leib des Pferdes schwingen musste.

 

Er stellte ihren anderen Fuß ebenfalls in den Steigbügel, und Narzissa deutete mit ihrem Zauberstab auf sie. Stumm hexte sie Hermine auf dem Sattel fest, ohne dass Hermine sich irgendwie fest verbunden fühlte. Die Pferde schnaubten in freudiger Erwartung.

 

„Sollten Sie jetzt vorhaben, zu fallen, wird es unmöglich sein“, versprach ihr Narzissa. „Zügel locker, Schenkel in die Seiten des Pferdes, und er wird mir folgen“, erklärte Narzissa zuversichtlich. Hermine war sich da nicht so sicher. Es war sehr hoch hier oben. Die Luft war ganz anderes, dachte sie verzweifelt. Oh Gott.

 

Narzissa trabte bereits an, und Hermine presste die Schenkel in den Pferdekörper. Das Pferd unter ihr erwachte tatsächlich zum Leben und folgte träge seinem Freund.

 

„Locker sitzen, folgen sie den Bewegungen des Tiers, Hermine. Fallen können Sie nicht. Machen Sie es mir nach!“, rief Narzissa über die Schulter hinweg. Hermine hatte für gewöhnlich keine Mühe, Anweisungen zu befolgen, aber das war neu. Das war komplizierter. Aber sie gab sich Mühe.

 

„Wir haben noch einen kleinen Weg vor uns.“

 

„Wo… wo reiten wir hin?“, rief Hermine ihr angestrengt nach, nachdem sie endlich Narzissas Rhythmus begriffen hatte. Mit jedem zweiten Trabschritt hob sich Hermine aus dem Sattel, aber sie hatte bereits nach wenigen Minuten Schweißperlen auf der Stirn. Es half allerdings, dass sie wusste, nicht fallen zu können. Einen momentlang hatte sie Angst gehabt. Denn sie hatte etwas schief auf dem Rücken gehangen, hatte sich ängstlich nach vorne gelehnt, und hatte fast erwartet vorn über zu fliegen, aber nichts war geschehen.

 

„Wir suchen!“, rief Narzissa, während sie langsamer wurde, so dass Hermine aufschloss. Nun ritten sie beide im Trab durch die verschneite Landschaft.

 

„Wonach?“, fragte Hermine außer Atem, während ihr eigener Atem vor ihrem Mund kondensierte. Aber Narzissa musste es nicht sagen, sie sah es selber.

 

Purpurner Funken dampften im Schnee vor ihr.

 

Sie hatten eine Gabelung erreicht. Gehörte das hier noch zum Grundstück? Hermine nahm dies unbehaglich an. Ein Weg führte tiefer hinab, über das offene, leere Gelände, ein andere begann nun in einen offenen Waldweg, mit wenigen Bäumen zu Beginn.

 

„Da lang!“, rief Narzissa, und trieb ihr Pferd an. Sie stoben beide durch die Funken, und Hermine begriff. Ihr Pferd hatte sich der Geschwindigkeit von Narzissas Tier angepasst, und Hermine konzentrierte sich nur noch darauf, die Bewegungen des Pferdes auszusitzen, und hoffte, keinen furchtbaren Muskelkater zu bekommen.

 

Der Wind blies ihr frisch ins Gesicht, die Welt rauschte neben ihr vorbei, und es war tatsächlich ein großartiges Gefühl, wenn sie es nur zuließ.

Sie verlor ein wenig mehr an Angst. Denn… sie konnte nicht fallen!

 

„Eine Schnitzeljagd?“, fragte Hermine, fast mit einem Lächeln.

 

„Schnitzel?“, wiederholte Narzissa neben ihr lachend. „Nein, wir nennen es Funkenjagd!“

 

„Muggel verwenden dafür Sägespäne“, erklärte sie, und dann musste sie grinsen.

„Lucius streut die Funken?“, entfuhr es ihr ungläubig, und Narzissa lächelte.


„Ja, was er nicht alles tut, um uns aufzuheitern?“, rief sie, dann trabten sie wieder schneller weiter, durch das Wäldchen, und Hermine genoss das Gefühl, eins mit dem Tier zu werden.

 

Einmal verirrten sie sich, fanden die Funken nicht sofort, und Hermine lernte, das Pferd zu wenden, lernte, ihr Gewicht richtig zu lagern, und mit Schenkeldruck die richtigen Signale zu setzen. Es gelang ihr besser und besser. Nach einer Stunde wusste sie, wie sie anzutraben hatte, so dass er nicht wieder in den Schritt zurückfiel.

 

Sie versuchte sich vorzustellen, wie Draco auf dem Pferd geritten war, aber sie konnte es sich bei ihm wirklich nicht ausmalen.

 

Endlich sahen sie in der Ferne fast verblasste Funken.

 

„Da!“, rief Hermine aufgeregt, und sie bogen dichter in den Wald nach oben ab.

 

Sie begegneten niemandem, was Hermines Vermutung bestätigte, dass das alles hier noch Malfoy Manor war. Sie kamen zu neuen frischen Funken, und Lucius konnte nicht weit sein.

 

„Ich sehe ihn!“, rief Hermine aufgeregt, trieb das Pferd wieder mehr an und sie und Jawhar sausten knirschend über den weichen Schnee. Narzissa fiel zurück, während Hermine tatsächlich eine Abkürzung durch das Gehölz wagte, und direkt auf einen gekippten Baumstamm zu ritt.

 

Sie konnte nicht fallen. Sie konnte nicht fallen. Es war ihr Mantra. Sie zog die Knie an, als das Pferd zum Sprung ansetzte. Und sie war sich sicher, sie wäre gestürzt, aber halbsenkrecht saß sie weiterhin im Sattel als Jawhars Hufe wieder hart im Schnee landeten. Sie lachte heroisch auf, und konnte nicht fassen, dass sie gerade ein Hindernis überwunden hatte!

 

Und sie kürzte tatsächlich immer noch lachend Lucius‘ Weg ab, zwang ihn zum Halten, und außer Atem brachte sie den Hengst zum Stehen.

 

„Ich habe ihn!“, rief sie zu Narzissa herüber.

 

„Der Jäger ist gefunden“, gab er sich wohlwollend geschlagen. Er trug eine braune Reithose in schwarze Stiefeln, einen schwarzen wärmeren Blazer, und einen schwarzen Samthelm. Sein Zopf hing über seine Schulter und er tätschelte den nassen Hals seines dunklen Pferdes.

 

Narzissa erreichte sie. „Ausgezeichnet, Hermine!“

 

Es wurde schnell dunkel. Hermine hatte gar nicht gemerkt, wie lange sie geritten waren, aber es waren bestimmt mehr als zwei Stunden gewesen. Noch immer fiel der weiche Schnee.

 

„Kommt, wir reiten zurück. Ich bin sicher, das Essen ist gleich fertig“, verkündete Lucius, aber er ritt näher an Hermine heran. „Hier, für den Gewinner“, sagte er lächelnd. „Zumindest für Draco war es vor neun Jahren noch ein würdiger Preis“, erklärte Lucius, der eine sehr gute Figur in seiner Reiterkluft abgab, als er ihr auf der behandschuhten Hand etwas entgegen streckte. Neugierig ergriff Hermine das winzige Kleinod.

 

Es waren die purpurnen Funken. Gefangen in einer Art durchsichtigem Stein. Sie boten ein herrliches Farbenspiel, und der Stein passte genau in Hermines Handfläche.

 

„Wie wunderbar“, murmelte sie ehrfürchtig. „Vielen Dank“, sagte sie beschämt über so ein hübsches Geschenk.

 

„Es ist ein simpler Zauber, der-“

 

„-nicht“, unterbrach Hermine ihn kopfschüttelnd. „Es ist wunderschön. Danke“, unterbrach sie ihn lächelnd. Lucius‘ Mundwinkel zuckte, ehe er sein Pferd zurücklenkte und den Rückweg ansteuerte. Hermine vermisste bereits die Wärme des Herrenhauses und freute sich schon auf den warmen Kamin.

 

„Früher wusste ich noch das Rezept für ganz fabelhaften Kakao. Draco war verrückt danach gewesen“, überlegte Narzissa neben ihr. „Vielleicht fällt es mir Zuhause wieder ein. Dann koche ich uns Kakao“, versprach sie Hermine lächelnd. „Ohne Elfen“, ergänzte sie zwinkernd, und Hermine folgte den beiden im leichten Trab zurück zum Herrenhaus. Das Lächeln wollte nicht von ihrem Gesicht verschwinden, und sie wollte eigentlich gar nicht mehr runter vom weichen Pferderücken.

 

Es war ein großartiges Gefühl gewesen. Es war der beste Nachmittag seit… seit langem!

 

 

Kapitel 32

 

Missmutig saß er draußen in der Loggia und streckte seine Beine in die Länge, während er den Brief seiner Mutter überflog, den eine Schneeeule heute Morgen gebracht hatte. Er, Greg und Blaise hatten gestern so ausschweifend gefeiert, dass die anderen beiden noch immer nicht wach waren.

 

Und jetzt verlangte seine Mutter von ihm, er solle augenblicklich nach Hause kommen. Er atmete aus, denn er wusste, er könnte das hier in die Länge ziehen. Diesen… Streit.

 

Er hatte keine Lust. Morgen wäre Heiligabend. Und er hatte nicht vor, an Heiligabend im Wohnzimmer seiner Eltern zu sitzen – mit ihr.

 

Er lehnte den Kopf zurück, als trüge er die Last dieser Welt und der nächsten noch dazu.

 

„Draco Malfoy, richtig?“

 

Er öffnete blinzend die Augen. Gegen die Sonne stand eine junge Frau. Er konnte sie nur schwer im grellen Licht der Wintersonne erkennen, also legte er eine Hand über die Augen, um sie abzuschirmen.

 

„Ja?“, entgegnete er also, denn er kannte das Mädchen nicht. Sie bewegte sich zur Seite, und das Licht erlaubte ihm nun, ihre Züge zu erkennen. Und Salazar, verflucht, das war ein Mädchen!

 

Ihre Haare waren lang, glatt und sehr dunkel. Ihre makellose Haut hatte eine angenehme Bräunung. Die Hände hatte sie vergraben in einer schimmernd grünen, dünnen Daunenweste. Darunter schloss eine hautenge dunkle Jeans an. Ihre Füße steckten in hohen Stiefeln.

Ihre Lippen teilten sich zu einem Lächeln, für das er sein Land betrügen würde.

 

Ihre Augen waren strahlend blau, wie der weite Himmel über ihm.

 

„Astoria Greengrass“, stellte sie sich ihm vor.

 

Er kannte sie nicht. Oder? Sie kam näher. Ihr Duft traf seine Nase. Sie roch nach… Kokos? Nach etwas frischem, was sein Interesse augenblicklich weckte. „Darf ich?“ fragte sie und deutete auf die Liege neben seiner. Es war lächerlich, wie schnell er von Arschloch zu Casanova schalten konnte, in weniger als einer Sekunde.


„Ich bitte darum“, erwiderte er und seine Hand hob sich fast zu hastig, um ihr die Liege anzubieten. Sie setzte sich lächelnd.

 

„Ich transferiere dieses Jahr zurück“, erklärte sie, und er konnte sie weiterhin erst einmal nur anstarren, so sehr war er von ihrer Schönheit fasziniert. „Nach Hogwarts“, ergänzte sie, als fiele es ihr jetzt erst ein.

 

„Ah“, machte er, und speicherte diese Information erst mal irgendwo ab, denn er hatte genug damit sich zu tun, sich jedes Detail ihres unglaublichen Körpers einzuprägen.

 

„Meine Schwester Daphne ist zwei Jahrgänge unter dir?“, bemerkte sie, mit einem feinen Lächeln. Ihre Lippen waren ebenmäßig voll, so wie ihre Zähne ebenmäßig weiß und gerade waren. Das Sonnenlicht schien ihre Augen auf eine seltsame Weise zum Leuchten zu bringen, und er war wie hypnotisiert. Sie schob sich mit dem Mittelfinger eine lange glatte Strähne hinter ihr Ohr, und er erkannte Diamanten in ihrem Ohrläppchen funkeln. „Ich war die meiste Zeit über in der Académie Salsifis, in der Provence“, erklärte sie. „Aber meine Schwester hat von dir erzählt“, ergänzte sie sachte.

 

Sein Mund öffnete sich langsam, in schleichendem Verständnis.

 

„Meine Freundinnen und ich verbringen hier die Ferien. Du und deine Freunde auch?“, fragte sie schließlich, und, Merlin, endlich fand sein Gehirn Zugang zu seinem Sprachzentrum.

 

„Ja“, sprach er endlich Worte. Worte waren wichtig, erinnerte ihn seine wachsende Erektion.

 

„Wie lange bleibt ihr?“, fragte sie, und ihr Blick war so unschuldig, so verflucht – ah. Er würde zu gerne ihre Haut berühren.

 

„Wir…“ Er unterbrach sich selbst, denn ihm fiel der Brief ein, der unheilschwanger auf seinem Schoß lag. „Bis Silvester“, sagte er vage. „Wahrscheinlich“, ergänzte er, denn er wollte ihr nicht sagen, dass seine Mutter wollte, dass er heute nach Hause kam.

 

„Oh, ich konnte nur noch morgen heraus handeln. Am Weihnachtsmorgen habe ich Zuhause am Tisch zu sitzen“, entgegnete sie und verdrehte die Augen. Ihr Lächeln vertiefte sich eine Spur. „Tut mir leid, wenn ich dich einfach so anspreche“, sagte sie etwas beschämt, und ihre schönen Wangen färbten sich sanft rot. „Ich war mir nicht einmal völlig sicher, ob ich richtig liege.“

 

„Woher wusstest du, wer ich bin?“, hielt er das Gespräch am Laufen.

 

„Oh“, begann sie ausweichend, „es ist etwas albern. Und ich weiß, das ist anmaßend von mir, aber… ich habe Lucius kennengelernt, und…“ Ihre Augen wanderten über seine Haare, sein Gesicht, und kurz versetzte es ihm einen Stich. Waren sie sich so ähnlich? Scheiße.

 

Aber etwas anderes war wichtiger, als dieser Schreckensvergleich. „Du kennst Lucius?“

 

„Na ja, mein Vater kennt Lucius“, sagte sie lächelnd. „Er war jetzt öfters bei uns zu Besuch. Der Senator – oh, ich meine, mein Vater“, korrigierte sie sich kopfschüttelnd, und Dracos Mundwinkel hob sich.

 

„Der Senator? Ist das eine Beleidigung?“, wollte er lächelnd wissen. Er könnte diesen Titel auch auf Lucius anwenden.  Allerdings hätte er ‚Despot‘ vorgezogen.

 

„Nein, er ist nur…“ Astoria zuckte die Achseln. „Ach, er ist schrecklich streng, das ist alles“, wich sie seinem Blick aus. „Und er war der französische Senator der zweiten Kammer des magischen Parlaments, und selbst jetzt, wo er zurück nach England gekommen ist, verfährt er mit seiner Familie wie mit dem magischen französischen Volk“, endete sie kopfschüttelnd.

 

„Wie lange war er dort?“, wollte Draco wissen, der es sich wie eine Art Ministeramt vorstellte.

 

„Sechs Jahre“, sagte sie. „Solange wie ich in Frankreich war“, schloss sie. „Es war unglaublich praktisch“, ergänzte sie mit eindeutig erhobenen Augenbrauen, die ihm genau das Gegenteil vermitteln sollte. „Wir haben zusammen gewohnt. Väter sind sehr anstrengend“, schloss sie wieder lächelnd.

Ja, Draco verstand. „Jedenfalls, seitdem mein Vater nun eine Botschafterstelle im Ministerium angenommen hat, war dein Vater einige Male bei uns, und…“ Sie zuckte die Achseln. „Ich habe ihn gesehen.“

 

Es sagte Draco einiges. Sie war ein Mädchen vom richtigen Stand. Sie würde ihr letztes Jahr in Hogwarts verbringen. Er wäre da. Und er lächelte. Beinahe achtlos ließ er den Brief seiner Mutter in der Innentasche seiner Jacke verschwinden.

 

„Fährst du Ski?“, fragte er, und hoffte sie würde ablehnen –

 

„Ich liebe es!“, sagte sie sofort strahlend, und ihr Lächeln war unglaublich ansteckend.

 

„Ich auch“, log er souverän und erhob sich, um ihre seine Hand anzubieten. So ein Mist, dann würde er wohl doch Skifahren müssen. Aber die Gesellschaft war wesentlich besser geworden, als vorher. Goyle stürzte ständig und Blaise fuhr wie ein Weltmeister.

 

„Halte ich dich auch nicht ab?“, wollte sie fragend wissen, aber er schüttelte nur den Kopf.

 

„Ich lasse mich gerne abhalten, von so einer hübschen Aussicht“, erwiderte er rau. Sie reichte ihm ihre Hand und lächelte wieder.

 

„Vorsichtig, Draco“, warnte sie ihn ruhig. „Meine Schwester hat nicht unbedingt nur Positives erzählt“, sagte sie vage, und sein Grinsen vertiefte sich eine Spur, während er ihre Hand nicht losließ.

 

„Das hoffe ich doch“, erwiderte er mit einem zweideutigen Grinsen, und sie schüttelte über seine Arroganz lächelnd den Kopf. Er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden, und soweit er wusste, hielt er nichts von Liebe auf den ersten Blick, oder überhaupt von einer starken Gefühlsregung in Bezug auf Mädchen, aber dieses hier… - sie war einfach perfekt. Verdammt perfekt.

 

Und er wollte dieses Mädchen haben. Er musste. So unschuldig wie sie tat, war sie bestimmt nicht. Sie war zu ihm gekommen. Und wenn ihre Schwester in Slytherin war, so würde sie bestimmt auch dort landen. Direkt vor seiner Nase.

 

Und er wusste, wie dieser Tag heute enden würde.

 

~*~

 

Sie hatte im Herrenhaus geschlafen. Nicht im neuen Haus. Und es war seltsam, denn tatsächlich – wenn sie schon hier schlafen musste – schlief sie lieber dort, wo Narzissa und Lucius schliefen.

 

Sie wanderte durch den Flur, war noch nicht unten gewesen, und hatte sein Zimmer wiedergefunden. Heute hatte sie in einem der Gästezimmer im zweiten Stock schlafen dürfen. Sie hatte seine Tür geöffnet. Sie hatte sich umgesehen. Gründlicher, als sie es getan hatte, als sie betrunken hier gelandet war.

Aber sein Zimmer war genauso wenig aussagekräftig wie er selber, stellte sie schlecht gelaunt fest.

Er schien nicht viele Dinge zu besitzen. Minimalistisch war sein Zimmer eingerichtet. Das einzig persönliche waren die Federn auf seinem Schreibtisch, teilweise unbenutzt, und der Slytherin-Banner an der Wand. Ansonsten konnte sie nichts feststellen, was auf seinen Charakter würde schließen lassen können.

 

Sie öffnete die Schranktüren. Seine Sachen lagen dort ordentlich gefaltet. Alles war ordentlich in diesem Zimmer. Das Bett war gemacht, und an der Wand hing an einer Halterung sein Rennbesen.

Und das war es schon. Wenn sie an ihr Zimmer bei ihren Eltern dachte, musste sie den Kopf schütteln. Man könnte Tage in ihrem Zimmer zubringen, und hätte dennoch nicht alle Schachteln und Kisten entdeckt, nicht alle Briefe, Tagebücher und Gedanken von ihr erfasst.

Sie hatte tausend Kleinigkeiten, tausend Geschenke, tausend Dinge, die man über sie alleine in ihrem Zimmer erfahren konnte.

 

Und Malfoy? Er hatte nichts, was irgendetwas über ihn preisgab, ließ man den Besen außer Acht, der einen auf sein Hobby schließen ließ. Keine Bücher, keine Kuscheltiere aus Kindertagen – nichts. Zwar war unten die riesige Bibliothek, vielleicht brauchte er deshalb keine Bücher in seinem Zimmer, aber sie würde sich nicht wohlfühlen, ganz ohne.

 

Sie verließ sein Zimmer und ging den Flur rechts runter. Sie kam zu einer weiteren Tür. Sie war verschlossen, aber still zog er Hermine den Zauberstab, sprach den Alohomora-Zauber stumm, und das Schloss klickte. Die Tür öffnete sich.

 

Und sie blinzelte perplex.

 

Ein Kinderzimmer.

 

Es war ein riesiges Kinderzimmer, mit Spielzeug aller Art und Größe! Manches magisch, manches schlichtes Spielzeug. Bis zum Fenster hin stapelten sich magische Brettspiele, ein großes Schaukelpferd, was durch einen letzten Rest Magie immer noch sanft vor und zurück wippte, Zaubererfiguren waren teilweise auf dem Boden verteilt, schienen sich aus ihrer Kiste befreit zu haben, und ihre Beine bewegten sich magisch träge in der Luft, wenn sie umgefallen waren.

 

Bis zur Decke stapelte sich Spielzeug. Hermine konnte gar nicht alles auf einen Blick erfassen. Auf dem Fensterbrett saß ein weißer Bär. Er passte in den Arm, war nicht magisch, war einfach nur ein Bär. Sein linkes Ohr schien etwas locker zu sitzen. Er wirkte ohnehin ein wenig mitgenommen, aber Hermine nahm an, er wurde sehr lieb gehabt. Ob von Malfoy, ließ sie in ihrem Kopf unbeantwortet.

Das Schaukelpferd wandte müde den Kopf, als sie an ihm vorbeischritt, und sie musste lächeln. Muggelkinder würden bestimmt töten für ein magisches Schaukelpferd.

 

Und nein, Draco hatte alles gehabt. Alles, was ein verwöhntes Kind benötigte, um arrogant zu werden. Sie entdeckte Kinderzauberstäbe, die jeweils nur einen kindgerechten Zauber vollführen konnten, magische Murmeln, die die Farbe wechselten, essbare Galleonen, ein Kinderschloss zum Zusammenbauen, was Hermine mehr als lächerlich fand, denn Draco wohnte praktisch in einem Schloss.

 

Aber sie griff sich den Teddybären vom Fensterbrett. Er passte in ihren Arm, und sie nahm ihn mit. Sie beschloss, irgendetwas von hier auch drüben ins Haus zu bringen.

Sie verließ das Zimmer, verschloss sorgfältig wieder die Tür, und machte noch einen Abstecher in ihr Gästezimmer zurück.

 

Sie entfachte dort den Kamin, warf Flohpulver hinein, und sprach das Wort, was ihr am meisten Geborgenheit vermittelt hatte. Bis vor kurzem.

 

„Fuchsbau“, sagte sie voller Wehmut, lehnte sich in die grünen Flammen und wartete, bis der Blick aus der Küche der Weasleys klar wurde. Sie saugte den Anblick in sich auf. Den Anblick von verschieden großen Töpfen an der Wand, von Kräutern, von Unordnung, von echtem Leben!

 

„Hallo?“, rief sie unsicher und wartete kurz.

 

Ginny kam in Küche. Hermines Mundwinkel hoben sich. „Hermine!“, rief diese überrascht aus. „Wie toll, dass du dich meldest! Alles gut bei dir?“, fragte sie, und sofort sanken Hermines Mundwinkel wieder, denn sie musste wohl oder übel lügen, oder nicht?

 

„Jaah“, sagte sie also, mehr als vage. „Alles gut“, log sie lustlos. „Und bei euch?“

 

„Bei uns? Na ja, wie es halt einen Tag vor Heiligabend ist, Hermine! Harry und Ron sind draußen. Du weißt schon, wichtige Schneeballschlacht und so“, erklärte Ginny und verdrehte die Augen.

 

„Ja, ich verstehe“, gab Hermine zurück, und wünschte sich, ebenfalls dort zu sein. Zwar hatte sie ungerne eine Schneeballschlacht veranstaltet, aber mittlerweile vermisste sie selbst das.

 

„Und?“, war Ginnys nächstes Wort. Es war bezeichnend, fand Hermine. Ginny fragte nicht, und, wie geht es Malfoy? Wie geht es deinen Schwiegereltern? Wie hast du dich eingelebt? Nein, Ginny… fragte diese Dinge nicht mit Worten. Und Hermine verstand es zu gut, aber sie wollte auch selber nicht darüber reden. Es war so unpassend. Und Hermine wollte eigentlich nach Ron fragen, aber sie wusste, das durfte sie auch nicht. Oder? Würde es nicht komisch aussehen? Sie könnte nach Harry und Ron gemeinsam fragen, aber… -

 

Ihr fiel Pansy wieder ein. Sie wollte alles gar nicht näher wissen. Allerdings war sie nun in betrübtes Schweigen verfallen. Und Ginny hatte es bemerkt.

 

„Hermine?“, riss Ginny sie behutsam aus ihren Gedanken.

 

„Ich dachte, ich komme euch besuchen?“, riss Hermine sich am Riemen, und Ginnys Mund öffnet sich begeistert.

 

„Sicher! Bitte, mach das. Ich habe schon Entzugserscheinungen, so lange habe ich dich nicht mehr gesehen!“ Zwar stimmte das nicht, aber Hermine fühlte dasselbe. Aber sie wusste, sie konnte nicht Hals über Kopf zum Fuchsbau stürmen.

 

„Wie wäre es am ersten Feiertag?“, fragte sie hoffnungsvoll, damit sie wenigstens so schnell wie möglich zu ihnen konnte.

 

„Klingt gut“, versprach Ginny erleichtert. „Kommt er… mit?“, fragte sie anschließend, aber Hermines Kopf schüttelte sich automatisch. Denn – nein. Niemals würde sie ihn mitnehmen! Dann konnte sie auch direkt hierbleiben. Außerdem glaubte sie nicht, dass er auftauchen würde. Vor Silvester.

 

„Nein, ich komme allein“, widersprach Hermine, als wäre es selbstverständlich. Kurz wirkte Ginny, als wolle sie noch etwas loswerden, aber Molly betrat die Küche.

 

„Oh, Hermine! Wie schön, dich zu sehen! Was macht das Eheleben?“, fragte sie überschwänglich.

 

„Mum, Hermine kommt in zwei Tagen zu Besuch!“, lenkte Ginny ab, und Molly wirkte begeistert.


„Wunderbar! Mit deinem Mann?“ Hermine öffnete den Mund, aber Ginny sprach für sie.

 

„Nein, sie kommt allein.“

 

„Oh“, machte Molly nur, fing sich aber schnell. „Gut! Willst du was Bestimmtes essen, Liebling?“, fragte sie warm, aber Hermine fühlte schon wieder die Tränen in ihrem Innern aufsteigen.

 

„Nein, alles schmeckt wunderbar“, versicherte ihr Hermine. „Ich… ich muss los“, log sie eilig, bevor sie noch wirklich weinen würde.

 

„Natürlich, fröhliche Weihnachten, Hermine, Liebling!“, rief Molly, bevor Hermine die Verbindung hastig brach. Und dann erlaubte sie sich, vor dem Kamin zusammenzusinken. Mit den Händen bedeckte sie ihr Gesicht und weinte stumme, heiße Tränen. Sie vermisste ihre Freunde, sie vermisste Ron noch mehr, und sie wollte nach Hause.

Es war nicht dasselbe.

 

„Miss?“ Erschrocken hob Hermine den Blick. Sie hatte die Elfe überhaupt nicht bemerkt. Hermine wischte sich die Tränen von der Wange, aber es war sinnlos, denn die Elfe wirkte bereits heillos überfordert mit ihr. „Die… die Herrin lässt sie zum Frühstück bitten“, wisperte die Elfe ängstlich. Die Elfe hatte wilde schwarze Haare. Sie gingen ihr in borstigen Locken bis zu den schmalen Schultern. Sie trug eine weiße Toga, die wenigstens sauber wirkte.

Ihre runden Augen waren fast schwarz, und ihre kleine Nase machte einen scharfen Bogen nach unten.

 

„Ja“, murmelte Hermine ertappt, ohne die Elfe anzusehen. „Danke“, ergänzte sie, in Ermangelung des Namens des Geschöpfes. Die Elfe hatte sich eilig abgewandt, hielt in der Tür aber inne, ehe sie sich wohl in Luft auflösen wollte.

 

„Das da“, sagte die Elfe unschlüssig, hatte sich wieder Hermine zugewandt, und deutete mit einem kurzen schmalen Finger auf den Bären, der neben Hermine saß. Die Augen der Elfe waren verengt, als würde sie das Kuscheltier wiedererkennen.

 

„Der Bär?“, half Hermine nach, und die Elfe nickte. Sie ignorierte wohl immer noch Hermines Tränen, aber für den Bären gewann sie neues Interesse, näherte sich langsam, als dachte sie, Hermine könnte sie angreifen.

 

„Es gehört nicht der Miss“, schien die Elfe sagen zu müssen. „Tilly weiß, es gehört nicht der Miss“, wiederholte sie eindeutiger. Was wollte sie unterstellen? Dass Hermine ein Kuscheltier stehlen wollte?

 

„Er war im alten Kinderzimmer“, rechtfertigte sich Hermine. Es war ein wenig verwunderlich, nicht auf Tränen angesprochen zu werden, aber sie nahm an, die meisten Hauselfen empfanden keine Empathie gegenüber ihren Besitzern.

 

„Es gehört dem jungen Master, Tilly weiß das!“, entrüstete sich die Elfe.

 

„Ja, ich weiß“, erwiderte Hermine, ein wenig genervt. Auch der Titel ‚junger Master‘ ließ ihr das sprichwörtliche Messer in der Tasche aufgehen. Denn er war ein Arschloch, ein widerlicher, gewalttätiger, verwöhnter Bastard – aber bestimmt kein ‚junger Master‘!

 

„Wieso hat es die Miss?“, wollte die Elfe nun mutiger wissen.

 

„Ich wollte…“ Hermine überlegte, ob sie dem kleinen Geschöpf überhaupt Rechenschaft ablegen musste, aber sie erinnerte sich, an ihren Plan von B.Elfe.R, und sie glaubte, selber kein gutes Beispiel abzugeben, wenn sie nun anfing, Elfen für unter ihrer Würde zu betrachten. „Ich wollte es mit ins neue Haus nehmen. Ihm ein neues Zuhause geben.“

 

„Das darf die Miss nicht!“, heulte die Elfe los und wollte sich schon den Bären greifen, aber Hermine war schneller, hatte den Bären erfasst und erhob sich, damit die Elfe den Bären nicht zu fassen bekam. Die Elfe starrte finster zu Hermines erhobener Hand auf, die den Bären weit über ihren Kopf hielt.

 

„Tilly“, benutzte Hermine den Namen der Elfe, fast sanft, „ich will ihn nicht stehlen. Draco soll ihn drüben im Haus haben, damit… er dort etwas Persönliches von sich hat.“ Die Elfe hatte die Augen böse verengt.

 

„Die Miss darf das nicht tun“, sagte sie schlicht.

 

„Es… ist nur ein Bär“, entfuhr es Hermine ein wenig ratlos. Vielleicht war die Elfe verrückt, überlegte sie knapp.

 

„Die Miss muss Tilly wiedergeben, was sie genommen hat“, forderte die Elfe streng, hielt Hermine die kleine Hand entgegen, und Hermines Mund klappte entgeistert auf.


„Ernsthaft?“, wollte Hermine verstört von dem kleinen Geschöpf wissen.


„Es gehört in das Zimmer, wo es wohnt“, erklärte die Elfe, als hätte Hermine ein echtes Lebewesen seinem natürlichen Habitat entrissen.

 

„O-k?“, antwortete Hermine ergeben und vorsichtig, denn vielleicht würde sich die kleine Elfe gleich noch auf sie stürzen. Langsam sank Hermines Hand, und die Elfe schnappte den Bären aus ihren Fingern, kaum, dass sie ihn erreichen konnte.

 

Hermine beschloss, es nicht zu kommentieren. Entweder waren die Elfen hier wie Schießhunde darauf dressiert, alles zu bewachen, oder Hermine fehlte hier eine wichtige Information, was den schlichten Bären betraf. Die Elfe hielt das Kuscheltier an sich geklammert. Sie schoss Hermine einen tödlichen Blick zu. Dann stolzierte das Geschöpf zur Tür hinaus, und Hermine erhob sich lautlos, um der Elfe zu folgen. Tatsächlich stampfte das kleine Geschöpf zurück zum Kinderzimmer, und öffnete die Tür, ohne sie entriegeln zu müssen. Elfenmagie war faszinierend, überlegte Hermine kopfschüttelnd. Sie verbarg sich im Türrahmen, aber die kleine Elfe kam keine Minute später wieder aus dem Zimmer und hatte den Bären bestimmt zurück aufs Fensterbrett gestellt.

 

Und Hermine wusste, sie würde definitiv fragen, was es damit auf sich hatte. Obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass es weder Lucius noch Narzissa wüssten.

Es war schließlich nur ein Bär.

 

 

Kapitel 33

 

Er wusste, wie Blaise ihn ansah. Er hatte Astoria und ihre Freundinnen zu sich eingeladen. Sie aßen an ihrem Tisch im Restaurant, und Blaise sowie Gregory musterten ihn unverhohlen. Er war heute mit ihr auf der Piste gewesen, und es hatte ihn kaum gestört, wie schnell sie herausgefunden hatte, dass er nicht Skifahren konnte. Er hatte tatsächlich gelacht, als er gestürzt war. Das erste Mal machte ihm seine Unfähigkeit in etwas nichts aus. Er konnte sich nicht mal erinnern, wann er das letzte Mal gelacht hatte.

 

„Sag mal, was machst du eigentlich?“, zischte Blaise ihm schließlich irgendwann zu, als er sich wohl nicht mehr beherrschen konnte. Draco hob eindeutig eine Augenbraue, die seinem Freund hoffentlich klar machte, dass er ihm seine Faust ins Gesicht schlagen würde, würde er gegenüber Astoria auch nur die leiseste Andeutung machen. Denn scheinbar wusste sie es nicht.

 

„Ich habe eine gute Zeit“, behauptete Draco nun lautstark und schenkte Astoria ein feines Lächeln. Er hatte noch nicht gewagt, sie anzurühren. Sie kam ihm so… perfekt vor. Er wollte diesen Anblick nicht zerstören, dadurch, dass er zu schnell agierte.

Er war ein Weichei geworden, fiel ihm auf. Und er war so aufgeregt. Manchmal hatte er das Gefühl gegenüber einem Mädchen verspürt. Wenn sie es wert war. Wirklich wert. Und bei ihr, bei dieser unglaublichen Erscheinung vor ihm, hatte er das Gefühl.

 

Sie war klein, ohne die Absätze. Sie trug jetzt flache Schuhe, und ihr Körper war zierlich, aber ihre Oberweite war angenehm ausgeprägt dagegen. Sie trug einen blauen, engen Pulli, strich sich immer wieder die dunklen Haare über die Schulter und entblößte lediglich die Haut ihres Schlüsselbeins, und Draco hatte sich dennoch wiederholt anders hinsetzen müssen, denn er konnte seine Gedanken nicht davon abbringen, sie dort unbedingt küssen zu müssen.

 

Sie waren längst fertig mit essen, tranken eine Flasche des besten Elfenweins, und eine Freundin von Astoria verwickelte Blaise immer wieder ins Gespräch. Sie schien an ihm Gefallen gefunden zu haben. Blaise beantwortete höflich alle Fragen, aber er zeigte kein offensichtliches Interesse an dem Mädchen, was ebenfalls nett anzusehen war.

 

„Mr Malfoy?“ Ein Kellner war erschienen und reichte ihm auf einem Tablett einen Brief. Ein weiterer Brief? Draco konnte nur annehmen, seine Mutter erlitt Zuhause sämtliche Krisen. Dankend nahm er ihn entgegen und ließ ihn in seiner Tasche verschwinden.


„Du kannst ihn ruhig lesen“, sagte Astoria aufmerksam, aber Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Es wird nichts wichtiges sein“, versprach er. „Wie wäre es, wenn wir gleich zurück apparieren und uns vor dem Feuer entspannen?“ Sie wohnten im selben Chalet, und er war überrascht von sich und seiner zuvorkommenden Höflichkeit, als er sich eine Sekunde eher erhob als Astoria, um ihr den Stuhl zurückzuziehen, damit sie aufstehen konnte. Blaise und Gregory bedachten ihn mit scheelen Blicken, aber er fühlte sich höflich heute.

 

Außerdem konnte er seine Mutter beruhigen. Er würde morgen ebenfalls abreisen, hatte er Astoria heute eröffnet. Sie sollte das Gefühl bekommen, er würde seine Pflichten Zuhause ernstnehmen. Zumindest Pflichten, wie mit seinen Eltern zusammen Weihnachten zu feiern.

 

Die anderen erhoben sich ebenfalls, und es hätten nette Ferien sein können, würde Blaise ihn nicht so offensichtlich böse ansehen.

 

Sie apparierten noch selber, brauchten keine Elfen, denn so viel hatten sie nicht getrunken.

Es war ein herrlich kalter Abend. Magisch rieselte noch mehr Schnee von oben herab, damit die Illusion eines echten Winterurlaubs perfekt wurde, aber Draco brauchte überhaupt nichts anderes als das.

 

Ehe er die Idee abschließen konnte, zu Astoria aufzuschließen, um ihre Hand zu nehmen, hielt ihn Blaise am Oberarm zurück.

 

„Was tust du?“, zischte er in der Dunkelheit neben ihm.

 

„Was willst du von mir?“, knurrte Draco ungehalten, aber er erkannte auch in der Dunkelheit Blaises verwirrten Ausdruck.

 

„Draco, du bist verheiratet“, informierte ihn Blaise, als wären es in irgendeiner Art und Weise Neuigkeiten für ihn. Hastig sah sich Draco um.

 

„Halt deinen Mund, ok?“, zischte er gereizt. Blaises Mund öffnete sich.

 

„Du… du willst sie wirklich betrügen? Zwei Tage nach der Hochzeit? Ist das dein verdammter Ernst, Malfoy?“ Aber Draco verdrehte die Augen.

 

„Oh komm schon, Blaise. Das ist es, was wir tun. Was wir Reinblüter immer getan haben“, erklärte Draco kurz angebunden und kalt. Astoria wandte sich lächelnd um.

 

„Wir ziehen uns was Bequemeres an“, rief sie ihm zu, und er erwiderte ihr Lächeln.

 

„Ok“, erwiderte er lauter, wieder ein unwiderstehliches Lächeln auf seinen Zügen, denn kurz sah er, wie sie rot wurde, wie sie auf ihn reagierte, so wie er es antizipierte. Ja, das sollte sie tun. Blaise neben ihm starrte ihn an, wie einen Hochverräter.

 

„Du bist ein Schwein“, sagte er tonlos.

 

„Was?“ Draco lachte jetzt tatsächlich freudlos auf. Gregory tauchte ebenfalls neben ihnen auf. Draco war im Schnee stehen geblieben und wandte sich zu seinen Kameraden um. „Warum? Weil ich meine ‚Frau‘ betrüge?“ Er betonte das Wort wie etwas sehr Lächerliches. „Seit wann seid ihr scharf auf Muggel-Mädchen?“, wollte er ungläubig wissen. „Wir haben doch gar keine Wahl, als uns unseren Spaß anderswo zu suchen. Das war schon vorher klar, oder nicht?“

 

Aber seine so genannten Freunde schwiegen.

 

„Was?“, wollte er mittlerweile zornig wissen. „Seht mich nicht so an!“, entrüstete er sich. „Ihr wisst, wer ich bin? Ihr erinnert euch noch dunkel an unsere Partys?“ Vor allem Blaise sollte sich bloß nicht so aufspielen! Draco wusste, wie heilig Blaise die Traditionen waren. Er war ein Heuchler!

 

„Aber es sah so aus, als…“, begann Gregory zögerlich, aber Dracos fester Blick zwang ihn, weiterzusprechen. „Als… würdest du sie…?“

 

„Was?“, gönnte ihm Draco nicht den Triumph, dass er wusste, was Gregory sagen wollte.

 

„Sie mögen“, schloss Gregory beschämt.

 

Mögen?“, wiederholte Draco das unmögliche Wort. „Ich habe sie gevögelt, Greg. Ja, sicher, es ist mein verdammtes Recht, und ich könnte mich übergeben, wenn ich nur daran denke!“, knurrte er. „Sie hat mich geheiratet für mein Gold und weil sie mich hasst, Greg, aus keinem verdammten anderen Grund!“

 

Der Schnee fiel lautlos, hüllte sie in eine noch tiefere Stille, und Draco hatte keine Lust mehr, hier draußen in der Dunkelheit zu stehen und sich zu rechtfertigen, während seine Füße mit jeder Minute kälter wurden.

 

„Erzählt mir nicht, dass ihr es nicht genauso machen würdet!“, rief er zornig. „Denn ihr habt keine Ahnung! Wagt es nicht, mich zu verurteilen dafür! Denn ich mag in diesen Witz einer Ehe gezwungen worden sein, aber dieses Mädchen“, er deutete hinter sich auf die Stelle, wo Astoria vorhin noch gestanden hatte, und sein Herzschlag ging schneller, „hätte die eine sein können. Also wagt es nicht, mir irgendeinen Vorwurf zu machen, dass ich es in meinem Kopf nicht für eine Sekunde in Erwägung ziehe, einem widerlichen Schlammblut treu zu sein!“

 

Sein Atem ging schnell, und Blaises Ausdruck hatte etwas angenommen, was Draco verabscheute. Eine Mischung aus Mitleid und Verachtung.

 

„Sieh mich nicht so an!“, spuckte ihm Draco entgegen.

 

„Wenn du so weiter machst, riskierst du alles. Du verlierst alles, Draco“, erinnerte ihn Blaise düster.

 

„Und?“, fuhr Draco ihn an. „Dann verliere ich eben alles! Wen interessiert es noch? Meine Eltern hat es nicht interessiert, dass ich lieber tot vom höchsten Turm Hogwarts gehangen hätte, als auch nur einen Tag mit der Last leben wollte, ein Schlammblut zu ertragen! Also wird es sie genauso wenig interessieren, wenn ich alles verlieren würde!“, donnerte er, aber seine Stimme klang seltsam dumpf im Schnee um ihn herum.

 

„Du hältst es nicht zwei Tage aus, ohne dich um Kopf und Kragen zu bringen, Draco“, informierte ihn Blaise kopfschüttelnd, als wäre er so viel klüger, als hätte er alles begriffen und Draco nicht. 

 

„Fick dich, Blaise!“, sagte Draco wütend. Und Blaise schüttelte lediglich den Kopf.

 

„Du bist unglaublich! Hast du nicht mal für eine Sekunde daran gedacht, dass du selber schuld bist? Dass all das Leid, worüber du dich beklagst, nur durch dich allein entstanden ist?“, schrie Blaise, und Gregory stand hilflos daneben, sprang Draco nicht zu Hilfe, sah nur Blaise an, und Draco fühlte sich verraten.

 

„Durch mich allein?“, wiederholte Draco und lachte freudlos auf.

 

„Ja!“, erwiderte Blaise. „Dein Vater hat Recht, wenn er sagt, an dir ist jede Mühe verloren!“

 

Dracos Augen wurden schmal. „Oh, sagt der Todesser das? Dann muss es ja stimmen!“, knurrte Draco, und Gregory verzog den Mund.

 

„Leute, hört auf“, flüsterte Gregory, aber Draco ignorierte ihn.

 

„Wenn es so schlimm ist, mit mir befreundet zu sein, wieso bist du dann überhaupt mitgekommen?“, fuhr Draco Blaise an. „Bisher hattest du kein Problem, auf meinen Events aufzutauchen, dich volllaufen zu lassen, dir jedes Mädchen zu nehmen, das du haben wolltest!“, sagte er kalt. „Wenn es so schlimm ist, dann hau doch ab! Lass mich in Ruhe mit deiner scheiß Moral, die nur geheuchelt ist, denn ich will dich sehen, wenn du in deine verdammt Ehe gezwungen wirst und Tag ein und Tag aus mit einer Frau leben musst, die du hasst, weil sie nicht deinem Geschmack entspricht, weil du dich lediglich für dein Gold zufrieden gegeben hast, weil du-“

 

„-der Unterschied zwischen dir und mir, Draco, ist, dass ich es nicht tun würde!“, unterbrach ihn Blaise mit drohendem Unterton, der sehr leicht in physische Gewalt umschlagen konnte, und Draco wartete nur darauf. Er lauerte darauf, hörte sich die verlogenen Worte an und schüttelte bereits seinen Kopf. „Ich würde ganz bestimmt nicht einwilligen!“, ergänzte Blaise kalt. „Mein Gold zu haben, für die lebenslange Strafe, unglücklich zu sein, wie du es nennst, wäre es mir nicht wert“, spuckte ihm Blaise entgegen.

 

Dracos Mund öffnete sich, und dann schloss er sich wieder. Draco nickte bitter.

 

„Ja“, sagte er kalt, „jetzt kannst du noch reden“, entgegnete er. „Ich würde dich in einem halben Jahr noch einmal fragen, würde ich dann noch mit dir reden, Zabini. Und ganz bestimmt hättest du deine Villa, deine Schlösser in Italien, all das, was du wert bist, nicht aufgegeben!“

 

Aber Blaise lächelte traurig, und Draco hasste ihn. „Was ich wert bin?“, wiederholte Blaise, und Dracos Faust zuckte bereits, bei Blaises mitleidigem Ausdruck. „Draco, mein Wert wird ganz bestimmt nicht von meinem Vermögen bestimmt! Jetzt gerade“, ergänzte Blaise angriffslustig, „magst du der reichste von uns sein!“ Blaise schloss den Abstand. „Aber wert… bist du überhaupt nichts“, schloss er eisig.

 

Draco stieß ihm so hart die Hände vor die Brust, dass Blaise hinten über in den Schnee fiel, und Gregory trat dazwischen.

 

„Hört auf!“, rief er jetzt haltlos. „Beide!“

 

„Keine Sorge!“, bemerkte Blaise rau, als er sich erhob und sich den Schnee von der Jacke klopfte. „Wir sind hier fertig.“

 

Und damit schritt Blaise an ihnen vorbei, hoch zum Chalet. Dracos Atem ging schneller.

Gregory wirkte überfordert und ziemlich unglücklich.

 

„Hast du auch ein Problem mit mir? Dann beeil dich und folg dem Verräter!“, knurrte Draco ungehalten.

 

„Draco, lass uns nicht streiten!“, widersprach Gregory kopfschüttelnd, und Draco blickte zornig zur Seite, in die Nacht. Er hasste seine Freunde.


„Ich muss rein“, erklärte Draco lediglich, denn nichts würde ihn davon abhalten, die Nacht mit ihr zu verbringen. Mit Astoria. Nicht Blaise, nicht Gregory, nicht mit dem Gedanke an sein Zuhause oder an das Schlammblut.

 

Nichts hielt ihn ab. Und sie lagen falsch. Alle!

 

Gregory schien noch etwas sagen zu wollen, aber Draco ließ ihn stehen. Er hatte noch etwas vor. Etwas, das wichtiger war, als sich von seinen Freunden anschreien zu lassen.

 

~*~

 

Sie wusste nicht, weshalb ihr Weg sie wieder in sein Zimmer geführt hatte. Der Tag war langsam vergangen. Sie hatte mit ihren Eltern gesprochen, und ihre Mutter hatte von sich aus vorgeschlagen, dass sie ja am zweiten Feiertag vorbeikommen könnte.

Zwar hatte Hermine schon viele Weihnachten nicht Zuhause verbracht, weil sie in Hogwarts geblieben war, aber jetzt… war sie nicht in Hogwarts.

 

Und es war das erste Mal, dass sie außerhalb Hogwarts, nicht Zuhause Weihnachten feiern würde. Sie hatte den Vorschlag ihrer Mutter halbherzig unterstützt, versprochen, mit Malfoy am zweiten Feiertag vorbeizuschauen, auch wenn es nur eine Floskel war. Sie würde ihm davon nichts erzählen.

 

Sie setzte sich an seinen Schreibtisch. Ihre Finger fuhren über das dunkle Holz seines Schreibtisches, und sie seufzte leise. Sie nahm eine Feder in die Hand, die er wohl öfters benutzt hatte und blickte hinaus in den winterlichen Garten, über den dieses Zimmer blickte.

 

Hier hatte er also seine Sommer verbracht. War im Garten geflogen, war auf sinnlosen Partys gewesen, auf denen er sich sämtliche Knochen gebrochen hatte.

Sie erinnerte sich an diesen Impuls. Als sie gesehen hatte, wie er an dem Fieber seiner Entzündung fast gestorben wäre, wären sie in der Muggelwelt gewesen. In der Muggelwelt hätte er diesen Sturz nicht einmal überlebt.

 

Er wäre an seinem Geburtstag gestorben.

 

Und ihr Ausdruck wurde bitter. Sie verlor manchmal aus den Augen, dass es Lucius und Narzissa waren, die ihn zu dem gemacht hatten, was er heute war. Sie konnte ihn in seinem Zimmer riechen. Seine Wäsche roch nach seinem Duft, und sie wusste, sie sollte im neuen Haus sein, ganz bestimmt nicht im Herrenhaus, ganz bestimmt nicht in seinem Zimmer.

 

Und nein, natürlich hatten weder Lucius noch Narzissa eine leise Ahnung gehabt, was es mit der Elfe namens Tilly und dem Bären auf sich hatte. Hermine würde es später herausfinden, denn tatsächlich interessierten sie die Elfen. Ihr waren sie nämlich wichtig.

 

Sie erkannte, dass draußen im Garten Männer um die Ecke kamen. Zauberer in blau gekleidet. Sie manövrierten einen monströsen Weihnachtsbaum durch den Garten. Er passte scheinbar nicht durch die Haustür und wurde nun von hinten durch die Verandatür ins Haus gebracht. Sie riefen sich gegenseitig Befehle zu, ließen den Baum höher schweben, und Hermine war sich sicher, dieser Baum stand dem in Hogwarts in nichts nach.

 

Reichlich spät für einen Baum, überlegte sie unwillkürlich. Sie wusste nicht mal, ob Malfoy wiederkäme. Narzissa hatte ihr gesagt, sie hätte ihm geschrieben, ihn dazu aufgefordert, aber noch hatte sie keine Rückmeldung erhalten. So wenig Hermine vielleicht ihre Zeit mit Reinblütern verbrachte, umso weniger gerne, verbrachte sie ihre Zeit mit Draco Malfoy.

Also wäre es ihr ganz Recht.

 

Dunkelheit legte sich rasch über das Grundstück. Die milchige Sonne versank hinter den Baumwipfeln, und das fahle Licht der Dämmerung erweckte in ihr die typische winterliche Kälte in den Gliedern. Sie schauderte kurz.

Es war ein Tag vor Heiligabend, und sie saß bei den Malfoys gefangen. Nein, sie war eine Malfoy unter Malfoys gefangen, dachte sie bitter.

 

Und dann hob sich ihr Blick. Leer starrten ihre Augen durch die polierte Fensterscheibe.

 

Sie hatte keine Geschenke.

 

Es ging ihr so plötzlich auf, und fast schämte sie sich, nicht daran gedacht zu haben. Oh Merlin! Sie hatte nicht ein einziges Geschenk. Und wahrscheinlich nahmen die Malfoys an, dass sie wenigstens für ihren Ehemann irgendetwas haben würde. Nicht, dass er sich die Mühe machen würde, etwas für sie zu haben, aber… -

 

Sie erhob sich augenblicklich. Sie musste in die Stadt, ehe die Läden schließen würden. Ehe es peinlich wurde, und sie aus alten Socken von Molly Weasley Handpuppen würde basteln müssen!

 

In ihrem Selbstmitleid versunken, hatte sie alle Konventionen der westlichen Welt vollkommen vergessen.

 

Sie hoffte nur, sie würde nicht schon Stunden brauchen, Häuser zu wechseln, sich anzuziehen, zu den Grenzen des Grundstücks zu gelangen und zu apparieren.

Sie durchquerte sein Zimmer eilig, aber sie merkte es beim Auftreten. Direkt vor dem Schrank gab eines der langen Dielenbretter unter dem Teppich nach.

War es so in alten Häusern? Sie runzelte langsam die Stirn, ehe sie sich bückte, den Teppich sachte zur Seite schlug und merkte, dass dieses Dielenbrett locker saß.

 

Es war, als –

 

Der Mechanismus löste sich, und das Brett klappte ein wenig nach oben. Hermines Augen wurden groß.

 

Malfoy konnte also gut verstecken, dachte sie überrascht. Die ganze Länge des Dielenbretts war vollgestopft mit allen möglichen Kleinigkeiten. Sie konnte Pergament erkennen, leere Tintenfässer, halb angefangene Flaschen Whiskey, Pilzkrautzigarren, seltsame unbeschriftete Tütchen mit Kräutern, sie nahm an, sie waren in irgendeiner Weise bewusstseinsverändernd, Schachteln sowie alte Schulbücher, und sie beschloss, später noch einmal wiederzukommen. Sie hatte hier nicht viel Spaß, und er war selber schuld, beschloss sie grimmig, mit einem feinen Lächeln auf den Zügen. Sie liebte es, Geheimnisse herauszufinden.

 

Und zurzeit hatte sie die Zeit dafür. Und es lenkte sie von Ron ab.

 

Und Pansy. Vielleicht schrieb sie Ron später. Nur einen winzigen Brief. Einfach, um zu hören, wie es ihm ging.

 

Sie ließ das Dielenbrett wieder einrasten, deckte den Teppich sorgfältig darüber und verließ sein Zimmer. Und jetzt konnte sie sich überlegen, was sie einem Mann wie Lucius Malfoy zu Weihnachten schenken sollte, der Narzissa wahrscheinlich Juwelen aus Ägypten beschaffen ließ…

 

Ja, bestimmt würde er sich über ein Paar Socken freuen, dachte sie bitter, und wünschte sich, sich gar nicht daran erinnerte zu haben, dass man an Weihnachten Geschenke verschenkte. Vor allem brauchte sie Geschenke für ihre Eltern! Für die Weasleys und Harry.

 

Es würde ein langer Abend werden, dachte sie dumpf, ehe sie versuchte, über die endlosen Irrwege aus dem Herrenhaus rauszufinden.

 

~*~

 

Wenn Hermine geglaubt hatte, sie wäre die einzige in der Stadt, so hatte sie sich geirrt. Die Läden waren alle selbst am letzten Tag noch voll. Immerhin hatte sie sich schon entschieden, was sie ihren so genannten Schwiegervater schenken würde. Lucius bekäme die neueste Ausgabe der Trolleroberungen des zweiten Zeitalters. Ein Kriegsschinken, wie Hermine fand, aber sie glaubte, alleine der ledergebundene Buchrücken wirkte auf Männer ansprechend. Auch das Thema klang nach etwas, was Lucius interessieren könnte, denn es ging um jede Menge Gold und die Zerstörung der Trolldynastie.

 

Vielleicht kamen sogar frühzeitliche Todesser drin vor, überlegte sie grimmig. Es war lächerlich, dass sie Weihnachtsgeschenke für die Malfoys finden musste, so viel stand fest.

Für ihre Mutter hatte sie bereits gehäkelte Topflappen, die die Farbe wechselten, und gefilzte Hausschuhe in Madame Hester’s Allerlei Laden gefunden.

 

Ihr Vater bekam die obligatorischen Socken von ihr und dieses Jahr sogar eine dunkelblaue Krawatte. Immerhin wusste sie, dass er sich ehrlich über Socken freute. Vor allem über magische Socken, denn in den Fasern war ein Wärmezauber für besonders kalte Tage eingearbeitet.

 

Bei Harry, Ron und Ginny gab sie sich nicht viel Mühe, denn sie hatte lediglich neues Quidditchzubehör und Besenreiniger gekauft. Bronzene Pedalpolitur… - Hermine verstand es nicht, aber sie wusste, die drei würden sich freuen.

Molly bekam neue Wolle zum Stricken von ihr, besonders dick und dieses Mal in Dunkelblau.

Für Arthur hatte sie in Hester’s Allerlei ein Stromkreis-Set für Muggelkinder entdeckt. Es war ein altes, mitgenommenes Model. Sie glaubte, in der Grundschule selber mal so etwas besessen zu haben, und sie nahm an, Arthur hätte seinen Spaß damit. Ein winziger Generator war dabei, Erdungskabel, Batterien und Glühbirnen.

 

Das Problem Narzissa nahm sie jetzt in die Hand. Unschlüssig hatte sie einen Krims Krams Laden betreten, der scheinbar neu in der Straße war. Jedenfalls kam er Hermine unbekannt vor. Sie schritt durch die Tür, woraufhin ein leises Glöckchen über ihr bimmelte, ohne die größten Hoffnungen zu hegen, etwas Passendes zu finden, was Narzissas Stil überhaupt entsprach. Sei es vom Aussehen, sei es vom Preis.

 

Hermine wusste, sie interessierte sich für Cocktails, für Blumen, für Deko und Partyplanung, für Kleider, für Schmuck – für so ziemlich alles, überlegte sie dumpf.

Es musste irgendetwas geben, was ihr gefallen würde. Aber Hermine zögerte, denn wahrscheinlich erkannte Narzissa den Preis einer jeden Sache, alleine vom Hinsehen.

 

„Kann ich Ihnen helfen?“ Die Verkäuferin war eine kleine Hexe. Sehr rund, sehr freundlich, mit wilden blonden Locken unter dem kurzen, spitzen Hut.

 

„Oh, ich… suche etwas… spezielles…“, murmelte Hermine unschlüssig.

 

„Speziell, hm?“ Die Frau fuhr sich mit den Fingern über ihr Kinn. „Speziell verrückt, oder…?“

 

„Nein, etwas… besonderes, was sonst keiner hat“, erklärte sie vage. Die Frau schien zu überlegen.

 

„Wie wäre es mit Glück?“, erwiderte sie schließlich.

 

„Glück?“, wiederholte Hermine zweifelnd. „Viele haben Glück“, schloss sie. „Und Glück kann man nicht verschenken, es sei denn, man braut es, und-“

 

„-bei allem Respekt, die wenigstens haben Glück“, unterbrach die Frau sie mit Bedacht. „Und ja, man kann es brauen, aber nur wer es hat. Es ist ein nettes Geschenk, im falschen Haus allerdings unergiebig“, schloss sie. Hermine hob die Augenbrauen. Die Frau führte sie nach vorne zu einem Kasten mit Setzlingen, wie es schien.

 

„Glück ist eine Pflanze?“, wollte Hermine ungläubig wissen.

 

„Was ist keine Pflanze?“, erwiderte die Verkäuferin schnippisch. „Jeder Zaubertrank der Welt basiert auf Zutaten von Mutter Natur“, erklärte die Frau, und Hermine wurde klar, sie war hier sehr wahrscheinlich im falschen Laden.

 

„Keine der Pflanzen blüht“, bemerkte sie knapp.

 

„Nein“, räumte die Frau lächelnd ein. Es war ein müdes Lächeln, fast traurig. „Es passiert auch nur selten.“ Hermines Mund öffnete sich, um sich zu verabschieden, aber die Frau griff beherzt in den Setzkasten und zog einen gleißend hellen, goldenen Samenkern hervor. Er war so groß wie ein Daumennagel, auf keinen Fall größer. Dann holte sie eine der Glaskuppeln aus dem Regal, die wohl eher für winzige tropische Gewächse vorgesehen waren und legte den Samenkern auf den Glasboden und setzte die Glaskuppel mit dem runden Knauf oben auf. Es war nicht groß. Der gläserne Boden passte auf die Handfläche, und die ovalrunde Kuppel hatte vielleicht die Höhe einer Feder.

 

Aber der goldene Samenkern hob vom Boden ab und schwebte sanft im Innern der Kuppel.

 

Hermine starrte auf den goldenen Funken, der stetig leuchtete.

 

„Was… was passiert, wenn er blüht?“

 

„Es entsteht die schönste Blume, die ein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hat. Sie braucht kein Wasser. Sie braucht Liebe, die Ruhe der Seele und die Freude an sich selbst.“

 

Hermine musste lächeln. „Das ist eine Menge“, sagte sie nickend.

 

„Das ist mehr als die meisten Menschen geben können“, bestätigte die Frau und reichte Hermine die kleine Kuppel. Hermine nahm sie in die Hand, doch kaum, dass sie die Kuppel hielt, wurde das Licht des Samenkerns schwächer. Hermines Mundwinkel sanken.

 

„Oh“, entfuhr es ihr leise. Der Samenkern fiel nicht zu Boden, aber er leuchtete auch nicht so stark, wie er bei der Frau geleuchtet hatte.

 

„Hermine Granger, nicht wahr?“, fragte die Frau als sie hinter die Kasse schritt. Abwesend nickte Hermine, vergessend, dass sie nicht mehr Granger hieß. Aber die Leute kannten sie immerhin immer noch. Es war beruhigend auf eine Art. „Manchmal lässt das Glück eine Weile auf sich warten“, versprach die Frau lächelnd.

 

„Hm“, erwiderte Hermine enttäuscht, dass der Kern in ihren Händen nicht glühte. „Vielleicht wird er niemals blühen“, murmelte sie.

 

„Manchmal gibt es kleine Wunder“, erwiderte die Frau geheimnisvoll. „Es gibt Wüstenblumen, von denen keiner weiß, wie sie in der Dürre überhaupt erblühen können. Vielleicht sind Sie eine solche, Miss Granger?“

 

Hermine hob den Blick verwirrt. Wüstenblume?

 

„Was… ich? Nein!“, lachte sie. „Für… für mich soll sie gar nicht sein“, ergänzte sie, aber die Frau lächelte weiterhin. Dann fiel Hermine etwas anderes ins Auge. Es war ein Buch auf einem Stapel neben ihr. Es schimmerte blau und lila, vielleicht mit einem Funken Grün. Es trug keinen Titel, aber der Einband war verlockend schön.

 

„Wie heißt das Buch?“, wollte sie sofort wissen, aber die Frau lachte.

 

„Es hat keinen Titel. Die Geschichte entsteht beim Schreiben“, ergänzte sie. Hermine begriff.


„Oh, ein Tagebuch!“ Und sie wusste nicht, was sie annehmen ließ, er würde Tagebuch schreiben. Oder was sie annehmen ließ, sie musste ihm überhaupt etwas schenken, aber sie griff nach dem Buch. Der Einband war weich und angenehm zu berühren. Dann hatte sie wenigstens ein Geschenk für ihren Ehemann, dachte sie spöttisch.

 

„Ich nehme beides“, sagte sie also, denn sie nahm an, dass Narzissa sich bestimmt an einem goldenen Funken unter Glas erfreuen würde. Vielleicht. Es war immerhin etwas Besonderes, dachte Hermine verzweifelt.

 

„Das macht eine Galleone“, sagte die Frau. Hermine hob den Blick. Das war nicht gerade viel. „Für das Buch“, ergänzte die Frau. „Das Körnchen Glück ist ein Geschenk. Es blüht so selten, dass es falsch erscheint, einen Preis dafür zu verlangen“, sagte sie leichthin. „Aber alleine der goldene Kern ist die Anschaffung wert.“

 

Hermine wollte diskutieren, ließ es aber bleiben. Sie wusste nicht, ob es gut war, dass sie für Narzissas Geschenk keinen Knut ausgegeben hatte, aber sie betrachtete nachdenklich den Kern.

 

„Ist er irgendwann verblüht?“, fragte sie schließlich, als die Verkäuferin ihr beides in Samtpapier schlug und in eine Tüte stellte.

 

„Glück wärt ewig, wenn es die Chance hat, zu gedeihen“, erklärte die Frau, und Hermine runzelte die Stirn.

 

„Das… äh… heißt?“, wagte sie noch einmal zu fragen, aber die Frau musste lachen.

 

„Es hält lange“, bestätigte sie, und Hermine nickte dankbar.

 

„Frohe Weihnachten und vielen Dank“, sagte Hermine und verließ den Laden.

 

Es war mittlerweile dunkel. Wirklich dunkel. Aber so war es eben, kurz nach Wintersonnenwende. Sie war jetzt drei Tage verheiratet, und schon jetzt kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Sie seufzte auf, und wusste, ihr Plan ließ sich bestimmt nicht umsetzen, wenn sie allen Menschen Weihnachtsgeschenke besorgte.

 

Aber das war ihr eigenes kleines Dilemma, nicht wahr?

Denn… Hermine konnte gar nicht anders.

 

Mit hängenden Schultern machte sie sich auf den Rückweg. Es wurde langsam Zeit, dass es begann. Sie würde es nicht schaffen, alle glücklich zu machen. Irgendwer würde leiden. Irgendwer würde bezahlen müssen. Und nach Weihnachten wäre es soweit.

 

Allein gingen sich solche Sachen eben schwerer an, aber es war nichts, was sie nicht meistern würde. Sie war sich sicher. Fast.

 

 

Kapitel 34

 

Es war kurz vor zwölf. Die Eule an seine nervtötende Mutter hatte er bereits abgeschickt. Er hatte ihr in knappen Worten bestätigt, dass er morgen kommen würde. Sollte sie ruhig denken, dass er es der Familie zuliebe tat. Dann ließ sie ihn wenigstens in Ruhe. Er hatte eine Weile gebraucht, um sich abzuregen, zu ignorieren, was sein ehemaliger bester Freund ihm vorgeworfen hatte.

 

Und jetzt fand er sich vor ihrer Tür wieder. Er brachte sie tatsächlich zu ihrer Suite. Und er wusste, er würde nicht mit ihr schlafen, wenn sie es nicht wollte. Er lehnte sich gegen den Türrahmen, als sie den Schlüssel aus ihrer Jeanstasche zog.

 

„Es war ein wunderbarer letzter Tag hier“, sagte sie zu ihm. Sie sah zu ihm auf. Die blauen Augen voller Aufrichtigkeit. Ihn überkam das Gefühl, dass er von ihr nur noch so angesehen werden wollte. „Danke“, ergänzte sie, und kurz überraschte sie ihn tatsächlich. Er glaubte nicht, dass sie jemals schon mal irgendjemand für seine Gesellschaft bedankt hatte.

 

Vielleicht hatten sich Mädchen bei ihm nach dem Sex bedankt oder nach dem Oralverkehr, oder aus sonst irgendeinem Grund, wenn er einer teuren Schmuck geschenkt hatte, damit sie seinen Schwanz in den Mund nahm, aber… einfach so? Er konnte sich nicht erinnern.

 

Das war seltsam. Er betrachtete das schöne Mädchen vor sich, was so gut zu ihm passte.

 

„Ich hatte Spaß mit dir beim Skifahren“, sagte er nachdenklich. „Und ich hasse Skifahren“, ergänzte er mit eindeutig erhobener Augenbraue, und ihre Lippen teilten sich zu einem ansteckenden Lächeln.

 

Langsam lehnte er sich näher zu ihr, und sein Herz schlug lächerlich schnell, als wäre er eine Jungfrau, als wäre das sein erster Kuss. Lächerlich!

 

„Draco“, flüsterte sie plötzlich, ehe sich ihre Gesichter berühren konnten. Er hielt inne.

 

„Ja?“, raunte er, ein wenig atemlos.

 

„Ich… du hast… einen schlimmen Ruf, sagt meine Schwester“, flüsterte Astoria im schwachen Licht der Leuchten auf dem Flur. Ihre Haut wirkte noch dunkler und ließ ihre Augen noch heller strahlen, als sie ihn ansah.

 

Und für gewöhnlich mochte es Draco, wenn sein Reuf ihm vorauseilte, aber jetzt… jetzt gerade wollte er es nicht. Jetzt gerade hasste er die Tatsache, dass er einen Ruf besaß, der alles andere als positiv war, ein Ruf, der ihr angst machte. Denn er wollte nicht, dass sie Angst hatte.

 

„Ich…“, begann er angestrengt, denn in ihrer Nähe war es schwer, normal zu denken, fand er, „ich versichere dir, du musst keine Angst haben“, sagte er rau. Mit der Zunge befeuchtete sie ihre Lippen, und sein Blick verfing sich an ihrem Mund.

 

„Versprochen?“, wisperte sie, aber sie lehnte sich ihm bereits entgegen. Ungeduldig nickte er, gab ihr das Versprechen, und meinte es tatsächlich ernst.

 

„Versprochen“, bestätigte er, ehe er die Hand um ihren Nacken schlang. Seine Finger glitten durch ihre weichen, glatten Haare wie durch Seide, schlangen sich um ihren schlanken Nacken, und seine Lippen trafen auf ihre, und sein Magen machte einen unglaublichen Satz, als er merkte, dass er verliebt war. In dieses Mädchen. Er spürte, wie sie die Luft anhielt, und er hob die andere Hand zu ihrem Gesicht, berührte sie so sanft wie noch keine zuvor, und für einen Moment verweilte er auf ihren Lippen.

 

Ihr Duft war unglaublich, sie fühlte sich so perfekt an, und er erlaubte es sich nicht, seine Arme um sie zu legen, denn er wusste, dann würde er sie nicht mehr loslassen.

Als sich seine Zunge unweigerlich zwischen ihren Lippen, schob – denn, er konnte nicht anders – spürte er ihre Gegenwehr.

 

Sie zog sich sofort von ihm zurück. Ihre Atmung ging schneller, ihre Pupillen waren groß, als sie ihn ansah, und ihre vollen Lippen waren halb geöffnet.

 

„Ok…“, entfuhr es ihr schaudernd, „… das war… gut“, schloss sie, und er erkannte, es war mehr als gut gewesen. Mit fahrigen Fingern öffnete sie ihre Tür. „Ich muss… lass uns das… langsam angehen“, brachte sie mit hochroten Wangen hervor. Draco starb innerlich tausend Tode, denn er wollte sie jetzt. „Ok?“, vergewisserte sie sich, und tatsächlich überwand er sich und schenkte ihr ein Lächeln.

 

„Ok“, gab er nach. „Sehen wir uns morgen?“

 

„Morgen?“, flüsterte sie und lachte dann leise. „Es ist Heiligabend morgen. Ich denke, das wird schwer.“

 

„Übermorgen?“ Er würde hartnäckig bleiben, und wenn er nach allen Tagen der nächsten Woche fragen musste. Sie schien kurz nachzudenken.

 

„Das könnte klappen. Soll ich zu dir-?“, begann sie, aber er schüttelte instinktiv den Kopf.

 

„Wir können uns in der Stadt treffen“, schlug er direkt vor, denn er befürchtete bereits, dass ihre Eltern vielleicht sogar bestens informiert waren, über sein Privatleben. Und er konnte jetzt nicht gebrauchen, dass Astoria sauer wurde. Er würde es ihr sagen. Bald. Sobald sie Hals über Kopf in ihn verliebt war, würde er es ihr sagen, würde sie vertrösten, und er würde sich von dem Monster Granger scheiden lassen, so schnell er nur konnte.

 

Aber… dafür brauchte er ein bisschen Planung und Feingefühl.

 

„Ok“, wiederholte sie und musste lächeln. „Es war wirklich gut, dass ich hier her gekommen bin“, murmelte sie, und er ergriff ihre Hand, um einen Kuss auf ihre samtenen Knöchel zu hauchen.

 

„Ja“, sagte er nur und schenkte ihr ein letztes Lächeln. „Gute Nacht“, verabschiedete er sich von ihr, und er glaubte nicht, dass er sich jemals so gut gefühlt hatte, ohne Sex zu haben.

 

Ihre Tür fiel leise ins Schloss. Er konnte kaum erwarten, sie in zwei Tagen wiederzusehen.

 

Dann hielt er inne.

 

Er könnte Astoria etwas schenken. Er schenkte zwar nie etwas zu Weihnachten, niemandem, aber bei ihr könnte er eine Ausnahme machen. Fast musste er lächeln bei dem Gedanken.

Ja, Astoria würde seine große Ausnahme werden.

Von so ziemlich allem.

 

~*~

 

Er war ohne Zabini oder Goyle abgereist, denn Astoria hatte früh los gemusst, und er hatte sie noch sehen wollen. Er schämte sich nicht mal deswegen. Nicht ein bisschen.

Er schämte sich nicht einmal dafür, dass er gestern nicht weiter mit ihr gegangen war.

Sie war es wert, zu warten, sagte er sich.

 

Und völlig beseelt war er mittlerweile Zuhause angekommen, und die Sonne war noch nicht einmal richtig aufgegangen. Sie stand noch nicht einmal über dem Herrenhaus, und er zögerte keine Sekunde. Sein Weg führte ihn bestimmt nicht in das neue Haus, das wie ein Parasit seinen Garten verschandelte. Es passte hier genauso wenig hin, wie das Schlammblut, das in seinem Innern lebte.

 

Er atmete schwer aus, denn die leichten Gefühle, die er während seines Urlaubs gefühlt hatte, fanden hier ein klares Ende. Seine Finger drückten unregelmäßig die Henkel seiner Ledertasche in seiner Hand. Er hatte die hohe Haustür zum Haus seiner Eltern erreicht.

Er klopfte schließlich, wappnete sich, und versuchte, die schlechte Laune schneller hervorzurufen, denn jetzt gerade kam ihm der Unmut nicht gerade leicht auf die Lippen.

 

Seine Mundwinkel hoben sich immer noch sachte, wenn er an Astoria dachte.

 

Die Tür öffnete sich. Der alte Elf stand weit unter ihm und sah zu ihm auf.

 

„Master Malfoy“, begrüßte er ihn teilnahmslos und ließ ihn, unter einer tiefen Verbeugung eintreten. Draco betrat die lange Halle, die ins Wohnzimmer führte, schritt lautlos an den langen Torbögen vorbei, und ihm war die Schönheit dieser Hallen lange nicht mehr aufgefallen, dachte er beinahe fröhlich.

 

Der Elf war längst wieder verschwunden. Wusste Merlin, wo sie sich ständig herumtrieben. Er erkannte zwischen den Torbögen seine Mutter. Und seine Augen weiteten sich, denn das hatte er seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen.

 

In der großen Halle stand ein Weihnachtsbaum von solchen Ausmaßen, dass die hohe, prächtige Spitze unter den Balken der Decke verschwand. Er maß bestimmt sieben Meter, schätzte Draco perplex. Langsam hatte er den offenen Durchgang unter dem geschwungenen Bogen erreicht.

Alles war dekoriert, festlich geschmückt, als wäre er in Hogwarts angekommen und nicht Zuhause, wo seit Ewigkeiten kein Weihnachten mehr gefeiert worden war.

 

Angenehme Düfte hingen im Haus. Ente? Gans? Roch er tatsächlich so etwas?!

 

Und vollkommen untypisch entfuhr ihm ein Wort, was ihm gegenüber seiner Mutter eigentlich nie entfuhr.

 

„Hey“, sagte er. Narzissa wandte sich fast erschrocken vom Baum ab, dem sie gerade noch den letzten funkelnden Schliff mit ihrem Zauberstab verliehen hatte.

 

„Draco!“, sagte sie mit großen Augen. Sie trug ein fließendes Kleid. Es endete über ihren Knien. Darunter trug sie eine durchsichtige Strumpfhose und flache Pumps. Ihre Haare warfen sanfte Welle, und ihr Augenmakeup ließ das Blau ihrer Iris strahlen.

 

Und die Lippen seiner Mutter teilten sich zu einem Lächeln. „Schön, dass du hier bist. So früh hatte ich gar nicht mit dir gerechnet.“ Und er sah, sie hielt sich zurück; wollte ihn wohl umarmen, aber gab dieser Neigung wohl nicht nach.

 

„Ich war früh wach“, log er schlicht und zuckte die Achseln. Ach, wäre er doch nicht in dieser Schlammblut-Situation. Hätten seine dummen Eltern einfach gewartet. Dann wäre er in Urlaub gefahren, hätte Astoria kennengelernt, das perfekte Mädchen, hätte sie seinen Eltern schon vorgestellt – und alles wäre gut geworden.

Hätten sie doch nur gewartet, hätten sie ihm doch einfach vertraut. Aber so war es nicht.

Sie hatten Pech gehabt. Für eine Sekunde spielte er mit dem Gedanken, es seiner Mutter zu sagen. Ihr zu sagen, dass er jemanden kennengelernt hatte.

Aber er wusste, es war unnötig. Denn… es war alles zu spät. Es war ein bitterer Gedanke, dass alles, was er und seine Eltern wollten, nur eine Woche nach dem schlechtmöglichsten Ausgang passiert war.

 

Sein Blick fiel auf den Berg an Geschenken, der sich unter dem Weihnachtsbaum sammelte. Er hob eindeutig eine Augenbraue.

 

„Bekommen wir Gäste?“, fragte er also entsprechend, aber seine Mutter schüttelte den Kopf.

 

„Nein, Liebling. Nur wir sind hier. Und Hermine“, ergänzte sie fröhlich. Seine Mundwinkel sanken eine Spur. „Hast du sie schon begrüßt? Du hast sie bestimmt vermisst, auch wenn du es nicht zugeben willst“, neckte sie ihn verschmitzt. Oh, wie Unrecht sie doch wirklich hatte. Schade, dass er es ihr nicht sagen konnte.

 

„Ja“, erwiderte er ausdruckslos. Wie der Monsun den Regen, so hatte er das Schlammblut vermisst. Seine Laune wurde immerhin rapide schlechter, stellte er zufrieden fest.

 

„Du kannst gerne zu ihr und sie wecken, wenn du magst“, schlug sie ihm zufrieden. Kaum merklich verzog er den Mund.

 

„Nein, ich… ich lasse sie schlafen“, sagte er schlicht. „Ich… gehe hoch“, schloss er, und seine Mutter lächelte.

 

„Es ist schön, dass du hier bist, und nicht drüben. Hermine hat auch hier geschlafen, die letzten Tage über. Wir hatten viel Spaß mit ihr“, fuhr seine Mutter fort, als er sich bereits abgewandt hatte. Er hörte gar nicht mehr zu. Er würde Astoria bald wiedersehen. Vielleicht konnte er ihr ja eine Nachricht zukommen lassen?

 

Er ging die Treppen nach oben. Fast federnd gingen seine Schritte, denn er konnte einfach noch keine schlechte Laune haben, auch wenn er es versuchte, und seine Gedanken auf das Schlammblut konzentrierte.

 

Er erreichte sein Stockwerk, seine Tür, und –

 

Sie war verschlossen!

 

Er rüttelte noch einmal verwirrt an der Klinke. Dann hörte er Geräusche aus dem Innern.

Was zur - ?

 

„Hallo?“, rief er zornig. „Sofort die Tür aufmachen!“, rief er, denn vielleicht erlaubten sich die Elfen einen schlechten Scherz. Kurz hörte er, wie es still wurde hinter der Tür, ehe er wieder eilige Schritte und dumpfe Geräusche hörte.

 

Bevor er seinen Zauberstab für den Alohomora hätte ziehen können, klickte das Schloss und die Tür sprang auf.

 

Ihr Blick war schuldbewusst, und ihre Gestalt erinnerte ihn nur an sein Unglück. An seine Hölle. Tatsächlich hatte er durch Astoria vergessen, wie Granger aussah, stellte er fest, denn sie waren wirklich gegensätzlich. Und er nahm an, Astorias Hare waren gefärbt, denn Grangers Braun wirkte nicht so strahlend, nicht so leuchtend. Grangers Haare waren… einfach nur braun. Ihre Haut war nicht alabasterfarben wie Astorias. Grangers Haut wirkte bräuner. Einen Ton dunkler. Und hässliche Sommersprossen lagen wie eine Epidemie auf Grangers Nasenrücken ausgebreitet, im Winter wohl schwächer, aber definitiv zu sehen, wohingegen Astorias Haut perfekt war.

 

Und Grangers Augen waren nicht strahlend blau wie der Sommerhimmel bei Sonnenuntergang, nein, sie waren langweilig und braun. Nichts Besonderes. Dazu war Granger noch kleiner als Astoria. Er verzog angewidert den Mund.

 

„Was treibst du hier drin?“, entfuhr es ihm eisig. Sie trug einen Pyjama, so viel erkannte er. Ihre scheußlichen Haare lagen in Locken auf ihrem Kopf, ungekämmt, und sie wirkte ohnehin unausgeschlafen. Stillos, widerlich. Und abgrundtief hässlich.

 

„Nichts“, log sie tatsächlich einigermaßen gleichmütig. Er verengte die Augen.

 

„Verpiss dich“, erwiderte er. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

 

„Dann lass mich raus“, erwiderte sie lediglich, ohne ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Nur zu gerne wich er zurück.

 

„Und lass dich nie mehr in meinem Zimmer blicken, du widerliches Miststück“, informierte er sie, nachdem sie gegangen war. Sie wandte sich nicht zu ihm um, reagierte gar nicht auf seine Beleidigungen, und kurz dachte er daran, dass er sie gehabt hatte. Dass er sie geheiratet und die Ehe vollzogen hatte. Auf einem Tisch.

 

Er schluckte den bitteren Gedanken runter und betrat argwöhnisch sein Zimmer. Er hörte, wie sie die Tür des Gästezimmers schloss. Ja, Narzissa hatte gesagt, sie hätte hier geschlafen. Warum, fragte er sich kurz. Warum schlief sie hier bei Lucius und Narzissa?

 

Er sah sich in seinem Zimmer um. Nichts wirkte verändert. Alles sah aus wie immer. Er stellte seine Tasche ab und setzte sich an seinen Schreibtischstuhl. Die Sitzfläche war warm, stellte er verstört fest. Hatte sie hier gesessen?! Warum? Er sah sich mit gerunzelter Stirn um. Seine Federn lagen anders.

 

Sein Blick fiel auf den Holzboden vor sich. Der Teppich vor seinem Kleiderschrank lag nicht gerade, stellte er fest. Eine Ecke war unordentlich umgeklappt. Er erhob sich, bückte sich zum Teppich und schlug ihn zur Seite. Das Dielenbrett lag fest auf dem Boden, aber… konnte das sein?

 

Er fragte sich unwillkürlich, ob das Schlammblut sein Zimmer durchsucht hatte. Nach was?!

 

Er drückte auf den Mechanismus. Das Brett sprang in die Höhe und er inspizierte seine Habseligkeiten, die er stets vor den Elfen und seinen Eltern versteckt gehalten hatte. Sollte sie sein Versteck gefunden haben, hatte sie sich nicht an seinem Feuerwhiskey oder seinen herbalen Drogen zu schaffen gemacht, die er und Blaise schon vor einem Jahr hatten rauchen wollen, fiel ihm dumpf ein.

 

Es fehlte nichts, stellte er fest. Außer…

 

Außer einer Sache. Er atmete zornig aus.

Miststück.

 

Er ließ das Brett fallen, bis es laut in der Mechanik einrastete und erhob sich, um sein Zimmer zu verlassen. Er hasste, dass dieses Muggel-Miststück hier in seinem Haus war. Dass sie sein Zimmer durchsuchte, seine Sachen durcheinander brachte, dass er nicht nach Hause kommen konnte, ohne ihr verdammtes Gesicht zu sehen.

 

Vor dem Gästezimmer hielt er inne, hatte die Hand gehoben, um zu klopfen, besann sich aber, Merlin sei Dank! Weshalb wollte er klopfen, Salazar noch mal, dachte er zornig, böse mit sich selbst.

 

Er drückte die Klinke runter und betrat das Zimmer. Allerdings konnte er sie nicht entdecken. Das Bett war gemacht. Alles sah sehr unbenutzt aus.

Aber er hörte sie im angrenzenden Bad. Schon schwang die Tür lautlos zur Seite, und angezogen betrat sie wieder das Gästezimmer. Bei seinem Anblick jedoch zuckte sie zusammen, als wäre er der ungebetene Gast in seinem eigenen Haus!

 

Elendes Miststück, dachte er wieder. Sie trug eine weiße Bluse, nicht ganz zugeknöpft. Darunter einen hellen Rock. Sie sollte nicht wagen dürfen, irgendetwas Weibliches zu tragen, überlegte er böse. Es könnte nur den Eindruck erwecken, dass sie etwas anderes war, als eine miese Schlange, die ihn zerstören wollte. Es lenkte seine Augen zu sehr ab. Zu sehr, fielen ihm ihre Beine auf. Und sie waren nicht dick. Granger war nicht dick. Ihre Figur war nicht abscheulich. Und er hasste, dass sie es wagte, nicht abscheulich auszusehen, obwohl sie ein Schlammblut war.

 

„Was willst du?“, fragte sie ihn tatsächlich unfreundlich und unterbrach seine einseitigen Gedanken.

 

„Gib sie mir“, sagte er kalt, besann sich wieder auf sein Anliegen und verbot sich selber, das Schlammblut anzustarren, als sähe er sie zum ersten Mal. Er starrte wirklich. Es lag nur daran, dass er Astoria vor seinem inneren Auge hatte, und dass er nicht dazu gekommen war, mehr als einen Kuss zu stehlen. Er war mittlerweile dauererregt. Und es lag bestimmt nicht an Grangers Mittelmäßigkeit, ein passabler Fick zu sein. Nicht mal das. Sie war nur eine Jungfrau gewesen und besonders eng. Mehr nicht. Sie hatte nichts getan, um begehrenswert zu sein. Es lag daran, dass er ein scheiß Mann war. Und er hasste sich selber. 

 

„Was?“, erwiderte sie, ohne den Anstand, wenigstens Rot zu werden.

 

„Die Box. Gib mir die Box“, wiederholte er mit ausgestreckter Hand, denn er wusste, sie hatte sie.

 

„Box?“, sagte sie nur verständnislos, und bemerkenswerterweise blieb er lässiger, als er erwartet hatte. Es mochte daran liegen, dass sich sein Blut seit Tagen in tieferen Regionen befand, und seine Wut nicht völlig entfacht werden konnte. Nicht einmal durch seine Braut der Hölle. Oder aber es lag daran, dass er sie sowieso nicht ernstnahm. Dass sie gar nicht verdiente, dass er sich aufregte.

 

„Ja. Die Box, die du aus meinem Versteck gestohlen hast, Granger. Die Box mit meinen Briefen. Die Box, die dich einen Scheißdreck angeht. Also, gib sie mir“, erklärte er jetzt, nur einen Hauch gereizt. Nicht mehr als das. Denn sie nervte ihn.

Aber sie schlug sich nicht schlecht, zuckte die Achseln und hob die Arme.

 

„Ich habe deine Box nicht, Malfoy“, erwiderte sie. „Durchsuch das Zimmer, durchsuch mich – wieso sollte ich mich für deine scheiß Box interessieren?“, fragte sie direkt.

 

„Keine Ahnung, Granger. Vielleicht aus demselben Grund, weshalb du dich in meinem verdammten Zimmer eingeschlossen hast?“, erkundigte er sich kalt. Kurz flackerte ihr höhnischer Ausdruck.

 

„Ich habe keine Box“, wiederholte sie schließlich achselzuckend. „Und jetzt raus“, ergänzte sie mit einem freudlosen Lächeln. Aber Draco schloss die Tür, lehnte sich dagegen und sah sie abwartend an. „Was?“, entfuhr es ihr grimmig.

 

„Oh, ich werde nicht ohne meine Box gehen, Granger. Ich musste meinen Urlaub abbrechen und habe bis morgen Abend Zeit, um genau hier stehen zu bleiben“, informierte er sie knapp. Ihr Ausdruck wurde genervter. Aber kurz hatte sich ihre Stirn gekräuselt, bei seiner Zeitangabe. Ja, denn morgen Abend sah er das Mädchen wieder, das seine heilige Anwesenheit auch verdiente.

 

„Wirklich, Malfoy?“, wollte sie tatsächlich von ihm wissen.

 

„Wirklich, Granger“, wiederholte er nickend ihre ätzenden Worte. Aber sie zuckte die Achseln und setzte sich zurück aufs Bett.

 

„Viel Spaß“, erwiderte sie und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Sie wandte den Blick ab, sah nach draußen, schien tatsächlich zu warten, dass er irgendetwas tat.

Aber er war derjenige mit den Fäden in der Hand. Sie schien das gelegentlich zu vergessen. Er machte einen Schritt von der Tür weg und zog sich die blaue Jacke von den Schultern. Langsam hob sich ihr Blick, als er auch noch begann die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen.

 

„Was tust du?“, entfuhr es ihr, weitaus weniger überlegen.

 

„Ich ziehe mich aus“, erklärte er ungerührt, in Seelenruhe, während er näher kam. Und als hätte er eine unsichtbare Grenze überschritten, hatte sie sich erhoben.

 

„Das sehe ich“ gab sie zurück und machte einen Schritt in Richtung Badezimmer. Nicht, dass er Lust hatte. Nicht, dass er sie wollte. Aber er war sich ziemlich sicher, wie er ihr Angst einjagen konnte.

 

„Mein Urlaub ist vorbei, ich habe lästig viel Zeit an den Händen – also…“ Er machte eine eindeutige Geste in ihre Richtung. Dann öffnete er den Knopf seiner Jeans. „Du bist meine Frau, und du hast dich zu fügen“, schloss er nahezu gleichmütig, obwohl ihm diese Tatsache alleine bereits Albträume bereitete.

 

Fast angewidert sah sie ihn an.

 

„Ja, sicher. Eher stürzte ich mich aus dem Fenster, Malfoy“, entgegnete sie lediglich.

 

„Das kannst du danach gerne tun. Oder sag mir, wo meine Box ist, dann kannst du sofort springen. Ich öffne dir sogar das Fenster, Darling“, erwiderte er kalt, kam noch näher und hatte alle Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Eigentlich wollte er gar nicht, dass sie in den Genuss seines Körpers kam, aber er verfolgte einen Plan.

 

„Fick dich“, sagte sie lediglich. „Ich habe deine scheiß Box nicht. Und ich habe dich nicht gebeten, aus dem Urlaub wiederzukommen. Ich hätte angenommen, du hättest genug Gelegenheit gehabt, dir eine passende Ablenkung dort zu suchen, aber scheinbar warst du zu dumm, selbst das hinzubekommen“, beleidigte sie ihn kühl. Fast schenkte er ihr ein Lächeln. Feige war sie nicht.

 

Sie wollte an ihm vorbei, aber er hielt sie am Oberarm auf, so ungerne er sie auch berühren wollte.

 

„Oh, ich war nicht dumm, Granger“, knurrte er über ihr. Sie hob angewidert den Blick, versuchte ihren Arm aus seinem Griff zu ziehen, aber er hielt sie fest. „Ich habe die perfekte Frau gefunden. Tausendmal perfekter, als es ein schmutziges Schlammblut jemals sein könnte!“, spuckte er ihr entgegen, hatte es ihr gar nicht sagen wollen, aber er musste sie einfach beleidigen. Es ging überhaupt nicht anders.

 

„Wunderbar, dann lass mich los, du Arschloch!“, presste sie hervor, aber er hielt sie fest.

 

„So läuft es nicht. Du dienst mir. Und ich befolge deine Befehle nicht in deinen Träumen, Darling“, sagte er wieder das Wort, was ihr physische Schmerzen zu bereiten schien. Ihre dunklen Augen glühten voller Hass für ihn, und fast musste er grinsen. Er war zu stark. Sie konnte nicht mal seinem Griff entkommen. 

 

„Lass mich los, du widerliches Schwein!“, sagte sie wieder, aber er musste tatsächlich lächeln, denn ihre Stimme bebte.

 

„Weißt du, du hättest das alles vermeiden können, Granger. Ich will dich genauso wenig anrühren, wie du mich, aber wenn du mir meine Box nicht gibst, und ein dummes Schlammblut sein möchtest – Pech!“, knurrte er überlegen.

 

„Ich habe deine Box nicht!“, presste sie wieder hervor, fixierte ihn zornig, und er zuckte schließlich die Achseln, als er sie mit Schwung am Arm zog und losließ und sie damit direkt aufs Bett beförderte.

 

Mit einem Keuchen war sie auf die Matratze gefallen, während er das Hemd von seinem Körper zog. Ehe sie hätte aufspringen können, hatte er das Bett erreicht.

 

„Macht mir überhaupt nichts aus, Granger“, erklärte er kalt. Nein, er würde sie schon dazu bringen, aufzugeben. Sie hatte zu viel Angst, wenn es hierzu kam. Er wollte sie demütigen. Er wollte ihr wehtun. Und sei es nur, mit einer Inaussichtstellung, die ihr Übelkeit bereitete.

 

„Malfoy-“, begann sie warnend, und er wartete ihre Antwort geduldig ab, während er näher kam. Er sah sie schlucken, sah sie nachdenken, und sie versuchte, mit einem Hechtsprung aus dem Bett zu entkommen.

 

Allerdings war er einfach schneller, hatte sich aufs Bett geworfen, und sie unter sich gefangen. Sie lag auf der Seite, aber er kniete rittlings über ihr, und presste sie mit beiden Händen auf ihren Rücken unter ihn und hielt ihre Handgelenke gefangen. Sie sah panisch zu ihm auf, als sie begriff, dass sie nicht entkommen würde. All ihre Überlegenheit, ihr Hass wandelte sich in ihren dunklen Augen, die etwas heller geworden waren. Etwas weiter, etwas ängstlicher.

 

Er lehnte sich tiefer, näher zu ihr und sie zuckte zurück, obwohl sie nicht weiter in die Matratze sinken konnte. „Gib mir einfach meine Box. Dann ist der Albtraum vorbei, Miststück“, flüsterte er mit einem bösen Lächeln. Und langsam senkte er den Kopf, während er die Sekunden zählte.

 

Jetzt. Jede Sekunde würde sie nachgeben.

 

Sie wehrte sich, drehte den Kopf immer wieder zur Seite, versuchte, sich ihm zu verwehren, aber erbarmungslos war er über ihr, hielt sie gefangen, und seine Lippen berührten beinahe ihren Mund – waren keinen Millimeter mehr entfernt und… -

 

„-unterm Bett!“, keuchte sie zitternd. „Sie… sie ist unter dem scheiß Bett!“, gab sie auf.

 

Er hatte innegehalten. Sehr kurz vor ihren Lippen hatte er inne gehalten. Ihre Brust hob und senkte sich heftig unter ihm. Ihr warmer Atem traf sein Gesicht in unregelmäßigen Zügen, und sein Kiefer war hart angespannt, während seine Augen unwillkürlich auf ihre halbgeöffneten Lippen fielen.

 

Und… er war ein ehrlicher Mann.

 

Er hatte tatsächlich eine scheiß Erektion. Das verdammte Biest rieb sich praktisch gegen den Stoff seiner Hose unter ihm, in ihren erbärmlichen Versuchen, ihm zu entkommen.

 

Und wo er gerade schon mal ehrlich war – es störte ihn. Es störte ihn, verdammt noch mal! Es störte ihn, dass er bei Astoria gezögert hatte, ein Gentleman gewesen war, denn jetzt bestrafte ihn sein verfluchter Körper, indem seine verdammten Instinkte auf die kaum vorhandenen Reize eines elenden Schlammbluts ansprangen.

 

„Malfoy“, presste sie hervor, denn er hatte sich leider immer noch nicht bewegt, stellte er am Rande seines Bewusstseins fest. Ihre Stimme klang warnend, ängstlich, verdammt noch mal viel zu schwach! Sie hielt doch sonst nicht zurück mit ihren Beleidigungen, ihren Drohungen, ihrer scheiß Doppelmoral, die ihn fertig machte.

 

Noch hielt er ihre Handgelenke fest auf der Matratze, noch war er über ihr, und eigentlich hätte er vor zehn Sekunden schon längst wieder auf den Beinen stehen sollen.

Und warum tat er das nicht?!

 

Sein Mund öffnete sich, wortlos, ratlos, ein wenig neben sich.

Wieder lehnte sie sich auf, versuchte, ihre Handgelenke freizubekommen, und hart presste er seine Hüfte gegen ihren Unterleib, um sie am Entkommen zu hindern.

 

Was?

 

Wieso… tat er das? War er krank? Er hatte gewonnen. Hatte er? Ja, sie hatte ihm gesagt, was er wissen wollte. Er musste nur noch den verdammten Impuls in seine Hände schicken, damit sie Grangers widerliche Handgelenke losließen.

 

„Malfoy!“, presste sie verzweifelt hervor, und die Sekunden tickten zäher. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Scheiße. Er atmete tief, um sich zu beruhigen. Seine Erektion drängte gegen den engen Stoff der Jeans.

 

Er senkte den Kopf, langsam, mit Bedacht.

 

Mit Schrecken schien sie seine Bewegung zu erahnen, schüttelte wild den Kopf, drehte ihn instinktiv nach links, von ihm fort, und seine Lippen fuhren federleicht, ohne dass er es bewusst hätte verhindern können, über die Haut ihres Halses.

 

Ihre Haut war… - verflucht weich, stellte sein taubes Gehirn sinnlos fest.

 

Und bevor seine verräterische Zungenspitze eine heiße Spur über ihre Haut lecken konnte, hielt er inne, als –

 

„-Hermine?“

 

Seine Mutter rief.

 

Er zog den Kopf ruckartig von ihr zurück. Panik stand in ihren Augen, und endlich – Merlin, endlich! – gehorchte ihm sein verfluchter Körper! Er ließ ihre Handgelenke los, erhob sich hastig von ihr und stand neben dem Bett, ohne genau zu wissen, wie er dort hingekommen war. Sein Herz schlug heftig, pumpte träge das Blut in seinen Kopf zurück, und er bückte sich schließlich nach seinem Hemd.

 

Er verschloss die Knöpfe, gerade als es zaghaft klopfte. Er bückte sich erneut, griff unter das Bett und bekam die Box zu fassen, die sie wohl in aller Eile darunter geschoben hatte.

 

Granger stand mit wackligen Beinen vom Bett auf, fuhr sich hastig mit der Hand über die unordentlichen Locken, und dann öffnete seine Mutter die Tür.

 

Kurz weiteten sich Narzissas Augen, aber dann fixierte sie Granger.

 

„Schön, ihr habt euch begrüßt! Hermine, bist du soweit?“, erkundigte sie sich, und Granger räusperte sich beherrscht.

 

„Ja, ich… ja“, sagte sie mit einem schnellen Nicken. Er beschloss zu gehen, bevor es noch peinlicher wurde.

 

Er hasste sich. Er hasste sich abgrundtief. Er war ein krankes Arschloch.

 

Astoria. Er musste an Astoria denken. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Seine Erektion durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Er schuldete es Astoria, dem Mädchen, in das er verliebt war! Er schuldete es ihr.

 

Aber hey – es war nichts passiert! Er war immer noch der König. Er konnte sich beherrschen. Er hatte nichts getan! Er hatte Granger nicht mal geküsst.

 

Er hatte sie nicht einmal geküsst?! Nein, verflucht! Er sollte nicht einmal an so eine bekloppte Idee denken!

 

Er hasste sich.

 

Er hatte das Gästezimmer verlassen und verschwand in Richtung seines Zimmers. Alles war noch einmal gut gegangen. Sein Blick fiel auf die weiße Box. Er öffnete den Deckel, nur aus Gewohnheit, und… -

 

Vor seiner Tür war er stehen geblieben. Vor Ärger zuckten seine Mundwinkel. Seine Hand krampfte sich um die Schachtel aus harter Pappe.

 

Er wandte den Blick langsam über die Schulter zurück, als er seine Mutter plappern hörte. Granger schloss gerade die Tür des Gästezimmers und erwiderte seinen Blick.

 

 - Die scheiß Box. War. Leer.

 

Das scheiß Miststück hatte gelogen.

Und für ihren Blick hätte er sie hier und jetzt erwürgen können. Er verzog den Mund zu einer boshaften Grimasse. Ihre Augen hatten sich hasserfüllt verengt. 

 

Dafür würde sie büßen, dachte er zornig, während er beobachtete, wie sie mit seiner Mutter den Flur hinab verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

~*~

 

Und so schnell sie konnte, war sie mit zittrigen Knien Narzissa aus dem Gästezimmer gefolgt, als sie aus der Nachttischschublade das Bündel an Briefen geholt und hinter ihrem Rücken hatte verschwinden lassen. Sie ignorierte ihr schlagendes Herz, ignorierte den Ekel und die Angst, die sie empfunden hatte, und wie sie wieder einmal versagt hatte, gegen seine körperliche Überlegenheit, und sie schloss die Zimmertür.

 

Denn… sie hatte gelogen. Und sie sah, wie er vor seiner Tür, nur einige Meter entfernt inne gehalten hatte. Narzissa plante gerade das Essen, was Hermine voraussichtlich versauen würde, würde sie helfen müssen, während er langsam den Blick zurück wandte.

 

Er hatte die Box geöffnet. Ihr Herz setzt einen Schlag lang aus, denn sein Blick war mörderisch. Aber sie war in Narzissas sicherer Nähe und schenkte ihm einen ebenso bösen Blick.

 

Schauer erfassten sie, als seine Mundwinkel sanken. Sie hasste es, dass er das tun konnte.

Dass er sie zwingen würde. Zu was auch immer er wollte. Ohne Gnade.

 

Aber immerhin hatte sie gewonnen. Denn sie hatte die Briefe.

Es waren alte Hogwarts-Briefe. Von ihm und seinem Vater.

Und das war es wahrscheinlich wert gewesen, von ihm so rau und böse behandelt worden zu sein. Sie hatte den Hass mit jeder seiner Bewegungen gespürt.

Es war nicht gut gewesen. Nichts, was sie verband, war jemals gut.

Aber es war nur der Anfang. Der Anfang einer Kostprobe von schlimmeren Dingen, die folgen würden, würde sie nicht aufpassen.

 

Und sie würde ab jetzt aufpassen! Sie wollte nicht wieder überwältigt werden. Die Aussetzer, die passiert waren, waren einmalig. Dass sie zuließ, dass er sie küsste, wie vor seiner Abfahrt, dass sie zuließ, dass er sie noch einmal überwältigte, würde nicht mehr vorkommen, schwor sie sich!

 

Sie beschloss, im sicheren Schutz des Herrenhauses zu verbleiben und garantiert nicht mehr mit ihm alleine zu sein. Nirgendwo mehr! Sie beschloss, ihren Zauberstab von nun an, überall und immer dabei zu haben.

 

Hermine wollte nämlich Recherche betreiben…

Jede kaputte Beziehung hatte nämlich ihren Ursprung. Kannte sie den Ursprung, konnte sie Malfoy schneller zu Fall bringen.

Und heute würde sie Weihnachten feiern. Mit den Malfoys. Sie würde lachen, wäre es nicht ein so furchtbar bitterer Gedanke.

 

 

Kapitel 35

 

„Es macht dir keinen Spaß, oder?“, vermutete Narzissa neben ihr, während Hermine angestrengt versuchte, Pasteten zu rollen. Es war eine Unmöglichkeit und ihre Schürze glich mittlerweile einem eigenwilligen Gemälde von Picasso. Wilde Strähnen hingen aus ihrem Zopf, den sie sich vorsintflutlich gebunden hatte, während ihre Gedanken in düstere Gefilde abgedriftet waren, und sie überlegte, Malfoy im Schlaf zu erwürgen.

Es würde viele ihrer Probleme aus der Welt schaffen, würde sie das tun.

 

„Oh doch“, knurrte Hermine teilnahmslos, während sie auf den harten Klumpen Teig mit der ganzen Faust einschlug. Wie machte Molly es nur? Bei Narzissa sah es ebenfalls wie Arbeit aus, fand Hermine. Nur bei Molly wirkte es immer wie… wie eine Leichtigkeit, fünfhundert Sachen gleichzeitig zu machen, ohne dass etwas überlief oder anbrannte.

 

„Weißt du, ich bin damals auch durch den Kochkurs gefallen“, sagte Narzissa mit einem schmalen Lächeln. Hermine hob ertappt den Blick. Was sollte denn ‚auch‘ bedeuten? Aber sie stritt sich nicht, denn Narzissa hatte ja Recht. Hermine seufzte auf.

 

„Ich bin nicht gerade… häuslich“, räumte sie ein, und fand, dass sie sich ziemlich gut schlug, dafür dass sie überhaupt nicht vorhatte, sich in Zukunft näher mit einem herrschaftlichen Haushalt zu beschäftigen.

 

„Ich weiß“, erwiderte Narzissa ohne zu zögern, „das hat mir an dir besonders gefallen“, ergänzte sie zwinkernd. Hermine wusste nicht, wie sie jemals böse auf Narzissa sein sollte. Wie sie es schaffen sollte, diese Person zu verletzen. Eigentlich würde sie die Küche gerne verlassen und anfangen, die Briefe zu studieren. Aber das war wohl noch nicht möglich.

 

Sie erkannte die Elfe, die seit einer Weile schon die Kartoffeln geschnitten hatte. Jetzt watschelte sie in Richtung der riesigen Speisekammer der Malfoys, und Hermine ergriff die Gunst der Stunde.

 

„Diese Elfe“, raunte sie Narzissa zu, damit die anderen Elfen, die voller Inbrunst das riesige Federvieh aus dem Ofen holten, es erneut mit irgendetwas duftendem begossen, es drehten und wendeten, nur um es unter Anstrengungen erneut in den Ofen zu hieven, nicht aufmerksam wurden, „ist sie… hat sie etwas mit Draco zu tun?“, endete sie still, und Narzissa hob den Blick.

 

„Welche?“, fragte sie etwas überfordert, bei der Aussicht auf knapp zwölf Geschöpfe, die schufteten.

 

„Tilly“, flüsterte Hermine still. Denn jeder Hinweis konnte hilfreich sein. Hermine wusste, sie war es falsch angegangen. Direkter Angriff half bei Malfoy nicht, der bei direkten Attacken immer überlegen sein würde. Hermine musste aus dem Hinterhalt angreifen, ihn da treffen, wo es wehtun würde. Und dafür brauchte sie Informationen.

 

„Oh, Tilly“, wiederholte Narzissa nickend. „Ihr habt euch kennengelernt?“, vermutete sie lächelnd. „Sie ist nicht besonders umgänglich“, schloss sie kopfschüttelnd. „Aber ja, sie war Dracos Kinderelfe“, ergänzte sie, während sie selber  Erdbeeren flambierte, aber Hermine würde nicht ihre Hand ins Feuer legen, dass es tatsächlich Erdbeeren waren – oder dass sie flambiert wurden. Hermine war so unbedarft wie ein Kröter auf der Pirsch.

 

„Kinderelfe?“ Es klang seltsam, das stand fest.

 

„Ja, sie war…“, Narzissa schien zu überlegen, wie sie das Wort erklären könnte, „so etwas wie… seine Amme, seine Spielgefährtin. Sie hat ihn gewickelt, gebadet, hat sich um ihn gekümmert bis er in die magische Vorschule kam. Seit elf Jahren ist sie also der schweren Aufgabe enthoben, einen Sack Flöhe zu hüten“, schloss Narzissa mit einem Verdrehen ihrer Augen.

 

Hermines Mund öffnete sich in stummem Verständnis. „Elfen eignen sich hervorragend für die Kindererziehung“, erklärte Narzissa leichthin, und dann kam die Elfe aus der Speisekammer zurück und Hermine richtete ihr Augenmerk wieder auf den Felsklumpen vor sich, den sie niemals würde falten, geschweige denn, essen können….

 

Aus den Augenwinkeln betrachtete sie die Elfe, die sämtliche Kartoffeln in einen Topf schweben ließ. Es erklärte zumindest, weshalb sie negativ darauf reagiert hatte, dass Hermine ein Kuscheltier hatte entwenden wollen. Vielleicht hatte es territoriale Gründe. Vielleicht fühlte sich die Elfe berechtigt, Malfoys Spielsachen zu verteidigen, weil sie ihn großgezogen hatte.

 

Aber… Hermine konnte nur behaupten, dass Malfoy keine der Elfen jemals zu beachten schien. Und sie glaubte nicht, dass das alles war.

 

„Alles in Ordnung bei dir und Draco?“, erkundigte sie sich Narzissa jetzt aus jedem Kontext heraus, und zugegebenermaßen brauchte Hermine eine Sekunde, um diese Frage zu verstehen.

 

„Oh“, sagte sie vage, „sicher“, schloss sie achselzuckend.

 

„Heute… ich meine… im Gästezimmer…“ Narzissa schien sich schwer zu tun, und obwohl sie noch nichts Verfängliches gesagt hatte, wurde Hermine rot. Oh Merlin. „Also, du kannst mir einfach sagen, wenn du einen Fruchtbarkeitstrank haben möchtest“, schloss Narzissa neben ihr.

 

„Äh…“ Hermine sah überall hin, nur nicht in das Gesicht der Frau neben ihr. „Ich… -danke, nein“, sagte sie nur konsterniert.

 

„Weißt du, es kann helfen“, bemerkte Narzissa mit einem eindeutigen Blick, den Hermine nicht erwiderte.

 

„Mhm“, machte Hermine mit einem Nicken und schlug auf den Teig nieder, um sich abzulenken. Helfen? Merlin, wobei?!

 

„Nicht, dass ich euch drängen möchte, aber… es würde ihn an dich binden, auf eine Weise, die euch beiden vielleicht gut tun würde?“

 

Hermine hob verständnislos den Blick. Sie musste über diese Worte nachdenken. Narzissa merkte also auch, dass Malfoy absolut kein Interesse an der Ehe hatte. Immerhin etwas. Und es war so unglaublich bezeichnend, dass sie wollte, dass Hermine ihn durch eine Schwangerschaft noch mehr knechtete. Unwillkürlich musste sie sich fragen, ob Narzissa es genauso getan hatte. – Genauso hatte tun müssen? War Lucius ihr nicht von Anfang an verfallen gewesen? Noch etwas, was sie herausfinden wollte.

 

„Ich habe noch Zeit“, sagte Hermine lediglich, denn sie würde diese drei Monate auskosten. Und bestimmt nicht schwanger werden. Fast tat ihr Narzissa leid.

 

Und dann schwiegen sie beide, während Hermines Blick sich ab und an hoffnungsvoll zur Küchentür hob, denn vielleicht käme Lucius und würde sie erlösen, aber niemand kam, und sie war gefangen in der Küche, unbegabt und zum Scheitern verdammt.

Es gab also etwas, das sie tatsächlich nicht konnte….

 

~*~

 

Nach einer sehr kalten Dusche, kniete er vor seinem Kamin.

 

„Wann würden Sie kommen, Mr. Malfoy?“, fragte der Juwelier, dessen Haare heute unordentlich lagen, mit gestresster Stimme. Draco wusste, der Mann hatte heute frei, aber er brauchte Schmuck, und er brauchte ihn bis morgen.

 

„In einer halben Stunde, Mr. Birkenfield“, erwiderte Draco, und der Mann schien voller Hektik einen Blick auf seine Wanduhr zu werfen.

 

„Ausgezeichnet, ausgezeichnet. Dann sehe ich Sie im Laden“, verabschiedete sich der Mann mit einem Nicken. Es hatte Vorteile, reich zu sein.  Er konzentrierte all seine Gedanken auf Astoria, dann musste er nicht daran denken, auf wie viele Arten er Granger töten und vierteilen konnte.

 

Nicht, dass er viel Wert auf uralte Briefe legte – aber darum ging es auch überhaupt nicht!

 

Es ging um verschiedene andere Dinge. Teilweise darum, dass sie sein Eigentum nicht anrühren sollte, teilweise darum, dass sein Verstand ihm grausame Streiche spielte, und immer mehr Ideen ausspuckte, wie er sie bestrafen könnte, dafür. Und egal, welche Idee er hatte, es endete immer damit, dass er Granger nackt irgendwo anketten würde und sie –

 

Sie Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als sein Kamin aufflammte. Er hatte keine Zeit, dass Gespräch abzulehnen, da tauchte bereits Pansys Kopf in den Flammen auf.

 

„Na?“, fragte sie direkt, ohne irgendeine Begrüßung, und Draco runzelte die Stirn, ob Pansys feindlichem Ton. „Wie war der Urlaub?“

 

Er spürte, wie er tief ausatmete, denn Pansy schien nicht wirklich an einer Antwort interessiert. Ihre Augen fixierten ihn böse, und er konnte nur annehmen, sie hatte bereits mit Goyle oder Zabini gesprochen. Er sagte gar nicht, wandte nur entnervt den Blick ab.

 

„Ich komm vorbei“, kündigte sie also drohend an, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Ich bin sowieso nicht hier“, erwiderte er triumphierend und hasste sich gleichzeitig dafür, voreilig gesprochen zu haben.

 

„Ach nein? Wo bist du?“

 

Kurz wog er ab, was er sagen sollte, aber bei Pansy half es nichts, zu lügen.

 

„In der Winkelgasse“, knurrte er knapp.

 

„Heute? Die Geschäfte haben geschlossen“, entgegnete sie schnippisch.

 

„Nicht für mich“, konterte er überheblich. „Ich habe noch keine Geschenke“, ergänzte er achselzuckend, aber sie durchschaute ihn erstaunlich schnell.

 

„Nicht? Und seit wann kümmerst du dich darum, jemandem ein Geschenk zu machen?“, wollte sie wissen. Er verzog den Mund.

 

„Dafür, dass ich mein Gold behalten kann, kann ich wohl sinnlose Geschenke machen“, erklärte er leichthin. Und Pansy gab lauernd nach.

 

„Ok, ich treffe dich vor Gringotts in einer halben Stunde“, bestätigte sie mit einem freudlosen Lächeln. Am liebsten hätte Draco ihr gesagt, dass er sich nicht mit ihr treffen müsste, und sie seine Geschäfte nichts angingen, aber der Schulsprecher-Schatten lag auf Pansys Zügen, und er glaubte, sie hätte kein Problem bei seiner Mutter petzen zu gehen.

Schlange, elende. Er sagte gar nichts, und Pansys Gesicht verschwand.

 

Super. Das brauchte er heute. Pansys Zorn.

 

~*~

 

Er hatte den Kragen seiner blauen Jacke hochgeschlagen. Der kalte Dezemberwind zerzauste ihm die Haare. Widerwillig war er in die Nähe von Gringotts appariert und lief mit zornigen Schritten die leere Straße entlang. Kein Mensch war unterwegs heute. Seine Schuhe hallten auf dem Kopfsteinpflaster wider.

 

Pansy stand ebenfalls alleine vor der Bank. Sie trug einen schwarzen kurzen Rock, einen schwarzen kurzen Mantel und lange schwarze Stiefel, über der dunklen Strumpfhose. Auf ihrem Kopf saß eine schwarze Wollmütze, und ihre Hände steckten in schwarzen Handschuhen aus glänzendem Leder.

 

Er hatte sie erreicht. „Bist du in Trauer, Pansy?“, fragte er knapp, aber sie antwortete ihm nicht darauf. An ihren Ohren hingen lange goldene Ohrringe. Die einzige Farbe, abgesehen von ihren rotgeschminkten Lippen.

 

„Also, wohin willst du?“ Sie schien zu fragen, weil ihr kalt war.

 

„Birkenfield“, sagte er nur. Sie hob spöttisch den Blick.

 

„Ja, dein Vater steht auf protzige Ringe, du hast Recht“, bemerkte sie entsprechend kühl. Aber sie folgte ihm, als er sich kopfschüttelnd umwandte. Die Winkelgasse wirkte riesig, so leer wie sie vor ihnen lag. Vereinzelt huschten Gestalten zwischen den Häusern her, aber niemand hielt inne, niemand unterhielt sich.

 

Dann brach Pansy die Stille neben ihm. „Bist du eigentlich wahnsinnig?“, fragte sie ihn bitter, und er atmete ergeben aus.

 

„Es geht dich nichts an“, erklärte er schon mal, denn er wusste, was folgen würde.

 

„Es geht mich-? Denkst du ernsthaft du kommst damit durch?“, fuhr sie ihn ungerührt an, aber niemand war hier, der sie belauschen konnte.

 

„Weißt du, Blaise hat mir schon eine beeindruckende Ansprache gehalten. Ich bin fertig mit dem Thema“, knurrte er.

 

„Ja? Astoria Greengrass wird auf unsere Schule gehen, in unser Haus kommen, und ihre Eltern wissen ziemlich genau, wer du bist, denn sie sind im Club!“, erwiderte Pansy augenblicklich. „Außerdem, was willst du mit so einer dummen, französischen Ziege?“, schloss Pansy kopfschüttelnd. Etwas zu hart war sein Kopf zu Pansy herum gefahren, und ihm lag eine Beleidigung auf den Lippen, denn sie hatte Astoria nicht zu beleidigen! Aber er fing sich, allerdings zu spät, denn Pansys Augen hatten sich ungläubig geweitet.

 

„Du denkst, ich ziehe Granger vor?“, wollte er kalt von ihr wissen, und sagte nichts zu Pansys Vorwurf, verteidigte Astoria nicht vor ihr. Es war zu riskant.

 

„Hermine ist deine Frau, und-“ Draco hob abwehrend die Hände.

 

„-hör auf, ok?“, rief er zornig. „Na und? Und wenn schon!“

 

Pansys Schritte waren langsamer geworden. „Und dann was? Was soll sie werden? Deine Mätresse? Denn du kannst dich nicht scheiden lassen!“

 

„Sicher kann ich das!“, erwiderte er trotzig.

 

„Ja? Und du denkst, die kleine verzogene Greengrass-Schlampe wird dich dann immer noch wollen? Bettelarm, verstoßen und nichts mehr wert?“, erkundigte sich Pansy zornig, und sie war mittlerweile stehen geblieben. Widerwillig wandte sich Draco gänzlich um, und sie standen sich auf dem zugigen Marktplatz gegenüber.

 

„Sie ist keine Schlampe!“, informierte er sie nun doch.

 

„Oh, du denkst, sie weiß nicht, dass du verheiratet bist? Du denkst, sie taucht einfach so in deinem Leben auf? Unschuldig, ohne eine Absicht?“ Und er sprang leider auf Pansys Worte an.

 

„Ja! Sie weiß es nicht!“, rief er zornig. Pansy lachte auf.

 

„Wach auf, Draco! Jeder weiß es. Alle von uns wissen es. Die beste Partie ist vom Markt, und du denkst, eine intrigante Schlange wie Astoria weiß das nicht?“

 

„Halt deine Klappe!“, knurrte er.

 

„Wow, ist es so schlimm? Dass ich das noch erleben darf!“, giftete Pansy kopfschüttelnd. „Was bist du, Draco? Verliebt? Erzähl mir nicht, dass sie dich so sehr eingenommen hat, dass du sie noch nicht mal entjungfert hast?“, lachte Pansy, und er wurde immer wütender. Aber Pansy sprach weiter. „Und es interessiert mich nicht mal! Selbst wenn! Selbst wenn sie die Frau deiner Träume ist, Draco – du bist verheiratet. Und ich mag Hermine, und sie ist die beste, die du bekommen wirst – nicht, dass du sie verdienst, du dummer, arroganter Idiot – aber sie ist deine Frau! Und wenn ich mitbekomme, wenn ich nur den leisesten Verdacht habe, dass du ihr wehtust, dass du hinter ihrem Rücken sonst was treibst, dann helfe ich nach! Dann werde ich Lucius und Narzissa unterstützen und deine Sachen persönlich in Kisten verpacken!“

 

„Bist du fertig?“, entgegnete er kalt, und Pansy nickte, schwer atmend. „Weißt du“, begann er langsam, und sah wieder den Ärger in Pansys Gesicht aufflammen, denn er sprach herablassend zu ihr, „wenn du die Freundschaft zu mir abbrechen möchtest, wie Blaise, kann ich dich nicht aufhalten, Pansy“, sagte er schlicht. „Ich hasse Granger, und das hast du gewusst.“

 

„Du hast dein Wort gegeben!“, rief sie jetzt wütend.

 

„Mein Wort?“, wiederholte er abschätzend.

 

„Ja, dein Wort“, bestätigte sie giftig. „Nicht, dass dein Wort irgendetwas zählen würde, Draco, aber unter uns Reinblütern zählt es eine Menge. Du wolltest die Tradition befolgen. Du hast das zu tun!“

 

„Weil ich… mein Wort gegeben habe?“, vermutete er, fast belustigt.

 

„Ja“, flüsterte sie böse. Er kam näher.

 

„Du magst Granger, Pansy? Sie ist deine beste Freundin? Ich sag dir was, deine fabelhafte Granger ist ein durchtriebenes Miststück. Keine Ahnung, was sie vorhat, aber sie teilt bestimmt nicht deine Meinung!“

 

„Hermine hat-“ Aber Draco unterbrach Pansys Entrüstung.

 

„-wenn sie in drei Monaten schwanger ist, fresse ich meinen Zauberstab, Pansy!“, knurrte er.

 

„Sie hat dich geheiratet! Sie liebt dich!“ Aber selbst er hörte Pansys Zweifel.

 

„Tut sie garantiert nicht. Ich würde mich noch schneller umbringen, wenn es so wäre!“

 

„Doch, tut sie. Ich habe sie gefragt!“

 

„Sie lügt!“, donnerte seine Stimme, denn er konnte diese Blauäugigkeit von Pansy und Blaise und seinen scheiß Eltern nicht mehr ertragen. „Ein Blinder sieht es, ok? Wahrscheinlich will sie alle ehemaligen Todesser ausrotten, soweit ich es beurteilen kann! Wenn sich dich erst heimlich vergiftet hat, wirst du noch bereuen, meine Worte angezweifelt zu haben!“

 

Pansy schwieg voller Zorn.

 

„In deiner Welt, legst du dir alles so zurecht, dass du niemals der Schuldige bist, hm?“, zischte sie kopfschüttelnd.

 

„Ich bin nicht der Schuldige! Sie hat-!“

 

„-fein! Sieh es, wie du willst. Du bist uneinsichtig, und dir ist einfach nicht zu helfen! Vielleicht… sollte ich einfach mal mit Astoria reden?“, schlug sie ihm jetzt scheinheilig vor. Seine Augen verengten sich.

 

„Wehe, Pansy! Ich warne dich!“

 

„Oh, du warnst mich jetzt?“, lachte Pansy auf. „Ich bin Schulsprecherin, Draco“, klärte sie ihn auf. „Wer denkst du, ist dafür zuständig, dass deine kleine Schlampe in unser Haus eingegliedert wird?“, wollte sie überlegen von ihm wissen, und Draco verzog den Mund.

 

„Lass sie in Ruhe“, drohte er jetzt mit bebender Stimme.

 

„Wenn sie ihre gierigen, kleinen Finger von dir lässt, hat die blöde Kuh nichts zu befürchten, Draco“, sagte Pansy lächelnd. Dracos Atem ging schneller. Er hatte die Zähne zusammen gebissen, und hatte keine Ahnung mehr, wie er Pansy einschätzen sollte. Ihre Granger-Sympathien waren unglaublich lästig. Und sie würde zu Lucius rennen. Und wahrscheinlich wartete sein scheiß Vater nur darauf, ihn doch noch aus der Familie zu werfen.

Und kurz überlegte er, ob Astoria dann wirklich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Aber… es glaubte es nicht!

 

„Wenn dir an deinem heiligen Vermögen etwas liegt, schlage ich dir vor, Hermine ein Geschenk zu besorgen“, fuhr Pansy fort.

 

„Du willst mich erpressen? Ist das dein Ernst?“ Zorn ließ seine Stimme zittern.

 

„Ja“, bestätigte Pansy, schneller als er gedacht hatte. „Ich glaube, anders ist man bei dir noch nie weit gekommen, oder?“ Er hätte nicht gedacht, dass Pansy zu seinem Feind werden würde. „Meine Augen sind überall, Draco“, schien sie ihn erinnern zu wollen.

 

„Was soll das heißen?“

 

„Ich unterstelle dir, nicht völlig dumm zu sein“, räumte sie ein, und sein Mund öffnete sich entrüstet. „Du wirst dir die Mühe machen. Hermine bekommt ein Geschenk, oder ich erzähle Lucius sonst was, Draco!“, warnte sie ihn jetzt. Langsam schüttelte Draco den Kopf.

 

„Du weißt, unsere Freundschaft ist hiermit vorbei?“, informierte er sie kalt, und Pansy sah ihn an, ehe sie mit einem recht ausdruckslosen Gesicht mit den Achseln zuckte.

 

„Ok“, sagte sie nickend. „Ich will sehen, wie du ohne uns zurechtkommst, Draco“, bestätigte sie böse und wandte sich mit einem letzten mitleidigen Ausdruck von ihm ab. Aber ihre Hände waren zornig zu Fäusten geballt.

 

„Keine Sorge!“, rief er ihr trotzig nach. „Ich brauche keine scheiß Heuchler als Freunde!“ Seine Stimme hallte auf dem Marktplatz seltsam wider.

Zwei Freunde in zwei Tagen verloren. Was für ein absolutes Scheißgefühl! Er brauchte sie alle nicht! Keinen von ihnen! Er war der reichste! Er hatte die Macht! Sie würden alle angekrochen kommen! Sobald sie zwangsverheiratet wurden, würden sie sehen, was er für eine Last zu tragen hatte!

 

Mit zornigen Schritten erreichte er den Juwelier. Mr. Birkenfield schien eben erst nass geschwitzt angekommen zu sein.

 

„Mr. Malfoy“, begrüßte ihn der Mann, schwer atmend. Draco knurrte nur eine halbe Begrüßung, ehe er sich zornig umsah. Aber er nahm an, Pansy würde Granger fragen, bei der nächstbesten Gelegenheit. Bestimmt noch heute Nacht.

Also brauchte er tatsächlich zwei scheiß Geschenke!

 

Aber… dass es teuer oder schön sein musste, dass es gut sein musste – davon hatte Pansy nichts gesagt.

 

Ein böses Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

 

„Mr. Birkenfield, kann ich Ihren Kamin benutzen?“, erkundigte er sich mit einem Wolfslächeln, denn er hatte eine Idee.

 

 

Kapitel 36

 

Es war dunkel draußen, als sie sich halbherzig noch einmal im Spiegel betrachtete. Sie hatte sich umziehen müssen, nach ihren Versuchen, zu kochen. Die gescheitert waren.

Ihr Rock hatte so viele Soßenspritzer abbekommen, dass es fast als Muster hätte durchgehen können.

 

Aber jetzt trug sie ohnehin Sachen, in denen sie sich wohler fühlte. Denn es war Weihnachten, und sie wollte sich wohl fühlen. Zumindest etwas wohler. Sie trug einen warmen Pullover, naturweiß, und am Kragen war er rund ausgeschnitten. Er lag relativ eng an ihrem Körper, aber weit genug, dass sie genügend essen könnte.

Dazu trug sie eine schwarze Stoffhose, die tatsächlich hauteng saß. Und flache Turnschuhe, denn sie sah nicht wirklich ein, Absätze zu tragen. Die Haare hatte sie im Zopf hochgebunden. Einige Strähnen fielen in ihren Nacken, die sich zu kurz lockten, aber es störte sie ebenso wenig.

 

Sie musste keinen Schönheitswettbewerb mehr gewinnen. Sie war, wo sie sein wollte. Ihre Gedanken drifteten kurz ab, und sie dachte an Ron. An das Weihnachten der Weasleys, und fast könnte sie weinen vor Freude, morgen zum Fuchsbau gehen zu können!

 

Sie hörte die Tür unten ins Schloss fallen. Malfoy musste zurück sein, nahm sie an.

Er war nachmittags irgendwann verschwunden. Narzissa hatte es gestört, aber Hermine war es nur allzu recht. Zeit gehabt, seine Briefe zu lesen, hatte sie allerdings nicht.

Sie würde heute Nacht damit beginnen, beschloss sie.

 

Sie verließ eines der Gästebadezimmer und beeilte sich, nach unten zu kommen, denn sie wollte nicht alleine von ihm überrascht werden.

Lucius saß im Wohnzimmer alleine, neben dem Weihnachtsbaum auf der Couch. Es wirkte ein wenig seltsam, fand sie. Er trug einen so eleganten Anzug, dass sie kurz das Bedürfnis verspürte, sich doch noch umzuziehen. Er hob den Blick aus dem Buch, das er gerade las.

 

„Hermine“, begrüßte er sie wohlwollend. „Ich habe gehört, Sie haben heute gekocht?“, erkundigte er sich, legte das Lesezeichen ins Buch und legte es neben sich auf den kleinen runden Tisch. Sie wurde ein wenig röter im Gesicht.

 

„Oh nein, Mr. Malfoy – Lucius“, korrigierte sie sich, ehe er es tun konnte. „Ich bin… leider nicht begabt dafür“, gab sie achselzuckend zu. Aber er lächelte.

 

„Narzissa auch nicht“, erwiderte er und erhob sich. Die Haare hatte er wie immer zusammengebunden. Er schien wohl nicht ganz zu wissen, was er zu erwarten hatte. Unschlüssig standen sie voreinander und bestaunte gemeinsam den Baum und die Dekoration.

 

„Viele Geschenke“, sagte sie in Ermangelung besserer Worte. Er nickte nachdenklich.

 

„Oh ja“, erwiderte er. „Ich weiß, dass heute einige Eulen ankamen, mit Geschenken für Sie“, erklärte er. Hermine hob überrascht den Blick. „Vom Fuchsbau, von Ihre Eltern“, zählte er bedächtig auf. „Natürlich auch von uns“, ergänzte er eilig, falls sie es angezweifelt hatte. Sie senkte wieder den Blick.

 

„Wissen Sie, das ist überhaupt nicht nötig. Wir haben ja erst vor einigen Tagen so viele Geschenke bekommen. Ich glaube, ich habe noch nicht mal alle auspacken können“, ergänzte sie beschämt.

 

„Weihnachten ist Weihnachten. Da bekommt man Geschenke. Ich denke, Sie werden Narzissa nicht vom Gegenteil überzeugen können“, schloss er seufzend.

Hermine lächelte wieder. Nein. Man konnte Narzissa von eigentlich gar nichts überzeugen, was sie nicht wollte.

 

Ihr fiel ein kleines Geschenk auf. Nicht, weil es so klein war, nein. Sondern weil es, im Gegensatz zu den andern, sehr unordentlich verpackt schien. Es lag oben auf dem Berg, schien als letztes dazugelegt worden zu sein, und es würde wahrscheinlich untergehen, läge es nicht ganz oben. Es war kaum größer als ihre Faust.

 

Wieder standen sie und Lucius schweigend nebeneinander.

 

„Wir essen um sechs und anschließend machen wir Bescherung“, erklärte er ihr, wohl in Ermangelung eines anderen Themas. Sie blinzelnde verblüfft.

 

„Bescherung? Bescherung ist am 25. Dezember, üblicherweise, oder nicht?“, erkundigte sie sich verwirrt. Er nickte langsam, ohne sie anzusehen.

 

„Ja, eigentlich schon. Einige europäische Kulturen verlegen die Bescherung allerdings auf den 24. Dezember“, erläuterte er. „Nicht, dass es bei uns einen kulturellen Ursprung hätte. Draco hat früher immer so gequengelt, dass es für mich und Narzissa sicherer war, ihm seine Geschenke schon einen Tag eher zu geben“, erklärte er offen. Sie konnte nicht sagen, ob es eine gute Kindheitserinnerung an Draco war oder eben eine schlechte. „Auch in Hogwarts hat er von uns seine Geschenke stets am 24. Dezember bekommen“, fuhr Lucius fort und schüttelte sanft den Kopf. „Wahrscheinlich war er der einzige, der seine Geschenke als erster ausgepackt hatte.“

 

Hermine betrachtete wieder den Baum und nickte. „Wenn es Tradition hat, dann darf man damit nicht brechen“, sagte sie mit Bedacht. Vielleicht ein wenig zu bitter, denn Lucius Blick senkte sich auf sie.

 

„Traditionen liegen Ihnen nicht, Hermine?“, stellte er die direkte Frage, und sie zwang einen teilnahmslosen Ausdruck auf ihre Züge.

 

„Manche nicht“, erwiderte sie höflich und unverfänglich. Lucius betrachtete sie noch einen Moment länger, ehe er ihr bedeutete, ihm zu folgen.

 

„Ich denke, wir können uns schon in das Esszimmer begeben. Es sei denn, ich kann Sie für einen Drink begeistern?“ Und Hermine hatte sich geschworen, nie mehr Alkohol zu trinken, aber sie glaubte nicht, dass sie es schaffen würde, wo doch Alkohol immer eine willkommene Flucht bot.

 

„Sie… Sie wissen nicht zufällig, was ein Cranky Tartini ist?“, wagte Hermine zu fragen, und Lucius Stirn legte sich kurz in Falten.

 

„Meine Frau hat mich bereits von den Cocktails der Saison unterrichtet, Hermine. Also, zu meiner Schande muss ich gestehen, ich werde in der Lage sein, Ihnen den besten Tartini Ihres Lebens zu mixen“, erwiderte er ein wenig abschätzend. Sie musste tatsächlich grinsen. Ja, sie konnte sich vorstellen, dass Lucius Malfoy eher ein Hendricks Gin Trinker war, als dass er blumige Cocktails mixte.

 

Sie beobachtete ihn, während er zu der schmalen Bar geschritten war und drei Gläser zubereitete. Narzissa mixte er ebenfalls ein giftig pinkes Getränk. Sich selber goss er lediglich eine goldene Flüssigkeit in ein Glas, mit einigen Eiswürfeln dazu.

 

„Nach Ihnen“, sagte er, während er die Gläser mit dem Zauberstab schweben ließ, und sie voran ins Esszimmer ging.

 

Die Flügeltür ließ sich leicht öffnen, und wunderbarer Duft schlug ihr entgegen, während Narzissa die Elfen dirigierte. Noch hier ein Glas, dort ein Messer, eine Kerze ausgetauscht und angezündet – und schon war alles bereit.

 

Narzissas Anblick war beeindruckend. Sie trug ein fließend schwarzes Kleid. Es funkelte an vielen Stellen, war tief ausgeschnitten, vorne wie hinten, und um ihren schlanken Hals lag ein prunkvolles Colliers. Die Haare hatte sie kunstvoll hochgesteckt, und ihre Augen waren eindrucksvoll geschminkt. Heute mal in dunklen Blautönen.

 

Hermine nahm es einfach nur noch zur Kenntnis, konnte sich an Narzissa gar nicht sattsehen, und ignorierte, dass sie niemals so aussehen würde.

 

„Liebling, es ist alles perfekt“, bemerkte Lucius, küsste seine Frau auf die Wange und reichte ihr ihren Drink.

 

„Fast. Lowyn, hol Draco, bitte“, befahl sie einer schmalen Elfe. Diese verbeugte sich hastig und verschwand lautlos. Lucius zog erst Narzissa den Stuhl zurück und anschließend ihr. Hermine war solche Höflichkeit nicht gewöhnt, und hatte Mühe, ihren Stuhl nicht selber zurechtzurücken. Aber sie beherrschte sich.

 

Die wunderbaren Düfte ließen Hermines Magen knurren.

 

„Was gibt es?“, fragte Lucius entspannt und legte sich bereits die Serviette unterm Tisch über die Oberschenkel. Hermine tat es ihm gleich. Sie hatte alles im Feine-Damen-Unterricht wieder vergessen, fiel ihr auf. Narzissa lächelte glücklich.

 

„Zum Aperitif werden Mandarinen Magisch-Royal gereicht“, erklärte sie, und Hermine begriff, es waren keine Erdbeeren gewesen. Wäre Lebensmittelerkennung ein Schulfach, wäre sie von einem ‚Annehmbar‘ weit entfernt, nahm sie an. „Anschließend gibt es Trüffel-Bouillon mit Eisternen, um die sich Hermine vortrefflich gekümmert hat“, ergänzte sie zwinkernd in Hermines Richtung, und Hermine war sich sicher, sich um eine Art Pastete gekümmert zu haben. Aber sie würde nicht ihr Leben drauf verwetten. „Und der Hauptgang ist glasierte Ente, mit Perlkartoffelscheiben, gesalzenen Frischlingen und Elfenkresse mit Rotkohl – was allerdings die Elfen zubereitet haben“, fuhr sie fort, und Lucius schien dankbar auszuatmen, „und zum Schluss gibt es eine Affogato-Creme, mit Kardamom-Krokant und Cranberry-Sherry-Soße.“ Narzissa strahlte, und Hermines Magen knurrte laut.

 

„Und anschließend können wir uns Mungo einliefern lassen, weil unser Magen platzen wird, nehme ich an“, schloss Lucius nickend.

 

„Oh, ich bitte dich! Wann haben wir schon mal so ein Fest?“, fragte sie ihren Mann herausfordernd. Aber Lucius antwortete darauf nicht. Er hatte lediglich eindeutig beide Augenbrauen gehoben und nippte an seinem Getränk. Die Elfe erschien aus dem Nichts, so wie sie verschwunden war, und Hermine zuckte zusammen.

 

„Madame“, sagte sie, und sie wirkte eine Spur mitgenommen, „der junge Master sagt…“ Sie schien sich kurz besinnen zu müssen, „er sagt… dass… - ob er…“ Sie kratzte sich am Kopf.

 

„Ja, Lowyn?“, bestärkte Narzissa die Elfe ruhig, aber in ihren Augen lag ein unbarmherziger Ausdruck, denn Hermine hatte sich schon gedacht, dass Malfoy nicht einfach so auftauchen würde. Das war ihr persönlich klar gewesen.

 

„Der junge Master…“, begann die Elfe zögerlich.

 

„Was ist mit ihm?“, unterbrach Lucius sie barsch, und die Elfe zuckte zusammen.

 

„Er… - er hat viele Fragen gestellt, Herr“, jammerte die Elfe. „Er sagte, er wüsste nicht, was er anziehen sollte, und wenn das, was er anhat nicht das ist, was er anhaben sollte – und er sagte – oh, Lowyn erinnert sich nicht, Herr!“, rief sie aus und verneigte den Kopf sehr tief. 

 

Hermine konnte sich sehr gut vorstellen, wie Malfoy die arme Elfe traktiert hatte. Ihre Mundwinkel sanken.

 

„Geh zu ihm und sag ihm, wenn er in fünf Minuten nicht hier am Tisch sitzt – ob nackt oder angezogen, dann schiebe ich ihm die verdammte Ente in seinen königlichen Hintern“, knurrte Lucius, ohne mit der Wimper zu zucken, und die Elfe bekam große Augen. „Kannst du dir das merken?“, schloss er eisig.

 

„Lucius“, maßregelte ihn Narzissa kopfschüttelnd und hatte die Handfläche über die Augen gelegt. Lucius‘ Blick ruhte kurz auf Hermine, ehe er sich räusperte.

 

„Lowyn, bitte, tu das“, ergänzte er reserviert, wohl um Höflichkeit bemüht, bemerkte Hermine, obwohl seine vorangegangenen Worte jede Höflichkeit mehr oder weniger überflüssig hatten werden lassen. Die Elfe verschwand, und Hermine fragte sich, ob sie die Worte tatsächlich so wiederholen würde. 

 

„War das nötig?“, erkundigte sich Narzissa schließlich konsterniert, und Lucius ruckte mit dem Kopf.

 

„Sitzt er hier? Ist er am Tisch? Ist er auch nur irgendwo in der Nähe, Narzissa?“, forderte er sie wohl heraus, und sah sich entsprechend um. „Es sieht nicht so aus. Also – ja, es ist nötig“, erwiderte er kalt. Die Stimmung hatte sich merklich abgekühlt.

„Wir könnten einfach beginnen“, schloss Lucius mit einem Blick auf Hermine, aber Narzissa schüttelte unverwandt den hübschen Kopf.

 

„Nein! Wir beginnen nicht ohne ihn“, erklärte sie beleidigt.

 

Eisige Stille legte sich über das ausladende Esszimmer, während Hermine krampfhaft versuchte, sich auf die Kerzen vor sich zu konzentrieren, und sich Narzissa und Lucius ein bitterböses Blickduell lieferten. Sie kam sich so unerwünscht und fehl am Platze vor, dass sie hoffte, sie würde sich einfach in Luft auflösen, wie die Elfe.

 

Und endlich – nach einer unglaublichen Ewigkeit, so kam es Hermine vor, regte sich etwas im Haus. Sie hörte Stufen gehen. Sie hörte ihn.

 

Merlin, sei Dank!

 

„Siehst du“, zischte Narzissa, „er ist schon da“, schloss sie triumphierend. Aber Lucius‘ Stimmung hatte den Tiefpunkt erreicht. Er leerte sein Glas in einem Zug. „Der Heiler sagt, du sollst nicht so viel trinken“, murmelte Narzissa mit unterdrücktem Zorn in der Stimme, während Lucius mit dem leeren Glas wedelte, bis die Elfen kamen, um ihm nachzuschenken. Narzissa blickte gereizt zur Seite.

 

„Zu den Mahlzeiten darf ich trinken so viel ich will“, knurrte Lucius, und bevor es ausartete, öffneten sich die Türen zum Esszimmer erneut. Er war nicht nackt. Das war immerhin eine Erleichterung. Narzissa schien es große Überwindung zu kosten, diesen Beinahe-Streit zu verdrängen, und ein Lächeln aufzusetzen.

 

„Setz dich“, sagte sie an Draco gewandt. Hermine mied seinen Blick. Sie hatte ihre eigenen Probleme mit ihm. Er sagte nichts, umrundete den Tisch, ging nicht hinter seinem Vater, sondern hinter seiner Mutter her, obwohl der Weg weiter war, und setzte sich demonstrativ laut auf den Mahagonistuhl, dass dieser mit einem hässlichen Geräusch über das polierte Parkett kratzte.

 

Er trug keinen Anzug. Wie es aussah… trug er seine Quidditchsporthose, stellte Hermine perplex fest. Dazu eine Kapuzenjacke, und sie erkannte das Symbol von Slytherin über seiner linken Brust. Ja, das nannte sie legere. Lucius trank direkt mehrere Schlucke aus seinem neuen Glas. Narzissa beobachtete ihren Mann zornig, aber dieser ignorierte den Blick.  

 

O-k….

 

Weihnachten bei den Malfoys.

 

„Gibt es irgendetwas zu essen oder starren wir uns lediglich an?“, vernahm sie seine schnarrende Stimme, und eilig setzte Hermine ihr eigenes Glas an ihre Lippen und trank. Sie dachte an den Fuchsbau, an das lustige Essen dort, mit zehn Leuten an einem engen Tisch, der sich voller Speisen zu biegen schien. Es herrschte nie Stille dort, und Lachen erfüllte jeden Raum.

 

Harry wäre da, Ron wäre da – und die gute Molly. Tränen stachen in Hermines Augen, und sie leerte das Glas mit geschlossenen Lidern. Sie dachte an ihre eigene Mum, die ihr jedes Weihnachten Marshmellows über ihren Teil des Kartoffelauflaufs gestreut hatte, und sie dachte an die Pute, die immer ein bisschen zu trocken war, weil ihre eigene Mutter nicht gerade eine Koryphäe in der Küche war.

 

Sie dachte an das gemütliche Gefühl. Und als sie die Augen öffnete, erwachte sie allerdings nicht aus einem Traum.

 

Nein, sie saß immer noch hier. In Stille. Bei den Malfoys. Sie tat es Lucius gleich und winkte mit ihrem Glas.

 

„Was will die Miss trinken?“, fragte eine kleinere Elfe zaghaft.

 

„Was Lucius trinkt“, sagte Hermine schlicht, obwohl sie annahm, Lucius trank Whiskey oder Scotch oder Brandy – oder was auch immer er trinken mochte, was ihm sein Heiler verboten hatte. Sie hörte Narzissa seufzen, aber sie ignorierte es.

 

„Lasst uns beginnen“, rief sie laut genug, so dass mehrere Elfen mit dampfenden Tellern aus der Küche strömten.

 

Und immerhin konnte sich Hermine nun nur noch auf das Essen konzentrieren – was tatsächlich in Totenstille verlief. Narzissa erkundigte sich gezwungen munter alle paar Minuten, wie es allen schmeckte, aber keiner wollte so richtig reden. Hermine antwortete der Höflichkeit halber, aber mehr als ‚Danke, gut‘ bekam auch sie nicht über die Lippen.

 

Hermine hatte es tapfer durch die ersten Vorspeisen geschafft. Beim Hauptgang war sie bereits angetrunken und so ziemlich satt. Sie schnitt die vorzügliche Ente und schaffte ganze zwei Bissen, bis sie sich erschöpft zurücklehnte. Lucius schnitt stoisch und stumm das Fleisch, und die Tür öffnete sich erneut.

 

„Herr, im Kamin wartet ein Anruf“, sagte ein alter Elf, und dankbar schien Lucius von seinem Platz aufzuspringen.

 

„Lucius!“, entfuhr es Narzissa entrüstet, aber Lucius schenkte ihr einen nachsichtigen Blick.

 

„Was? Zerstöre ich die Harmonie des Abends? Ich denke nicht“, beantwortete er seine Frage selber, ehe er dem Elf aus dem Esszimmer folgte. Narzissa tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab, warf sie zornig auf den Tisch und erhob sich ebenfalls. Sie folgte Lucius mit wenigen Schritten, und Hermine saß wie versteinert am Tisch.

 

Scheiße.

 

Aber die Elfen waren noch da. Malfoys ätzender Blick ruhte auf ihr, und sie wollte unsichtbar werden. Auf der Stelle. Lustlos stocherte Malfoy mit seiner Gabel auf dem Teller herum, und sie verhielt sich absolut regungslos. Vielleicht bemerkte er sie nicht, wenn sie sich nicht bewegte….

 

Malfoy schnippte mit den Fingern, und eine Elfe brachte ihm eilig ein gefülltes Glas, mit ebenso heller Flüssigkeit, wie sein Vater es wohl bevorzugte. Er trank einen großen Schluck, sie sah es aus den Augenwinkeln.

 

„Und?“, erkundigte er sich nun voller Abscheu. „Spaß mit meinen Briefen?“, ergänzte er und sah sie immer noch an.

 

Wenn sie jetzt aufstand, würde er ihr folgen? Wenn sie ging, würde er sie dann verfluchen? Würde er das auch tun, wenn sie antworten würde?

Aber sie musste nicht mehr weiter darüber nachdenken.

 

„- weil dies unser erstes Weihnachten als Familie ist, Lucius!“, hörte sie Narzissas zornige Stimme, und beide betraten wieder das Esszimmer. „Bitte, entschuldigt“, ergänzte Narzissa, mit einem neugefundenen Lächeln, und Hermine biss sich auf die Unterlippe. „Hermine, schon satt?“, wollte Narzissa fast bekümmert wissen.


„Ich-“

 

„-lass sie doch einfach in Ruhe und bemuttere sie nicht ständig“, unterbrach Lucius sie, und Narzissa Lächeln schwand.

 

„Keine Sorge, Hermine. Mein Appetit ist auch vergangen“, bemerkte Narzissa, ohne den Blick von ihrem Mann zu wenden.

 

„Kann ich gehen?“, fragte Malfoy entnervt, und Narzissas Blick traf ihn hart und kalt.

 

„Nein“, sagte sie, ohne eine Diskussion zuzulassen. Malfoy sank unflätig auf den Stuhl zurück. Er spielte mit dem Fleisch auf seinem Teller, und Narzissa schien sich sammeln zu müssen.

 

Gott, diese Familie war so dysfunktional. Aber Hermine glaubte, das wirklich Schlimme war, dass niemand darüber sprach. Und sie wusste, sie könnte es dabei belassen. Es würde dann ein stiller, furchtbarerer Abend werden, wenn Narzissa sie weiterhin am Tisch gefangen hielt.

Sie seufzte innerlich auf. Wirklich, diese Leute waren unfähig.

 

„Wer war es?“, wandte sie sich also an Lucius, betont munter, unverfänglich, mit einem erstklassigen Lächeln einer Schwiegertochter.

 

„Was?“, erwiderte er, tatsächlich verblüfft, und sein Zorn war kurz vergessen.

 

„Im Kamin“, antwortete sie.

 

„Oh – das… die Arbeit“, erwiderte er zaghaft.

 

„An Heiligabend?“, vergewisserte sich Hermine lachend. „Wow, dann sind Sie ziemlich gefragt, oder?“ Lucius senkte kurz den Blick. Ob bloßgestellt oder geschmeichelt, wusste Hermine nicht. Aber sie sah, wie Narzissa langsam begann, weiter zu essen.

„Man sollte meinen, die Leute würden an Feiertagen eine Ausnahme machen.“

 

„Von was?“, griff Lucius ihre Worte auf.

 

„Von allem“, sagte Hermine achselzuckend. „Von der Arbeit, vom gegenseitigen Hass, von all den unwichtigen Kleinigkeiten, die einen ständig ablenken und einem Steine in den Weg legen“, sagte sie, ohne jemanden bestimmten anzusehen.

„Wissen Sie, ich glaube, man streitet sich nie so häufig wie an Feiertagen, aber ich glaube, es hat etwas reinigendes“, bemerkte sie.

 

„Gab es in Ihrer Familie Streit an Weihachten?“, fragte Lucius unwillkürlich, milde überrascht.

 

„Sicher“, erwiderte sie und stach doch noch einmal in ihre Ente, um vielleicht noch einen kleinen Bissen zu essen. Etwas Platz hatte sie noch in ihrem Bauch. „Meistens über meine schulische Ausbildung“, ergänzte sie nachdenklich. „Meine Großeltern wissen nichts von…“, sie machte eine kurze Pause und deutete nickend in die Runde, „… Zauberei“, schloss sie schließlich. Narzissa und Lucius sahen sie an. Sie wusste, sagte es, als wäre es etwas Seltsames. Aber für ihre Familie war es das.

 

„Und meine Tante und mein Onkel haben auch keine Ahnung“, fuhr sie fort und kaute dann das zarte Fleisch. „Deshalb wird meinen Verwandten erzählt, das sich auf irgendeiner Privatschule bin, ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Eigentlich sage ich bei Tisch gar nichts“, fiel ihr nachdenklich auf. „Man ist… wie ein Fremdkörper. Relativ unerwünscht, denn man passt nicht zum Rest“, endete sie nachdenklich und hob tatsächlich in ihrem Aha-Moment den Blick. „Eigentlich ist es wie hier“, sagte sie knapp.

 

„Wie hier?“, wiederholte Narzissa. Kurz glitt Hermines Blick über Draco, der sofort in eine andere Richtung blickte und so tat, als wären seine Fingernägel gerade besonders spannend.

 

„Na ja, unter Reinblütern generell. Ich meine, unter Muggeln bin ich nicht wirklich willkommen. Ich habe schon gar keine Ahnung mehr, von dem Leben als Muggel“, gab sie lächelnd zu bedenken, „aber unter Reinblütern bin ich auch nicht willkommen, denn ich gelte nicht als ganzer Zauberer“, sagte schließlich.

 

„Bestimmt nicht an diesem Tisch!“, entrüstete sich Narzissa kopfschüttelnd. Hermine erwiderte darauf nichts, schnitt sich noch ein Stück Ente ab und aß stumm weiter.

 

„Wie wäre es mit Nachtisch?“, schlug Narzissa schließlich vor, und wieder setzten sich die Elfen in Bewegung. Sie kamen Hermine wie dressierte Zirkustiere vor. Sie kamen zurück, wirbelten um den Tisch, der Hauptgang verschwand durch Elfenmagie und erinnerte sie schmerzlich an Hogwarts, und dann wurde der duftende Nachtisch aufgedeckt.

 

„Haben Sie Weihnachten je in Hogwarts verbracht?“, fragte Hermine Narzissa und Lucius, die einen Blick tauschten.

 

„Nein“, antwortete Lucius, „es hätte sich… nicht geziemt“, schloss er. Hermine wusste, Malfoy verbrachte jedes Weihnachten in Hogwarts. Wahrscheinlich, um nicht hier sein zu müssen.

 

„Wollten Sie nicht bei Ihren Freunden sein?“, wollte Hermine unwillkürlich wissen. Lucius schüttelte dann den Kopf.

 

„Es hat sich nie die Frage gestellt. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen“, bemerkte er, ein wenig kühler als zuvor.

 

„Jaah, bei so verständnisvollen Großeltern“, sagte Malfoy jetzt tatsächlich mit sarkastischem Unterton. Lucius‘ Blick richtete sich auf ihn.

 

„Meine Eltern waren so wie sie zu sein hatten, und haben mich stets unterstützt!“, erkläre Lucius zornig. Malfoy verzog spöttisch den Mund.

 

„Oh ja, ich erinnere mich noch, als sie das Haus hatten verpfänden wollen, in ihrer unendlichen Güte“, spottete er kühl.

 

„Was fällt dir ein, über meine Vergangenheit zu richten? Ich habe bereits mit-“

 

„-mit vierzehn die Bürde der Familie auf den Schultern getragen.“

 

„-mit vierzehn die Bürde der Familie auf den Schultern getragen.“

 

Sie sagten es beide unisono, und Lucius schloss den Mund, eine Spur beleidigt, ein Hauch von Ärger auf den markanten Zügen. Malfoy hielt dem Blick seines Vaters stand. Warum Lucius‘ Eltern wohl das Haus hatten verpfänden lassen wollen?!

 

„Gut, am besten lassen wir das“, mischte sich Narzissa in die neue unangenehme Stille ein. Ihre Stimme klang unnachgiebig. „Hermine, ich hoffe, du fühlst dich hier dennoch wohl“, schloss Narzissa besorgt.

 

„Ja, Narzissa“, entschied Hermine zu sagen, denn sie wollte nicht, dass Narzissa sich Vorwürfe machte. Allerdings machte Malfoy ein spöttisches Geräusch. Narzissa zog es wohl vor, es zu ignorieren.

 

Hermine aß ein paar Löffel des Nachtischs, und es war doch seltsam. Selbst das beste Essen, was sie jemals gegessen hatte, schmeckte in der falschen Gesellschaft nicht.

 

„Wir sollten die Bescherung vorziehen“, sagte Malfoy unvermittelt. Narzissa hatte den Blick gehoben.

 

„Wir werden in Ruhe aufessen, Draco“, erwiderte sie lediglich. Mittlerweile war es Hermine unendlich peinlich, dass sie für ihn überhaupt etwas hatte. Missmutig hatte er sich wieder zurückgelehnt. Sie wusste nicht, wie schlimm es für ihn war, aber er stellte sich an, als ginge es um seine persönliche Hinrichtung, bei diesem Essen.

Oh sie hasste ihn so sehr.

 

Und es beunruhigte sie ungemein, dass sein Blick mittlerweile auf ihr ruhte. Eine Spur zu selbstgefällig, stellte sie fest. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie erkannte einen Todesser, wenn sie ihn vor sich hatte, dachte sie dumpf.

Und es lag bestimmt nichts Freundliches in seinem Blick.

Absolut gar nichts.

 

 

Kapitel 37

 

Es war ihr peinlich gewesen, anzufangen und ihre Geschenke zu verteilen. Aber Narzissa und Lucius hatten den Anfang gemacht, nicht Malfoy. Das war beruhigend gewesen. Lucius schlug das Papier von Hermines Geschenk mehr oder weniger gespannt zurück, und sein Mund öffnete sich verblüfft, als er das Buch erkannte. Er schenkte Hermine ein tatsächlich aufrichtiges Lächeln. Hermine sah ihn selten Lächeln, und es war ein schönes Lächeln.

 

„Hermine, ich danke Ihnen“, sagte er ehrlich. Hermine spürte, wie sie rot wurde.

 

Malfoy neben ihr riss lustlos das Papier von den Geschenken – es waren unendlich viele, hatte sie das Gefühl, während sie selber etwas überfordert in einem Berg von Geschenken saß. Sie ignorierte, dass es abends war, und man abends eigentlich keine Geschenke auspackte, aber sie machte sich daran, umständlich das Papier von einer großen Box zu reißen. Es war von Narzissa. Es war ein Kleid. Ein unglaublich schönes Kleid! Und sie erkannte, dass noch mehr Geschenke in dieser Größe auf sie warteten.

 

Sie konnte sich nicht bedanken, denn Narzissa entfuhr ein entzückter Laut.

 

„Hermine, es ist wunderschön!“, sagte sie aufgeregt. „Es ist Glück, nicht wahr?“ Sie hielt die Glasglocke auf der flachen Hand, aber ebenso wie bei Hermine, hing das Körnchen Glück nur auf kaum halber Höhe und schimmerte in verhaltenem Gold. „Ich will es ans Fenster stellen. Genügend Sonne wird ihm bestimmt gut tun!“, flötete sie glücklich, und Hermine schämte sich, nur ein einziges Geschenk für jeden zu haben. „Ich danke dir!“, sagte Narzissa anschließend, kam zu ihr, und bevor Hermine etwas tun konnte, hatte Narzissa sie an sich gedrückt. 

 

Beschämt ließ Hermine es über sich ergehen, erlaubte sich nicht, Narzissa ebenfalls zu drücken, und wartete ab. Es war angenehm, von ihr umarmt zu werden, aber Hermine durfte sich nicht daran gewöhnen.

 

Nach etlichen quidditchbezogenen Geschenken riss Malfoy nun ihr Geschenk auf. Sie beobachtete ihn unwillkürlich. Er hatte die Karte ignoriert und drehte das Tagebuch in seinen Händen. Es schimmerte in dunklen Tönen, und er hob den Blick zu seiner Mutter, die Augenbraue spöttisch erhoben.

 

„Stand nicht wirklich auf der Liste, oder?“, bemerkte er knapp, und Narzissa hob den Blick von der funkelnden Tiara, die sich wohl Lucius geleistet hatte. Hermine war sprachlos, ob all der Diamanten.

 

„Draco, das ist nicht von uns, sondern von Hermine“, erwiderte sie sanft. Malfoy stutzte kurz. Tatsächlich hielt er das Buch nun mit spitzen Fingern in der Hand, griff nach der Karte und klappte sie auf. Seine Augen studierten kurz ihre Worte.

 

‚Gedanken aufzuschreiben, macht sie wahr.

Vielleicht finden deine Federn dann endlich einen Nutzen.

Hermine‘

 

Er hob den Blick, und sie schluckte schwer. Sein Blick war nie freundlich. Jetzt war er noch weniger als das. Er legte das Buch hastig beiseite, erhob sich und kramte unter dem Baum. Er balancierte eine flache Schachtel in der Hand und kam auf sie zu.


„Frohe Weihnachten, Granger“, raunte er lediglich, fast teilnahmslos. Und sie war ehrlich überrascht. Sie hatte nichts von ihm erwartet. Sie erwartete nie irgendetwas von ihm. Sollten ihre Bemühungen endlich etwas bewirkt haben? Sei es auch nur, dass er netter geworden war? Aber ehrlich gesagt, glaubte sie es nicht.

 

„Danke“, erwiderte sie perplex. Zögerlich öffnete sie die Geschenkschachtel. Narzissa und sogar Lucius sahen ihr zu. Sie wirkten ähnlich überrascht wie Hermine selbst. Malfoy hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während auch er sie aus den Augenwinkeln beobachtete. Es war keine Karte dabei.

Sie schlug das Seidenpapier zur Seite und hielt verblüfft die Luft an.

 

Auf Samt lag eine feine goldene Kette, mit einem flachen, medaillenartigen Anhänger. In den Anhänger waren in feinster Kalligraphie die Buchstaben HM eingraviert.

Hermine Malfoy? Tatsächlich? Der Anhänger war so groß wie ihr Daumennagel und sehr, sehr flach. Die Ränder waren mit einem Schlangenmuster abgerundet, und die Kette wirkte sehr schön. Zwar war Gold nicht ihr bevorzugter Stil, aber die Kette wirkte edel.

 

Und sehr kurz zögerte sie, die Kette tatsächlich zu berühren. Kurz sagte ihr wacher Verstand ihr, dass es eine Falle sein könnte, dass es ein Trick war, und dass sie tot umfallen würde, würde sie die Kette berühren.

 

Sie hob vorsichtig den Blick zu seinem Gesicht, aber er hatte bereits den Blick desinteressiert von ihr abgewandt, und riss ein weiteres Paket auf.

 

Sie wusste nicht, was es letztendlich war, dass sie ihre Furcht überwinden ließ. Vielleicht die Tatsache, dass sie bei den Malfoys im Wohnzimmer saß, und es unhöflich wäre, ihrem Sohn zu unterstellen, er wolle sie an Heiligabend, mit einem Fluch umbringen.

 

Sie atmete unterdrückt aus und hob die feine Kette aus der Box und legte den Anhänger in ihre flache Hand.

 

Für die Winzigkeit einer Sekunde hatte sie das Gefühl, über das Gold wäre soeben ein sanfter grüner Schimmer geglitten, aber… - es war schon wieder vorbei. Vielleicht war es eine optische Täuschung.

 

„Oh wie schön, Draco!“, rief Narzissa aus. „Das ist so lieb von dir!“, sagte sie, fast überrascht von ihrem eigenen Sohn. Malfoy reagierte darauf nicht. „Hermine, darf ich?“, fragte Narzissa sofort, und bot ihr an, ihr die Kette umzulegen. Hermine zögerte kurz, aber sie trug heute keinen Schmuck, und ihr fiel auf die Schnelle kein guter Grund ein, weshalb sie Nein sagen sollte.

Nicht gegenüber Narzissa. Sie nickte also ergeben, und mit geschickten Handgriffen lag die Kette keine zehn Sekunden später um Hermine Hals.

 

Jetzt hob Malfoy tatsächlich wieder den Blick, und Hermine sah sich gehalten, irgendetwas zu sagen.

 

„Danke“, murmelte sie unwirsch. Er ruckte knapp mit dem Kopf, ehe er sich wieder seinen Geschenken zuwandte.

 

Hermine bekam noch einen Pulli von Molly mit dem obligatorischen H in der Mitte. Dieses Mal war der Pulli beige und das H pink. Von ihren Eltern bekam sie eine besonders edle ‚Herr der Ringe‘ Trilogie geschenkt, auf die sie das letzte Mal in der Mall schon ihr Augenmerk geworfen hatte, als sie mit ihrer Mutter da war. 

Von Narzissa und Lucius häuften sich die Kleider, schicke Blusen und hohe Schuhe, vor denen sie schon jetzt Angst hatte.

 

Malfoy verabschiedete sich sehr kurz angebunden, nachdem er fertig war mit Auspacken und ließ die Elfen seine Geschenke nach oben bringen. Er erklärte, er würde heute hier schlafen, was Hermine nicht wunderte, und dann war er verschwunden, während sie alleine mit Narzissa und Lucius im Wohnzimmer verblieb, Lucius ihnen neue Drinks mischte, und Hermine und Narzissa die neuen Schuhe anprobierten.

 

Tatsächlich musste Hermine lachen, tatsächlich hatte sie mehr Spaß als sie gedacht hatte. Vor allem, als Narzissa Lucius vorschlug, auch mal ein Paar Pumps anzuziehen, und Lucius entsprechend demonstrativ begann, in seinem neuen Geschenk über die Trollkriege zu lesen, ohne auf Narzissas Angebot einzugehen.

 

Aus den Augenwinkeln bemerkte Hermine das kleinste Geschenk, was vergessen unter den Baum gekullert war. In einer unbemerkten Sekunde, in der Narzissa sich neben Lucius gesetzt hatte, um ihn zu necken, bückte sich Hermine und holte das kleine Geschenk unter dem Baum hervor.

 

Sie stutzte bei der Inschrift auf der kleinen Karte. In unordentlicher Schrift standen dort die Worte: Für Master Draco von Tilly.

 

Und ohne zu zögern ließ Hermine das kleine Geschenk in ihren Ärmel gleiten. Gut, dass sie einen Pullover trug, der das zuließ. Am besten fand sie gleich eine Entschuldigung, um das kleine Geschenk näher zu betrachten – vielleicht heimlich auszupacken, um es dann wieder einzupacken, damit Malfoy es irgendwann noch bekam – und die Briefe zu lesen, der sie hatte habhaft werden können.

 

Sie beschloss, ihren Cocktail auszutrinken, und sich dann zu verabschieden, während sie Narzissa dabei zusah, wie sie versuchte, ihren Mann zum Tanzen zu bewegen, denn mittlerweile lief leise Musik aus dem magischen Grammophon.

 

Entspannt lehnte sich Hermine zurück und genoss die Wärme, die vom großen Kamin ausstrahlte. Abwesend spielten ihre Finger mit dem ovalen Anhänger ihrer neuen Kette, ohne dass sie es selber merkte. 

 

~*~

 

~ Acht Stunden zuvor ~

 

Wachsam wanderte Draco durch den Laden. Mr. Burkes hatte ihm so eben aufgeschlossen gehabt. Es hatte außer Frage gestanden, dass Mr. Burkes in die Nokturn Gasse appariert war, um einem seiner besten Kunden auszuhelfen. Draco schätzte es sehr. In seiner Jackentasche hatte er bereits Astorias Geschenk. Für sie hatte er einen hübschen Ring ausgesucht. Er nahm an, er würde passen. Ansonsten würde er ihn magisch anpassen.

Er war schlicht, aus feinstem Koboldgold, was wie das Licht der Sonne schimmerte, mit mehreren blauen Schwanendiamanten in der Fassung.

Astoria würde hingerissen sein.

 

Jetzt fehlte nur noch ein Geschenk für seine Braut, dachte er mit einem bösen Grinsen, während er den Blick über die Kleinigkeiten von Borgin & Burkes wandern ließ. Ein Fluch war böser als der nächste. Der Laden hatte ohnehin keine gewöhnlichen Öffnungszeiten. Mr. Burkes hatte ihm erzählt, das Ministerium veranstaltete zu häufig schwarzmagische Razzias in seinem Laden und beschlagnahmte seine besten Stücke.

 

Also öffnete er ohnehin nur noch auf Anfrage der richtigen Leute.

 

Und Draco war der richtige Mensch.

 

„Darf es etwas Bestimmtes sein, Mr. Malfoy?“, erkundigte sich Mr. Burkes mit einem stechenden Blick, der Draco immer unangenehm war.

 

„Ich suche, ein Schmuckstück“, begann Draco nachdenklich, während er sich die vielen Objekte in der Auslage betrachtete.

 

„Aha“, bestätigte Mr. Burkes nickend, „wohl nicht für Ihre Frau Mutter?“, entfuhr es ihm schließlich. Draco schüttelte knapp den Kopf.

 

„Nein“, erwiderte er schlicht. „Für meine Frau“, schloss er mit einem bösen Lächeln.

 

„Hm, ja. Man hörte davon“, sagte Mr. Burkes schließlich, eher vage. „Eine… Muggelgeborene, nicht wahr?“ Und so wie Mr. Burkes es sagte, wusste Draco, dass dieser Mann ihn verstand.

 

Draco erwiderte nichts, aber Mr. Burkes holte unaufgefordert eine kleine Lade unterhalb des Tresens hervor.

 

„Wir haben hier eine ganze Auswahl an netten, Flüchen, gebunden in Schmuck“, erläuterte er lächelnd. „Wie invasiv soll es sein?“, erkundigte sich Mr. Burkes fast schon zu unverhohlen. Draco überlegte kurz.

 

„Es darf schmerzhaft werden“, entgegnete er schließlich mit einem Kopfnicken. „Allerdings nicht äußerlich“, ergänzte er nachdenklich. „Meine Eltern würden sonst ausrasten“, schloss er mit dem Verdrehen seiner Augen. Mr. Burkes nickte. Mit einem indignierten Ausdruck räumte er die Lade wieder zurück.

 

„Dann wohl kein tödlicher Fluch“, bemerkte er knapp und holte eine andere Lade hervor. Draco gefiel, wie der Mann vor ihm dachte, auch wenn es ihm Angst bereitete.

 

„Nein, kein Todesfluch“, bestätigte er heiser. „Vielleicht… etwas Subtileres“, bat Draco knapp. Er konnte sich schon ausmalen, wie Potter ihn massakrieren würde, würde er sein geliebtes Schlammblut umbringen. 

 

„Malfortuna?“, erkundigte sich Mr. Burkes und mit einem Drachenhauthandschuh hob er eine feine goldene Kette mit einem blanken ovalen Anhänger aus der neuen Lade.

 

„Malfortuna?“, wiederholte Draco unentschlossen.

 

„Oh ja, der Träger dieser Kette wird vom Malfortuna-Fluch befallen, solange er sie trägt“, erklärte Mr. Burkes lächelnd.

 

„Malfortuna ist…?“ Draco war sich mit diesen Flüchen immer unsicher.

 

„Der Unglücksfluch. Nichts Blutiges, keine äußeren Wunden – es sei denn natürlich, die Person begibt sich in unpassende Gefahren“, ergänzte Mr. Burkes vielsagend. „Sie wissen ja, wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um...“

 

Draco hob die Augenbraue. „Was soll das heißen?“

 

„Nun, der Fluch ist clever. Wirkt natürlich nur, wenn die Kette getragen wird, Mr. Malfoy. Und das Schöne an diesem Fluch ist, dass jedes Unglück ein anderes ist“, erläuterte der Mann, während Dracos Blick auf den ovalen Anhänger gerichtet blieb. „Jeder fürchtet ein anderes Leid. Jeder stellt sich seine eigene Hölle vor. Und genau diese Hölle wird eintreten, für den Träger der Kette“, erklärte der Kaufmann verzückt. „Für Sie mag ein großes Unglück, der Verlust Ihres Goldes sein, Merlin bewahre“, ergänzte er eilig, „aber für manche ist ein großes Unglück in den Regen zu kommen.“

 

„Und dann kommen diese Leute in den Regen?“, stellte Draco trocken fest, nicht sonderlich beeindruckt. Aber Mr. Burkes lächelte wieder.

 

„Nein, Mr. Malfoy“, widersprach der Mann kalt. „Sie geraten in einen Monsun. Haben sie Angst vor Spinnen, werden sie in ein ganzes Nest fallen, haben sie Angst vor Gewitter – nun. Das könnte tatsächlich gefährlich werden.“ Er klang allerdings nicht besorgt, während er sprach.

 

Draco überlegte, vor was sich Granger fürchtete, aber lästigerweise fiel ihm nichts ein.

 

„Es muss kein großes Unglück in Ihren Augen sein, Mr. Malfoy“, deutete der Kaufmann seine Gedanken richtig. „Für Sie mag es so unscheinbar sein, wie eine kleine Unordnung auf einem Schreibtisch. Oder… eine Erkältung zur Prüfungszeit. Der Lumos-Zauber, der zum Nox wird. Es ist ein Zauber der Pechvögel. Und jedes ungewollte noch so eine kleine Unglück, wird die Person in den Wahnsinn treiben. Nicht sofort, aber… eventuell“, schloss der Mann wieder mit stechendem Blick, dem Draco auswich.

„Demjenigen, dem Gold einerlei ist, wird zum gierigsten Menschen der Welt. Das, was man einst verabscheute, wird das werden, was man unbedingt besitzen muss.“

 

Und jetzt hob Draco den Blick. Granger war… bescheiden. Granger hasste Reichtum, die Gesellschaft der Reinblüter. Wenn sie anders werden würde, gierig und widerlich goldbezogen – das wäre nett. Vielleicht würden seine Eltern beginnen, sie zu verabscheuen. Wer so war, wie der Rest der Gesellschaft, würde ihn nicht ändern können. Und wenn sie nebenbei draußen von Monsun und Gewitter heimgesucht werden würde – Draco wäre es nur recht.

 

„Gravieren Sie?“, fragte er direkt, während er einen Beutel mit Münzen zückte. Mr. Burkes lächelte ein widerlich böses Lächeln.

 

„Gewiss, Mr. Malfoy.“ Aber der Kaufmann hielt kurz inne. „Eine kleine Warnung zum Schluss“, ergänzte er bedächtig. „Sie wissen, Flüche können ihren Preis fordern?“, erkundigte er sich, und Draco verdrehte die Augen.

 

„Ja, ja, Mr. Burkes. Es ist nicht mein erster Kauf hier“, fuhr er den Mann an und schob gereizt einen Beutel Münzen über den Tisch. Er würde jeden Preis bezahlen, wenn das Miststück nur endlich verschwinden würde. Außerdem musste er sich schließlich an der Schlampe rächen. Sie hatte seine Briefe gestohlen!

 

Und dafür würde sie nun bezahlen.

 

 

Kapitel 38

 

Sie hatte sich in die Bibliothek von Malfoy Manor zurückgezogen. Dort saß sie nun mit den Briefen und dem seltsamen Geschenk auf dem weichen Ledersessel, der etwas vom Kamin entfernt stand. Und sie beschloss, zuerst das Geschenk auszupacken.

Es war weit nach zwölf, und sie hatte sich bei ihren Schwiegereltern verabschiedet, erklärt, sie würde ebenfalls im Herrenhaus schlafen, denn es war sicherer, wenn sie hier blieb, anstatt alleine nach drüben zu gehen. Auf dem Tisch neben sich hatte sie altmodisch noch eine Kerze in einem geschnitzten Kerzenständer gestellt, für mehr Licht zum Lesen.

 

Sie drehte das unordentlich verpackte Geschenk in der Hand. Es war in Packpapier gewickelt, wohl aus der Küche, nahm sie an. Denn woher sollte eine Elfe hier Geschenkpapier haben?

 

Vorsichtig löste sie das Klebeband. Sie stellte fest, es handelte sich nicht um eine Kugel oder etwas Ähnliches. Das Papier war lediglich fünfzehnmal um das Geschenk gewickelt. Sie bemühte sich, es nicht kaputt zu machen. Allerdings wurde sie nicht schlau aus dem Geschenk.

 

Sie nahm die Figur in die Hand, die sie ausgewickelt hatte. Sie wirkte arg mitgenommen, aber Hermine erkannte die Figur. Es war ein Bauer eines Schachspiels. Eines magischen Schachspiels. Er rührte sich zwar nicht, aber sie kannte die Figuren von Harry und Ron. Jedoch handelte es sich hierbei um ein weitaus kostbareres Spiel, musste sie annehmen. Die Figur war zwar an einigen Stellen zerkratzt und abgegriffen, aber Hermine erkannte den feinen goldenen Einlass am Sockel der kleinen Figur, die filigranen Schnitzereien am Kopf des Bauern, und sie drehte die Figur zwischen den Fingern. Keine Gravur, kein Datum, kein Name – gar nichts sonst konnte sie hier von ableiten.

 

Ihre Stirn lag in schweren Falten.

 

Wenn die kleine Elfe Malfoy diese Figur schenken wollte, musste sie irgendetwas für die Elfe bedeuten. Hermine nahm an, die Elfe hatte sie nicht einfach vom Schachspiel der Malfoys gestohlen und nun verpackt. Oder? Nein, Hermine glaubte es nicht. Aber Hermine begriff die Geschichte dahinter nicht.

 

Unzufrieden wickelte sie die Figur wieder ein. Sie wollte nicht überlegen, aus welchem Material sie war. Sie war angenehm schwer und lag kühl in der Hand. Es war kein Holz, so viel stand fest. Wie sie die Malfoys einschätzte waren diese Figuren aus Hauselfenknochen gefertigt oder Elfenbein. Sie fand beides widerlich. Aber einst war es Tradition gewesen, die Knochen der Hauselfen zu verarbeiten, damit sie auch nach dem Tode noch nützlich waren. Und die Zauberer waren damals somit um ein lästiges Begräbnis rumgekommen.

 

Hermine verklebte das Geschenk wieder. Ob Malfoy so ein Geschenk überhaupt verdiente?

Aber sie wusste, sie würde es ihm zukommen lassen. Irgendwie. Schließlich war es seins.

 

Und endlich löste sie nun das Band um die Briefe. Sie war schon so gespannt. Aber sie machte sich keine großen Hoffnungen. Sie kannte Jungen und wusste, Jungen schrieben nie viel in Briefen. Nichts von Bedeutung zumindest.

 

Wahllos entfaltete sie einen Brief mit einem Datum von vor sieben Jahren. Das erste Jahr in Hogwarts.

 

Der Brief begann mit den Worten ‚Sehr geehrter Vater‘, stellte Hermine stirnrunzelnd fest. Und so begannen tatsächlich alle folgenden Briefe. Sie entfaltete die nächsten auch, um sich zu vergewissern. Sie fand es eine schrecklich förmliche Anrede. Sie verzog verständnislos den Mund, sank aber tiefer in den gemütlichen Ledersessel und begann, zu lesen. Denn tatsächlich hatte sie sich geirrt. Diese Briefe hier waren relativ lang. Gar nicht so, wie ein Junge sonst schrieb, dachte sie unwillkürlich. Aber wahrscheinlich war Malfoy kein normaler Junge, denn die Malfoys waren keine normale Familie.

 

‚Sehr geehrter Vater,

 

schon wieder habe ich von der Auswahl geträumt. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht weil es unangenehm war. Ich möchte so eine Auswahl nicht noch mal haben und so einen Hut nie mehr aufsetzen.

Wie geht es Mutter? Ich vermisse Zuhause und ich finde es hier nicht gut. Wir essen mit so vielen Schülern in der Halle, und es ist immer laut.

Die Hufflepuffs sind dumm, wie du sagtest. Und mit den Gryffindors möchte ich auch nichts zu tun haben. Ich mag nur Blaise Zabini. Der Schulsprecher ist aus Gryffindor und ein Weesly. Sie haben alle rote Haare.

Wie geht es Snuffles? Ist er wieder gesund?

Weißt du, Vater, ich lerne die Formeln, aber im Unterricht kommen sie gar nicht dran. Professor Quirrel beschäftigt sich ohnehin nur mit Harry Potter.

Ich freue mich, wenn Weihnachten ist, dann kann ich endlich nach Hause kommen.

 

Grüße an Mutter und Snuffels,

dein Sohn,

Draco‘

 

Hermine zog die Stirn kraus. Aber sie erinnerte sich an Pansys Jungesellinnenabschied. Snuffles war Dracos Hund gewesen. Sie entfaltete den Antwortbrief. Sie war schon überrascht genug, dass jemand wie Malfoy eine Antwort aufbewahrte.

Aber die Antwort war nicht von seinem Vater, stellte Hermine fest.

 

‚Lieber Draco,

mein Schatz, leider ist Snuffles noch immer schwer krank. Wir reden darüber, wenn du hier bist. Und du musst keine Angst mehr vor der Auswahl haben. Der Hut hat dich nach Slytherin gebracht, und dort sind deine Freunde. Außerdem magst du doch Pansy, Vincent und Gregory ebenfalls. Nicht nur Blaise.

Dein Vater ist zurzeit sehr beschäftigt und kann nicht antworten.

Professor Quirrel kommt ab und an zu Besuch nach Malfoy Manor, und ich möchte dich bitten, freundlich zu sein.

Lerne deine Formeln gründlich und eines Tages wirst du der Schulsprecher sein, mein Herz.

Sagstest du nicht, es wären Quidditch-Auswahlspiele gewesen? Erzähl mir davon.

Dein Vater grüßt dich herzlich, mein Engel.

 

Viele Küsse,

Narzissa‘

 

Im nächsten Brief – wieder an Lucius adressiert – erzählte Malfoy widerwillig vom Quidditch, dass er es nicht ins Team geschafft hatte, weil er zu jung war, dass Harry letztendlich aber sehr wohl spielen durfte. Er erzählte von weiteren Albträumen, davon, dass er Quirrels Turban seltsam fand. Er fragte nach seinem Hund, beschwerte sich über Dumbledore, das Essen und klagte sein kindliches Leid, und erhielt wieder eine Antwort von Narzissa.

 

Er erhielt ausschließlich Antworten von  Narzissa, bemerkte Hermine nach einer Weile. Jede Antwort war verständnisvoll und lieb, während Malfoy immer nur an seinen Vater schrieb. Hermine überflog die Briefe, in denen nichts Wesentliches passierte.

 

Und endlich entdeckte sie eine neue Handschrift.

Von Lucius. Aus dem zweiten Jahr.

 

‚Draco,

 

Professor Snape schrieb mir heute. Du hast eine Strafarbeit bekommen und überdies wegen Harry Potter. Wieso hast du davon nichts erwähnt? Ich verbiete dir, mit Harry Potter Kontakt zu haben. Verständige dich gut mit den Slytherins und behandele Professor Snape mit Respekt. Lass dich nicht hinreißen, dich zu provozieren. Strenge dich mehr im Quidditch an, denn wofür habe ich die teuren Besen sonst gekauft? Auch deine Leistungen entsprechen nicht dem Standard, den ich sehen möchte.

In zwei Jahren findet in deinem Jahrgang die Auswahl der Vertrauensschüler statt, und ich erwarte, deinen Namen unter den Auserwählten zu sehen. Dafür musst du lernen.

Außerdem ist es dir nur so möglich, in unseren Rängen zu agieren.

Ich habe um Auskunft gebeten, und du hast dich geirrt. Hermine Granger ist nicht die einzige Muggel. Ein weiterer Muggel in Gryffindor ist Dean Thomas.

Halte dich fern, sprich nicht mit ihnen und bleib unter deines gleichen.

Ich erwarte Ohnegleichen in den nächsten Arbeiten.

 

Lucius‘

 

Hermine verzog den Mund. Wirklich? Halte dich fern? So etwas hat Lucius seinem Sohn empfohlen? Sie wusste schon, warum Narzissa geantwortet hatte. So ging es langweilig weiter. Malfoy hatte Albträume, er hatte Schwierigkeiten, sich zu fügen.

Aber Merlin sei Dank wurde er Vertrauensschüler… bla bla. Hermine kannte die Geschichte von Malfoys und Harrys Auseinandersetzungen.

 

Die Briefe verloren an Kontinuität, das einzige, was blieb, waren die Anreden. Draco hatte nicht einen einzigen Brief an seine Mutter geschrieben. Nur an seinen Vater.

Sie erwischte einen Brief aus dem sechsten Jahr. Und es war Malfoy, der antwortete. Auf einen Brief seiner Mutter.

 

‚Sehr geehrter Vater,

 

ich erledige den Auftrag nächste Woche.

Dumbledore befindet sich viel außerhalb der Schule. Oft im Ministerium, oft mit Potter unterwegs.

Ich habe nicht viel Zeit, zu antworten. Muss weiter.

 

Draco‘

 

Wow. Das klang weitaus abgekühlter, aber wenn Hermine sich recht erinnerte, war das das Jahr gewesen, als er das Mal bekommen hatte, als er den Auftrag erhalten hatte, Dumbledore zu töten. Sie hasste diese Familie mal wieder um ein weniges mehr. Und sie war froh, dass es nicht dazu gekommen war, dass Snape das Übel hatte abwenden können. Das Malfoy letztendlich mit der Imperius-Entschuldigung durchgekommen war und ihm Dumbledore nicht mal eine Kleinigkeit nachtrug, machte Hermine noch immer wütend.

 

Hermine durchblätterte die Briefe erneut. Irgendwann hatte er aufgehört, seinen Hund zu erwähnen. Sein Vater hat nicht mehr zurückgeschrieben. Irgendwann war Malfoy über Weihnachten in Hogwarts geblieben, stellte sie fest. Aber wahrscheinlich waren die ausschlaggebenden Dinge, in der Beziehung zwischen ihm und seinem Vater, nicht über Briefverkehr geschehen, entschied sie missmutig.

 

Sie gähnte herzhaft, streckte sich und lehnte den Kopf zurück, bevor sie nachdachte. Vielleicht wäre es gut, wenn sie Malfoy konfrontieren würde? Vielleicht wäre es besser, mit Lucius zu sprechen? Sie sah sich um in der fremden Umgebung des Feindes. So großartig feindlich war es hier allerdings nicht.

Aber sie wüsste nicht, ob sie so leben könnte, wie es die Malfoys taten. Sie unterdrückten ihren Kummer, ihre Wut. Und sie sahen gar nicht, wie destruktiv es wirklich war. Wie weh es wirklich tat. Das Körnchen Glück würde hier nie gedeihen, dachte sie dumpf.

 

Sie gähnte erneut, fächelte sich mit dem letzten Brief in der Hand ein wenig Luft ins Gesicht, denn es war gemütlich warm hier in dem großen Raum. Sie hatte kaum Lust, nach oben zu gehen, und für nur eine winzige Sekunde, erlaubte sie es sich, die Augen zu schließen.

Nur ganz kurz. Ihr Arm lag auf der weichen Lehne, den Brief hielt sie immer noch in der Hand.

 

Und nur für eine winzige Sekunde dämmerte sie weg.

Und alles, was sie noch denken konnte, war, dass sie auf gar keinen Fall hier schlafen wollte. Nur für einen winzigen Moment, vielleicht.

 

Ihr schlaffer Arm rutschte von der Lehne, und es war in dieser Sekunde, dass der goldene Anhänger um ihren Hals Grün aufleuchtete, und die Gravur kurz in rotem Glanz erstrahlte, als ihre Hand gegen den Kerzenleuchter stieß.

 

Er wackelte, aus dem Gleichgewicht gebracht, kreiste um den eigenen Schwerpunkt und schien sich wiederzufinden, schien wieder zum Stehen zu kommen, allerdings glühte der Anhänger ein weiteres Mal auf, und tatsächlich fand der Kerzenständer seinen Schwerpunkt nicht.

 

Er fiel unspektakulär zur Seite und die Flamme der Kerze erlosch nicht.

Hermine drehte sich im Schlaf, rollte sich zu einer Kugel auf dem Sessel zusammen, entzog ihre Hand gerade noch rechtzeitig, als der alte Brief Feuer fing.

 

Langsam fraß sich die Flamme durch das Pergament dieses Briefes und durch alle weiteren, bis der gesamte Inhalt auf dem Tisch in stillen Flammen loderte. Es war ein stilles Feuer. Das Pergament so trocken und alt, dass es keinen unangenehmen Geruch gab. Die Flammen leckten nun am Holz des Tisches, tanzten weiter, folgten dem natürlichen Drang des Feuers, Sauerstoff zu fressen und sich auszubreiten.

 

Hermine schlief tatsächlich ruhig. Die vielen Cocktails trugen zu einem gesunden Schlaf bei, und der Anhänger glühte in einem sanften Grün um ihren Hals.

 

Währenddessen begann die Bibliothek langsam aber sich in Flammen zu stehen, und fast war die Angst der umstehenden tausenden von Büchern greifbar, während die Flammen in heller Vorfreude die Fransen des Teppichs erreichten.

 

~*~

 

Draco stapelte des Quidditchequpiment fast ein wenig lustlos auf seinem Schreibtisch. Ihm waren die Worte seines Vaters nicht aus dem Kopf gegangen. Er hatte sie nicht vergessen, so wie er sonst alles vergaß, wenn er auf Durchzug schaltete.

Es war ein furchtbares Weihnachten gewesen.

 

Und dieses Mal war auch noch ein Schlammblut dabei. Er fragte sich, wo sie war. Hier oben, im Gästezimmer?

Oder drüben, im Haus seiner Schande? Er hatte überlegt, Astoria über Floh zu erreichen, aber zu groß war das Risiko, dass er jemand anderen im Haus erwischte.

Auch Pansys Worte hatten ihn nicht verlassen. Obwohl er sich um sie noch weniger scherte.

 

Er lehnte sich auf dem Schreibtischstuhl zurück und sein Blick fiel auf sein letztes Geschenk. Auf das Tagebuch, was ihm das Schlammblut geschenkt hatte. Es glänzte in lila und grün. Es wirkte nicht teuer oder wertvoll. Es wirkte nicht so, als wäre es wert, dass er darin schrieb. Dass er es auch nur mit seinen Augen betrachtete.

 

Es machte ihn wütend, dass sie es ihm geschenkt hatte. Was erlaubte sie sich? Glaubte sie, er war auf ihre billigen Geschenke angewiesen?

 

Zornig hatte er sich erhoben, das Buch in der Hand, während er zum Kamin schritt. Das Feuer war nahezu heruntergebrannt, aber es würde reichen. Er warf das glänzende Buch in die Flammen. Er kaute auf seiner Unterlippe, während er auf dem Rost lag, und die schwachen Flammen gierig emporschossen.

 

Es war ein plötzlicher Impuls, und er wusste nicht, woher er kam, aber hastig griff er sich den Schürhaken und beförderte das Buch mit einer herrischen Geste zurück auf den Teppich vor dem Kamin. Es landete auf der Vorderseite und er erkannte, die Rückseite war leicht angesengt. Eine schwarze Stelle war verrußt. Ansonsten war es ok.

 

Er hob es auf, pustete den Ruß vom Rücken und drehte es um. Im Feuerschein schimmerten die feinen Farben noch deutlicher, und er konnte nicht umhin, zuzugeben, dass es nicht das hässlichste Buch der Welt war. Er verdrehte die Augen und warf es wieder auf seinen Schreibtisch.

 

Er hatte Hunger, entschied er plötzlich. Er hasste jedes Essen mit seiner Familie. Und er aß kaum etwas, wenn sie zusammen am Tisch saßen. Der Hunger kam erst, wenn er sich wieder entspannen konnte. Er nahm an, Narzissa und Lucius lagen bereits im Bett.

Die Elfen könnten ihm also Ente warm machen.

 

Er schlich aus dem Zimmer, den Lumos nur schwach vor sich gerichtet, aber er konnte unter der Tür des Gästezimmers keinen Lichtschein erkennen. Entweder schlief sie oder sie hatte ihn gehört, und tat so, als wäre sie nicht wach. Ihm war es heute Nacht scheiß egal.

 

Das Haus lag im fahlen Licht der Leuchter im Flur völlig ausgestorben vor ihm. Die Elfen putzten nicht, kein Geräusch drang nach oben. Seine Sporthose machte beim Gehen kein Geräusch, und er war froh, dass er sich legere Sportklamotten angezogen hatte, und nicht so einen lächerlichen Anzug, wie sein Vater heute.

Es muss seine Mutter wahnsinnig gemacht haben, dass er sich nicht einen Deut um ihre scheiß Traditionen scherte.

 

Triumphierend erreichte er die Küche. Er rief nach den Elfen, und ein müdes Geschöpf nach dem anderen erschien mit einem Plopp. Er orderte an, dass sie ihm Essen aufwärmen sollten, und schweigend, ohne zu widersprechen, folgten sie.

Er mochte es, Untergebene zu delegieren. Es war leichter, als mit seinen elenden Freunden zurecht zu kommen.

 

Es war zu dem Zeitpunkt, als ihm eine schmächtige Elfe, zitternd vor Angst einen Teller mit dampfender Entenkeule vor die Nase stellte, als der alte Elf die Küche betrat, der sonst vorne die Türen öffnete.

 

„Master“, sagte er ein wenig außer Atem, verneigte sich tief, und Draco rümpfte die Nase. Der Elf roch… - nach etwas, was Draco kannte.

 

„Ich esse“, ermahnte ihn Draco, während die kleinen Elfen vor ihm aneinenander lehnten und immer wieder einschliefen. Aber der Elf kam drängend näher.

 

„Master, schnell“, sagte er, und Draco erkannte den Geruch augenblicklich, und ließ die Gabel sinken. „Feuer“, wisperte der Elf, und Draco bemerkte die feinen Rauchschwaden, die vom winzigen Jackett des Elfs empor stiegen.

 

Er war so schnell auf den Beinen, dass er mit dem Fuß gegen das Tischbein stieß, und die kleinen Elfen mit einem Schrecken wieder erwachten.

 

„Wo?“, knurrte Draco, den Zauberstab bereits gezogen.

 

„In… in der Bibliothek“, entgegnete der Elf, und Draco rannte nun durch das Esszimmer, den Saal, das Wohnzimmer, durch den Gang der Torbögen, bis er hinten links bereits riechen konnte, was ihn erwarten würde.

 

In den Türen hielt er inne.

 

Fuck!

 

Die halbe Bibliothek brannte bereits.

 

Er schoss den Aguamenti-Zauber auf die nächsten Bücher, die bereits kokelten, den Teppich vor sich, hielt sich den Ärmel vor den Mund und hustete, als er tiefer in die Bibliothek vordrang.

Mit dem Wasser schaffte er es gut, zu löschen, die Flammen einzudämmen, und es sah nur so aus, als stünde die halbe Bibliothek in Flammen. Das Feuer hatte sich eine Schneise gebahnt. Ein Regal jedoch brannte bereits lichterloh, und diese Bücher waren nicht mehr zu retten. Er löschte weiter, bis seine Arme bereits schwarz vor Ruß waren, und er erkannte sie erst dann.

 

Er hatte den Kopf nach rechts gewandt, und sie saß, halb von Flammen eingekreist auf dem Sessel. Was zur…?

 

Er stolperte näher, hielt seinen Arm schützend vor sein Gesicht, um die Flammen abzuschirmen, und hustete, als er schrie.

 

„Granger!“, entfuhr ihm seine Stimme rau. Aber sie schlief! Sie schlief einfach! Er löschte die direkten Flammen in seinem Weg, lief in Socken über den verkohlten Teppich und bemerkte den sanften grünen Schimmer der Kette, die immer noch um ihren Hals lag.

Der Fluch.

 

Er begriff nicht, aber er wusste, sie wäre wohl nicht aufgewacht.

 

Er hatte keine Zeit nachzudenken, rüttelte sie an der Schulter, und nur träge blinzelte sie ihm entgegen.

 

Der grüne Schimmer der Kette erlosch. Sie lag wieder in glänzendem Gold um ihren Hals.

Panik erfasste sie, als sie die Situation zuordnen konnte.

 

„Oh Gott!“ Sie musste direkt husten, griff blind nach ihrem Zauberstab in ihrem Hosenbund und sie half ihm, das Feuer zu löschen. Er registrierte, dass sie einen Zauber anwandte, der ohne Wasser und auch noch großflächiger funktionierte, und schnell hatten sie die Flammen gelöscht.

 

Keuchend standen sie nebeneinander. Auf ihren Wangen lag eine feine Schicht Ruß.

 

„Raus hier“, keuchte er nur, und sie beeilten sich, die Bibliothek zu verlassen. Draußen auf dem Flur sanken sie gegen die Wand und rutschten an ihr nach unten, während sich die kleinen Elfen ängstlich vor ihnen versammelt hatten.

 

„Macht sauber, bevor… bevor Lucius und Narzissa etwas merken“, befahl Draco rau, hustete wieder und lehnte den Kopf zurück. Und es war untypisch, aber er spürte einen nagenden Stich in seiner Brust. Er wandte den Kopf in ihre Richtung.

 

„Bist du ok?“, fragte er widerwillig, denn er wusste, es war seine Schuld. Er wusste nicht, wie es passiert war – und er wollte es nicht wissen – aber er wusste, es war sein Werk gewesen.

 

Sie nickte lediglich, aber er sah, der Stoff ihres Pullovers war verbrannt, und sie hatte eine hässliche Brandwunde an ihrem Ellenbogen. Die Haut war verätzt, und sie schien die Tränen zu bekämpfen.

 

„Komm mit“, sagte er nur, erhob sich mühsam, und sie blickte zu ihm auf, ehe ihr Blick panisch wurde.

 

„Oh Gott! Die Bücher!“, entfuhr es ihr.

 

„Es ist nicht viel passiert“, log er gereizt.

 

„Nicht viel passiert? Ich bin eingeschlafen und habe einen Brand verursacht!“, flüsterte sie unter Tränen.

 

„Du bist verletzt, komm einfach mit!“

 

„Ich muss Lucius-“

 

„-nein!“, unterbrach er sie zornig. „Die Elfen werden es säubern.“

 

„Der Teppich!“, entfuhr es ihr, mit einem Blick durch die Türen. „Und die Bücher. Oh nein! Die schönen Bücher!“, wiederholte sie.

 

„Es war ein Unfall, Granger“, sagte er bitter.

 

„Deine Briefe!“, sagte sie jetzt, hörte ihm gar nicht zu und war drauf und dran wieder reinzugehen. Er hielt sie instinktiv am Arm zurück, und vor Schmerz zuckte sie zusammen. Sie hob den Blick, und hastig hatte er ihren Arm wieder losgelassen.

 

„Scheiß auf die blöden Briefe“, entgegnete er gereizt. Sein Blick fiel wieder auf die Kette. Wieso trug sie sie auch die ganze Zeit? Er hätte nicht gedacht, dass sie einem Geschenk von ihm überhaupt irgendeine Aufmerksamkeit schenken würde. Und er wusste nicht, warum er es nicht sagte, aber er tat es nicht. Er sollte ihr sagen, dass sie die Kette ablegen musste. Dass dieser Unfall in der Bibliothek wahrscheinlich nur passiert war, weil sie die scheiß Kette umgehabt hatte, aber er sagte gar nichts.

„Komm“, wiederholte er und ging voran. Sie folgte ihm letztendlich.

 

„Ich kann mich selber heilen“, flüsterte sie hinter ihm, am Boden zerstört, weil sie wohl dachte, es wäre ihre Schuld. War es ja technisch gesehen auch. Er war ja nicht anwesend gewesen, aber er hatte gerade keine Lust, es ihr vorzuhalten und sich lustig zu machen.

 

„Das weiß ich. Ich werde es auch nicht tun“, erklärte er knapp. Er hatte sie wieder in die Küche gebracht. Er schnippte nach den Elfen. Eine ältere Elfe tauchte auf, den Blick demütig gesenkt.

 

„Master Draco“, sagte sie feierlich, als wäre es eine Ehre seine Befehle entgegenzunehmen.

 

„Heil sie“, erwiderte er lediglich mit einem Blick auf Granger. Aber diese wirkte plötzlich mächtig nervös.

 

„Nein, schon gut, ich-“

 

„-halt den Mund, setz dich hin und lass dich einfach heilen, ist das so schwer? Das kannst du ja wohl tun, nachdem du die Bibliothek meiner Eltern in Brand gesteckt hast!“, fuhr er sie an, und schuldbewusst senkte sich ihr Blick tatsächlich, und fasziniert beobachtete er, wie sie ihm tatsächlich Folge leistete, sich ihm gegenüber auf den Küchenstuhl setzte, und die Elfe stoisch begann, mit Elfenmagie Grangers Wunde zu säubern.

 

„Es tut mir leid“, murmelte sie nach einer Weile.

 

„Brauchst du mir nicht sagen“, erwiderte er lediglich, während er die kalte Ente aß. „Nicht mein Haus. Von mir aus kannst du das ganze Ding niederbrennen“, ergänzte er achselzuckend. Aber er hob ab und an den Blick, um sie anzusehen. Sie hatte wohl noch nicht gemerkt, dass sie schwarz vor Ruß war. Schockiert hatten sich ihre Augen geweitet, bei der Aussicht, das ganze Haus niederzubrennen.

 

„Ich muss es ihnen sagen“, wisperte sie kopfschüttelnd.

 

„Bestimmt nicht heute Nacht“, knurrte er mit vollem Mund.

 

Zischend sog sie die Luft ein.

 

„Fertig“, sagte die Elfe unfreundlich, wandte sich an ihn und lächelte sogar. „Master Draco, kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte sie höflich, und Draco stellte wieder fest, wie viel besser Untergebene als Freunde waren.

 

Er ruckte lediglich unwirsch mit dem Kopf.

 

„Danke Tilly“, sagte Granger tatsächlich. Draco hob den Blick. Granger kannte die Elfen? Die Elfe ignorierte sie jedoch. „Tilly, ich muss dir etwas sagen“, fuhr Granger schrecklich schuldbewusst fort. „Dein Geschenk ist verbrannt“, schloss sie untröstlich. Draco hatte kein Interesse mehr am Essen und verfolgte das Gespräch zwischen Schlammblut und Sklave mit großen Augen. Der Blick der Elfe – die scheinbar Tilly hieß – hatte sich schmerzerfüllt zu Granger Gesicht gehoben.

 

„Wa-was?“, stotterte das Wesen, und Granger presste die Lippen aufeinander.

 

„Bitte, verzeih, ich… - ich habe es unter dem Baum gefunden und in die Bibliothek genommen. Ich wollte es ihm noch geben, aber…-“

 

„-Misses, halt den Mund!“, fuhr Tilly sie tatsächlich an, weinte zornige Tränen und löste sich augenblicklich in Luft auf.

 

„Tilly!“, rief Granger verzweifelt, und fuhr sich verzweifelt durch die wilden Haare.

 

„Muss ich das verstehen?“, erkundigte er sich halb interessiert, halb gleichmütig, und sie hob den Blick wieder. Sie bemerkte ihre schwarzen Finger.

 

„Oh“, entfuhr es ihr.

 

„Ja, wir sollten duschen“, bestätigte er – ohne über die Worte nachgedacht zu haben. Sie blinzelte einmal. Und scheinbar hatte er sie so lange angesehen, dass sie rot wurde. Er sah es nicht in ihren Wangen direkt, denn die waren schwarz, aber er sah es an ihrem Hals, der gerötet war. „Getrennt“, ergänzte er blöderweise, und schloss über seine Unfähigkeit die Augen. Sicher getrennt! Was dachte sich sein Verstand? Was dachte sie?! Dass er meinte, sie sollten zusammen duschen?

 

Und sie sagte etwas, dass sie bereits einmal zu ihm gesagt hatte.

 

„Danke, dass du mich schon wieder geweckt hast.“ Ihre Stimme klang nicht selbstbewusst. Ihre Augen sahen ihn nicht an, sondern starrten auf ihre schwarzen Hände.

 

Ja, er hatte sie damals in der Badewanne geweckt, als sie eingeschlafen war. „Dieses Mal, hast du mich tatsächlich gerettet“, ergänzte sie ehrlich überrascht, während sie abwesend mit dem goldenen Anhänger der Kette spielte. Sein Blick fiel auf den verdammten Anhänger.

 

„Granger“, begann er zögerlich, und sie hob den Blick. Er konnte nicht. Er wollte nicht. Es war ihre eigene Schuld, dass sie ihn trug. „Was denkst du?“, fuhr er sie jetzt an. „Dass ich dich verbrennen lasse? Ein Mörder bin ich nicht“, knurrte er. Nein, nur fast. Er erhob sich, als sie sich erhob. Aber sie schien gerade in einer sentimentalen Stimmung zu sein.

 

„Tut… tut mir leid wegen der Briefe“, flüsterte sie jetzt. Er verdrehte die Augen.

 

„Vergiss die scheiß Briefe, Granger. Hätten sie mir etwas bedeutet, hätte ich deine Hand gebrochen, weil du sie gestohlen hast. War die Lektüre aufschlussreich?“, wollte er bitter wissen, und tatsächlich schüttelte sie den Kopf. Ertappt hob sich ihr Blick. Jetzt erkannte er sogar die Röte in ihren Wangen. „Zu schade“, schloss er mit einem kühlen Lächeln. Ja, er wusste, warum er ihr die Kette geschenkt hatte. Sie hatte Geheimnisse – die hatte er auch!

 

Beide gingen sie tatsächlich gleichzeitig aus der Küche. Abwesend hielt sie ihren Arm.

 

„Wie willst du damit duschen?“, fragte er, wieder einmal ohne nachzudenken.

 

„Bitte, mach dir um irgendetwas anderes Sorgen als das, ok?“, erwiderte sie zum ersten Mal gereizt.

 

„Hey, mir ist es scheiß egal“, murrte er neben ihr, und tatsächlich gingen sie denselben Weg nach oben. Sie machte einen jämmerlichen Eindruck neben ihm, verkokelt und verrußt. Kurz hatte er das Bedürfnis, sich zu entschuldigen. Nur kurz – und er widerstand.

 

Und wie ein Idiot hielt er neben ihr inne, als sie das Gästezimmer erreicht hatten. Verwirrt hob sich ihr Blick.

 

„Was?“, wollte sie tatsächlich müde wissen. „Was wird das? Willst du mich noch etwas fertig machen? Mich noch mal aufs Bett werfen und mir drohen?“ Ihre Stimme klang müde, und unwillkürlich fragte er sich, ob das tatsächlich alles heute passiert war.

Und ehe er zu lange stehen blieb, ehe er zu lange dumme Gedanken dachte, bewegte er sich. Er ging ohne ein Wort zu seinem Zimmer.

 

Und erst als er die Tür ins Schloss fallen ließ, lehnte er sich dagegen und erlaubte sich, wieder zu atmen, wieder zu denken.

 

Ja, er hatte sie heute berührt, hatte ihr gedroht, sie zu nehmen.

Und er –

 

Sein Blick hob sich und war an dem Tagebuch hängen geblieben, dass sie ihm geschenkt hatte. Würde sie ertrinken, wenn sie duschen würde? Oder vielleicht im Schlaf ersticken, wenn sie die Kette trug? Würde sie sie zur Nacht umbehalten?

 

Kurz empfand er tiefen Hass auf Mr. Burkes, der ihm erst heute mit einem fiesen Lächeln versichert hatte, jeder Fluch hätte seinen verdammten Preis. Und seufzend öffnete er seine Tür erneut, lief über den Flur, und hasste sich selber, so wie er es seit einer Weile jeden Tag tat. Die Tür war nicht verschlossen. Granger war nicht im Schlafzimmer, sondern im angrenzenden Bad.

 

Er hörte bereits das Geräusch von Wasser. Oh wie gerne würde er duschen. Er schüttelte den Kopf, und er war fast überrascht von sich, wie wenig er nachdachte, zurzeit. Denn er hatte das Badezimmer einfach so betreten. Und sie schien es bemerkt zu haben, denn ihre Silhouette hatte hinter der milchigen Duschtür innegehalten und stellte das Wasser eilig ab.

 

„Malfoy?“, entkam er ihrer Kehle ungläubig, und er hatte kaum einen guten Grund auf Lager, weshalb er hier stand. Sie ertrank scheinbar nicht. „Was zum Teufel tust du hier?“ Sie klang zornig und müde und sein Herz schlug schnell. „Verpiss dich! Hast du verstanden?“

Jetzt klang sie panisch. „Ich habe einen verdammten Zauberstab!“, fuhr sie ihn aus der Dusche heraus an. Und dumm wie er war, antwortete er auch noch.

 

„Dein Zauberstab liegt hier draußen“, erwiderte er schlicht. Er schloss die Augen. Merlin, was tat er denn?! Es war alles anstrengend gewesen. Der Abend! Die Nacht! Das Feuerlöschen! Ihm fiel etwas ein.

 

„Was war das für ein Zauber?“, fragte er unwillkürlich. Er sah sie wieder innehalten.

 

„Was?“, fuhr sie ihn hysterisch an.

 

„In der Bibliothek“, sagte er. Seine Stimme klang im Badezimmer dumpf.

 

„Ist das dein Ernst?“, hörte er ihre ungläubige Stimme.

 

„Ja“, sagte er trotzig.

 

„Du bist in meinem Badezimmer!“, zischte sie böse. Er musste lächeln.

 

„Nein, du bist in meinem Badezimmer, Granger.“ Er war bestimmt irgendwann in der letzten halben Stunde wahnsinnig geworden. Er sah, wie sie die Tür ein Stück öffnete, um den Kopf hinauszuschieben.

 

„Der Suffocento-Zauber“, sagte sie böse. Ihre Wangen waren noch immer schwarz. Er konnte nicht erkennen, ob sie die Kette noch trug. Ihre Haare waren hochgesteckt, aber er konnte es nicht sehen. Und er konnte sie nicht fragen. Stattdessen kam er näher.

Hastig wich sie zurück, hatte die Tür wieder zugeschlagen und er stand nur direkt vor der Scheibe. Er erkannte ihren Körper.

 

Er erkannte ihre Rundungen. Er biss sich auf die Lippe.

 

Ja. Das waren genau die Situationen, die er nicht gebrauchen konnte. Sein Herzschlag ging schneller. Was blieb ihm übrig? Diese Frage stellte ihm sein verrücktes Unterbewusstsein. Sein Verstand schlug ihm vor, endlich abzuhauen. Aber sein Verstand gewann diese Spiele nie.

 

Und er hörte, wie sie panisch seinen Namen sagte, aber er öffnete kurzerhand die Tür. Er wollte sich nur vergewissern. Sie war nicht die erste Frau, die er nackt gesehen hatte. Er wollte nur schnell sichergehen, dass sie nicht ertrank oder sonst irgendwie zu Tode kam, und es möglicherweise auf ihn zurückfallen würde, weil Mr. Burkes bestimmt irgendwann versuchen würde, ihn zu erpressen, wenn herauskam, dass Granger sich im Schlaf mit ihrer Kette erwürgt hatte –

 

Ja, er hatte die Tür aufgezogen, und sie versuchte, schockiert und beschämt und unglaublich wütend, ihre Scham zu verdecken, aber recht erfolglos.

 

Und er hatte irgendwie vergessen, dass er nach der Kette sehen wollte. Er hielt die Duschtür in der linken Hand, und sie schien wohl nicht damit gerechnet zu haben, dass er die Tür wirklich öffnen würde.

 

„M-Malfoy“, stotterte sie heiser und schüttelte den Kopf. Ok, sie sah gut aus. Ihr Körper war… gut. Fuck. Seine Erinnerung hatte ihn nicht getäuscht. Und er war ein dummer Idiot! Wirklich? Er dachte, er könnte hier rein spazieren, sie nackt beim Duschen beobachten und wieder verschwinden? Ihre Augen wirkten hell in ihrem rußigen Gesicht.

 

„Du hast eine Stelle übersehen“, spuckte sein Sprachzentrum sinnlos aus, während er die Dusche tatsächlich betrat, und seine Hand zu ihrer Wange hob. Ihre Augen waren so sehr geweitet, dass er das Weiße erkennen konnte. Steif vor Schreck stand sie vor ihm, während er fast sanft den Ruß von ihrer Wange strich. Sie wich ängstlich weiter zurück, aber sie hatte die geflieste Wand bereits im Rücken.

 

Ja, er hasste sich. Er war ein dummer Idiot. Astoria! Denk an Astoria, Draco! Was zur Hölle veranstaltest du?! Ja, seine innere Stimme schrie ihn an, bestrafte ihn schon jetzt, aber – nein. Jetzt gerade… hörte er nicht zu.

 

Jetzt gerade… war es egal. Etwas zog in seiner Magengegend. Etwas Bitteres, als er ihre verbrannte Haut sah. Es war unwirklich. Sie war anders. Sie wirkte kurz abgelenkt. Sie… wirkte durch das Feuer ein wenig aus ihrer Deckung gelockt. Sie war nicht so kalt wie sonst. Nicht so… wie sonst.

 

Dass er schon wusste, wie sie sonst war! Es war lächerlich! Er sollte nicht wissen, wie ein Schlammblut sich verhielt! Er hätte sie verbrennen lassen können! Er schluckte schwer.

 

Und dann zog er sein schmutzig schwarzes Shirt über seinen Kopf und warf es über die Tür, die bereits geschlossen war. Ihr Mund öffnete sich ungläubig, als sie ihm zusah. Ihr Kopf bewegte sich, sie schüttelte ihn, starr vor Angst.

Aber er schloss den Abstand.

Egal, es war ihm so egal. Alles, was er wusste, was richtig und falsch war – war gerade egal!

 

 

Kapitel 39

 

Er hatte einfach die Tür aufgemacht! Einfach so! Er hatte die Tür aufgemacht. Das war es, was sie immer noch dachte. Dieser Gedanke wurde abgelöst von: Oh mein Gott, er hat sein Shirt ausgezogen!

Sie verstand nicht, was er wollte. Sie wollte nur duschen, wollte sich hinlegen und ihn nicht mehr sehen. Schlimm genug, dass er sie jetzt nackt sah! Schlimm genug, dass er wusste, wie sie nackt aussah! Es war schlimm genug, dass er sie heute aus dem Feuer gerettet hatte! Sie war schuld, dass die Bibliothek gebrannt hatte! Das schlechte Gewissen und sämtliche anderen Schuldgefühle überrollten sie praktisch.

 

Und sie konnte das hier gerade nicht verarbeiten! Sie war nackt, Merlin noch mal! Und er… kam näher! Immer näher. Und er hatte ihre Wange berührt, und sie wusste nicht, warum ihr Herz so schnell schlug. Sie wusste nur, sie hasste ihn. Sie hasste, dass stärker war, dass er sich nicht mal schämte, dass er –

 

Seine Hände waren selber noch verrußt, als er nach ihrem Gesicht griff – einfach so. Und in ihrem Kopf sagte ihr Gehirn immer wieder, dass er sie gerettet hatte, heute. Dass er… vielleicht nicht nur böse war. Und sie wusste, es waren so dumme Gedanken.

Sie hasste seinen Sixpack. Sie hasste seinen Körper, seine Muskeln, seine Größe.

Sie hasste, dass ihr Herz einen Satz machte, als seine rußigen Finger sie berührten, als er seine Finger umstandslos durch ihre halbnassen Haare gleiten ließ, die aus der Frisur hingen, und um ihren Nacken schlang.

 

Und sie schämte sich. Sie schämte sich, weil sie nackt war, und sie schämte sich, weil sie ihn nicht von sich stieß. Sie sabotierte sich selbst, oder nicht…?

 

Er küsste sie, ohne zu zögern. Sie spürte seinen heißen Atem, roch noch das Feuer an ihm, und ihre Augen schlossen sich hilflos und widerwillig. Noch immer versuchte sie, mit ihren Händen ihre Blöße zu verdecken, aber er wurde ungeduldig, presste sie mit seinem Gewicht gegen die Wand und griff dann nach ihren Handgelenken. Es war wie die letzte Auflehnung vor der unweigerlichen Kapitulation, dachte sie verzweifelt, während sie ihm nicht gestattete, ihre Handgelenke zu bewegen.

 

Sanft löste er sich von ihren starren Lippen. Eine Schicht Ruß lag auf seinem Gesicht, und seine Augen wirkten so noch um einiges heller, als sie blinzelnd in sein Gesicht aufblickte.

 

Und plötzlich dachte sie in ihrer grenzenlosen Panik an Narzissas Worte, nach der Hochzeit. Warum hast du es getan, hatte Narzissa sie gefragt. Und Hermine hatte gesagt, sie hätte nicht anders gekonnt. Und sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so sein würde. Dass sie jemanden wirklich aus tiefster Seele hassen, und sich gleichzeitig nicht gegen diese Art von Nähe wehren konnte.

Der Gedanke, jemanden zum Ehemann zu haben, aus Schein, aus Hintergedanken heraus, etwas Gutes zu bewirken, war in ihrem Kopf möglich. Aber jemandem zum Ehemann zu haben, mit dem man Sex hatte, dem man körperlich auf irgendeiner Ebene nicht einmal widerstehen konnte, obwohl man ihn hasste, das ging nicht konform in ihrem Kopf!

 

Sie spürte die Tränen der Wut. Denn er nannte sie Schlammblut. Er hasste sie und sie hasste ihn. Wieso also… passierte es dann? War es sein Bewusstsein für Traditionen? Tat er es, weil er wusste, er konnte es tun? Er hätte es zu tun?? Waren das seine Beweggründe? Weil man Frauen nach seinem Weltbild anfassen durfte wie man wollte? Aber… es fühlte sich verdammt noch mal nicht so an! Sie spürte kein Pflichtgefühl, wenn er sie berührte. Es fühlte sich immer so an, als müsse er es tun, weil er ebenfalls nicht anders konnte.

 

Und sie löste die Hände aus ihrer schützenden Geste. Sie ignorierte, dass sie nackt vor ihm stand und schlug ihm zornig die Fäuste gegen die harte Brust.

Leise schniefte sie, denn sie weinte immer noch. Das Geräusch hallte laut im Badezimmer wider. Er durfte es einfach nicht! Wenn sie nicht stärker war, wieso war er es dann nicht?

 

Und dann schob er sich die verkohlte Trainingshose die Hüften hinab, ebenso wie seine Shorts. Er stieg aus den Beinen, und warf die Sachen ebenfalls über die Duschtür auf die Fliesen. Sein Blick ruhte weiterhin auf ihrem Gesicht, als er sich vorlehnte und den Hebel zur Seite drehte. Warmes Wasser prasselte auf sie beide nieder. Sie hatte bereits angefangen zu zittern. Sie war sich nur nicht sicher, ob es vor Kälte war.

Mit den Fingern kämmte er sich die blonden Strähnen aus dem Gesicht nach hinten über seinen Kopf zurück. Wasser perlte über sein weiches Gesicht, wischte die Rußspuren fort, und dann ergriff er ihre Hände erneut.

 

Sie konnte überhaupt nicht sagen, in welchem krassen Gegensatz seine sanften Berührungen zu seinen harten Worten standen. Es war unfassbar. Es war verwirrend und unerträglich. Er legte ihre Hände auf seinem harten Brustkorb ab. Und tatsächlich ruhten sie auf seiner Haut, auch als er seine Hände zurückgezogen hatte. Sie wusste nicht, ob er sich so sehr hasste, wie sie sich hasste, dafür, dass er seine Worte Lügen strafte, so wie sie.

 

Denn wenn sie sich beide hassten, dann hatten sie das hier nicht zu tun!

Sie wusste nicht, wie er sein Verhalten rechtfertigen wollte, aber sie hatte keinen guten Grund. Sie würde sich morgen nicht in die Augen sehen können, wenn sie das hier fortführten! Es war so falsch, so hinderlich. Es war das letzte, was sie tun sollte.

 

Aber dennoch lagen ihre Hände ruhig auf seiner bloßen Brust. Sie wusste, sein Blick wanderte bereits über ihren Körper. Sie sah seine verdammte Erektion ebenfalls aus den Augenwinkeln empor stechen. Und ihr Herz machte Saltos bei dieser unfassbaren Nähe. Und sie begab sich auf dünnes Eis, wenn sie diese momentane Kurzschluss-Fehlentscheidung lediglich auf die Tatsache stützte, dass er sie heute gerettet hatte. – Aus was für Gründen auch immer!

 

Sie spürte selbst unter dem warmen Wasser die plötzliche Hitze in ihren Wangen.

 

Aber… sein Blick aus den grauen Augen war toxisch. Und ihre Mitte explodierte förmlich, als er den Abstand ein weiteres Mal schloss. Dieses Mal griffen seine Hände fest in ihre Taille, er presste seine Erektion gegen ihre Hüfte, und sie bereute schon, dass er sie überhaupt aus den Flammen gerettet hatte, wenn sie den Rest ihres Lebens damit verschwendete, auf seinen elenden Körper zu fliegen.

 

Wäre sie doch lieber verbrannt, dachte sie, als sie seinen Lippen zum Kuss auch noch entgegenkam. Aber so oder so – verbrennen tat sie jetzt auch….

 

Und als sich ihre Lippen zum Kuss fanden, glühte der nasse Anhänger um ihren Hals giftig grün, ohne dass es einer von ihnen bemerkte, und Hermines Arme schlagen sich unbewusst um seinen Hals, denn auf einmal musste sie ihn spüren, wollte ihn küssen.

Und jetzt gerade war ihr morgen egal.

 

~*~

 

Und kaum hätte er mit ihrer stürmischen Erwiderung gerechnet.

 

Aber sie erwiderte seinen Kuss mit so viel Leidenschaft, dass sämtliche Sorgen und Vorkehrungen überflüssig wurden. Wenn auch nur für diesen Augenblick. Wasser regnete auf sie nieder, heiße Tropfen, während er sich gegen sie presste, während er ihre Lippen küsste, ihre Mundwinkel, ihr Kinn, ihren Hals.

 

Und er fand es unglaublich praktisch, dass sie hier war, ging ihm dumpf auf.

Wie perfekt es eigentlich doch war, oder nicht?

 

Seine Erektion pochte beständig, und er wollte sich einfach nur noch zwischen ihren Beinen in ihrer engen Hitze vergraben.

 

Wie gut, dass sie hier wohnte.

 

Dass er sie haben konnte, wann immer er es wollte!

 

Und – was?

 

Wann immer er wollte? Er löste sich langsam von ihrer Haut, verschleiert hob sich ihr Blick, und ihm fiel endlich wieder ein, warum er sie nicht wollte! Warum er überhaupt nicht durfte!

Er musste an Astoria denken! Es ging nicht, dass –

 

„Draco?“, murmelte sie unter ihm, und sein Blick fiel. Sie nannte ihn nie bei seinem Vornamen. Nie! Sie –

 

Der verdammte Anhänger.

 

Sie trug die Kette, stellte sein nutzloser Verstand gerade fest. Und sie leuchtete praktisch Grün! Er schluckte schwer. Und eine seltsame Sehnsucht lag in ihrem Blick, und beinahe zu mutig für sie beide griff ihre Hand zwischen ihre beiden Körper, um sich um seine Erektion zu schließen.

Fast hätte er geflucht, so sehr überraschte es ihn.

 

Und echte Neugierde, echtes Interesse lag in ihrem Blick, gemischt mit Erwartung und Ungeduld.

 

„Salazar“, keuchte er, als sie probehalber die Finger enger um seinen steifen Schwanz schloss. „Granger, du-“ Aber sie ging auf die Knie. Er konnte nur aufkeuchen, denn zu mehr war er beim besten Willen nicht fähig! Was tat sie? Was wollte sie jetzt veranstalten?!

Sie könnte niemals – sie würde niemals…!

 

„Oh fuck….“, entfuhr es ihm lasziv, und er musste die Hand gegen die Fliesen abstützten, als seine Auge in ihre Höhlen zurückrollten, während sie – als wäre es verflucht selbstverständlich – seinen Schwanz in den Mund nahm!

 

Das war neu! Das hatte sie noch nie getan!!

 

Er nahm an, sie würde das hier morgen so sehr bereuen, dass er ihren Zorn mehr als nur oberflächlich zu spüren bekommen würde, aber – oh Merlin – was für ein göttliches Gefühl!

 

Diese Kette war – das beste Geschenk, was er ihr hätte machen können!

Es war der dümmste Gedanke. Es war der beste Gedanke, den er zurzeit hatte.

 

Er biss sich auf die Unterlippe, als sie versuchte, seinen Schwanz tiefer aufzunehmen, und er könnte praktisch schon hier und jetzt kommen, während ihre kleine Zunge über seine Spitze leckte. Ihre Lippen fühlten sich so weich an, und er wusste nicht, ob es so etwas wie eine Begabung für Oralsex gab – aber… er wäre bereit, zu behaupten, Granger würde sich noch ein verfluchtes Ohnegleichen verdienen, wenn ihre Zunge weiter feine Kreise ziehen würde. Für einen wilden Moment wünschte er sich sogar, Potter und Weasley wären jetzt hier im Badezimmer und könnten mit ihren Augen sehen, zu was ihre Prinzessin sonst noch fähig war – neben einen Reinblüter heiraten!

 

Er beobachtete sie, denn mehr konnte er nicht tun. Und jeder Mann würde ihm beipflichten, egal, wie sehr er die Frau hasste, die ihm einen Blowjob verpasste. Jeder Mann würde so eine süße Qual über sich ergehen lassen. Und das Mädchen, an das er eigentlich hatte denken wollen, war weit aus seiner Wahrnehmung gerückt.

 

Ihre Hand lag fest um seinen Schaft, und ihr Mund war so unglaublich heiß! Sie war unerfahren, denn sie testete lediglich. Sie saugte, ihre Wangen höhlten sich nach innen, und der Unterdruck brachte ihn fast um jede Kontenance. Er würde ihr gerne sagen, sie müsse gar nicht so tief saugen, sie müsste nicht unablässig an ihm auf und ab pumpen, aber Merlin, er wusste seinen Namen nicht mal mehr.

 

Und leider – leider hob sich ihr Blick. Dieser Blick aus ihren verdammten dunklen Augen!

 

Er hatte damit nicht gerechnet, und es war, als würde sie ihn bei etwas Verbotenem erwischen. Und ihr Blick war so… unschuldig und sexy zugleich, dass er zumindest glaubte, so etwas Ähnliches wie eine Entschuldigung zu murmeln, während sein Kopf zurückfiel, und er nach vorne bockte.

 

Er hörte sie würgen, als er zu tief stieß, aber tapfer blieb sie, wo sie war. Hermine Granger beendete eine Aufgabe, wie es schien. Und er hörte sie schlucken und spürte sie schlucken, während er wirklich versuchte, sich nicht in ihren Mund zu rammen.

 

Merlin! Er war ein Schlappschwanz, der es keine Minute in ihrem Mund ausgehalten hatte.

 

Und dann war es vorbei. Wann sie wieder auf die Beine gekommen war, war an ihm vorbei gegangen. Er blinzelte träge, wischte sich erneut die nassen Strähnen aus der Stirn, während er ihr dabei zusah, wie sie mehrfach Wasser aus ihrer hohlen Hand gurgelte und ausspuckte.

 

„Tut mir leid“, sagte er tatsächlich, überrascht von sich selbst. Sie hob den Blick, als hätte sie vergessen, dass er hier war.

 

„Was?“, fragte sie, ein wenig verwirrt, ein wenig neben sich.

 

„Dass ich… nicht länger ausgehalten habe“, rang er sich die peinlichen Worte ab. Ihre Augen weiteten sich überrascht.

 

„Ich…- es war-“, begann sie beschämt, während sie wieder die Arme vor ihrer nackten Brust verschränkte.

 

„-war das… dein erstes Mal, dass du-?“ Und es war fast unglaublich, wie sie auch jetzt noch in der Lage war, ihn mit ihrem Blick zu erdolchen. Er hatte sie gerade in eine ziemlich demütigende Situation gebracht – obwohl nein! Sie hatte sich selber in diese Situation gebracht, schaffte es aber, dass er seine Klappe hielt, mit nur einem bösen Blick aus ihren verdammt tiefen Augen.

 

„Nein, weißt du, ich mache so etwas ständig!“, entkam es zornig ihren Lippen. Und er merkte, dass sie böse war. Mit sich, mit ihm. Der Anhänger um ihren Hals schimmerte nur noch in einem sanften Grün. Und fast musste er schmunzeln. Nur fast, denn es war alles schlimm genug!

 

Aber Grangers größtes Unglück… schien direkt vor ihr zu stehen.

 

„Es… war gut“, erwiderte er schließlich, nicht sicher, was er sagen sollte, nicht sicher, ob er überhaupt reden musste, ihr überhaupt gut zuzureden hatte. Er war immer noch etwas atemlos, und nur langsam pumpte das Blut wieder durch seinen Körper und fand träge den Weg in sein Gehirn zurück.

 

„Fick dich, Malfoy“, entgegnete sie und ungerührt stellte sie die Dusche ab, während sie wohl über sich selbst den Kopf schüttelte. Und geistesgegenwärtig hielt er sie am Arm zurück, ehe sie die Dusche verlassen konnte. Sie zuckte zusammen, denn das war der Arm, den sie heute verbrannt hatte.

 

Ohne das Geräusch des Wassers war es verdammt still.

 

„Soll ich… mich revanchieren?“ Er wusste nicht mal, warum er es überhaupt anbot. Er wusste nicht mal, warum er dabei so unglaublich verrucht klang! Und sie blinzelte knapp. Er war noch nicht ganz zurückgekehrt aus dem wunderbaren Orgasmus-Nebel, der ihn umgab. Dann schüttelte sie den Kopf, aber die Röte kroch unweigerlich in ihre Wangen.

 

„Nein. Danke“, schloss sie konsterniert.

 

„Sicher?“, fragte er, und erinnerte sich allmählich an das grauenhafte erste Mal mit ihr.

 

„Malfoy-“, begann sie warnend, während der Zorn ihre Stimme bereits beben ließ, aber ihr Blick war gefallen. „-wieso bist du immer noch verletzt?“, entfuhr es ihr schließlich, und sie war wieder Granger. Nur ziemlich nackt, und er wusste, gleich würde seine Erektion wieder erwachen. Er folgte ihrem Blick zu seiner Hüfte.

 

„Ich heile schlecht“, erklärte er, ohne zu zögern, und ein wenig desinteressiert an seinem eigenen Körper. Ja, der Sturz machte ihm immer noch zu schaffen, die Stelle war immer noch ein wenig verfärbt, aber es war ihm gerade verflucht egal.

 

„Das ist unnatürlich“, erwiderte sie kopfschüttelnd, aber unnatürlich war eigentlich, dass er sie am Arm aufhielt, weil er sie oral befriedigen wollte. Wirklich wollte! Das war unnatürlich! Aber das schien sie totschweigen zu wollen!

 

„Was soll ich machen? Soll ich mich umbringen, weil es so unnatürlich ist?“, knurrte er, und sie nutzte seine Unachtsamkeit, ihren Arm zu entziehen und die Duschtür zu öffnen.

 

„Es wäre ein Anfang“, sagte sie tatsächlich, schlagfertiger als er es war! Als hätte sie ihm bei Zaubertränke geholfen, und ihm nicht gerade einen Blowjob – ihren ersten Blowjob – verpasst, bei dem er auch noch in ihren Mund gekommen war.

Schlammblut hin oder her – das Mädchen faszinierte ihn!

 

„Warte mal!“ Er folgte ihr hastig, wie ein Idiot, aus der Dusche. Sie hatte sich ein Handtuch gegriffen und umgewickelt als sie das Badezimmer achtlos wieder verlassen hatte.

 

Widerwillig hatte er es ihr gleich getan, sich eines der Gästehandtücher um die Hüfte geschlungen, bereit, den Moment den er hatte, auszukosten. Denn er wollte gerade tatsächlich reden. Sei es auch mit ihr. Und seine seltsame Hoffnung sank schließlich, als er sah, wie sie mit einem Handgriff die Kette abnahm und achtlos auf den Tisch legte.

Halb wandte sie sich um, als sie sich eine Tube mit Creme vom Nachttisch griff, sich eine kleine Menge auf die Handfläche drückte und ihre bloßen Arme und Schlüsselbeine eincremte. Vorsichtig sparte sie ihren verbrannten Ellenbogen aus.

 

„Was?“, fragte sie wieder und legte die Tube zurück auf den Nachttisch, neben die Kette.

 

„Was hast du vor?“, fragte er sie schließlich wieder einmal, denn vielleicht war jetzt ein Moment gekommen, indem sie mit ihm sprechen würde, aber sie hob nur den Blick, runzelte die Stirn und würde ihm ausweichen, wie immer.

 

„Ich habe überhaupt nichts vor, Malfoy“, antwortete sie kühl. Sehr kühl. „Würdest du jetzt gehen? Ich denke, du hast bekommen, was du wolltest?“, ergänzte sie, noch eine Spur kälter. Er kam unwillkürlich näher und merkte, wie sie sich versteifte. Er bemerkte ihren knappen Blick.

 

„Dein Zauberstab liegt noch immer im Bad“, deutete er ihren panischen Blick richtig. „Und glaub mir, ich bin nicht gekommen, weil ich einen Blowjob erwartet hatte, Granger. Das war allein deine Idee.“ War es auch! Ihr Mund öffnete sich im Protest unter roten Wangen, aber er hob abwehrend die Hände. „Nicht, dass ich mich beschweren möchte“, schloss er spöttisch, und kochend erwiderte sie seinen Blick.

 

„Malfoy, was willst du?“, wiederholte sie verärgert, als er vor ihr stand.

 

„Was wird das mit den Elfen, Granger? Und mit meinen Briefen? Was versprichst du dir davon?“

 

Und scheinbar schien sie wieder einmal nur partiell zuzuhören, denn ihr Blick hob sich, als wäre ihr etwas eingefallen.

 

„Kennst du Tilly noch?“, fragte sie ihn, und allein diese Fragestellung, ließ ihn seine Augenbraue heben. Und seine Geduld rührte wohl nur daher, dass sie beide theoretisch nur zwei Handtücher davon entfernt waren, Sex zu haben, dachte er dumpf.

 

„Tilly?“, wiederholte er trocken.

 

„Die Elfe“, schien sie ihn zu erinnern. Ihm fiel es wieder ein.

 

„Die, mit dem Geschenk?“, vermutete er jetzt, erlaubte ihr, Fragen zu stellen, denn er wusste, würde er noch länger vor ihr stehen, würde er sie anfassen. Aber sie bemerkte seinen Blick mittlerweile nicht mehr. Seinen Blick, der sie praktisch auszog, stellte er fasziniert fest. Sie war so seltsam.

 

„Ja“, räumte sie ein. „Sie…“ Sie schien zu überlegen, als müsse sie überlegen, ein wichtiges Geheimnis mit ihm zu teilen. Es war fast lustig, ihr zuzusehen.

 

„Ja?“, erkundigte er sich ruhig. Zu ruhig, denn Skepsis trat in ihren Blick. Und sie durchschaute ihn.

 

„Ich werde keinen Sex mit dir haben!“, erinnerte sie ihn vehement und wich zurück.

 

„Du schmeichelst dir“, log er dreist, während er sie mit abschätzendem Blick betrachtete. Zornig biss sie die Zähne zusammen und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Es war sexy, wenn sie das tat, fiel ihm lästigerweise auf. „Also? Was ist mir deiner Elfe?“

 

„Sie war deine Kinderelfe“, entschied Granger schließlich zu sagen. Und kurz entglitten ihm seine Züge in völliger Ratlosigkeit. Er zuckte die Achseln.

 

„Kann sein“, räumte er gleichmütig ein, während er einen unauffälligen Schritt auf sie zu machte.

 

„Du erinnerst dich also nicht?“, erwiderte sie mit erhobenen Augenbrauen.

 

„Granger, weißt du, wie viele Elfen hier rumlaufen?“

 

Sie schien nicht zufrieden mit seiner Antwort zu sein.

 

„Und was ist mit deinem Hund? Hast du den auch vergessen?“ Sie schien generell unzufrieden mit ihm zu sein.

 

„Mein Hund?“, vergewisserte er sich erneut. Sie war amüsant. „Ich hatte noch nie einen dreckigen, streunenden Hund“, erläuterte er lächelnd für sie. Ihr Mund öffnete sich entrüstet.

 

„Was ist mit Snuffles?“, schien sie ihren Trumpf aus dem nicht vorhandenen Ärmel zaubern zu wollen, aber er musste tatsächlich grinsen.

 

„Snuffles?“, wiederholte er.

 

„Ja!“, entgegnete sie fast trotzig und reckte ihm ihr Kinn entgegen. Seine Lippen teilten sich zu einem feinen Lächeln. „Snuffles, dein erstes Haustier!“, ergänzte tief verletzt, als wäre es ihr Haustier gewesen.

 

Kurz dachte er nach. Er hatte keine Ahnung, woher Granger diese Information hatte, aber würde er raten müssen, dann würde er auf Pansy tippen. Sehr wahrscheinlich sogar.

 

Und hinter ihr befand sich die Kommode. Sie konnte nicht vor ihm fliehen. Und das war nett, fand er. Er schloss den Abstand, sah, wie sich ihr Mund öffnete, aber er schlang den Arm um ihre Taille, nutzte ihre Überraschung aus, und senkte seine Lippen auf ihren perplexen Mund.

 

Es war nur ein kurzer Kuss, aber es reichte, um ihn hart werden zu lassen. Und ehe sie schreien konnte, sprach er, nahe vor ihrem Gesicht, mit rauer Stimme.


„Snuffles ist kein Hund gewesen, Granger. Er war überhaupt nicht lebendig“, raunte er, gönnte er ihr noch eine winzige Information, ehe er den Abstand wieder schloss. Sie quietschte gegen seine Lippen, stemmte die Hände gegen seine nackte Brust, und stampfte schließlich verärgert mit dem Fuß auf, bevor er den sanften Kuss wieder beendete. Sie befand sich noch immer in seinem Arm.

 

Ihre Augen sprühten vor Hass, aber mit grimmiger Zufriedenheit stellte er fest, dass sie nicht auf ihn einschlug.

 

„Lass. Mich. Los!“, knurrte sie jede Silbe einzeln in sein Gesicht.

 

„Aber es ist Weihnachten, Granger“, ärgerte er sie und zog einen Schmollmund, den sie mit stummer Überraschung zur Kenntnis nahm.

 

„Nein“, sagte sie, und dass sie mit ihm diskutierte, war schon Wunder genug.

 

„Ich gehe, wenn du mit mir schläfst“, versprach er.

 

„Nein!“, wehrte sie sich wieder, aber er ließ sie nicht los.

 

„Ok, dann lass mich… andere Dinge tun“, bot er ihr an und wackelte mit den Augenbrauen. Sie starrte ihn an. Und sie schien hin und her gerissen zu sein. Aber scheinbar gewann ihr Verstand. Seltsam, dass das bei ihm nie klappte, stellte er verärgert fest.

 

„Niemals wieder wirst du irgendetwas tun! Ich dachte, du hast dein perfektes Mädchen längst gefunden, Malfoy? Wofür also Zeit mit einem Schlammblut verschwenden?“ Die Worte kamen wie flüssiges Gift über ihre Lippen und versengten ihm das Herz.

 

Richtig. Kraftlos fielen seine Arme von ihr ab, und er hasste es, dass ausgerechnet sie ihn an Astoria hatte erinnern müssen. Und es war anders, wenn sie sich selber vor ihm beleidigte, denn in ihren Worten bekam das Wort eine völlig neue Bedeutung. Eine ganz andere als in seinen Worten, stellte er verblüfft fest. Und er hatte keine Ahnung, was sie spielte.

 

Aber er blieb ruhig, denn… im Moment hatte er mehr Macht als sie. Auch wenn sie es nicht wusste. Denn er war nicht blind. Er sah, wie es sie mitnahm, wie es sie fertig machte, dass sie sich scheinbar nicht erklären konnte, was vorhin passiert war.

Aber sie war zu stolz. Die Gryffindor vor ihm war zu stolz, es zuzugeben. Und war das nicht nett?

 

In einer Geste der Unsicherheit kämmte er mit den Fingern die halbtrockenen Haare zurück. Kurz glitt ihr Blick über seinen Oberkörper, zu kurz, als dass er es hätte kommentieren können.

 

Er machte einen Schritt zurück. Er würde sie bei Gelegenheit wieder bestrafen.

Was Astoria nicht wusste….

Und außerdem könnte ihm Granger gelegentlich gerne einen blasen, denn das war nicht betrügen. Nicht in Dracos Augen. Er schenkte ihr also ein Lächeln.

 

„Jaah“, bestätigte er nachdenklich ihre Worte, „übrigens die Kette“, begann er mit einem Kopfrucken in Richtung Nachttisch, und Grangers Blick folgte seinem, „steht dir gut“, schloss er lächelnd. Tat sie zwar nicht, denn einem Schlammblut stand gar nicht gut, sagte er sich, aber er genoss ihren Gefühlsumschwung.

 

Ihr Kiefer lockerte sich ein wenig verwirrt, aber sie gewann schnell wieder an Fokus.

 

„Raus!“, zischte sie und deutete auf die Tür.

 

„Dann vielen Dank für deine Mühen“, verabschiedete er sich achselzuckend, gerade noch rechtzeitig, ehe sie sich ein Kissen vom Bett griff und nach ihm schleuderte.

Er zog die Tür des Gästezimmers hastig hinter sich zu.

 

Seine Sachen lagen noch in ihrem Bad, aber er nahm an, sie würde ihn entmannen, wenn er noch einmal das Zimmer betreten würde.

 

Er dachte an Astoria, und das schlechte Gewissen brodelte in seinem Innern. Es wurde Zeit, dass er sie wieder sah. Aber er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen! Was sollte er bitteschön tun, wenn ihm Granger solche Dienste anbot? Nein sagen? Er war schließlich kein Heiliger, wie die Muggel sagten! Er war Draco Malfoy.

 

Er benutzte das Schlammblut nur. Sie glaubte, es traf ihn, wenn sie sich ihm verweigerte? Wäre er nicht schon gekommen, hätte er nicht mal in Erwägung gezogen, mit ihr überhaupt zu diskutieren. Er hätte sie einfach genommen.

 

Für einen winzigen Moment hatte er vergessen, dass das hier nichts Freundliches war.

Aber sie führte einen Krieg gegen ihn. Auch wenn Pansy und Blaise es nicht verstanden, ihm nicht glaubten, so wusste es Draco besser.

Und fast war er sauer auf sie. Sauer, weil sie es schaffte, dass er seine Deckung aufgab, nur weil sie vor ihm auf die Knie ging.

 

Er hoffte nur, sie würde Albträume bekommen. Er hoffte, sie würde sich hin und her wälzen und sich fragen, wie es nur hatte passieren können.

 

Aber sie waren keine Freunde. Und das war keine freundliche Beziehung. Er hatte keinen körperlichen Kontakt zu ihr, weil sie ihn anzog. Er tat es, weil es sie umbrachte.

Deswegen musste er sich nicht rechtfertigen. Es bedeutete nämlich überhaupt nichts.

Dass ihr Körper ansprechend war… - das war eine Tatsache, die er nicht ändern konnte.

 

Er wusste mehr, als sie glaubte. Er wusste, sie hatte irgendetwas vor. Er wartete nur auf den Ausbruch. Denn er glaubte ihr nicht. Kein Wort, keine ihrer vermeintlich guten Taten.

 

Aber er war nicht so wie sie. Wenn die Gelegenheit, Sex zu haben, praktisch an seine Tür klopfte, dann öffnete er nackt – am besten mit Alkohol in Reichweite.

Aber mit Glück würde sie bald zu den anderen gehören. Den übrigen, die für ihn Schlange standen. Mit Glück würde sie die Kette solange tragen, bis sie ihm verfallen war.

 

Und nur kurz ärgerte ihn diese Tatsache.

 

Mehr unbewusst.

 

Dass er eine Kette benötigte, damit sie sah, was ihr entging.

 

Es war, als wäre sie blind für ihn. Als sähe sie nicht mit ihren Augen.

 

Das war das einzige, was ihm Angst machte. Granger schien auf eine andere Art sehen zu können. Sie blickte hinter eine Fassade und ließ sich nicht von einer schönen Oberfläche ablenken.

 

Es war schwer, denn den Granger-Code knackte er nicht auf seine übliche Tour.

Er war die Sache mit ihr falsch angegangen.

Sie war klüger als er, er gab es gerne zu, aber er hatte einen entscheidenden Vorteil.

 

Er war Draco Malfoy. Und wenn es einen Fehler in ihrem seltsamen, geheimen Plan gab, dann den, dass sie ihn unterschätzte.

Aber er nahm an, ihr Unglück würde jetzt erst beginnen seinen Lauf zu nehmen.

 

Und mit einem bösen Lächeln schlenderte er über den Flur zurück zu seinem Zimmer.

 

 

Kapitel 40

 

Ok, sie war dumm. Nicht nur das! Sie war verantwortungslos und gleichzeitig wütend. Immer noch wütend! Und sie hatte zu hohe Schuhe an für solche Art von Abenteuer. Denn ihre Absätze sanken immer wieder ein, im Matsch vor dem windschiefen Haus.

Kurz hatte sie überlegt echte Steinchen gegen ein Fenster zu werfen, aber erstens hatte sie keine Ahnung, welches Fenster und dann konnte sie nicht besonders gut werfen.

 

Mit dem Zauberstab hatte sie stumm einen Zauber zu seinem Zimmer geschickt. Aber auch das hielt sie schon eher für abwegig, denn sie hörte aus dem Innern viele Stimmen und konnte nur annehmen, die Weasleys befanden sich im Wohnzimmer und hatten Gäste, also wieso sollte ausgerechnet er in seinem Zimmer-?

 

„Parkinson?“, unterbrach seine ungläubige Stimme ihre Gedanken, als er sich weit aus dem Fenster des zweiten Stocks vorgelehnt hatte. Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte angestrengt nach oben. „Was tust du hier?“, rief er leise, und sie fragte es sich selber, seitdem sie appariert war.

 

„Kannst du… kommst du raus?“, rief sie anstelle einer Antwort zurück, und kurz schien er zu überlegen. Aber dann schien er zu einem Schluss zu kommen, während ihr Herz schneller schlug.

 

„Warte“, erwiderte er gepresst, schloss sein altmodisches, kleines Fenster und Pansy stand wieder in Stille und Dunkelheit am ersten Weihnachtsfeiertag vor dem Fuchsbau wie eine Stalkerin. Über sich selber schüttelte sie den Kopf. Sie hörte eine Tür gehen, aber nicht die Haustür.

 

Weasley kam nach einigen Schritten von links. Er war groß. Sie hatte schon vergessen, wie groß er war. Er trug einen dicken beigen Pullover und rieb sich scheinbar fröstelnd die Hände. Es war kalt. Er trug keinen Mantel, also nahm sie an, er hatte nicht vor, lange draußen zu bleiben.

 

„Was tust du hier?“, wiederholte er ungläubig und betrachtete sie im Halbdunkeln. Er brachte den Duft von Braten und Salzkartoffeln mit, von Wärme und Weihnachten, und sie biss sich auf die Lippe.

 

„Ich weiß es nicht“, räumte sie schließlich genervt ein. Sie wusste zwar, was sie hier tat, aber sie konnte es nicht wirklich in Worte fassen. Sie hatte sich mit Draco gestritten, Hermine erzählte ihr, sie dürfe Weasley nicht mehr wiedersehen und sie hätte nur kalte Füße. Aber… Pansy hatte keine kalten Füße, sie war regelrecht panisch. Denn morgen käme ihr Verlobter tatsächlich zu Besuch, und sie… sie konnte an nichts anderes denken, als Weasley noch einmal zu sehen, um sich zu vergewissern, dass zwischen ihnen nichts weiter war, als ein schwacher Moment auf Hermines Hochzeit.

 

Weasley betrachtete sie immer noch, rieb sich die Oberarme, presste kurz die Lippen aufeinander, und dann öffnete sich sein Mund.

 

„Komm mit“, flüsterte er, und überrascht setzten sich ihre Beine in Bewegung. Sie folgte ihm um das Haus herum, bis sie die Rückseite und die Küche erreicht hatten. Die Tür war angelehnt, und Weasley bedeutete ihr, ihm zu folgen. Leise betrat sie das Haus, und konnte kaum fassen, dass man direkt vom Garten in die Küche gelangen konnte, und dass sich scheinbar, ohne einen Flur, das Wohnzimmer anschloss! Es war alles unfassbar winzig!

 

Er schob sie weg von den Geräuschen, als er die Tür verriegelt hatte, durch eine weitere Tür in einen schmalen Korridor, der voller Schuhe und tropfnasser Jacken kaum noch begehbar war. Es würde kein Schrank hier hinein passen, kein Blumendekor, kein Brunnen, keine Statuen – gar nichts! Es war wie ein Abstellraum mit Treppe! Mit seinen Händen in ihrem Rücken schob er sie die schiefe Treppe nach oben, wobei jede Stufe unter ihrem Tritt unheilschwanger knarrte.

 

„Weasley! Dieses Haus ist wie die Heulende Hütte!“, flüsterte sie, und hörte ihn knurren.

 

„Shht, leise, ok?!“

 

Und sie begriff, dass er sie gerade in sein Zimmer schmuggelte. Ihr Herz klopfte schneller, während sie eilig die vielen Bilder von rothaarigen Zauberern an der Wand begutachtete, die sich dicht an dicht reihten, und man von der Tapete darunter nichts erkennen konnte. Viele Zimmer gingen von einem kreisrunden Flur im ersten Stock ab, aber man hatte kaum die Möglichkeit sich mit ausgetreckten Armen zu drehen, so eng war der Flur. Er schob sie den nächsten Treppenabsatz nach oben, und die Decken wurden niedriger. Pansy hatte schon Angst an die Decke zu stoßen, aber Weasley konnte immer noch gerade stehen. Sie war so niedrige Decken nicht gewöhnt.

 

Sie war noch nie in einem so winzigen Haus gewesen.

 

„Rein da!“, befahl er ihr kurzerhand, öffnete eine Sperrholztür, denn anders würde sie Pansy nicht bezeichnen, sie war weder aus Zedernholz, noch war sie stuckverziert oder mit Blattgold veredelt, und schon befand sie sich in einem schmalen Zimmer. Sein Bett war kein Doppelbett, und vereinzelte Geschenke lagen auf dem selbstgestrickten Überwurf. Auf dem Boden lag ein Schlafsack, daneben ein Rucksack prall gefüllt.

 

Sie hob entsprechend den Blick.

 

„Harry schläft hier“, bemerkte Weasley und verdrehte die Augen, während er sich verlegen durch die roten Haare fuhr. Die Decke war ein einer Stelle schräg, lief spitz zu, und ein Gryffindorbanner sowie Quidditchposter zierten die Wände. Aus der geschlossenen Schranktür hing ein Ärmel unordentlich auf den Boden, der Schreibtisch war vollgestellt und leere Schokofroschverpackungen lagen zerknüllt über seiner Gryffindor-Krawatte. Ob er wusste, wo sein Schulsprecherabzeichen war, bezweifelte sie stark.

 

„Das muss das kleinste Zimmer sein, was ich je gesehen habe“, entfuhr es ihr kopfschüttelnd.

 

„Ich hab dich nicht eingeladen“, rechtfertigte er sich sofort und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Wieso hast du mich hergebracht?“, fragte sie schließlich, mehr als neugierig.

 

„Weil… weil ich dich schlecht draußen hätte stehen lassen können, oder? Bei der Schweinekälte. Außerdem hatte ich keine Jacke an.“ Er schien kurz überfordert zu sein. „Ich… ich war hier oben, um die Geschenke zu holen. Für… für Bill und Fleur und Hermine“, erklärte mit einem Kopfrucken Richtung Bett.

 

„Hermine ist hier?“, wiederholte Pansy atemlos. Weasley nickte.

 

„Ja, willst du sie sehen? Ihr seid doch beste Freundinnen“, neckte er sie mit eindeutigem Tonfall. Pansy schüttelte den Kopf. Nein, im Moment wollte sie Hermine nicht sehen. Vor allem, wie sollte sie rechtfertigen, dass sie gerade hier war?!

 

„Ist Draco auch mit?“, fragte Pansy stattdessen, aber Weasley hob spöttisch eine Augenbraue.

 

„Ich glaube nicht, dass ich ihn ins Haus gelassen hätte, aber nein, natürlich nicht.“ Pansy nickte abwesend. Nein, sie hätte es sich auch nicht vorstellen können. Sie nahm an, er war woanders. Bei einer anderen Person. Sie würde gerne wissen, was er Hermine geschenkt hatte. Denn ansonsten würde es mit Astoria Greengrass ein kurzer Spaß werden, dachte sie bitter.

 

„Also?“, unterbrach Weasley ihre Gedanken erneut. „Kommst nicht über mich hinweg, hm?“, wollte er mit einem wissenden Grinsen wissen, und ihr Blick hob sich überrascht.

 

„Witzig“, sagte sie nur, aber wahrscheinlich sah er ihre knallroten Wangen. Aber es könnte auch von der Kälte kommen. „Kann ich meinen Mantel ausziehen?“, fragte sie schließlich, und er ruckte den Kopf.

 

„Keine Ahnung, ob du das kannst, Parkinson“, erwiderte er, und sie hätte ihn schlagen können. Zornig knöpfte sie den Mantel auf, zog sich die Mütze vom Kopf und legte die Sachen behutsam über die Lehne seines Schreibtischstuhls. Er sah ihr gespannt dabei zu. Sie fuhr sich durch die Haare, um sie zu ordnen, und sein Blick wanderte kurz über ihr Kleid.

 

„Willst du die Schuhe anlassen?“, fragte er, und sie verstand nicht. Sie trug lange Stiefel. Wollte er, dass sie die auszog?

 

„Äh…?“

 

„Ich habe Hausschuhe für dich“, schien ihm einzufallen, und sie glaubte nicht, dass sie jemals Hausschuhe getragen, geschweige denn gesehen, hätte. In ihrem Haus behielt sie ihre Schuhe an oder wechselte die Schuhe. Aber im Gegensatz zu den Weasleys besaßen ihre Eltern ja auch Hauselfen, die ständig putzen konnten.

Er kramte in seinem unordentlichen Schrank. „Sind Ginnys“, ergänzte er, als er ihr ein Paar Filzpantoffeln entgegen hielt. Langsam nahm sie die unansehnlichen bunten Knäuele entgegen.

 

Merlin, sie musste ihn tatsächlich mögen, denn steif bückte sie sich, zog den Reißverschluss der Stiefel hinunter und stieg aus den achttausend Galleonen Koboldleder-Stiefeln mit Goldbesatz, um die ein Knut und fünfzig Sickel Filzpantoffeln seiner Schwester anzuziehen.

 

Und jetzt war sie einen Kopf kleiner. Noch einen Kopf kleiner als er.

 

Ein schiefes Grinsen zog an seinem Mundwinkel. „Steht dir gut“, bemerkte er, ein wenig spöttisch.

 

„Und jetzt?“, wollte sie wissen.

 

„Jetzt bist du halb so groß wie ich“, witzelte er, und sie verengte wütend die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und entweder“, fuhr er langsam fort, „verstecke ich dich hier oder ich nehme dich mit runter“, schloss er nachdenklich. Sie biss sich auf die Lippe. „Ich muss nämlich runter. Wir sind eine Familie, weißt du?“, klärte er sie nachsichtig auf. „Wenn du also etwas Lebenswichtiges von mir wolltest, dann sag es besser sofort.“

 

„Du… du willst jetzt einfach wieder runter gehen?“, entkam es ihr ungläubig. „Und du willst mich hier sitzen lassen?“

 

Er nickte ehrlich. „Ja.“

 

„Und dann was?“, fuhr sie ihn zähneknirschend an.

 

„Dann… dann komm ich wieder, wenn ich gegessen habe“, erwiderte er achselzuckend.

 

„Du bist unfassbar!“, flüsterte sie kopfschüttelnd. Und deswegen war sie hergekommen! Wegen einem egoistischen, blöden Weasley!

 

„Was möchtest du von mir?“, fragte er fast ruhig. „Dann sag mir doch einfach, weshalb du beschließt, einfach so herzukommen.“

 

„Ich… ich…“ Sie wusste es nicht. Das hatte sie doch schon gesagt.

 

„Ich bin mir ziemlich sicher, das bricht den Reinblüter-Kodex“, bemerkte er achselzuckend. Und eigentlich wollte sie sagen, dass er sich lächerlich machte, dass es keinen Kodex gab, und dass er das wissen sollte, denn er war schließlich Reinblüter, aber sie atmete aus und nickte einmal.

 

„Ja, tut es. Aber… meine Mutter ist beschäftigt, mein Vater sitzt in Askaban, die Elfen putzen, und ich… ich hatte die Zeit“, gab sie offen zu.

 

„Traurig“, erwiderte er ehrlich verblüfft. „Das ist wirklich traurig.“

 

„Nein“, sagte sie bloß, „das ist normal.“

 

Unschlüssig standen sie voreinander. Dann klärte sich ihr Blick.

 

„Ich… ich habe ein Geschenk für dich“, sagte sie also, denn es stimme. Seine Augen wurden groß.

 

„Du…- was?“ Sie ging zurück zu ihrem Mantel und holte eine Schachtel aus der Tasche. Sie war mattschwarz. Auf ihr klebte lediglich eine graue Rosette aus Glanzpapier. Magisch verzaubert schimmerte das Grau in allen Grautönen, aber bei dem spärlichen Licht, was Weasleys Schreibtischlampe bot, war dieser komplizierte Zauber nicht der Rede wert.

 

Er nahm die Schachtel in die Hand. „Ernsthaft?“, fragte er eine Spur überwältigt, und sie zuckte die Achseln.

 

„Es ist Weihnachten, oder nicht?“

 

„Aber… ich habe kein Geschenk für dich“, murmelte er beschämt, mit einem Blick auf seine schlecht verpackten, überschaubaren Päckchen. Pansy zuckte die Achseln.

 

„Du wusstest ja auch nicht, dass ich komme“, kürzte sie das unangenehme Gespräch ab. „Mach es auf, wenn du willst“, ergänzte sie. Er hob vorsichtig den Deckel ab, sein Blick fiel auf die Samtauslage. Verständnislosigkeit kroch über seine Züge, und Pansy hätte am liebsten gelacht.

 

„Was… was ist das?“, wollte er verwirrt wissen.

 

„Manschettenknöpfe“, erklärte sie nachsichtig, aber sie musste grinsen.

 

„Äh, wofür sind die noch mal?“, fragte er betont unverfänglich.

 

„Damit schließt du dein Hemd, wenn es an den Ärmeln keine Knöpfe hat“, erläuterte sie, fast geduldig.

 

„Oh. Wieso sollte ein Hemd keine Knöpfe haben?“ Ehrlich verwirrt hob er den Blick. Jetzt musste sie grinsen.

 

„Teure Hemde lassen dem Träger die Wahl, welche Art Knopf er tragen will“, bemerkte sie wissend. Er starrte wie gebannt auf die Knöpfe.

 

„Sind die Silber?“, fragte er also und hob einen Knopf aus der Schachtel, um ihn näher zu betrachten. Pansy schüttelte den Kopf.

 

„Platin“, erläuterte sie beflissen. Weasleys Blick hob sich.

 

„RW. Das sind meine Initialen!“, rief er aus. Pansys Mundwinkel zuckten.

 

„Ja, was für ein Zufall“, bemerkte sie spöttisch. Weasley schien ernsthaft schockiert zu sein. Sie hatte ein asymmetrisches Motiv gewählt, und seine Initialen waren auf eine schmale wellenförmige Fläche graviert.

 

„Wow! Das ist… wow“, schloss er kopfschüttelnd. „Ich… ich habe nicht mal ein Hemd, ohne Knöpfe! Aber die sind wirklich… richtig cool.“ Fast war es niedlich, dass er kein maßgeschneidertes Hemd besaß. Und fast schämte sie sich für ihr dummes Geschenk. Er fuhr sich wieder verlegen durch die Haare. „Tut mir leid, dass ich nichts-“ Aber sie unterbrach ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung.

 

„-mach dir keine Gedanken. Das ist ok“, erwiderte sie achselzuckend. Sie war es von Draco gewöhnt, keine Weihnachtsgeschenke zu bekommen, deswegen war es nicht weiter tragisch. Sie kannte es schon.

 

Weasley streckte ihr schließlich zögernd die Hand entgegen.

 

„Danke“, sagte er, und langsam ergriff Pansy seine Hand. Sie war warm und groß, und ihre eigene verschwand praktisch in seinem weichen Griff. Sie hoben den Blick gleichzeitig und die Sekunden vergingen langsamer.

 

Ihr Herz schlug schneller.

 

„Wieso trägst du im Winter eigentlich Kleider?“, fragte er mit heiserer Stimme, und ihr Mund öffnete sich verblüfft über diese Frage.

 

„Was?“, flüsterte sie verwirrt, und er hielt ihre Hand noch immer in seiner.

 

„Ich meine… es ist Winter“, erwiderte er, ohne sie aus dem Blick zu lassen.

 

„Ich mag Kleider. Sie stehen mir.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ich… - also ich finde, sie stehen mir“, korrigierte sie sich, denn sie hörte, es klang eingebildet, was sie sagte. Und sie wusste, er würde es ihr vielleicht aufzeigen. Und das wollte sie nicht. Merlin… - sie wollte nicht, dass Weasley dachte, sie sei eingebildet?!

 

„Sie stehen dir“, bestätigte er lediglich rau. „Sag mal“, fuhr er rauer fort, während er ihre Hand noch immer nicht losließ, „bringt mich dein Verlobter eigentlich um, wenn… wenn er das erfährt? Oder… muss ich mich mit ihm duellieren, bei Sonnenaufgang und meine Sachen regeln? Finanzen und so was?“, fragte er, und war einen Schritt näher gekommen. „Mit Sekundanten? Harry könnte-“

 

„-Sekundanten haben nur Muggel“, unterbrach sie ihn abwesend und schluckte schwer, während er tatsächlich die Hand zu ihrer Wange hob, um eine Strähne vorsichtig hinter ihr Ohr zu stecken.

 

„Oh“, erwiderte er nickend. „Na dann brauche ich Harry nicht…“ Sein Blick fiel auf ihre Lippen, und ihr Herz schlug schneller, während sie befürchtete, mittlerweile schwitzige Handflächen zu bekommen. „Kann ich mir den Fluch selber aussuchen beim… beim Duellieren?“, erkundigte er sich langsam, aber er schloss bereits den Abstand, und ihre Lider schlossen sich automatisch.

 

Und hatte sie geglaubt, sie würde sich zu viele Gedanken darüber machen, Ronald Weasley zu küssen, so musste sie feststellen, dass er nur zu schnell ihre Hand losgelassen und sie an sich gezogen hatte. Seine warmen Lippen legten sich auf ihren Mund, und sie schnappte überrascht nach Luft, als sie seine Zunge spürte, aber ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken, und sie hatte seinen Duft vermisst! Oh Merlin!

 

Er hatte die Schachtel mit den Manschettenknöpfen achtlos hinter sich aufs Bett geworfen, und seine andere Hand legte sich sanft um ihren Nacken, und ihre Zunge begegnete seiner fast schamlos. Er löste sich nach einem Moment von ihr, und sein Atem ging unregelmäßig. Seine blauen Augen flogen über ihr Gesicht.

 

„Wow“, murmelte er wieder, und sie hoffte, sie sah ihn nicht zu waidwund und offen an, denn es war schon regelrecht peinlich! Ihre Hände lagen über seine Brust. Die Wolle seines Pullovers war unglaublich weich. „Wie… wie oft willst du das noch tun?“, fragte er sie, und die Frage überraschte sie.

 

„Wa-was?“, erwiderte sie, noch immer mit Schmetterlingen im Bauch.

 

„Mich küssen?“, flüsterte er, während sein Daumen sanft über ihre Wange strich. Fast lehnte sie sich in seine Berührung.

 

„Nur noch… dieses eine Mal. Versprochen“, wisperte sie, und er nickte schließlich, und als er sie das nächste Mal küsste, hatten ihre Finger in seine Haare gegriffen und zogen ihn enger an sich. Er reagierte sofort, und rückwärts zog er sie mit sich, Richtung Bett. Bevor sie protestieren konnte, fielen sie auf die Matratze, sie auf ihn, und er wischte achtlos die Geschenke von der Decke. Er drehte sich, mit ihr in seinen Armen um, und schon lag sie unter ihm, während er ihre überraschten Lippen mit seinem Mund verschloss.

 

Es war so peinlich. Sie war verschossen in Ronald Weasley! Und sie konnte nicht erwarten, dass er sie berührte! Sofort schoss ihr die Röte wieder in die Wangen. Sein Gewicht auf ihr war angenehm, und sie glaubte, seine Erektion in seiner Hose spüren zu können. Ihr Puls brach neue Rekorde.

 

Die Tür öffnete sich mit einem Ruck.

 

„Ron, sag mal, wo bleibst - oh!“ Ruckartig schob sie Weasley von sich, während er gleichzeitig praktisch aufsprang. Potters Mund stand verblüfft auf, während sich Weasley den Pullover hastig gerade zog und sie in nur einer Bewegung vom Bett aufgestanden war. „Was…- Pansy?“, sagte Potter völlig verwirrt, und sein Blick blieb an Weasley hängen. Dann schloss sich sein Mund, er schüttelte den Kopf, wie um dieses Bild wieder zu verscheuchen und verließ das Zimmer hastig wieder.

 

„Harry!“, zischte Weasley und wandte sich zu ihr um. „Warte hier“, befahl er ihr eindringlich.

 

„Weasley, ich-“

 

„-nein, warte hier!“, wiederholte er und hatte hinter Potter ebenfalls das Zimmer verlassen. Pansy sank zurück auf die Bettkante. Oh Merlin. Das war jetzt nicht gerade wirklich passiert? Ihre Wangen glühten vor Scham. Potter würde es weiter erzählen! Es würde auffliegen, und sie –

 

Die Tür flog wieder auf. Sie sprang regelrecht von der harten Matratze.

 

„Umhang!“, zischte Weasley, griff sich den Potters Rucksack vom Boden und kippte den Inhalt auf den Schlafsack. Pansy hörte Stimmen auf der Treppe. Panisch sah sie sich um. Wie sollte sie hier fliehen? Unbemerkt?! Weasley schien gefunden zu haben, was er suchte. Er breitete ein silbernes Tuch aus und warf es achtlos über sie. „Harrys Tarnumhang. Mach kein Geräusch!“, erklärte er abgehackt, schob sie in die Ecke neben Fenster und Schreibtisch und stocksteif verharrte Pansy, als Potter mit Hermine und Weasleys Schwester im Schlepptau das Zimmer betrat. Potter hatte so laut gesprochen gehabt. Hatte er Zeit schinden wollen? Hatte er es nicht verraten? Pansy wusste nicht mal, ob sie wirklich unsichtbar war, aber niemand schien etwas Besonderes im Zimmer entdecken zu können. Weasley stand schräg vor ihr, auf dem Schlafsack.

 

„Wo bleibt ihr denn?“, beschwerte sich Weasleys Schwester kopfschüttelnd, und ihr Blick fiel auf die Stiefel neben dem Bett. Oh nein! Hermines Blick glitt ebenfalls durch das Zimmer und fand Pansys Mantel über der Lehne. Pansy hielt unglücklich die Luft an.

 

„Der Mantel-?“, begann Hermine verblüfft, aber Potter und Weasley sprachen gleichzeitig.

 

„Ginnys!“

 

„Ginnys!“

 

Ginny war zusammen gezuckt, bei den beiden lauten Stimmen. „Die Stiefel auch“, ergänzte Weasley heftig. Und Pansy bemerkte den scheelen Blick, den Weasleys Schwester Weasley zuteilwerden ließ. Oh Merlin, es würde auffliegen!

 

„Deine Stiefel?“, wiederholte Hermine und bückte sich nach den Stiefeln. „Schick. Echtes Leder?“, fragte sie plötzlich, und nach einem kurzen Blickduell, dass Ginny mit Potter führte, schüttelte sie den Kopf.

 

„Nein, natürlich nicht. Würde Mum niemals durchgehen lassen“, erklärte Ginny seufzend. Ihr Blick glitt mittlerweile suchend durchs Zimmer.

 

„Kein Wunder, dass du so lange brauchst, bei der Unordnung“, bemerkte Hermine schließlich mit einem Kopfschütteln, als sie sich das Chaos der Geschenke und Potters umgestülpten Rucksack auf dem Schlafsack begutachtete.

 

„Jaah“, bemerkte Weasley beschämt. „Leute, ich bin sofort unten.“

 

„Oh, ich habe gar keine Lust mehr, runterzugehen“, sagte Ginny, deren Blick immer noch langsam durch das Zimmer wanderte, als würde sie erwarten, Pansys irgendwo entdecken zu können.

 

„Ich bin sofort da!“, versprach Weasley mit mehr Nachdruck.

 

„Ich bin so satt“, sagte Hermine jetzt und setzte sich aufs Bett. „Tut mal ganz gut, von den Leuten wegzukommen“, bemerkte sie. Ginny setzte sich zufrieden neben sie.

 

„Ja, wir können hier bleiben, oder nicht, Harry?“, wandte sich Ginny eindeutig an Potter. Weasley und Potter tauschten einen kurzen Blick.

 

„Hm“, machte Potter unschlüssig. „Kurz“, gab er sich geschlagen. Es entstand eine kurze Pause, während der nur Ginny ihren Bruder mit einem interessierten Blick musterte.

Pansy betrachtete Hermine, denn sie kam ihr müde vor. Und vielleicht sahen es nur Mädchen unter sich, aber Pansy sah, dass Hermine geweint hatte. – Geweint haben musste, denn ihre Augen wirkten gerötet.

 

Pansy biss sich stumm auf die Lippe. Sie würde gerne mit Hermine reden. Am besten auch schon bald, aber eben nicht hier.

 

„Bei Fleurs und Bills Traumreise quer durch alle sieben Weltmeere, haben wir noch gar nichts von deinem Weihnachten gehört“, beschwerte sich Ginny jetzt bei Hermine, aber ihr Blick glitt weiterhin langsamer durchs Zimmer. Pansy hatte das ungute Gefühl, dass Ginny von Potters Tarnumhang wusste.

 

„Oh, es war… nett“, wich Hermine Ginnys Frage aus. Pansys Aufmerksamkeit richtete sich ebenfalls auf Hermine. Weihnachten bei den Malfoys. Das kann nur furchtbar gewesen sein.

„Wir… haben gegessen. Narzissa und ich haben zusammen gekocht. Und es gab Cocktails. Und Geschenke“, schloss sie achselzuckend.

 

Zusammen gekocht? Narzissa konnte kochen? Und Hermine plötzlich auch? Pansy hätte einige Fragen dazu!

 

„Ja? Was hat Malfoy dir geschenkt?“ Klar hörte Pansy, dass Ginny nichts von der Verbindung zu Draco hielt. Rein gar nichts. Aber Hermine ließ sich nichts anmerken und holte eine goldene Kette aus ihrer Bluse hervor.

 

„Die Kette“, sagte Hermine abwesend, aber ihre Finger spielten bereits mit dem flachen goldenen Anhänger. Pansy war überrascht. Draco hatte Hermine also tatsächlich ein Geschenk gemacht. Gut so. Ginny wirkte nicht zufrieden.

 

„Du siehst müde aus, Hermine“, sagte sie als nächstes. Hermine hob ein wenig ertappt den Blick.


„Nein, ich… alles gut“, log sie, Pansy sah es genau. Auch Ginny schien nicht zufrieden zu sein.

 

„Gehst du morgen zu deinen Eltern?“, unterbrach Harry die Spannung zwischen den Mädchen schließlich, während er sich ebenfalls aufs Bett setzte. Hermine nickte.

 

„Ja“, erwiderte sie, und Pansy konnte es kaum ertragen, wie wortkarg Hermine war. Wie seltsam sie wirkte. Auch Potter schien unzufrieden mit Hermines Antworten zu sein.

 

„Kinder?“, hörte Pansy nun die Stimme von Mrs Weasley durch den Flur schallen. „Wo bleibt ihr? Wir haben Besuch bekommen“, rief sie anschließend. „Hermine?“, ertönte dann ihre Stimme, und Hermine hob den Blick. „Mrs Malfoy ist hier?“, rief Mrs Weasley noch lauter, und überrascht erhob sich Hermine.

 

„Was?“, entfuhr es Ginny ungläubig. „Was tut sie denn hier?“ Sie wandte sich fragend an Hermine, aber diese war bereits auf dem Weg zur Tür. Ihr Gang hatte etwas besorgtes, etwas unerklärlich Unangenehmes an sich. Als wäre es für Hermine eine Prüfung. Als wäre es etwas… Schlechtes. Und Pansy begriff: Es war irgendetwas passiert, denn Hermines Haltung wurde Pansy plötzlich bewusst.

 

Hermine wirkte schuldbewusst. Sehr, sehr schuldbewusst.

 

„Keine Ahnung“, murmelte Hermine besorgt, und hatte das Zimmer verlassen.

 

„Wir sollten runter gehen“, bestätigte Potter mehr als neugierig, aber Ginny blieb vor Rons Zimmertür stehen, als Hermine schon gegangen war.

 

„Oh nein. Mich würde brennend interessieren, wem der Mantel und die Schuhe gehören“, sagte sie mit einem wissen Blick in die Runde. Weasley fuhr sich durch die Haare. Zu auffällig.

 

„Was? Was meinst du?“, fragte er abwehrend.

 

„Ron? Ich bitte dich“, bemerkte sie knapp. „Wen versteckst du?“

 

„Was?“, rief Weasley ungläubig. „Verstecken? Ich?! Niemanden, Ginny! Merlin, du bist verdammt paranoid!“

 

„Ok. Dann wirst du kein Problem damit haben, wenn ich einfach im Zimmer bleibe, richtig? Ich werde einfach… noch ein bisschen warten. Geht ruhig schon mal runter, Jungs“, schloss sie achselzuckend und schlenderte wieder rüber zum Bett, um sich gemütlich zu setzen.

 

Weasley und Potter tauschten kurze Blicke miteinander. Pansy verdrehte innerlich die Augen. Das war doch einfach lächerlich. Sie waren ohnehin aufgeflogen. Sie zog sich den Umhang vom Kopf. Ginnys Blick war sofort herumgeschossen und sie sprang wieder auf.

 

„Pansy?“, entfuhr es ihr völlig unerwartet. „Was… was machst du hier?“, fragte sie langsam.

 

Pansy tauschte einen Blick mit Weasley, der reichlich überfordert wirkte, während Ginny mittlerweile die Arme vor der Brust verschränkte.

 

„Ach was?“, entfuhr es ihr mit erhobenen Augenbrauen, als wäre sie selber zu dem Schluss gekommen, was Pansy hier tat. „Das… ist ja mal interessant“, schloss sie gedehnt, während Pansy sicher war, dass dieses Gespräch jetzt und hier noch nicht sein Ende gefunden hatte. Dabei interessierte es sie brennend, was Narzissa bei den Weasleys wollte!

Aber… das würde warten müssen, wenn sie sich Ginnys Gesicht betrachtete.

 

Ja, sie war episch aufgeflogen. Und sie war auch noch selber schuld!

 

 

Kapitel 41

 

Sie presste die Lippen aufeinander und fühlte sich wie ein kleines Kind, während Narzissa sie mit großen Augen anklagend ansah. Sie standen im engen Flur der Weasleys, und Narzissa schien es egal zu sein, wo sie waren.

 

„Wie konntest du es mir nicht sagen?“, fragte sie zum wiederholten Mal, als Hermine nicht geantwortet hatte, aber Hermine öffnete protestierend den Mund.

 

„Ich… ich habe mit Lucius-“


„-das weiß ich! Ich habe auch mit ihm gesprochen! Wie kannst du denken, wir würden wollen, dass du uns irgendeinen Schaden ersetzt, Hermine? Ich fasse es nicht!“, rief Narzissa ungläubig aus. „Du hättest tot sein können, Hermine! Es hätte weiß Merlin was passiert sein können! Und du hältst es nicht einmal für nötig mit mir zu sprechen, sondern gehst zu Lucius und bietest an, zu ersetzen, was du kannst?“

 

Hermine nahm nicht an, dass dieses Gespräch ungehört blieb, denn die Wände hier waren hellhörig, und wahrscheinlich pressten alle Weasleys die Ohren gegen die Wohnzimmertür.

 

„Du bist unsere Schwiegertochter, Hermine, Merlin noch mal! Du bist Familie! Und wo ist Draco?“, schloss Narzissa nahtlos an. „Er wusste davon, oder nicht?“

 

Und Hermine hatte keine Ahnung, wo Malfoy war. Es war ihr egal, sie wollte nicht an ihn denken, denn sie schämte sich in Grund und Boden, wenn sie das tat!

 

„Narzissa-“

 

„-ich fasse es nicht!“, wiederholte Narzissa aufgebracht. „Und verletzt bist du auch noch!“, bemerkt sie mit einem Blick auf Hermines steifen Arm. „Wieso hast du mich nicht geweckt? Wieso nicht?“, rief sie aus.

 

„Ich… ich… es war nicht…-“ Aber Hermine hatte keine Chance. Narzissa ließ ihr keine Chance, sich zu erklären, und Hermine glaubte, Narzissa wollte nicht mal, dass Hermine sich erklärte, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Hermine Vorwürfe zu machen. Hermine senkte also ergeben den Blick.

 

„-und deine Eltern! Was werden deine Eltern sagen? Was werden deine Eltern denken, Merlin noch mal!“

 

„Sie würden niemals-“

 

„-oh, ich weiß, was sie denken würden!“, sprudelte Narzissa weiter, während sie sich die blonden Haare raufte, die sich aus dem hübschen Fischgrätenzopf lösten. „Sie würden denken, dass die bösen Todesser ihre Tochter umbringen wollen! Das würden sie denken!“, donnerte Narzissas Stimme.

 

Hermines Mund öffnete sich, als Narzissa unglücklich die Augen geschlossen hatte und sie die Hand über die Schläfe fuhr.

 

„Narzissa, das ist Unsinn. Ich war doch Schuld an dem Feuer. Es hatte doch niemand etwas damit zu tun“, erwiderte sie völlig entgeistert, ob Narzissas Gedanken. Narzissas Augen öffneten sich wieder.

 

„Ich will nicht, dass du denkst, du müsstest so etwas geheim halten! Es sind nur Bücher, Hermine! Du bist tausendmal wichtiger!“, stellte Narzissa entrüstet fest. Hermine sah die Frau vor sich an. Es war so schwer. Wie sollte sie dieser Frau wehtun?

 

„Narzissa, meine Eltern würden dir niemals einen Vorwurf machen – oder Lucius“, stellte Hermine selber ein wenig überrascht fest. Nein, ihre Eltern mochten die Malfoys. Das war schon seltsam genug, oder nicht? „Und ich… hatte mich geschämt. Und es tat mir so unendlich leid, und…“

 

„Du musst dich nicht entschuldigen. Hauptsache, es geht dir gut.“

 

Das Gespräch hatte wieder eine normale Lautstärke angenommen. Hermine sah, wie sich Narzissas Züge wieder entspannten, wie ihre Mundwinkel nicht mehr so ernst nach unten gezogen waren.

 

„Wo ist Draco?“, fragte sie wieder, und Hermine musste die Achseln zucken.

 

„Ich… ich weiß es nicht“, wich sie Narzissas stechendem Blick aus. „Vielleicht bei Blaise?“, schlug Hermine in Ermangelung besseren Wissens vor. Narzissa bedachte sie mit einem eigenartigen Blick.

 

„Ihr… verbringt nicht viel Zeit zusammen, nicht wahr?“, fragte sie tatsächlich.

 

Genug, hätte Hermine gerne gesagt. Schon mehr als zu viel Zeit, dachte sie verärgert. Narzissa schüttelte sanft den Kopf. „Ihr müsst nicht so erwachsen tun, Hermine“, sagte sie ernst. „Ich weiß, die Gesellschaft sieht nach einer Menge Arbeit und sehr viel Etikette aus, aber vieles ist nur Schau, verstehst du?“

 

Oh. Narzissa dachte, Hermine hielt sich zurück? Das war fast süß. Hermine blickte zur Seite. Wie könnte sie am besten nicht mehr über Malfoy reden?

 

„Hm“, machte Hermine ausweichend.

 

„Du willst darüber nicht reden?“, vermutete Narzissa fälschlicherweise. „Ich verstehe“, räumte sie allerdings anschließend mit einem Nicken ein. „Es tut mir leid, dass ich dich hier so überfallen habe. Aber… ich hatte mir solche Sorgen gemacht. Ich… ich weiß, ich kann furchtbar stur sein und… ich weiß, ich habe dich praktisch in meine Familie gezwungen, aber ich will, dass du dich wohl fühlst, dass du kein Problem damit hast, zu mir zu kommen, und mit mir zu reden, egal über was, Hermine!“, sagte Narzissa mit so viel Wärme in der Stimme, dass Hermine fast schon gehen wollte.

 

Sie zwang sich zur Ruhe. „Danke“, sagte Hermine lediglich. Denn sie musste anfangen, Abstand zu gewinnen. Mehr Abstand als bisher.

 

„Gut“, sagte Narzissa erleichtert. „Ich will dich hier nicht weiter stören. Ich denke, ich habe so laut gesprochen, jetzt wissen ohnehin alle bescheid“, ging ihr beschämt auf. „Sehe ich dich Zuhause? Du schläfst doch wieder bei uns im Haus, oder?“, entkam es ihr fast hoffnungsvoll.

 

Und dieses Mal konnte Hermine ihr auch nicht ehrlich antworten.

 

„Ja, tue ich. Wir… sehen uns später“, verabschiedete sie sich kurz angebunden. Narzissa wirkte ein wenig traurig, aber Hermine würde sie nicht trösten, ihr nicht versichern, dass alles in Ordnung war. Es ging nicht mehr.

 

„Dann… hab noch einen schönen Abend, bis später“, erwiderte Narzissa und verließ nach einem kurzen stillen Moment den Flur, und ihre elegante Erscheinung war schließlich aus dem Hause der Weasleys verschwunden. Es war, als wäre es nur ein Traum gewesen.

 

„Du hast also die Bibliothek der Malfoys in Brand gesteckt, hm?“, erkundigte sich Harry, der im Türrahmen zum Wohnzimmer lehnte. Hermine verzog gequält den Mund.

 

„Es war ein Versehen!“, beteuerte sie. „Wirklich ein Versehen!“

 

Harry hob eindeutig die Augenbrauen. „Schade“, sagte er trocken, und Hermine wusste, an dieser Front würde es auch noch einige Diskussion geben. Sie konnte es kaum erwarten, dachte sie trocken, als sie Harry zurück ins Wohnzimmer folgte.

 

~*~

 

„Er ist wunderschön, Draco“, sagte Astoria voller Ehrfurcht, und ein strahlendes Lächeln erhellte ihre Züge, als sie den Ring aufsetzte.

 

Wow, wie hatte er so dumm sein können, und Granger auch nur einen zweiten Blick schenken können?! Er wusste es nicht, denn vor ihm saß seine Göttin. Sie war so unglaublich perfekt!

 

Heute trug sie einen dunkelblauen Rock, einen hellen Pullover, und sein Blick konzentrierte sich auf ihre Augen, denn sonst würde er in ihr Dekolleté abrutschen und er würde versinken, befürchtete er.

 

„Schön, wenn er dir gefällt“, würgte er abgelenkt hervor.

 

„Danke“, erwiderte sie aufrichtig. Dann wurde ihr Blick ernster. „Das ist ein abgelegenes Plätzchen hier“, stellte sie vorsichtig fest, und sah sich um. Sie befanden sich am Rand des Ortes, in einer winzigen Gaststätte, die Draco nur ausgesucht hatte, weil sie nahezu verlassen war und niemand sie hier kennen würde.

 

„Ja, ich… - ich weiß“, räumte er ein, denn er wusste noch nicht genau, wie er es anstellen sollte. Ihr Blick war entwaffnend ehrlich.

 

„Alles ok?“, fragte sie schließlich, und er sah sich unauffällig um, als neue Gäste die Schenke betraten. Er kämmte sich mit den Fingern nervös durch die Haare und hatte bereits längst vergessen, dass er sie heute extra frisiert hatte. Eine widerwillige Strähne schien ihm wieder dankbar in die Stirn zu fallen. Scheiße. Sie waren zu lang geworden.

 

„Ja, ja. Sicher, alles bestens“, erwiderte er abwesend, während er feststellte, dass er keinen der neuen Gäste kannte.

 

„Draco?“ Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Bist du dir sicher?“

 

„Sicher?“, wiederholte er verwirrt und schenkte ihr wieder seine Aufmerksamkeit. „Sicher? Mit was?“, erkundigte er sich und schenkte ihr ein schmales Lächeln.

 

„Dass alles ok ist“, schien sie nachsichtig zu wiederholen.

 

„Ja!“, sagte er hastig und nickte. „Sicher bin ich sicher.“ Er klang wie ein Idiot.

 

„Ok“, bestätigte sie langsam. „Ich habe auch ein Geschenk für dich. Ich… war mir nicht sicher, ob ich… eins besorgen sollte, wenn du keins hättest, aber…“ Er merkte, Astoria wirkte selber mehr als nur nervös. Wieso war sie nervös, fragte er sich unwillkürlich.

 

„Natürlich hatte ich ein Geschenk für dich!“, rechtfertigte er sich vehement, als wären Geschenke etwas, was er jeden Tag für seine Lieben besorgen würde.

Sie lächelte warm und reichte ihm einen großen Umschlag aus einer Tasche, die sie dabei hatte. Er war so naiv, dass er sich nichts dabei gedacht hatte, als sie damit aufgetaucht war.

 

„Es… es ist etwas albern – wahrscheinlich. Und… peinlich“, murmelte sie. „Ich… habe es selber gemacht. Ach, es ist so doof!“, sagte sie kopfschüttelnd, und sie wurde rot. Sie sah so aus, als wolle sie ihm den Umschlag wieder abnehmen, aber geistesgegenwärtig hielt er ihn in die Höhe, als er ihn öffnete.

 

„Jetzt bin ich neugierig“, bemerkte er grinsend. 

 

„Wenn es dir nicht gefällt, wenn du es blöd findest, dann – gib es einfach zurück und wir reden nie mehr darüber!“, sagte sie sehr hastig. Er zog gespannt ein Blatt Papier aus dem Umschlag. Seine Vorfreude sank, denn wenn es nicht gerade magische Aktien waren, konnte er sich nicht vorstellen, was so besonders an einem Blatt Papier sein könnte.

 

Astoria hatte ihr Gesicht in ihren Händen vergraben, während sein Blick auf das Papier gefallen war. Es war eine Zeichnung. Sie war schwarz weiß, und eindrucksvoll waren die Berge der Schweiz im Hintergrund mit Graphit angedeutet. Er erkannte sich, wie er vor der Skihütte auf dem Liegestuhl saß, die Augen geschlossen, völlig entspannt.

Sein Mund öffnete sich.

 

„Das-“

 

„-ich habe es gezeichnet“, erklärte sie eilig, „es war noch, bevor ich mich vorgestellt hatte. Ich… hatte dich gesehen, und ich hatte gedacht, es wäre ein… gutes Motiv. Aber mittlerweile denke ich, so ein Geschenk ist nur albern“, flüsterte sie.

 

Er hob den Blick. „Es ist perfekt“, sagte er schlicht, rutschte auf die Bank neben sie und schloss den Abstand.

 

Er küsste sie, ohne zu zögern. Er spürte sie schaudern, spürte, wie sie sich entspannte, wie sie seinen Kuss erwiderte, und all seine Nervosität war von ihm abgefallen.

Oh ja, er wusste, warum er sie wollte. Sie war einfach perfekt. Er löste sich von ihren Lippen, und ihre blauen Augen sahen ihn bereits voller Wärme an.

 

„Ok“, erwiderte sie schüchtern, die Wangen gerötet. Sie schob sich eine glatte Strähne hinter ihr Ohr und mied scheu seinen Blick.

 

„Lass uns woanders hingehen“, raunte er ihr jetzt ins Ohr.

 

„Draco“, begann sie abwiegelnd, aber er wollte nicht warten. Er wollte sich nicht länger gedulden, sich nicht beherrschen müssen.

 

„Es ist ok“, sagte er nur. „Wir können… in ein Hotel hier in der Gegend. Das wäre-“

 

„-Draco“, wiederholte sie eindringlicher, „ich… ich werde nicht mit dir schlafen, wenn es das ist, was du denkst“, wisperte sie, so dass nur er sie hören konnte. Was? Wieso sagten das ständig alle Mädchen zu ihm?!

 

„Oh“, entfuhr es ihm blöderweise. Aber ihre Mundwinkel zuckten leicht. Nur sehr kurz. „Kein Problem. Ich dachte nur, wir… hätten dort… bequemer Reden können“, log er schlecht. Sie lächelte jetzt.

 

„Ja, ich bin mir sicher, das hast du gedacht.“

 

Und sie schwiegen kurz. Sie wirkte… tatsächlich enttäuscht. Er wusste nur nicht, warum. Hatte er einen Fehler gemacht? Sie hatte den Blick endlich wieder gehoben.

„Vielleicht sollten wir den Abend hier beenden?“, wagte sie sanft zu fragen.

 

Sein Kiefer lockerte sich. Was?! Nein, sollten sie nicht! Er brauchte sie! Er wollte sie! Würde er sie nicht haben, würde er noch Unsinn anstellen! Nein, nein, nein! Das konnte er nicht gebrauchen.

 

„Astoria“, begann er hilflos, „ich… wollte dich bestimmt nicht beleidigen!“

 

Sie hob abwehrend die Hände. „Nein, hast du nicht. Ich…- ich denke, wir sollten es langsam angehen, denkst du nicht?“, fragte sie hoffnungsvoll. Er hätte schreien können vor Wut!

 

„Sicher“, erwiderte er knapp und resignierte. Er wich zurück. „Kein Problem“, ergänzte er kapitulierend.

 

Sie war ihm ein Rätsel. Und sie war frustrierend. Er hatte den Abend anders geplant. Er wusste nicht, wann sie sich das nächste Mal sehen würden. Sie war aufgestanden.

 

„Ich zahle“, sagte sie prompt, und nahm ihm damit auch noch das letzte Bisschen an Dominanz, als sie einige Knuts auf den Tisch warf, und er ihr nur noch folgen konnte, als sie die Schenke hastig verließ. Draußen war es kalt, Schnee fiel sanft von oben und erleuchtete die Gassen. „Ich appariere von hier“, sagte sie auch noch, „danke, für den schönen Abend, Draco“, versicherte sie ihm und drückte kurz seine Hand. Sie drückte seine Hand. Würde er es nicht besser wissen, würde er annehmen, er bekam gerade eine Abfuhr. Seine erste Abfuhr! Granger ausgenommen, aber… nicht mal das stimmte mehr. Wenn sie die Kette trug. Aber das hier war einfach nur eine Blamage.

 

„Ok“, sagte er betrübt.

 

„Sehe ich dich Silvester? Ich bin sicher, meine Eltern laden deine Eltern ein, und… vielleicht kommst du?“ Er wusste ihre Stimme nicht einzuordnen. Klang sie traurig? Freute sie sich? War sie enttäuscht? Es war alles durcheinander. Er überlegte. Das würde ein Chaos werden. Es würde nicht gut ausgehen.

 

„Ich… versuche es“, räumte er ein.

 

„Gut“, flüsterte sie, schenkte ihm ein Lächeln, und schien zu warten, dass er verschwand. Er verstaute das Bild im Umschlag und rollte ihn zusammen, ehe er ihn in seinem Umhang verbarg. Merlin, dieses Mädchen wollte wirklich, dass er schleunigst verschwand.

 

Seine schlechte Laune war zurückgekehrt, als er ohne ein weiteres Wort apparierte. Sie hatte ihm einen Korb gegeben.

 

Aber sie wollte ihn Silvester sehen. Er verstand scheinbar weder Frauen, noch ihre seltsamen Signale!

 

~*~

 

Traurig blickte sie Draco nach, während neben ihr der Schnee aufwirbelte. Eine Gestalt apparierte lautos neben ihr. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schimmerte der Umhang violett unter den Laternen.

 

„Wieso geht er bereits?“, fragte die kühle Stimme ihrer Mutter fast genervt.

 

„Er hat noch etwas vor“, log Astoria tonlos, ohne ihrer Mutter ins Gesicht zu sehen.

 

„Astoria, wir haben das besprochen“, knurrte ihrer Mutter, als sie näher kam. „Er hat dich ja wohl nicht umsonst in diese Einöde geschleppt, wenn er nicht noch weitere Absichten mit dir hat!“, zischte ihre Mutter zornig.

 

Astoria ballte die Hände zu Fäusten und verbarg somit den Ring, den Draco ihr geschenkt hatte. Endlich hob sie den Blick. Hart blickte sie ihrer Mutter ins halb verdeckte Gesicht.

Der rote Lippenstift ihrer Mutter stach krass in der weißen Pracht des Schnees hervor.

 

„Ja, es bedeutet, dass er es geheim halten möchte“, erwiderte sie, mit möglichst wenig Enttäuschung und mehr Kälte in der Stimme. Ihre Mutter zog die magisch gespritzte Stirn kraus, aber es war schwer, denn Falten waren im Gesicht ihrer Mutter nicht mehr wirklich auszumachen.

 

„Unsinn. Hast du wenigstens versucht, ihn zu locken? Ihn zu verführen?“, wollte ihre Mutter verärgert wissen.

 

„Ja, Mutter“, log Astora mit zusammengebissenen Zähnen. Ihre Mutter wirkte nicht zufrieden.

 

„Du bist absolut unfähig, Astoria! Nach allem, was ich gehört habe, ist Draco Malfoy von einer Frau leichter zu beeinflussen als Lucius Malfoy seinerzeit von Voldemort, also begreife ich nicht, weshalb du jetzt hier alleine stehst, und er appariert ist!“ Astoria wurde von einer Antwort verschont, als ein paar Gäste angeheitert und gut gelaunt die Schenke verließen. Ihre Mutter bedachte die fröhlichen Leute mit einem angewiderten Blick.

 

Dann nickte sie grimmig.

 

„Warst du wenigstens klug genug, ihn zu Silvester einzuladen?“, fragte sie streng.

 

„Ja, Mutter“, wiederholte Astoria mit zitternder Stimme, ohne den Blick zu heben.

 

„Gut. Wird er kommen?“, fuhr ihre Mutter fort, und zog sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht, als bestünde die Chance, dass jemand sie erkennen konnte – als ob es irgendjemanden interessierte, dachte Astoria zornig.

 

„Er versucht, zu kommen“, widersprach Astoria eindringlich.

 

„Dann kommt er besser auch, Astoria! Wenn die Einladung Malfoy Manor erreicht, dann wird er auch seine reizende Frau nicht mehr länger verstecken können, denn ich lade sie ebenfalls ein“, erklärte ihre Mutter ohne jede Freundlichkeit in der bitteren Stimme. „Es wäre dann das erste Mal in der Geschichte der Greengrass‘, dass eine schmutzige Muggel unser Schloss betritt“, fuhr sie halb amüsiert, halb angewidert fort.

 

„Ja, Mutter“, murmelte Astoria resignierend, und sie apparierte nachdem ihre Mutter verschwunden war.

 

Während die bunten Farben an ihnen vorbeisausten, versuchte Astoria, ihre Enttäuschung zu verdrängen, ihren Zorn, alles, was sie als Kind aberzogen bekommen hatte. Wieso hörte sie auf ihre Mutter? Hätte er nicht längst etwas gesagt, wenn er es ernst meinen würde? Wie lange wollte er seine Frau verheimlichen? Und… zu Beginn war es ihr egal gewesen. Sie kannte Draco Malfoy gut genug, um zu wissen, dass er eine geeignete Partie abgab, dass sie sich in den Komplott ihrer Mutter verstricken lassen konnte. Er besaß Millionen.

 

Im Skiurlaub hatte ihre Mutter ihr den Plan unterbreitet, Draco Malfoy diesem Mädchen abzuluchsen, ihn dazu zu bringen, seine Frau zu verlassen, damit das Vermögen der Malfoys und der Greengrass‘ vereint werden könne. Schon vor dem Urlaub hatte ihre Mutter den Plan geschmiedet, und hatte Astoria mit versteckten Hinweisen praktisch dazu angestiftet, ausgerechnet den Urlaub in der Schweiz zu machen.

 

Und es machte mehr Sinn, Astoria hatte das verstanden. Sie hatte sich um ihre Familie zu sorgen, um das Vermögen, das Erbe. Es ging um Gold und Macht. Auch wenn ihre Mutter veranlasst hatte, dass Astoria und ihr Vater aus Frankreich hatten heimkehren müssen, um den geheimen Plan ihrer Mutter zu verwirklichen.

 

Und sie hatte nicht damit gerechnet, dass… sie ihn mögen würde.

 

Dass sie wollte, dass er das Geheimnis nicht länger für sich behalten konnte, dass er einsah, seine Hochzeit war ein Fehler gewesen, und dass er nur noch sie haben wollte.

 

Aber mittlerweile zweifelte Astoria daran. Er wollte sie nur als Mätresse haben. Als nichts sonst.

 

Und sie war zu weit gegangen. Denn würde sie ihm nun die Wahrheit sagen, würde er ihr nicht verzeihen können. Und dann würde sie ihn nie wiedersehen.

 

Und wenn er Silvester käme? Und seine Frau käme mit ihm? Was würde er dann sagen? Wie würde er es erklären? Ihre Mutter glaubte, man müsse ihn nur genug zwingen, ihn in genügend Bedrängnis bringen, damit er es ihr eingestand, aber Astoria wollte es mittlerweile gar nicht mehr hören. Sie wollte nicht, dass er es unter Zwang gestand, dass sie ihn praktisch nötigte, es zuzugeben, weil es eben unausweichlich war. Sie wollte ihn nicht verführen, wie ihre Mutter es geplant hatte, ihn dann erpressen, seine Frau zu verlassen, damit er sie dann heiraten würde.

 

Sie hatte nicht nachgedacht.

 

Zwar hatte er ihr einen wunderschönen Ring geschenkt, aber sie glaubte nicht mehr, dass er es ernster mit ihr meinte, als mit einer Bettgeschichte. Einer Geliebten. Einer günstigen Gelegenheit.

 

Aber sie meinte es ernst.

 

Und sie hatte einer Tatsache wenig Bedeutung geschenkt. Sie hatte von Hermine Granger gehört, hatte viel von ihr gelesen und hatte sie bestimmt nicht als die Person eingeordnet, die einfach so Draco Malfoy heiraten würde.

 

Diese Neuigkeit hatte in ihrer Welt Wellen geschlagen. Alle Reinblüter sprachen davon, hielten es lange Wochen für einen absurden Mythos, aber mittlerweile war die Information angekommen. Sogar in Frankreich. Draco Malfoy war verheiratet mit der Muggel, die Voldemort zu Fall gebracht hatte.

 

Es war so abwegig. Astoria glaubte das immer noch. Aber… seine Frau schien eine seltsame Variable in der Konstanten zu sein. Es passte nicht. Und doch… hatte Draco sie noch nicht erwähnt; er selber hatte es noch nicht als abwegig abgetan.

 

Sie wusste nicht, wie weit sie bereit war, zu gehen. Was sie bereit war, aufzugeben.

Oder ihre Mutter. War es nicht chancenlos? Sie hätte weinen können, denn sie hatte die Mahnung ihrer Mutter missachtet. Gefühle waren fehl am Platze, aber… Astoria mochte ihn. Sie war verliebt in ihn. Und sie wusste nicht, wie es ausgehen würde.

Sie schaffte es schon nicht mal mehr, ihn zu verführen, wenn sie wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte.

 

Und Astoria wusste, sie war nicht so böse und hinterlistig wie ihre Mutter. Sie würde es nicht schaffen. Sie würde so nicht sein können – nicht bei ihm.

Und sie war gespannt auf eine Person. Eine Person, an die sie nicht denken wollte, denn es bereitete ihr schlaflose Nächte vor Angst. Neben ihrer Mutter gab es eine weitere Person.

 

Was war Hermine Granger für eine Person, und was tat sie hier in ihrer Welt? Und wenn Draco sie liebte, dann würde Astoria den Plan nicht durchziehen können. Es würde nicht reichen, Draco nur als Liebhaber zu haben. Es wäre nicht genug.

Und bevor sie ihn teilte, bevor sie sich selber demütigte, würde sie es nicht tun können.

 

Unglücklich kam sie an, und unglücklich folgte sie ihrer Mutter über das Grundstück.

Es war wie ein falsches Märchen. Aber sie fühlte sich nicht wie die Prinzessin, mochte es auch vielleicht so aussehen. Sie kam sich vor, wie die böse Stiefschwester.

Und sie wusste, die Bösen gewannen doch nie. Und sie hatte Angst, denn sie wollte nicht die Böse sein, aber irgendetwas in ihrem Innern sagte ihr, es war bereits zu spät.

 

Traurig folgte sie der bösen Königin in ihr Schloss, wo die nächste trostlose Nacht auf sie wartete, während ihre Mutter finstere Pläne schmiedete. Aus dieser Welt gab es kein Entkommen. Also was genau hatte Hermine Granger hierher gezogen? Astoria konnte es sich nicht erklären. Wenn sie nicht so viel Angst hätte, dann würde sie gehen. Aber das konnte sie nicht mehr.

 

 

Kapitel 42

 

Hermine hatte nicht im Herrenhaus geschlafen. Sie hatte drüben geschlafen. Sie hatte geweint, sie hatte geschrien, und sie hatte keine Ahnung mehr, wie sie soweit hatte kommen können. Wie sie absolut gar nichts hatte ändern können!

 

Es war früher Morgen, aber sie hatte nicht mehr vor, rüber zu gehen. Sie wollte dort nicht frühstücken. Sie wollte nach Hause, zu ihren Eltern, und dort wollte sie bleiben!

 

Sie hatte einige Sachen in eine Reisetasche gepackt, sie aber dann stehen gelassen, denn was brachte es ihr, abzuhauen? Gar nichts! Ihre Pläne hatten sich alle verschoben, schienen alle anders geworden zu sein, aber sie musste sich konzentrieren! Und es war so schwer!

 

Tränen verschleierten ihre Sicht, während sie wütend wurde. Noch wütender als vorher.

 

Wild blickte sie um sich. Im Regal entdeckte sie den glitzernden Schuh. Ihren gläsernen Hochzeitsschuh, als wäre sie eine verdammte Prinzessin! Sie lief zu dem Regal, hob ihn aus dem Fach und mit all ihrer Kraft schleuderte sie ihn gegen die Wand neben dem Kamin.

 

Er zerbrach mit einem lauten Klirren in so viele Scherben, dass Hermine nicht wagte, einen Schritt zu tun. Sie wartete, bis es in ihrem Kopf ruhiger wurde, nur um in die Küche zu gehen. Stoisch, fast manisch öffnete sie die Schranktüren, um das Porzellan einzeln hervor zu holen und quer durch die Küche zu werfen. Was dachten die Leute? Dass sie ihr schöne Sachen schenken konnten? Sie in ein Haus steckten, und sie würde einfach ihren Plan vergessen?! Nein! Scherben häuften sich über Scherben, und sie hörte in ihrem Wahnsinn, wie sich die Haustür schloss. Mit dem Teller in der Hand, ging sie zielstrebig ins Wohnzimmer, wartete, bis sie seinen verhassten, widerlichen, blonden, eingebildeten und grenzenlos dreisten Kopf sah – und warf!

 

Sein Ausdruck war mehr als überfordert, als er den Teller auf sich zuschießen sah. Er hatte keine Zeit für seinen Zauberstab und presste sich einfach flach gegen den bogenartigen Durchgang zum Wohnzimmer, um nicht erschlagen zu werden. Der Teller zerbarst auf dem Boden hinter ihm.

 

Er starrte sie an, aber sie zog den Zauberstab.

 

„Was?“, wollte sie mit rauer Stimme von ihm wissen, und es war nett, zu sehen, dass Draco Malfoy Angst bekam. Sie würde wahrscheinlich selber Angst vor sich haben. „Was willst du hier? Was kannst du hier wollen, Malfoy?“, donnerte ihre Stimme. Und er wirkte, als verstünde er ihre Sprach nicht mehr.

 

Sie durchschritt das Wohnzimmer. „Geh mir aus dem Weg! Geh mir bloß aus dem Weg!“, knurrte sie, als sie auf ihn zukam, während ihre Locken wild flogen.

 

„Bist du verrückt geworden?“, fragte er sie fast ein wenig kleinlaut. Draco Malfoy kleinlaut? Es gab ihr nur weiteres Adrenalin.

 

„Nein, Arschloch. Ich bin nicht verrückt! Ich bin wütend. Und es geht dich einen Scheißdreck an!“, brüllte sie außer sich, während sie weinte, und sich ärgerte, dass sie weinte.

 

„Ich nehme an, du hast deine Periode? Und dieses Verhalten ist für dumme Muggel norm-“

 

Doch er konnte nicht weiter sprechen, denn mit einem stummen Zauber zwang sie seine Kehle zu, presste ihn gegen die Wand, und eine unsichtbare Kraft zog ihn an der Kehle nach oben.

 

„Halt deine Klappe!“, knurrte sie. „Ist das so schwer, Malfoy? Einfach mal deinen Mund zu halten?! Das wirst du doch wenigstens dann können, wenn ich dir echte Gewalt androhe, oder?“, schrie sie zornig, und er schwieg – aber was blieb ihm übrig, wenn sie seine Kehle magisch zudrückte?! Ein Hauch an Panik war in seinen Blick getreten. Natürlich nicht echte Panik, denn er war so eingebildet, dass er dachte, er hätte hier eine faire Chance. Er hielt völlig ruhig, wahrscheinlich weil er begriffen hatte, dass jede Bewegung den Zauber nur verstärken würde.

 

Es verging ein knapper Moment, und sein Gesicht begann dunkler anzulaufen.

 

Und Rationalität überkam sie mit voller Macht. Sie senkte den Zauberstab resignierend, der Fluch brach, und er stürzte zu Boden, keuchend, während er sich an den Hals griff und röchelnd husten musste.

 

Er hob gehetzt den Blick, wich kriechend an die Wand zurück, denn sie hielt immer noch den Zauberstab in der Hand. Ihr Atem hatte sich seltsamerweise beruhigt.

 

Malfoy ein wenig zu quälen, schien das gewesen zu sein, was sie gebraucht hatte. Und sie war dankbar für jede Ablenkung, die sie sich selber verschaffte, bevor ihr die Bilder aus der Dusche wieder in den Kopf stiegen!

 

Er kam langsam auf die Beine, vorsichtig, während er sie nicht aus seinem Blick ließ. „Das… das war dafür, dass du mich vergewaltigt hast, du Arschloch!“, flüsterte sie hasserfüllt. Sein Mund öffnete sich perplex, aber er sagte nichts. „Wenn du noch eine weitere Nacht in diesem Haus hier schläfst, dann bringe ich dich um, hast du verstanden?“, wisperte sie. Er sah sie nur an. „Zuerst kastriere ich dich und dann bringe ich dich um!“

 

Er machte den Versuch, seinen Zauberstab zu ziehen, aber stumm sprach sie den Expelliarmus, und sein Zauberstab flog in ihre ausgestreckte Hand.

 

„Es ist vorbei“, flüsterte sie zitternd. Sein Blick hatte sich gehoben. „Die guten Zeiten sind vorbei, Draco Malfoy“, schloss sie heiser, während sie den Zauberstab wieder hob. Er starrte sie an, als wüsste er nicht mal, von welchen guten Zeiten sie sprach, aber dachte er, es wäre jetzt alles schon schwer gewesen, dann würde er sich wundern! „Steh auf“, befahl sie tonlos, und er folgte. Er war nicht dumm genug, sich zu widersetzen.

 

Er stand vor der Wand, und sie kam näher.

 

Und sie spürte ein seltsames Gefühl, als sie näher kam. Es überkam sie bis in die Zehenspitzen. Und es war nicht gut. Es war ein Kribbeln, und sie hasste es augenblicklich. Sie fühlte, wie sich etwas aufbaute.

 

„Wag es nicht, dich zu bewegen!“, knurrte sie, ein wenig abgelenkt, und sie gewann wieder Fokus. Sie hatte gesehen, dass sein Blick kurz gefallen war. Von ihrem Gesicht zu ihrem Hals, aber er sah sie wieder an. „Zieh dich aus!“, befahl sie jetzt, und sein Mund öffnete sich überrascht. Aber er sagte gar nichts. Und sie wollte ihn demütigen. Sie wollte, dass er sich auszog, alle seine Sachen verbrennen und ihn dann in den Schnee werfen! Das wäre ein verdammt guter Plan!

 

Und er musste sie für absolut wahnsinnig halten, denn tatsächlich hoben sich seine Hände langsam zu den Knöpfen seines Hemds.

 

Ihr Blick war eisern auf sein Gesicht gerichtet. „Los!“, knurrte sie böse. Er öffnete den ersten Knopf, den zweiten – aber sie sprach stumm den Diffindo-Zauber, und die restlichen Knöpfe flogen von seinem Hemd. Sie sah, wie er kurz zusammen zuckte.

 

„Zieh es aus!“, sprach sie gepresst. Er zog sein Hemd aus, und sie ließ den Zauberstab zu seiner Hose wandern. „Ausziehen“, sagte sie trocken, und dieses Mal folgte er dem Befehl schneller. Er hatte wohl Angst, dass sie hier auch den Diffindo anwenden würde.

 

Seine Hose stand offen. Sie schluckte kurz, denn ihre Kehle war so schrecklich trocken. Was… was der Plan noch mal? Sie hatte das Gefühl, als würden ihre Fingerspitzen brennen. „Ausziehen“, wisperte sie, den Zauberstab immer noch erhoben. Er sah sie an. Kurz unschlüssig. Sein Atem ging schneller.

 

„Granger-“, begann er, aber sie hatte keine Lust, dass er sprach.

 

„-ausziehen, Malfoy!“, brüllte sie, und seine Hose fiel seine Beine hinab. Unregelmäßig hob sich seine sehnige Brust. Tränen stachen in ihren Augen, denn sie wollte ihn verletzen, wollte ihn demütigen und gleichzeitig wollte sie ihn berühren, ihn küssen, und ihr Herz schlug zu schnell.

 

„Was… was passiert mit mir?“, flüsterte sie, rieb sich mit der freien Hand kurz über die Augen, als ihre Sicht zu verschwimmen drohte.

 

„Granger-“, begann er drängender, aber sie sah ihn wieder an, hob panisch den Zauberstab, und fixierte ihn wieder, als sich der Nebel lichtete.

 

„Ich habe gesagt, du sollst deine verdammten Klamotten ausziehen!“, rief sie verzweifelt. „Ich kann sie dir mit dem verdammten Imperius auch vom Körper schaffen, aber es ginge schneller, wenn du einfach tust, was ich sage!“

 

Und schon war er die Shorts losgeworden, und eine Träne lief über ihre Wange, als sie überall hinsah, nur nicht auf seinen Penis.

 

Es verging ein kurzer Moment, in dem sie laut atmete, als mangele es ihr an genügend Luft.

 

„Und jetzt was?“, wollte er sehr kalt wissen.

 

„Jetzt… wirst du nach draußen gehen“, sagte sie bestimmte und hatte den Zauberstab wieder auf seine Brust gerichtet. Seine Augenbrauen hoben sich knapp.

 

„Das ist nicht dein ernst, oder?“, knurrte er, und sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Sie kam näher, machte einen Schritt auf ihn zu.

 

„Ich werde es nicht noch mal sagen“, flüsterte sie.

 

„Bereitet dir das Spaß, du dummes Miststück?“, fragte er sie zornig.

 

„Ja, Malfoy“, erwiderte sie müde. „Es macht verdammt viel Spaß!“

 

„Ich werde es nicht tun. Viel Spaß mit dem Imperius, Granger. Und viel Spaß, wenn du das der Magischen Strafverfolgung erklären willst!“, warnte er sie knapp. Sie hatte sich vor ihn gestellt, so dass er jetzt den Kopf tiefer legen musste, um sie anzusehen.

 

Ihr Zauberstab berührte mittlerweile seine Brust. Wie wenig es ihm ausmachte vor ihr nackt zu sein, dachte sie verblüfft.

 

Und sie spürte es wieder.

 

Und sie wusste, es war ein Zauber. Es war… etwas mächtiges, worauf sie keinerlei Einfluss hatte. Und es übernahm ihre Sinne. Sie war weit entfernt von sich selbst, von aller Rationalität. Es überschwemmte ihre Gefühle, ihren Zorn und nichts blieb mehr übrig. Sie sah nur noch ihn.

 

„Zieh mir den Pullover aus“, flüsterte sie, und sein Mund öffnete sich ungläubig.

 

„Was?“, fragte er ehrlich überrascht.

 

„Zieh mich aus, Malfoy“, wiederholte sie, während sie ihn fixierte. Kurz öffnete sich sein Mund unschlüssig. Aber sie hob die Arme in die Höhe, und sah ihn weiterhin an. Es verging ein weiterer Moment. Sein Blick bohrte sich in ihren, wurde dunkler, wurde… gefährlicher, und bevor sie noch einmal sprechen konnte, hatten seine Finger den Saum des Pullovers ergriffen, ihn über ihren Kopf gezogen, über ihre Arme, über den Zauberstab, den sie immer noch in der Hand hielt. Ihre Haare fielen wild auf ihre Schultern zurück, und eine Träne lief ihre Wange hinab, denn sie begriff nicht mehr. Sie wusste nicht, was passierte.

 

Ohne sie aus dem Blick zu lassen, öffnete er die Knöpfe ihrer Jeans, zerrte sie ihre Beine hinab, stellte sich wieder vor sie, und ihr Herz ging schnell.

 

„Malfoy, du-“

 

Aber er schien genug zu haben. Mit einem schnellen Griff hatte er ihr den Zauberstab aus der Hand gerissen, warf ihn achtlos auf den Boden, schloss den Abstand, und seine Arme umfingen ihren bloßen Körper. Sie trug nur noch BH und Höschen, und ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken, während seine Lippen auf ihre trafen. Heiß und erbarmungslos.

 

Seine Zunge schob sich hart in ihren Mund, und sie stöhnte auf, als das Kribbeln ihren Körper erfasste. Er biss fast zornig in ihre Unterlippe, bis es wehtat, sog sie in seinen heißen Mund, ließ sie fahren und küsste ihren Hals, ihr Schülsselbein, und sie zog ihr Höschen ihre Beine hinab, stieg aus dem dünnen Stoff und griff nach seinem steifen Penis.

 

Er reagierte sofort, knurrte und stöhnte gleichzeitig, in rauen, dunklen Tönen, drehte sich mit ihr um, so dass sie gegen die Wand krachte. Sie keuchte auf vor Schreck, aber schon hatte er sie hochgehoben.

 

Ihre Finge krallten sich in seine Haare, kratzten über seine Kopfhaut, und ohne weitere Vorwarnung, rammte er sich in sie. Ihre Beine schlangen sich verlangend um seine Hüfte, während er tiefer in sie stieß. Sie schrie auf vor Lust, schrie seinen Namen, und seine Finger gruben sich grob in ihren Po, während er sie gegen die Wand hielt, und seine Stöße schneller wurden. Ihr Kopf fiel zurück gegen die Wand, als sie kam, und er ergoss sich keine Sekunde später in ihr.

 

Es war vorbei. Er atmete heftig gegen ihre nackte Schulter, hielt sie noch einen Moment gegen die Wand, ehe sie spürte, wie seine Beine zitterten. Dann stellte er sie auf dem Boden ab. Sie starrte ihn an. Das Gefühl war vorbei, die Scham setzte ein.

 

„Oh Gott“, flüsterte sie, ein wenig benebelt, und zwischen ihren Beinen pochte der empfindliche Punkt noch immer, nach ihrem sensationellen Höhepunkt.

 

„Ich hasse dich“, sagte er schwer atmend, stützte die Hände neben ihren Kopf gegen die Wand ab. „Ich hasse dich so sehr“, flüsterte er noch einmal. Er wirkte unglücklich und überfordert.

 

Sie sah überall hin, nur nicht in sein Gesicht.

 

„Verrücktes Miststück“, fuhr er erschöpft fort. Sie lehnte sich zurück gegen die Wand. Zu spät merkte sie, dass er wieder näher gekommen war. Erschrocken weiteten sich ihre Augen, aber seine Hand hatte sich um ihren Nacken geschlungen. Sie wollte protestieren, aber er küsste sie. Heiß und hart.

 

Sie bäumte sich gegen ihn auf, aber ihre Lippen öffneten sich nichtsdestotrotz unter seinen. Sie weinte, während er ihren nackten Körper wieder an seinen presste. Sie erwiderte seinen Kuss so brutal, wie er es tat, während ihre Fingernägel über seinen Brustkorb kratzten, und mit einer zornigen Bewegung riss er sie von den Füßen, hatte sie einfach hochgehoben, ohne den Kuss zu unterbrechen und schritt mit ihr Richtung Treppe.

 

Den zornigen, bösen Kuss. Sie wollte ihn nicht. Und sie wollte ihn.

 

~*~

 

Er lag neben ihr.

 

Er nahm nichts um sich herum mehr wahr. Er konnte wohl oder übel behaupten, er hatte sich völlig besinnungslos gevögelt. Und Granger gleich mit. Zwar war er nur rüber gekommen, um seiner Mutter zu entgehen, denn er hatte erfahren, dass Granger zu ihren Eltern wollte, aber er hatte nicht gewusst, dass Granger noch da gewesen war.

 

Die Uhr tickte, eine Eule schrie draußen. War es noch Tag oder war es schon dunkel? Er wusste es nicht zu sagen. Es war ein Abschieds-Fick, überlegte er. Denn es ging nicht mehr. Er war frustriert mit Astoria, aber es war nicht gut, dass er seine schlechte Laune damit besänftigte, ein Schlammblut zu vögeln. Es war nicht gut.

 

Und es lag nur an der scheiß Kette. Die musste verschwinden. Dann wäre alles wieder gut. Und dafür würde er sorgen, wenn er sich wieder bewegen konnte. Und er konnte es nicht leugnen, Granger war unfassbar gut. Sie war so… unglaublich wild.

Sie hatte ihm eine scheiß Angst eingejagt. Sie jagte ihm noch immer Angst ein.

 

Sie setzte sich neben ihm auf. Sie hatte nichts mehr gesagt. Seit Stunden nicht mehr. Sie hatte ihn geküsst, seinen Namen geschrien, jedes Mal, wenn sie gekommen war, und es waren einige Male gewesen.

 

Sie vergrub ihren Kopf in den Händen, und er zwang sich, ebenfalls gerade zu sitzen, so unmöglich es auch war. Er ließ den Blick über sie gleiten. Sie trug nichts, hatte leidglich das dünne Laken um sich gewickelt, und ihr Kopf lag stumm in ihren Händen.

 

Sie hatte bemerkt, dass er ebenfalls neben ihr saß, sie hob den Kopf und blickte nach rechts. Direkt in sein Gesicht. Sie wirkte verwirrt, erschöpft und sehr offen.

Er biss die Zähne zusammen. Ihr Blick war tödlich, so offen war er.

 

„Bin ich verrückt?“, fragte sie ihn leise, und er beobachtete ihr Gesicht. Ihre Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken, ihre glänzenden Augen, die sich wegen ihm ständig mit Tränen füllten. Er ruckte mit dem Kopf. Die Kette lag vergessen um ihren Hals, mittlerweile wieder schlicht und golden.

 

Dass sie sie immer noch trug! Wusste sie nicht, dass es so aussah, als würde sie unbewusst nur zu gerne Geschenke von ihm annehmen?! Und wie hatte die Kette geglüht, als sie ihn unten gezwungen hatte, sich auszuziehen. Er hätte sie am liebsten da schon gegen die scheiß Wand genommen, und er war froh, dass er es letztendlich getan hatte!

 

Verdammt froh.

 

„Ja“, bestätigte er, denn er hielt sie für völlig verrückt, leider – leider – war es nicht so unattraktiv, wie sie vielleicht meinen mochte. Denn mittlerweile stand er auf ihre verrückten Schübe. Sie waren geladen mit sexueller Spannung, und er liebte es.

 

„Scheiße“, murmelte sie und vergrub ihren Kopf wieder in ihren Händen. Plötzlich bewegte sie sich, wollte aufstehen, aber gegenwärtig hatte er die Finger um ihr Handgelenk geschlossen. Ihr Blick schoss hoch in sein Gesicht.

 

Er wusste nicht, warum er sie aufhielt. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

 

„Es…“, begann er rau, „es bedeutet gar nichts, hörst du?“, informierte er sie schließlich. Sie nickte langsam. „Nichts“, wiederholte er mit Nachdruck in der Stimme. Die Kette glühte in sanftem Grün. Es war, wenn er sie berührte. Er wusste das. Wann immer er ihr zu nahe kam. Und es war toxisch.

 

„Es ist ein Zauber“, flüsterte sie in stummer Erkenntnis. Sie hatte ihn durchschaut, stellte er überrascht fest. „Oder nicht?“, flüsterte sie, etwas benommen. „Ich… ich spüre es…“

 

Sie sah ihn an. So hilflos, so verdammt – ahrg!

 

Er lehnte sich vor und küsste sanft ihre geschwollenen Lippen. Sie zuckte zusammen, stieß ihn aber nicht von sich. Er kannte ihren Duft mittlerweile. Ihre Augen schlossen sich, aber er griff mit den Finger nach dem Anhänger um ihren Hals und riss mit einem sanften Ruck an der Kette.

 

Der Verschluss öffnete sich, und überrascht wich sie zurück.

 

„Was…?“, murmelte sie, aber er hielt ihr die Kette entgegen.

 

Langsam, sehr langsam hob sich ihr Blick.

 

„Trag sie… nicht mehr“, sagte er rau. Sie blinzelte überrascht. Die Faszination und die Lust waren aus ihrem Blick verschwunden. Ihre Augen weiteten sich, als sie begriffen hatte. 

 

„Du Arschloch…“, wisperte sie völlig schockiert. Und bevor er wieder richtig denken konnte, schloss er ein letztes Mal den Abstand. Sie protestierte unter seinen Lippen, aber er küsste sie ein letztes Mal. Seine Hand schlang sich um ihren bloßen Nacken, hielt sie still, und seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen. Sie sträubte sich, sie weinte, aber seine andere Hand griff ebenfalls in ihren Haare, zwang sie, ruhig zu halten, und er küsste sie, erforschte ihren Mund mit seiner Zunge, und dann löste er sich mit einem Ruck von ihren Lippen. Die Kette baumelte von seinen Fingern.

 

Sie starrte ihn an. Seine Hände fielen von ihr ab, und er hätte es kommen sehen können, aber er reagierte nicht, als ihre flache Hand ihn sein Gesicht klatschte. So laut und so heftig, dass er keuchend die Augen schloss. Sie war aufgesprungen, hatte das Bett verlassen, war aus dem Schlafzimmer verschwunden.

 

Was hatte er erwartet?

 

Er hatte erwartet, dass sie längst verschwunden wäre.

 

Mit einem letzten Kuss hatte er nicht mehr gerechnet.

 

Und er bereute es nicht. Er bereute es nicht, ihr die Kette genommen zu haben. Denn er wollte Astoria. Nicht Granger. Niemals Granger. Niemals das verrückte, unberechenbare Schlammblut.

 

Die Kette glühte in seiner Hand. Seine Faust hatte sich um den Anhänger geschlossen.

Er hatte seinen Preis gezahlt. Er hatte Granger haben müssen, hatte sie vögeln müssen. Das war es doch gewesen, oder nicht? Der scheiß Preis, den die scheiß Kette ihm abverlangt hatte?!

 

Er warf sie quer durch das Schlafzimmer. Sie flog gegen die Wand und kam auf dem Boden zu liegen. Der Schimmer war erloschen. Der Zauber war vorbei. Was für eine beschissene Idee von ihm! Er schloss die Augen und kämmte sich müde durch die Haare.

 

Er wollte Astoria. Niemanden sonst.

 

Niemanden sonst.

 

Er musste es sich nur immer wieder sagen.

 

 

Kapitel 43

 

„Pansy, Liebling?“, dröhnte die mittlerweile gereizte Stimme ihrer Mutter durchs Treppenhaus, und Pansy atmete nervöser aus, während ihre eiskalten Finger sich um das Geländer krallten. Sie war starr vor Angst. „James wartet?“, fuhr ihre Mutter schriller fort.

 

James Caspar McKnight wartete auf sie. Er war neunzehn, und er war der Graf von Hampshire, in achter magischer Erbfolge. Seine Familie besaß mehrere Landstriche, zwei Herrenhäuser in England, zwei in Frankreich und sein Wert betrug 170 Milliarden Galleonen. Das war weniger als ein Bruchteil der Hälfte, was Draco wert war, aber es war mehr als alles, was ein Weasley zu bieten hatte.

 

Sie kaute auf ihrer Lippe, und sie spürte, wie Tränen in ihren Augenwinkeln stachen.

Die Sonne war versunken, und sie hatte mit niemandem mehr über ihren Verlobten gesprochen. Nicht mehr mit Weasley, nicht mehr mit Hermine, die ohnehin nur annahm, Pansy hätte kalte Füße bekommen.

 

Und es wunderte Pansy nicht, dass ihre Mutter langsam glaubte, sie wäre verrückt geworden, denn Pansy hatte diesen Kandidaten auch noch ausgewählt. Sie atmete wieder aus, langsam und angestrengt.

 

Sie konnte nicht länger hier oben stehen, konnte sich nicht länger verbergen, denn es war nicht so, als hätte sie einen Tarnumhang. Aber sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Sie war sich nicht mehr sicher. Sie wusste gar nichts mehr.

 

Weasley hatte sie aus dem Fuchsbau geschleust, nachdem Pansy keine Lust mehr hatte, sich das wissende Grinsen seiner Schwester anzusehen, die glaubte, sie wüsste alles. Weder sie noch Weasley hatten irgendwelche Gerüchte bestätigt – die aber offensichtlich im Raum standen. Aber Weasley hatte ihr noch gesagt, er wäre morgen in der Stadt, in der Winkelgasse, im Laden seines Bruders, falls es jemanden interessieren würde, als er sie praktisch wieder zur Küchentür hinaus geworfen hatte.

 

Zwar hatte Pansy behauptet, zehn wilde Hippogreife würden sie nicht in die Nähe dieses Geschäfts bekommen, aber mittlerweile war sie sich da nicht mehr so sicher.

Jetzt, wo sie unsicher die Treppe hinabstieg.

 

Jeder Schritt kam ihr vor wie ein Fehler, einer schwerer als der nächste, als sie auf ihren hohen Absätzen Stufe um Stufe hinter sich ließ. Das Licht der Halle überflutete die Stufen, kroch langsam an ihr empor, über ihre Beine, den Saum ihres kurzen Kleides, bis hoch zu ihrem Gesicht. Ihre Haare wippten in dem sorgfältig frisierten und geglätteten Bob, die Ohrringe klimperten leise, und Pansy presste noch einmal die geschminkten Lippen zusammen, um den Gloss zu verteilen.

 

Sie sah aus wie immer. Das hoffte sie zumindest.

 

„Pansy, da bist du ja endlich“, brachte ihre Mutter gepresst hervor, aber Pansy betrachtete den jungen Mann, den sie bisher nur übers Papier kannte, von Erzählungen ihrer Mutter, aber es wunderte sie nicht, dass, neben seinen perfekten Zahlen auf dem Papier, sein Aussehen dem in nichts nachstand.

 

Er war blond. Nicht so blond wie Draco es war, nein, es war eher ein schmutziges hellblond. Die Haare warfen eine elegante, gemachte Welle auf seinem Kopf, waren ähnlich lang wie Weasleys Haare, und seine Augen waren blau wie Weasleys. Er trug einen Dreitagebart, ein erhabenes Lächeln auf den Lippen, und er war so groß wie Weasley. Aber er wirkte ein wenig reifer, ein wenig älter, und es bereitete ihm keine Mühe mit Verantwortung und Gold umzugehen.

 

„Miss Parkinson“, begrüßte er sie höflich, mit einer angedeuteten Verbeugung und tiefer Stimme, als sein Blick, wie sie wohl bemerkt hatte, wohlwollend über ihre Figur geglitten war.

 

Sie wären ein perfektes Paar.

 

Sie müsste sich keine Sorgen machen. Es würde sich fügen. Er war ein hübscher Mann, allein für sie ausgesucht, und dennoch machte ihr Herz keinen Satz. Sie wollte nicht mal wissen, was seine Hobbys waren, ob hinter dieser perfekten Fassade Ängste schlummerten, ob er Fehler besaß, ob er ein Lieblingslied hatte oder eine Leseschwäche, so wie Weasley zeitweise, wenn sie mit ihm die Notizen der Vertrauensschülertreffen vergleichen wollte, und es war ihr egal, ob sie perfekt zusammen passten oder sich ergänzten, denn sie verspürte kein Kribbeln.

 

Nicht mal im großen Zeh.

 

„Wie wäre es, wenn du unserem Grafen eine Tour gibst?“, schlug ihre Mutter gut gelaunt vor. Pansy ruckte mit dem Kopf.

 

„Gern“, erwiderte sie tonlos, das ausdruckslose Lächeln weiterhin auf dem Gesicht, und sie fragte sich, ob James so pflichtbewusst war, wie er vorgab zu sein, oder ob auch er eigentlich Interesse an jemand anderem hatte.

 

Und Pansy beschloss, ihn raus aus der Halle zu führen. Sie konnte nicht atmen in diesem Haus. Es schien immer enger und enger zu werden. Sie hatte ihn durch die Halle in den Wintergarten geführt. Hier war die Decke aus Kristall, und es vermittelte ihr wenigstens die Illusion, dass sie sich draußen befanden.

 

„Das Haus ist ähnlich groß wie unseres“, bemerkte James schließlich mit derselben rauen Stimme wie zu Anfang. Sie war so tief, Pansy musste sich daran erst gewöhnen. „Dein Vater sitzt in Askaban?“, wechselte James so schnell das Thema, dass Pansy blinzeln musste. Sie sprach nicht über ihren Vater. Das erste und letzte Mal, dass sie das dieses Jahr getan hatte, war bei Weasley gewesen.

 

„Ja?“, antwortete argwöhnisch. „Ist das ein Problem?“, ergänzte sie, unhöflich und nicht daran interessiert, dass er einen zurückhaltenden, keuschen Eindruck von ihr bekam. Sie konnte sich gerade davon abhalten, ihre Hände in die Hüften zu stemmen.

 

„Es ist keine gute Geschichte, nein“, sagte er direkt, fuhr sich durch die gut gelegten Haare und schien nachzudenken, während er die Tauchblüten der Sumpfkönigin näher begutachtete, die über den Winter im Haus untergebracht war. Er strich über die mitternachtsblauen Blütenblätter. „Ich denke, wir können lästige Fragen umgehen, wenn wir uns darauf beschränken, zu sagen, er sei länger auf geschäftlicher Reise“, schloss er schließlich nickend.

 

Und Pansy war selber eine der Personen, die lieber so etwas sagte, als dass ihr Vater tatsächlich in Askaban sei, aber jetzt funkelte sie James an.

 

„Wieso sollten wir?“, widersprach sie patzig. Gut, dass ihre Mutter nicht da war. Jetzt hob James den schönen Blick.

 

„Wieso sollten wir?“, wiederholte er etwas verwirrt. „Ich denke, es würde kein besonders gutes Licht auf deinen Stand werfen, wenn man erzählt, dein Vater sitzt lebenslang in Askaban“, erklärte James fast noch ruhig.

 

„Mein Stand“, sagte Pansy nickend. „Ich denke, mein Stand ist makellos, auch wenn mein eigener Vater in Askaban seine Strafe absitzt. Der einzige Grund, weshalb dein Vater nicht in Askaban sitzt, ist, allen Gerüchten nach, weil er den Minister geschmiert hat!“ Merlin, sie war bissig. Sie würde sich nicht wundern, wenn James gleich Reißaus vor ihr nahm. „Und auch wenn ich meinen Vater hasse, ist er wenigstens nicht so tief gesunken, dem verdammten Minister in den Arsch zu kriechen!“

 

James‘ Augen weiteten sich für einen knappen Moment. Sein Kopf legte sich ein wenig schräg, während er sie betrachtete.

 

„Ich sehe, auf Hogwarts legt man nicht besonders viel Wert auf Anstand und Manieren, wenn es um das Schulsprecheramt geht“, entgegnete er mit einem langsamen Nicken. Pansy verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Wenn du erwartest, dass ich demütig Beleidigung über meine Familie schlucke, dann hasst du dich geirrt, James“, sagte sie seinen Namen zum allerersten Mal laut. Sie erkannte den Hauch von Faszination in seinen Augen glänzen. „Wie ich Reinblüterfamilien kenne, haben deine Eltern auch ein oder zwei Leichen im Keller liegen, die sie lieber totschweigen möchten!“

 

„Davon wüsste ich nichts“, erklärte er überheblich. Pansy verdrehte die Augen. „Du magst die Reinblütergesellschaft nicht?“, schloss er schließlich aus ihren Worten, und es war unfassbar, was einige Wochen mit Weasley anrichten konnten.

 

„Ich bin die bestausgebildeste Reinblüterin, die du in England finden wirst!“, knurrte sie.

 

„Und deine beste Freundin ist eine Muggel?“, fuhr er jetzt fort. „Sehr unorthodox…“, schloss er gedehnt.

 

„Hermine Granger ist die vernünftigste, ehrlichste und selbstloseste Frau auf dieser Welt, also wenn du etwas gegen sie sagen möchtest, schlage ich dir vor, direkt deinen Zauberstab zu ziehen, denn in Hogwarts erlangt man das Abzeichen, weil man alle Prüfungen hervorragend gemeistert hat und nicht den Schulleiter schmieren musste!“

 

Wow. Pansy war voller böser Energie. Aber James hob langsam und abwehrend die Hände.

Dann lächelte er.

 

„Ich hatte befürchtete, du wärst sterbenslangweilig, aber… das bist du nicht“, sagte er anerkennend. Pansy hatte sich bereits in Rage geatmet und musste sich erst wieder beruhigen. Er schenkte ihr ein Lächeln. Perfekte Zähne besaß er auch. Pansy konnte ihm nur leider nichts abgewinnen. Sie war sich nicht mal sicher, wohin dieses Gespräch geführt hatte.

 

Aber er streckte ihr plötzlich die beringte Hand entgegen.

 

„Schön, dich kennenzulernen, Pansy Parkinson“, schloss er schlicht, und Pansy starrte auf seine Hand hinab. Zögerlich atmete sie aus und ergriff seine Finger. Sie schlossen sich warm um ihre Hand. Er hatte so warme Hände wie Weasley. Sie hob den Blick zu seinen blauen Augen.

 

„Ich habe keine Einwände“, eröffnete er ihr jetzt. „Ganz im Gegenteil. Ich kann es kaum erwarten“, fuhr er ehrlich fort. Er wurde nicht mal rot. Pansys Mund hatte sich einen Spalt weit geöffnet. Und sie dachte, er wäre längst fort über alle Berge nach ihrer Ansprache. 

„Ich hoffe, ich entspreche deinen Erwartungen wenigstens im Ansatz?“, fragte er jetzt ein wenig lauernd, und sie fühlte sich besiegt. Wenigstens im Moment. Scheinbar störte ihn nicht, dass sie manchmal ein unmögliches Temperament an den Tag legte. Sie verdrehte die Augen.

 

„Du bist perfekt“, erwiderte sie resignierend, aber es war weniger ein Kompliment, als eine bloße Tatsache. Vom Aussehen und vom Papier her, war er perfekt. Das konnte sie nicht leugnen. Er war perfekt, allerdings nicht für sie. Aber das sagte sie ihm nicht.

 

~*~

 

„Hermine?“ Sie hob den Blick vom iPad, was sie ebenfalls in ihre Tasche gestopft hatte, nachdem sie das Gästehaus verlassen hatte. „Bist du hier oben?“ Ginny öffnete die Tür ihres Kinderzimmers. Hermine setzte sich auf und legte das iPad zur Seite.

 

„Ginny“, entfuhr es ihr überrascht.

 

„Hey, ich dachte, wenn du hier bist, kann ich dich besser besuchen, als wenn du… na ja… dort bist“, sagte sie vage, zuckte die Achseln und setzte sich lächelnd neben sie. „Ich muss dir so viel erzählen!“, sprudelte es über Ginnys Lippen. „Wusstest du das mit Ron und Pansy?“ Hermines Mund öffnete sich. Sie war eigentlich damit beschäftigt, im Haus ihrer Eltern in Selbstmitleid zu versinken, aber Ginny bot eine nette Abwechslung, nach dem furchtbaren Tag, den sie hinter sich hatte!

 

„Ron und Pansy?“, wiederholte Hermine widerwillig.

 

„Er hatte sie gestern in seinem Zimmer versteckt, Hermine!“, erzählte Ginny verschwörerisch, und Hermines Mund klappte zu.

 

Oh. Hatte er? Ginny erzählte weiter, wie sie versucht hatte, mehr Informationen aus beiden herauszubekommen und wie es nicht funktioniert hatte, aber dass sie sich ohnehin sicher sei, dass bei beiden etwas laufen würde, und wie Hermine diese Neuigkeit finden würde.

 

Es bot eine gewisse Ablenkung, das gab Hermine zu.

 

„Pansy hatte mir so etwas schon gebeichtet“, wich Hermine Ginny aus.

 

„Was?“ Ginny klang mehr als nur enttäuscht. „Du wusstest das?!“, entfuhr es ihr ungläubig, und Hermine atmete lange aus.

 

„Ja, ich… denke schon“, gab sie unwirsch zu. Sie sah ihre Felle dahinschwimmen, was die Sache mit Ron anging. Und es zerriss ihr das Herz. Sie war so verwirrt. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte.

 

Und sehr kurz wollte Hermine Ginny vom Sex mit Malfoy erzählen.

 

Aber die Tatsache an sich war so ernüchternd, und es war so furchtbar, und Hermine schämte sich so sehr, wie willig sie sich verhalten hatte – als würde er… als wäre er… - sie konnte nicht mal einen klaren Gedanken fassen, so peinlich war es ihr.

Sie klammerte sich an die Tatsache, dass die Kette daran schuld gewesen war, aber es reichte nicht. Ihrem schlechten Gewissen reichte es nicht aus!

 

Fast würde sie gerne katholische Riten vollziehen, beichten gehen, bei den versauten Dingen, die sie angestellt hatten! Sie wollte tausend Ave Marias beten und dann wäre ihr verziehen. So etwas schwebte ihr vor, dachte sie verzweifelt. Sie wollte ihn bestimmt nicht von dieser Seite kennengelernt haben. Dieser unkomplizierten Seite. Wenn er sie berührte, wenn er sie auszog, wenn er… einfach ein Mann war. Es war Hermine zu primitiv. Zu naiv. Zu… einfach. Es sollte gefälligst nicht so einfach sein, ihr Gehirn zu überzeugen, dachte sie verärgert. Sie war von sich selber enttäuscht. Es war zu leicht, alle Pläne über Bord zu werfen und voller Faszination Draco Malfoy dabei zuzusehen, wie er sie zu ungeahnten Höhepunkten brachte, Merlin noch mal!

 

Sie war eine Schande! Sie hasste sich selbst.

 

„Wieso hast du es mir nicht gesagt?“, flüsterte Ginny entrüstet, immer noch beim Thema Ron und Pansy, über das Hermine auch nicht reden wollte.

 

„Weil…“ Fast wollte Hermine ehrlich antworten. Weil sie Ron für sich wollte. Weil sie Pansy den Fortschritt nicht gönnte. Weil sie eine egoistische Schlange war. Aber sie entschied sich dagegen. „Weil Pansy mich gebeten hat, nichts zu sagen.“ Ginny wirkte herbe enttäuscht.

 

„Ich dachte, ich bringe dir die größten Neuigkeiten des Jahrhunderts, und du weißt es schon.“

 

„Tut mir leid“, murmelte Hermine abwesend. Sie wollte nicht mehr von Pansy und Ron hören.

 

„Hey“, weckte Ginny sie aus ihrer Starre. „Alles ok bei dir?“ Hermine hob müde den Blick.

 

„Alles bestens“, erwiderte sie kalt. Aber Ginny blieb eisern.

 

„Rede mit mir, Hermine“, befahl Ginny jetzt eindringlich. Hermine zuckte die Achseln.

 

„Es gibt nichts zu reden“, entgegnete sie gleichmütig.

 

„Du hast Draco Malfoy geheiratet. Ich bin mir sicher, es gibt so viel zu erzählen, dass wir hier noch in zehn Jahren sitzen werden, weil ich es nicht verstehe“, erklärte Ginny ehrlich.

 

„Was willst du hören?“ Hermines Geduld war ein Pulverfass, stellte Hermine gereizt fest. „Dass er ein Arschloch ist? Er ist ein Arschloch, Ginny“, fasste Hermine ihre Gefühlswelt grob zusammen. Ginnys Augen wurden groß.

 

„Ist das dein Ernst? Wieso heiratest du ihn dann?“ Fast klang Ginny wütend. „Hat er dich geschlagen?“, fragte sie sofort, und Hermine hob den Blick. Nein, hatte er nicht. Sie hatte ihn mit Geschirr beworfen, hatte ihn gezwungen, sich auszuziehen und dann… - dann hatte sie Sex mit ihm haben müssen.

 

Sie spürte die peinliche Röte in den Wangen. Sie vergrub den Kopf in ihren Händen. „Ginny, es ist alles so durcheinander“, flüsterte sie verzweifelt. Ginny kam näher gerückt und streichelte Hermines Rücken.

 

„Was ist das Problem, Hermine? Die Malfoys wirken nicht so, als würden sie dich dort foltern, nach Narzissas Aufritt gestern“, versuchte Ginny, sie zu beruhigen. Hermine schluchzte auf. Die Tränen kamen wieder, sie konnte es nicht verhindern.

 

„Nein, die Malfoys sind nett“, kam es bitter über ihre Lippen. Es wäre viel einfacher, wären die Malfoys allesamt Arschlöcher.

 

„Hermine-“

 

„-Ginny, bitte nicht, ich-“

 

„-er will nicht mit dir schlafen, oder? Das ist das Problem?“, vermutete Ginny jetzt mit großen Augen, als Hermine sie schockiert ansah.

 

Ha ha. Das wäre schön.

 

„Du denkst, deshalb würde ich weinen?“, entfuhr es Hermine fast zu trocken. Als wäre es ein schlechter Scherz. Hermine würde sich selber mit ihrem BH erwürgen, sollte sie jemals irgendwo sitzen und weinen, weil ein Todesser nicht mit ihr schlafen wollte! Merlin!

 

„Na ja, ihr seid verheiratet, und er hat dich ganz klar nicht gemocht, bis… kurz vor der Hochzeit, aber…“ Ginny schüttelte sanft den Kopf. „Also ist es das nicht?“ Nein! Das war nicht das Problem, Merlin noch mal! Aber Hermine wurde knallrot bis unter den Haaransatz. Teils aus Wut, teils aus Schande. „Oh“, sagte Ginny nur. „Details, bitte“, ergänzte sie mit einem feinen Grinsen, und Hermine vergrub den Kopf wieder in ihren Händen.

 

„Ginny, bitte, hör auf!“, sagte sie nur abwehrend.

 

„Merlin, Hermine, der einzige Grund, weshalb ich mir auch nur ansatzweise vorstellen könnte, einen Idioten wie Draco Malfoy freiwillig zu heiraten ist, dass er wahrscheinlich den besten Körper auf ganz Hogwarts vorzuweise hat!“, entkam es lachend Ginnys Lippen. „Er sieht sehr gut aus, also…“ Hermine sah sie wieder an.

 

„Du denkst… du denkst, ich hätte ihn geheiratet, weil er so gut aussieht?“, erwiderte Hermine mit großen Augen. Er war attraktiv. Ja, meinetwegen. Vielleicht wusste er auch ungefähr, wie er Sex zu bewerkstelligen hatte – auch das gab sie zu. Na ja, sie wusste jetzt, dass er tatsächlich so gut war, wie die Gerüchte vermuten ließen, aber es wäre niemals ein Grund für sie gewesen, ihm auch nur einen zweiten Blick zu schenken! Für wie oberflächlich hielt Ginny sie eigentlich?!

 

„Na, bestimmt nicht wegen seiner Liebe zu Muggeln und seinen Manieren, oder?“, wollte Ginny schnippisch wissen. Hermines Mund öffnete sich. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, denn ich sehe es dir an! Er ist gut, oder?“, wollte Ginny wissen, und Hermines Wangen mussten förmlich explodieren. Nicht, dass Hermine irgendeinen Vergleich hatte! Sie hasste ihr kleines Mädchen-Herz, das sich vielleicht zu leicht durch oberflächlichen Quatsch wie Hormone und sinnlose sexuelle Anziehung überzeugen ließ!

 

Was? Ihre Gedanken gingen in seltsame Richtungen, und sie wünschte sich, die Pubertät schleunigst zu überspringen, und sie nicht mit Draco Malfoy zubringen zu müssen. Sie hatte die Angst, dass er sie noch komplett verderben würde! Ginny sprach weiter, und brachte Hermines Gehirn nur auf die nächsten schlimmen Gedanken.

 

„Ich meine, Harry ist gut, aber Malfoy ist bestimmt-“, begann Ginny wieder, aber geistesgegenwärtig, hielt Hermine sie auf.

 

„-Ginny!“, stöhnte Hermine, hielt sich die Ohren zu, und würde am liebsten auf ihrem Bett in den Kissen versinken. Ginny stieß sie lachend in die Seite.

 

„Komm schon, Hermine! Wir sind Mädchen, wenn du mir nicht erzählst, dass er wenigstens gut küssen kann, dann muss ich wohl mit Pansy über Ron reden, und dass will ich wirklich nicht!“, erklärte sie angewidert. Hermine hob den Kopf wieder aus einem Kissen.

 

„Du bist ekelhaft“, informierte Hermine sie kopfschüttelnd.

 

„Ich bitte dich, alle denken das.“

 

„Alles denken was?“, flüsterte Hermine schockiert.

 

Ginny verdrehte eindeutig die Augen. Und Hermine schüttelte starr vor Schreck den Kopf.

 

„Nein!“, sagte Hermine abwehrend. „Oh Gott, nein! Ich wollte ihn nicht deswegen heiraten!“, entkam es ihr. „Wieso sollte irgendjemand jemanden heiraten, weil er nur das will?“, flüsterte sie entrüstet, aber Ginny musste wieder lachen.

 

„Dann sag mir, warum?“, wollte Ginny grinsend wissen, aber Hermine hatte langsam wieder ein wenig Mut gefasst. Auch wenn es furchtbare Themen waren, die sie hier mit Ginny besprach, so war es doch ganz nett. Fast angenehm.

 

Warum sie ihn geheiratet hatte? Weil sie alle Malfoys bestrafen wollte. Aber schließlich entschied sie sich, zu lächeln.

 

„Das wirst du niemals erfahren, Ginevra“, erläuterte sie ruhiger. Es gab Dinge, die teilte man nicht mit anderen. Hermine durfte jetzt nicht schwach werden. Es war nur ein Fluch gewesen. Nur eine Kette mit einem dummen Fluch.

 

Es war nicht echt gewesen, Merlin noch mal! Er hatte sie ausgetrickst. Und das war alles.

 

Sie würde es ignorieren und verdrängen und nie wieder darüber nachdenken. Damit wäre das Problem aus der Welt geschafft, beschloss ihr naives Herz. Und Hermine wollte nicht über ihn reden, nicht über ihn nachdenken. Er war nur das Mittel zum Zweck. Nicht mehr und nicht weniger als das. Sie hasste ihn nach wie vor, noch mehr als vorher. Er war ein widerlicher Mensch. 

Zwar wäre es vielleicht schön, Ginny ihre Ängste zu erzählen, aber Hermine wusste, es würde ihr nicht helfen. Es würde alles nur komplizierter machen.

 

Und so wählte sie das kleinere Übel, von allen Übeln auf dieser Welt.

 

„Und? Wie ist Harry so?“, bemühte sie sich, neugierig zu fragen. Ginnys Blick bekam etwas schwärmerisches, und Hermines Mundwinkel zuckten. Sie vergaß manchmal, dass es noch normale Dinge auf dieser Welt, neben Racheplänen und Wut.

 

Und sie bereute mittlerweile vieles. Sie bereute das Praktikum im Ministerium. Sie bereute die Bekanntschaft mit Lucius und Narzissa. Sie bereute, dass sie Pansy dafür verabscheut hatte, dass sie das Abzeichen bekommen und hatte und Hermine nicht. Sie bereute, dass sie sich von ihrer Wut hatte leiten lassen, dass sie Malfoy benutzte, und dass all ihre Pläne bis hier her nach hinten losgegangen waren. Sie wusste, sie würde Ron verlieren.

Sie würde ihn nicht wiederbekommen, und was hatte sie gewonnen?

 

Gar nichts. Sie hatte sich verändert, ihr Leben aufgegeben, und anstatt, dass sie tatsächlich selbstlos und nicht nachtragend war, hatte sie sich alleine in einen Krieg begeben, der nicht ihrer hätte sein müssen.

 

Wäre sie nicht so wütend gewesen. Hätte sie doch noch ein paar weitere Nächte drüber geschlafen.

Und so traurig es war, sie war erst hinterher klüger geworden. Und es gab jetzt gerade keinen einfachen Weg zurück. Würde sie abwägen müssen, dann würde sie mittlerweile behaupten, der lange Weg durch das Dunkel bis hin zum Sieg gegen die Reinblütergesellschaft, wäre wahrscheinlich einfacher, als der Weg zurück, den sie gekommen war. 

 

Während Ginny ohne Punkt und Komma von Harrys fabelhaften Eigenschaften schwärmte, kam Hermine ins Nachdenken. Es wäre vielleicht einen Versuch wert. Sie hatte ohnehin schon mehr als genug Sex mit Malfoy gehabt, war schon viel zu tief gesunken, als sie vorgehabt hatte – und es gab noch andere Möglichkeiten. Einen Mann zu manipulieren, gelang einem bestimmt auf mehreren Wegen, oder nicht?

 

Sie würde versuchen,… netter zu sein, überlegte sie dumpf. Vielleicht sollte sie nicht immer zum Angriff blasen, wenn sie sich begegneten. Vielleicht erreichte man mit falscher Freundlichkeit eher das Ziel? Er war ein arroganter Widerling. Er mochte es, bewundert zu werden. Er mochte es bestimmt, wenn man ihm schmeichelte.

Hermine würde ihm Boden unter den Füßen verschaffen. Sie würde ihn glauben lassen, er hätte sie besiegt.

 

Sie würde ihn um Hilfe bitten, beschloss sie in einer lichten Sekunde.

 

Und dann, wenn er es nicht erwartete, würde sie ihm den Boden unter den Füßen endgültig wegziehen.

 

Ihre Mundwinkel zuckten wieder. Zwar hatte ihre rationale Seite gerade noch entschieden, dass der Weg über negative Anreize kein guter war, aber die Vorstellung, dass er um Gnade flehen würde…- in ihrem Kopf gab es ein gutes Bild ab.

Denn er war nicht so mächtig, wie er dachte. Sie glaubte, sie hatte das Snuffles-Rätsel gelöst. Und wenn sie richtig lag, war Draco Malfoy nur ein armer verlorener Junge, den sie genau dort treffen würde, wo er es nicht erwartete.

 

Dort, wo es ihm am meisten wehtat.

 

 

Kapitel 44

 

Er war heute so verzweifelt gewesen, dass er fast Blaise über Floh kontaktiert hatte, aber er hatte gerade noch geschafft, es nicht zu tun. Er blätterte gelangweilt durch die Zeitschriften, während sein Bein nervös zuckte.

 

Es gab nichts zu tun. Es waren scheiß Ferien, aber es gab nichts zu tun. Astoria meldete sich nicht, er war ein Wrack und er versteckte sich im Gästehaus, nur um bloß nicht seiner Mutter zu begegnen, die ihn mit Vorwürfen löcherte, wie er ihr nichts von dem fast verbrannten Schlammblut hatte erzählen können.

 

Seine Augen lasen die Quidditch-Berichte schon gar nicht mehr.

 

Die Tür fiel ins Schloss. Seine Mutter? Wieder einmal? Zum tausendsten Mal heute?!

 

Granger betrat das Wohnzimmer.

 

Er hatte nicht mit ihr gerechnet.

 

Er hatte nie mehr mit ihr gerechnet, wenn er ehrlich war. Und bestimmt nicht mehr heute Abend, nachdem er den ganzen Nachmittag damit verbracht hatte, sie zu vögeln. Merlin, war er erschöpft. Sein Mund öffnete sich überfordert. Gleich würde sie ihn wieder bedrohen, ihn verhexen – ihn höchstwahrscheinlich foltern, nahm er an.

 

In seinem Kopf malte er sich weitere Vorkriegsszenarien aus, denn jetzt wäre sie wahrscheinlich gekommen, um ihn zu kastrieren, nahm er an, denn ohne Kette wäre sie bestimmt weitaus weniger… kooperativ.

 

Wenn er aber schnell reagieren würde – wenn er einfach rennen würde, dann –

 

„Hast du Hunger?“, fragte sie, als hätte sie ihn nicht erkannt, während sie die Tasche abgestellt hatte und in die Küche gegangen war. Er blinzelte verwirrt.

 

Er – was?!

 

Hunger?

 

Hatte sie ihn gefragt, ob er Hunger hatte?

 

Vergiften, schoss ihm die Lösung in den Kopf! Sie wollte ihn vergiften! Er kam erschöpft auf die Beine. Seine Muskeln protestierten nach dem ganzen Sex. Er folgte ihr. Es war dunkel, es war schon spät. Aber er würde sich nicht vergiften lassen!

 

Sie begann, Töpfe aus den Schränken zu holen. Die letzten Dinge, die sie nicht kaputt geschlagen hatte. Es hatte ihn Stunden gekostet, aufzuräumen, aber er hatte lieber aufgeräumt, als irgendeinen seiner ehemaligen Freunde zu kontaktieren.

 

Und er begriff nicht. Wirklich nicht. Wieso schrie sie nicht? Sie zerstörte all seine antizipierten Theorien!

 

„Was tust du?“, fragte er, müde, sich zu bewegen, aber dennoch sehr, sehr vorsichtig. Denn sie müsste gleich explodieren. Sie musste einfach! Denn sie hatte ihn noch nicht angeschrien!

 

„Ich koche“, antwortete sie, und er konnte ihre Stimme nicht einschätzen. Er war sich nicht mal sicher, ob sie ihn vielleicht doch noch nicht erkannt hatte. Er riskierte einen kurzen Blick in die polierte Oberfläche des Kühlschranks, aber… er sah aus wie immer. Groß, blond – sie müsste ihn erkennen. Eigentlich…?

 

„Für mich?“, vergewisserte er sich jetzt argwöhnisch. Sie hielt inne, wandte sich um und sah ihn verständnislos an. Sie trug einen hellen Pullover, eine dunkle Jeans, und den gereizten Ausdruck auf ihren Zügen, den sie nur für ihn aufsparte.

 

Ok. Sie hatte ihn erkannt.

 

„Du bist mein Mann, oder nicht?“, fragte sie ihn jetzt mit eindeutiger Verwirrung auf den Zügen, die er nur von Wut verzerrt kannte. Oder vor Lust, je nach dem. Wenn er Glück hatte….

 

Und was?! Er war ihr was?! Seit wann nahm sie das zur Kenntnis? Seit wann brachte sie das zur Sprache? Seit wann bedeutete das irgendetwas in ihren Ohren?!

 

„Dein-?“ Er unterbrach sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wer bist du? Und wo ist Granger?“, fragte er knapp. Sie verdrehte tatsächlich die Augen.

 

„Ich kann allerdings nur Omelett“, informierte sie ihn, ohne auf seine Worte einzugehen.

 

Er schwieg. Er musterte sie. In seinem Kopf ging er mögliche Basengifte durch, die sich in Omeletts einfügen ließen. Er hatte keine Ahnung. Überhaupt keine!

 

„Wieso?“, benutzte er das Wort, was sein Dilemma am besten beschrieb. Wieso wollte sie überhaupt irgendetwas machen? Hatte sie den Verstand verloren? Wusste sie nicht mehr, was heute passiert war?!

 

„Weil ich bestimmt nicht wochenlang diesen beschissenen Reinblüterkochkurs gemacht habe, um es nicht einmal auszuprobieren!“, sagte sie böse. Und es klang, als würde man Reinblüter in einen Römertopf stecken und sie bei 250 Grad zwei Tage schmoren lassen. So einen Ausblick vermittelten zumindest Grangers Worte.

 

Er verstand immer noch nicht, aber sie schien ernstzumachen, als sie den Herd andrehte.

 

„Du kannst nicht kochen“, erklärte er ihr gedehnt, was Pansy ihm damals noch lachend erzählt hatte. Damals. Als er noch Freunde gehabt hatte, dachte er dumpf. Granger funkelte ihn an.

 

„Besser als du werde ich allemal sein“, behauptete sie, und sein Mund öffnete sich.

 

Sie wollte wirklich kochen?!

 

Ernsthaft?!

 

„Äh – reden wir noch über… heute, oder-?“ Aber sie unterbrach ihn rigoros, als sie mehrere Eier aus dem Kühlschrank holte, und begann, sie in einer Schüssel zu zerschlagen.

 

„-was gibt es zu reden? Du hast mich reingelegt, mit einem mehr als bescheuerten und fragwürdig legalen Geschenk, und im Moment habe ich keine Lust mehr auf Krieg. Es ist Weihnachten. Jeder braucht eine Pause“, erklärte sie achselzuckend. Vielleicht war sie betrunken, überlegte er verwirrt, während seine Augenbraue unaufhaltsam in die Höhe wanderte.

 

„Du hast gesagt, die guten Zeiten wären vorbei“, wiederholte er vage ihre Worte. Sie seufzte.

 

„Ja, ja, ich weiß, was ich gesagt habe. Aber wenn du dich richtig erinnerst, habe ich dich danach gezwungen, dich auszuziehen, Malfoy“, erläuterte sie ihm trocken. Aber er hörte, wie müde sie tatsächlich war.

 

„Ich weiß?“, sagte er eilig, aber die Worte verließen als Frage seine Lippen. „Weißt du es noch?“, vergewisserte er sich langsam, und sie ignorierte seine Worte. Langsam kam er näher, immer noch vorsichtig. „Was wird das?“, fragte er misstrauisch.


„Omelett, ich sagte es bereits“, informierte sie ihn gereizt.


„Davon spreche ich nicht“, antwortete er, fast ruhig. Sie sah ihn an. Das verrückte Schlammblut sah ihn an, als wäre er derjenige, der verrückt war!

 

„Das nennt man Waffenstillstand, Draco“, benutzte sie seinen Vornamen, und jetzt war er alarmiert. Sofort war er zurückgewichen.

 

„Das ist ein Trick, richtig?“, fuhr er sie an. „Du willst mich vergiften und jeden Beweis vernichten, oder? Heute ist der Tag, an dem du mich umbringst, ist das dein Plan?!“ Seine Atmung hatte sich peinlicherweise beschleunigt, aber sie schenkte ihm nur ein müdes Lächeln.

 

„Wenn es nur so wäre“, entgegnete sie amüsiert. „Erzähl mir von deinem Mädchen“, fuhr sie fort, und er konnte sie nur anstarren. Das war nicht ihr Ernst! Er war ein nervliches Wrack. Sie hatte so viele Fassaden, so viele Stimmungsschwünge, und er kam nicht hinterher. Er begriff sie kein Stück, er hatte einfach nur noch Angst vor ihr!

 

„Ist das dein Ernst? Du redest mit mir? Wie mit… einem Menschen?“, vergewisserte er sich ungläubig, während sie tatsächlich auch noch beleidigt wirkte, dass er ihre Motive anzweifeln könnte! Sie machte ihn fertig.

 

„Ich weiß, Todesser und Schlammblüter haben nicht miteinander zu reden, aber ich dachte, ich probiere etwas neues“, erwiderte sie fast unschuldig und lächelte immer noch, während sie nun ein Glas Pilze aus einem der Schränke holte. Sie kannte sich gut dafür aus, dass sie nicht kochen konnte, fiel ihm am Rande auf. „Also? Wie ist sie so?“, wiederholte Granger unbefangen, aber er witterte sämtliche Fallen. Er würde ihr gar nichts erzählen!

 

„Wieso sollte ich dir von ihr erzählen?“, fragte er jetzt verschlossen und verschränkte die Arme vor der Brust. Er würde ihr nicht den Rücken zukehren. Er würde kein Auge mehr zumachen.


„Wieso nicht?“, stellte sie ihm recht offen die Gegenfrage und sah ihn an, während sie Öl und Wasser und Milch in die Pfanne gab. Sie suchte durch die Gewürze, bis sie Petersilie gefunden hatte, und begann, zu braten und zu wenden. Er sah ihr argwöhnisch zu.

„Wie heißt sie?“, wollte sie von ihm wissen, und er kam näher. Ihre Handgriffe saßen, und sie schien sich in seiner Nähe nicht einmal mehr unwohl zu fühlen, überlegte er dumpf.

 

„Dir ist klar, dass es alles einfacher sein könnte, wenn du mir erzählen würdest, was du vorhast?“, wiederholte er, was er immer sagte. Denn er wagte einfach noch mal, sie darauf anzusprechen. Jetzt gerade hatte sie keinen Zauberstab in der Hand und zwang ihn auch nicht gegen irgendeine Wand. Angst vor einem Schlammblut! Er war froh, dass ihn der Slytheringemeinschaftsraum nicht sehen konnte! Er tat mutiger als er war.

 

„Ich habe gar nichts vor“, log sie ungerührt.

 

„Witzig, Granger“, bemerkte er bitter. „Aber wieso solltest du als meine angebliche Frau Interesse an einer anderen haben? Solltest du nicht vor Eifersucht und Schmerz vergehen?“ Er beschloss, auf sie einzugehen, sie zu beruhigen. Tat man das nicht bei den Bösewichten? Man spielte ihr Spiel? Sie sah ihn überlegen an.

 

„Ich habe nachgelesen, dass es üblich ist, für den Reinblütermann eine oder mehrere Mätressen zu haben“, erwiderte sie, als wäre Allgemeinwissen. „Eine wundervolle Tradition“, würzte sie ihr Wissen mit dem passenden Maß an Abschätzung. Er runzelte die Stirn.

 

„Wo hast du das gelesen? Im Todesserhandbuch für lebensmüde Muggel?“, erkundigte er sich skeptisch, und es missfiel ihm, dass er langsam aber sicher die Angst vor ihr verlor. Es war bestimmt nur ihr Plan, ihn gefügig zu machen.

 

„Kannst du nicht einfach die Frage beantworten?“, entgegnete sie genervt, und er war schon verwundert genug, überhaupt noch lebendig vor ihr zu stehen, nach all ihren Drohungen, die sie die letzten Wochen über ausgesprochen hatte.

 

„Nein. Es ist ein Trick. Ich falle bestimmt nicht auf dich rein“, informierte er sie kalt. Sie zuckte nur die Achseln.

 

„Dann lass es. Kannst du den Tisch decken?“, fuhr sie nahtlos fort, und er starrte sie an.

 

„Den Esstisch?“, wiederholte er perplex. Sie sah ihn kurz an.

 

„Ja?“, erwiderte sie nur, und er konnte nicht anders, als sie weiterhin anzustarren. Sie sah aus wie heute Nachmittag. Er erkannte sie, aber… sie kam ihm völlig anders vor.

 

„Ich verlasse dieses Zimmer nicht, solange du hier Speisen zubereitest, die ohne meine Aufmerksamkeit zu meinem schnellen Tod führen können“, informierte er sie, und sie ging selber zu den Schränken, um die letzten Holzbrettchen aus der letzten Ecke zu klauben.

 

„Schön, dann klapp das Omelett“, befahl sie ihm, während sie zwei Brettchen, Besteck, einen Untersetzer und zwei Gläser ins Esszimmer brachte. Er starrte in die Pfanne hinab, in der das Omelett brutzelte und widerwillig griff er den Pfannenwender und klappte mit Mühe und Not das etwas zu knusprige Bett aus Ei über die Pilze. Er glaubte nicht, dass sie Zeit gehabt hatte, ihn zu vergiften.

 

Sie kam wieder, nahm ihm wortlos den Wender ab, drehte das Ei, um es noch einmal anbraten zu lassen, stellte den Herd aus und verließ die Küche. Er folgte ihr sofort, denn vielleicht würde sie ihn jetzt vergiften. Sie stellte die Pfanne auf den Untersetzer, ging zum Schrank und holte eine Flasche Rotwein aus dem Vorrat, den sein Mutter aus was für Gründen auch immer hier deponiert hatte.

 

„Willst du dich setzen oder willst du stehen?“, fragte sie ihn ernsthaft, als sie sich an den Tisch gesetzt hatte, auf dem er sie zum ersten Mal gehabt hatte. Mit verschränkten Armen sah er ihr unschlüssig zu, während sie Omelett auf beide Teller füllte. Er wollte lieber stehen, hätte er ihr gerne geantwortete. Denn dann konnte er schneller weglaufen. „Du verpasst einen kulinarische Höhepunkt“, ergänzte sie trocken, nahm einen Bissen auf ihre Gabel, und er hielt sie auf.

 

„Ich hatte heute schon meine Höhepunkte, Granger, glaub mir“, erwiderte er spitz, bevor er mit dem Finger auf den Tisch zeigte. „Nimm meinen Teller“, befahl er ihr. „Oder nein! Iss von beiden Tellern! Vielleicht erwartest du, dass ich das sage, und-“

 

„-du bist ein Baby, Malfoy“, sagte sie und nahm den Bissen in den Mund. Er sah ihr zu.

 

„Nein, ich verhalte mich völlig normal!“, beschwerte er sich kopfschüttelnd. Sie seufzte schwer, als wäre er ein ungezogenes Kind.

 

„Setz dich einfach und iss“, sagte sie streng. Er hatte nirgendwo zu sein, mit niemandem zu reden, und deshalb setzte er sich vorsichtig, langsam und etwas widerwillig auf den Stuhl, ihr gegenüber. „Wein?“, fragte sie, goss sich bereits ein und schenkte ihm dann sein Glas halbvoll.

 

Er nahm probehalber die Gabel in die Hand.

 

„Du hast mich in der Küche gesehen, Malfoy“, sagte sie knapp, mit erhobener Augenbraue. Er atmete entnervt aus, stach einen Bissen auf die Gabel und aß ihn zögerlich. Er verzog den Mund.

 

„Es schmeckt scheußlich!“, rief er aus. Sie aß kopfschüttelnd weiter, während er bereits den nächsten Bissen zu sich nahm, denn es schmeckte eigentlich ganz gut. Aber das würde er nicht zugeben. Er beobachtete sie immer noch, wie eine Zeitbombe. Sie trank einen Schluck Wein.

 

„Wo warst du gestern?“, schien sie wieder ein Gespräch mit ihm anfangen zu wollen. Er hob den Blick.

 

„Weg?“, erwiderte er, provozierend, am Rande der Unhöflichkeit, denn es erinnerte ihn nur an Fragen, die seine Mutter stellen würde. Er war programmiert, auf solche Fragen aggressiv zu reagieren, fiel ihm am Rande auf.

 

„Das weiß ich. Ich war bei den Weaselys, wie deine Mutter auch, und wo warst du?“, wiederholte sie geduldig. „Bei deinem Mädchen?“, beantwortete sie schließlich ihre Frage selbst.

 

„Es geht dich nichts an“, erklärte er kalt.

 

„Also habe ich recht?“, vergewisserte sie sich lediglich, und er atmete aus.

 

„Ja“, räumte er ein. „Zufrieden?“, ergänzte er angriffslustig und trank ebenfalls einen Schluck Wein. War es das, was sie hören wollte?

 

„Ich hoffe, sie hat keine Krankheiten“, fuhr Granger nachdenklicher fort. Draco starrte sie jetzt an.

 

„Was?“, entkam es ihm völlig überrumpelt. Dass das Schlammblut vor ihm wagte, Astoria Krankheiten zu unterstellen, war einfach-!

 

„-weil wir ungeschützten Sex hatten“, schien sie zu erklären, und seine Gabel sank. Sein Mund öffnete sich kurz, denn sein Kiefermuskel hatte perplex nachgegeben. Sie hatte das Wort Sex gesagt. Er hatte geglaubt, dass sie es totschweigen wollte! Und ihre Worte drangen erst jetzt in sein Bewusstsein. Gepresst antwortete er.

 

„Wir haben keine Krankheiten.“

 

„Das hoffe ich für dich“, ermahnte sie ihn böse. „Ich meine, deine sexuelle Vergangenheit lässt sich auf jeder Mädchentoilette in Hogwarts nachvollziehen, Malfoy, aber-“

 

„-ich bin jedes Mal geschützt, Salazar noch mal! Nicht, dass es dich irgendetwas angeht, oder dass es ein geeignetes Thema fürs Essen ist, aber-“

 

„-gut“, kürzte sie seine Tirade ab. „Sie auch?“, ergänzte sie, und er legte die Gabel zur Seite. Merlin! Was erlaubte sich dieses verdammte Miststück?!

 

„Ich habe noch nicht mit ihr geschlafen, falls es das ist, was du wissen möchtest“, erklärte er und bereute es sofort. Es ging sie nichts an! Es ging sie nichts an! Merlin, war er dumm!

 

Sie wirkte überrascht. „Nein? Wieso nicht?“, schien sie fragen zu müssen. Er sah sie verwirrt an. Aber bevor er sich zu einer Antwort hinreißen ließ, schüttelte er den Kopf.

 

„Wir sind fertig mit diesem Thema, Granger“, warnte er sie jetzt. Sie trank einen weiteren Schluck Wein.

 

„Kann ich dich etwas fragen?“, begann sie nun, und er bereute, sich hierhin gesetzt zu haben.

 

„Wieso fragst du überhaupt? Du fragst doch sowieso!“, knurrte er zornig.

 

„Wieso schenkt dir Tilly eine Schachfigur?“, wollte sie jetzt wissen, und er starrte sie wieder an.

 

„Was?“, entfuhr es ihm gereizt.


„Das Geschenk“, widerholte sie geduldig, „was in der Bibliothek verbrannt ist, war eine Schachfigur. Von einem Spiel. Ich nehme an, es hatte irgendeine Bedeutung für sie? Oder dich?“

 

„Ich weiß, Granger, du denkst, du kannst mich mit Alkohol und schlechtem Essen locken, so dass ich dir kleine Belanglosigkeiten aus meine Leben erzähle, die dich in irgendeiner verqueren Weise in deinem seltsamen Plan weiterbringen, aber vergiss es“, informierte er sie kühl. Sie lächelte.

 

„Du bist kein dummer Junge, Malfoy“, erwiderte sie lächelnd. Sein Mund öffnete sich wieder. „Weißt du, alles, was du mir erzählst, kann sich nicht schlecht auf dich auswirken“, schloss sie achselzuckend. „Außerdem kann ich mittlerweile mit Sicherheit behaupten, wir kennen viele Seiten von uns.“ Sie war eine Spur röter geworden, stellte er fest, als sie die Worte sagte. Dann sah sie ihn an. Er kam sich vor, wie ihm Unterricht. „Du hasst deinen Vater, weil er sich nicht um dich gekümmert hat, weil er dich gezwungen hat, Voldemorts Regime anzugehören und weil er dich danach, nachdem du alles für ihn getan hast, immer noch nicht beachtet hat?“ Seine Augen weiteten sich.

 

„Wow. Du musst ein Medium sein, Granger“, entgegnete er trocken. „Zu deiner Information, ich war gerne in Voldemorts Regime, wie du es nennst“, schloss er böse.

 

„Mhm“, tat sie diese Information kauend ab, als wäre sie unwichtig, „und was soll das genau heißen, Snuffles war nicht lebendig?“ Er lehnte sich stöhnend zurück. Das schien sie wirklich zu interessieren, bemerkte er entnervt. „Und tu nicht so!“, unterbrach sie ihn. „Du hättest längst gehen können. Aber du sitzt noch immer hier. Das mag daran liegen, dass du tatsächlich Hunger hast, dass dir tatsächlich gefällt, dass sich jemand mal für dich interessiert; es mag vielleicht auch daran liegen, dass du dich vor deiner Mutter versteckst – die übrigens die einzige war, die überhaupt auf deine Briefe geantwortet hat“, erläuterte sie besserwisserisch. Er musterte sie. Ihre braunen Augen betrachteten ihn wachsam.

 

Er nickte und erhob sich schließlich.

 

„Malfoy?“, rief sie und folgte ihm, als er aufgestanden war. „Bekomme ich keine einzige Antwort?“, wollte sie missmutig wissen, und sie hatte sich vor ihn, mitten in seinen Weg, gestellt. Und seine Angst war mittlerweile verflogen. Tatsächlich schien sie wirklich nur reden zu wollen. Und das regte ihn noch mehr auf.

 

„Doch. Ich habe keine Geschlechtskrankheiten. Das war doch auch eine deiner endlosen Fragen gewesen, oder nicht?“, entfuhr es ihm, bei weitem nicht mehr geduldig.

 

„Es tut mir leid“, sagte sie tatsächlich, und er glaubte er hätte sich verhört.

 

„Was genau?“, wollte er bitter wissen. „Dein endloses Fragengequatsche? Dass du nicht verhindert hast, meine Frau zu werden, dass-“

 

„-ich habe es versucht, ok?! Ich war jeden Tag hier! Deine Eltern waren verreist, ich habe gedacht, sie würden…-“ Sie unterbrach sich selbst. „Das ist mittlerweile unwichtig, oder nicht?“

 

„Ich hätte ein paar Fragen, Granger“, drehte er entnervt den Spieß um.

 

„Malfoy-“, begann sie kopfschüttelnd, aber er unterbrach sie zornig.

 

„-oh keine Sorge, ich werde nichts Offensichtliches fragen. Zwar hättest du gerne, dass dir alles und jeder Frage und Antwort steht, aber keine Sorge! Wieso zwingst du Tilly nicht einfach, mit deinem Mördergriff an die Kehle, vielleicht zwingst du sie noch, ihre Kleider auszuziehen und fragst sie, weshalb sie mir Quatsch zu Weihnachten schenken will?“, fuhr er sie an, dass sie zusammenzuckte. „Nein, meine Frage ist einfach, Granger. Warum wolltest du kein Gold haben? Warum hast du unterschrieben, dass du keinen Sickel von meinem Vermögen willst, wenn wir uns trennen – was wir werden, denn das scheint doch dein Plan zu sein, oder nicht?“, knurrte er, und sie verdrehte tatsächlich die Augen.

 

„Nein, ich meine es ernst!“, bohrte er weiter. „Du hasst mich, ich hasse dich – wir haben nichts gemeinsam, du hasst jede Sekunde hier, jede Sekunde mit mir – wieso hast du dann nicht wenigstens dafür gesorgt, dass, wenn es vorbei ist, du die Hälfte von allem bekommst, was ich besitze?“, donnerte seine Stimme. Er sah sie schlucken.

 

„Also… wegen dem Fluch – das wollte ich nicht. Ich wollte dir nicht…. wehtun“, räumte sie ein wenig widerwillig ein, und seine Augen weiteten sich. „Und ich wollte dein Gold nicht, weil Gold wertlos ist. Ich weiß, nicht für dich, nicht für deine Gesellschaft, aber für mich, ok? Ich brauche kein Gold. Merlin, wenn ihr einfach alle einsehen würdest, wie wenig Gold am Ende zählt, dann hätten wir alle kein Problem.“

 

Er lachte auf. „Das sagst du, weil du keins besitzt, Granger“, knurrte er.

 

„Unsinn“, erwiderte sie, und es machte ihn wütend.

 

„Du hast keine Ahnung! Du hast keine Verantwortung!“

 

„Keine Verantwortung?“, wiederholte sie, mittlerweile zornig. „Gott, du bist so…!“ Aber sie fing sich. Sie war mächtig wütend. Er erkannte sogar Tränen in ihren Augenwinkeln.

 

„Ich bin was?“, wollte er genauso wütend von ihr wissen.

 

„Blind“, antwortete sie ihm tatsächlich, wo sie doch sonst jede Drohung im Raum hängen ließ, wenn sie merkte, dass sie zu viel mit ihm gesprochen hatte.

 

„Ich sehe ziemlich gut, Granger“, erklärte er kalt.

 

„Ach wirklich?“, entkam es ihren Lippen fast resignierend. Sie sahen sich beide schweigend an. Nur war ihre Wut auf ihn wohl irgendwann verflogen. „Ich gebe mir hier Mühe, ok?“, sagte sie nach einer Weile. Seine Augen weiteten sich ungläubig.

 

„Mühe mit was?“, lachte er auf. „Mit deinem Verhör? Wahnsinn! Soll ich dir applaudieren? Schön, dass du dir Mühe gibst! Ich scheiße auf deine Mühe! Du machst mein Leben zur Hölle, und ich soll dir danken, oder was möchtest du gerne?“, fuhr er sie an.

 

„Malfoy“, begann sie, durch zusammen gebissene Zähne, „du hast mir nicht nur meine Jungfräulichkeit genommen, sondern mich auch noch dazu gezwungen, mit dir Sex zu haben!“

 

„Du bist selber schuld!“, knurrte er. „Und wenn jede Toilette in ganz Hogwarts voll mit meinen Errungenschaften ist, kann es nicht so schlimm gewesen sein!“, giftete er bösartig.


„Oh, du hältst dich für so gut?!“, fuhr sie ihn an.


„Ich denke, alle deine Höhepunkte sprechen nur für mich, Granger!“ Sie wurde so rot, dass sie den Blick senken musste. Und irgendwie war er von seinem Kurs abgekommen. Aus irgendeinem Grund sprach er jetzt mit ihr über Sex und merkte es nicht einmal.

 

„Hör auf!“, knurrte sie jetzt.

 

„Warum? Es hat gerade erst angefangen, Spaß zu machen! Du bist hier das Schlammblut! Du kannst dankbar sein, dass ich-“

 

„-hey!“, unterbrach sie ihn zornig. „Du hast mir die Sex-Kette geschenkt!“

 

„Es war ein Unglücks-Fluch, Salazar, noch mal! Woher sollte ich wissen, dass das dein größtes Unglück ist?!“, fuhr er sie an, während dieser Gedanke irgendwo in seinem Gehirn einschlug. Aber die größere Bedeutung dahinter, vermochte er noch nicht zu erfassen – oder er wollte es gerade nicht.


„Ja, du bist so ein nobler Held, Malfoy! Nachdem du das herausgefunden hast, wieso hast du es nicht gesagt, hm?“, riss sie ihm den letzten Trumpf aus der Hand. „Du hättest es nicht wieder und wieder tun müssen!“, sagte sie jetzt, und er verzog gequält den Mund. „Ich denke, es ist dir scheiß egal, ob ich ein Schlammblut bin oder nicht, du dämlicher Todesser!“, rief sie jetzt aufgebracht.

 

„Glaub mir, es ist mir nie egal! Aber ein passabler Fick ist ein passabler Fick!“, erwiderte er kalt.

 

„Vielen Dank, das Kompliment kann ich nicht zurückgeben!“, konterte sie ziemlich schnell.

 

Er musste lächeln, denn sie log. „Jaah. Deswegen hast du auch meinen Namen geschrien“, schloss er überlegen. Ihr Mund klappte zu. Ihre Wangen waren furchtbar rot.

 

„Das… war der Fluch“, erklärte sie mit mehr Nachdruck. „Ich meine, du bist derjenige, der krank ist! Ich foltere dich praktisch, und du wirst nur zu willig die Klamotten los!“, knurrte sie schockiert.

 

„Ok, was willst du hören, du verdammte Schlampe?“, fuhr er sie an, um es abzukürzen. Er lehnte sich näher zu ihr. „Willst du ein Geständnis, ist es das, du verrücktes Miststück? Ok, meinetwegen!“, rief er und hob die Arme zum Himmel. „Der Sex war gut, Granger. Besser als das, meinetwegen! Bring mich um, weil ich Spaß dabei hatte, dich zu vögeln!“

 

Sie schwieg verbissen und verging vor ihm vor Scham.

 

„Du bist widerlich!“, brachte sie kopfschüttelnd und angeekelt über die Lippen.

 

„Und du stehst drauf!“, erwiderte er trocken. Sie sahen sich an.

 

Großartig. Was veranstaltete er hier eigentlich?!

 

Sie schloss peinlich berührt die Augen. „Ok“, sagte sie ruhiger, „können wir nie wieder darüber reden?“, wollte sie mit geschlossenen Augen von ihm wissen, und er atmete entnervt aus.

 

„Meinetwegen, du Jungfrau“, erwiderte er knapp. Sie schoss ihm einen bösen Blick zu. „Es war nur Sex, Merlin noch mal!“

 

„Ja“, bestätigte sie, gefährlich ruhig, „nur ich hätte es gerne mit jemandem erlebt, den ich auch nur ansatzweise mag und attraktiv finde!“

 

„Oh, du-“, begann er mit einem bösen Grinsen, aber sie unterbrach ihn.

 

„-lass es!“, warnte sie ihn knapp. Er nickte spöttisch.

 

„Ich bin sicher, ein dummer Weasley wird sich für dich erbarmen, wenn es vorbei ist, Baby“, erwiderte er lächelnd.

 

„Nenn mich nicht Baby“, antwortete sie.

 

„Hm, heute Nachmittag war das kein Problem“, merkte an, während er sich scheinheilig mit dem Zeigefinger gegen die Lippe tippte, „woran kann das wohl liegen?“

 

Ihr Blick war tödlich. „Malfoy-“

 

„-oh, gib es doch einfach zu!“, widersprach er überlegen.

 

„Beantwortest du mir dann eine Frage?“, entfuhr es ihr gereizt, und er schenkte ihr ein schiefes Grinsen. Nein, jetzt gerade machte sie ihm keine Angst mehr.

 

„Ok. Eine Antwort für ein klein wenig Ehrlichkeit von dir, Granger“, beschloss er siegessicher.

 

„Fein!“, sagte sie entnervt. „Ok – es war nicht furchtbar.“

 

„Sag es“, beharrte er kühl.

 

„Was?“, erwiderte sie abwehrend, aber er verschränkte lauernd die Arme vor der Brust.

 

„Sag. Es.“

 

„Es war gut. Merlin, bist du jetzt zufrieden, Arschloch?“ Sie sah ihn nicht mehr an, starrte Löcher an die Decke, in den Boden, in die Wand, und er lächelte selbstgerecht.

 

„Oh Baby, ich weiß“, erwiderte er grinsend.

 

„Zurück zu meiner Frage.“ Sie bewahrte ihre kühle Kontenance. Es war fast witzig. Er atmete aus.

 

„Was ist deine Frage?“

 

„Mit Snuffles, ich denke, er-?“, wiederholte sie, er verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.


„-vergiss es“, unterbrach er sie achselzuckend.


„Du hast gesagt-!“

 

„-ja, eine Frage. Aber nicht diese.“ Sie sah ihn an, als hätte er sie verraten. Der Spaß war vorbei, und er erinnerte sich wieder an die Situation, in der sie sich befanden. „Ich bin nicht Potter, ich bin nicht Weasley, ok?“, informierte er sie jetzt gepresst. „Du kannst mich nicht zwingen, dir irgendetwas zu erzählen, nur weil du es wirklich, wirklich willst!“, erinnerte er sie zornig. „Wir sind keine Freunde. Wir sind gar nichts.“

 

„Es geht nicht um-“

 

„-um was geht es dann?“, unterbrach er sie und fixierte sie ernsthaft. „Was willst du von mir? Was willst du hören?“, fuhr er sie an.

 

„Irgendwas!“, schrie sie zurück. „Erzähl mir irgendetwas! Und versteck dich ständig dahinter, dass du Menschen bloßstellen willst!“ Sein Mund öffnete sich perplex. Das tat er nicht! Sie war selber schuld!

 

„Du hast nicht verdient, dass ich dir wahllos Antworten gebe! Womit denkst du, hast du dir mein Vertrauen verdient, oder was auch immer es ist, was du dir mit deinen schwachen Versuchen erhoffst?“ Sie schien langsam müde zu werden.

 

„Malfoy, du wirst bald niemanden mehr haben, der dir zuhört – wenn du überhaupt jemals jemanden gehabt hast, der das tut“, sagte sie jetzt.

 

„Oh, fick dich doch einfach, Granger, wie wäre das?! Und keine Sorge, es gibt tausend Leute, die mir zuhören“, entgegnete er zornig und wollte gehen, aber sie hielt ihn auf.

 

„Ich will dir helfen, Merlin noch mal!“, rief sie jetzt.


„Ich scheiße auf deine Hilfe! Ich brauche deine Hilfe nicht! Ich brauche auch deine scheiß Ratschläge nicht, stell dir vor!“ Aber sie stand unbeirrt vor ihm. Es machte ihn wahnsinnig. „Es ist mir lieber, wenn du mich offensichtlich hasst. Das hat wenigstens irgendeinen Reiz“, knurrte er kalt, während er sie abschätzend musterte.

 

„Du hast mich geheiratet!“, sagte sie jetzt wütend. Er lachte freudlos auf.

 

„Und? Was soll das bedeuten? Welchen Wert hat das in deinen Augen? Ich habe es tun müssen, weil ich sonst nicht mal mehr Gold gehabt hätte, du dummes Miststück!“, erinnerte er sie außer sich vor Wut.

 

„Gott, du bist wie tausend Wände auf einmal, Malfoy! Ich tue dir nichts, Merlin noch mal!“, rief sie verzweifelt. „Ich versuche ernsthaft, zu ignorieren, dass du mich durch eine Kette zum Sex gezwungen hast, dass ich in deiner Nähe nur Angst habe, von dir umgebracht zu werden, dass ich nicht mehr schlafe, weil ich denke, dass mich die Todesser in der nächsten Umgebung finden und verbrennen werden, wenn sie mich durchs Fenster sehen – ich gebe mir Mühe, zu ignorieren, dass wir nicht zusammen gehören – aber ich bin genauso einsam wie du, glaub mir! Dich zu heiraten hat mich alle meine Freunde gekostet! Sie sehen mich an, wie eine Wahnsinnige, weil sie nicht glauben können, dass irgendwer dich mag! Dass ich tatsächlich auch nur eine gute Eigenschaft in der hatte finden können!“

 

„Ich bin nicht einsam!“, knurrte er ungehalten. Und er ignorierte ihre übrigen Worte. Denn sie grenzten fast an Ehrlichkeit. Sie sah sich fast provozierend um.

 

„Ach nein? Jetzt gerade… verbringst du deinen Abend mit mir. Das nenne ich verdammt einsam, Malfoy.“ Aber das würde sie nicht tun. Sie würde diesen Spieß nicht umdrehen!

 

„Wenn es so eine scheiß Qual für dich ist – wieso hast du es dann getan?! Wieso hast du mich geheiratet? Wieso, Salazar, noch mal?!“, schrie er ihr direkt ins Gesicht, während sein Atem immer schneller ging, und für Sekunde dachte er, sie würde antworten. Sie würde ihm die Antwort geben, die er hören wollte.

 

„Weil-“ Sie sah ihn an.

 

Und es verging eine Sekunde, ehe sie antwortete. „Weil du gute Eigenschaften hast.“ Er starrte sie an. „Weil… du die Chance verdienst, dass sie jemand sehen sollte“, flüsterte sie, und er atmete enttäuscht aus. Sie würde es ihm nicht sagen. Stattdessen log sie wieder. Zumindest ging er davon aus, denn er wüsste nicht, von welchen Eigenschaften sie sprechen sollte, die in ihren Augen irgendeinen Wert besaßen.

 

„Oh, und du siehst sie, hm? Alle guten Eigenschaften, die ich besitze?“, spottete er kühl, aber sie schüttelte müde den Kopf.

 

„Nein. Ich sehe keine. Du behandelst mich wie Dreck. Du behandelst mich, als wäre ich gerade dein schlimmster Albtraum.“

 

„Oh ja, Granger! Du bist schlimmer als das“, knurrte er.

 

„Gut“, sagte sie merklich stiller.

 

„Gut?“, wiederholte er am Rande seiner Kräfte.

 

„Du hast mich gefragt, wieso“, sagte sie plötzlich. Wachsamkeit war in ihren Blick getreten. Er horchte auf. „Ich habe dich geheiratet, damit du alles Schlechte an mir auslassen kannst. All das Böse, all die Ungerechtigkeit, die du empfindest. Und ich bitte dich, tu das. Mach, was du willst, Malfoy. Mach deinem Ärger Luft, raste aus, zerstöre alles um dich herum.“ Sein Mund hatte sich geöffnet.

 

„Du hast einen echten Schaden“, informierte er sie, denn wieder einmal jagte sie ihm Angst ein. Und tatsächlich glaubte er, sie sagte gerade die Wahrheit, aber das hieß noch lange nicht, dass er sie verstand! Oder es wollte!

 

„Mag sein, aber ich glaube nicht“, widersprach sie ihm mit Bedacht. „Du merkst nicht mehr, was richtig ist und was falsch ist.“

 

„Oh, und du bist die Königin von allen Dingen und zeigst mir, was richtig ist?“, frotzelte er und verzog grimmig den Mund.

 

„Ja“, erwiderte sie voller Dreistigkeit. Er legte müde den Kopf in den Nacken, atmete aus und versuchte, sich ihre Worte ins Gedächtnis zu holen.

 

„Das macht alles keinen Sinn“, murmelte er frustriert.

 

„Ok, ich bin bereit, einen Deal mit dir zu machen“, sagte sie nach einer kleinen Weile, und sie schien hin und her gerissen zu sein.

 

„Wieso sollte ich einen Deal mit dir eingehen?“, wollte er erschöpft von ihr wissen.

 

„Du willst mich loswerden, oder nicht?“, kam prompt ihre Antwort, und er senkte den Blick langsam wieder.

 

„Du bietest mir an, dich schneller loszuwerden?“, vergewisserte er sich.

 

„Ja. Du musst nur tun, was ich sage.“

 

„Granger-“

 

„-willst du wirklich darüber diskutieren?“, unterbrach sie ihn. „Hat dir die Vergangenheit nicht deutlich genug gezeigt, wer hier die Macht hat, Malfoy?“ Und sein Mund schloss sich widerwillig, denn… sie hatte leider Recht.

 

„Du… willst mir helfen?“, fragte er ungläubig. „Du tust das alles, um mir zu helfen?“, wiederholte er, denn er konnte es sich nicht vorstellen.

 

„Ja“, sagte sie aber, so simpel, als hätte er gefragt, ob morgen die Sonne wieder aufgehen würde.

 

„Und wie?“, wollte er bockig wissen.

 

„Haben wir einen Deal?“, wiederholte sie ihre Frage, und er zögerte. Er hatte keine Ahnung, was sie plante, was vor sich ging, und er wusste nicht mal, ob sie ernst meinte, dass sie ihm helfen wollte. Aber sie wollte weg. Sie wollte hier verschwinden, und das war genau das, was er wollte. Also hob er mikroskopisch langsam die Hand und bewegte sie langsam in ihre Richtung. Grangers Augen wurden groß.

 

„Ich helfe dir, und du verschwindest. Wir haben einen Deal“, antwortete er ernst.

 

Und kurz schien sie ebenfalls zu zögern, aber dann ergriff sie seine Hand.

Es war ein seltsamer Moment. Er hatte ihn nicht ganz durchdacht, aber niemand trug die Kette. Niemand würde sich gleich nackt ausziehen. Ihre Hand war etwas kühler als seine. Und er erinnerte sich, wie sich ihre Haut unter seinen Händen angefühlt hatte.

Kurz schwiegen sie. Er hielt einfach nur ihre Hand in seiner, aber sie schien damit beschäftigt zu sein, ruhiger zu atmen.

 

Dann hob sich ihr Blick zu seinen Augen. Sie waren voller Tatendrang. Es macht ihm Angst.

 

„Was hassen deine Eltern am meisten?“, fragte sie ihn schließlich.

 

Und er musste nicht besonders lange überlegen, um ihr tatsächlich eine Antwort auf die Frage geben zu können. Denn die Antwort lag praktisch auf der Hand.

 

„Mich, Granger“, erwiderte er voller bitterer Wut. Ihre Finger schlossen sich fester um seine Hand.

 

„Ganz genau“, flüsterte sie. „Und du wirst mir helfen, so zu werden wie du.“

 

Sein Mund hatte sich verblüfft geöffnet.

 

was?!

 

 

Kapitel 45

 

Es herrschte ein seltsamer Waffenstillstand zwischen ihnen, und Hermine hoffte nur, dass ihre umgekehrte Psychologie irgendwie fruchten würde. Ja, sie wollte ihm helfen. Er wusste nur noch nicht, dass es ihn wahrscheinlich alles kosten würde. Aber sie war noch nicht bereit, aufzugeben.

 

Lucius und Narzissa schienen schon vollkommen verblüfft darüber zu sein, dass sie beide zusammen im Herrenhaus zum Frühstück aufgetaucht waren. Sie spürte die scheelen Blicke, die beide ihnen zuwarfen. Hermine überflog den Tagespropheten.

 

Madame Lestrange hatte eine Anzeige geschaltet für einen Tanzkurs für Fortgeschrittene.

 

Und ihr Herz schlug schneller. Das bot ihr einen Einstieg. Es wurde Zeit, über sich hinauszuwachsen. Sie hatte bemerkt, dass Malfoy aufmerksamer wirkte als sonst. Wartete er auf sei Stichwort? Oder interpretierte sie zu viel in seine Körpersprache? Sie räusperte sich und unterbrach die ungläubige Stille, die herrschte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

 

„Madame Lestrange war lange Zeit verschwunden, nicht wahr?“ Sie richtete die Frage an niemanden bestimmten, aber Narzissa antwortete.

 

„Ja. Sie war im Ausland untergebracht“, bestätigte Narzissa. Hermine hob den Blick.

 

„Hattest du mit ihr zu tun?“, fragte Hermine unverfänglich. „Als ihr jünger wart, vielleicht?“ Narzissa überlegte kurz. Hermine sah, das Thema war ihr nicht angenehm.

 

Gut.

 

„Ich… nein. Bella hat Rodolphus erst zum Ende der Schule angefangen zu treffen“, erklärte sie. „Und seine Schwester hat er natürlich nie erwähnt.“ Narzissas Blick hatte etwas Fragendes an sich. Aber Hermine ging nicht darauf ein. Sie schüttelte nur theatralisch den Kopf.

 

„Seltsam, oder?“, murmelte sie, und Narzissa bedachte sie mit einem argwöhnischen Blick. „Ich meine, Bellatrix muss doch jeden rationalen Sinn verloren haben, ein solches Schwein zu heiraten, oder?“

 

Und es hing greifbar in der Luft. Das Knistern der Stimmung. Der Moment, in dem es anders würde. Drohend hing es über der langen Tafel, an der sie saßen.

 

Das Schweigen, das folgte, war… endlos. Narzissas Stirn lag in Falten. Sie musste sich wohl denken, dass Hermine selten so sprach. Und ja, das stimmte. Aber Hermines rasendes Herz sagte ihr, dass dies der richtige Weg war. Sie würde alles zerstören, was sie hier aufgebaut hatte. Sie durfte nur nicht aus dem Blick verlieren, wohin sie wollte.

 

Malfoy klinkte sich ungefragt ein, während er sein Croissant bestrich.

 

„Mhm, absolutes Arschloch. Aber so gesehen hat sie ihren perfekten Partner gefunden“, ergänzte er, und Hermines Herz flatterte, denn sie hatte ehrlich gesagt nicht mit seiner Hilfe gerechnet. Und es war seltsam. Sie glaubte, dies war das erste Gespräch, das er mit ihr vor seinen Eltern führte.

 

„Draco!“, ermahnte ihn Narzissa schockiert.

 

„Natürlich sind wir nicht alle so clever, eine Muggel zu heiraten“, bemerkte er kühl in ihre Richtung, und sie schenkte ihm ein eisiges Lächeln. „Meine Mutter hat selber einen mächtigen Griff ins Klo getan“, schloss er grinsend mit einem Nicken in Lucius‘ Richtung, und Lucius‘ Blick versprach nichts als Ärger. Hermine zwang ihre trockenen Lippen zu einem Lächeln, aber ihre Mundwinkel wollten sich kaum heben.

Aber es musste sein.

 

Lucius war aufgestanden. „Raus!“, sagte er gefährlich ruhig in Dracos Richtung, und Narzissa erhob sich ebenfalls.

 

„Draco, du entschuldigst dich bei deinem Vater!“, befahl sie sofort, die Stimme etwas höher. Und er wandte sich zögernd an sie, mit dem richtigen Maß an gutem Schauspiel, so dass Narzissa der Mund offen stand.

 

„Hermine, muss ich mich entschuldigen?“, erkundigte er sich scheinheilig, wie ein Junge bei seiner Mutter, und Hermines Herz hämmerte in ihrer Brust.

 

Er war gut. Wirklich gut. Sie hatte es nicht von ihm erwartet. Sie hatte nicht von ihm erwartet gehabt, dass er so gut spielen würde. Aber wenn sie es sich recht überlegte, dann war es kein Wunder. Denn darin war er gut. Ein Arschloch sein. Ein undankbares Arschloch, was seine Eltern beleidigte. Ihr Herz brach, denn sie mochte Narzissa, aber… sie brauchte Malfoy jetzt. Es half ihr, Malfoy zu haben. Denn würde sie sich nur auf Narzissa verlassen, würde sich gar nichts ändern. Schritt eins wäre, Narzissa dazu zu bringen, dass sie glaubte, Hermine ins Haus geholt zu haben, wäre der größte Fehler auf Merlins Erde gewesen. Und dafür brauchte sie wohl oder übel Malfoys Hilfe.

 

Sie atmete aus, und ein Lächeln erschien auf ihren Zügen. Die beiden Erwachsenen standen und schienen die Luft angehalten zu haben, denn dass Draco sie für eine Absolution ansprach, das war neu. Und das war falsch.

 

Und zerstörte alles, was da gewesen war.

 

„Nein, Draco. Ich finde, du hast vollkommen Recht.“ Fast waren die Worte nur wie ein widerwilliger Hauch über ihre Lippen gekommen, aber sie hatte sie gesagt. Sie hatte Narzissas Wort untergraben und Lucius ebenfalls beleidigt.

 

Und es war wie der sprichwörtliche Wind, der sich drehte.

 

Lucius‘ und Narzissas Blicke ruhten auf ihr. Sie konnte ihre Gesichter nicht lesen. Narzissa wirkte allerdings besonders betroffen, auch wenn sie es zu verbergen versuchte. Mit einem Lächeln schmierte Draco sein Croissant zu Ende.

 

„Ich meine“, fuhr Hermine mit festerer Stimme fort, und ihr Blick wanderte abschätzend über Lucius, „dein Vater hat dir schließlich aufgetragen, dich von mir und allem übrigen Gesocks fernzuhalten. Aber wahrscheinlich kann man einem Todesser nur schlecht Vorhaltungen darüber machen, was moralisch richtig ist, nicht wahr?“ Sie lachte gekünstelt. „Immerhin haben Sie mich hier bereits gefangen gehalten, nicht wahr? Voldemort war bestimmt enttäuscht, dass Bellatrix das Schlammblut nicht noch ein wenig länger hatte foltern können. Zu dumm, dass Harry Potter ständig in den Weg geraten ist“, schloss sie kopfschüttelnd.

 

„Hermine“, begann Narzissa, aber Draco unterbrach sie, unhöflich, wie er eben war.

 

„Unter Voldemort verlernt man, für sich selber zu denken. Ich bin mir sicher, Lucius ist noch immer nicht ganz bewusst, dass der böse Lord seit einer Weile nicht mehr da ist“, spottete Malfoy kalt, und Lucius schloss den Abstand zu seinem Sohn, aber Hermine war geistesgegenwärtig aufgesprungen. Lucius hatte nach Dracos Kragen greifen wollen, aber sie war tatsächlich schneller.

 

Merlin, war sie schnell! Der Krieg formte einen und so schnell verlernte man nicht, stellte sie überrascht fest.

 

„Das werden Sie nicht tun“, informierte sie Lucius mit erhobenem Zauberstab. Die Situation war kurz davor, zu eskalieren. Lucius schenkte ihr einen unfassbar bösen Blick. So böse, wie Hermine ihn noch nicht erlebt hatte. Er hatte vor Malfoy inne gehalten, die Hand in der Luft. Sie hatte Mühe, ruhig zu bleiben. „Draco“, sagte sie, während sie Lucius nicht aus den Augen ließ, „lass uns gehen“, schloss sie heiser, denn Spott brachte sie nicht zustande.

 

Und sie wusste, Lucius verzieh nicht. Bei Lucius gab es keine Vergebung. Und das hatte sie in Kauf genommen.

 

Malfoy erhob sich, als wäre nichts passiert und Hermine verließ mit ihm das Esszimmer; das Schlachtfeld. Ihr Herz klopfte laut und ihr war schlecht. Ihre Handflächen waren schwitzig geworden, und sie glaubte, gleich ohnmächtig zu werden. Es war bezeichnend, wie ruhig Malfoy neben ihr blieb. Aber sie wusste, es war gut. Es war der richtige Weg, den sie einschlug, und sie wandte leicht den Blick, als sie das Herrenhaus verließen, um ins Gästehaus zu fliehen, so würde Hermine es nennen.

 

„Danke“, sagte sie, aber Trauer überschattete ihre Stimme, wie sie merkte. Narzissas Blick war so verletzt, so enttäuscht gewesen.

 

„Es war mir ein verdammt großes Vergnügen“, erwiderte er lächelnd. Hermine betrachtete ihn. Er würde es noch bereuen. Sie wusste es. Kein Kind beleidigte seine Eltern gern. Aber es war wichtig, dass er dabei zusah, wenn es jemand tat, der tatsächlich Grund genug dazu hatte. 

 

Er hatte sie Hermine genannt.

 

Es war ihr bestimmt nicht entgangen. Sie fragte sich, ob es ihn Überwindung gekostet hatte. Aber sie brauchte weiterhin seine Unterstützung. Böse sein erforderte ein gewisses Maß an grenzenloser Dummheit. Sie verabscheute ihn immer noch, ging ihr auf. Gut. Das war wirklich gut. Und ihr kam der nächste Schritt des Plans in den Sinn.

 

Es war wichtig, dass sie alle Brücken zerstörte. Dass sie Narzissa keine Atempause gab, keinen Grund, in Hermine die selbstlose, dankbare Schwiegertochter zu sehen, für die sie sie hielt. Und der nächste Schritt war ihr mehr als lästig, aber sie wusste, er wäre besonders effektiv.


„Am besten fangen wir an, Unordnung zu machen“, fuhr sie fort. Sie wusste, zurzeit bot sie Malfoy eine spannende Abwechslung, denn er hatte die Stirn in Falten gelegt. „Deine Mutter wird gleich rüber kommen, um mich zu fragen, ob ich wahnsinnig geworden bin, und ich möchte ihr einen guten Empfang bieten“, erklärte sie achselzuckend.


„Mit Unordnung?“, wiederholte er, nicht überzeugt.

 

„Nein“, lächelte Hermine. „Ich möchte, dass es hier aussieht, als würden wir es nicht aus dem Bett schaffen“, schloss sie knapp. Und wieder schlug ihr Herz schneller. Sie erwartete, dass er ablehnte, dass er es für widerlich und abwegig hielt. Und sie sah, wie er zögerte. Für ein paar Sekunden, wie er vielleicht ansatzweise begriff, was sie tat – aber jeder lichte Moment verschwand aus seinen grauen Augen, als sein Blick an Fokus gewann.

 

Kurz schien er noch über die Worte nachzudenken, aber dann schritt er durch die Haustür des Gästehauses und beförderte alle Mäntel der Garderobe auf den Fußboden. Er trat sich die Schuhe von den Füßen, warf seinen Umhang auf die Treppe und brachte anschließend die Couch in Unordnung.

 

Er verteilte Zeitschriften wahllos auf dem Boden und öffnete dann sein Hemd.

 

„Zieh dich aus“, wiederholte er ihre Worte von gestern, und sie stellte fest, er schien mehr Spaß dabei zu empfinden, als er sollte. Und er willigte schneller ein, als sie erwartet hätte.


„Was?“ Aber er deutete mit einem Kopfrucken aus dem Fenster.

 

„Deine Schwiegermutter befindet sich im Anmarsch“, verkündete er, was sie bereits vorausgeahnt hatte. Narzissa wollte es klären, eifrig und gutherzig, wie sie nun mal war. Und Hermine sah, wie Narzissa tatsächlich mit Schritten verzweifelten Tatendrangs zum Haus gelaufen kam. Hastig öffnete Hermine die Knöpfe der Bluse, streifte sie sich von den Armen und folgte Draco nach oben. Achtlos ließ sie ihre Schuhe auf der Treppe zurück, und stieg im Schlafzimmer oben aus ihrer Hose.

 

Sie dachte nicht nach.

 

Nachdenken war meist der Feind all ihrer Entscheidungen! All ihrer dummen Entscheidungen zumindest.

 

Malfoy war bereits so gut wie nackt, bis auf seine Shorts.

 

Seltsam, wie einfach das ging, wenn es nur Show war, überlegte sie. Sie schämte sich schon jetzt. Sie hörte die Tür unten klicken.

 

„Komm her“, raunte er, kletterte ins Bett, nachdem er die Kissen in jede Richtung geschleudert hatte, und sie kam zögerlich näher. „Mach schon!“, befahl er, zog an ihrem Handgelenk und sie fiel zu ihm ins Bett. Ehe sie protestieren konnte, warf er sie auf die Matratze unter sich, während er sich zwischen ihre Beine legte. Er ließ ihr nicht mal die Zeit, sich tatsächlich zu schämen. War es nicht seltsam, dass sie das erst gestern getan hatten?

 

Immerhin trugen sie diesmal noch beide wenigstens ihre Unterwäsche.

 

Sie atmete schwer.

 

Bei dem Thema, seine Eltern auf die Palme zu bringen, bewegte er sich wie ein Fisch im Wasser, stellte Hermine fest, während sie versuchte, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass es ihr mehr als unangenehm war, so gut wie nackt unter ihm zu liegen.

 

„Hermine?“, rief Narzissa aufgebracht vom Wohnzimmer aus. Hermine hörte sie fluchen, während sie wohl über das Chaos stieg. „Ich möchte mit dir reden!“

 

Sie erklomm die Stufen, und Hermines Blick hob sich zu seinem Gesicht.

Sie hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken, wie wenig es ihn störte, gleich fast nackt vor seiner Mutter zu sein – denn sie störte es sehr! Wirklich sehr!

 

Es störte sie schon, praktisch nackt vor ihm zu sein, aber er senkte den Blick, als er seine Mutter im Flur oben hören konnte.

 

Das Gespräch von gestern rauschte praktisch noch immer in ihren Ohren.

 

Es war gut gewesen.

 

Das hatte sie ihm gesagt. Und so hatte sie es leider auch gemeint.

 

Und manchmal sah sie durch seine Fassade, durch Malfoys ewige Mauer. Hinter hohen, kalten Mauern hatte Lucius sein hartes, kaltes Herz erzogen.

 

Und sie erinnerte sich, weshalb sie es getan hatte.

 

Er war fast gestorben, und seine Eltern hatten es nicht mal gemerkt.

 

Ihre Hände hoben sich zu seinen samtenen Wangen, und kurz weiteten sich seine Pupillen. Nur minimal, aber sie merkte es. Dass er tatsächlich gut im Bett war, dass er tatsächlich gut küssen konnte, machte es nicht besser. Fast wünschte sie sich, dass er grottenschlecht wäre. So wie sein Inneres schlecht war. Aber sie war Hermine Granger. Tief in ihrem Innern. Immer noch. Und sie war gut. Und manchmal musste es für sie beide reichen. Und sie wollte, dass er sich beachtet fühlte. Dass er glaubte, jemand nahm ihn ernst. Dass er sich wichtig fühlte.

 

Nicht, weil er Gold besaß – Tonnen davon.

 

Nein. Weil er Draco Malfoy war.

Und dass sie jetzt gerade diejenige sein musste, war ungünstig, aber so war es nun mal.

 

Und sie zog sein Gesicht in gefühlter Zeitlupe hinab zu ihrem, als seine Mutter die Tür aufzog.

 

Und sie hörte nicht mal, dass Narzissa vor Schreck aufkeuchte, denn er reagierte, und ihre Haut prickelte unter seine Berührung. Und er überwand die letzten Millimeter zu ihren Lippen, ohne dass sie ihn zwingen musste.

 

Sie verließen sich gegenseitig auf ihr Spiel, aber manchmal spürte sie, es war kein Spiel.

 

Jetzt gerade trug sie keine Kette, die ihre Sinne benebelte.

 

Jetzt gerade war sie voll wach, voll nüchtern und sich ihren Handlungen vollkommen bewusst. Seine Hände glitten unter ihren Körper, zogen sie näher, und fast wollte sie weinen, denn wenn sie die Augen schloss, war es gar nicht so eine bittere Wahrheit, die sich hinter all den Dingen verbarg.

 

Sie küsste ihn, weil sie sich bestrafen wollte dafür, Narzissa enttäuscht zu haben, Lucius enttäuscht zu haben, ihre Eltern, Harry – Ron.

 

Sie küsste ihn, denn sie fühlte sich schmerzhaft lebendig, wenn er sie berührte. Sie fühlte sich mächtig, wenn er unkontrolliert stöhnte, wenn ihre Finger ihn berührten. Seine Zunge glitt in ihren Mund, und mittlerweile wusste sie, wie sie ihn küssen musste, antizipierte seine Bewegungen, und ihre Zungen trafen sich. Es war ein Kuss, wie ihn tausend Generationen schon gespürt haben mussten. Bis ins Mark, verloren in den Sinnen. Sie spürte seine Erektion an ihrem Schenkel, hörte nur am Rande, wie Narzissa die Schlafzimmertür lautstark ins Schloss geworfen hatte, und sie war nicht diejenige, die den Kuss beendete.

 

Er war es.

 

Er schien aufgepasst zu haben, verlor sich nicht in sinnlosen Gefühlsmomenten, und ihr Herz hämmerte, während er den Kopf in die Höhe gereckt hatte, um sich zu vergewissern, dass seine Mutter verschwunden war. Sein Körper hatte ihn ebenfalls schamlos verraten, aber er war in der Lage, einfach aufzuhören.

 

„Oh, ich bin sicher, sie wird nie wieder hier-“ Er unterbrach sich, als er wohl ihre Tränen wahrgenommen hatte, und sein Grinsen verwischte. Er sagte gar nichts, befand sich noch immer über ihr und schien mit ihrem seltsamen Ausbruch überfordert zu sein. „Du – es war deine Idee!“, rechtfertigte er sich augenblicklich, scheinbar nicht sicher, welchen Reim er sich auf sie machen sollte.

 

„Ich… ich weiß“, murmelte sie. „Ich wollte ihr nur nicht wehtun“, flüsterte Hermine beschämt und wischte sich hastig die Tränen vom Gesicht. Noch immer war er über ihr.

 

„Keine Sorge“, sagte er schließlich und sah sie an. „Sie wird dich ersetzen. So schnell, dass du es gar nicht merken wirst.“ Und fast sagte er es sanft. Und fast glaubte sie, er sprach von sich. Unwillkürlich hob sich ihre Hand erneut zu seiner warmen Wange. Fast zuckte er zusammen unter der Berührung. Das Grau in seinen Augen wirkte aufgewühlt.

 

„Bekomme ich… eine Antwort?“, flüsterte sie jetzt, denn sie stellte sich die Frage seit einer ganzen Weile, denn sie glaubte, verstanden zu haben. Sie hatte es begriffen. Er sagte nichts, aber sein Blick war offen, beinahe ungefährlich, und sie wagte, zu fragen. „Snuffles war ein magischer Freund, nicht wahr? Warum… warum brauchtest du einen magischen Freund?“, flüsterte sie, und zuerst glaubte sie nicht, dass er antworten würde. „Was ist… passiert?“ Sein Blick fiel von ihrem Gesicht. Er atmete lange aus. Er ergriff ihr Handgelenk und zog ihre Hand von seiner Wange. Er wich von ihr zurück, verließ das Bett und stieg schweigend in seine Hose.

 

Sie setzte sich lautlos auf und saugte seinen Anblick praktisch auf. Sie war ihn langsam so sehr gewöhnt.

 

Dann wandte er sich um, während er den Rücken durchstreckte.

 

„Als ich acht war“, sagte er schließlich tonlos, ohne sie anzusehen, „ist mein Bruder gestorben.“

 

Er verließ das Zimmer anschließend. Sie war allein. Ihr Blick fiel auf die Bettdecke.

 

… - was?

 

Damit hatte sie nicht gerechnet.

 

Sie hatte gedacht, er hätte ein Haustier verloren.

 

Er hatte gesagt, Snuffles wäre nicht lebendig gewesen, aber er hatte in den Briefen an seinen Vater immer wieder den Namen erwähnt, hatte gefragt, ob er krank gewesen war, und Hermine wusste, Kinder bekamen in schwierigen Situationen von ihren Heilern oft verzauberte Kuscheltiere mit nach Hause gegeben. Sie waren wie Haustiere, nur auf eine ganz andere Art.

 

Sie waren wesentlich intimer als ein Haustier, trösteten das Kind, litten mit ihm, ganz ohne Worte. Und mit jedem Schritt der Überwindung verließ das magische Kuscheltier seinen Besitzer, verwandelte sich von einem lebendigen Wesen einfach nur noch in ein Kuscheltier. Deshalb hatte Tilly den Bären beschützt. Der Bär war sein magischer Freund gewesen, als Ersatz für was auch immer er verloren hatte. Dass er einen Bruder hatte, hatte sie nicht gewusst. Nicht einmal geahnt. Draco Malfoy war ein Einzelkind, solange sie sich an ihn erinnern konnte.

 

Fast wünschte sie sich, er hätte es ihr nicht gesagt.

 

Sie durfte nicht vergessen: Sie war der Eindringling hier. Nicht er. Sie war diejenige, die wieder gehen musste. Und alles, was passierte, durfte sie nicht wirklich berühren. Es durfte ihr nicht wirklich zusetzen, sagte sie sich.

 

Und ein Rätsel war gelöst, stellte sie verblüfft und ein wenig ehrfürchtig fest.

 

Sie hätte niemals geglaubt, dass tatsächlich Malfoy selber für ihren Fortschritt verantwortlich sein würde. Niemals hätte sie damit gerechnet. Aber manchmal irrte sie sich eben.

 

~*~

 

Pansy zog es nach draußen, und er ließ sich nicht abschütteln.

Aber es war nicht ganz korrekt. Pansy musste hier sein, denn hier waren sie verabredet. Zwar war nicht wirklich geplant, dass James sie begleiten würde, aber die Läden hatten auf, und nichts würde sie abhalten. Sie lief über die verschneite Winkelgasse, James im Schlepptau, und sie sah Weasleys Zauberhaft Zauberscherze von hier aus.

 

Weasley würde sie wahrscheinlich ignorieren.

 

Und James würde sie für noch verrückter halten.

 

„Wo willst du hin?“, fragte er, als er zu ihr aufschloss und seinen Kragen höher schlug, als der kalte Wind ihm die gelegte Frisur zerzauste.

 

„Ich… ich wollte… ein paar Kleinigkeiten besorgen“, erklärte sie achselzuckend, und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

 

Sie erreichten den Laden, der bereits wieder vollbepackt mit rotnasigen und durchgefrorenen Kunden war. Pansy sah schon durch die Scheibe, wie voll es war.

 

„Ein Scherzartikelladen?“, erkundigte sich James ungläubig, und Pansy nickte nur unwirsch, als sie die warme Luft im Innern angenehm aufwärmte.

 

„Ja“, bestätigte sie. Sie erkannte Weasleys Bruder an der Kasse und bahnte sich einen Weg durch die Kunden. „Bin sofort wieder da“, eröffnete sie ihm. „Sieh dich um!“ Damit ließ sie ihn stehen. Sie drängelte sich zur Kasse vor.

 

„Hey“, sagte sie augenblicklich, kaum dass der rothaarige Junge ihr seine Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ. „Wo ist dein Bruder?“, fragte sie eindringlich. Weasleys Bruder runzelte die Stirn.

 

„Ist das… so was wie ein Blinddate?“, wollte er spöttisch wissen.

 

„Ist er hier oder nicht?“ Pansys Geduld war nicht vorhanden.

 

„Ja“, sagte der Bruder schließlich. „Er ist hinten“, ergänzte er mit einem vielsagenden Grinsen. Pansy verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg zu den Lagerräumen, während James argwöhnisch ein paar tanzende Pantoffeln in Augenschein nahm.

 

Sie schob sich durch die Kunden – einer war ihr lästiger als der andere – und schlüpfte durch einen Vorhang ins Lager. Kisten stapelten sich hier, und es war so unübersichtlich wie es in den Verkaufsräumen war.

 

„Weasley?“, flüsterte sie in den leeren Gang.

 

„Parkinson?“, vernahm sie seine Stimme von der nächsten Ecke, und er klang ehrlich überrascht. Sie erreichte ihn.

 

„Was… was tust du?“, wollte sie ungläubig wissen, während er auf einer Kiste hockte und Schokofroschkarten zu sortieren schien.

 

„Ich stocke meine Sammlung auf“, erklärte er ungerührt.

 

„Aha. Und bist du jetzt fertig damit?“, schaffte sie, unbeteiligt zu fragen, und mit einem Lächeln hob er den Blick.

 

„Gestresst?“, fragte er knapp, und sie erwiderte seinen Blick. Es war lächerlich, wie schnell ihr Herz schlagen konnte, bei der Aussicht auf einen Weasley.

 

„Ein wenig“, gab sie zurück und sah sich um. „Staubig hier“, bemerkte sie. „Wie bei euch Zuhause“, ergänzte sie schnippisch. Er hatte ihr gesagt, er wäre heute hier. Es war nicht umgekehrt gewesen. Und jetzt beachtete er sie kaum!

 

Es machte sie wütend. Wütend auf ihn. Und natürlich war sie wütend auf sich selbst.

 

Denn scheinbar war sie wirklich so verzweifelt, hier auch noch aufzutauchen.

 

„Charmant“, erwiderte Weasley und erhob sich von der Kiste. Er überragte sie wieder einmal. „Aber ich kauf dir deine Show nicht ab, Parkinson“, erklärte er offen. „Immerhin nimmst du die Strapazen auf dich, mich hier heimzusuchen. Schon wieder“, ergänzte er lächelnd. Pansy wusste selber, wie erbärmlich sie war. Er musste es nicht sagen.

 

Sie kam langsam näher. Sie konnte nicht anders. Und es war falsch. Sie durfte ihn überhaupt nicht sehen wollen. Sie biss sich auf die Lippe und dachte angestrengt nach.

 

„Alles ok?“, fragte er schließlich, als sie nichts erwiderte. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Sie versuchte sich einzureden, dass es nur Kurzschlussgefühle waren. Ratlosigkeit zeichnete seine Züge. Was wollte sie eigentlich von ihm? Sie brachte ihn nur in Schwierigkeiten, oder nicht?

 

Heute trug er ein grünes Sweatshirt, eine dunkle Hose, und nicht einmal heute sah er schlecht aus. Er sah nie schlecht aus. Und fast wollte sie weinen. Er stand nah vor ihr, und sie wagte nicht, noch einen Schritt zu machen.

Aber er kam einfach näher. Seine Hand hob sich langsam zu ihrem Gesicht, aber der Moment war vorbei.

 

„Pansy?“, hörte sie James‘ Stimme von dort, wo sie hergekommen war.

 

Sie hatte nur noch Zeit, Weasley zurückzustoßen und griff sich wahllos etwas aus einer Kiste neben sich. Weasleys Stirn legte sich überrascht in Falten, sein Mund stand offen, und schon bog James um die Ecke.

 

„Pansy – oh, hier bist du!“, rief er aus. Weasleys Blick hatte sich zu seinem Gesicht gehoben.

 

„Gibt es das hier auch in blau?“, rang sich Pansy Worte ab. Einfach reden. Sie hielt Weasley ein rotes Spielzeug entgegen, von dem sie nicht einmal wusste, was es war. „Mein kleiner Cousin mag blau lieber“, fügte sie tonlos hinzu.

 

Kurz herrschte ein unangenehmer Moment. Ein langer Moment, und Weasley schien irgendwann zu begreifen. Aber er spielte das Spiel nicht mit ihr. Stattdessen wirkte sein Gesicht verschlossen, als er James musterte.

 

„Pansys Verlobter?“, nahm Wealsey kühl an. James wirkte kurz überrascht, aber nicht lange, denn er nickte und streckte Weasley seine Hand entgegen. Pansy hatte nicht einmal Zeit zu verarbeiten, dass Weasley ihr Vorname mit Leichtigkeit über die Lippen kam.

 

„Ja, James Casper McKnight. Sind Sie ein Freund von Pansy?“

 

Und Pansy könnte im Erdboden versinken.

 

„Nicht direkt“, erklärte Weasley kühl, als er nach einer kleinen Ewigkeit James‘ Hand tatsächlich schüttelte. „Ich bin der andere Schulsprecher.“ Er war also kein Freund von ihr. Nein, natürlich nicht, ermahnte sie sich selbst. Sie waren keine Freunde! Wenn überhaupt leistete sich Pansy einfach nur ab und an den Fehler, Weasley zu lange anzusehen und in seinen blöden Augen zu versinken.

 

„Oh“, rief James aus. „Sie kennen sich aus der Schule? Arbeiten Sie hier?“ Es war wie ein winziger Machtkampf.

 

„Der Laden gehört meinem Bruder. Ich besuche ihn nur“, erklärte er knapp.

 

„Ah, die roten Haare hätten es mir verraten können.“ Sie ließen ihre Hände los.

 

„Und Sie?“, griff Weasley die Höflichkeitsform auf, ohne sich vorzustellen. „Was tun Sie so? Regieren Sie ein kleines Königreich? Foltern die Hauselfen?“ Aber James nahm es tatsächlich sportlich, während Pansy nur hoffen konnte, Weasley eröffnete James nicht auch noch, dass sie keine zwei Tage zuvor im Garten der Weasleys gestanden hatte, um ihn zu stalken.

 

„Ehrlich gesagt, nein. Ich bin Treuhänder der Familie, kümmere mich um finanzielle Angelegenheiten und arbeite in einer Außenstelle des Ministeriums“, erklärte er freundlich. „Was haben Sie nach der Schule vor, Mr. Weasley?“ Sie sah Weasleys Kiefermuskeln arbeiten. Dann fiel sein Blick auf sie, und Pansys Herz machte einen Satz.

 

„Keine Ahnung. Ein bisschen leben, nehme ich an? Heiraten ist keine Option für mich“, erklärte Weasley achselzuckend. „Aber Pansy ist ganz wild drauf“, ergänzte er kühler. Pansy hätte ihn erwürgen können.


„Oh, das hoffe ich“, bemerkt James zuversichtlich, und Weasleys Ausdruck wurde, wenn möglich, noch säuerlicher.

 

„Ich denke, dieses Thema geht ihn nichts an“, zischte Pansy in seine Richtung. James wirkte kurz verlegen.

 

„Ok. Vielleicht… hat Mr. Weasley Interesse uns zum Tee zu begleiten?“, erkundigte sich James, leider zuvorkommend, wie er war.

 

„Nein. Ich denke-“, wiegelte Pansy ab, denn das würde nicht in Frage kommen, aber Weasley unterbrach sie tatsächlich!

 

„-sicher“, erklärte Weasley mit einem kalten Lächeln. „Warum nicht. Dann können Sie mir ein wenig von Ihrem spannenden Leben erzählen. Und wie Sie dazu gekommen sind, ausgerechnet an Pansy zu geraten“, fuhr Weasley spöttisch fort, und James lachte auch noch!

 

„Gerne. Wirklich gerne.“ James schlug den Rückweg ein. Weasley griff blind in eine Kiste neben sich.

 

„Blau haben wir auch“, erklärte er überheblich und drückte ihr das Spielzeug achtlos in die Hand, ehe er James folgte. „Wie alt sind Sie eigentlich, James?“, hörte sie Weasley spöttisch fragen, und Pansys Augen schlossen sich unglücklich.

 

Wieso war das jetzt passiert?

 

Weil sie selber schuld war, gab sie sich die Antwort. Sie hatte es provoziert, und jetzt konnte sie mit allen möglichen Konsequenzen leben. Es war ihr Albtraum. Weasley und ihr Verlobter beim gemütlichen Teetrinken. Sie hoffte nur, es würde nicht zu einer Schlägerei kommen – die James gewinnen würde! Sie hoffte nur, Weasley würde dieses Spielchen nicht zu lange spielen und es ihr nicht so unangenehm wie möglich machen wollen…!

 

Sie folgte den beiden hastig, um Weasley bloß schnellsten davon abzuhalten, falls er vorhatte, Geheimnisse preiszugeben….

 

 

Kapitel 46

 

Er klopfte an die weite Tür.

 

Der Hauself der Goyles öffnete keine Sekunde später.

 

„Ja?“, krächzte die Stimme des Elfs unhöflich, und Draco blickte missmutig in den langen Flur hinein.

 

„Gregory hier?“, erkundigte er sich unwirsch, und der Elf nickte sterbenslangsam.

 

„Ja“, wiederholte er nur. „Master Gregory befindet sich in seinem Zimmer“, wisperte der altersschwache Elf. Draco dachte zuerst, er würde ihn nicht einlassen, aber das tat er schließlich doch, nur eben sehr, sehr langsam. Er kannte sich hier aus, so wie er sich in Blaises oder Pansys Haus auskannte. Aber diese Orte konnte er zurzeit nicht besuchen, denn seine Freunde hatten ja beschlossen, ihn zu hassen, dachte er zornig.

 

Er durchquerte die steinernen Flure des Anwesens. Es war gotischer als Malfoy Manor, es ähnelte mehr einer Burg. Steinwände umgaben ihn. Geweihe, Rüstungen und Schilde belegten jeden freien Platz, aber es war angenehm, nicht von jeder Ecke von einem blonden Portrait gemusterte zu werden.

 

„Draco!“, rief Goyles Vater aus der Großen Halle, und widerwillig bog Draco in seine Richtung ab.

 

„Mr. Goyle“, begrüßte er den Mann. Er war übergewichtig, hatte einen buschigen Schnäuzer und einen recht dichten Bart. Seine Haare lockten sich grau auf seinem Kopf.

 

„Lange nicht mehr gesehen. Zuhause alles in bester Ordnung?“, erkundigte sich der Mann, nachdem er Draco die Hand fast gebrochen hatte, die er schüttelte.

 

„Ja“, bestätigte Draco schmerzhaft.

 

„Die Frau glücklich?“, lachte er, und Draco überlegte knapp.

 

„Hm“, machte er bloß, denn er wollte nicht über sie reden. Nicht über sie nachdenken, und bestimmt nicht analysieren, warum er so ein kompletter Vollidiot gewesen war, ihr seine Geheimnisse anzuvertrauen. Er hatte einen verdammt schwachen Moment gehabt, und er würde viel geben, um diesen Moment rückgängig zu machen. Er konnte sich schon denken, wie besserwisserisch sie ihn empfangen würde. Was für eine dämliche Schlampe sie sein würde!

 

„Gregory ist oben“, erklärte sein Vater und blickte auf die Taschenuhr. „Ich treffe mich gleich mit einigen Bekannten zur Jagd. Ich bin sicher, ich kann euch nicht begeistern?“, erkundigte er sich. „Du warst doch ein passabler Reiter, nicht wahr?“ Draco verzog den Mund.

 

„Ich… bin lange nicht mehr geritten, Sir“, entschuldigte er sich.

 

„Die Jugend“, erwiderte Mr. Goyle kopfschüttelnd. „Keine Werte mehr…“, schloss er bedauernd. „Na gut, dann ab mit dir“, ergänzte er ruppig und wandte sich an seinen müden Hund, der vor dem Kamin eingeschlafen war. „Jester, du bist vielleicht ein Wachhund! Steh auf, du müder Nichtsnutz!“, rief er ärgerlich, aber der Hund blieb desinteressiert.

 

„Oh Draco!“ Mrs Goyle war ebenfalls in den langen Saal gekommen. „Mein Lieber, wie schön dich zu sehen! Deine Hochzeit war unglaublich schön!“, begrüßte sie ihn, und er war zu langsam ausgewichen, denn schon drückte sie ihn fest an sich. Sie war das komplette Gegenteil seiner eigenen Mutter – und es war ihm doppelt so unangenehm. Mrs Goyle war rundlich, freundlich und eine absolute Hausfrau, die ihre Zeit mit backen zubrachte. „Hast du Hunger, mein Lieber?“, fragte sie ihn mütterlich, und Draco bereute schon, hergekommen zu sein. Das war der Grund, weshalb er Goyles Eltern mied.

 

„Ich – danke, nein, Mrs Goyle. Ich habe gegessen“, log er jetzt.

 

„Die Jugend! Keine Lust auf die Jagd, keinen Hunger, wenn eine Dame es anbietet!“, beschwerte sich Mr. Goyle mit erhobenen Augenbrauen und gerunzelter Stirn.

 

„Ja“, bestätigte Draco mit einem entschuldigenden Lächeln.

 

„Du willst zu Gregory? Was spielt ihr denn?“, fragte seine Mutter, und Draco wollte sterben.

 

Jetzt.

 

„Marjorie, die Jungen spielen nicht mehr!“, maßregelte Goyles Vater seine Frau. Diese lachte wie ein Mädchen und fuhr Draco über die Haare. Er musste einfach zählen, und es über sich ergehen lassen.

 

„Oh natürlich tun sie das! Achtzehn ist doch kein Alter, Algernon!“, rief sie lachend. „Ab nach oben mit dir!“, ergänzte sie zwinkernd. „Ich bringe euch gleich Milch und frisch gebackene Kekse nach oben, Draco!“, versprach sie, und Draco seufzte dankbar und setzte sich in Bewegung.

 

„Danke, Mrs Goyle“, rief er über die Schulter und beeilte sich voran zu kommen. Hier kam er sich nicht wie der millionenschwere Malfoy-Erbe vor. Nein, bei den Goyles kam er sich immer noch vor wie gerade neun, während er und Goyle die Nachmittage damit zubrachten, Verstecken hinter den Wandteppichen zu spielen.

 

„Jungs!“, schnappte Mr. Goyle, und eine träge Schar an Jagdhunden schlich über den Flur an Draco vorbei, ohne ihn groß zu beachten. Die Hunde der Goyles sollten alle besser den Job als Wachhunde an den Nagel hängen. Draco glaubte auch nicht, dass sie auf der Fuchsjagd von großem Nutzen waren. Wahrscheinlich würden sie den Fuchs lediglich angähnen.

 

Erschöpft kam Draco nach den endlosen Stiegen der halben Burg oben an. Er klopfte an Goyles runde Zimmertür.

 

„Nicht jetzt, Mum!“, kam Goyles entnervte Stimme aus dem Innern, und schwer atmend öffnete Draco die Türen. „Hey-!“, wollte sich Goyle beschweren, aber dann erkannte er ihn. „Draco?“, endete er verblüfft.

 

„Hey“, begrüßte Draco ihn und fiel auf die durchgesessene Couch, die vor dem Erker stand, der das weite Grundstück überblickte. Draußen hatten sich einige betagte Herren auf Pferden versammelt.

 

„Du kommst nicht zur Jagd, oder?“, erkundigte sich Goyle, der interessanterweise über seinen Büchern brütete.

 

„Was tust du?“, entfuhr es Draco schockiert, während er Goyles abwegige Frage ignorierte.

 

„Ich lerne?“, erwiderte Goyle eindeutig, und Draco verzog den Mund.

 

„Das ist ja noch schlimmer als jagen!“, bemerkte er knapp, aber Goyle sah ihn unglücklich an.

 

„Ich muss lernen“, erwiderte er trostlos. „Ich bin so weit hinterher. Mir kommt es nicht so zugeflogen wie euch anderen“, beschwerte er sich. Draco runzelte die Stirn. Er hatte nicht gewusst, dass ihm irgendetwas zugeflogen kam! „Wie geht es Pansy und Blaise?“, erkundigte er sich. „Oder hast du dich noch immer nicht bei Blaise entschuldigt?“, fragte Goyle abgelenkt, während er eine Passage in seinem Buch mit dem Zauberstab markierte.

 

„Ich bin nicht derjenige, der sich entschuldigen muss!“, beschwerte sich Draco trotzig und ließ die Information unter den Tisch fallen, dass er auch mit Pansy zurzeit keinen Kontakt hatte – weil sie selber schuld war! Stattdessen griff er sich ein Bild im Bilderrahmen von einem Beistelltisch, was ihm soeben aufgefallen war. Er war lange nicht mehr hier gewesen. „Was soll das sein?“, wollte er belustigt wissen, aber Goyle hatte ihm das Bild aus den Händen geschnappt. „Wusste nicht, dass du auf dicke Mädchen stehst“, schloss Draco belustigt. Goyle schenkte ihm einen säuerlichen Blick, während er das fremde Mädchen fast liebevoll betrachtete, während diese einen äußerst hässlichen Beagle auf ihrem Schoß zu zerquetschen schien. Sie trug ein auffallend pinkes Kleid, was Pansy nicht einmal unter Androhung des Avadas angezogen hätte, und es zeigte sie nicht unbedingt von der vorteilhaftesten Seite. Dicke, blonde Wurstelocken umrahmten ihr rosiges Gesicht.

 

„Sie ist nicht dick!“, widersprach Goyle sofort.

 

„Ach nein? Sie für mich so aus, als-“

 

„-halt die Klappe, Draco!“, schnappte Goyle gekränkt. Kurz herrschte Stille.

 

„Sag mir nicht, dass ist deine Frau?“, entfuhr es Draco mit weiten Augen.

 

„Ja. Das ist Daisy“, erwiderte er unwirsch und beleidigt. Draco musste grinsen.

 

„Daisy?“, wiederholte er amüsiert.

 

„Noch ein Wort, Malfoy!“, warnte ihn Goyle, aber Draco grinste immer noch.

 

„Da hast du die Kopie deiner Mummy gefunden, hm?“ Er musste tatsächlich lachen, aber Goyle warf böse das Zaubertränkebuch nach ihm. Draco wich lachend aus.

 

„Du bist ein Arschloch, weißt du das?“, murrte Goyle kopfschüttelnd.

 

„Kennst du sie?“, erkundigte sich Draco, konnte sich aber das Grinsen nicht verkneifen. Goyle sah ihn immer noch böse an.

 

„Ja“, knurrte er. „Wir haben schon über Floh gesprochen“, sagte er.

 

„Und sie ist dein Traum?“, wollte Draco spöttisch wissen, während Goyle ausatmete.

 

„Sie ist nett, sie ist lustig, sie hat die goldene Schleife in Haushaltswirtschaft bekommen, und sie freut sich schon, neue Dame des Hauses zu werden!“, erklärte er gereizt.

 

„Wow“, entfuhr es Draco grinsend. „Das Reinblüterglück“, bemerkte er, während er die Hände hinter dem Kopf verschränkte. Goyle wurde immer wütender.

 

„Ja, Draco. Hast du was dagegen?“, schnappte Goyle, und endlich verschwand Dracos Grinsen.

 

„Reg dich ab“, erklärte er kopfschüttelnd.

 

„Du machst dich immer nur lustig!“, beschwerte sich Goyle beleidigt.

 

„Daisy Goyle…“, sagte Draco, und seine Mundwinkel zuckten wieder. „Ein Name, den man sich merken muss“, ergänzte er.

 

„Fick dich, Draco“, entgegnete Goyle zornig.

 

„Oh, komm schon!“, beschwerte sich Draco und musste wieder lachen.

 

„Mit dir kann man nicht über ernste Dinge oder die Zukunft reden“, erwiderte Goyle beleidigt. Er stellte das Bild vorsichtig zurück auf den Beistelltisch, und Draco war insgeheim ein wenig verblüfft. Ein wenig beeindruckt. Vielleicht ein wenig neidisch. Goyle schien nicht das geringste Problem mit seiner Zukunft zu haben.

 

Er würde die Geschäfte seines Vaters übernehmen, nur zu gerne Miss English-Plumpudding heiraten, und es würde ihm auch noch besser gehen als ihm, Draco. Aber Goyles Ärger schien langsam zu verrauchen.

 

„Wie läuft es Zuhause?“, erkundigte sich Goyle und schob seine Schulsachen beiseite.

 

„Super“, erwiderte Draco gereizt, mit einem freudlosen Lächeln.

 

„Hat Granger-?“

 

„-ich will nicht über sie reden“, unterbrach ihn Draco sehr schnell. Goyle schloss den Mund, während Draco unwillig ein paar lose Fäden aus dem Couchbezug zupfte.

 

„Warum bist du hier?“, fragte Goyle jetzt, und Draco hob langsam den Blick. „Wolltest du dich einfach nur ein bisschen über mich lustig machen?“, vermutete der Junge vor ihm bitter, und Draco schwieg. „Oder bist du so verzweifelt, dass du sogar mich besuchen kommst, obwohl du meine Eltern nicht leiden kannst?“

 

„Ich kann deine Eltern tausendmal besser leiden als meine, und das weißt du, du dummer Idiot“, knurrte Draco jetzt. Goyle senkte den Blick.

 

„Was ist los?“, wiederholte Goyle jetzt ernster. Draco zuckte die Achseln.


„Ich will einfach nicht Zuhause sein, ok?“ Fast entkamen ihm die Worte angriffslustig. „Ist das so schwer zu begreifen? Ich will nicht in der Nähe von meinen scheiß Eltern sein, und ich habe keine Lust auf das dumme Schlammblut, was weiß Merlin was für Pläne schmiedet“, fuhr er zornig fot. Und Goyle lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl gespannt vor.


„Hast du… hast du mit ihr geschlafen?“, fragte er neugierig, etwas leiser, als wäre es ein besonders großes Geheimnis. Draco sah ihn an.

 

„Sicher“, wiegelte er ab und blickte aus dem Fenster.

 

„Und?“, entfuhr es Goyle gespannt. Draco schenkte ihm einen eindeutigen Blick.

 

„Du bist so ein Kind, Goyle“, bemerkte er spöttisch. „Nichts und. Scheinbar lebe ich noch, habe keinen Ausschlag bekommen – Salazar sei Dank“, endete er kopfschüttelnd.

 

„War es gut?“ Fast wollte Draco über Goyles Unbedarftheit lachen.

 

„Goyle, ich habe schon tausend Mädchen gehabt. Sie unterscheiden sich nicht“, erklärte er achselzuckend. Goyle nickte neidisch.

 

„Mhm“, machte er anerkennend. „Aber noch nie so ein Mädchen“, schloss Goyle leiser. Draco hob den Blick wieder.


So ein Mädchen?“, wiederholte er ungläubig.

 

„Ja, ein echtes Mädchen“, bemerkte Golye nickend. Draco runzelte die Stirn.

 

„Und die anderen Mädchen waren was?“, wollte er abschätzend wissen.

 

„Scharf auf dein Gold“, erwiderte Goyle fast schon schlagfertig. Draco verzog den Mund. 

 

„Ich bin mir sicher, das dürfte nicht der ausschlaggebende Grund für meinen Erfolg sein, Gregory“, korrigierte er ihn hochnäsig, ohne es verhindern zu können. Goyle wurde ein wenig rot um die Nase.

 

„Aber… mit ihr – das ist schon eine Errungenschaft“, sagte Goyle, ohne ihn anzusehen. Draco konnte ihn kaum ernstnehmen.

 

„Oh, Goyle! Werd erwachsen!“, fuhr er ihn an. „Es ist nur Show. Sie… - sie tut das, aus was für Gründen auch immer!“, sagte er böse. „Vielleicht nicht für Gold, aber…-“

 

„-und du magst sie nicht?“, wollte Goyle unsicher wissen. Draco lachte auf.

 

„Nein?! Wie oft muss ich das noch sagen?“

 

„Nicht mal ein bisschen?“, vergewisserte er sich.

 

„Nein, wir sind nicht alle so leicht zufrieden zu stellen wie du es bist!“, schnappte Draco bissig.

 

„Wieso wehrst du dich so sehr dagegen?“, fragte Goyle plötzlich. „Einfach nur, um deine Eltern zu ärgern?“, fuhr er ungläubig fort. „Ich meine, sie schläft mit dir. Sie wohnt bei dir. Sie… hat dich nicht umgebracht. Wieso akzeptierst du es nicht einfach?“, platzte Goyle endlich heraus, und Draco schüttelte perplex den Kopf.

 

„Weil ich mich nicht abfinde, ok? Es ist eine Strafe meiner Eltern! Es gibt keinen Sinn dahinter. Und wieso sollte ich mich mit Schlamm zufrieden geben, wenn ich Gold haben kann?“, empörte er sich kopfschüttelnd.

 

„Astoria Greengrass?“, vergewisserte sich Goyle kühler, und Draco ruckte unverbindlich mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, Draco...“

 

„Das ist gut, denn ich bin wirklich nicht hier her gekommen, um mir von dir auch noch eine Moralpredigt anzuhören! Können wir nicht einfach ganz normal reden?“, fuhr er ihn an.


„Du willst also alle Probleme totschweigen und… über Quidditch reden?“, entgegnete Goyle säuerlich.

 

„Ja. Wäre das zu viel verlangt?“, entgegnete er gereizt, und er wollte einfach nur verdrängen. Einfach nur das! Und bestimmt nicht darüber nachdenken, dass die verdammte Schlange ihm noch jedes Geheimnis abluchsen würde, nur weil er eine scheiß Erektion hatte!

 

„Nein. Vielleicht gewinnen wir dieses Jahr den Pokal. Das wäre super, oder?“ Goyles Stimme troff vor Ironie, aber Draco lehnte den Kopf erschöpft zurück. Ganz genau das wollte er. Belanglosigkeiten austauschen. Einfach mal nicht nachdenken. Einfach nur reden.

 

 „Jaah, vielleicht bricht sich Potter einfach das Genick“, erwiderte Draco und streckte sich auf der Couch. Und kurz zuckten Goyles Mundwinkel.

 

„Du bist so ein Kind, Malfoy“, wiederholte er seine Worte, aber Goyle lehnte sich im Stuhl zurück, und sie begannen zu fachsimpeln, wie man Potter am besten ausschalten konnte. Der beste Vorschlag war, ihn vor dem Spiel betrunken zu machen und ihn mit Weasley zusammen in die Besenkammer zu sperren….

 

~*~

 

Pansy saß mit verschränkten Armen auf dem bequemen Stuhl am runden Tisch des Café Soleil, zwischen James und Weasley. Und obwohl es ein teures Café war – ihr Lieblingscafé – war es nicht schön. Es war kaum auszuhalten.

 

Die Jungen sprachen über Quidditch, über verschiedene Schulformen, und bisher war es fast zivilisiert, aber ab und an warf Weasley Kleinigkeiten ein. Sowie, auf welche Schule ihre Kinder denn gehen würden, oder wann Pansy und James planten, Kinder zu bekommen, oder wo sie wohnen würden, und ob es nicht Tradition war, dass die Frau beim Mann einzog. Während James fast zu ruhig jede noch so blöde Frage beantwortete, kochte Pansy bereits.

 

„Wie viele Sprachen sollen eure Kinder denn sprechen? Ich meine, mit deinen Schlössern in Frankreich…?“, wollte Weasley jetzt wissen. Er und James duzten sich bereits, Merlin noch mal!

 

„Nun, zweisprachig aufzuwachsen hat einen großen Vorteil. Mir erscheinen Englisch und Französisch die Sprachen, die den meisten Sinn in Europa ergeben“, bemerkter James glatt. Weasley nickte mit geheucheltem Verständnis, während er seinen letzten Schluck Tee trank.

 

„Was ist denn mit Schwedisch? Oder Deutsch?“ Pansy schloss die Augen.

 

„Ich meinte eher, dass es für das spätere Berufsleben mehr Sinn ergibt, Englisch oder Französisch zu sprechen“, fuhr James stirnrunzelnd fort.

 

„Im Ministerium? Oder doch eher ein Job für-“

 

„-Weasley!“, knurrte Pansy praktisch.

 

„Ja?“, wandte er sich mit einem unschuldigen Lächeln an sie. „Ich muss sagen, dein Verlobter hat über alles ausgiebig nachgedacht“, bemerkte er anerkennend. Pansys Mund wurde zu einer schmalen Linie. Sie würde ihn erwürgen, sobald sie konnte.

 

„Du bist recht feindlich gegenüber Traditionen eingestellt“, unterbrach James ihr Wettstarren. Pansys Augen schlossen sich. Oh Merlin, nein! Nicht die Traditionen!

 

„Traditionen? Wenn du damit meinst, dass man als Minderjähriger heiraten muss, um rachsüchtig und goldgierig sein Vermögen zu horten und zu schützen vor bösen Muggeln, dann ja. Dann bin ich feindlich eingestellt“, bestätigte Weasley grinsend. „Noch einen Earl Grey, bitte?“, rief er der Hexe nach, und Pansy verdrehte die Augen. Nicht noch mehr Tee! Hatte er nicht irgendwo zu sein?!

 

„Darum geht es wohl eher nicht?“, wandte James ein wenig überrascht ein.

 

„Ach nein?“, wollte Weasley immer noch grinsend wissen.

 

„Nein“, sagte jetzt auch Pansy. Sie hasste Weasley.

 

„Worum geht es dann, Pansy?“, wandte sich Weasley direkt an sie. Und sie antwortete gepresst, bemüht um Beherrschung, die ihr früher immer sehr leicht von der Hand gegangen war.

 

„Es geht darum, dass Menschen, die dieselbe Erziehung und dieselben Werte genießen, die derselben Gemeinschaft zugehörig sind, sich nicht rechtfertigen müssen, warum sie entsprechende Entscheidungen treffen“, brachte sie knapp hervor.

 

„Was soll das heißen?“, fragte er dreist. Sie ballte die Hände unter dem Tisch zu Fäusten. „Dass ihr reich seid? Mehr heißt es doch nicht, oder?“

 

„Nein!“, entrüstete sie sich. „Es hat nichts mit Gold zu tun!“

 

„Nein?“, erkundigte er sich mit ironischer Verblüffung.

 

„Nein!“, ging Pansy auf seine Worte auch noch ein, dumm wie sie war. „Weißt du, wärst du nicht so ein arroganter, eingebildeter, querdenkender Gryffindor, dann würdest du begreifen, weshalb es wichtig ist, innerhalb der Gemeinschaft-“

 

„-was soll das für eine Gemeinschaft sein?“, unterbrach er sie zornig. „Die Gemeinschaft der bekloppten Reinblüter, die nicht begriffen hat, dass Blut nicht überlegen sein kann?!“, fuhr er sie an. „Die Gemeinschaft, die sich für etwas Besseres hält, weil sie Hauselfen unterdrückt, nicht bezahlt und ihr Vermögen in Gringotts versauern lässt, weil sie nicht bereit ist, es zu teilen, es für etwas zu nutzen, was jedem helfen kann?“, rief er wütend, und sie starrten sich an.

 

„Oh und du bist so ein Wohltäter? Was für großspurige Worte für einen Weasley!“, spuckte sie ihm entgegen.

 

„Hey!“, rief er zornig. „Ich bin ein Kriegsheld, Pansy!“, knurrte er wütend. Sie lachte freudlos auf.

 

„Du kannst froh sein, dass Potter dich überhaupt mitgenommen hat!“, zischte sie.

 

„Ich bin sicher, Harry wäre mit dir besser bedient gewesen?“, erwiderte er kalt. „Aber wo hätte er all dein Gold, deinen Schmuck, deine Schuhe, Taschen und Manschettenknöpfe verstaut?“, rief er aus, kramte aus seiner Tasche ein paar Münzen und warf sie auf den Tisch.

 

Er erhob sich übergangslos, und Pansy zwang sich, ruhig zu atmen. „Es war wie immer eine Freude, mit dir zu reden. Glückwunsch, du scheinst deinen perfekten Partner gefunden zu haben, Parkinson“, verabschiedete sich Weasley mit einem so zornigen Blick von ihr, dass sie fast Magenschmerzen bekam.

 

Sie sagte nichts, sah ihm lediglich nach, ehe sie James wieder ansah, der sie mit erhobener Augenbraue musterte.

 

„Nicht gerade umgänglich, dein Freund“, bemerkte er spöttisch, und Pansy atmete aus.

 

„Er ist eben einfach ein-“ Und sie unterbrach sich. Sie blinzelte knapp, ehe sie sich räusperte. „Er ist nicht mein Freund“, korrigierte sie James. „Wenn du damit meinst, er wäre mein… mein fester… Freund. Er ist nicht mal irgendein Freund! Er-“

 

„-hör zu“, unterbrach James ihr Geplapper, unter dem sie auch noch rot geworden war, „mir ist völlig klar, dass ein Mädchen wie du bestimmt nicht jeden Abend brav im Gemeinschaftsraum sitzt“, erklärte er mehr als deutlich. „Und er ist wirklich… anders. Und er ist mäßig berühmt“, ergänzte er knapp, vielleicht ein wenig eifersüchtig.

 

„Nein! Er ist einfach nur blöd“, korrigierte sie ihn kopfschüttelnd. Aber ihr Herz schlug schneller.

 

„Ich möchte einfach nur von dir wissen, ob ich eine reelle Chance habe“, sagte er fast ruhig, viel erwachsener als sie es war. Ihre Augen wurden größer vor Überraschung. Fast bitter trank er seinen Tee. „Denn ich möchte mich nicht gegen Ronald Weasley beweisen müssen. Ich denke, ich habe das nicht wirklich nötig.“

 

Pansy kam sich vor wie ein Kind, das gemaßregelt wurde.

 

„Nein!“, rief sie aus. „Ich… du musst dich nicht beweisen! Weasley – wir waren nie…, wir sind nicht-!“ Aber er schüttelte sanft den Kopf.

 

„Klär es einfach. Und du kennst meine Meinung. Ich bin dabei. Ich würde dich gerne heiraten und all die blöden Traditionen fortführen, die er hasst“, erwiderte er spöttisch. Pansy schwieg und biss sich auf die Lippe. Ihr Tee war mittlerweile kalt. Es war ein Glück, dass so wenige Gäste hier waren.

 

Aber es ging ihr nicht besser als vorher. Jetzt dachte James schon, es wäre irgendetwas zwischen ihr und Weasley. Aber Pansy glaubte, dass dies ein letztes klärendes Gespräch mit Weasley gewesen war. Sie waren so unterschiedlich! Wie sollte es gut gehen? Es würde niemals gut gehen.

 

Es gab keinen Weg, dass sie ihre Verliebtheit aufrecht erhalten konnte. James wäre die richtige Wahl. Das wusste sie. Das wusste James. Das schien ja sogar Weasley ihr klarmachen zu wollen. Ihre Mundwinkel sanken. Und warum fand sie sich dann nicht einfach damit ab…?

 

~*~

 

Hermine wusste kaum, was sie mit sich anfangen sollte. Sie hockte im Gästehaus, verschanzt und allein. Sie hatte keine Ahnung, wo Malfoy war, und sie wusste auch nicht, wie sie mit ihm reden sollte. Mittlerweile wusste sie nicht einmal mehr, ob es eine gute Entscheidung gewesen war, Narzissa so zu verschrecken, mit ihrem Verhalten.

 

Aber Narzissa hatte sich seit heute Morgen nicht mehr blicken lassen. Mit Malfoys Hilfe konnte sie unausstehlich sein, aber ohne ihn war sie ziemlich hilflos an dieser Front.

Und sie wünschte sich nebenbei, dass sie ihn nicht mehr berührt hätte.

Dass er ihr nicht bereitwillig sein Geheimnis erzählt hätte.

Dieses furchtbare Geheimnis…

 

Es klopfte plötzlich an der Tür. War es Narzissa? Hermine stand auf beiden Füßen, und ihr Herz schlug schnell. Wie sollte sie weitervorgehen? Sie schlich in den Flur, um durch die milchige Glasscheibe zu spähen, aber es war nicht Narzissa, die sich vor der Tür befand, denn Hermine erkannte, dass die Person vor der Tür dunkle lange Haare hatte.

 

Pansys Haare waren kurz, Ginnys Haare waren rot.

 

Wer sollte vor der Tür stehen?

 

Unschlüssig ging sie zur Tür und zog sie auf.

 

Ausdruckslos sah sie das Mädchen an, was ihr entgegen lächelte. Sie trug einen Umschlag in den Händen.

 

„Ja?“, fragte Hermine vorsichtig, und das Mädchen schenkte ihr ein schüchternes Lächeln. Sie war sehr gutaussehend, ihre blauen Augen schienen zu strahlen und ihre glatten braunen Haare, glänzten bei jeder Bewegung. Sie trug teure Kleidung, und Hermine nahm nicht an, dass es sich um eine Pfadfinderin oder etwas Ähnliches handelte.

 

Ihre langen Beine steckten in dunklen Jeans und schlanken Lederstiefeln, ihre Jacke war eng anliegend und schwarz, mit einem pelzbesetzten Kragen, und schließlich räusperte sie sich.

 

„Hermine Malfoy, richtig?“, fragte sie mit glockenheller Stimme. Hermine nickte unwirsch, denn sie ignorierte diesen Nachnamen, so gut sie konnte.

 

„Mein Name ist Astoria. Astoria Greengrass. Ich wollte dich zu meiner Silvesterparty einladen“, erklärte sie freundlich.

 

Hermine stand immer noch etwas überrumpelt in der Tür. „Kann ich… kann ich reinkommen?“, fuhr das Mädchen fort, und Hermine wich überfordert zur Seite.

 

Und dann betrat das Mädchen namens Astoria das Haus.

 

Hermine folgte ihr eilig.

 

„Ein wunderschönes Gästehaus! Ich war schon drüben im Herrenhaus und habe Lucius und Narzissa eine Einladung gebracht“, erklärte sie unaufgefordert. „Darf ich?“, fragte sie jetzt und deutete auf die Couch. Hermine nickte nur. Astoria setzte sich und legte die Einladung auf den Tisch. „Du bist allein?“, fuhr sie sie fort, und Hermine nickte erneut. Sie erinnerte sich an simple Höflichkeiten.


„Möchtest du… einen Tee, oder so was?“, erkundigte sich Hermine etwas hilflos, denn für gewöhnlich besuchten sie keine fremden Mädchen.

 

„Sehr gerne, wenn es keine Umstände macht“, erklärte sie, und Hermine war tatsächlich dankbar, das Wohnzimmer zu verlassen. Verwirrt verschwand sie in die Küche, um sich viel Zeit mit dem Wasserkochen zu lassen. Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank. Zwei, die sie noch nicht zerschlagen hatte. Aber sie blieb nicht lange allein.

 

„Du wunderst dich bestimmt, wer ich bin?“, überraschte sie Astorias Stimme. Sie war ebenfalls in die Küche gekommen. Hermine war kurz zusammen gezuckt, überwand den Schrecken aber schnell.

 

„Bei den Malfoys wundert mich wenig“, antwortete sie also, nicht sicher, was sie mit einem unaufgeforderten Besuch anfangen sollte.

 

„Ich habe in Frankreich gewohnt, bin jetzt aber wieder zurückgekommen und werde mein letztes Jahr in Hogwarts verbringen“, erklärte sie lächelnd.

 

„Oh?“, sagte Hermine einfallslos.

 

„Und… na ja, ich bin Reinblüterin, meine Familie ist befreundet mit den Reinblüterfamilien, und… fast alle Reinblüter sind in Slytherin – also…“ Sie lächelte wieder scheu.

 

„Ich verstehe. Deshalb lädst du alle ein, um sie kennenzulernen“, schloss Hermine, scharfsinnig, wie sie war, während sie heißes Wasser über das Teeei goss, was sie mit Earl Grey gefüllt hatte. „Ich bin keine Reinblüterin“, ergänzte sie knapp.

 

„Oh, ich weiß!“, sagte Astoria schnell. „Deshalb wollte ich dich kennenlernen“, schloss sie. „Persönlich“, setzte sie noch hinterher. Es klang seltsam, wie sie es sagte.

 

„Ok?“, erwiderte Hermine gedehnt und hob die Arme. „Viel Spaß“, erklärte sie etwas hilflos. Astoria lächelte.

 

„Du bist eine Muggel und mit Draco Malfoy verheiratet“, sagte sie, mit einem Hauch Anerkennung. „Fast klingt es unglaubwürdig, nicht?“, vergewisserte sie sich, und sie klang ein wenig ungläubig. Hermine beobachtete sie mit Bedacht. Das Mädchen schien nicht dumm zu sein, wenn sie auch jahrelang in Frankreich gewesen war. Sie wusste Bescheid.

 

„Na ja“, begann Hermine, nicht sicher, was Astoria von ihr hören wollte.

 

„Ich meine, die Malfoys waren wohl nie dafür bekannt, besonders liberal zu sein“, fuhr Astoria nachdenklich fort. „Sofern man meiner Mutter glauben kann“, ergänzte sie hastig.

 

„Das stimmt wohl. Aber Zeiten ändern sich“, erwiderte Hermine verschlossen. Sie wusste nicht genau, weshalb sich ihr Misstrauen in Trotz verwandelte.

 

„Ich habe gehört, die Hochzeit war bombastisch?“, wechselte Astoria das Thema, wie es nur ein Reinblüter konnte, wenn es unangenehm wurde.

 

„Ja, Narzissa hat… sich selber übertroffen“, gab Hermine unwillig preis.

 

„Das glaube ich. Sie mag dich sehr“, murmelte Astoria, vielleicht eine Spur zu abwesend. Dann traf Hermine wieder ihr forscher Blick. Er war unangenehm. Aber dann seufzte Astoria auf.

 

„Es tut mir leid. Ich muss dir vorkommen wie… wie eine Verrückte“, murmelte sie beschämt. Hermine wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Immerhin war der Tee fertig, und sie hatte damit zu tun, zwei Tassen zu füllen. Sie war noch nicht über Tatsache hinweg gekommen, dass eine Reinblüterin scheinbar wirklich hübsch und nett sein konnte.

Es war seltsam. Wirklich.

 

„Nein, nein, nicht wirklich. Reinblüter kommen mir alle ständig suspekt vor.“ Sie ging vor, zurück ins Wohnzimmer und Astoria folgte ihr zur Couch. 

 

„Ich verstehe. Wo ist Draco heute?“, fragte sie, ein wenig hoffnungsvoll.

 

„Er… ist vor einer Weile gegangen. Freunde besuchen“, log Hermine schlicht. Sie wusste nicht, wo er war, und sie wusste nicht, ob sie es ihr sagen wollte. Astoria biss sich auf die Lippe.

 

„Schade“, wisperte sie nur. „Ich dachte, ich würde ihn auch noch kennenlernen“, ergänzte sie eilig, mit einem schuldbewussten Blick. „Er ist… gutaussehend? Ein Playboy? Das erzählt meine Schwester? Ich meine, ich will nicht behaupten, dass ich das denke, ich meine nur…“ Sie unterbrach sich hastig, schuldbewusst.

 

Hermine musste angefangen haben zu starren, denn Astoria wirkte ein wenig verwirrt.

 

„Was?“, fragte sie scheu. Hermine ruckte mit dem Kopf. Ihr kam ein Gedanke. Konnte das sein?! Sprach sie deshalb so viel von ihm? Kam sie deshalb her?

 

Und ihr Mund sprach, ohne dass sie es verhindern konnte, denn sie war doch ab und zu ehrlich, wenn sie es nicht gebrauchen konnte. „Bist du das Mädchen, das er im Urlaub getroffen hat?“, entfuhr es ihr langsam, denn sie konnte es sich nicht vorstellen, und Astorias Augen weiteten sich überrascht und ertappt.

 

„Was?“, flüsterte sie erneut, diesmal schrecklich schuldbewusst. Aber ihre Wangen waren errötet. 

 

Hermine schwieg unwillig, denn sie war ein wenig überfordert mit dieser Situation. Das war doch wohl nicht der ernst von diesem Mädchen!

 

„Es tut mir leid“, sagte Astoria nach einer Weile.

 

„Was?“, wollte Hermine wissen, und so langsam gingen ihr alle Reinblüter auf die Nerven. „Dass du gelogen hast? Dass du meinen – dass du Draco doch kennst?“ Fast hätte sie ‚meinen Mann‘ gesagt, aber Hermine weigerte sich, diese Tatsache zu akzeptieren, oder sie laut zu sagen. Und sie wusste, sie hatte kein Problem damit, wenn er… an anderen Mädchen Interesse hatte. Sie hatte auch an anderen Jungen Interesse, aber… sie konnte das nicht zugeben! Und irgendetwas in ihrem Kopf lief falsch, stellte sie verblüfft fest. „Oder dass du hier auftauchst und mich einfach mal kennenlernen willst?!“

 

Astoria wirkte schockiert. „Ich… wusste nicht, dass er darüber gesprochen hat“, flüsterte sie, und Hermines Mund klappte entrüstet auf.

 

„Und das macht es ok? Dass es in Ordnung wäre, hier rumzuspionieren, wenn er es nicht erwähnt hätte? Dass du die Dreistigkeit besitzt, mich einzuladen, obwohl du… - weißt du, meine Mutter hat mich anders erzogen? Für mich ist das nicht ok! Ich-“ Hermine unterbrach sich selbst. Was zur Hölle tat sie denn?! Es war ihr doch egal, was er tat oder mit wem! Sie war so verwirrt. 

 

„Es tut mir so leid!“, beteuerte Astoria jetzt. Aber Hermine war wütend.

 

„Was glaubt ihr eigentlich alle?“, regte sie sich auf und hatte sich von der Couch erhoben. „Ihr seid alle verlogen und schrecklich! Je mehr ich von eurer Gesellschaft sehe, umso weniger kann ich verstehen, weshalb-“

 

„-bitte, es tut mir so leid! Ich… ich habe nicht mit ihm geschlafen!“, schien sich Astoria jetzt zu rechtfertigen. „Ich… wollte nicht, denn… ich wusste nicht, ob er dich nicht doch liebt!“, sagte sie untröstlich, und Hermines Augen weiteten sich.

 

„Und wenn er das nicht tut?“, wollte sie gefährlich ruhig von dem fremden Mädchen wissen, was so unschuldig und hübsch wirkte, dass Hermine kotzen könnte. „Dann wäre es kein Problem? Dass er verheiratet ist, legal gebunden, dass es gegen das Gesetz wäre, dass er mich betrügt, das wäre vollkommen locker zu übersehen?“, schloss sie ruhig, und Astoria wirkte sehr verstört. Hermine war von sich selber verstört. Natürlich war es ok! Merlin, noch mal! Was war los mit ihr? Aber sie wollte diesem Mädchen nicht Recht geben, ihr nicht irgendeinen Vortritt lassen.

 

Aber Hermine nahm an, sie wusste, woran es lag. Und sie hatte nicht gewusst, wie giftig ihre eigene Stimme klingen konnte. „Du bist in ihn verliebt“, stellte sie nüchtern fest. Astorias Augen weiteten sich. „Aber das gibt dir nicht das Recht, hierherzukommen und zu glauben-!“

 

„-nein! Bitte, ich wollte nie-!“ Und erst jetzt ergaben ihre Worte Sinn, stellte Hermine schockiert fest.

 

„- er weiß es gar nicht, oder?“, unterbrach sie Astoria entgeistert. „Er denkt, du wüsstest nichts…“ Aber sie sprach nicht weiter, starrte Astoria lediglich an.

 

„Er denkt, ich weiß nichts von seiner Heirat“, bestätigte sie unglücklich. „Und es tut mir leid, wirklich! Meine Mutter hat mich gezwungen – irgendwie, aber… ich… liebe ihn“, flüsterte sie. Hermine schloss die Augen. Gott, dieser Reinblüter-Zirkus machte sie irgendwann noch fertig. Und Hermine fand es immer noch dreist. Auch wenn sie keine Gefühle für diesen Idioten hatte.

 

„Aber wie kannst du mir das sagen?“, wollte sie ungläubig wissen. „Es ist so…. unglaublich unpassend! Du kannst nicht sagen, dass du ihn liebst, Merlin noch mal!“, rief Hermine aus. Malfoy stand auf dumme Mädchen, solange sie gut aussahen, Hermine begriff so viel. 

 

„Es tut mir wirklich-“

 

„-hör auf! Ok? Hör auf, dich zu entschuldigen!“, sagte Hermine nur. Sie schüttelte den Kopf. Tränen schimmerten in Astorias Augen, und Hermine rieb sich die Schläfe. Ach, hätte sie ihn nie geheiratet, dann hätte er dieses naive Exemplar von Reinblüter-Prinzessin nehmen können, dachte sie entnervt. „Vielleicht solltest du gehen?“, schlug Hermine ihr müde vor. „Ich glaube, wir haben genug gesprochen.“

 

Astoria wirkte, als hätte Hermine ihr eine Ohrfeige verpasst.

 

„Wirst du… wirst du es ihm sagen?“, entfuhr es ihr ängstlich. Hermine zuckte verärgert die Achseln.

 

„Ich weiß nicht“, erwiderte sie nur. „Ich glaube nicht, dass ich dir irgendwelche Gefallen tun muss, oder?“ Und sie wusste nicht mal, warum sie so wütend war. War es etwas Primitives? Was Instinktives? War es verletzter Stolz, weil er sie tatsächlich betrog?

Sie wusste es doch. Es war doch sonst unwichtig gewesen! War es unwichtig, solange sie nicht wusste, mit wem? Und jetzt, wo sie ein Bild vor Augen hatte war es… real geworden? Und musste es auch noch so eine Schönheitskönigin sein?!

 

„Nein, natürlich nicht“, bestätigte Astoria und trat den Rückzug an. „Ich werde gehen“, sagte sie tonlos. Hermines Herz schlug laut in ihrer Brust.

 

Es störte sie nicht. Nicht wirklich, oder? Sie war verwirrt. Sie wollte seine Liebschaften nicht sehen müssen, nicht mit ihnen reden müssen und mit ihnen Tee trinken, als täte man in dieser Gesellschaft genau das!

 

Sie verabschiedete das Mädchen nicht, und sie war überfordert, als sich die Tür keine Minute später wieder öffnete.

 

Sie stand immer noch mitten im Wohnzimmer, die Handfläche über die Augen gelegt, und ihr schlimmer Tag ging nahtlos weiter.

 

„Ich möchte mit dir reden“, sagte Narzissa kühl. Hermines Herz fiel in ihren Magen, als sie wieder aufsah. Narzissas Blick war böse, sie wirkte wie eine Mutter vor der Maßregelung ihres Kindes. Und bevor Hermine den Gedanken abgeschlossen hatte, sprach ihr verletzter Stolz.

 

„Er betrügt mich“, sagte sie kopfschüttelnd, ein wenig heiser, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Narzissa schien kurz zu vergessen, dass sie Hermine eigentlich bestrafen wollte.

 

„Was?“, fragte ihre Schwiegermutter mehr als verwirrt. Aber Hermine fand den richtigen Moment nicht, um aus dieser Sache rauszukommen. Es war tatsächlich leicht, sich so zu verhalten wie Malfoy. Aber sie wusste, die leichten Dinge, waren immer die falschen. Aber ihr Mund sprach.

 

„Er betrügt mich mit Astoria Greengrass!“, sagte sie erschüttert, und Narzissa starrte sie an. Langsam kroch eine Art böses Verständnis in Narzissas Blick, und Hermine war schockiert, wie schnell sie die Fronten gewechselt hatte. Gerade eben noch war sie mit Malfoy auf derselben Seite gewesen. Und jetzt… sah es so aus, als hätte sie ihn so eben ausgeliefert….

 

Und fast tat es ihr leid. Fast. Denn wie gesagt, war sie gerade dabei ihren Verstand zu verlieren. Und über das Ausmaß ihrer Worte, dachte sie gerade nicht nach….

 

 

Kapitel 47

 

Ihre Hand lag auf den weichen Nüstern des Pferdes. Es war sehr kalt heute. Sie wollte natürlich nicht ausreiten, denn Reiten konnte sie ohnehin nicht. Nur mit dem Zauber, der sie im Sattel hielt. Sie würde wahrscheinlich stürzen, und sie wusste auch nicht, wohin sie reiten sollte. Aber sie wollte weder im Haupthaus sein, noch im Gästehaus.

So war es, wenn man unüberlegt handelte, nahm sie an.

 

Narzissa hatte zuerst gar nichts gesagt. Hermine hatte angenommen, sie wäre noch immer zu sauer, um mit ihr zu reden, aber dann hatte sie Hermine angesehen und ihr versprochen, sich zu kümmern. Was das bedeuten sollte, wusste Hermine im Einzelnen nicht wirklich. Aber es hatte wie ein dunkles Versprechen geklungen, und sogar Hermine hatte es bereut, überhaupt gesprochen zu haben. Narzissa war dann gegangen, und Hermine hatte seitdem ein sehr schlechtes Gefühl. Deshalb hatte sie rausgehen müssen. Irgendwohin.

 

Es war Malfoys Pferd, das sie sanft streichelte. Es schnaubte ab und an, aber sonst ließ es die Streicheleinheiten ruhig über sich ergehen. Es kam ihr endlos lange her vor, dass sie eine Schnitzeljagd veranstaltet hatten.

 

Es kam ihr endlos lange her vor, dass überhaupt irgendetwas gut gewesen war.

 

Sie war so wütend gewesen heute. Auf ihn, auf Astoria, und sie verstand nicht einmal mehr, wieso. Sie war nahe dran, alles zu verlieren, alles aufzugeben.

Die dunklen Augen des Pferdes sahen sie sanft an. Vielleicht ein wenig ängstlich, aber definitiv sah es sie an. Ein wenig interessiert, ein wenig hin und her gerissen. Mit der Neugierde und Unschuld, die einem Tier eben innewohnte.

 

Bevor sie näher darüber nachdenken konnte, was sie mit ihren Worten wieder angerichtet haben könnte, ging ihr Albtraum nahtlos weiter, denn wie durch einen seltsamen Zufall betrat Lucius die Stallungen. Er schien von einem Ausritt wiederzukommen. Er hatte wohl gerade den Helm abgenommen. Einige Strähnen umrahmten wirr sein Gesicht. Er begrüßte sie nicht, als er sie erkannte. Es war ihr unangenehm. Er sah sie an, wie er seinen Sohn ansah. Hastig wandte sie den Blick wieder auf den Hengst vor sich, denn sie war sich nicht sicher, ob sie mit ihm reden sollte, oder lieber nicht.

 

Er trug eine schicke Reiteruniform und hing an der Wand das Zaumzeug auf. Sein Pferd wurde wohl vom Knecht im kalten Schneetreiben saubergemacht, nahm sie an. Auch wenn sie keinen Sinn dahinter erkannte. Und wider ihres Erwartens stellte er sich neben sie an die Box. Und er zog das Band aus seinen Haaren, so dass sie ihm lang und blond über die Schulter fielen. Sie wellten sich ein kleines Bisschen. Vielleicht vor nasser Kälte. Er wirkte jugenhaft, als er sich die langen Strähnen mit seinen schlanken Fingern über den Kopf kämmte und sie locker wieder in sein Gesicht fielen.

 

Ehrlich gesagt sah er aus, wie einer dieser klischeehaften Piraten oder verwegenen Prinzen auf der Titelseite von den Groschenheftchen, die ihre Großmutter früher immer im Badezimmer liegen hatte. Er müsste nur in Lederhose und halb offenem Leinenhemd neben ihr stehen, dachte sie dumpf. Nur schlechter gelaunt. Nur ein wenig düsterer. Und sie glaubte kaum, dass er einen guten Ritt gehabt hatte, bei diesem Sauwetter.

Wieso war er überhaupt rausgegangen, fragte sie sich dumpf.

 

„Also?“, fragte er, als befänden sie sich seit einer Weile im Gespräch, und unterband ihre Gedanken. Sie hob den Blick. „Färbt er ab?“, erkundigte er sich, als er Malfoys Hengst auf den Hals klopfte.

 

Hermine wusste, wen er meinte, aber sie stellte sich dumm.

 

„Wer?“

 

Lucius schenkte ihr einen knappen Blick, bevor er wieder das Pferd betrachtete. Hermine atmete langsam aus. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, erklärte sie stur.

 

„Nein, ich bin sicher, mich mit dem Zauberstab zu bedrohen, gehört zu den Dingen, die Sie leicht über sich bringen?“ Er sah sie wieder an. Er suchte scheinbar das Gespräch. Oder irgendeine Art von Erklärung. Er erinnerte sie sehr an seinen Sohn. Wirklich sehr. Wie er sie ansah, wie er stand. Seine Größe. Es war gruselig, fand sie. Sie verzog kurz den Mund.

 

„Bei Todessern ist es ein Reflex“, entgegnete sie trotzig, ohne ihn anzusehen.

 

„Mhm“, bestätigte er langsam. „Sie sind anders, als ich zu Anfang dachte“, sagte er, und fast glaubte sie, er klang enttäuscht. Natürlich konnte es aber auch sein, dass sie es projizierte, weil sie gerne hätte, dass er enttäuscht von ihr war. Die Enttäuschung, oder was es letztendlich in seiner Stimme gewesen war, war allerdings schnell verklungen.

 

„Warum? Weil ich meine Meinung sage?“, entfuhr es ihr, als er gehen wollte. Er blieb stehen.

 

„Es ist Dracos Meinung. Ich dachte, Sie wären anders“, erklärte er, ohne sich umzudrehen.

 

„Ich dachte auch, Sie wären anders“, wiederholte sie, eine Spur kühler. Lucius schien abzuwägen, ob er gehen oder bleiben sollte. Letztendlich entschied er sich, zu gehen. Und ihr Mund sprach die nächsten Worte, ohne zu überlegen.

„Sie hatten also zwei Söhne?“, rief Hermine ihm nach, und jetzt hatte er innegehalten.

Langsam wandte er sich um. Ihre Fingerspitzen kribbelten.

 

Der Moment verging quälend langsam. Sie sah, wie Erinnerungen kurz über seine Züge wanderten. Schlechte Erinnerungen, denn seine Augen verloren an Glanz und Ausdruck.

Und sie kam sich unter seinem Blick vor, wie das, was sie war: Ein Eindringling. Wie jemand, der soeben ein Geheimnis aufgedeckt hatte, was nicht hatte aufgedeckt werden sollen, und garantiert nicht von ihr. Heiße Schuldgefühle entstanden in ihrer Magengegend, und plötzlich tat es ihr leid. Es tat ihr leid, dass sie es gesagt hatte. Es tat ihr leid, dass sie so viel wusste, über diese Familie, in der sie nur von Narzissa willkommen geheißen wurde.

 

Denn so wie Lucius sie ansah, könnte er gleich auch eine der Mistgabeln ergreifen, und die Muggel vom Hof jagen, nahm sie an.

 

„Hat Narzissa Ihnen das erzählt?“, fragte seine Stimme, offen feindselig.

 

Und sie sprach, eigentlich fast nur, um Narzissa zu schützen, denn sie wollte nicht, dass er seine Frau deswegen anschrie. Gerne wäre sie so böse wie Malfoy,  aber sie konnte nicht.

 

„Nein!“, widersprach sie also schnell und heftig. Aber eigentlich machte es das nicht besser. Seine Stirn legte sich in Falten.

 

„Nein?“, wiederholte er langsam. „Dann kann ich nur annehmen, Sie haben, während Sie unser Heim gerne abbrennen wollten, Schubladen durchsucht!“, knurrte er. Lucius nahm nicht einmal an, dass es Malfoy ihr gesagt haben könnte, stellte sie fest. Und niemals hatte sie das Haus abbrennen wollen! Aber dieses Gespräch hatten sie bereits geführt.

 

Sie blickte ihm fest ins Gesicht, während ihr Mund unglaublich trocken war.

 

Und erst jetzt, wo sie es laut sagte, hörte sie es erst. Was es wirklich bedeutete.

 

Die Malfoys hatten zwei Söhne gehabt.

 

Und einer war gestorben. Und dieses Gefühl wünschte sie keinem. Sie kannte dieses Gefühl, denn Fred war auch nicht mehr da. Die Weasleys hatten auch einen Sohn verloren. Vielleicht könnte man sagen, sie hatten noch mehr Kinder, auf die sie zurückfallen konnten, aber letztendlich war es wohl egal, wie viele Kinder man hatte. Das Gefühl, eines zu verlieren, musste das schlimmste Gefühl auf dieser Erde sein.

 

Und es war egal, mit wem sie sprach. Ob mit Arthur Weasley, dem Vater von Cedric Diggory, ob mit Freds Grabstein auf dem Friedhof bei Grover’s End, den sie an seinem Geburtstag mit Geschenken und bunten Lampions besuchten. Es war egal, ob sie dieselben Worte auch zu Lucius Malfoy sagte, denn sie konnte nur annehmen, er musste genauso fühlen, wie jeder Vater, wie jeder Verwandte, der etwas so wichtiges verloren hatte.

 

„Es… tut mir leid“, sagte sie schließlich. Und Müdigkeit sprach aus ihren Worten. Ein Krieg wurde ständig aufgehalten durch Gefühle, die an die Oberfläche kamen. Durch Mitleid, was eventuell siegte. Auf dieses Mitleid, diese Gnade, vertraute sie letztendlich auch. Sie vertraute darauf, dass auch Lucius Malfoy Mitleid hatte. Eventuell. Irgendwo in seinem dunklen Innern, in seinen tausend Schichten der Bösartigkeit versteckt. 

 

Es vergingen ein paar Sekunden. Er wirkte nicht zufrieden, er wirkte aufgewühlt. Und es schien ihm nicht zu gefallen, dass sie seine Frage nicht beantwortet hatte. Er schien es nicht zu mögen, wenn irgendjemand etwas wusste, worüber er keine Kontrolle hatte.

Aber sie wusste, ihre Möglichkeit war verstrichen. Im Ministerium hatte er vielleicht noch Respekt vor ihr gehabt, weil sie anders war, als das, was er kannte.

 

Aber jetzt hatte er gemerkt, dass sie auf einer falschen Seite stand.

 

„Ich brauche Ihr Mitleid nicht“, erklärte er ausdruckslos. „Und falls Sie denken, Sie haben hier einen Stein der Weisen gefunden, irren Sie sich. In der Gesellschaft ist es unlängst bekannt, dass wir zwei Söhne hatten. Es redet nur niemand darüber, denn es ist unwichtig geworden.“

 

Sie schwieg. Er sprach böse Worte, als wäre es damit ungeschehen gemacht.

 

„Es ist nicht unwichtig“, erwiderte sie still. „Vielleicht sollten Sie darüber reden?“, schlug sie ihm ruhiger vor, aber das kalte Lächeln erinnerte sie nur zu sehr an Malfoy.

 

„Und wer schwebt Ihnen vor?“, wollte er ironisch wissen. „Vielleicht eine Muggel, die zufällig in die Gesellschaft geraten ist, und ihren Doxymist überall hinzugeben muss?“, erkundigte er sich glatt, und sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein, mit irgendwem. Vielleicht sollten Sie lieber mit Ihrem Sohn darüber sprechen, als ihm einen magischen Freund zu besorgen, seine Briefe nicht zu beantworten und ihn versauern zu lassen, mit seinen Sorgen und-“

 

„-genug!“, unterbrach er sie kühl. Wieder hatte sie ihm ein Malfoy-Familiengeheimnis aufgetan, von dem er wohl nicht angenommen hatte, dass es ans Tageslicht kommen würde. Er würde nicht auf ihre Worte eingehen, so viel stand fest, aber sie nahm an, dass sie ihm mächtig Angst eingejagt hatte.

 

Aber es war, als würde sie eine Sphinx betrachten, die in tausend Jahren nichts von sich preisgeben würde und die zutiefst beleidigt war, wenn man Dinge alleine herausfand.

 

Und sie war mehr als überrascht, als er plötzlich nickte.

 

„Ich weiß, was Sie tun“, sagte er schließlich und ihre Augen verengten sich. Er kam ihr vor, wie Malfoy, wenn er versuchte, sie zu durchschauen. Das Gespräch hatte schlagartig eine neue Richtung eingeschlagen. „Ich frage mich, ob Sie nicht ein wenig zu hoch gesetzt haben“, ergänzte er nachdenklich. „Wen hoffen Sie eigentlich zu ändern, und was glauben Sie, zu gewinnen?“ Er sah sie prüfend an.

 

Ihr Herz schlug überraschend schnell. „Was?“, erwiderte sie jetzt, mimte Ahnungslosigkeit.

 

„Mir fällt es schwer…“, begann er gefährlich leise und sah sie dann wieder an, „Sie einzuordnen.“

 

Sie sah ihn an. Und sie atmete langsam aus. Sie startete einen neuen Versuch, ohne seine Frage zu beantworten, denn so spielte er ja ebenfalls.

 

„Mögen Sie ihn?“, fragte sie ihn unvermittelt. „Draco?“, ergänzte sie widerwillig, sprach seinen Namen mit Bedacht, und er lächelte unverbindlich auf diese Frage hin. Ein falsches Lächeln, ein leeres Lächeln, ein absolutes Malfoy-Lächeln. – Was sie hasste.

 

„Was für eine befremdliche Frage“, sagte er leidglich kopfschüttelnd, und eine echte Antwort hatte sie kaum erwartet.

 

„Finden Sie?“, entfuhr es ihr. „Ich finde sie berechtigt.“

 

„Mir war nicht bewusst, dass ich Ihr Feind bin, Hermine“, sagte er ihren Namen zum ersten Mal, seit einer ganzen Zeit. Und sie nickte traurig, als wäre es wirklich eine Tragödie. Als hätte man es vorher nicht kommen sehen können, dabei lag es eigentlich mitten auf der Hand.

 

„Es war mir auch nicht bewusst“, räumte sie mit einem falschen Lächeln ein. „Aber es ist leichter, Ihrer glatten Show zu verfallen, als tatsächlich über Ihre Beweggründe nachzudenken“, fuhr sie bitter fort. Seine Augenbraue hob sich. „Wissen Sie“, ergänzte sie hart, „Draco mag Ihnen so vorkommen. Undankbar, opportunistisch, aber…“ Sie unterbrach sich. Sie wusste mittlerweile gar nicht mehr, wohin sie mit ihren Worten wollte. War sie gerade dabei, ein gutes Wort für Malfoy einzulegen? Sie hoffte nicht.

 

„Aber was?“, sprang er lächelnd auf ihr Zögern an.

 

„Aber er ist ehrlich“, behauptete sie nun, was sie zumindest wusste.

 

„Ehrlich?“, wiederholte er abfällig. „Wenn Sie denken, jemanden öffentlich als Schlammblut zu beleidigen, ist ehrlich, dann… meinen Glückwunsch, Hermine!“ Er schüttelte nur den Kopf über sie. Sie verengte die Augen.

 

„Sie sollten dankbar für diesen Sohn sein, aber Sie sind es nicht“, sagte sie. „Aber Sie sind sich ohnehin zu bequem, etwas zu ändern! Irgendwann wird er nicht mehr da sein“, fuhr sie ihn an, in der Hoffnung, ihn aus seiner eisernen Reserve zu locken.

 

„Dass ich noch weiter hier stehe, verdanken Sie dem Schneegestöber auf dem Hof“, klärte er sie überheblich auf, und sie verdrehte die Augen.

 

Das Pferd hinter ihr, warf mittlerweile nervös den Kopf zurück. Fluchttiere spürten eine angespannte Stimmung, und sie konnte es dem Tier nicht verdenken. Sie war nahe dran, zu schreien.

 

„Lassen Sie mich das hier zu einem Ende bringen, Hermine“, sagte Lucius schließlich gereizt. „Vergessen wir mal die Tatsache, dass mein Sohn lieber eine Muggel geheiratet hat, als auf sein Erbe zu verzichten“, erläuterte mit eindeutig erhobenen Augenbrauen, was sie stumm zur Kenntnis nahm. „Sie möchten mich herausfordern? Ich habe viel zu tun, Hermine. Ich bin ein beschäftigter Mann, aber bitte“, eröffnete er ihr mit einem nachsichtigen Lächeln. „Ich habe gehofft, Sie würden sich in Luft auflösen, nachdem Sie meinem Sohn Benehmen beigebracht haben, aber das…“, bemerkte er mit einem kühlen Blick, „scheint nicht zu passieren, denn er hat Sie in der Hand.“ Gerne hätte sie protestiert, aber er sprach bereits weiter.

 

„Ich lasse mich von Kindern in meinem eigenen Haus weder beleidigen noch vorführen“, fuhr er fast ruhig fort. „Es liegt scheinbar nicht in Ihrer Macht – oder Ihrer Absicht – Draco verändern zu wollen. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie bald die Flucht ergreifen werden. Und das auch noch, ohne einen Sickel vom Vermögen zu bekommen“, endete er mit einem düsteren Lächeln.

 

Fest biss sie jetzt wieder die Zähne zusammen.

 

„Klingt das nach einem guten Deal für Sie? Denn ich erkenne keine Linie in Ihrem Plan, und je schneller wir zu einem Ende kommen, umso schneller kann ich mein ruhiges Leben fortführen“, erklärte er ihr entnervt.

 

„Ich werde nicht diejenige sein, die die Flucht ergreifen wird, Mr. Malfoy“, sagte sie mit Bedacht und Hartnäckigkeit. Und Lucius lachte freudlos auf, bevor kalter Ernst auf seine Züge trat.

 

„Ist das so?“, wollte er mit widerlicher Überlegenheit von ihr wissen. „Ihre sprichwörtliche Hölle wird sich auftun, ehe mein ehrloser Sohn die Flucht ergreift. Vergessen Sie nicht, dass Sie nicht mehr sind, als die Mahnung, dass er vor dem finanziellen Aus stehen wird, wenn er sich unserem Wort verweigert. Sie sind kein Segen, Hermine. Sie sind ein Fluch. Sie sind seine Strafe. Um mich auf Ihr Niveau zu begeben – Sie sind der Bauer in unserem Spiel. Nicht umgekehrt“, erklärte er überdeutlich, während ihre Hände zu schmerzhaften Fäusten an ihren Seiten geballt waren, aber sie hörte nicht hin. Sie überhörte all seine gemeinen Worte. Sollte er das ruhig denken! Sollte er doch! Es war ihr egal!

 

Es musste. Und auch wenn es ihr die Tränen in ihre Augen trieb, lächelte sie. Sie lächelte, wie sie immer lächelte. Freundlich, und mit der Nachsicht, die er hasste. Ihr kam das Bild der kleinen Schachfigur wieder in den Sinn, die Tilly Malfoy hatte schenken wollen. Wie passend es war.

 

„Dann haben Sie ja nichts zu befürchten“, flüsterte sie fast tonlos. Sie wollte mehr sagen, wollte ihm alles sagen, aber sie tat es nicht.  

 

„Ich habe nie etwas zu befürchten, Hermine“, korrigierte er sie arrogant. Arrogant wie sein Sohn. Ihr Herz schlug wieder einmal schnell. Das Gespräch war vorbei. Die Fronten waren klar.

 

Er sah sie an. Zwar standen sie direkt voreinander, aber im Krieg war Distanz nicht von Nöten, wenn man auf zwei völlig verschiedenen Seiten stand.

 

Und zwangsläufig ließ sie ihm das letzte Wort, denn sie konnte nicht mehr dafür garantieren, dass sie ruhig blieb. Die Gefahr war greifbar. Die Gefahr, dass sie die Kontenance mit ihm verlor. Und sie gönnte ihm diesen Triumpf nicht.

 

Mit einem Blick aus Eis hatte er sich abgewandt und verschwand im Schneegestöber. Es war ein stummer Abgang, aber er hätte ebenso gut von Posaunen begleitet werden können, denn es war eine epische Kampfansage.

 

Wirklich großartig. Nicht, dass sie nicht schon genug zu tun hätte.

 

Jetzt musste sie auch noch gegen Lucius direkt vorgehen. Aber sie hatte nichts anderes erwartet. Sie wusste nicht, was für ein seltsamer, stiller Krieg gerade begonnen hatte, aber sie wusste, er irrte sich.

 

Denn er würde nicht gewinnen können. Aber das wusste er noch nicht.

Und endlich rang sich eine einsame Träne aus ihren Augenwinkeln. Aber sie hatte sich abgekühlt, als sie auf ihre Wange fiel.

Denn es war kalt in den Stallungen, durch die der Wind pfiff, wie durch eine Geisterstadt.

 

~*~

 

Es war ruhig im Gästehaus, als er widerwillig von den Goyles zurückgekehrt war.

Alles hier erinnerte ihn an seine missliche Lage. An seinen persönlichen Fluch.

 

„Einen schönen Tag gehabt?“, unterbrach ihn die ruhige Stimme seiner Mutter von der Couch aus. Fast wäre er aufgesprungen vor Schreck. Nicht nur, dass Granger ständig hier rumlungerte, nein – jetzt hockte seine Mutter auch noch auf der Couch!

 

„Hier“, bedeutete sie ihm ruhiger und streckte ihm eine Karte entgegen, als er nicht antwortete. Sie trug noch ihren Reiseumhang. Schnee lag noch ungeschmolzen auf ihren Schultern, und er musste annehmen, sie war kurz vor ihm hier eingetroffen. Wo war Granger, fragte er sich unwillkürlich.

 

Sie hatten ja schließlich noch an diesem Morgen das Ziel verfolgt, seine Eltern aufzuhetzen, fiel ihm wieder ein. Aber wahrscheinlich war das nicht mehr aktuell. Oder…? Er wusste es nicht mehr.

 

„Was ist das?“, entkam es seinen Lippen verschlossen. Er bot ihr keinerlei Angriffsfläche. Es war immer gefährlich das zu tun. Er kam langsam näher, und mit spitzen Fingern ergriff er die Karte.

 

Sein Blut kühlte sich merklich ab. Es erfasste ihn eine Art von Übelkeit erregendem Ärger.

 

Es war eine Einladung von Astoria. Nicht an ihn, nein, an ihn und seine Frau. Von ihr persönlich unterschrieben!

 

Langsam hob sich sein Blick zu dem Gesicht seiner Mutter, und er dachte sehr schnell nach.

 

„Ich habe mir nicht die Mühe gegeben, dir eine perfekte Braut zu suchen, damit du nach einer Woche alles zerstörst“, flüsterte sie bedrohlich, während sie sich geräuschlos erhob. „Du wirst dieses Mädchen nicht mehr wiedersehen“, schloss sie kalt. Und hatte er sich eben vielleicht noch gefragt, ob sie es wissen könnte, so wusste er es jetzt mit Sicherheit.

 

„Dieses… dieses Mädchen kommt hierher, belästigt Hermine in ihrem eigenen Haus, erlaubt sich diese Dreistigkeit, direkt vor unserer Nase, und wenn du glaubst, sie kommt glimpflich davon, dann hast du dich geirrt, Draco Malfoy!“, knurrte seine Mutter jetzt, und Narzissa war selten zornig. Selten so zornig, dass ein Lächeln keinen Weg mehr auf ihre Züge fand – aber momentan herrschte eine Eiszeit um ihre Mundwinkel.

 

Sie war sauer. Und sein Mund war aufgeklappt.

 

Granger wusste es? Es musste so sein! Oder hatte Astoria es vielleicht auch noch selber zugegeben?! Er begriff nicht einmal, was es bedeuten sollte! Denn… wenn Astoria wusste, dass er… dass er eine Frau hatte, dann –

 

Und Narzissa schien keine Reaktion von ihm zu benötigen.

 

„Draco, ich habe dich lange nicht mehr bestrafen müssen!“, zischte seine Mutter jetzt. „Aber… Silvester ist für dich gestorben, junger Mann!“, rief sie böse und verließ mit großen Schritten das Wohnzimmer. „Erlaub dir noch eine solche Kleinigkeit, und du bekommst, was du so dringend willst!“, drohte sie anschließend. „Dann kannst du nämlich packen und gehen!“, schloss sie kalt und zog den Zauberstab. Er zuckte kaum zusammen. Er war von dem Schlammblut schon mehr als genug gewöhnt.

 

Und seine Mutter sprach eine stumme Formel. Grüner Nebel waberte aus der Spitze ihres Zauberstabs, fiel zu Boden, kroch über das Parkett, und ehe er zurückweichen konnte, erfasste ihn der geruchslose Nebel – und verschwand wieder, genauso lautlos, wie er gekommen war.

 

„Ich wünsche dir viel Spaß in deinem neuen Haus, denn das ist alles, was du bis zu deiner Abreise zu Gesicht bekommen wirst!“, donnerte er ihre Stimme ein letztes Mal, ehe sie durch den Flur marschierte und die Tür zornig ins Schloss warf.

 

Er… - was?!

 

Seine Füße setzten sich in Bewegung. Hastig wollte er seiner Mutter folgen, wollte das Haus verlassen, aber es war unmöglich, zur Tür zu gelangen!

 

„Narzissa!“, schrie er außer sich, wollte gegen die unsichtbaren Mächte ankämpfen, und den letzten Meter zur Tür überwinden, aber der Fluch ließ es nicht zu!

 

Er war eingesperrt! Wie ein Kleinkind, eingesperrt in seine Haus!

 

„Nein!“, brüllte er. „Mach die Tür auf! Lös den Zauber!“, rief er zornig, denn tatsächlich war er nicht in der Lage, den Spruch zu lösen. Es war ein Spruch, der nur von Eltern auf Kinder anwendbar war. Ein Kinderschutz-Zauber – nur war er kein verdammtes Kind mehr, und es war bestimmt zehn Jahre her, dass er diesen verdammten Zauber über sich hatte ergehen lassen müssen.

 

„Narzissa!“, schrie er wieder, aber niemand kam. Niemand hörte ihn. Niemand löste den Zauber.

 

Und mit all seiner Wut, seinen unbeantworteten Fragen, war er nun hier eingesperrt.

 

Er lehnte sich überfordert gegen die Wand und rutschte auf den Boden hinab. Was war passiert?! Wieso tat Astoria ihm so etwas an?

 

Wie konnte sie ihn so hintergehen? Wie konnte er so verdammt blind gewesen sein?! Und hatte… Goyle recht? Dieser Gedanke kam ihm urplötzlich, er nagte an ihm.

 

War es das? War das alles? Waren die Mädchen an ihm interessiert, wegen seines Goldes?

Stimmte es, was alle sagten? Dass er über keine weitere Eigenschaft verfügte?

Blaise hasste ihn, Pansy sprach nicht mehr mit ihm – oh Merlin, und Pansy hatte auch noch Recht! Zornig lehnte er den Kopf zurück und schloss die Augen.

Und Granger hasste ihn genauso.

 

Es zählte nicht, denn das Schlammblut war ihm egal, aber wie sollte er seinen ehemaligen Freunden gegenübertreten? Und wie sollte er es schaffen, völlig gleichgültig gegenüber Astoria zu sein? Er dachte… - er hatte gedacht, es wäre ernst. Dieses Mal. Es wäre… echt.

 

Aber… das war es nicht. Er war ein dummer Idiot. Und fast hätte er sich noch eingestanden, sie zu lieben! Er war überzeugt gewesen, sie liebte ihn!

Warum sonst hatte sie warten wollen? Warum sonst gab er sich all die Mühe? Warum sonst, Salazar noch mal?!

 

Er vergrub den Kopf in den Händen, denn er hatte jede Hoffnung verloren.

 

Er glaubte, er hatte seinen Tiefpunkt endlich erreicht. Unspektakulär, unscheinbar und in völliger Einsamkeit.

 

Er konnte nur hoffen, dass er nicht weinen würde. Er war ohnehin schon ein erbärmlicher Versager. Würde er weinen, wäre es letztendlich für jeden sichtbar, der dieses Haus betreten würde. Und er wollte sich schließlich noch so lange etwas vormachen, wie es gerade noch ging.

 

Er hatte die Augen geschlossen. Das war es jetzt. Er glaubte nicht, dass er jemals so viel Hass verspürt hatte. Auf alle! Und besonders auf sie!

Besonders auf… Hermine Granger!

 

 

Kapitel 48

 

Sie hatte das Gefühl, nach einem Kampf nach Hause zu kommen. Und ein Zuhause war es nicht wirklich. Sie sah seinen Schatten, während er durch das Wohnzimmer lief. Es war dunkel draußen, und sie hatte ein schlechtes Gefühl. Langsam betrat sie das Wohnzimmer, Schuhe und Mantel behielt sie an.

 

Auf dem Tisch stand eine leere Flasche Alkohol. Sie wusste nicht von welcher Art. Und es erschien eine der Elfen aus dem Haupthaus mit einer weiteren Flasche, die das kleine Geschöpf kaum tragen konnte, so schwer war sie.

 

„Fabelhaft“, knurrte er, die Stimme tief, und er hatte sie noch gar nicht bemerkt. Sie schluckte schwer, denn sie wusste ja, dass Narzissa sich kümmern wollte.

 

Die Elfe sah sie angsterfüllt an, und dann wandte er erst den Blick. Seine Augen fokussierten entsprechend spät, denn er war schon ziemlich betrunken.

 

„Ah, das Schlammblut, mein Augapfel, die Freude meines Lebens!“, lallte er, gefährlich tief. Sie wich zurück. Langsam, unbewusst, Schritt um Schritt, und er folgte.

 

Er hatte geweint, denn seine Augen waren gerötet. Er war blass, und wirkte erschöpft, abgekämpft, besiegt.

 

„Malfoy-“, begann sie müde, aber er ruckte mit dem Kopf.

 

„-halt die Klappe!“, schrie er, und die kleine Elfe verschwand augenblicklich mit einem Plopp. „Was willst du noch von mir, du dämliches Miststück?“ Er schrie so laut, dass es in ihren Ohren klingelte.

 

Sie wich weiter zurück, zurück in den Flur, aus dem sie gekommen war.

 

„Ich würde dir vorschlagen, deine Beine in die Hand zu nehmen und zu verschwinden, du widerliche Schlampe!“, rief er, während seine Atmung sich beschleunigte, und er sie weiter in den Flur drängte. Sie hatte Angst. Ja, tatsächlich. Ihr Mund stand offen, denn sie hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet.

 

„Bist du verrückt?“, fragte sie perplex, aber er hob zornig die Hände und stieß sie hart gegen die Schultern, so dass sie nach hinten taumelte und mit einem schmerzhaften Krachen gegen die Haustür fiel. Abgehackt ging ihr Atem und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.

 

Sein Mund war vor Wut verzogen, und ihre Schultern pochten vor Schmerz unter seinem Stoß.

 

Und er konnte nicht weiter. Sie sah die helle Barriere ungefähr einen Meter vor der Haustür schimmern. Und sie war noch nie so dankbar für einen Spruch gewesen, als für diesen!

Denn sie hatte schon Angst, ihren Zauberstab zu ziehen. 

 

„Du hast mit Astoria gesprochen?“, wollte er böse wissen, aber es war nicht wirklich eine Frage. Und etwas Schweres fiel in ihre Magengrube, als sie darüber wieder nachdenken musste. Dieses schlechte Gefühl, was sie schon zuvor gespürt hatte. „Hattest du Spaß?“, erkundigte er sich, während er nicht näher kommen konnte.

 

Kalter Ärger zeichnete seine Züge und ließ ihn manisch wirken. „Das muss ein verdammter Glückstag für dich gewesen sein, oder?“, brüllte er jetzt, so dass sie zusammen zuckte. „Nicht nur schaffst du es, mich reinzulegen, mich dazu zu bringen, dir meine Geheimnisse zu erzählen – nein!“, knurrte er haltlos. „Du schaffst es auch, das einzig Gute, was ich hatte zu zerstören! Astoria war die eine, Granger! Die einzige! Und ich hoffe, du erstickst an der Genugtuung, die du empfunden hast, als du es auch noch meiner Mutter erzählen konntest!“

 

Hermine fand ihre Stimme wieder. Nicht so laut, wie sie es gerne gehabt hätte, aber sie war wieder da.

 

„Ich habe dich nicht reingelegt!“, widersprach sie kopfschüttelnd.

 

„Halt die Klappe! Denkst du, mich interessiert irgendeines deiner Worte?“, schnappte er zornig.

 

„Und sie wusste das, Malfoy! Sie kannte mich! Deine kleine Schlampe kannte mich bereits!“, entfuhr es ihr unüberlegt, und er wollte den Abstand überwinden, aber Merlin sei Dank hielt ihn der Fluch zurück! Hermine hatte sich flach gegen die Tür gepresst, so weit wie möglich von ihm weg.

 

„Wag es nicht, sie so zu nennen!“, schrie er.

 

„Aber ich habe recht!“, schrie sie genauso laut. „Sie wusste das!“ Ihr Herz schlug schnell, und sie atmete sehr laut. Sie erkannte, dass seine Augen glasiger wurden, dass er weinen würde. Das Grau so hell, dass es silbern wirkte. Ihr Mund öffnete sich perplex. Sie hatte ihn noch nie so gesehen. Noch nie.

 

„Raus!“, sagte er tonlos, während er den Zauberstab zog.

 

„Was?“, flüsterte sie nur, aber er zielte direkt auf ihre Brust.

 

„Raus, oder ich bringe dich um, Granger. Ich verspreche dir, bei allem, was ich noch habe, ich bringe dich um. Ohne zu zögern, wenn du noch länger hier stehst! Du bist Gift für mich! Für alle! Niemand will dich! Niemand braucht deine Scheiße! Wenn dir langweilig ist, geh irgendwen anders nerven, plan deine Scheiße mit irgendwem anders, aber nicht mit mir!“, brüllte er jetzt, während die Tränen auf seine Wangen fielen. „Hau ab! Verpiss dich endlich! Muss ich dich erst grün und blau schlagen, damit du begreifst?!“, donnerte seine Stimme, und blind griff sie mit zitternden Fingern hinter sich nach der Türklinke, während sein Zauberstab bereits dunkle Funken sprühte. 

 

„Verschwinde“, spuckte er ihr tonlos entgegen, und sie schlüpfte panisch aus dem winzigen Türspalt, ohne dass er ihr folgen konnte. Sie warf die Tür ins Schloss, lief die wenigen Stufen hinab in den Schnee, und ihr heißer Atem kondensierte vor ihr in der eisigen Kälte.

 

Sofort begann sie zu zittern, schlug sich die Hand vor den Mund und begann, durch den Schnee zu stapfen. Nur weg. Nur weg von dem Haus! Weg von ihm!

 

Nach Hause! Sie musste nach Hause! Sie erlaubte sich nicht, zu weinen, panisch zu werden, Angst zu bekommen. Sie verließ mit großen Schritten das Grundstück, beeilte sich auf einen festen Weg zu kommen und apparierte, nachdem sie die letzten hundert Meter gerannt war. Und das war im Schnee schon schwer genug.

 

Sie wirbelte um ihre eigene Achse, während ihr Schnee ins Gesicht schlug. Es war gefährlich, zu apparieren, in einem Schneesturm, fiel ihr auf, aber es war ihr egal. Nass und durchweicht landete sie ein wenig abseits des Hauses ihrer Eltern. Die Straße lag verlassen in weißer Pracht vor ihr, und sie hastete zum Haus.

 

Es war hell erleuchtet, und sie lief eilig über den verschneiten schmalen Weg zur Tür. Aber sie hielt inne.

 

Ihre Eltern hatten Gäste.

 

Durch die durchsichtigen Vorhänge erkannte sie Menschen im Wohnzimmer. Leise drang die Musik nach draußen zu ihr. Mit dem Jackenärmel wischte sie sich über die laufende Nase und wich neben die verschneiten Rosenbüsche zurück.

 

Ihre Eltern feierten?

 

Und ihr Kiefer lockerte sich, und ihr Blick ging ins Leere.

 

Ihr Vater hatte Geburtstag.

 

Sie presste die Lippen aufeinander, aber eine Träne rann dennoch aus ihrem Augenwinkel. Wie hatte sie es vergessen können? Weil sie so beschäftigt gewesen war mit ihren blöden Plänen! Ihre Mutter hatte ihr noch gesagt, dass sie den Winterurlaub abgesagt hatten, um zur Hochzeit zu kommen. Und jedes Jahr fuhren ihre Eltern in den Süden, dahin, wo das Wetter heiß und trocken war, um den Geburtstag ihres Vaters zu feiern.

 

Völlig still stand sie vor dem Wohnzimmerfenster ihrer Eltern, wagte nicht, sich zu bewegen, ein Geräusch zu machen, geschweige denn, jetzt zur Tür zu gehen, und zu klopfen.

 

Was sollte sie sagen? Sie hatte sich nicht einmal mehr gemeldet! Der Abend war fast vorbei! Sie hatte ihm nicht gratuliert, und sie wollte jetzt nicht verweint und ängstlich die Party ruinieren, aus rein egoistischen Gründen.

 

Ihre Eltern dachten bestimmt, sie wäre jetzt verheiratet und hatte genug damit zu tun und wollte nicht bei ihren Eltern sein. Hermine schloss die Augen, und weitere Tränen liefen über ihre Wange.

 

Nein. Sie würde nicht bei ihren Eltern sein. Sie verdiente nicht mal mehr das.

 

Der Schnee wurde dichter um sie herum. Der Wind ließ nach, aber der Schnee schien jetzt in doppelter Masse zu fallen.

 

Sie beschloss, zu gehen. So still, wie sie gekommen war.

 

Es gab keinen Ort, wo sie hin konnte. Es gab niemanden, an den sie sich wenden konnte. Niemanden. Außer… einen.

 

Sie stapfte durch den Schnee, zur Rückseite des Hauses, zog mit eiskalten Fingern ihren Zauberstab und durchsuchte ihre Erinnerung. Nach nur einem guten Tag. Einem guten Ereignis.

 

Sie schloss die Augen.

 

Harry und Ron besiegen den Troll auf dem Mädchenklo.

 

Sie sitzen bei Hagrid in der Hütte und trinken heiße Schokolade.

 

Sie spielen im Gemeinschaftsraum Snape explodiert.

 

Ron umarmt sie, wenn sie sich zur Nacht verabschieden.

 

Expecto Patronum“, flüsterte sie kaum hörbar, und nach einer endlosen Weile brach der silberne Otter aus der Spitze ihres Zauberstab hervor, flog um sie, spielte mit den dichten Schneeflocken, und sie räusperte sich, um nicht zu verweint zu klingen.

 

„Harry, bitte komm nach Malfoy Manor. Bring das Zelt. Und sag Ron gar nichts. Danke“, sagte sie noch, ehe sie mit einem Wink dem Otter befahl, Harry aufzusuchen. Sie nahm an, er war noch im Fuchsbau, und sie hoffte, dass er clever genug war, zu verschwinden, ehe Ron den Patronus bemerken würde. Sie hoffte, sie würde eine gute Sekunde erwischt haben.

 

Sie hoffte es. Nicht, dass es mit Harry alleine einfacher wäre, aber… sie schämte sich zu sehr, als dass sie Ron auch noch irgendeine Lüge würde auftischen können. Oder was auch immer sie Harry sagen würde. Sie nahm an, er würde sich mit einer Lüge nicht zufrieden geben. Nicht heute.

 

Es war alles furchtbar. Und sie brauchte Hilfe.

 

~*~

 

Sie stand neben einer der Säulen des Eingangs, in eine Ecke gekauert und wartete einfach.

Darauf, dass Harry kam oder eben nicht. Vielleicht war das Wetter zu stürmisch, dafür, dass es der Patronus überhaupt geschafft hatte? Sie hatte die Hände tief in ihre Taschen vergraben. Sie hatte keine Handschuhe mit nach draußen genommen, und mittlerweile befand sie sich seit weit über einer Stunde in der Kälte, seitdem Malfoy sie rausgeworfen hatte, seitdem sie bei ihren Eltern vor dem Haus gestanden hatte, seitdem sie wieder zurückgekehrt war, weil sie nicht wusste, wohin.

 

Und sie sah helle Funken im Himmel erscheinen. Zitternd richtete sie sich auf. Der Wärmezauber, den sie über sich gelegt hatte, hatte sie zu viel Kraft gekostet, denn der Schnee wirbelte immer noch unerlässlich um ihr Gesicht. Da war es einfacher zu frieren.

 

Eine schwarze Masse schlug krachend einige Meter neben ihr in den Boden. Der Schnee lag bestimmt schon 30 Zentimeter hoch, und etwas Großes schlitterte gefährlich nahe zu ihr rüber.


„Vorsicht!“, dröhnte eine Stimme, und Hermine sprang zur Seite, während Ron ungebremst in die Säule rutschte. Schneemassen stürzten durch den heftigen Stoß von dem gusseisernen Gitter über ihm auf ihn hinab, und er schirmte sie erfolglos mit den Händen ab. Schnee bedeckte ihn für einen Moment komplett, ehe er sich aus der kleinen Lawine rappelte.

 

Harry hatte den Eingang verfehlt und kämpfte sich den rutschigen Weg nach oben.

 

„Hey!“, rief er, aber seine Stimme war kaum zu hören, auch wenn er keine zehn Meter mehr entfernt war.

 

Ron klopfte sich fluchend den Schnee von der Kleidung.

 

„Scheiße“, sagte er und hustete, während er die Mütze vom Kopf zog und den Schnee aus seinem Gesicht schüttelte.

 

„Alles ok?“, fragte sie, immer noch erschrocken, und sie stellte jetzt erst fest, dass der Patronus wohl nicht nur Harry alleine erreicht hatte.

 

Ron verzog schmerzhaft das Gesicht.

 

„Schienbein“, sagte er nur und humpelte zu ihr. Harry erreichte sie, und sie erkannte durch neben seiner Mütze und seinem Schal nur noch seine Nase.

 

„Apparieren war eine scheiß Idee“, murmelte er durch die Dichten seines Schals, und Ron nickte zustimmend.

 

„Danke“, sagte sie erschöpft. „Kommt“, flüsterte sie, und sie hatte keine Lust, zu erklären, hatte keine Lust, sich zu entschuldigen. Außerdem hatten sie dieses Zelt schon in wesentlich schlimmeren Situationen aufbauen müssen. Sie schlug einen großen Bogen um das Gästehaus ein. Licht strahlte nur aus dem großen Wohnzimmer.

 

Sie lief weiter, bis sie in den Schatten kamen, zweihundert Meter vom Gästehaus weg, aber noch nahe genug, dass man das Zelt vom Herrenhaus aus nicht würde erkennen können.

Ob mit Desillusionierung oder ohne.

 

Die Jungen erreichten sie.

 

„Hier“, sagte sie, so wie sie es schon hundert Mal gesagt haben musste, als sie auf der Flucht gewesen waren und Hermine nach einem guten Ort für das Zelt hatte Ausschau halten müssen.

 

„Sicher?“, fragte Harry knapp, öffnete aber bereits seinen Rucksack. Er würde bei diesem Wetter nicht großartig diskutieren wollen. Und mit geschickten Handgriffen, errichteten sie das Zelt. Sie hatten es nicht verlernt, und kurz verharrten sie vor dem Eingang.

Alle drei nebeneinander. Das Trio wieder im Einsatz. Hermine gab sich einen Ruck und begann den Boden abzusuchen.

 

„Geht vor, ich suche Holz“, erklärte sie knapp, wie auch schon so oft zuvor. Die Jungen ließen sich nicht bitten und betraten das Zelt eilig. Hermine schob den Schnee mit bloßen Händen und Füßen beiseite und klaubte sich die wenigen Äste zusammen, die sie finden konnte. Sie würde sie trocken hexen müssen, überlegte sie. Und erst, als sie die Arme voller Äste hatte, folgte sie den Jungen ins Zelt.

 

Harry hatte sich bereits aus der Jacke geschält, hatte die Laternen entzündet, und Hermine hatte nicht erwartet, noch einmal in diesem Zelt sein zu müssen. Sie erinnerte sich sogar an den Geruch, stellte sie schockiert fest. Die Klappbetten wirkten, als hätten sie erst gestern darin geschlafen.

 

Hermine warf eilig das Holz in den kleinen Ofen, sprach den Trocken-Zauber stumm und entfachte das Feuer. Ron robbte sofort über den Boden zum kleinen Ofen und brauchte noch ganze zehn Minuten, um seine unzähligen Jacken loszuwerden.

Das Zelt war schnell mit Wärme erfüllt, und Harry leerte seinen Rucksack neben ihr aus.

 

Er hatte Teebeutel, Tassen, verpacktes Truthahnfleisch und Brot mitgebracht.

 

Eilig war er mit den Tassen zum Zelteingang marschiert und hatte sie mit Schnee gefüllt. Er stellte die Tassen vor den Ofen und erhitzte das Eis mit dem Zauberstab, ehe er drei Teebeutel in jede Tasse fallen ließ.

 

„Teebeutel hätten wir damals mitnehmen sollen“, murmelte er abwesend, an niemand bestimmten gewandt. Sie hatte sich ebenfalls die Jacke ausgezogen, hatte die Knie umschlungen und saß ebenso nahe vor dem Feuer wie Ron es tat.

 

„Hast du desillusioniert?“, fragte Harry stoisch, so wie er es immer gefragt hatte, aber sie sah ihn an.

 

„Brauchen wir nicht mehr. Wir sind nicht auf der Flucht“, erinnerte sie ihn behutsam, und sein Blick klärte sich wieder. Er nickte.

 

„Richtig“, schien er sich wieder zu besinnen. „Entschuldige, es ist so vertraut“, sagte er knapp.

 

Sie schwiegen, bis der Tee fertig gezogen war und Harry ihnen je eine Tasse reichte. Ron trank sie fast nahezu sofort aus und machte ein zufriedenes Geräusch.

 

„Tut es noch weh?“, fragte Hermine jetzt, unschlüssiges, was sie sonst sagen sollte, aber Rons Blick traf sie ernst und müde.

 

„Was ist los, Hermine? Wenn wir ihn nämlich umbringen müssen, dann will ich mich erst aufwärmen“, erklärte er gereizt.

 

„Nein“, erwiderte sie beschämt und senkte den Blick. „Ich… wir hatten Streit“, erklärte sie lapidar. Es stimmte ja auch.

 

Harry schenkte ihr einen ungläubigen Blick. „Wenn man Streit hat, schlägt man Türen, schreit sich an, und dann ist es gut. Man verbringt nicht Stunden im Schnee und bestellt ein Zelt, Hermine“, korrigierte er sie besorgt.

 

„Harry-“

 

„-und ich will keine Lügen mehr, ok?“, sagte er jetzt wütend. „Warum gehst du nicht zu deinen neuen Schwiegereltern? Ihr versteht euch doch so gut?“, bemerkte er, eine Spur spöttischer.

 

„Ja!“, bestätigte Ron böse. „Und was soll das heißen, sag es Ron nicht?!“, ergänzte er außer sich. „Auf einmal habt ihr Geheimnisse? Was soll das? Natürlich komme ich mit, wenn etwas ist! Oder bin ich auf einmal nicht mehr gut genug?!“ Ron wirkte ohnehin merklich schlecht gelaunt, fiel ihr auf.

 

„Nein, ich – das ist es nicht!“, beteuerte sie sofort.

 

„Also was?“, fragte Harry unwirsch.

 

Beide Jungen sahen sie an. Ihre Schultern sanken.

Sanft wehte der Wind um das Zelt, bewegte das Dach, und tatsächlich fühlte sie sich fast schon besser hier draußen, als sie es jemals in einem Haus der Malfoys getan hatte.

 

„Ich hab Mist gebaut“, flüsterte sie jetzt und versuchte mit all ihrer Tapferkeit die Tränen zu verhindern. Und bessere Worte fielen ihr auch gar nicht ein. Denn sie hatte Mist gebaut. Sie hatte Narzissa von Astoria erzählt. Aber sie war so verletzt gewesen.

Es wäre ohnehin irgendwann passiert, nahm sie bitter an. Irgendwann wäre es rausgekommen. Sie hatte Streit mit Lucius, und sie wusste nicht, wo sie und Narzissa standen.

 

Nirgendwo gerade, würde sie annehmen. Und Malfoy wollte sie umbringen.

 

Und eigentlich… war sie genau dort, wo sie sein wollte. Genau das hatte doch passieren sollen. Malfoy sollte sich noch schlechter fühlen, als er es ohnehin schon tat. Seine Eltern sollten leiden, sollten sich nicht erklären können, warum alles so furchtbar war, und irgendwann würde alles explodieren, und alle würden ihre Fehler endlich einsehen.

 

Sie hatte nur das Gefühl, dass es nicht einfach war. Es war einfach, sich den Plan zu machen, aber… sie hatte keine Ahnung gehabt, wie weh es letztendlich tat, diese Pläne in die Tat umzusetzen.

 

Und sie würde gerne sagen, sie hatte keinen Mist gebaut, denn alles lief nach Plan.

Aber… sie schien nicht einkalkuliert zu haben, dass die Malfoys nachtragend und böse waren.

 

Denn jetzt saß sie hier draußen im Schnee.

Harry und Ron waren ihr äußerstes Sicherheitsnetz. Denn sie konnte wohl schlecht ins Herrenhaus. Sie hätte gekonnt, nahm sie an.

Aber wollte sie das? Nach dem Gespräch mit Lucius? Sicher nicht!

 

„Na und?“, fuhr Ron sie schließlich an. „Malfoy baut immer nur Mist. Seit wann ist so was bei diesen Leuten schlimm?“, knurrte er.

 

„Ron, wir können gerne über dich reden – so wie die gesamte Zeit über!“, mischte sich Harry gepresst ein. „Aber wir sind jetzt hier wegen Hermine? Wegen Hermines Problem? Meinst du, wir können fünf Minuten einschieben, bevor wir über dein Reinblüterproblem sprechen?“, fuhr Harry ihn an, und Hermine zog die Stirn in Falten.

 

„Was für ein Problem?“, fragte sie, aber Harrys Blick brachte sie zum Schweigen.

 

„Nein, vergiss es. Wir sind hier wegen dir, und du brauchst bestimmt nicht ablenken. Soll ich rein gehen und ihn zur Rede stellen? Denn damit habe ich kein Problem! Ich bin mir sicher, er kann das Zelt vom Haus aus sehen. Wahrscheinlich kommt er gleich sowieso nach draußen?“, ereiferte sich Harry, kampfbereit, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein“, sagte sie lediglich.

 

„Nein was? Woher willst du das wissen? Ich würde rauskommen, wenn in meinem Garten ein fremdes Zelt mit-“

 

„-er kann nicht raus“, erklärte sie nachsichtiger. Harry stutzte und runzelte die Stirn.

 

„Was soll das heißen?“, fragte er, etwas verwirrt.

 

„Er hat Hausarrest“, erklärte sie gleichmütig.

 

„Hausarrest? Er ist erwachsen. Wer sollte ihn im Haus halten?“, wollte Harry verständnislos wissen, aber Ron nickte.

 

„Schutzzauber“, murmelte er beleidigt. „Hat Mum früher bei mir angewandt. Scheiß Zauber.“ Dann hob sich sein Blick plötzlich. „Wieso ist er mit einem Arrest-Zauber belegt?“, wollte Ron wissen, der anscheinend ihren Worten gefolgt war.

 

„Er…“, begann sie, nicht sicher, wie sie fortfahren sollte. Aber sie wüsste keinen Grund, weshalb sie lügen sollte. „Er hat eine andere“, räumte sie also kleinlaut ein. „Und ich habe es seiner Mutter gepetzt“, schloss sie kopfschüttelnd, während sie auf die Flammen im Ofen starrte.

 

„Er hat was?“, entfuhr es ihr Harry, und er starrte sie an, als wäre sie verrückt. „Was machst du dann noch hier? Das Arschloch hat eine andere und du bleibst seelenruhig im Garten sitzen?!“, fuhr er sie verständnislos an, und sie atmete aus.

 

„Harry-“

 

„-nein, Hermine! Ich denke, ich habe mir das alles geduldig genug angesehen, oder nicht?“, knurrte er. „Diese ganze Hochzeit war doch ohnehin nicht echt! Er war immer nur ein Arschloch! Und jetzt? Jetzt bleibst du immer noch?! Was muss noch passieren?“

 

„Er soll vor Verzweiflung nicht mehr schlafen können“, erwiderte sie, nahezu kalt.

 

Harry vergaß seine nächsten Worte, und sein Mund öffnete sich verwirrt.

 

„Was?“, fragte er ehrlich verwirrt. „Du… - was?“

 

„Zwei wirklich gute Fragen“, sagte Ron schließlich. „Was heißt das? Du bist nicht sauer deswegen?“, wollte er mehr als ungläubig wissen, und Hermine schüttelte schließlich den Kopf.

 

„Nein, ich bin nicht sauer. Ich wusste nicht, wohin. Denn heute habe ich mich auch noch mit Lucius angelegt, ich habe den Geburtstag von meinem Vater vergessen, und Malfoy hat mich unter Todesdrohungen aus dem Haus gejagt, nachdem ich seiner Mätresse gedroht habe“, fasste sie ihren Tag in wenigen Worten zusammen.

 

Rons Mund öffnete sich ebenfalls perplex.

 

„Du liebst ihn nicht“, flüsterte Harry jetzt mit großen Augen, und Hermine sah ihn an. Sie sah kurz so etwas wie eine wilde Hoffnung in Harrys Augen aufblitzen.

 

Und sich hörte sich schon sagen, wie sie beteuerte, dass sie ihn liebte, dass es eine Phase war, dass es besser werden würde, aber sie war müde. So unendlich müde. Krieg machte sie müde. Und es kam ihr so vor, hier in diesem Zelt, mitten im Winter, wenige Tage nach ihrer falschen Hochzeit, als befände sie sich in einer kleinen Auszeit. In einer neutralen Zone.

 

„Nein“, bestätigte sie tonlos, und Harry starrte sie weiterhin an.

 

Und dann brach die Stille, in dem er einfach den Abstand zu ihr schloss und sie umarmte.

 

„Oh Gott! Ich bin so froh! Ich dachte schon, du hättest deinen Verstand verloren“, murmelte er gegen ihre Haare, als er sie schraubstockartig umklammert hielt. „Ich meine, du hast deinen Verstand verloren, denn dieser kleine Rachefeldzug ist verrückt, aber immerhin kann ich das sogar noch besser nachvollziehen, als wenn du den widerlichen Todesser tatsächlich lieben würdest!“, sagte er, fast schon lachend.

 

Sie machte sich von ihm los.

 

„Warum tust du das?“, wechselte er sofort die Stimmung und sah sie schockiert an.

 

„Ihr fahrt nach Spanien – ich tue das“, erklärte sie schlicht. Und wieder musste Harry lächeln.

 

„Wieso sagst du nicht Bescheid? Ich hätte eine Stink-Granate schmuggeln können. Wir hätten Malfoy Manor in Grund und Boden fluchen können, und dann ist die Rache perfekt“, schloss er, und sein Grinsen verflog. „Merlin, du hast ihn geheiratet, Hermine! Das ist vollkommen wahnsinnig!“, flüsterte er jetzt, fast verzweifelt.

 

„Und dann was?“, wollte Ron merklich kühler von ihr wissen und rieb sich sein Schienbein. „Was soll das für ein Plan sein? Bisher scheinst du kein Glück zu haben und landest lediglich draußen im Garten, allein im Zelt.“

 

Hermine atmete aus. Es war seltsam, Menschen von ihren Plänen zu erzählen. Aber Ron sprach weiter. „Du hast uns angelogen. Uns alle“, schien ihm aufzufallen. „Harry, Ginny, mich – deine Eltern, und Pansy!“, kam er zu einem nächsten Schluss.

 

„Ron, es ist nicht-“

 

„-nicht was?“, unterbrach er sie. „Es ist nicht wahr? Doch, es ist wahr. Es ist nicht so, wie es aussieht? Für mich sieht es so aus, als wärst du mächtig beleidigt gewesen, und jetzt müssen alle leiden! Du brichst bestimmt ein Dutzend Gesetze, Hermine! Und wie willst du jemals aus der Sache rauskommen?“, fuhr er sie an. „Oder meinst du, es ist nicht schlimm? Ich finde es schlimm. Du machst dir einen Spaß daraus, Hermine. Und zwingst uns, diesen Zirkus mitzumachen, uns mit Reinblütern abzugeben, die jeder hasst!“

 

„Wie ich gehört habe, hasst du Pansy weitaus weniger, als angenommen“, erwiderte sie verletzt.

 

„Was?“, wollte er ungläubig wissen.

 

„Tu nicht so, Ron. Markier hier bitte nicht den Schulsprecher, ok?“

 

„Was soll das? Es hat nichts mit mir zu tun!“

 

„Du bist schlecht drauf, weil du Streit mit Pansy hast, oder nicht?“, knurrte sie jetzt.

 

„Ich habe keinen Streit mit Pansy! Pansy bedeutet überhaupt nichts, Hermine! Denn im Gegensatz zu dir, gebe ich nicht dem Wahnsinn die Hand, heirate einen Reinblüter, um mich zu rächen – weiß Merlin, warum du es tust! Nein, ich habe mit diesem Chaos nichts zu tun!“

 

„Du hast sie in deinem Zimmer versteckt!“, erwiderte sie außer sich. Kurz blinzelte Ron. Aber seine Verteidigung sank nicht.

 

„Na und? Was geht es dich an, wen ich verstecke – und ich habe sie nicht versteckt!“, rechtfertigte er sich sofort. „Sie ist einfach aufgetaucht, ok? Da ist gar nichts!“

 

„Wieso gibst du es nicht einfach zu?“, wollte sie gereizt wissen.

 

„Es geht nicht um mich, Merlin noch mal! Es gibt nichts zuzugeben, ok? Mit Pansy… da war nichts, und-“

 

„-du hast sie geküsst“, entfuhr es ihr. Ron starrte sie an.

 

„Was macht das für einen Unterschied, verdammt noch mal?“, knurrte er jetzt und hatte sich erhoben. Fast berührte sein Kopf die Decke Zeltes und auch Hermine stand wieder auf den Beinen.

 

„Es macht keinen Unterschied! Es ist egal!“, rief sie zornig. „Aber mach mir keine Vorhaltungen, wenn du selber ein Heuchler bist!“

 

„Was?!“, fuhr er sie jetzt an und lachte freudlos auf. „Ok, weißt du was, ok!“, sagte er nickend. „Ich habe sie geküsst, ich habe sie versteckt – zufrieden, Hermine? Sie ist irgendein Mädchen!“

 

„Nein“, widersprach sie wütend. „Sie genauso irgendein Mädchen, wie das Mädchen in Spanien!“ Rons Kiefer lockerte sich. „Irgendein Mädchen, was du bevorzugst!“

 

„Was? Hörst du dich reden, Merlin noch mal?“, fuhr er sie an und fuhr sich durch die noch immer halbnassen Haare. „Du hast Pansy angeschleppt! Nicht ich! Und ich habe sie nicht beachtet, bis du uns alle gezwungen hast, Freunde zu spielen!“

 

„Ja sicher, Ronald. Ich schleiche nicht mit ihr durch die Gänge von Hogwarts, ich richte keine Grüße auf dem Quidditchfeld aus! Ich tanze nicht jeden Tanz mit ihr!“

 

Ron starrte sie an, und ihr Herz schlug plötzlich viel zu schnell. Und der Blick aus seinen Augen war schrecklich, denn er schien es zu wissen. Sie biss die Zähne fest zusammen, als er die nächsten Worte fast ruhig sagte.

 

„Möchtest du mir irgendetwas sagen, Hermine?“, fragte er sie, tonlos, völlig verständnislos. „Möchtest du mir sagen, dass du Gefühle für mich hast?“, schloss er, ungläubig und mit vor Zorn geballten Fäusten.

 

Und zitternd schüttelte sie den Kopf. Eher würde sie sterben, als das jetzt auch noch zu tun.

 

„Nein“, flüsterte sie, und eine Träne fiel wieder einmal auf ihre Wange. „Will ich nicht“, schloss sie leise.

 

„Gut“, entkam es ihm bitter. „Denn der Zug ist abgefahren. Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber ich hatte Gefühle für dich!“, sagte er zornig. Und jedes Wort stach wie tausend spitze Nadeln. „Ich hatte verdammte Gefühle für dich, Hermine!“, schrie er jetzt. „Du hast Draco Malfoy geheiratet“, spuckte er ihr entgegen. „Wahrscheinlich hattest du Sex mit Draco Malfoy“, fuhr er eisig fort. „Und egal, was für verrückte Pläne in deinem schrägen, eifersüchtigen Kopf vor sich gehen, du kannst keine Gefühle für mich haben, wenn du so etwas tust! Wenn du zum Feind gehst, und ihn heiratest, nur aus Rache. Denn ich glaube es dir nicht!“, sagte er und schüttelte zornig den Kopf.  „Ich glaube nicht, dass es nur aus Rache ist, oder weswegen auch immer!“

 

Sie schwieg, weinte stumm, aber Ron war so wütend. Er wirkte so zornig mit ihr. So verletzt, und sie wusste, es würde niemals wieder gut werden.

 

„Und ich muss mir von dir nicht anhören, welche Mädchen ich treffe oder grüße oder küsse. Denn solche Anmaßungen stehen dir nicht mehr zu. Du hast kein Recht mehr, überhaupt noch wahrzunehmen, wen ich mag und wen nicht! Denn das darf ich auch nicht mehr, Mrs Malfoy“, kam es messerscharf über seine Lippen, und eine weitere Träne rollte ihre Wange hinab.

 

Er suchte seine Sachen zusammen, zog hastig eine Jacke über, stopfte den Rest unter den Arm und verschwand wutentbrannt aus dem Zelt, so wie er es schon einmal getan hatte, als er geglaubt hatte, sie und Harry hätten heimlich ein Verhältnis.

Einen Monat war er fort gewesen, damals.

 

Und jetzt war es genauso, und doch war es völlig anders.

 

Langsam kam Harry auf die Beine. Er hatte sich das ganze Gespräch über rausgehalten, ins Feuer gestarrt, und sie hob schuldbewusst den Blick zu seinem Gesicht.

 

„Er hat recht, weißt du?“, bemerkte Harry schließlich achselzuckend. Sie wischte sich die Tränen von der Wange.

 

„Ja“, flüsterte sie nur.

 

„Hermine“, begann Harry, ein wenig überfordert, „wenn… wenn du aus der Sache hier raus willlst, dann… helfe ich dir“, erklärte er jetzt ernsthaft. Aber Hermine hatte keinen Grund. Was sie außerhalb dieser Ehe erwartete war nicht besser, als das, was sie jetzt gerade hatte.  Sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Ich muss das zu Ende bringen“, flüsterte sie.

 

„Was?“, wollte er verzweifelt wissen. „Was musst du zu Ende bringen?“

 

„Sie müssen einsehen, wie schlimm solche arrangierten Ehen sind, Harry. Und ich habe gerade genug Zeit, um es ihnen zu beweisen.“

 

„Das ist ein jahrhundertealtes Konzept. Du denkst, eine kleine Muggel kann die Traditionen brechen?“ Und immer, wenn jemand das Wort ‚Muggel‘ in Zusammenhang mit Schwäche brachte, erwachte ihr Kampfgeist.

 

„Ja“, sagte sie fest. „Ja, das denke ich.“

 

„So was tust du mit Liebe und nicht mit Hass, Hermine“, sagte Harry schließlich.

 

„Nicht in diesem Fall“, widersprach sie ernst.

 

„Und wofür das alles? Für Draco Malfoy?“, wollte er ungläubig wissen.

 

„Nein“, sagte sie kopfschüttelnd. „Für alle von ihnen.“

 

„Dir ist also langweilig gewesen, und du hast beschlossen, mir nichts dir nichts, alte Traditionen mithilfe eines Kleinkriegs zu beenden?“, entfuhr es ihm spöttisch.

 

„Ja“, sagte sie, als wäre es nichts weiter.

 

„Muss ich dir helfen?“, fragte er, etwas unwillig, aber sie lächelte zum ersten Mal wieder.

 

„Nein, danke. Ich schaffe das allein. Aber… sag es keinem, ok?“ Er verzog den Mund und zuckte die Achseln.

 

„Es würde mir ohnehin keiner glauben, Hermine. Willst du hier draußen übernachten?“, fragte er jetzt, und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Jaah“, sagte sie schließlich. „Ist sicherer“, schloss sie lächelnd.

 

„Sei vorsichtig, wenn es mehr schneit, bricht die Zeltdecke ein. Du solltest irgendwann ins Haus gehen. Wenn auch ins große Haus“, ermahnte er sie, und sie nickte schließlich.

„Ich denke, ich werde Ron hinterher apparieren und ihn von schlimmeren Dingen abhalten.“ Er zog sich ebenfalls die Jacke wieder über. „Tut mir leid wegen… vorhin“, entschuldigte sich Harry wohl für Rons Ausbruch.

 

„Schon gut“, räumte sie tonlos ein, denn sie hatte es nicht besser verdient. Ron hatte Recht. Harry hatte Recht.

 

„Weißt du, ich bin froh, dass du ein anderes Motiv hast, als dass du Malfoy tatsächlich toll findest. Das alleine reicht mir schon, Hermine. Aber wenn du hier raus willst – sag Bescheid“, wiederholte er eindringlich. Es schien Harry tatsächlich ein Anliegen, dass sie Malfoy nicht liebte. Es war fast schon lustig. Auf eine traurige Art. Ron war so sauer, dass sie überhaupt mit Malfoy zu tun hatte, und Harry ließ ihr vieles durchgehen, wenn sie es nur mit einer anderen Absicht tat, als Malfoy zu mögen.

 

„Mach ich, Harry.“

 

„Silvester – irgendwelche Rachepläne, oder kommst du in den Fuchsbau?“, schien ihm am Zelteingang noch einzufallen, aber sie zuckte die Achseln.

 

„Keine Ahnung“, sagte sie. „Vielleicht“, erklärte sie vage, die Lüge auf den Lippen, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ron sie dort haben wollen würde. Sie glaubte es nicht.

 

„Ok“, verabschiedete sich Harry nickend.

 

„Harry“, hielt sie ihn noch einmal auf, und er wandte sich um. Der Schnee trieb immer noch in dichten Flocken und brachte die Kälte rein. „Danke“, sagte sie mit einem warmen Lächeln, und er erwiderte es. Sie hatte ihn so vermisst. Und jetzt vermisste sie ihn wieder.

 

„Pass auf dich auf.“

 

Und mit diesen Worten war er verschwunden, und sie war wieder allein.

Sie kauerte sich vor dem Feuer zusammen und versuchte, nicht an Ron zu denken, nicht an das Gespräch, an gar nichts. Wenn sie an gar nichts dachte, dann musste sie nicht über ihre Situation nachdenken, darüber wie verrückt es ihre Freunde fanden. Sie musste nicht darüber nachdenken, dass sie den Geburtstag ihres Vaters vergessen hatte und wie sehr ihr Herz deswegen brach.

 

Wenn sie ihren Kopf einfach leermachte, dann würde es nicht wehtun.

Einfach leer. Einfach an gar nichts denken.

Das war alles, was sie tun musste.

Das war alles.

 

 

Kapitel 49

 

Der Tee dampfte in seiner Hand. Er hatte den Kater des Jahrhunderts und überlegte dumpf, ob tatsächlich ein Zelt in seinem Garten stand oder ob er tatsächlich noch schlief.

Er stand in der Küche, die Augen verengt, und es bot ihm eine Ablenkung.

Es stand ein Zelt im Garten.

 

Salazar noch mal, wie hatte sie ein Zelt in den Garten bekommen? Wo hatte sie es her? Er trank einen Schluck und starb vor Langeweile in diesem Haus.

 

Er wusste, er hatte sie gestern angeschrien. Er wusste nicht mehr, was er gesagt hatte, aber er nahm an, es war so schlimm gewesen, dass sie es bevorzugte in einem Zelt zu schlafen. Mitten im Winter, bei minus tausend Grad, im Schnee. Er kaute auf seiner Unterlippe. Sie war doch sonst nie von irgendetwas beeindruckt, was er von sich gab. Sie war nie beleidigt. Er nahm an, sie nahm ihn ohnehin nicht ernst oder sie sprach seine Sprache gar nicht erst.

 

Und einerseits war er wirklich froh, dass sie weg war. Dort hinten, in ihrem scheiß kleinen Zelt. Andererseits war ihm langweilig. Natürlich überwog die Freude, dass sie nicht hier war.

Er kniff die Augen zusammen, um zu sehen, ob sich in dem Zelt etwas regte, aber er nahm an, die Zeltwände waren gefroren und der Wind könnte sie gar nicht bewegen.

 

Ob sie dort nun kampierte? Und nicht mehr wiederkam? Es wunderte ihn, dass Narzissa so etwas zuließ. Ihre kleine Schlammblut-Prinzessin, allein, draußen im Eis.

 

Er trank noch einen gereizten Schluck.

 

Aber es blieb spannend, stellte er fest, denn sein Vater stattete ihm scheinbar einen Besuch ab, einen Mann im Schlepptau, den Draco nicht einordnen konnte.

Beide Männer blieben auf halber Höhe stehen, denn auch sein Vater hatte das Zelt bemerkt.

Wirklich zu schade, dass Draco nicht rauskonnte.

 

Das Beste wäre natürlich, wäre sie eingefroren, in ihrem kleinen Zelt. Dann könnte sie ihn überhaupt nicht mehr nerven. Er lehnte sich weiter vor, um besser sehen zu können, als Lucius und der Mann das Zelt ansteuerten.  

 

Oh, er würde viel geben, jetzt dort zu sein! Sie einfach zu demütigen.

Scheiß Hausarrest. Seine Mutter sollte sich hier nur wieder blicken lassen, dann würde er sie zusammenstauchen, bis sie um Vergebung bat! Sein Kopf hämmerte unangenehm. Er verzog den Mund.

 

Die Männer erreichten das Zelt, und Lucius ging tatsächlich mit dem Zauberstab voran, durch den Eingang. Was erwartete er? Halunken? Landstreicher? Am liebsten hätte Draco den Kopf über die Dummheit seines Vaters geschüttelt, aber er beherrschte sich. Denn Kopfschütteln war mit immensen Schmerzen verbunden.

 

Es vergingen ein paar Momente, in denen einfach gar nichts passierte. Jetzt weckte sein Vater bestimmt das Schlammblut. Oder er stellte, fest, dass sie nicht mehr am Leben war, überlegte Draco selbstgerecht.

 

Lucius kam wieder aus dem Zelt. Allein. Aber er sprach mit dem fremden Mann, beide schienen zu warten, und nach einer Minute kam sie aus dem Zelt.

 

Sie lebte noch, stellte er bitter fest. Super.

 

Die Hölle ging also weiter. Jetzt steuerten alle drei das Gästehaus an. Sie sah vollkommen zerzaust aus und hatte ihre Jacke dick um sich gewickelt, merkte er. Er stieß sich vom Küchentresen ab und schritt gemächlich zur Couch, nicht willig, sich anmerken zu lassen, wie sehr er alle Personen hasste, die gleich kommen würden, den fremden Mann gleich mit eingeschlossen.

 

Die Tür öffnete sich, und er tat so, als lese er den Tagespropheten, den eine Elfe ihm vorhin gebracht hatte.

 

„-und das ist das neue Haus“, schien Lucius gerade überflüssigerweise zu erklären. Draco hob den Blick nicht. Höflichkeit gehörte nicht zu seinen bevorzugten Stärken. „Meinen Sohn kennen Sie ja“, erklärte er, und jetzt linste Draco doch nach oben.

 

Sie wirkte vollkommen erfroren, die Lippen blau, das Gesicht weiß, die Locken wild und windschief. Mit den Fingern versuchte sie, die Haare abwesend zu kämmen, blieb aber immer hängen.

 

„Draco“, sagte Lucius kalt. „Heiler Atwell“, stellte sein Vater den Mann vor, der einen ganzen Kopf kleiner war.

 

„Mr. Malfoy“, begrüßte ihn der Mann, und Dracos Kiefermuskel lockerte sich. Oh Merlin, nicht das auch noch.

 

„Was wird das?“, wandte er sich direkt an Lucius.

 

„Oh, ich dachte mir, es wäre angebracht, dass ihr euch der Therapie unterzieht. Heiler Atwell wird nicht gehen, ohne ein nötiges Gespräch. Nötigungszauber sind zu eurem Besten, und er darf sie anwenden“, erklärte Lucius lächelnd. „Aber in deinem Fall ist es gar nicht nötig – denn… wo solltest du hingehen?“ Er hatte etwas Unausstehliches an sich, wenn er überlegen war. Draco verzog mürrisch den Mund.

 

„Dein Heiler kann sich gerne setzen, kann so viele scheiß Fragen fragen, wie er möchte – aber ich werde nicht antworten.“

 

„Das werden wir sehen“, übernahm der Heiler das Gespräch. „Mrs Malfoy, vielleicht wollen Sie sich… umziehen?“, erkundigte sich der Heiler mit knappen Blick auf Granger, und Granger wirkte ähnlich begeistert wie er.

 

„Ich beantworte keine Fragen“, klärte sie ihn auf. „Und dafür muss ich mich nicht umziehen.“

 

„Gut“, erwiderte der Heiler und deutete zur Couch. „Dann setzen Sie sich.“ Lucius wandte sich ab, nachdem er sich vom Heiler verabschiedet hatte.

 

„Was soll dieses Spiel?“, wollte Draco unwirsch wissen, nachdem sich Granger so weit wie möglich von ihm weggesetzt hatte, während sie noch immer zitterte.

 

Der Mann setzte sich ihnen gegenüber auf den Sessel. Er zückte die magische Feder und stellte sie auf das Pergament, was er auf den Tisch legte.

 

„Fangen wir doch einfach damit an, weshalb Ihre Frau im Garten schlafen musste“, schlug er munter vor. Draco schwieg daraufhin. „Nein? Mrs Malfoy? Irgendwelche Ideen?“

 

Die Feder sauste über das Papier, ohne dass jemand sprach.

 

„Gut, Lucius sagte mir, sie hätten Ihren ersten Todesfluch ausgeführt, als sie vierzehn waren?“ Dracos Kopf schoss herum, fixierte Granger, und sie verzog entnervt den Mund. „Das muss tiefe Narben hinterlassen haben“, fuhr der Heiler fort.

 

„Hat es nicht“, widersprach Granger gereizt.

 

„M-hm“, sagte der Heiler nur, während die Feder flitzte. Draco konnte sich einen spöttischen Blick nicht verkneifen, denn er traute es der alten Schreckschraube neben ihm durchaus zu, jemanden umzubringen.

 

„Mr. Malfoy, ich hörte, Sie haben gegenüber Ihrer Frau begonnen, den Tod Ihres Bruders aufzuarbeiten?“ Jetzt war es Grangers Kopf, der zu ihm herumflog, und Draco knirschte mit den Zähnen. Natürlich bekam er diesen Hieb jetzt ab. Es war ja nicht genug, dass er damals jede wache Sekunden mit diesem Wunderhexer hier hatte verbringen müssen.

Er hatte ein Jahr lang über seine scheiß Gefühle reden müssen, Tag ein, Tag aus!

 

Er schwieg beharrlich.

 

„Sie haben ihr von Ihrem magischen Begleiter erzählt?“, fuhr Heiler Atwell fort, und Draco verdrehte die Augen.

 

„Sagt das mein Vater?“, stellte er die Gegenfrage, und Granger wirkte tatsächlich gespannt.

 

„Wo wollen wir also anfangen?“, wechselte der Heiler geschickt das Thema. „Vielleicht bei der Baustelle Ehe? Arrangierte Hochzeiten können schwierig sein. Sie glauben nicht, wie viele weitere Paartherapien ich betreue.“

 

„Wieso gehen Sie dann nicht dahin zurück?“, knurrte Draco schnippisch, und die Feder nahm Zeile um Zeile, bis sich das Pergament in der Luft drehte und die Feder die Rückseite bechrieb.

 

„Mrs Malfoy“, begann der Heiler jetzt, und Draco spürte förmlich, wie sehr sie diese Anrede hasste, „beginnen wir einfacher. Sehen Sie ihn an“, befahl er knapp, und entnervte Verwirrung trat auf ihre Züge.

 

„Wen?“, fragte sie tatsächlich, und mit einem nachsichtigen Nicken deutete der Heiler auf ihn. Granger machte sich nicht die Mühe. „Warum?“, fragte sie stattdessen, und der Heiler wurde ernst.

 

„Wir sitzen hier bis heute Abend. Lucius hat mich erstaunlich gut bezahlt“, erklärte er.

 

„Das glaube ich nicht“, erwiderte Granger und erhob sich von der Couch. Und Draco hatte nicht mal genügend Zeit, zu sehen, wie Heiler Atwell den Zauberstab zog, noch wie er den Zauber anwandte. Schon wurde Granger neben ihn zurück auf die Couch gedrückt. Sie schnappte empört nach Luft.

 

„Im Sinne der Heilung, schlage ich Ihnen vor, genau dort sitzen zu bleiben und Ihren Mann anzusehen“, wiederholte er freundlich.

 

Granger atmete so entnervt aus, dass Draco die Augen verdrehte. Quälend langsam wandte sie ihm ihr Gesicht zu, noch zorniger als ohnehin schon.

 

„Was sehen Sie?“, fragte der Heiler ruhig.

 

„Soll das ein Scherz sein?“, fragte sie tatsächlich gereizt. „Sie haben mir gesagt, wo ich hinstarren soll, Merlin noch mal!“, entfuhr es ihr.

 

„Bitte. Ich möchte, dass Sie mir sagen, was Sie sehen. Tun wir so, als könnten Sie mir vertrauen“, schlug der Heiler gekünstelt vor. Sie atmete wieder laut aus.

 

„Schön“, heuchelte sie Freundlichkeit und fixierte ihn. Er betrachtete sie knapp. Er hatte sie lange nicht mehr aus dieser Nähe gesehen. Sanft erkannte er einige Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken. Im Winter waren es weniger geworden. Ihre Augen waren dunkel, gaben nichts preis, ihre Lippe… waren spröder als sonst, und er nahm an, würde er die Haut ihrer Wangen berühren, wären sie kalt.

 

Nicht dass er das wollte! Die Struktur ihrer Haare war ihm ein Rätsel. Sie schienen ein Eigenleben zu haben, halb zu Korkenziehern gelockt, halb wild und wellig.

Und so sehr es ihn anwiderte, es zuzugeben, aber… Locken war nicht die schlechteste Erfindung dieser Welt. Er hatte keine, sein Vater nicht, seine Mutter nicht, Pansy nicht, Astoria nicht. Es lag eine seltsame Faszination in Grangers Ausstrahlung, denn ihre widerspenstigen Haare spiegelten ihren ganzen Charakter wieder. Wild und widerspenstig. Und es machte ihn wahnsinnig.

 

Und gerade als er dachte, sie verlöre sich vielleicht noch in seinem abschätzenden Blick, sprach sie.

 

„Ich sehe Draco Malfoy“, sagte sie also.

 

„M-hm“, machte der Heiler wieder, und die Feder kratzte erneut übers Pergament. Draco riss den Blick von ihr los. Ihm war schlecht.

 

„Was?“, sagte sie jetzt. „Was kann daran ‚M-hm‘ sein? Sehen Sie irgendwen anders dort sitzen? Halluziniere ich, oder etwas Ähnliches?“, ereiferte sie sich jetzt, und der Heiler schüttelte den Kopf.

 

„Nein, aber Sie haben mir weder gesagt, dass Ihr Mann vor Ihnen sitzt, noch dass es nur Draco ist.“

 

„Was? Natürlich habe ich-“

 

„-wenn Sie wissen möchte, was ich notiert habe, dann ist es, dass Sie seinen Vor- und Zunamen benutzt haben“, kürzte er es ab. Grangers Mund schloss sich überrumpelt.

 

„Was für ein Quatsch“, murmelte sie schließlich. „Mir wurde beigebracht in ganzen Sätzen zu antworten“, brummte sie unverständlich.

 

„Bitte?“, fragte der Heiler freundlich, aber sie schwieg wieder, während er, Draco, allein, ihren gesamten Hass abbekam. „Na fein. Sie sehen Draco Malfoy. Nennen Sie mir einen guten Eindruck, den Sie von der Hochzeit behalten haben“, fuhr er fort.

 

Jetzt wandte sie entgeistert den Blick ab.

 

„Ernsthaft?“, fragte sie, aber der Heiler nickte schließlich.

 

„Ja. Etwas, das mit Draco Malfoy in Verbindung steht.“

 

Fast glaubte Draco, Granger würde gleich auflachen, denn es gab keine gute Erinnerung.

 

„Inwieweit kürzen wir dieses Treffen ab, wenn ich Ihnen eine Antwort gebe?“, fragte sie tatsächlich, ihr Ton versprach, sie wäre bereit, zu verhandeln.

 

„Nun, wenn Ihre Antwort aufrichtig und hilfreich ist, dann werde ich anschließend Mr. Malfoy fragen, und wir können problemlos und zügig weiterarbeiten. Vorausgesetzt, Mr. Malfoy kooperiert“, wandte er sich jetzt an ihn. Das könnte er vergessen. Aber Granger schien sich Mühe geben zu wollen, stellte er entgeistert fest.

 

„Er hat mir die Schuhe ausgezogen“, sagte sie. „Für den Tanz. Weil ich nicht tanzen kann. Und erst recht nicht auf hohen Schuhen“, erklärte sie widerwillig.

 

„Gut, gut“, sagte der Heiler. Das war Grangers Freikarte? Er hatte ihr die scheiß Schuhe ausgezogen?! Das war nicht ihr ernst. „Mr. Malfoy. Sehen Sie Ihre Frau an, und nennen Sie mir Ihren guten Eindruck der Hochzeit.“

 

Draco gönnte ihr wieder seinen Blick. Fast wirkte sie ein wenig panisch, als könne sie erkennen, dass er nicht vorhatte, irgendetwas leichter zu machen oder zu beschleunigen.

 

„Na ja…“, begann er nachdenklich, „sie hat mir erlaubt, sie nach der Zeremonie auf dem Esstisch zu vögeln“, erwiderte er achselzuckend und nickte in die entsprechende Richtung. Er sah wie sich Grangers Augen schlossen und endlich Farbe in ihren Wangen aufflammte.

 

„Fick dich“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen.

 

„Na, na! Wir benötigen keine Kraftausdrücke, weder von Ihnen noch von Mr. Malfoy. Ihnen fällt es also schwer, einen Eindruck zu verbalisieren? Ist es Ihnen unangenehm?“ Draco sah den Mann kopfschüttelnd an.

 

„Glauben Sie tatsächlich, dass das hier heute irgendwohin führen wird, Mr. Atwell? Ich habe den Kater meines Lebens, ein Schlammblut zur Frau, Hausarrest, wie ein Kleinkind und einen Therapeuten in meinem Wohnzimmer. Wie hoch, denken Sie, stehen Sie gerade auf meiner Skala der guten Laune?“, wollte er bitter wissen.

 

„Schlammblut“, wiederholte der Therapeut seelenruhig, als befänden sie sich im produktiven Dialog. „Was möchten Sie mit diesem Wort ausdrücken, Mr. Malfoy?“ Draco schloss die Augen und stöhnte auf.

 

Neben ihm wurde Granger mit einem Fluch wieder in die sitzende Position befördert, als sie im Begriff war, zu gehen. Draco bemühte sich nicht mal. Er kannte die Tricks des Heilers bereits.

 

„Ich will duschen!“, fuhr sie den Heiler an.

 

„Gerne. Nach unserem Gespräch. Wenn beide Parteien kooperieren, dauert es nicht lange“, versprach der Heiler lächelnd. Jetzt galt ihm Granger böser Blick.

 

„Kann du nicht einfach mal kein Arschloch sein und eine scheiß Frage wie ein normaler Mensch beantworten, damit das hier aufhört?“

 

„Wieso? Wartet dein Zelt auf dich?“, erwiderte er kalt, und sie verzog den Mund.

 

„Mein Zelt geht dich überhaupt nichts an!“, erwiderte sie. „Beantworte die Frage, Malfoy!“, knurrte sie.

 

„Welche Frage?“, wollte er gereizt wissen. „Welchen guten Eindruck ich von dir hatte? Bisher? Noch keinen, Granger! Keinen einzigen!“, sagte er lächelnd. „Zufrieden, Mr. Atwell?“

 

„Gut, fahren wir fort“, sagte der Heiler nickend. „Kommen wir zu Scorpius“, und Draco stöhnte erneut auf, während er in die Kissen der Couch zurückfiel.

 

„Merlin, was wollen Sie noch darüber reden?“, entfuhr es ihm erschöpft. „Es ist alles gesagt!“

 

„Weiß Ihre Frau, dass-“

 

„-es geht sie nichts an, oder?“, unterbrach ihn Draco kopfschüttelnd.


„Sie finden, es geht Ihre Frau nichts an?“ Die Feder sauste wieder, Zeile um Zeile. Resignierend wandte Draco den Kopf in ihre Richtung. Sie musste ihm die schlechte Laune ansehen, denn sie sagte tatsächlich nichts. Keine Beleidigung, keinen Vorwurf verließ ihren verdammten Mund in diesem Moment.

 

„Ok, damit Sie sehen, wie scheiß egal es mir ist“, kündigte Draco an, ohne Granger aus dem Blick zu lassen. „Ich war acht, er war fünf. Wir haben gespielt. Er ist im See ertrunken. Ende der Geschichte“, schloss er klanglos, und Grangers Mund öffnete sich tatsächlich. Er wartete keine Reaktion ab, fixierte den Heiler wieder, und seine Stimme war dunkler als er sprach. „Können wir fortfahren?“, knurrte er, und Granger neben ihm schwieg. Es war angenehm. Wirklich.

 

„Vielleicht hat Ihre Frau eine Frage?“, erkundigte sich der Heiler ruhig, und Draco schoss Granger einen so bösen Blick zu, dass sie kaum wagen würde, etwas zu fragen, aber sie sah ihn gar nicht an, schüttelte lediglich den Kopf, während sie die Hände auf ihrem Schoß fixierte. Gut. Er hätte ihr auch keine Frage beantwortet.

 

„Gut, machen wir erst einmal woanders weiter. Wieso haben Sie in einem Zelt geschlafen, Mrs Malfoy?“, fragte der Heiler, und Granger antwortete, ohne zu zögern, ohne sich anzustellen.

 

„Wir hatten einen Streit gestern. Ich hatte gestern mit sämtlichen Leuten einen Streit“, erklärte sie, und ihre Stimme klang anders. Viel… reservierter, fiel ihm auf. Als hätte sie plötzlich, mit einem Mal, alles Kindische abgelegt und war nur noch müde. „Ich habe von seiner Affäre erfahren und war sauer. Er ebenfalls, wegen des Hausarrests, der ihm auferlegt wurde. Ich bin gegangen. Ich wollte die Nacht bei meinen Eltern schlafen, aber das war nicht möglich, also musste ich zurück. Ich wollte aber auf keinen Fall ins Haus zurück, da ich… da ich verletzt war durch seine… Rücksichtslosigkeit“, brachte sie die Worte langsam, eins nach dem anderen hervor. Sie war eine unglaubliche Lügnerin.

„Dann habe ich Harry meinen Patronus geschickt und er hat mir das Zelt gebracht.“

 

„Potter war in meinem Garten?“, entrüstete er sich neben ihr, aber weder Granger, noch der Therapeut schenkten ihm Beachtung.


„Wieso sind Sie nicht ins Herrenhaus gegangen?“, stellte der Heiler die entsprechende Frage.

 

„Weil ich mich gestern mit meinem Schwiegervater angelegt habe, weswegen ich annehmen darf, dass Sie nun hier sind. Als weitere Strafe“, beantwortete sie die Frage ruhig.

 

Die Feder schrieb ruhiger.

 

„Und jetzt?“, wollte der Heiler wissen. „Jetzt sind Sie wieder im Haus?“

 

„Wie gesagt möchte ich duschen, und es ist einfach zu kalt im Zelt“, schloss sie achselzuckend. „Außerdem wohne ich hier. Ich muss ohnehin irgendwann zurück.“

 

„Werden Sie ihm vergeben?“, fragte der Heiler. Draco musste scheinbar nur noch zusehen. Und vor allem, wieso sollte sie ihm vergeben? Er hatte überhaupt nichts getan!

 

„Das werde ich müssen“, erwiderte sie lediglich gleichmütig.

 

„Haben Sie weitere Fragen in Bezug auf seinen Bruder?“, fuhr der Heiler fort, aber Granger schüttelte tatsächlich den Kopf.

 

„Ich werde ihn zu gar nichts zwingen. Er muss mir nichts sagen, was er nicht sagen will.“ Sie war schizophren, das war es, was dieses Weib neben ihm war!

„Ich würde gerne duschen, etwas essen, und vielleicht verschieben wir diese Sitzung?“

 

„Ich habe noch eine Frage an Sie beide. Ich würde morgen wiederkommen, wenn wir die Sitzung eher beenden.“ Gut. Er wäre dann nicht da, dachte er triumphierend, aber leider fiel ihm ein, er konnte ja nicht weg! Verdammte Scheiße!

„Mr. Malfoy, sagen Sie mir, warum haben Sie geheiratet?“ Und Draco hob den Blick. War es nicht offensichtlich?

 

„Um mein Vermögen zu behalten“, antwortete er ehrlich. Es gab keinen Grund, zu lügen. Und er sah es auch nicht ein. Der Heiler ließ es unkommentiert.

 

„Mrs Malfoy, warum haben Sie Mr. Malfoy geheiratet?“, fragte er, und Draco wandte entspannt den Blick in ihre Richtung. Sie würden hier bis ans Ende aller Tage sitzen, denn Granger gab auf diese Frage keine Antwort.

 

„Damit er sein Vermögen behalten kann.“ Gut, sie gab keine ehrliche Antwort auf diese Frage. Die Heiler wirkte unerfreut.

 

„Kann ich gehen?“, erkundigte sich Granger mit eisiger Höflichkeit, und der Heiler nickte.

 

„Dann fahren wir morgen mit der Sitzung fort. Ohne Unterbrechungen“, mahnte er, als Granger schon aufgestanden war.

 

„Gern“, sagte sie, mit falscher Freundlichkeit. Der Heiler erhob sich und bedachte ihn mit einem abschließenden Blick. Trotzig erwiderte Draco den Blick. Was dachte der Mann, was er erzählen würde?!

 

Die Haustür öffnete sich erneut.

 

Seine Mutter kam mit einer Frau herein.

 

„Ah, Heiler Atwell, sind Sie schon durch?“, erkundigte sich Narzissa höflich, und Granger war im Zimmer stehen geblieben.

 

„Für heute“, bemerkte der Mann und erhob sich. „Stella“, begrüßte er scheinbar die Frau.

 

„Howard“, erwiderte die Frau den Gruß, und Draco runzelte die Stirn. Noch ein Heiler?

 

„Hermine“, begann Narzissa, und wenig Freundlichkeit war übrig geblieben, von seiner sonst so strahlenden Mutter, „das ist Stella Madden. Sie ist meine Fauenheilerin. Sie wird mit dir nach oben gehen“, erklärte Narzissa, als würde es um einen Tag im magischen Freizeitpark gehen. Draco konnte sich das fiese Grinsen kaum verkneifen.

 

Das würde für Granger bestimmt unangenehm werden. So starrte sie die Frau auch an.

 

„Wieso?“, entfuhr es Granger unruhig, aber Narzissa antwortete nicht, zeigte der Heilerin den Weg nach oben, welche sich freundlich an Granger wandte.

 

„Mrs Malfoy, wenn Sie mir folgen würden?“

 

Grangers Blick traf ihn, während er zufrieden die Hände hinter dem Kopf verschränkte. Oh, er hoffte wirklich, dass Granger das volle Programm abbekam. Untersuchung, tausend Tests – und das Ganze auf leeren Magen.

 

„Viel Spaß“, wisperte er böse.

 

„Fick dich“, wisperte sie zornig zurück und folgte Narzissa und der Frau mehr als unwillig. Diese beiden Worte sagte sie nur zu ihm. Er hatte sich gewöhnt. Nur ihm gegenüber zeigte sie ihre schlechtesten Seiten. Er konnte nicht umhin, sich direkt besser zu fühlen, saß auch der Quacksalber in seinem Wohnzimmer, spazierte seine Mutter auch ein und aus, aber immerhin litt er nicht mehr allein.

 

Potter war hier gewesen, ging ihm dumpf durch den Kopf. Ob Potter wusste, was sie tat? Was sie wollte? Was hier vor sich ging? Ob Granger es überhaupt selber noch wusste, fragte er sich unwillkürlich, während der Heiler den Rückweg antrat.

 

Draco erhob sich umständlich, denn der Funken Resthöflichkeit seiner Erziehung schien konditioniert angesprungen zu sein, bei der Aussicht auf einen fremden Menschen, der im Begriff war, zu gehen.

 

„Ich komme morgen wieder“, erklärte der Heiler erneut.

 

„Ich kann es kaum erwarten“, erwiderte Draco lakonisch.

 

„Mr. Malfoy“, begann der Heiler schließlich, und Draco war es unangenehm, dass er hier noch stand, dass er noch nicht ging, dass er noch weiter reden wollte.

 

„Was?“, fragte Draco also ungeduldig.

 

„Wann waren Sie das letzte Mal am Grab?“, erkundigte er sich. Draco entschied, dass es seinem Kopf besser tat, wenn er nicht schrie. Aber das hatte der Heiler bestimmt nicht seinen blöden Fragen zu verdanken.

 

„Es gibt kein Grab. Wir haben eine Gruft. Das wissen Sie, Mr. Atwell?“, bemerkte er überflüssigerweise.

 

„Es schadet nicht. Gehen Sie zum See“, ergänzte der Heiler aufmunternd.

 

„Der See ist abgesperrt“, sagte Draco nun.

 

„Der rechte Zauber wird sich finden lassen, nicht wahr?“ Der Heiler schenkte ihm tatsächlich ein ansatzweises Lächeln. „Und Ihre Frau“, fuhr er mit erhobenen Augenbrauen fort, „scheint mir keine schlechte Wahl gewesen zu sein.“

 

„Sie irren sich“, korrigierte Draco den Mann, ohne Zögern, den er mittlerweile soweit überragte, wie sein Vater es tat. Damals war ihm Mr. Atwell sehr riesig vorgekommen. Aber damals war er auch acht Jahre alt gewesen.

 

„Guten Tag, Mr. Malfoy.“

 

„Guten Tag, Mr. Atwell“, wiederholte Draco die stumpfe Höflichkeit, wartete, bis der Heiler seinen Umhang umgelegt und den Hut aufgesetzt hatte und begleitete ihn bis zu dem Punkt vor der Haustür, den er noch erreichen konnte, ohne dass der Zauber ihn zurückwarf.

 

Der Heiler verließ scheinbar gut gelaunt das Haus, und Draco vernahm von oben Grangers aufgebracht Stimme und die beruhigenden Stimmen der Frauen. Ein Lächeln zog an seinen Mundwinkeln.

 

Ja. Sie sollte leiden.

 

 

Kapitel 50

 

„Ich werde warten“, verkündete Narzissa, und Hermine kam sich wie ein Gefangener in einem seltsamen Gefängnis vor. Die Heilerin gestattete ihr immerhin, sich zu duschen. Aber sie wartete im angrenzenden großen Schlafzimmer, was Malfoy für sich belegte.

Hermine legte widerwillig ihre Sachen ab, stellte die Dusche an und ließ sich Zeit.

 

Sie brauchte einen Plan. Und sie brauchte ihn schnell.

 

Was wollte die Heilerin hier? Weil sie noch nicht schwanger war, wurde jetzt geschaut, ob alles in bester Ordnung war? Hermine seifte sich gründlich ein, bis ihre Haut wehtat. Aber die Wärme war wie Balsam auf der Haut. Die Nacht über war so eisig kalt gewesen, denn natürlich war sie eingeschlafen und hatte das Feuer runterbrennen lassen. Natürlich hatte sie sich nicht um einen intuitiven Zauber gekümmert, der das Feuer am Brennen halten würde. Natürlich war sie gestern viel zu erschüttert gewesen. Und heute konnte sie sich dafür erschlagen. Als würde es über Nacht plötzlich erträglich und warm werden. 

 

Und dann von Lucius Malfoy geweckt zu werden, gehörte bestimmt nicht in die Top Ten der besten Erlebnisse ihres Lebens. Sie hatte einen kurzen Moment lang geglaubt, noch im Krieg zu sein und von Todessern entdeckt zu werden. Fast war sie bereit gewesen, ihren Zauberstab gegen den Eindringling zu richten. Aber Lucius hatte ihr weder viel Zeit für Schock und Überraschung, noch zum Aufwachen gegeben.

 

Er hatte sie gezwungen, ihm zu folgen, hatte sie gemaßregelt, was ein Zelt in seinem Garten zu suchen hatte und hatte sie dann in ihren Sachen von gestern, ungewaschen und ungepflegt mitgeschleppt.

 

Hermine war kaum über das Gespräch mit dem fremden Heiler hinweggekommen. Gott, sie hatte geglaubt, Lucius war schon tief gesunken, aber seine Frau schien dem in nichts nachzustehen. Sie begriff, dass Lucius zur Offensive blies. Und Hermine war unvorbereitet.

Das Gespräch mit Mr. Atwell war schon fast aus ihrem Kopf verschwunden. Und Malfoy war so unmöglich wie immer. Der Heiler würde in zehn Jahren noch unten sitzen, würde sie solange bleiben – was sie nicht tat!

 

Sein Bruder war ertrunken. Und er hieß Scorpius. Narzissa verhielt sich nicht wie die Mutter von zwei Söhnen, fiel ihr auf. Keiner hier verhielt sich, als hätte es einen zweiten Malfoy gegeben. Keine Bilder, keine Erinnerungen – gar nichts.

Wie schrecklich, dachte Hermine plötzlich. War er ertrunken, während Draco dabei gewesen war?

 

„Mrs Malfoy?“, sagt die Heilerin den verhassten Namen durch die Tür des Schlafzimmers zum Bad und unterbrach ihre Gedanken. Hermine zuckte zusammen. „Sind Sie soweit?“

 

Nachdenken.

 

„Äh… ich… - habe meine Regel!“, rief Hermine einfallslos, aber mit dieser Lüge kam sie nicht weit.

 

„Das ist kein Problem. Wir können sie für die Untersuchung unterbinden“, rief die Heilerin.

 

Mist.

 

„Das… das kann ich selber“, erwiderte Hermine hastig und stellte das Wasseraus, während sie nach dem weichen Handtuch griff. Und jetzt? Was jetzt?

 

Gut. Sie wusste keine Lösung. Sie konnte nicht fliehen, erst recht nicht im Bademantel. Sie wollte ihre kalten, schmutzigen Klamotten nicht mehr anziehen. Sie stieg in den Bademantel und wusste, sie käme draußen auch nicht an Narzissa vorbei. Ein Schießhund war Malfoys Mutter. Gefangen bei den Malfoys. Das war der Titel ihrer Geschichte.

 

„Mrs Malfoy?“, rief die Heilerin wieder, und Hermine verdrehte die Augen. Gut, sie würde die verdammte Untersuchung über sich ergehen lassen müssen. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, wie schrecklich ihre Haare wirklich aussahen. Oh Merlin!

Eine Bürste würde bestimmt in den wirren Locken brechen. Der Heiler unten hatte sie für einen Höhlenmenschen halten müssen, überlegte sie dumpf. Aber immerhin war sie jetzt warm und sauber. Und rasiert.

 

Es war Zeit dafür gewesen.

Natürlich würden sie mehr Körperhaare wärmer halten, wenn sie wieder im Zelt schlafen würde, dachte sie knapp, während sie ergeben ausatmete und sich dem unangenehmen Schicksal fügte.

 

Die Heilerin hatte bereits einen kompromittierenden Stuhl in die Mitte des Schlafzimmers gehext. Oh Gott, großartig.

 

„Wenn Sie den Bademantel öffnen und Platz nehmen würden?“, bot sie ihr höflich an, und Hermines Herz jagte. Eine magische Untersuchung hatte sie noch nie gehabt. Sie war nur einmal mit ihrer Mutter in den großen Ferien beim Frauenarzt zu einer Vorsorgeuntersuchung gewesen, und das war schon vier Jahre her.

 

„Ja“, erwiderte Hermine, und ihr Mund war sehr trocken. Es war ihr unangenehm. Sehr unangenehm. Und sie befürchtete, es würde nicht dabei bleiben, dass die Heilerin stumm betrachten würde, was Hermine bisher nur einem einzigen Mann offenbart hatte. Ironischerweise war Malfoy der einzige, der sie… nackt gesehen hatte. Unfassbar.

 

Sie öffnete den Bademantel und spürte die Hitze in den Wangen. Todesflüche sprechen, das war kein Problem. Aber eine Untersuchung beim Frauenarzt – das war unmöglich, stellte sie am Rande fest, während sie sich umständlich in den Stuhl setzte, den Bademantel lediglich offen, der sich von einem Muggelstuhl beim Frauenarzt nicht unterschied. Allerdings bewegte die Heilerin nur den Zauberstab, und der Stuhl kippte nach hinten. Hermine krallte sich in die gepolsterten Lehnen. Sie versuchte außerdem zu ignorieren, dass sie nun ein zweiter Mensch vollkommen nackt begutachten konnte.

 

„Oh verzeihen Sie, Mrs Malfoy“, entschuldigte sich die Heilerin sofort. Hermine hasste diesen Namen so sehr! „Wie geht es Ihnen?“, fragte sie, während sie beiläufig einige Zauber anwandte, die Hermine nur am Rande spürte.

 

„G-gut?“, sagte sie abgehackt, denn sie wollte so bestimmt keine Unterhaltung führen!

 

„Ich habe viel von Ihnen gelesen. Und ich freue mich, dass Sie nun in meiner Behandlung sind“, erklärte die Heilerin freundlich.

 

„Ach?“, war alles, was Hermine sagen konnte. „Was – was tun Sie da?“, fragte sie jetzt.

 

„Narzissa hat mich herbestellt. Es ist völlig normal unter Reinblütern, zu sehen, wie die Verbindungen bei einer arrangierten Hochzeit funktionieren“, sagte sie vage, und Hermine verstand nicht. Kurz ziepte es in ihrem Innern.

 

„Au – was soll das heißen?“, fragte sie gepresst.

 

„Verzeihen Sie“, entschuldigte sie sich wohl für den kurzen Schmerz. „Nun, dann kommen wir zu meinen Routine-Fragen, Mrs Malfoy“, sagte sie lächelnd. Hermine hatte den Kopf gebeugt, um die Heilerin zu erkennen. „Hatten Sie Sex mit Ihrem Mann?“

 

Gott. Was für eine Frage! Da saß sie lieber wieder unten bei dem anderen Heiler, während ihr Puls Rekorde brach. Aber sie saß in einer misslichen Folter-Situation.

 

„Äh… ja“, sagte sie also, um es abzukürzen.

 

„Gut, wann war das letzte Mal?“ Oh Merlin, Hermine wollte einfach nur vor Scham vergehen. Wann war das letzte Mal gewesen? Wann hatte er ihr die Sex-Kette geschenkt? Wann war sie ausgerastet? Es war unglaublich demütigend darüber nachzudenken.

 

„Vor sechs Tagen“, sagte sie also zerknirscht. Merlin es war nicht mal eine Woche her!

 

„Ausgezeichnet“, sagte die Heilerin erfreut. Wieso das? „Sie verstehen sich gut?“, fuhr sie fort, mehr aus Smalltalk-Gründen, und Hermine verzog den Mund.

 

„Na ja…“, erwiderte sie vage, und zuckte wieder zusammen, als die Heilerin einen kalten Zauber ausführte.

 

„Mrs Malfoy, es wird kurz unangenehm sein, aber keine Bange, es ist gleich vorbei, und ein Erfolg wird sich zeigen.“

 

„Was… was genau tun Sie da?“, wiederholte Hermine besorgt, und mit der nächsten Zauberstabbewegung keuchte Hermine panisch auf.

 

„Es ist gleich vorbei“, versprach die Frau die Frau erneut. „Es sieht alles in bester Ordnung aus, Sie befinden sich in einem guten Zustand für den Vorgang, und Ihre Schwiegermutter erzählte mir, dass Sie es kaum erwarten können, schwanger zu werden. Eine kluge Entscheidung, so jung damit zu beginnen. Der Körper heilt viel besser, wenn man noch-“

 

„-Stopp – was?!“, entfuhr es Hermine, und Heilerin hob knapp den Blick. „Was? Nein! Ich will-“

 

„- es ist überhaupt kein Problem, Mrs Malfoy, wir sind fertig“, sagte die Heilerin lächelnd, beendete den Zauber, und kurz spürte Hermine ein sanftes Pochen im Unterleib, und dann war es vorbei.

 

Stumm und gelähmt vor Panik hing sie im Stuhl.

 

„Was… was ist vorbei?“, flüsterte sie mit weit aufgerissenen Augen.

 

„Die… die Behandlung?“, sagte die Heilerin mit gerunzelter Stirn. „Da Sie noch über genügend Spermium in Ihrem Körper verfügten, war es überhaupt kein Problem, ein Spermium zum Ei zu führen, Mrs Malfoy. Und Sie haben auch nicht Ihre Regel. Ich weiß, es kann einem Angst machen, wenn der Frauenheiler kommt, aber-“

 

„-was?!“, fuhr Hermine die Frau schockiert an und strampelte sich aus den Haltebügeln der Füße. Die Heilerin reagierte und ließ den Stuhl in die Senkrechte fahren. „Was haben Sie getan?“, flüsterte Hermine panisch.

 

„Sie sind jetzt schwanger“, eröffnete ihr die Heilerin perplex. „Das wollten Sie doch?“, vergewisserte sie sich, aber beim nächsten Blick in Hermines Gesicht erkannte sie wohl, das dem nicht so war. „Oder… Narzissa wollte das“, schloss sie schließlich, in stillem Verständnis.


„Was? Sie… Sie kommen hierhin, zwingen mich auf diesen Stuhl und sagen mir nicht einmal, was sie da gerade veranstalten – und keine zwei Minuten später bin ich schwanger? Was fällt Ihnen eigentlich ein? Wie können Sie einem Menschen so etwas antun?!“, rief Hermine panisch, zu aufgewühlt für Tränen.


„Mrs Malfoy-“

 

„-oh mein Gott! Machen Sie das rückgängig!“, fuhr Hermine sie an.

 

„Rückgängig?“, wiederholte die Heilerin überfordert.

 

„Ja! Ich bin zu jung dafür! Ich bin achtzehn, Merlin noch mal!“, rief Hermine aufgebracht. „Mach Sie das rückgängig!“, fuhr sie die Heilerin zornig an.

 

„Ich muss das mit Ihrer Schwiegermutter-“

 

„-nein! Sie müssen gar nichts mit Narzissa! Ich sage Ihnen hier und jetzt – machen Sie das rückgängig!“, unterbrach Hermine die Heilerin zornig.

 

„Mrs Malfoy, es gibt Regeln. Sie haben einen Vertrag unterschrieben. Das Ganze rückgängig zu machen, kostet mich unter Umständen meine Stellung. Sie stehen unter Narzissas Obhut, und ich-“

 

„-was soll das heißen?“, wollte Hermine kalt wissen.

 

„-Sie sind jetzt angeheiratete Reinblüterin“, erklärte die Hexe. „Ohne die Zustimmung Ihrer Schwiegereltern kann ich nichts tun“, erklärte sie.

 

„Zustimmung?“, wiederholte Hermine hysterisch. „Also diese Last aufbürgen, das geht ohne Probleme? Aber meinem Wort zu folgen, dazu brauchen Sie eine Zustimmung?“

 

„Sie haben Draco Malfoy geheiratet? Ich nahm an, Sie waren sich den Umständen bewusst, die eine solche Heirat mit sich bringt?“, vergewisserte die Heilerin sich schockiert, und Hermine schloss entnervt die Augen.

 

Großer Gott! Sie konnte es nicht fassen! Nichts passierte in den Rängen der Reinblütern natürlich, nahm sie an. Selbst die Schwangerschaften waren arrangiert!

 

Hermine atmete mit offenem Mund, denn nicht genug Sauerstoff versorgte ihr Gehirn.

Die Heilerin stand immer noch hilflos vor ihr.

 

„Ich – es tut mir wirklich leid, Mrs Malfoy“, sagte diese nach einer ganzen Weile, fast ratlos. Als wäre es eine verdammte Ehre, von Draco Malfoy schwanger zu sein! Als wäre es großartig, sich den Gesetzen der Reinblütern zu fügen! Hermine starrte ins Leere. Sie bedeckte mit der Hand den Mund, versuchte nachzudenken, sich zu konzentrieren, und entschied sich dann, das Problem selber zu lösen.

 

„In Ordnung. Sie können gehen. Vergessen Sie es einfach“, knurrte Hermine erbost, erhob sich aus dem Stuhl und knotete ihren Bademantel fester um sich.

 

„Mrs Malfoy-“

 

„-und nennen Sie mich nicht so!“, fuhr Hermine sie an, als sie das Zimmer verließ und die Tür zum Flur öffnete.

 

„Hermine!“ begrüßte Narzissa sie mit einem strahlenden Lächeln, aber Hermine wich vor der Frau zurück.

 

„Oh nein!“, sagte sie mit erhobenen Händen. „Rühr mich bloß nicht an! Sprich einfach gar nicht mehr mit mir“, knurrte Hermine in ihre Richtung. Narzissas Lächeln verschwand. „So läuft es?“, erkundigte sich Hermine kalt, und Narzissa schwieg. „Es läuft einmal nicht so, wie du es dir wünschst, und dann wird dein Wort zum Gesetz? Draco muss ein Schlammblut heiraten, wenn er nicht hört! Das Schlammblut muss schwanger werden, wenn sie nicht hört!“, sagte Hermine mit einer schlechten Imitation von Narzissas Stimme. Narzissas Mund hatte sich schockiert geöffnet. „Du glaubst doch wohl nicht für eine Sekunde, dass ich dieses Spiel mitspielen werde, oder?“, vergewisserte sich Hermine jetzt, und Narzissa wirkte mehr als verwirrt.

 

„Hermine“, entfuhr es Narzissa, und zum ersten Mal erkannte Hermine wieder die Frau, die mit ihr abends ausgegangen war. Unsicher, verwirrt und heillos überfordert.

 

„Draco mag alles hinnehmen, was ihm geboten wird, aber mir bedeutet Gold überhaupt nichts! Und wenn ich keine Zustimmung bekomme, dieses… dieses Ding loszuwerden, dann werde ich meine Gebärmutter aus meinem Körper fluchen, denn was für Voraussetzungen sollen das für ein Kind sein?! Was wird man ihm sagen, wenn es fragt, ob es eine Wunschgeburt war? Nein, Liebling, deine Großmutter wollte ihren Willen durchsetzen, so wie immer. Du warst nicht erwünscht, du warst nicht geplant. Du warst eine Maßnahme im Rahmen einer lebenslangen Strafe für deinen Vater“, sprach Hermine böse Worte.

 

„Hermine, ich-“

 

„-du hast nicht nachgedacht? Du willst das Beste? Für wen? Für dich? Für Lucius?“, fuhr Hermine sie aufgebracht an. „Ich gebe dir die Zeit, die du mir gegeben hast, ob ich deinen Sohn heiraten will, Narzissa. Ich will die Zustimmung, das Kind zu entfernen. Sofort“, sagte sie böse.

 

„Aber… ich-“

 

„-nein? War das ein Nein?“, wollte Hermine zornig wissen, und Narzissa starrte sie an.

 

„Wir können nicht-“

 

„Es ist keine schwere Frage, Narzissa. Ich will es entfernen. Ja oder nein?“, versuchte es Hermine erneut, Tränen des Zorns in den Augen.

 

„Nein, es geht nicht. Du musst es bekommen. Es ist-“

 

„-Tradition?“, endete Hermine bitter. „In Ordnung. Ich brauche keine Zustimmung von dir“, erklärte Hermine jetzt achselzuckend. „Wir sind hier fertig“, sagte sie mit einem abfälligen Blick auf Narzissa, die vor ihr stand, wie ein Häufchen Elend. Hermine wandte sich ab.

 

„Hermine!“, rief Narzissa ihr panisch nach. „Hermine, warte! Hermine!“ Aber Hermine stürmte über den Gang, warf die Tür ihres Schlafzimmers ins Schloss, verriegelte sie von innen und musste sich schleunigst anziehen. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Heiler bereit waren, ihr Kind zu entfernen oder wie viel es kosten würde.

Aber es war egal. Ihre Hände zitterten vor Wut, während Narzissa hart gegen die Tür klopfte und ihren Namen rief.

 

Aber immerhin benutzte sie keinen Spruch, um einzudringen. Immerhin war sie klug genug, das nicht zu tun!

 

~*~

 

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich James, während Pansy wieder einmal vergessen nach draußen in den weißen Garten gestarrt hatte.

 

„Ja“, sagte sie nur.

 

„Du wirkst abwesend“, sagte er schließlich. Pansy wandte den Blick.

 

„Was?“, fragte sie, nachdem ihre Konzentration zurückgekehrt war. James erhob sich vom kleinen Teetisch und kam zu ihr.

 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er wieder und kniete sich vor sie.

 

„Ja, sicher“, wiederholte sie gereizt. „Das habe ich doch schon gesagt.“

 

„Du hast mir noch keine Antwort gegeben“, erwiderte er jetzt mit Bedacht. Seine Haare lagen ordentlich, seine blauen Augen wirkten ehrlich, und sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Kein gutes.

 

„Eine Antwort?“, wiederholte sie, ein wenig stiller.

 

„Wirst du mich heiraten?“

 

Es war wieder einer dieser Tage. Er wartete auf eine Antwort, die sie ihm verweigerte, aber es gab gar nichts zu verweigern. Mit Weasley hatte sie nicht mehr gesprochen, und es würde dazu auch nicht mehr kommen. Sie wusste nicht, was er machte, ob er an sie dachte, und was half es ihr an ihn zu denken? Er würde seine Meinung nicht ändern, und sie konnte nicht.

 

Sie sah hinab in James‘ Gesicht. Er war die beste Wahl, die sich bot. Sie hatte das doch schon vor langer Zeit beschlossen, als sie ihn sich ausgesucht hatte. Die Entscheidung war gut überlegt. Und wenn ihre Gefühle in den Weg gerieten? Und wenn schon! Ein paar Gefühle würden auch wieder verschwinden. Mit Verstand überwand man diesen Gefühlsquatsch doch immer. Deshalb war sie Schulsprecherin. Sie war die klügste Schülerin.

 

„Ja“, sagte sie also schlicht.

 

James wirkte kurz verwirrt. „Ja, was?“, wiederholte er. „Du wirst noch drüber nachdenken?“

 

„Nein. Einfach ja. Ich werde dich heiraten“, kürzte sie es ab.

 

„Wirklich?“ Er wirkte mehr als überrascht. „Und was ist mit-“

 

„-ich werde dich heiraten“, unterbrach sie ihn streng. „Niemanden sonst“, versicherte sie ihm, und dann hoben sich seine Mundwinkel.

 

„Das… das macht mich sehr glücklich, Pansy“, flüsterte er und holte eine Box aus seiner Jackettasche. „Das hier… trage ich mit mir, seit ich gekommen bin“, erklärte er versonnen und hielt ihr die Schachtel entgegen.

 

Sie öffnete sie unschlüssig, aber ihr Mund öffnete sich überrascht. Ein wunderschöner gelber Kanariendiamant funkelte in einer silbernen Fassung.

 

„James“, sagte sie nur, völlig schockiert.

 

„Pansy Parkinson, willst du mich heiraten?“, fragte er sie lächelnd, und der Ring brachte eine gewisse Entschädigung mit sich, sie konnte es nicht leugnen. Zwar würde sie vielleicht alle Ringe der Welt tauschen, wenn Weasley sie nur einmal so angesehen hätte, aber sie verscheuchte diesen Gedanken.

 

„Ja“, wiederholte sie leise.

 

James zog den Ring aus der Box und schob ihn über ihren Ringfinger. Er passte. Natürlich tat er das. Es wunderte sie nicht. James war perfekt. Pansy Augen hoben sich zu seinem Gesicht, was näher kam. Es war ein unschuldiger Moment und doch so erheblich. Sein Gesicht kam näher, und seine Augen schlossen sich, in Erwartung, dass sie den Abstand zu ihm schließen würde.

 

Ihr Herz klopfte minimal schneller, und sie sagte sich, dass sie nichts zu verlieren hatte.

 

Ron Weasley wollte sie nicht. Und mit festgeschlossenen Augen überwand sie den letzten Zentimeter, neigte den Kopf und verschloss James‘ Lippen.

Sie spürte, wie er die Luft angehalten hatte. Er hob nicht die Hand zu ihrer Wange, vergrub seine Finger nicht in ihren Haaren, vertiefte den Kuss auf keine Art und Weise, schien nicht überwältigt zu sein und behielt alle seine Gefühle unter Kontrolle.

 

Enttäuscht begriff sie, dass das die Art zu sein schien, wie er küsste. Ruhig lagen seine Lippen auf ihren, öffneten sich nicht, wagten keinen unüberlegten Schritt, und sie nahm an, seine Zunge würde nicht den Weg in ihren Mund finden.

 

Sie hatte angenommen – gehofft – jeder Kuss wäre wie ein Kuss mit Ronald Weasley, aber sie stellte erschrocken fest, dass es nicht so war.

 

Dann wich er zurück, mit einem glücklichen Lächeln auf den Zügen. Dachte er, das wäre ein perfekter Kuss gewesen? Passend? Angemessen für diesen Anlass?

Sie hatte ein Feuerwerk erwartet und einen Blindgänger bekommen.

 

Aber sie zwang ein Lächeln auf ihre Züge. Es war ein guter erster Kuss gewesen. Nicht feucht, nicht unangenehm, ohne Höhen oder Tiefen.

Scheu, unschuldig und nichtssagend. So wie James eben war, dachte sie bitter.

 

„Ich danke dir“, sagte er jetzt, und Pansy lächelte gezwungen.

 

„Nicht dafür“, rang sie sich ab. Es gab nichts zu danken für einen langweiligen Kuss. Und das wäre der erste von tausend langweiligen Küssen, dachte sie panisch, aber nein! Sie durfte so nicht denken. Es war falsch. Sie durfte ihn nicht vergleichen. Vielleicht küsste Weasley wie ein Gott, aber dafür war er unmöglich, traditionsgleichgültig und ein unordentlicher Trampel. Und arm, fügte sie erschrocken in Gedanken hinzu. Natürlich auch arm, und das war der wichtigste Punkt. Gold bedeutete viel. Weasley hatte Recht mit seinen Worten. Es galt, das Gold zu sichern, und mit James hatte sie eine langweilige Möglichkeit gefunden, das zu tun.

 

„Willst du-“ Aber Pansy wurde Merlin sei Dank erlöst, von einer weiteren Frage, ob sie mit ihm einen Winterspaziergang machen wollte, als die Türen zum Wintergarten sich öffneten.

 

„Hermine!“, rief sie überrascht aus. Überrascht und endlos dankbar.

 

„Pansy, ich muss mit dir reden. Hallo“, begrüßte Hermine überrascht den Mann, der vor ihr kniete.

 

„Das ist James“, stellte Pansy ihren Verlobten nichtssagend vor.

 

„Oh“, entgegnete Hermine ratlos, und James erhob sich, um ihr die Hand zu reichen.

 

„Hermine Granger, die Muggel, die einen Malfoy geheiratet hat“, begrüßte er sie anerkennend. „Obwohl ich ja Hermine Malfoy sagen müsste“, plapperte er, wohl von dem Kuss tatsächlich benebelt. Der Arme, dachte Pansy unwillkürlich. Sie war eine gemeine Schlange.

 

„Hm“, machte Hermine überfordert. „Nett dich kennenzulernen“, sagte sie, mit einem Blick auf Pansy.

 

„Ich bin Pansys Verlobter“, schien James noch erklären zu wollen, und Hermines Augen weiteten sich.

 

„Ah… wie… nett?“, entfuhr es ihr, und noch immer hielt James Hermines Hand. Pansy räusperte sich, erhob sich und erlöste Hermine.

 

„Was ist los?“, fragte sie, fast zu dankbar.

 

„Ich muss mit dir reden. Allein“, ergänzte Hermine peinlich berührt. Pansy wandte sich an James.

 

„Wäre das möglich?“, fragte sie ihn, und sofort nickte er.

 

„Natürlich, ich… werde alleine eine Runde drehen und wir sehen uns zum Tee? Mrs Malfoy vielleicht auch?“, wandte er sich an, und Hermine schien nachzudenken.

 

„Vielleicht“, sagte sie abwesend und schien zu warten, dass er ging. Beschwingt verließ ihr Verlobter den Raum. Pansy blickte ihm kopfschüttelnd nach.

 

„Das ist er?“, vergewisserte sich Hermine.

 

„Hm“, machte Pansy nur.

 

„Er wirkt…“

 

„… nett?“, half Pansy nach, und Hermine nickte.

 

„Ja“, sagte sie. Pansy wunderte es nicht. Hermine war Draco Malfoy und Ronald Weasley gewöhnt, also konnte Pansy durchaus nachvollziehen, dass sie mit James wenig anfangen konnte. „Ich bin so froh, dass du hier bist!“, sagte sie schließlich. „Ich dachte schon, wir reden nicht mehr“, erklärte sie.

 

„Nein, ich… nein“, wiegelte Hermine ab. Sie bedachte Pansy kurz mit einem merkwürdigen Blick. „Es tut mir leid, dass ich… dich nicht unterstützt habe“, sagte sie dann unglücklich. Pansys Augen weiteten sich.

 

„Unterstützt?“, fragte sie tatsächlich.

 

„Als du… mich gefragt hast, ob-“

 

„-Hermine, es ist schon gut. Du hattest Recht. Es waren kalte Füße. Und jetzt ist alles in bester Ordnung, so wie es sein muss“, erklärte Pansy steif, denn sie würde nicht ertragen können, wenn Hermine jetzt von Weasley anfing. Ihr Herz schmerzte ohnehin schon genug.

 

„Aber ich-“

 

„-wirklich“, versicherte ihr Pansy mit Nachdruck. „Also, was ist dein Problem?“, lenkte sie wieder vom Thema ab, denn das letzte, was sie wollte war, dass Hermine nachbohrte, bis sie noch weinen würde. Sie wollte ihr den Ring nicht zeigen, nicht von James reden, sie wollte es einfach ignorieren. Ihr ganzes Leben über am besten.

 

„Ich bin schwanger“, erklärte Hermine leiser. Pansys Augen wurden groß.

 

Was? All ihre unwichtigen Gedanken rissen ab. Und sie merkte, wie eine Art Reinblüter-Schalter in ihrem Innern umschlug. Sofort empfand sie Glück.

 

„Oh! Was? Das ist… das ist wunder-“

 

-nein!“, unterbrach Hermine sie streng und schüttelte vehement den Kopf. „Nicht gut. Nicht wunderbar. Gar nicht gut, Pansy. Ich muss es loswerden“, sagte sie eindringlich, und Pansys Mund hatte sich bestürzt geöffnet. Was?! Das Glücksgefühl war jäh abgerissen.

 

„Es… loswerden?“, wiederholte sie vollkommen schockiert, und Hermine sah ihr fest in die Augen. „Aber… warum?“

 

„Ich bin zu jung, und… - ich bin einfach zu jung!“, erklärte Hermine.

 

„Du musst aber sowieso-“

 

„-ich weiß, ok?“, unterbrach Hermine sie wieder. „Aber jetzt… passt es nicht. Es geht nicht. Ich… brauche deine Hilfe.“ Verzweifelt sah Hermine sie an. Pansy schüttelte schockiert den Kopf.

 

„Dabei helfe ich dir nicht. Es ist gegen die Regeln, Hermine. Du musst schwanger werden. So sagt es das Gesetz!“, wehrte sich Pansy vehement, und Hermine bedeutete ihr, leiser zu sein.

 

„Mir egal. Das Gesetz ist dumm. Je länger ich warte, umso schwieriger wird es, Pansy.“

 

„Wieso bittest du mich um so etwas, Hermine? Du weißt, ich kann das nicht vereinbaren!“, sagte Pansy entrüstet. Und sie meinte die Worte. Zumindest glaubte sie das fest.

 

„Weil du Ahnung von solchen blöden Regeln und Geboten hast. Weil ich nicht wüsste, zu wem ich gehen sollte!“ Pansy wirkte gequält.

 

„Wieso fragst du nicht Narzissa? Sie wird-“

 

„-ich habe das bereits getan, Pansy“, sagte Hermine mit mehr Nachdruck. „Ich bitte dich, ich brauche deine Hilfe. Alles andere ist gerade unwichtig. Ich kann das nicht. Ich kann kein Kind von ihm bekommen.“ Und Pansy dachte nach. Dann klärte sich ihr Blick.

 

„Du verweigerst ihm das wegen… wegen Astoria?“, vermutete sie jetzt vage, und Hermine runzelte die Stirn.

 

„Wegen Astoria?“, wiederholte sie, völlig aus dem Kontext. Ok, deshalb schien es also nicht zu sein, ging Pansy auf. „Woher weißt du davon?“, ging Hermine auf ihre Worte ein, und Pansy holte eilig den Tagespropheten vom Tisch. Sie blätterte zu Seite sechs, wo der Klatsch und Tratsch Erwähnung fand, der es wert war, im Tagespropheten zu stehen.

 

Hermine las die Überschrift. ‚Eklat unter Reinblütern – Millionenerbe Draco Malfoy nimmt sich Mätresse aus nächster Nachbarschaft. Den Greengrass‘ droht Rauswurf aus dem Rose and Crown Club.‘

 

Ihr Blick hob sich.

 

„Narzissa ist schnell“, sagte Hermine, mit bitterer Anerkennung.

 

„Ich habe ihm gleich gesagt, er wird sich das Genick dabei brechen“, bestätigte Pansy ernst. Und kurz wirkte Hermine mehr als verwirrt. Falten traten auf ihre Stirn, und Pansy erkannte ehrliche Überraschung in Hermines dunklen Augen.

 

„Du wusstest das?“, stellte Hermine tatsächlich ruhiger fest.

 

Pansys Mund öffnete sich ertappt. „Nein! Nein, Hermine, so war es wirklich nicht. Ich… ich wusste es nur halb!“, rechtfertigte sie sich. „Und… und ich habe ihm gedroht, habe ihm gesagt, ich würde sofort zu seinen Eltern gehen, wenn ich mitbekäme, dass er sich mit ihr trifft, dass er dich ignoriert, dass er dir nichts zu Weihnachten schenkt, ich-“

 

„-was?“, unterbrach Hermine sie ungläubig.

 

„Und… und dann haben wir uns verstritten. Ich habe seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen. Er hat mir die Freundschaft gekündigt, aber ich wollte dir nicht wehtun! Im Gegenteil. Oh Merlin, du musst mir glauben!“, beteuerte Pansy heftig, aber Hermine seufzte schließlich und schüttelte den Kopf.

 

„Vergiss es, ok?“, sagte sie beschwichtigend. „Es ist nicht mehr wichtig. Ich… wusste es ja schon“, räumte sie kleinlaut ein. „Es war nur… jetzt gerade überraschend, das ist alles.“ Pansy sah sie an.

 

„Du wusstest, dass er… dass er eine andere hat?“ Pansy stolperte über immer mehr unerwartete Überraschungen.

 

„Ich…- ja. Ich wusste davon. Ich – es ist egal. Ich brauche deine Hilfe jetzt. Bitte, Pansy“, flehte sie, aber Pansy verstand nicht, was vor sich ging.

 

„Du weißt, dass er dich betrügt, aber es ist nicht schlimm? Und du wirst schwanger, und dazu hast du ja zugestimmt, und jetzt willst du es entfernen?“, vergewisserte sie sich, und Hermine stöhnte auf.

 

„Pansy, ich kann es dir nicht erklären. Und was denkst du, kann ich schon dagegen machen, dass er fremdgeht?“, entfuhr es ihrer Freundin aufgebracht. „Ich kann ihn schlecht Zuhause anketten. Und das will ich nicht mal!“, ereiferte sie sich ungeduldig. „Und ich kann dir nicht sagen, warum es jetzt nicht passt, schwanger zu sein, du musst mir einfach glauben, und du musst mir helfen. Ich bitte dich.“

 

Pansy wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.

 

„Aber…“ Sie unterbrach sich selbst. Und dann schüttelte sie den Kopf. „Ich kann nicht, Hermine“, sagte sie bedauernd. „Es ist falsch.“

 

„Das einzige, was falsch ist, ist eure Gesellschaft“, sagte Hermine bitter. „Wenn du mir nicht helfen willst, dann sei so gut, es keinem zu sagen.“

 

„Weiß er es?“, fragte Pansy unvermittelt, und Hermine schenkte ihr einen eindeutigen Blick.

 

„Glaub mir, es wäre ihm vollkommen gleichgültig. So wie mir auch“, fügte sie hinzu. „Ich muss los“, verabschiedete sich Hermine umstandslos.

 

„Wo willst du hin?“, rief Pansy sofort. Hermine drehte sich im Gehen um und zuckte die Achseln.

 

„Ins Mungo? Keine Ahnung“, erklärte sie unwirsch, nicht mehr willig, mit Pansy zu reden.

 

Und dann war sie verschwunden. Pansy stand steif im Wintergarten, nicht sicher, was sie tun sollte, was sie hätte sagen sollen. Hermine hatte die Haare lose zusammengebunden gehabt, wirkte müde und blass. Und Pansy wusste, es musste sie mitnehmen, und sie war sich sicher, Hermine hatte gute Gründe. Aber das reichte doch nicht!

 

Sie biss sich auf die Lippe. Was würde die Gesellschaft sagen? Was würden Narzissa und Lucius sagen? Hermine musste das Kind bekommen. So oder so! Wie konnte sie sich sicher sein, dass es nicht passte? Es gab doch ohnehin kein Zurück, dachte sie bitter. Und sie hatte das Gefühl, über sich nachzudenken anstatt über Hermine.

 

Dann hob sich ihr Blick.

 

Und wenn schon! Und wenn es verrückt war und unmöglich – war es nicht egal?

Wenn Hermine ihre Hilfe wollte, dann konnte sie doch nicht Nein sagen!

Pansy setzte sich eilig in Bewegung.

 

„Hermine!“, rief sie durch das weite Haus. „Hermine, warte auf mich! Ich komme mit!“

 

~*~

 

„Wir müssen sie finden!“ Narzissa war so aufgelöst, so völlig verstört. Sie strich sich immer wieder durch die Haare, lief von rechts nach links, und Lucius hatte die Fingerspitzen aneinander gelehnt. „Es läuft alles falsch!“, rief sie verzweifelt aus.

 

„Narzissa“, begann er langsam, aber sie wandte sich in einer verzweifelten Geste um.

 

„Was? Was möchtest du mir sagen? Dass wir abwarten sollen? Dass wir beide noch mehr unter Druck setzen müssen? War es nicht genug heute? Sie hat in einem Zelt geschlafen, Merlin noch mal!“, rief sie aus. „Mitten im Winter!“ Narzissa weinte mittlerweile.

 

„Sie legt es darauf an“, erwiderte er nur.

 

„Wie kannst du das sagen? Willst du sie auch noch verlieren?“, fuhr sie ihn tatsächlich an, und er erhob sich langsam.

 

„Narzissa, wir haben sie nie gehabt“, klärte er sie strenger auf. Narzissa hörte auf, durch das Wohnzimmer zu laufen.

 

„Sie ist schwanger. Und sie will es nicht“, flüsterte sie verzweifelt.

 

„Ihre eigene Schuld“, sagte er kälter. „Und ich habe bei weitem größere Probleme, als mich andauernd um die Kinder zu kümmern“, ermahnte er sie ungeduldig.

 

„Was, wenn sie sich etwas antut?“, flüsterte Narzissa jetzt panisch.

„Eine Sorge weniger, würde ich meinen.“ Sie fuhr zu ihm herum. Ihr Blick war scharf und erbarmungslos.

 

„Du willst also den Tod eines unschuldigen Mädchens zugerechnet bekommen? Wirklich?“

 

„Sei nicht so dramatisch“, erwiderte er gereizt.

 

„Lucius“, sagte sie jetzt, „wir müssen sie finden.“ Und er gab tatsächlich nach, und erlaubte sich tatsächlich, zuzuhören.

 

„Und dann was?“, wollte er sanfter wissen.

 

„Dann… dann bringen wir sie nach Hause“, sagte Narzissa, mit Tränen in den Augen. „Wir… machen es richtig. Wir machen alles wieder gut“, wisperte sie. Lucius atmete aus und nahm sie in den Arm. Fest legte er die Arme um ihren schlanken Körper, hielt sie an sich, und musste die Augen schließen.

 

„Sag mal“, begann er rau gegen ihren Haaransatz zu murmeln, „du hast unserem volljährigen Sohn Hausarrest erteilt?“, erkundigte er sich scheinheilig bei ihr, und sie schluchzte auf.

 

„Ich… ich war überfordert“, murmelte sie gegen seine Brust.

 

„Und du hast deine Schwiegertochter praktisch selber geschwängert“, fuhr er fort, während er sie streichelte.

 

„Ich – nein!“, rief sie aus. „Nein. Und… du musst gerade reden!“, beschwerte sie sich kleinlaut. „Steckst beide in Gruppentherapie“, flüsterte sie. Er umarmte sie fester. Plötzlich wurde sie ruhiger. Sie schüttelte fast ängstlich den Kopf. „Was dort alles ans Tageslicht kommen könnte“, flüsterte sie, erfüllt von einer Sorge, die ihm nicht behagte. Und Lucius durchfuhr das Gefühl des schlechten Gewissens, der dumpfen Ahnung in seinem Innern. Er beschloss, es zu sagen. Denn es half nicht, es zu verheimlichen. Aber es fühlte sich nicht gut an. Er hörte auf, sie beruhigend zu streicheln.

 

„Sie weiß es. Von Scorpius“, sagte er schließlich, und Narzissa verharrte, schien wie versteinert in seiner Umarmung. Sie sagte nichts. „Draco muss es ihr gesagt haben“, fuhr er schließlich fort, denn dass sie schwieg machte es alles noch viel unangenehmer. Es verging eine stille Minute, in der keiner von ihnen sprach.

 

„Sie weiß es?“, entfuhr es seiner Frau ungläubig. Als wäre ein schlimmes Geheimnis, ein grauenhafter Fluch aufgedeckt worden. Lucius nickte langsam. „Oh“, entfuhr es Narzissa irgendwann ernst, fast lautlos. Er begriff nur den Sinn dahinter nicht. Wollte auch gar nicht.

 

„Und?“, erwiderte er lauter, wollte diese Stille im Gespräch nicht dulden. „Es ist wie es ist. Wem soll sie es erzählen? Wen würde es interessieren? Alle unsere Bekannten wissen es?“, redete er einfach weiter, versuchte, zu retten, was er nicht retten konnte. „Was sie sagt oder denkt ist unwichtig. Sie ist nur ein-“

 

„-nicht“, flüsterte Narzissa eher, als er sprechen konnte.

 

Als hätte sie sein unbedachtes Wort bereits erahnt. Als hätte sie es selber gedacht. Er hielt inne mit seinen Worten. „Was sollen wir tun?“, entfuhr es ihr vollkommen verloren. Es schmerzte ihn, sie so zu sehen. Denn Narzissa hatte einen wunden Punkt. Vielleicht gab es mehrere, aber Scorpius war die eine Sache, die niemand erwähnen durfte. Von der niemand sprechen durfte. Es war wie Narzissas Schmerz, Narzissas Leid – ihre eigene, persönliche Bürde. Er wusste nicht einmal, warum es so war, aber er hatte sich nie mehr die Mühe gemacht, es zu ändern. Nun, er hatte es versucht. Damals. Aber es war unmöglich.

 

„Sie ist ein Kind. Sag ein Wort, und ich mache es ungeschehen“, versprach er ruhig. Seine Frau hob in seinem Arm den Blick und sah ihn mit diesen unergründlich grauen Augen an. Und er sah es. Etwas war anders.

 

„Das Körnchen Glück, was sie uns geschenkt hat, hat jeden Schimmer verloren“, sagte sie, und ihre Stimme klang nicht mehr verzweifelt. Sie klang nach gar nichts mehr. Sie klang besiegt. Und sie sprach aus jedem Kontext heraus. Angst befiel ihn.

 

„Es ist nur ein dummer Kinder-Zauber“, beschwichtige er sie, denn er wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Und sie sagte, was er ihr niemals zutraute.

 

„Ja“, bestätigte sie nach einer Weile mit einem langsamen Nicken. „Finde sie“, flüsterte sie. „Lass ihr ihren Willen“, schloss sie, ohne jeden Ausdruck. „Ich hoffe, die Greengrass‘ nehmen mir meine Tirade nicht übel“, entfuhr es ihr plötzlich, als fiele es ihr jetzt wieder ein.

 

„Greengrass?“, wiederholte er. Narzissa schwieg. Sie hatte sich aus seiner Umarmung gelöst und eine Kälte umgab sie, die Lucius unangenehm war.

 

„Was werden wir tun?“, fragte Narzissa ihn anschließend, über die Schulter hinweg, mit einer Stimme, die weit entfernt klang.

 

„Wir müssen an uns denken“, begann er zögerlich, aber Narzissa nickte verschlossen, ohne ihn anzusehen, ohne überhaupt zu widersprechen. Und Lucius hatte ernsthaft geglaubt, dass es länger dauern würde. Dass er mehr Überredung brauchen würde. „Wir haben uns bemüht“, ergänzte er schließlich. Er hatte den Eindruck, als hätte Narzissa aufgegeben. Als hätte dieses Mädchen gesiegt. Auf eine erdenklich schlechte Art und Weise. Und er sprach die nächsten Worte, von denen er mit Sicherheit wusste, dass Narzissa sie verabscheuen würde. Dass sie aus ihrer seltsamen Trance erwachen würde, denn so kannte er seine Frau. Sie widersprach ihm, wann immer sie Gelegenheit dazu hatte.

 

„Astoria ist eine passende Wahl. Wenn wir schnell handeln, das Kind entfernen und die Ehe annullieren, können wir unseren Fehler wiedergutmachen.“

 

Er machte sich bereit. Der Streit würde losgehen. Aber Narzissa hatte den Blick wieder auf die weiße Schneelandschaft gerichtet.

 

„Gut“, sagte sie das Wort, was Lucius‘ Kiefermuskel entspannte. 

 

Sie widersprach ihm nicht. Kurz stand er unbewegt hinter ihr und betrachtete ihre schmale Gestalt.

 

Es war seltsam, welche Macht Narzissa bewog. Lucius war nicht dumm. Er war nicht blind. Und ihm waren die Hände gebunden. Er hatte sie herausfordern wollen, und Narzissa hatte die Herausforderung angenommen, so wie er Hermine Grangers angenommen hatte.

 

Nur hatte er das Gefühl, Hermine hatte Narzissa zumindest besiegt.

Es war erschreckend. Er hatte nicht gewusst, dass Narzissa Scorpius‘ Tod noch immer verdrängte. Er hatte es nicht angenommen. Er selber hatte Probleme damit gehabt, über diesen Tag hinwegzukommen, aber… Narzissa war anders.

 

Und bevor Hermine Granger scheinbar tiefer vordringen konnte – bevor tatsächlich etwas passieren konnte, was außerhalb Narzissas Kontrolle lag – trat seine Frau den Rückzug an.

 

Und zum ersten Mal seit einer ganzen Zeit, glaubte er, dass Hermine Granger richtig liegen konnte. Er war sich nicht sicher, mit was genau. Er war sich nicht mal sicher, inwieweit es ihn betraf, aber… er wusste, er wäre nicht in der Lage, mit Narzissa zu reden. Über die Vergangenheit. Denn er erinnerte sich plötzlich wieder. Wie sie gewesen war, damals. Sie hatte nicht gelacht. Sie hatte sich nicht gefreut, keine Blumen ausgesucht, keine Partys veranstaltet – sie hatte gar nichts getan. Sie hatte mit Depression in ihrem Schlafgemach gelegen, monatelang, während er sich mit Draco hatte beschäftigen müssen, der aufgehört hatte zu sprechen. 

 

Hermine war den einen Schritt zu weit gegangen.

 

Aber bevor er noch weiter darüber nachdenken würde, ob es richtig oder falsch war, zu handeln, wusste er, dass es einen wesentlich einfacheren Weg gab.

Einen Weg, bei dem er sich nicht fragen musste, ob eine dahergelaufene Muggel, Einfluss auf seine Familie haben konnte.

 

Das Ansehen der Familie wäre wiederhergestellt. Draco würde froh sein, denn Astoria Greengrass war scheinbar sogar jemand, den er wollte, und sie war reich. Eine Reinblüterin. So, wie es sein sollte. So wie es sich gehörte. Und Narzissa?

Narzissa hatte Hermine gewollt, weil sie für Draco eine andere Frau wollte.

 

Anders als sich selbst? Lucius atmete langsam aus. Hatte Narzissa geglaubt, Hermine würde solche Dinge nicht erfahren? Das Mädchen, was Voldemort zu Fall gebracht hatte, würde solch ein Geheimnis nicht irgendwann erfahren? Fast tat es Lucius leid.

Fast glaubte er, dass Narzissa vielleicht so dachte. Dass eine Muggel wirklich eine gute Wahl sein könnte.

 

Vielleicht war es so.

 

Vielleicht war in der Theorie einiges wirklich gut.

 

Vielleicht war es wirklich gut, dass Voldemort gestürzt war.

Vielleicht war es wirklich gut, dass Hermine Granger kam, alles durcheinander brachte, ihnen einen vermeintlichen Spiegel vor das Gesicht hielt.

 

Vielleicht war es gut. In der Theorie.

 

Aber in Wahrheit?

 

In Wahrheit wollte niemand in diesen Spiegel blicken. Er nicht, Narzissa anscheinend ganz entschieden nicht – und Draco?

 

Wäre Draco nur einen Hauch so wie er oder Narzissa – dann war sich Lucius sicher, er würde auch keinen Spiegel wollen.

 

Sie hatte sich Mühe gegeben. Hermine Granger gab sich große Mühe. Bei allem, was sie tat, so viel konnte er behaupten.

 

Aber leider würde sie niemals ernten, was sie zu säen geglaubt hatte. 

 

„Ich werde mich kümmern“, versprach er also tonlos, auch wenn Narzissa kaum mehr reagierte. „Ich finde sie.“

 

Und er ging. Denn es war einfacher zu gehen, als tatsächlich zu bleiben und Narzissa zu fragen, ob sie… reden wollte. Ob es… etwas gab, was er tun konnte.

Denn er wollte nicht mehr in diese Zeit zurück, wo jeder Tag ein schwarzer gewesen war.

Er wollte Narzissa helfen. Und er würde ihr helfen, indem er die lästige Muggel von ihrer beider Tagesablauf entfernte. Indem er sie ersetzte durch eine angemessene Kandidatin, die niemals so unhöflich und vorlaut und dreist wäre, die Geheimnisse der Malfoys herauszufinden.

 

 

Kapitel 51

 

Es war so kalt. Aber Hermine konnte nur daran denken, dass sie dieses Problem lösen musste. Es war so ungerecht. Und selber schuld war sie auch noch! Sie warf sich immer wieder vor, dass sie hätte fragen können! Dass sie die Heilerin einfach hätte fragen können, was zur Hölle sie veranstaltete!

 

„Hermine, warte!“, rief Pansy hinter ihr und holte sie wieder ein. „Renn nicht so!“

 

„Ich will es hinter mir haben!“, sagte Hermine nur. „So schnell wie möglich“, ergänzte sie unsicher. Denn sie wusste nicht einmal, wohin sie sollte. Zuerst würde sie es beim Mungo versuchen. Und sie zwang sich, nicht zu viel nachzudenken. Denn ansonsten würde sie noch ihre Meinung ändern! Und das war, was sie nicht wollte. Es war nicht schlecht, was sie tat. Sie war zu jung. Sie liebte ihn nicht. Und es war keine Lösung, schwanger zu werden. Es war nur ein weiteres Problem.

 

„Warte, bitte“, jammerte Pansy, ein Stück weit hinter ihr, und widerwillig verlangsamte Hermine ihre Schritte. „Wer geht auch von hier aus zum Mungo? Wir wären schneller, wären wir ans andere Ende appariert“, merkte Pansy an.

 

„Ich kenne das andere Ende nicht. Da war ich noch nie“, erklärte Hermine gereizt. „Es ist ein kurzer Weg. Die Winkelgasse ist nicht endlos, Merlin noch mal.“

 

„Es wäre kürzer, wären wir direkt zum Ministerium appariert“, beschwerte sich Pansy jetzt ironisch.

 

„Kannst du aufhören?“, wollte Hermine entnervt von ihr wissen, aber Pansy hörte nicht auf.

 

„Was, wenn uns jemand erkennt? Mitten am Tag, in der Winkelgasse?“ Pansy sah sich wieder eilig um.

 

„Wer?“, wollte Hermine ernsthaft wissen und blieb tatsächlich stehen. Pansy nutzte die Pause, um zu Atem zu kommen. „Es ist zu kalt, der Schnee liegt zwei Meter hoch, morgen ist Silvester – die Leute haben besseres zu tun, als stehen zu bleiben und zu rätseln, ob wir Hermine und Pansy sind!“

 

Pansy öffnete gerade den Mund, um zu protestieren, da vernahm Hermine eine vertraute Stimme.

 

„Na, wenn das nicht Hermine und Pansy sind“, rief Ginny, die wohl ihre Worte gehört hatte.

 

„Oh Merlin, nein!“, wisperte Pansy, die sich an Hermines Ärmel klammerte, wohl eher unbewusst, als bewusst. Denn Harry und Ron erschienen hinter Ginny, die Arme voller Feuerwerkskörper, mit dem Markenzeichen von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze.

 

Oh nein. Ja, Hermine wusste selber gerade nicht, wie sie damit umgehen sollte, beide schon so schnell wiederzusehen. Aber Pansy neben ihr war definitiv panischer als sie.

 

„Hermine, alles ok? Die Nacht gut überstanden?“, fragte Harry, und Pansy sowie Ginny warfen ihr einen kurzen Blick zu.

 

„Ja, alles… bestens“, log sie eilig. Ron ignorierte sie, und sie ignorierte ihn ebenfalls. Was sollte sie noch sagen? Sie glaubte, dass sie gestern beide mehr als genug von sich gegeben hatten. Aber sie glaubte, Ron war mehr damit beschäftigt Pansy zu ignorieren als sie, fiel Hermine auf.

 

„Was treibt ihr hier?“, wollte Ginny neugierig wissen.

 

„Wir gehen ins Mungo“, sagte Pansy eilig, scheinbar um irgendetwas zu sagen oder um als erste etwas zu sagen – Hermine wusste es nicht, aber sie schoss Pansy einen Blick zu, der ihr eindeutig zu verstehen geben sollte, dass sie wohl ein Rad abhatte, das einfach so der Welt zu erzählen! Pansys Mund schloss ich hastig, aber es war schon zu spät.

 

„Ins Mungo?“, wiederholte Ginny besorgt. „Ist jemand krank?“

 

„Äh“, machte Pansy ausweichend, mit Blick auf Hermine, aber Hermines Blick musste Funken versprühen. Und ergeben nickte Pansy.


„Ja, ich“, erklärte sie kurzerhand. Hermine atmete aus. Das würde kompliziert werden.

 

„Wirklich?“, fragte Ginny jetzt. Pansy nickte.

 

„Ja, ich… denke… vielleicht ziehe ich mir eine Erkältung zu, und das kann ich gar nicht gebrauchen, und im Mungo werden sie mich ruckzuck wieder gesund hexen“, redete sie drauf los, und Hermine schloss die Augen.

 

Das Mungo ist noch einen Kilometer weit entfernt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sonst Privat-Heiler zu dir nach Hause kommen, weshalb du es nicht auf Anhieb findest?“, giftete Ron plötzlich, ohne jede Vorwarnung, und Pansy stemmte kampfbereit die Hände in die Hüften.

 

„Wir haben auch noch anderes in der Winkelgasse zu tun, Weasley! Das Mungo ist nicht unsere einzige Anlaufstelle!“, konterte sie, aber Hermine bemerkte Pansys Blick sehr wohl, den sie ihr kurz zuteilwerden ließ, mit der eindeutigen Aussage: Ich-habe-dir-gesagt-wir-sind-meilenweit-entfernt!

 

„Nein, ich bin sicher du musst noch ein Hochzeitskleid aus gelben Edelsteinen finden, passend zu deinem scheiß gelben Ring?“, vermutete Ron einigermaßen schlagfertig, und Pansys Hände fielen von ihren Hüften ab, und sie versteckte ihre linke Hand in ihrer Tasche.

 

„Was geht es dich an?“, schrie sie, so dass einige Passanten bereits zu ihnen rüber blickten.

 

„Und? Ist Molly bei euch?“, mischte sich Hermine lautstark ein, begann mit Ginny zu sprechen, und auch Harry tat so, als wären die beiden Streithähne gar nicht anwesend.

 

„Nein, äh, Mum ist Zuhause, bereitet den Silvesterpunsch vor. Du weißt ja, er muss zwei Tage ziehen, sonst-“

 

„-es geht mich überhaupt nichts an, stell dir vor!“, donnerte Rons Stimme ungerührt über das Zweitgespräch hinweg. „Aber wenn du deine Juwelen einem direkt aufdrängen musst, kann ich nicht-“


„-oh halt doch deine Klappe! Was hast du erwartet? Das ich Nein sage? Dass ich so ein Angebot ausschlage?“

 

„-außerdem wäre Mum mit uns niemals in Georges Laden gegangen, um das Feuerwerk zu besorgen, sie findet es viel zu gefährlich!“, hob Ginny ihr Gespräch jetzt wieder an.

 

„Ja, wir werden es erst starten können, wenn sie sicher im Bett ist“, mischte sich Harry peinlich berührt ein.

 

„-natürlich sagst du nicht Nein, Parkinson! Ich denke mal, Merlins Grab müsste sich auftun, bis du zu überhaupt einer Aussicht auf Gold dein Wort verweigerst!“, knurrte Ron, über die anderen Stimmen hinweg.

 

„Hermine, sag mal-“, begann Harry, aber Pansy schrie entrüstet auf.

 

„-das ist sowas von unfair!“, rief sie verletzt. „Es ist mein Leben! Ich kann machen, was ich möchte – außerdem, was hast du mir zu bieten? Außer deiner ständigen Ablehnung gegenüber meiner Person? Ich habe genug davon!“, sagte Pansy verzweifelt. „Du hast deine Entscheidung längst getroffen, also lass mich in Ruhe! Lass mich gefälligst meine Entscheidungen treffen, wenn es dir sowieso vollkommen egal ist, Ron Weasley!“

 

Die vier jungen Leute schwiegen, während sich Pansy und Ron tödliche Blicke zuwarfen.

 

„Und sonst?“, erkundigte sich Harry schließlich in die Stille hinein, aber niemand wagte zu antworten.

 

„Das habe ich nicht nötig!“, sagte Ron schließlich, schüttelte den Kopf über Pansy, die kurz vor einem Zusammenbruch stand, und nickte.

 

„Ja, dann hau doch ab! Das tust doch immer, wenn ich Recht habe!“, rief sie tiefverletzt, als er sich abgewandt hatte.

 

„Merlin, wieso bauen wir ihnen nicht gleich eine Bühne?“, schlug Harry entnervt vor. „Was findet ihr alle an Ron?“, fügte er völlig entgeistert hinzu, und Hermine senkte eilig den Blick.

 

„Ich habe Recht, Parkinson! Du bist nur zu blind, das einzusehen!“, rief Ron über die Schulter zurück, wohl nicht willig, Pansy das letzte Wort zu lassen.

 

Pansy stand mittlerweile mit zitternden Fäusten neben ihr, nahe dran, zu explodieren.

 

„Pansy?“, wagte Hermine zu fragen, und Pansys Kiefermuskel arbeitete wütend.

 

„Was?“, knurrte sie ihr entgegen.

 

„Das… Mungo?“, sagte Hermine auffordernd.

 

„Was ist damit?“, wollte Pansy abgehackt wissen, ohne sie anzusehen, denn sie schien Ron aus der Entfernung mit Blicken töten zu wollen.

 

„Deine… deine Erkältung?“, erinnerte sie Hermine mit mehr Nachdruck, und endlich riss Pansy den zornigen Blick von Rons Rücken los.

 

„Was?“, verwirrt sah sie Hermine an. „Oh“, ergänzte sie, als Erkenntnis in ihren Blick getreten war.

 

„Nächstes Mal nehmt euch doch einfach ein Zimmer, hm?“, schlug Ginny scheinheilig vor, und Pansys Ausdruck wurde finster.

 

„Ich brauche kein Zimmer mit diesem Vollidioten“, beteuerte Pansy. „Außerdem würde dann niemand mitbekommen, was für ein absolutes Ekel er ist!“, ergänzte sie.

 

„Also, ich würde euch beide ja gerne in den Fuchsbau einladen, aber… ich denke mal, das ist keine gute Option“, merkte Ginny schließlich an. Hermine schüttelte nur knapp den Kopf.

 

„Nein. Hermine hat Draco und ich… ich habe… James“, brachte Pansy widerwillig über die Lippen.

 

„Ich wünsche dir schon mal ein frohes neues Jahr“, sagte Harry jetzt abschließend und umarmte Hermine fester. Ginny tat es ihm gleich.

 

„Ja, richtig! Aber wir sehen uns ja schon in weniger als vier Tagen!“, versprach Ginny.

 

Oh Gott. Ja, es ging ja zurück nach Hogwarts, fiel Hermine auf. Die letzten Tage waren ihr endlos vorgekommen.

 

„Ja“, bestätigte Hermine. „Wir… wir müssen weiter“, sagte sie nur, und Harry und Ginny verabschiedeten sich mit einigem Abstand von Pansy. Diese schien es in ihrem Wutrausch gar nicht zu merken und folgte Hermine anschließend weiter die Straße hinab.

 

„Du hast Recht“, sagte Hermine anschließend, nach dem sie einige Zeit still gegangen waren. „Jetzt habe ich auch Sorge, dass uns jemand erkannt hat. Merlin, wie konntest du dich so gehen lassen? Die gesamte Winkelgasse hat dir zugehört!“, fuhr Hermine sie gepresst an.

 

„Ich… es ging nicht anders! Du hast doch gehört, was er gesagt hat! Er ist ein widerliches-“

 

„-trotzdem!“, unterbrach Hermine sie. „Und eine Erkältung? Dir ist nichts Besseres eingefallen als das?“, vergewisserte sich Hermine kopfschüttelnd. „Die denken, wir hecken irgendetwas aus, bei solchen fadenscheinigen Entschuldigungen!“, murmelte Hermine erschöpft.

 

„Ich hasse ihn“, sagte Pansy, als hätte sie ihr nicht zugehört, den Blick starr nach vorne gewandt.

 

„Ja. Hass ist nicht das Wort, Pansy“, korrigierte Hermine sie gereizt.

 

„Oh doch“, bestätigte Pansy nickend.

 

„Hass. Weißer Hass.“ Hermine verdrehte kopfschüttelnd die Augen. Pansy war so verknallt, dass es für jeden auf der Winkelgasse offensichtlich gewesen sein musste.

Und Ron? Ron scheinbar auch, stellte Hermine zerknirscht fest. Aber Pansy war verlobt. Jetzt war doch alles zu spät. Außerdem hatte Hermine gerade eben genug eigene Sorgen.

Ihr fiel eine weitere ein.

 

„Pansy, können wir eben in den Buchladen? Ich muss meinem Vater ein Geschenk kaufen“, sagte sie kleinlaut, aber Pansy folgte ihr einfach, den Blick immer noch zornig ins Leere gerichtet. Das war Hermine lieber, als das Gejammer wegen des weiten Weges.

 

~*~

 

Er spürte es. Und er sah es anschließend. Kurz erfüllte das Wohnzimmer ein grüner Schein, dann war es vorüber. Er hatte auf der Couch gegessen. Gelangweilt und gereizt.

Zwei Gefühle, die ihn ständig verfolgten.

 

Er hielt das Quadrat aus Metall und Glas in den Händen, was Grangers Vater geschenkt hatte. Die Scheibe war dunkel und blank. Gelangweilt hatte er es in den Händen gedreht, aber jetzt hatte er aufmerksam den Blick gehoben.

 

Der Fluch war aufgehoben. Er stand nicht mehr unter Stubenarrest. Er fühlte es praktisch im ganzen Körper. Er durfte das Haus verlassen. Seine Mutter hatte den Fluch aufgehoben?!

Seltsam. Er erhob sich augenblicklich, das Glasquadrat immer noch in der Hand.

 

Er ging fast gelassen zur Tür, nicht willi,g zu rennen. Er stand einen Meter vor der Haustür und tat den letzten Schritt. Die Barriere war verschwunden. Er streckte verwundert die Hand aus, aber er konnte nach der Türklinke greifen. Er drückte sie hinab, die Tür schwang auf, und kalte Dezemberluft schlug ihm entgegen.

 

Er genoss die Freiheit, atmete genussvoll ein, und das Gerät in seiner Hand erwachte plötzlich zum Leben. Die Glasscheibe war hell erleuchtet.

 

Das Wort ‚Entsperren‘ schimmerte auf dem Glas. Er hob das Metall-Ding höher, zu seinen Augen. Er stieß die Tür wieder ins Schloss, denn er hatte ohnehin keinen Ort, wo er gerade sein wollte. Die Welt hatte sich verschworen, und ausgerechnet dann beschloss seine Mutter, die Türen für ihn wieder zu öffnen.

 

Super. Er tippte mit dem Finger auf das Wort. Er blinzelte, denn die Botschaft änderte sich. ‚Zum Entsperren streichen‘, forderte ihn das Gerät schließlich auf. Gelangweilt strich sein Zeigefinger über das Glas. Das Bild änderte sich erneut.

Viele kleine Symbole lagen auf dem Glas.

 

Eines war schrecklich bunt. Intuitiv tippte er es an und wieder änderte sich das Bild. Er schien etwas geöffnet zu haben. Fasziniert wanderte er zurück zur Couch und setzte sich, ohne den Blick vom Glas zu wenden, wieder hin.

 

‚Willst du spielen?‘, fragte ihn die Scheibe jetzt, und er tippte auf ‚Ja‘.

 

Er wartete ab. Etwas lud, zumindest sagte ihm die Scheibe das. Liese spielte Musik, und er konnte nur fasziniert das Gerät in seinen Händen drehen und wenden, denn er hatte keine Ahnung, wie es das ohne Magie zustande brachte.

 

Es erschien ein flaches grünes Brett. Chips lagen darauf verteilt. Man musste sie in eine Gruppe bringen, informierte ihn ein heller Schriftzug jetzt.

 

Und er begriff. Langsam senkte er seinen Zeigefinger auf einen der Chips und zog ihn über das Glas. Wie er sich darunter simultan bewegen konnte, verstand Draco nicht, aber es war egal, er hatte es richtig gemacht, und Punkte schienen über das Bild zu regnen, und er wiederholte die Bewegung, bekam mehr Chips, die Kette wurde länger, und er stellte fest, er war verdammt gut bei einem Muggelspiel.

 

Grinsend schloss er das Spiel ab.

 

‚Glückwunsch! Sie sind Zweitbester. Erstbester ist HermGrang! Wollen Sie Ihren Namen in die Highscore Liste eintragen, um den ersten Platz zu erreichen?‘, fragte das Spiel ihn anschließend, und er tippte sofort auf ‚Ja‘.

 

HermGrang, dachte er spöttisch. Es wäre gelacht, wäre sie besser als er! Und sei es bei etwas, was ihn überhaupt nicht interessierte! Natürlich war er besser. Er würde es ihr schon beweisen! Er tippte auf einen schmalen blinkenden Strich. Es öffnete sich Buchstaben, und kurz dachte er. Er tippte DraMal ein, und befand sich anschließend auf Platz 2. Mit einem überheblichen Ausdruck fuhr sein Finger über die Worte ‚Erneut spielen‘.

 

Er konnte seine Augen kaum von der blanken Scheibe abwenden, die ihm gerade so viel Ablenkung bot.

 

Aber der Bildschirm wurde dunkel und ein Balken trat in den Vordergrund.

 

‚Batterie schwach. An Stromnetzwerk anschließen.‘

 

Er starrte die Worte an. Batterie? Stromnetzwerk? Er sah sich ratlos um. Wie schloss er das Ding an ein Stromnetzwerk an? Und was war ein Stromnetzwerk?

 

Unter der Zeile stand das Wort ‚Hilfe‘. Widerwillig drückte er darauf. Das Bild wechselte erneut. Ein heller Hintergrund blendete ihn.

 

‚Hilfe im Internet finden?‘, fragte ihn das Gerät, und er tippte gereizt auf ‚Ja‘.

 

‚Willkommen bei Google.‘

 

Draco verstand nicht. Bunte Buchstaben formten das Wort Google, darunter war eine breite Zeile.

 

Er tippte auf die Zeile, aber es erschien lediglich wieder eine Reihe an Buchstaben.

 

Geistesgegenwärtig benutzte er die Buchstaben und gab die Worte ‚Batterie an Stromnetzwerk anschließen‘ ein.

 

Fasziniert beobachtete er, wie das Gerät alles zu wissen schien. Sogar ein Bild wurde ihm gezeigt.

 

Er brauchte ein… Kabel, wie es schien. Er spähte durch das Wohnzimmer. Es müsste weiß sein und seltsam aussehen. Er erhob sich hastig, denn schon wieder bedeutete ihm das Gerät, dass die Batterie schwach sei. Er konnte nur annehmen, es wollte gleich schwarz werden! Und das ging nicht, solange er noch zweiter war!

 

In dem Regal, in dem es gelegen hatte, fand er das gesucht Kabel sogar. Er betrachtete sich das Ende. Es war seltsam geformt, besaß zwei steile metallene Spitzen, und am anderen Ende war eine flache, schmale Kante. Er drehte das Gerät in seinen Händen und fand an der Unterseite eine Aussparung. Sollte das Kabel dort passen?

 

Er war wieder einmal fasziniert, wie haargenau es tatsächlich passte.

 

Sein Blick fiel auf den Boden, an die Wand.

 

Steckdose, dachte er dumpf. Er suchte den Boden ab, und fand am anderen Ende eine Leiste mit diesen Löchern, in welche wohl die metallenen Spitzen passen würden. Er hockte sich hin, und mit angehaltenem Atem steckte er die Spitzen in die Löcher.

 

Das Gerät leuchtete plötzlich heller.

 

War es das?

 

‚Lädt‘, wurde ihm plötzlich angezeigt.

 

Ah.

 

Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen die Wand. Das Kabel ließ ihm nicht genug Platz. Noch immer war er bei dem Google-Wort. Wie kam er dort wieder weg? War das das Internet, fragte er sich unwillkürlich?

 

Er tippte wieder auf die Zeile unter dem Wort.

 

Seine vorherigen Worte waren verschwunden und er schrieb das Wort Zauberer.

Angeblich wurden ihm fünf Millionen Treffer angezeigt. Ein Bild wurde ihm gezeigt, von einem Jungen in einem lächerlichen Zaubererhut. Viel zu groß, viel zu bunt.

 

‚Auf YouTube anzeigen?‘, fragte das Gerät, und er hatte keine Ahnung, was ein Youtube war. Er berührte die Fläche mit dem Bild, und das Bild wechselte. Und fast hätte er das Gerät fallen gelassen, als ein Fenster erschien – und der Junge sich dort drin bewegte! Er sprach!

 

„Hallo?“, sagte Draco verwirrt, aber der Junge schien nicht mit ihm zu sprechen. Sah er ihn überhaupt? Er erzählte von Halloween und der perfekten Verkleidung als Zauberer.

 

Dracos Mund stand offen. Neben dem bewegten Bild mit dem Jungen wurden ihm weitere Bilder gezeigt. Sie wurden Videos genannt. Wie hypnotisiert berührte er die nächsten Bilder, die nächsten Videos.

 

Und keiner dieser Menschen schien ihn sehen zu können!

 

Draco hatte keine Ahnung, was es war, aber es kam Magie schon ziemlich nahe, fand er beunruhigt. Vor allem konnte er es nicht weglegen.

 

Er wollte nicht mal.

 

~*~

 

„Penelope Clearwater?“, wurde sie aufgerufen, und Pansy folgte ihr kopfschüttelnd.

 

„Ernsthaft? Penelope Clearwater?“, wiederholte sie spöttisch, während Hermine der Schwester eilig folgte. „Ein anderer Name ist dir nicht eingefallen?“, fuhr Pansy zischend fort, während die Schwester ihnen bedeutete in einem Zimmer zu warten.

 

„Was hätte ich sagen sollen? Meinen Namen?“, fuhr Hermine sie flüsternd an.

 

„Ahem – ja?“, schlug Pansy ihr entgeistert vor, aber Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Hermine Granger ist schon ein Name, den jeder kennt. Und wenn ich mich Hermine Malfoy nenne, dann werfen die mich doch raus!“, erklärte sie gepresst, nachdem die Schwester gegangen war und eine Heilerin angekündigt hatte.

 

„Das ist Wahnsinn“, bemerkte Pansy. „Lucius und Narzissa rasten aus!“, versprach Pansy ihr kopfschüttelnd.

 

„Mir egal“, erwiderte sie trotzig.

 

„Einen schönen guten Tag. Sie haben Glück, mich auf Bereitschaft zu erwischen, Miss Clearwater. Mein Name ist Heilerin Hester, und die Schwester sagte mir, Sie wären schwanger?“ Pansy saß mit verschränkten Armen neben ihr. Hermine nickte nur.

 

„Ja, bin ich. Danke, dass Sie Zeit für mich haben“, ergänzte sie höflich.

 

„Sie wollen die Schwangerschaft rückgängig machen?“, erkundigte sich die Heilerin, die sich Notizen machte.

 

„Äh… ja“, sagte Hermine nickend.

 

„Es war also unbeabsichtigt?“, vergewisserte sich die Heilerin. Hermine ignorierte Pansys mahnenden Blick


„Ja“, bestätigte Hermine erneut.

 

„Sind Sie volljährig?“, wollte die Heilerin anschließend wissen, ohne aufzublicken.

 

„Ja“, wiederholte Hermine voller Überzeugungskraft, was sie alles bereits den Schwestern unten erklärt hatte und mit Übergabe ihres Zauberstabs hatte bestätigen müssen.

 

„Wieso wollen Sie die Schwangerschaft rückgängig machen?“, wollte die Heilerin freundlich wissen, und Hermine atmete aus.


„Ich… bin zu jung. Es war… ein Versehen, und…-“

 

„-Ihre Eltern wissen davon nichts?“, vergewisserte sich die Heilerin nun, und Hermine schüttelte heftig den Kopf.

 

„Nein! Absolut nicht! Ich… will auch nicht, dass sie es erfahren!“, beteuerte sie, und Pansy atmete hörbar aus.

 

„Ihre Freundin ist hier zur Unterstützung?“, erkundigte sich die Heilerin schließlich mit einem entsprechenden Blick, und Pansy nickte grimmig.

 

„Mehr oder weniger, ja“, bestätigte Pansy mit verschränkten Armen vor der Brust.

 

„Miss Clearwater, haben Sie mit dem Vater des Kindes darüber gesprochen?“, wollte die Heilerin anschließend wissen, und Hermine verzog den Mund. Einfach weiter lügen. Es konnte jetzt nichts mehr schaden.

 

„Ja, er… er sieht das genauso wie ich. Bitte, können Sie mir helfen?“

 

„Ich… kann Ihnen das nicht sofort versprechen. Ich werde mit Ihnen einige Tests machen müssen. Ob Sie tatsächlich schwanger sind, ob Sie sich wirklich sicher sind, ob Sie sich den Konsequenzen bewusst sind, ob-“

 

„-ich bin mir sicher!“, unterbrach sie die Heilerin hastig.


„Ich werde mir das ganze einmal ansehen, und dann entscheiden wir. Bitte legen Sie den Mantel ab, ich mache einen Organismus-Zauber, sehe mir an, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten ist, und was wir tun können.“

 

Nicht lange fortgeschritten, dachte Hermine dumpf, während sie sich erhob und den Mantel ablegte.

 

„Bitte den Pullover hochschieben“, befahl die Heilerin, und Hermine folgte dem Befehl zu gerne. Die Heilerin wandte stumm die Formel an, und blaue Linien wanderten über ihren Bauch.

 

„Hm-hm“, machte die Heilerin anschließend. „Ja, Sie sind schwanger, allerdings… ist das…“ Sie zögerte, und Hermine sah sie an.

 

„Was?“, entfuhr es ihr, während auch Pansy sich weiter vorgelehnt hatte.

 

„Ich kann Ihnen nicht helfen“, erklärte die Heilerin anschließend mit einem entschuldigenden Blick.

 

„Was? Wieso nicht? Ich kann noch nicht lange schwanger sein! Und ich versichere Ihnen, ich habe mir ausreichend Gedanken gemacht. Ich bin mir absolut sicher! Keine Zweifel!!“, beteuerte sie. Die Heilerin schüttelte dennoch den Kopf.

 

„Sie sind gesperrt. Zumindest für mich“, ergänzte sie. Hermine starrte sie an.

 

„Was?“, entfuhr es ihr, denn sie verstand nicht.

 

„Reinblüterin?“, erkundigte sich die Heilerin mit eindeutig erhobener Augenbraue.

 

„Ich bin Muggel“, erwiderte Hermine sofort. Die Heilerin hob eine Augenbraue entsprechend in die Höhe.

 

„Sind Sie völlig sicher, Miss Clearwater?“, wollte die Heilerin stirnrunzelnd von ihr wissen.

 

„Ja!“, entfuhr es Hermine gereizt.

 

„Der Embryo ist mit einem Zauber geschützt, um es laienhaft auszudrücken, Miss Clearwater“, erklärte die Heilerin anschließend. „Der goldene Schimmer hier verbietet mir jede Art von Eingriff, der den Embryo gefährden würde“, schloss sie kopfschüttelnd.

 

„Diese verdammte Schlange“, murmelte Hermine zornig und dachte an die hinterhältige Heilerin von heute Morgen.

 

„Entschuldigung?“, sagte die Heilerin, aber Hermine ruckte nur mit dem Kopf.

 

„Wie kann man das umgehen? Oder wie kann man die Sperrung lösen?“ Die Heilerin sah sie mittlerweile misstrauisch an.

 

„Ich verstehe nicht, wie Sie das meinen“, begann die Heilerin, als spräche Hermine Chinesisch.

 

„Ich bin schwanger und will es nicht“, erklärte Hermine noch einmal, aber die Heilerin zog den Zauberstab zurück. Ihr Bauch nahm wieder Hautfarben an.

 

„Miss Clearwater, hier hat ein Schwangerschaftszauber stattgefunden, welchem Sie zugestimmt haben, durch magischen Ehevertrag“, erklärte sie langsam, als hielte sie Hermine nicht mehr für ganz zurechnungsfähig. „Deshalb ist es für mich vollkommen unmöglich, irgendetwas zu tun“, schloss sie streng.

 

Hermines Mund öffnete sich perplex. „Aber es muss einen Weg geben“, flüsterte sie panisch.

 

„Wenn Sie geschieden sind, verschwindet die Sperrung“, erwiderte die Heilerin missbilligend, und Hermine atmete unglücklich aus.

 

„Und mit schwarzer Magie?“, versuchte es Hermine auf einem anderen Weg, aber der missbilligende Blick der Heilerin sprach endlose Bände.

 

„Entweder Sie fügen sich Ihrem scheinbar selbst gewählten Schicksal, Miss Clearwater, oder sie wählen die Scheidung“, erklärte die Heilerin, und sprach den falschen Namen aus, als traue sie Hermine keinen Meter weit.

 

Ergeben seufzte Hermine.

 

„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit“, sagte sie enttäuscht, und die Heilerin öffnete die Tür des Behandlungszimmers mit echter Entrüstung und Ablehnung. Ja, ja. Hermine wusste selber, wie es aussah. Sie war nicht blöd. Pansy folgte ihr, ein wenig feixend.

 

„Ich hab’s dir gesagt“, behauptete Pansy scheinheilig.

 

„Schon gut“, murrte Hermine. Was für eine Schande. Sie konnte nicht glauben, wie dieser Tag ausgegangen war. Dann brauchte sie eine Scheidung, nahm sie bitter an. Nicht, dass diese nicht ohnehin geplant gewesen war, aber Hermine hatte nichts erreicht.

Bisher hatte sie sich lächerlich gemacht und Malfoy hatte lediglich eine Handvoll Ärger und Hausarrest bekommen.

 

Keine Ausbeute.

 

Das war… gar nichts.

 

Dieser Ehevertrag konnte unmöglich so wasserdicht sein. Es musste eine Art… Hintertür geben. Es musste einfach! Gab es nicht immer einer Hintertür?

Es musste einen Weg geben, wie sie das Kind loswurde, ohne dass die Malfoys merkten, dass sie es losgeworden war – und dann blieb sie Malfoys Frau und zerschmetterte die gesamte Gesellschaft – ohne die lästigen Auswirkungen einer Schwangerschaft, die sie ohnehin nicht wollte und für die sie nicht reif genug war.

 

„An was denkst du gerade?“, wollte Pansy unvermittelt von ihr wissen. „Dein Blick macht mir Angst“, ergänzte sie unsicher.

 

„An gar nichts“, log Hermine schlicht, während ihr Blick entschlossener wurde. „Ich finde mich lediglich ab“, schloss sie, während sich in ihrem schlauen Kopf bereits eine Idee formte.

 

„Das ist gut“, bestätigte Pansy, fast erleichtert. „Ich finde, es ist auch überhaupt nicht schlimm. Darauf wurden wir immerhin vorbereitet“, sagte sie, ein wenig monoton, und schien zu vergessen, dass Hermine niemals auf solch eine Knechtschaft vorbereitet worden war.

 

Hermine hasste die Reinblüter alle nur noch mehr.

 

Mit raschen Schritten marschierte sie aus dem Hospital, zurück in die eisige Kälte.

 

Sie würde ihre Eltern besuchen. Denn das wollte sie heute Abend wirklich noch tun.

Morgen wäre Silvester, und morgen würde sie sich um die Hintertür kümmern.

Sie waren Zauberer, verdammt noch mal. Für jeden Spruch gab es ein Gegenstück.

Und sie hatte bereits eine Idee….

 

 

Kapitel 52

 

Fast ärgerte es sie, dass ihre Eltern ihr nicht einmal böse waren, aber eigentlich war sie dankbar. Denn sie hatte sich hier wirklich einen Patzer erlaubt. Sie hatte den Geburtstag vergessen, und hatte nicht mal eine gute Begründung. Keine zumindest, die ihre Eltern verstehen würden, nahm sie an.

 

„Musst du wieder zurück?“, fragte ihr Vater betrübt, während er seine Zeitung sinken ließ, aber Hermine ruckte mit dem Kopf. Ja, musste sie. Sie hatte noch einiges zu lesen. Und sie hatte nicht so viel Zeit. Aber sie fand, ihr Kopf ignorierte recht gut, dass sie schwanger war. Ihr war am Rande aufgefallen, dass sie den Wein, den ihre Mutter ihr angeboten hatte, nicht angenommen hatte. Weil sie apparieren musste, hatte sie gesagt.

 

Hatte sie auch gemeint. Aber teilweise hatte sie auch abgelehnt, weil… weil sie schwanger mit einem Kind war, was sie ohnehin entfernen wollte. Ja. Es war absurd, stellte sie fest.

 

„Minchen, deine Haare“, jammerte ihre Mutter, als sie ebenfalls ins Wohnzimmer kam, wo Hermine gemütlich auf ihrem ursprünglichen Platz gesessen hatte. Mit Schrecken erkannte Hermine, dass ihre Mutter eine Haarbürste in den Händen hielt.

 

„Mum!“, beschwerte sich Hermine, aber ihre Mutter setzte sich neben sie. „Ich kann meine Haare selber kämmen“, murrte sie, aber ihre Mutter bedeutete ihr bereits, sich auf der Couch umzudrehen. Widerwillig folgte Hermine.

 

„Ja, das sehe ich, Schatz“, bemerkte ihre Mutter. „Du siehst müde aus“, fuhr sie besorgter fort.

 

„Es… ist nichts. Es war… einfach aufregend, die letzte Woche“, sagte sie. Aufregend war kein Wort für die Hölle, die sie durchlitt, überlegte sie dumpf. Und dass sie in einem Zelt geschlafen hatte, tat ihrem strahlenden Teint wohl nicht gerade gut. Sie war bitter geworden. Aber wer wäre das nicht?

 

„Das glaube ich. Du und Draco könnt gerne morgen zu uns kommen. Wir feiern nur sehr klein Silvester“, erklärte ihre Mutter, während sie die untersten Knoten aus Hermines Haaren kämmte, so wie sie es früher getan hatte, als Hermine noch klein gewesen war. Hermine verzog schmerzhaft den Mund.

 

„Au – nein, danke, Mum“, lehnte sie ab, obwohl sie früher immer gerne zuhause gewesen war. „Ich kann es selber!“, sagte Hermine wieder, wollte sich die Bürste greifen, aber ihre Mutter legte ihr die Hand auf die Schulter.

 

„Lass mich einfach machen“, beschwichtigte sie, wie nur Mütter es könnten, und es war nicht so demütigend wie Hermine gedacht hatte, dass ihre Mum ihre Haare kämmte.

Sie fühlte sich sogar ziemlich wohl hier. Niemand schrie, sie musste keine Rachepläne ersinnen, sie musste nicht aufpassen, sich zu verraten, nicht darauf achten, dass Psychologen und Heiler ein und aus marschierten – sie merkte erst jetzt, wie sie sich entspannte und wie müde sie eigentlich wirklich war.

 

„Was hast du heute gemacht?“, fragte ihr Vater über den Rand der Zeitung hinweg, während der Kamin ruhig prasselte. Der Topf mit Flohpulver auf dem Sims wirkte in dem Muggelhaus mit den Lampen, die mit Elektrizität funktionierten, den Küchengeräten, der Spülmaschine, die lief, dem Fernseher, dem schnurlosen Telefon auf dem Tisch, so seltsam fehl am Platze, dass Hermine schmunzeln musste. Es war Wehmut, den sie verspürte. Und es war traurig.

 

Sie vermisste alles.

 

„Pansy und ich waren in der Stadt“, erzählte sie eine Halbwahrheit. „Wir haben Ginny und Harry und Ron getroffen“, fuhr sie halbherzig fort.

 

„Schön! Was machen die drei morgen?“, wollte ihre Mutter wissen. Und Hermine Kehle schnürte sich zu.

 

„Sie… sie feiern Silvester“, murmelte Hermine betrübt. „Im Fuchsbau“, ergänzte sie, und auch bei diesem Wort erfasste Schwermut ihre Gedanken.

 

„Und du und Draco werdet dort sein? Oder bleibt ihr Zuhause?“, erkundigte sich ihre Mutter, während sie ihre Strähnen mittlerweile sanft und ohne Widerstand kämmen konnte. Hermine genoss diese seltsame Verbundenheit.

 

„Äh…“, machte sie, denn Malfoy hatte Hausarrest. Und er würde wohl eher tot als lebendig bei den Weasleys auftauchen, und sie würde ihn niemals mitnehmen wollen. „Wir werden zuhause bleiben“, sagte sie stiller.

 

„Na ja, ihr seid ja auch frisch verheiratet, und deine Schwiegereltern haben auch ein makelloses Haus. Ich bin sicher, die Elfen werden ein Festmahl kochen“, sagte ihre Mutter, und Hermine hörte es. Auch ihre Mutter war ein wenig bitter. Vielleicht, weil Hermine nicht mehr hier war, weil sie bei den Malfoys wohnte.

 

„Es tut mir leid, Mum“, sagte sie jetzt aufrichtig, und ihre Mutter legte die Bürste beiseite. Es tat ihr alles so leid!

 

„Ach, Unsinn, mein Schatz“, erklärte ihre Mutter kategorisch. Sie legte ihr den Arm um die Schultern. „Es hat schon alles seine Richtigkeit. Nur bist du eben noch so jung, Hermine“, erklärte sie seufzend. „Du bist doch noch mein kleines Minchen, und schon hast du einen Mann, den du liebst, und wohnst nicht mehr Zuhause. Es war schon so schlimm, als du nach Hogwarts musstest, und nach der Schule nicht mehr nach Hause kamst“, sagte sie kopfschüttelnd, und Hermine biss die Zähne fest zusammen.

 

Aber eine Träne fiel doch auf ihre Wange. Sofort weiteten sich die Augen ihrer Mutter besorgt. „Hermine! Was ist denn, mein Liebes?“ Sofort schloss sie sie in ihre Arme, und Hermine lehnte den Kopf gegen die Schulter ihrer Mutter. Es war lange her, dass sie solch eine liebevolle Geste gespürt hatte. Sehr lange.

 

Sie wollte ihr sagen, dass sie ihn nicht liebte. Dass sie eine Dummheit angestellt hatte, dass sie nach Hause wollte, aber dass sie schwanger war, dass sie gefangen in einer Ehe war, dass sie Angst hatte, gar nichts ändern zu können…- aber sie sagte es nicht.

 

„Ich bin nicht Schulsprecherin geworden“, schluchzte sie stattdessen, und ihre Mutter streichelte sie beruhigend.

 

„Mein Schatz, das haben wir uns schon gedacht“, merkte ihre Mutter über ihren Kopf hinweg an.

 

„Das ist doch kein Weltuntergang“, brummte ihr Vater, der sich erhoben hatte, und nun auch neben ihr auf der Couch saß und sie von hinten umarmte. „Mach dir keine Gedanken. Es bedeutet überhaupt nichts, ob du ein blödes Abzeichen trägst oder nicht.“

 

Hermine weinte noch mehr, denn es war jetzt der einzige Moment, in dem sie es sich erlauben konnte.

 

„Ach, Liebes, du warst immer so strebsam. Der Schulleiter wird schon gute Gründe gehabt haben“, beruhigte sie ihre Mutter weiter.

 

Noch eine Weile, ließ sich Hermine trösten. Noch eine Weile versank sie in Selbstmitleid, und dann riss sie sich wieder zusammen. Sie erhob sich ein wenig steif von der gemütlichen Couch. Wenn sie jetzt nicht ging, ging sie nie mehr, sagte sie sich betrübt.

 

„Ich muss los“, entschuldigte sie sich seufzend.

 

„Bist du sicher? Dein Bett ist frisch bezogen, die Kuscheltiere warten alle“, versuchte sie ihre Mutter lächelnd zu locken. Hermine verdrehte die Augen.

 

„Das ist nett, aber danke. Ich muss wirklich-“

 

„-schon gut, schon gut. Und nimm es dir nicht zu Herzen! Wir wollen nur, dass du glücklich bist. Wir brauchen kein Abzeichen, Hermine“, erinnerte sie ihre Mutter mahnend. „Grüß Narzissa und Lucius. Und natürlich deinen Mann“, ergänzte sie zwinkernd. Hermine nahm es zur Kenntnis. Ihr Vater drückte sie noch einmal feste an sich.

 

„Komm vorbei, bevor du nach Hogwarts musst“, raunte er. „Dann spielen wir eine Runde Schach“, schlug er vor, und Hermine nickte dankbar.

 

„Gerne, Dad“, flüsterte sie. „Macht es gut“, rief sie ins Wohnzimmer zurück, während sie im Flur den Mantel überzog und feststellte, wie viel besser ihre Haare gekämmt doch aussahen. Kopfschüttelnd verließ sie das Haus. Sie konnte sich nicht mehr so gehen lassen. Plan hin oder her. Die Kälte empfing sie, und Hermine wollte am liebsten zurück in die Wärme des Hauses.

 

Aber sie apparierte in den Schnee, drehte sich lange um sich selbst, und landete dann an den Toren des Grundstücks, was versteckt zwischen Wald und Feldern lag. Vom Herrenhaus schien das Licht zu ihr hinüber, während sie durch den Schnee eilte. Das Zelt stand noch immer im Garten, aber Hermine schlug den Weg zum Haus ein.

 

Auch dort brannte Licht. Er war da. Wo sollte er auch sein, dachte sie dumpf.

 

Resignierend kam sie an und öffnete die Tür. Sie fühlte sich erschöpft. Erschöpfter als jemals zuvor. Es roch nach… Chinesischem Essen stellte sie fest. Sie runzelte die Stirn. Sie ging durch den Flur, legte ihren Mantel ab, trat sich die nassen Schuhe von den Füßen und betrat das Wohnzimmer. Leere Kartons türmten sich auf dem Wohnzimmertisch, während sie ihn nicht entdecken konnte. Sie hörte Geräusche. Sprach jemand? Sang jemand?

 

Langsam folgte sie dem Klang, schritt um die Couch und fand ihn, mit noch mehr Essen auf dem Boden, an die Wand gelehnt, das iPad in der Hand, während es an den Strom angeschlossen war. Ihr Mund öffnete sich. Er hob kaum den Blick.

 

„Du bist nicht mehr auf dem ersten Platz. Nicht, dass es ein Problem gewesen war, deinen Highscore zu schlagen“, ergänzte er, den Blick wieder gesenkt.

 

„Was… tust du da?“, entfuhr es ihr perplex. Sie hörte, dass er wohl etwas schaute. Ein Video? Wie hatte er das zustande gebracht?!

 

Jetzt hob er recht eindeutig den Blick. Er trug dieselben Sachen von heute Morgen, fiel ihr auf. Auch seine Haare lagen ungekämmt auf seinem Kopf.

 

„Wonach sieht es aus?“, erwiderte er trocken, und sie war zu müde, um sich zu streiten.

 

Er fragte nicht, wo sie war, er fragte nicht, wie es ihr ging. Er war wie immer.

 

„Das scheiß Bild ist so verdammt dunkel“, murmelte er böse. Sie ignorierte, dass er scheinbar seinen gesamten Tag mit einem Muggelgerät zugebracht hatte. Sie kam näher und nahm es aus seiner Hand.

 

„Hey!“, protestierte er, aber sie zog das Kabel raus, fuhr von oben über das Glas und änderte die Helligkeit. Er war aufgesprungen und hatte ihr gespannt zugesehen. Und er schwieg.

 

„Es ist aufgeladen“, informierte sie ihn und gab es ihm zurück. Sie war schon grenzenlos überrascht, dass er überhaupt fertiggebracht hatte, es an den Strom anzuschließen. Und sie wandte sich ab. Kurz blieb sie stehen, und überlegte, ob sie in der Küche etwas zu essen finden würde, aber er hatte sein Eulen-Fast-Food bereits aufgegessen, und sie nahm an, es gab nichts zu essen mehr.

 

Bei ihren Eltern hatte sie Brot gegessen, aber das war es auch schon gewesen, was sie heute zu sich genommen hatte.

 

Egal. Sie würde morgen irgendetwas essen.

 

Aber der Tag war noch nicht vorbei, stellte sie entnervt fest, als sich die Haustür ungefragt öffnete. Lucius war wohl vom Haupthaus rübergekommen. Weil er gesehen hatte, wie sie angekommen war, fragte sie sich unwillkürlich, und wappnete sich innerlich.

 

„Guten Abend“, begrüßte er sie, während Malfoy gleichgültig mit dem iPad in die Küche verschwand, ohne Lucius zu beachten.

 

„Was jetzt?“, wollte Hermine müde wissen. Lucius‘ Stirn runzelte sich kurz, ob ihrer demonstrativen Feindseligkeit. Aber er überwand seine Verwunderung schnell.

 

„Sie waren heute nicht erfolgreich, nehme ich an?“, kam er direkt zum Punkt, und er fixierte sie ausgiebig, während sie schwieg. „Sie müssen sich keine Mühe mehr geben. Wir werden dafür sorgen, dass das Kind entfernt wird“, klärte er sie auf.

 

Das war eine Überraschung. Und was sollte das heißen?

 

„Und wie das?“, fragte sie ruhiger.

 

„Sie weigern sich, ein Kind zu bekommen, so steht es aber im Vertrag, damit brechen Sie eine der Regeln, und mir steht es frei, Sie damit aus dem Vertrag zu löschen“, erklärte er kühl.

 

Sie starrte ihn an.

 

„Was soll das heißen?“, entfuhr es ihr überrascht.

 

„Ich annulliere die Ehe“, erklärte er lediglich. „Sie sind nicht würdig“, ergänzte er lapidar. Ihr Mund hatte sich geöffnet. Und sie entschied sich schnell.

 

Sehr schnell. So schnell sie eben konnte.

 

„Ich habe meine Meinung geändert“, sagte sie fest.

 

„Was?“, fragte er jetzt, ein wenig aus der Bahn geworfen. Dann atmete er langsam aus.

„Sie haben Ihre Meinung geändert? Sie wollen das Kind?“, vergewisserte er sich, mehr als ungläubig. Sie erkannte den Schatten im offenen Türrahmen der Küchentür, aber unbeirrt nickte sie.

 

„Ja, das will ich“, log sie ungerührt. Lucius atmete aus, fuhr sich über die Augen und nickte anschließend.

 

„Ich würde es mir einiges kosten lassen, Hermine“, erklärte er ruhiger, aber sie musste lächeln.

 

„Wirklich?“, erkundigte sie sich. „Sie wollen mich nun bestechen, mit dem Vermögen, von dem ich doch keine müde Münze bekommen sollte?“, bohrte sie weiter, und Lucius wirkte gereizt.

 

„Ich und Narzissa-“, begann er, aber Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„-das Gästehaus, die Hochzeit, die Kleider, die Kochkurse, der Tanzunterricht? Narzissa hat doch dafür gesorgt, dass ich schwanger werde, und jetzt hat sie plötzlich genug davon?“ Und fast war Hermine zufrieden. Denn sie war nicht Glück, was sich die Malfoys ins Haus geholt hatten. Sie war der Albtraum.

 

„Ja, und jetzt ist es vorbei“, kürzte Lucius ihre Worte ab. Überlegen sah sie ihn an.

 

„Bis jetzt entspreche ich jeder einzelnen Klausel Ihres Vertrags. Und es gibt keinerlei rechtlichen Grund, mich loszuwerden, oder Mr. Malfoy? Sie zwingen Ihren Sohn, mit sämtlichen Konsequenzen zu leben, also lege ich Ihnen nahe – leben Sie jetzt mit dieser Konsequenz.“

 

Kurz herrschte Stille. Sie sah die Muskeln in seinem Gesicht arbeiten, sah ihn verarbeiten, sah, wie er diese Informationen verwertete.

 

„Sie denken, ich gebe auf?“, fragte sie ihn jetzt, die Stimme gesenkt. „Sie denken, das hier wirft mich aus der Bahn?“, wollte sie auffordernd von ihm wissen, und deutete auf ihren flachen Bauch. Er fixierte sie böse.

 

„Sie wollen das genauso wenig wie wir“, knurrte er jetzt.

 

„Und Sie wollen mich bestechen, zu verschwinden“, beantwortete sie seinen Vorwurf abschätzend.

 

„Sie gehören hier nicht hin, Hermine. Es ist genug angerichtet worden!“

 

„Mr. Malfoy, bei allem Respekt, Sie können Sich Ihr Gold in die Haare schmieren“, erwiderte sie lächelnd. „Ich bleibe, wo ich bin. Ich bleibe bei Ihrem Sohn, und wenn es ihn umbringt. Ich bleibe genau hier, wo Sie mich sehen können“, drohte sie nun, ohne jede Furcht, ohne jede Scheu. „Wo Sie Ihre Fehler alle aus nächster Nähe begutachten und bewerten können und vor schlaflosen Nächten weder ein noch aus wissen werden“, schloss sie.

 

„Was soll das sein?“, blaffte er gepresst. „Der Fluch der Muggel-Frau?“, entfuhr es ihm zornig. „Sie machen einen Fehler. Und Sie werden nicht bleiben. Es gibt Mittel und Wege“, drohte er nun.

 

„Wenn Sie vorhaben, mich zu vergiften, schlage ich vor, Sie benutzen ein Gift, dessen Spuren man nachträglich nicht nachvollziehen kann, Mr. Malfoy. Wenn Sie vorhaben, mich loszuwerden, lassen Sie sich besser etwas anderes einfallen, als schlichte Erpressung. Und wenn Sie denken“, fuhr sie mit bösem Blick fort, „dass Sie mich ersetzen können, mit einer ‚würdigeren Kandidatin‘“, deutete sie nun seine Worte von vorhin, „würde ich vorher ein kurzes Gespräch mit Ihrem Sohn führen, denn so wie es scheint, wird er von allen nach Strich und Faden verarscht und vorgeführt-“

 

„-Miss Granger-!“, entrüstete sich Lucius jetzt empört und schien ihren neuen Nachnamen zeitweilig vergessen zu haben.

 

„-ich habe nicht vor, diesen Platz zu räumen, und wenn ich draußen in einem Zelt erfrieren muss! Ich schlage vor, Sie ziehen sich hinter die feindlichen Linien zurück und beratschlagen sich erneut mit Ihrer Frau, dessen Liebe zu mir wohl rapide abgekühlt ist, wie ich annehmen kann?“, wagte sie nun zu fragen, und sie nahm an, sie wusste auch, warum. Sein Blick war verschlossen, aber der Zorn in seinen Augen sprach Bände. „Oh, und mein Name ist Malfoy, Lucius“, schloss sie kalt, und schließlich entspannten sich seine Züge.

 

„Das hier ist noch nicht vorbei“, warnte er sie, wie man ein Kind vertrösten würde, wenn man keine Zeit mehr hatte, weiter zu diskutieren. Er verließ das Haus mit geballten Fäusten.

 

Sie atmete aus. Ihr Herz schlug schnell. Sie wandte den Blick in Richtung Küche, wo Malfoy relativ gelassen im Türrahmen lehnte. 

 

„Nach Strich und Faden verarscht und vorgeführt?“, wiederholte er gedehnt ihre Worte. Sie schluckte schwer. „Was habe ich eigentlich alles verpasst?“, wollte er jetzt wissen. „Es herrscht auf einmal Krieg zwischen dir und meinen Eltern? Was hast du getan? Narzissa war doch pro Schlammblut“, entfuhr es ihm bitter.

 

„Das Schlammblut hat Zähne und scharfe Kanten“, erklärte sie ungerührt, während das Wort immer wieder grausam und bitter schmeckte. Aber sie wollte ihm nicht die verdammte Genugtuung geben, zu sehen, dass es sie tatsächlich verletzte. Selbst aus seinem Mund! Seine Augenbraue hob sich langsam.

 

„Kommt jetzt der Punkt, wo du mir sagst, dass du schwanger bist?“, fragte er fast resignierend. „Oder schweigen wir das tot?“, fuhr er müde fort. Sie sah ihn an, wie er vor ihr stand, in Trainingshose und Slytherin-Shirt. Er war ein Junge. Einfach nur ein Junge.

 

„Ich bin schwanger“, räumte sie zerknirscht ein. Er verzog den Mund.

 

„Und jetzt?“, fragte er tatsächlich, ohne großartig schockiert zu klingen.

 

Sie schwieg aber. Denn sie hatte die Wahl, ihm zu sagen, dass sie es loswerden würde, dass er ihr dabei helfen könnte. Sie glaubte aber nicht, dass es helfen würde. Sie hatte schon versucht, mit ihm zusammenzuarbeiten, und es war schief gelaufen. Und sie nahm an, es wäre schlimmer, wenn er glaubte, er würde tatsächlich Vater werden. Trauer erfüllte sie wieder und sehnsüchtig dachte sie an das Haus ihrer Eltern zurück.

 

„Verflucht großartig“, entfuhr es ihm gereizt, während er zurück ins Wohnzimmer kam, das Tablet auf das Sofa warf, um dann nach oben zu verschwinden. Ohne ein weiteres Wort.

 

Ja, für ihn war es eine neue Information. Und sie wusste nicht, wie er sonst hätte reagieren sollen, dachte sie unwillkürlich. Hatte sie geglaubt, er würde sie fragen, wie sie sich fühlte? Hatte sie geglaubt, er würde im Ansatz auch nur etwas Ähnliches wie Verantwortung verspüren? Dass er tatsächlich reflektiert genug dachte, um nicht nur ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben? Dass es sein Sperma war, was es möglich gemacht hatte? Nicht, dass es wichtig war, denn sie würde sich kümmern. Aber… sie hatte eigentlich überhaupt nichts von ihm erwartet. Denn… dass er tatsächlich zeigte, dass ihn irgendetwas interessierte setzte voraus, dass er sich weiterentwickelte. Dass er bereit war, irgendetwas zu tun.

 

Und dann hätte sie ja schon einen Fortschritt im Hinblick auf ihn gemacht.

 

Hatte sie aber nicht.

 

Und sie setzte sich auf die Couch. Das Haus war vollkommen still. Keine Geborgenheit. Keine Nähe. Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Die Hände ruhten auf ihrem flachen Bauch.

 

„Tut mir leid“, flüsterte sie in die Stille hinein. „Du bist noch nicht mal da, und du musst schon wieder gehen“, sagte sie sanft und streichelte ihre Bauchdecke. „Es tut mir wirklich leid“, wiederholte sie, mit Tränen in den Augen. „Mach es dir nicht gemütlich, ok?“, wisperte sie.  „Aber ich bin keine Mutter von einem Malfoy“, schloss sie kopfschüttelnd. „Jemand anders wird kommen. Und… bitte verzeih mir.“

 

Sie kam sich albern vor, alleine auf der Couch zu sitzen, und mit einer winzigen Eizelle zu reden, die weder selber denken noch hören oder verstehen konnte.

Aber sie kam sich schäbig vor, gar nichts zu sagen. Sie kam sich schlecht vor, wenn sie entschied, das Kind loszuwerden, ohne sich zu erklären. Dem Kind gegenüber.

Ohne darzulegen, dass es richtig war, was sie tat.

 

Sie schloss die Augen, während eine winzige Träne ihre Wange hinab rann. Und mehr Gefühl konnte sie sich hierbei nicht erlauben.

 

~*~

 

Er starrte an die Decke in der Dunkelheit.

 

Sie war schwanger.

 

Wie konnte sie ihm das antun?!

 

Das Schlammblut war schwanger. Nach zehn Tagen!

Das hatte die Heilerin also heute getan. Wieso hatte Granger so etwas zu gelassen?! Wie hatte sie es einfach geschehen lassen können?

 

Und was sollte er jetzt tun? Sein ganzes Leben war zu Ende. Alles war verwirkt. Er könnte sich jetzt genauso gut umbringen, überlegte er zornig.

 

Und über was stritt sie sich mit Lucius? Seit wann wollte sie so unbedingt bleiben? Wieso nahm sie das Bestechungsgold nicht an und packte ihre Sachen? Dann könnte sie das Kind gleichzeitig loswerden! Sie waren achtzehn Jahre alt!

 

Ja, sie war nicht würdig seine Frau zu sein. Was wollte sein Vater jetzt? Eine Reinblüterin aus der Versenkung holen? Wo wollte er die herbekommen? Dann wäre er, Draco, an das nächste Mädchen gebunden. Aber alles wäre besser als Granger! Alles!

 

Er hätte weinen können. Es war alles so furchtbar. Und jetzt war er an sie gebunden. Was hatte er doch für wunderbares Leben geführt. Alles war gut gewesen. Alles! Dass Granger behauptete, sein Leben wäre nicht gut gewesen, war gelogen!

 

Sein Leben war perfekt gewesen! Tränen der Wut rangen sich aus seinen Augenwinkeln.

 

Und Zorn peitschte durch seinen Körper.

 

Denn jetzt war es egal.

 

Jetzt gab es keinen Grund mehr, warum er noch überhaupt irgendwelche geheuchelten Höflichkeiten an den Tag legen sollte. Er war Draco Malfoy.

 

Es saß im Bett, schlug die Decke zurück, und machte sich nicht einmal die Mühe, sich ein Shirt überzuziehen.

 

Sie wollte ihn quälen?

 

Dann würde er das auch tun. Sie war das Objekt. Ganz bestimmt nicht er.

 

Zornig hatte er die Zimmertür aufgerissen. Im Dunkeln schritt er über den weiten Flur.

 

Zu ihrem Zimmer.

 

Der Luxus hatte ein Ende.

Sie würde nicht mehr alleine schlafen.

 

Fast hatte er geglaubt, die Tür wäre verschlossen, aber sie sprang unter seiner zornigen Geste mühelos auf. Seine Brust hob und senkte sich wütend, aber er war alleine in ihrem Schlafzimmer. Von Zorn getrieben wandte er sich ab, nahm die Treppe im Dunkeln nach unten, und spähte in das dunkle Wohnzimmer.

 

Nicht wirklich, dachte er gereizt. Das war nicht ihr Ernst!

 

Mit schnellen Schritten war er an der Tür, stieg in seine Stiefel, ohne sie zu schnüren, zog sich seinen Mantel über die bloße Brust, riss die Tür auf und verließ sein Haus. Seine Tritte knatschten im weißen Schnee, der die Nacht erhellte. Er wischte sich die Strähnen aus der Stirn, die der Wind in seine Augen wehte. Er zitterte, aber es war scheiß egal!

 

Sie hatte nicht das verdammte Recht!

 

Er erreichte ihr scheiß Zelt und knüpfte mit zornigen Bewegungen die Bänder auf, die den Eingang verschlossen.

 

Wärme schlug ihm entgegen, von dem kleinen Ofen, der leuchtend hell brannte.

 

Sie saß aufrecht auf dem Feldbett und sie starrte ihn mit großen Augen an. Sie schien geschlafen zu haben, und wütend zog er sich den Mantel von den Schultern. Ihr Blick wanderte kurz über seinen nackten Oberkörper.

 

„Was zur-?“, entfuhr es ihr schlaftrunken, aber er achtete nicht auf ihre Worte. Und es musste etwas in seinen Augen sein, was sie plötzlich wachsam werden ließ. Ehe sie reagieren konnte, hatte er ihren Zauberstab vom Boden geklaubt, den sie wohl mit einem Hechtsprung hatte erreichen wollen.

 

Ohne ihn aus den Augen zu lassen, starrte sie ihn an. Die sanfte Panik lag hinter ihren dunklen Augen. Achtlos warf er den Zauberstab hinter sich, während er sich die Stiefel von den Füßen trat.

 

Er sprach nicht, denn er hatte keine Lust mehr, zu sprechen.

Nach Strich und Faden verarscht und vorgeführt, dachte er zornig. Ja, und Granger gehörte zu denen, die das hervorragend konnten!

Er musste überhaupt nichts sagen. Er war der Mann in diesem Haus. Er war Reinblüter, und das bedeutete, dass alles verflucht noch mal nach seinem Willen funktionierte. Und ganz bestimmt nicht nach ihrem!

 

Sie versuchte, aus dem Bett zu hechten, aber er packte sie an den Schultern und warf sie grob zurück auf die schäbige Matratze, so dass das altersschwache Feldbett knirschte. Ihr Blick hob sich. Die Angst trat deutlicher hervor.

 

„Malfoy, nicht“, sagte sie tonlos, schüttelte den Kopf, und versuchte erneut, zu entkommen, aber er stand direkt vor dem Feldbett und ergriff ihren Oberarm. Und alle Motorik, die er anwandte, funktionierte, ohne sein Zutun. Grob hielt er sie, hart zerrte er an ihrem Schlafanzugoberteil, zwang es ihren Körper empor, während sie sich mittlerweile wehrte, ihn schlug und um Hilfe schrie.

 

Niemand würde sie hören, dachte er dumpf, während er sie zurück auf die Matratze warf.

 

Hatte sie ihn nicht erst vor ein paar Tagen geküsst? Hatte sie es nicht so dringend gewollt?

Und jetzt war es egal. Er musste keine Rücksicht mehr nehmen. Es gab keine Astoria mehr. Es gab gar nichts mehr, außer dieses widerliche Mädchen vor ihm, was er mehr verabscheute als seine Mutter und seinen Vater zusammen.

Das Mädchen, was ihm alles genommen hatte! Seine Zukunft und sein Glück.

 

Sie trug ein dünnes Shirt mit dünnen Trägern, und er erkannte die Gänsehaut im Licht des Feuers. Er beugte sich über sie und zerriss ihre dünne Schlafhose mit genug Kraft, während sie nach ihm treten wollte.

 

Und er hielt ihre Handgelenke schließlich still. Und er hielt sie hart in seinen Händen, so hart, dass seine Knöchel weiß wurden. So hart, dass sie wimmerte, dass sie weinte.

 

Unter Tränen schüttelte sie den Kopf, aber er zwang sie mit seinem Gewicht runter. Runter auf die Matratze, und dann stieg er über sie, legte sein Gewicht auf ihres, und sie starrte in sein Gesicht, während sich ein feiner Film Schweiß auf ihre glatte Stirn legte. Aber all die Kraft, die sie gegen ihn anwandte, konnte er nicht mehr spüren. Es beeindruckte ihn nicht.

 

Denn es gab keinen Grund, sie zu verschonen, sie zu bemitleiden, ihr irgendetwas anderes zu wünschen als die Pest an ihren verdammten Hals. Ihre Angst und ihre Panik ließen ihn kalt, zogen an ihm vorbei – denn es berührte ihn nicht. Sie sollte sich nicht so anstellen.

Sie sollte nicht so tun, als hätte sie es nicht gewusst.

 

Denn sie hatte es gewusst. Sie hatte gewusst, wer er war.

Und vielleicht weinte sie auch deshalb. Weil sie es die ganze Zeit gewusst hatte.

 

 

Kapitel 53

 

Ihre Arme zitterten bereits, unter den Anstrengungen, ihn von sich zu schieben. Und ihr Kopf schmerzte. Sie hatte so viel geweint, hatte so schlecht geschlafen, und jetzt zwang er sie hierzu und niemand hörte ihre Schreie!

 

Er lag bereits über ihr, zwang sie, still unter ihm zu liegen, und sie konnte nicht fassen, dass sie es nicht schaffen würde, ihn loszuwerden. Er kam ihr vor, wie in einer gewalttätigen Trance. Er sprach kein Wort, und das machte ihr nur noch mehr Angst.

 

Er ließ eines ihrer Handgelenke los, um seine Hose zu öffnen, und ihr Höschen ihre Beine hinab zu zerren. Und egal, was sie versuchte – sie kam unter ihm nicht weg!

 

Ihre Tränen schienen ihn nicht zu rühren, er schien sie nicht einmal zu sehen.

 

Seine Hände waren kalt. Sein Körper war hart und ungnädig.

 

Sie roch seinen Duft, den sie fast schon vergessen hatte, und ihr ganzer Körper schmerzte von ihrer Abwehr und Ablehnung. Aber kurzerhand zerriss er ihr Höschen, wie er schon ihren gesamten Schlafanzug zerrissen hatte. Ihr Unterkörper war nackt unter ihm. Seine Hose hing halb seine Beine hinab, aber es reichte. Es reichte, damit er sich zwischen ihre bloßen Beine drängen konnte, und wie er eine Erektion haben konnte, war ihr unbegreiflich, denn sie wollte einfach nur schreien und weglaufen vor ihm!

 

Aber er ließ sie nicht. Es war keine Abfindung! Es war keine Resignation! Und auch als er grob in sie eindrang, als sich ihre Körper verbanden, war es keine Erlaubnis, die sie ihm erteilte. Sie wehrte sich weiterhin, drehte ihren Kopf zur Seite, weinte immer noch, und mit jedem Stoß hasste sie ihn mehr. Er hatte ihre Handgelenke losgelassen, vergrub den Kopf keuchend in ihrer Halsbeuge, küsste sie nirgendwo, rammte sich lediglich in größerer Ekstase in sie, dass das Feldbett laut knirschte und quietschte.

 

Ihre Hände hatten sich nutzlos gegen seine bloßen Schultern gestemmt, während er ihren Körper missbrauchte.

 

Sie weinte nicht stumm. Sie weinte laut, drehte ihren Kopf soweit wie möglich von ihm weg, und es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis er kam.

 

Seine Stöße ebbten nach dem letzten Grollen aus seiner Kehle endlich ab, und reglos lag er nun auf ihr, sein scheiß Penis noch immer in ihr.

 

Sie weinte nun stumm, der Blick verschleiert, und sie wollte weg! Weg von ihm! Weg von diesem Ort!

 

Er zog sich aus ihr zurück und legte sich neben sie auf das schmale Bett. Sie rappelte sich hoch, aber er griff lediglich mehr als geistesgegenwärtig nach ihrem Arm.

 

„Ich bin noch nicht fertig“, informierte er sie heiser. „Wenn du gehst, werde ich dir einfach folgen, also bleib, wo du bist“, knurrte er unfreundlich und böse.

 

Sie sah auf ihn hinab. Mit einem groben Ruck zog er an ihrem schmerzenden Arm, und sie fiel neben ihn, unbequem eingequetscht zwischen ihm und der Zeltwand, während sie die klebrige, zähe Flüssigkeit zwischen ihren Beinen spürte. Es tat weh.

 

„Ich hasse dich“, flüsterte sie, aber er schwieg neben ihr.

 

Sie blinzelte mit großen Augen an die Decke, starrte ins Leere, und wartete, dass die Schmerzen in ihrem Körper verschwanden. Die Schmerzen der Gegenwehr, aber auch die Schmerzen der Enttäuschung und Wut. Der Scham und Aussichtslosigkeit.

 

Er war neben ihr eingeschlafen. Vorsichtig versuchte sie, aufzustehen, aber er merkte es und reagierte, ob im wachen oder im bewusstlosen Zustand, und drehte sich, so dass sein schwerer Arm besitzergreifend über ihr lag. Reglos lag sie auf dem Rücken unter seinem Arm.

 

Sie machte ihre Augen nicht zu, in dieser Nacht.

 

Der Ofen brannte mit einem Dauerzauber, so wurde es nicht kalt. Auch dass sie ohne Schlafanzug neben ihm lag, brachte keine Kälte hervor, denn er wurde immer wärmer, während er schlief.

 

Und sie hasste diesen Mann neben sich, dachte sich verzweifelt. Und die Nacht wich dem Morgengrauen nur langsam, während ein eisiger Wind um das Zelt heulte.

 

Sie weinte bestimmt eine Stunde lang, während sie sich den Rest der Zeit Vorwürfe machte, wie es soweit hatte kommen können, dass sie gegen eine Vergewaltigung nichts unternehmen konnte.

 

Und sie musste kurz weggedämmert sein, denn sie hatte nicht gemerkt, wie das Gewicht seines Armes verschwunden war, und er schließlich neben ihr aufrecht saß und sich die Augen rieb. Sie blinzelte und blieb stocksteif liegen.

 

Fahles Licht schien durch den Schlitz des Zelteingangs, den er aufgeknöpft, aber nicht wieder verschlossen hatte. Er wandte den Blick. Seine grauen Augen wanderten über ihr Gesicht, ihren Oberkörper hinab. Er würde es wieder tun, durchfuhr es sie panisch.

 

Sie wollte sich aufrichten, aber Schmerzen erfüllten sie bei dieser Bewegung. Er näherte sich, und sie hob den Arm. Als sie ihn mit der Hand gegen seine Brust auf Abstand halten wollte, erkannte sie die dunklen Blutergüsse um ihre Handgelenke und Unterarme, und kurz weiteten sich ihre Augen. Er hatte ihr wirklich wehgetan.

 

Und noch immer, schien er nicht willig, zu sprechen.

 

Und er griff tatsächlich wieder nach ihren Handgelenken. Sie keuchte auf vor Schmerz, und er nutzte ihre Schwäche aus. Er stieg wieder über sie, wischte die Decke mit einer Bewegung zur Seite, und sie war noch immer feucht vom letzten Mal. Mühelos glitt seine steinharte Erektion in sie. Kurz verharrte er, griff um ihren Oberkörper, hob sie an und zog ihr das dünne Shirt über den Kopf. Ihre Brüste waren frei, und er senkte den Kopf. Seine Zunge umkreiste verlangend ihre Brustwarze, und sie wollte weinen.

 

Er widerte sie an. So sehr! Und sie konnte nichts tun, vor Schmerz. Seine Hand griff grob nach ihrer Brust, massierte sie mit kühlen Fingern, während seine Zunge heiß ihren Hals hinauf fuhr. Sie weinte schon wieder, denn ihre Muskeln protestierten, denn von ihren Abwehrversuchen der letzten Nacht hatte sie furchtbaren Muskelkater bekommen.

 

Sie schüttelte wild den Kopf, als er ihre Lippen küssen wollte, aber seine Hand griff ungeduldig in ihre Haare und hielt ihren Kopf still, während sie unter Schmerzen ihre Hände gegen seine Brust stemmte. Seine Stöße gingen noch langsam, fast träge, und sie hasste, dass sie zu schwach war, und ihr Zauberstab nutzlos am Zelteingang lag.

 

„Nei-!“, begann sie, aber er presste seinen Mund auf ihren, ließ ihr keine Zeit, zu schreien, und er küsste sie. Sie musste nach Schlaf schmecken, so wie er es tat, aber es schien ihm völlig egal zu sein, als er seine Zunge zwischen ihre Lippen schob, und sie versuchte, sich aus dem Kuss zu wenden.

 

Seine andere Hand glitt zwischen ihre Beine, und sie schrie unterdrückt in seinen Mund, versuchte, in seine Zunge zu beißen, während sein Daumen Kreise über ihre empfindlichen Nerven zeichnete. Eine Träne rang sich wieder aus ihrem Augenwinkel, und er verstärkte den Rhythmus, drang tiefer in sie ein, stöhnte unterdrückt in ihren Mund, und sie spürte wieder Schweiß auf ihrer Stirn ausbrechen, als sie krampfhaft versuchte, sich zu wehren.

Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Körper reagierte, und irgendwann erfassten sie die Wellen, die sie kannte.

 

Sie konnte ihrem Körper diesen Moment nicht mehr verweigern, und für diesen kleinen Moment erstarb ihre Gegenwehr, als sie unter seiner bösen Gewalt und seinen unerwünschten Berührungen tatsächlich kam.

 

Er spürte es sofort, denn ihre Zunge ging abwesend auf das Spiel seiner Zunge ein, und seine Stöße wurden härter, hielten ihren Orgasmus noch länger aufrecht, und ohne es verhindern zu können, bog sie sich ihm entgegen, entspannte ihre Muskeln kurz, verwehrte sich nicht, und schließlich ergoss er sich stöhnend in ihr, löste sich von ihren Lippen, und sein Kopf fiel auf ihren bloße Brust.

 

Ihr Atem ging schnell, während sie ihn gewähren ließ. Er lag über ihr, reglos und stumm, bis sich sein Atem beruhigte, bis sie spürte wie sein Herzschlag langsamer ging.

 

Seine Muskeln spannten sich an, als er sich auf den Händen nach oben stützte, um sie anzusehen. Er küsste sie nicht mehr, sagte gar nichts, und sie schämte sich, dass sie tatsächlich hatte kommen können, während er sie vergewaltigte. Er rollte von ihr runter und stand direkt auf.

 

Die Kälte kroch in ihre Glieder, während er achtlos in seine Hose stieg und dann den Zauberstab holte.

 

Er kam zurück, setzte sich ernst auf die Bettkante, und sie glaubte wirklich, er würde sie verfluchen. Zitternd wich sie vor ihm zurück, aber er ergriff ihre Hand, und vor Schmerz zuckte sie zusammen. Er legte die Spitze des Zauberstabs auf die dunklen Blutergüsse und sprach eine stumme Formel.

 

Sie spürte die heilende Hitze der Heilung. Und sie stieß ihn nicht von sich. Es würde nur mehr wehtun. Er wiederholte die Heilung bei jedem Hämatom, das er ihr zugefügt hatte.

 

Sie war noch immer nackt, und ihre bloße Brust hob und senkte sich unregelmäßig, denn ihre Panik war noch nicht abgeklungen. Sein Blick fiel zu ihren Brüsten, als er fertig war, und seine Hand strich ungefragt über ihre harte Brustwarze. Hitze schoss in ihre Wangen, und Wut erfüllte sie, dass er das tat. Dass er sich nicht einmal entschuldigte! Dass er-

 

- er senkte schon wieder den Kopf, küsste ihren Nacken, und sie hielt die Luft an. Nein! Nicht schon wieder! Sie war schwach vor Hunger und Müdigkeit. Er küsste die Linie ihres Kiefers, und sie schüttelte den Kopf, aber schon hatte seine geschwollenen Lippen ihre erreicht.

 

Und wenn sie sich eingeredet hatte, sie hatte nicht mehr gewusst, wie es war von ihm geküsst zu werden, dann wusste sie es jetzt wieder auswendig.

 

Es war ein schlichter Kuss, und sie zog den Kopf zurück, ehe er seine Zunge in ihren Mund drängen konnte. Seine Augen öffneten sich. Eisgrau.

 

Er war ihr körperlich überlegen. Und auch emotional, denn er fühlte scheinbar nichts. Keine Schuld, keine Reue – gar nichts, wohingegen sie emotional in Scherben vor ihm lag.

Sie kam nicht darüber hinweg, wie er sie zweimal hatte vergewaltigen können, während er dabei war, es ein drittes Mal zu tun.

 

Er erhob sich übergangslos und schien vor dem Feldbett zu warten.

 

Zu warten, dass sie aufstand. Und was blieb ihr übrig? Vielleicht könnte sie rennen? Langsam kletterte sie aus dem Feldbett, in dem ihre zerrissenen Sachen verteilt waren. Zitternd kam sie auf die Beine. Sie stand nackt vor ihm und schämte sich, während sie ihn gleichzeitig hasste. Sie konnte nicht rennen. Sein Arm legte sich probehalber um ihre bloße Taille, und im Gegensatz zu ihrem Körper war sein Körper heiß. Ihre bloße Brust berührte seinen nackten Oberkörper, und wieder fuhren seine Hände über ihre Haut, mal sanfter, mal fester, sein Blick irgendwo gefangen zwischen Faszination und Ablehnung. Wieder legte sie ablehnend die Hände über seine Brust, übte sanften Druck aus, denn auch wenn die Flecken verschwunden waren, waren ihren Muskeln überstrapaziert.

 

Seine Hände glitten zu ihrem Po, umfingen ihn kurz und er presste ihren Unterleib gegen seinen. Durch den rauen Stoff seiner Hose spürte sie erneut seine Erektion. Und sie hob den Blick zu seinen Augen.

 

„Nein“, sprach ihre gebrochene Stimme verzweifelt, während sie die Tränen wieder spürte.

 

„Sag nicht Nein zu mir“, erwiderte er leidglich. Daumen und Zeigefinger umfassten grob ihr Kinn. „Sag niemals wieder nein, Granger“, warnte er sie rau und besitzergreifend legten sich seine Lippen über ihre, ehe sie reagieren konnte.

 

Der Kuss war heiß und hungrig, verzweifelt und wütend zugleich. Seine Zunge drang unbeherrscht nach vorne, focht mit ihrer, und ihr Herz schlug so schnell vor Angst und Wut, dass sie sich mit den Händen an seinen Schultern festhalten musste, anstatt ihn von sich zu schieben. Kurz wurde ihr schwarz vor Augen.

 

Sie musste essen. Sie musste schlafen.

 

Und er hielt sie. Er löste sich von ihr. Sie blinzelte benebelt in sein Gesicht. Schnell stieg er in seine Stiefel, ohne sie zu schnüren und griff sich seinen Mantel vom Boden. Mit einer Hand zog er ihren Zauberstab aus seinem Hosenbund, löschte den Ofen, und Kälte erfasste sie augenblicklich. Er legte den Mantel um ihre Schultern, knöpfte den ersten Knopf zu, und ehe sie protestieren konnte, ging er in die Knie, griff um ihren Körper und ihre Kniekehlen und schon trug er sie auf seinen Armen. Sie konnte nur die Arme um seinen Nacken legen, während er durch den Zelteingang in die Morgendämmerung trat und eisig klare Luft ihr Gesicht traf. Sie wurde wieder wacher durch den Kälteschock, denn sie trug lediglich seinen Mantel. Mit schnellen Schritten trug er sie mit nacktem Oberkörper durch den Schnee, bis zum Gästehaus zurück. Er setzte sie nicht ab, öffnete die Tür mit einer Hand und stellte sie erst im Wohnzimmer auf ihre eigenen Füße. Es war so angenehm warm hier.

 

Er schnippte mit den Fingern, während er die Stiefel loswurde. Tilly erschien nahezu prompt, und er befahl ihr, Frühstück zu bringen. Die Elfe verschwand mit einem ängstlichen Blick auf sie wieder.

 

Er selbst wandte sich ab. „Iss was“, sagte er lediglich, ohne jede Regung in seinem Gesicht. Und dann hatte er sich abgewandt. Sie sank zitternd auf die Couch, während er nach oben verschwand. Und sie hatte nicht mal genug Kraft seinen Mantel auszuziehen. Sie würde nirgendwohin fliehen können. Im Moment.

 

Die Elfe kam mit einem wankenden Tablett in den Armen aus dem Nichts, stellte es vor Hermine auf den niedrigen Couchtisch und verschwand hastig wieder.

 

Hungrig aß sie das Croissant, zwei Brötchen und Früchte, trank gierig den heißen Tee, während sie hörte, wie er oben duschen musste. Sie glaubte, zum Frühstück noch nie so viel gegessen zu haben, wie jetzt. Dennoch wurde die Müdigkeit durch das Sättigungsgefühl nicht besiegt.

 

Sie wollte duschen. Sie wollte schlafen. Und dann wollte sie ihn umbringen.

 

Müde schlurfte sie die Treppe nach oben, noch immer seinen Mantel über den Schultern. Immerhin war sie satt. Es kam ihr vor, als wäre sie einen Marathon gerannt, so sehr schmerzten ihre Muskeln unter jedem Tritt.

 

Oben angekommen, öffnete er seine Schlafzimmertür. Erschrocken hob sie den Blick als er sie ansah. Er trug einen weißen Bademantel, und sie blieb stehen, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie könnte unmöglich rennen. Sie konnte kaum stehen, so müde war sie.

 

„Wo ist mein Zauberstab?“, fragte sie, wütend, beschämt, aber sie wollte ihn haben. Denn nur damit konnte sie ihn umbringen! Er kam näher.

 

„Gib mir meinen Mantel. Ich werde ihn reinigen lassen müssen“, erwiderte er lediglich, fast ausdruckslos, als wäre er kein verdammtes Schwein, dass sie vergewaltigt hatte.

 

„Weil ich ein Schlammblut bin?“, wollte sie angriffslustig wissen, und wollte ihn schlagen, wollte ihm Schmerzen zufügen, so wie er es bei ihr getan hatte! Kurz dachte er nach.

 

„Unter anderem, ja“, erwiderte er kalt. „Allerdings geht es mir mehr um die Spermaflecken“, erläuterte er ungerührt und hielt seine Hand weiterhin ausgestreckt. Und es war ihr egal. Sie öffnete seinen blöden Mantel, zog ihn von ihrem nackten Körper und schleuderte ihn ihm entgegen. Wieder glitt sein Blick über ihren Körper, als würde er ihm gehören. Aber sie stand vor ihm, versteckte ihre Blöße nicht, und sah ihm fest in die Augen.

 

„Gib mir meinen Zauberstab“, knurrte sie wieder, aber er reagierte nicht. Er ließ den Mantel achtlos fallen, und sie hasste seinen Blick. Dieser widerwärtige Blick, von dem sie sagen konnte, dass es nicht gut enden würde. „Nein!“, entfuhr es ihr, als er den Abstand schloss. Er drängte sie gegen die Wand, sie zuckte vor Schmerz zusammen, und er schloss den Abstand. Der raue Frotteestoff des Bademantels rieb gegen ihren nackten Körper.

 

Eine Hand lag um ihre Taille, die andere hatte er neben ihrem Kopf an die Wand gestützt.

 

Das Grau in seinen Augen war dunkler als vorhin.

 

„Sag. Nicht. Nein. Zu. Mir“, wiederholte er gepresst, während er sie nicht aus den Augen ließ, beim letzten Wort, schlug seine flache neben ihr gegen die Wand, dass sie vor Angst zusammenzuckte.

 

„Was willst du tun?“, fuhr sie ihn an. „Mich wieder vergewaltigen? Und danach wieder? Bis ich dir gehorche? Bis ich mich nicht mehr wehre? Bis ich mich mit Resignation und Hinnahme meinem Schicksal füge, du dämliches Arschloch?“, rief sie unter Tränen, und er blieb gänzlich ungerührt.

 

„Ja“, erwiderte er schlicht. „Man bricht den Willen eines Tieres, indem man es wieder und wieder unterwirft. Ich nehme an, bei Schlammblütern dürfte es nicht anders-“

 

Sie hatte ihn mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, so dass seine Wange rot glühte, und er war tatsächlich verstummt. Ihr Atem ging abgehackt, und ihr Körper bebte vor Zorn, während ihre Hand vor Schmerz summte. Wut flammte in seinen grauen Augen auf, und er schloss den Abstand nahezu übergangslos, so dass sie erschrocken aufkeuchte.

Seine Lippen verschlossen ihren protestierenden Mund, und sein Kuss war verzweifelt, verlangend und bestrafend, und sie wusste nicht, was sie tun sollte.

 

Sie wandte sich unter seinem herrischen Griff, unter seinem Gewicht, was sie gegen die Wand hielt, und Tränen rangen sich aus ihren Augenwinkeln, denn die Erinnerungen an die letzte Nacht und diesen Morgen stiegen wieder in ihr empor. Sein Arm schlang sich um ihre Taille. Sie versuchte, ihn von sich zu schieben, und ihre Finger krallten sich in den Stoff des Bademantels, während seine Zunge in ihren Mund stieß, während er seine wachsende Erektion gegen ihre Hüfte presste, und seine Zähne bissen in ihre Unterlippe, während sich seiner Kehle ein raues Grollen entrang.

 

Sie wimmerte gegen seine Gewalt, gegen seine Überlegenheit, und er küsste noch ein letztes Mal kraftvoll, erbarmungslos und hungrig ihre geschwollenen Lippen, ehe er den Kopf mit einem Ruck zurückzog.

 

Er öffnete tatsächlich seinen Bademantel. Ihr Atem ging wieder schnell, und mittlerweile konnte sie nicht mehr zählen, wie oft sie mit ihm Sex gehabt hatte. Er griff nach ihrer Hand, legte ihre Finger herrisch um seine Erektion, und als sie die Hand angewidert zurückziehen wollte, umschloss er ihre Finger mit seinen. Er führte ihre Hand, und sie konnte nirgendwohin ausweichen, musste die Bewegung unausweichlich nachahmen, und stöhnend sank sein Kopf auf ihre bloße Schulter.

 

Ihr Herz musste so laut schlagen, dass man es im Herrenhaus hören konnte. Er roch frisch geduscht, aber sei Eigengeruch hing ihm nach wie eine schlechte Eigenschaft – von denen er so unzählig viele besaß. Sie war es mittlerweile schon gewöhnt. Er führte weiter ihre Hand, bis sie glaubte, dass er tatsächlich kommen würde, und noch womöglich ihren Bauch treffen würde, aber dann ließ er ihre Hand los, und hastig zog sie ihre Hand von seinem Penis zurück.

 

Er ließ ihr keine Zeit. Schon hatte er sie herumgedreht und presste sie gegen die Wand. Ihre Hände stützten sich gegen die Wand, wollten sich wegschieben, aber schnell hatte er die Gelegenheit genutzt, und sie spürte, wie er sich positionierte.

 

Sie konnte nicht fassen, dass er das tat! Er war wie ein wildgewordenes Tier, was nicht aufhören konnte! Langsam drang sein Penis in sie, er musste die Knie etwas beugen. Sie hörte ihn ausatmen, und sein Arm schlang sich um ihre bloße Taille, während seine Hand nach vorne wanderte, zwischen ihre Beine. Ihre Wange lehnte an der kühlen Wand, und sie wollte es nicht! Sie wollte nicht, dass er es tat.

 

Ihre Nerven reagierten sofort, als er sie berührte. Es war eine neue Position, und sie hatte das Gefühl, als würde er noch tiefer eindringen als bisher. Und ihre Augen schlossen sich, während sie spürte, dass sie kommen würde. Sie machte das leiseste Geräusch.

 

Es war unmöglich, dass er es wirklich hören konnte.

 

Es war ein leises Stöhnen! Es war nicht zu verhindern, denn er hatte angenehm hart über ihre Klitoris gerieben, aber er hatte innegehalten. In nur einer unangenehmen Bewegung hatte er sich aus ihr entfernt und sie zu sich herum gedreht. Fast, als wolle er sicher gehen, dass sie gerade wirklich gestöhnt hatte. Röte zierte ihre Wangen und überrumpelt sah sie ihn an.

 

Dass er jetzt aufgehört hatte… war überraschend und fast… enttäuschend, stellte sie mit Schrecken fest. Sie wurde ganz klar wahnsinnig.

 

Und ohne dass sie den Umschwung auch nur ansatzweise bemerkt hatte, schloss er den Abstand, legte die Hand um ihren Nacken und küsste sie erneut. Ihr Bauch kribbelte, und sie vergaß, ihn zu hassen, ihn zu schlagen, und sie erwiderte seinen Kuss – ungeduldig und äußerst erregt.

 

Mit einem Knurren löste er sich, zog sie mit sich in sein Schlafzimmer und stieß sie ungeduldig auf sein Bett. Schnell war er den Bademantel losgeworden, und sie konnte ihm nur zusehen, wie er, geschmeidig wie ein Tier, ins Bett kam und ihre Beine spreizte, ohne dass sie sich wehrte.

 

Und sie erkannte die Hilflosigkeit in seinem Blick. Für einen Moment glaubte sie zu wissen, dass er selber nicht wusste, was er tat oder was er wollte, aber jetzt gerade war sie zu erregt, um vernünftig zu denken.

 

Er senkte den Kopf, und sie konnte nicht mehr sagen, ob sie ihm tatsächlich entgegen kam! Sie wusste nur, er küsste sie hart, während er wieder nach vorne drang. Er teilte ihren Eingang und stieß sich gänzlich nach vorne. Sie wusste nicht, warum, aber sie fiel in seinen Rhythmus, erlaubte ihm, sich zu nehmen, was er so dringend wollte, und biss sich auf die Lippe, als er begann, ihren Hals zu küssen.

 

Und sie verhinderte nicht, zu stöhnen, als sie spürte, wie alle Lichter angingen, wie alles wie erleuchtet schien, in ihrem Kopf.

 

Ihre Nägel krallten sich in seinen Rücken, und er schauderte, als er wieder einmal in ihr kam. Diesmal nahm sie es anders wahr, diesmal war sie mit dabei. Diesmal fühlte sie, was er fühlen musste. Zitternd klang ihr Höhepunkt ab, und sie hielt sich praktisch an ihm fest.

 

Seine Stirn lehnte an ihrer, und sie wusste nicht, ob das jetzt noch eine Vergewaltigung war.

Sie wusste es nicht.

 

Seine Augen öffneten sich und wirkten wie strahlend helles Silber. Er verharrte noch eine Weile in ihr, bevor er den unglaublichen Blick von ihren Augen löste und sich aus ihr entfernte. Sie hatte die Luft angehalten, denn sein Blick hatte ihr kurz den Atem geraubt, hatte kurz etwas in ihr ausgelöst, was sie noch nie empfunden hatte.

 

Und dann war es vorbei.

 

Er zog sich an. Er sagte nichts, zog sich einfach nur an. Noch immer war sie nackt, lag nackt in seinem Bett und griff sich jetzt die dünne Decke. Kälte hatte sie erfasst.

Er trug eine dunkle Jeans, ein dunkles Hemd und kämmte sich mit den Fingern dich dichten blonden Haare zurück. Er hätte schön sein können, wäre er nicht widerlich, dachte sie beschämt.

 

Sein Blick traf sie, kalt und nichtssagend. Er warf ihr den Zauberstab aufs Bett, der auf dem Nachttisch gelegen hatte.

 

„Du bist hier, wenn ich wiederkomme“, informierte er sie. „Das ist keine Frage, das ist keine Bitte. Du bist hier“, wiederholte er ernst. Irgendetwas lag in seinem Blick. Fast würde sie behaupten, er log. Denn… in seine Augen wirkte es… wie eine Bitte.

 

Sie schluckte schwer.

 

Und es vergingen Sekunden. Einundzwanzig, Zweiundzwanzig….

 

Sie hätte ihn nehmen können. Sie hätte Avada Kedavra laut sagen können. Sie hätte es sogar so gemeint. Sie hätte die Zeit gehabt, jeden Fluch auf Merlins weiter Erde zu äußern, aber sie hatte es nicht getan.

 

Und dann wandte er sich ab. Womit hatte er gerechnet? Hatte er gewollt, dass sie ihn verfluchte? Sie ignorierte diese naheliegenden Gedanken. 

 

Und er müsste wahnsinnig sein, wenn er glaubte, sie wäre hier, wenn er wiederkam!

 

 

Kapitel 54

 

Er war gerannt, die letzten Meter. Tiefer, immer tiefer in den Wald. So tief, dass der Schnee nicht mehr durch die dichten Nadeln der Tannenhölzer rieseln konnte. Der Malfoy-Besitz war groß, der Wald endlos, aber er wusste, wohin er ging. Er wischte sich zornig die Tränen aus dem Gesicht.

 

Er hatte den ganzen Weg über geweint. Er hatte ein Mädchen vergewaltigt, hatte ihre Wunden geheilt, und es war nicht gut. Es war überhaupt nicht gut. Fast hatte er weinen wollen, als sie es ihm tatsächlich erlaubt hatte! Er hatte aus Dankbarkeit fast weinen wollen. Und dann hatte er sie am liebsten schlagen wollen, wegen ihrer eigenen Dummheit! Wie konnte sie es ihm auch noch erlauben?!

 

Denn es ging nicht. Er war ein Arschloch, aber es ging nicht. Er konnte nicht! Er konnte nicht einfordern, was ihm zustand, wenn es bedeutete, dass er sie zwingen musste!

 

Sie war zu… zu…

 

Sie tat ihm leid. Es tat ihm weh!

 

Er kam vor dem Gitter an. Das Gebiet im Wald war eingezäunt, der Zaun war mehr als zwei Meter hoch. In der Mitte lag der gefrorene See. Er wischte sich erneut die Tränen vom Gesicht. Hier war er seit Jahren nicht mehr gewesen. Das Schloss war gefroren, das das Gitter verschlossen hielt. Er zog den Zauberstab und brach es mit einem simplen Spruch. Es knirschte in der Kälte, als der Mechanismus brach.

 

Er zog das Gitter ein Stück auf, weit genug, dass er durchschlüpfen konnte.

 

Es sah anders aus im Winter. Er konnte sich nur an trockenen, weichen Boden erinnern, unter Turnschuhen. Nicht unter Schnee im Winter.

 

Er atmete tief, aber sein Schock war nicht überwunden. Immer mehr Tränen liefen über seine Wange.

 

Er hockte sich ans Ufer. An die Stelle. Die Stelle von damals.

 

Er erinnerte sich, wie warm das Wasser gewesen war. Jetzt war die glatte Fläche des Sees gefroren. Alles war still um ihn herum. Das hohe Gitter wirkte seltsam fremd. Es war kein besonderer Tag gewesen.

 

Er war acht Jahre alt gewesen. Das war nicht besonders alt, dachte er jetzt.

 

Seine Mutter hatte gesagt, sie dürfen nicht zum See gehen. Es sei zu gefährlich. Und Draco hatte geschworen, es nicht zu tun. Er hatte gelogen. Natürlich hatten sie beim See gespielt. Es war am spannendsten. Er konnte schon schwimmen.

 

Scorpius hatte es zwar in diesem Jahr gelernt, aber er war nicht sonderlich gut gewesen.

Draco biss sich auf die kalte Lippe. Mr. Atwell hatte ihm erklärt, warum Scorpius nicht geschrien hatte.

 

Denn Draco hatte es nicht gemerkt. Er hatte es nicht gehört. Er… er schloss die Augen.

 

Es war eine trügerische Ruhe gewesen. Wenn Kinder ertranken, dann taten sie es lautlos, hatte der Heiler gesagt. Durch den Schock verkrampften sich die Stimmbänder und die Atmung. Weder Schreien, noch Atmen war dann möglich.

 

Draco spähte über den Rand des Sees, konnte aber nicht hinabblicken.

 

Die Galleone würde noch immer auf dem Grunde liegen.

 

Hätte er sie doch gefunden. Hätte er doch einfach gesucht, bis er sie gefunden hatte! Dann wäre sein dummer, kleiner Bruder nicht gesprungen! Dann wäre er ihm zum Baumhaus gefolgt! Draco war beim Baumhaus gewesen. Scorpius hatte von ihm den Auftrag bekommen, Holz zu suchen, um ein Lagerfeuer zu machen.

 

Und er war nicht wiedergekommen. Nach zehn Minuten nicht, dabei lag der Wald doch voller Holz, hatte Draco noch gedacht. Die Elfe… Tilly hatte ihm geholfen. Er hatte ihr befohlen, ihm zu folgen, nicht bei Scorpius zu bleiben. Es war seine Kinderelfe gewesen, seine alleine, hatte er gedacht.

 

Und Scorpius ist nicht zurückgekommen.

 

Draco zog den Zauberstab und mit dem Ignis-Zauber schmolz er das Eis auf der Oberfläche. Es verdampfte in großen Schwaden, die nach oben stiegen. Zornig wandte er mehr Kraft an, geriet ins Schwitzen, hörte aber nicht auf, bis die Eisfläche geschmolzen war.

 

Accio Galleone“, flüsterte er rau, während der Nebel der Verdunstung ihn umgab. Er wartete, und als wäre es nichts, als wäre es vollkommen unerheblich, brach die Münze durch die Wasseroberfläche und schoss in seine ausgestreckte Hand. Seine Finger zitterten. Langsam lichtete sich der Nebel.

 

Sein Blick fiel auf die Münze. Das Gold war nach zehn Jahren dunkel angelaufen. Sie war verklebt vor Dreck und Schlamm. Tränen nahmen ihm die Sicht.

 

Scheiße.

 

Fuck!

 

Er hasste Gold! Er hasste es! Er hasste alles, was damit zusammen hing. Seine Faust umschloss die Münze, bis es wehtat, bis das Gold in seine Finger schnitt.

 

Er hatte geschrien, so unsagbar laut. Die Elfe war zu ihm gekommen, da war er schon ins Wasser gesprungen, hatte den leblosen Körper seines Bruders ans Ufer gezogen.

 

Er hatte ausgesehen als… als würde er schlafen.

 

Zornig wischte er sich die Tränen von den kalten Wangen.

 

Er rannte.

 

Er ließ das Gitter unverschlossen. Es gab niemanden mehr, der ertrinken konnte.

 

Es war das Spiel gewesen. Nur mit einer Galleone durfte man in das Land des Drachenfeuers, wie er seine eigene Welt genannt hatte. Er rannte zurück, raus aus dem verdammten Wald.

 

„Ich will mitspielen“, hatte Scorpius gesagt.

 

„Nur gegen Bezahlung“, hatte er erwiderte. Er hatte die Galleone aus seiner Tasche gezogen. Er hatte sie seinem Vater vom Schreibtisch gestohlen. Glänzend hatte sie in seiner kleinen Hand gefunkelt. „Eine Galleone ist der Preis zum Eintritt ins Land des Drachenfeuers!“

 

„Gib sie!“, hatte Scorpius begeistert gerufen, aber Draco hatte nur gelacht und den Kopf geschüttelt.

 

„Davon kaufe ich mir morgen Schokofrösche, vergiss es!“ Er hatte sie wieder einstecken wollen, aber Scorpius hatte sie aus seinen Fingern gegriffen, aber nicht gut genug gehalten. Sie war ihm aus der winzigen Hand gekullert, über das Gras gerollt und mit einem Platsch im See versunken.

 

Sofort hatte Draco seine Sache ausgezogen, spielte ein neues Spiel, wollte die Münze des Drachenfeuerlands finden, so hatte er sie genannt.

 

Scorpius hatte sich eilig ebenfalls die Sachen ausgezogen und dann waren sie schwimmen gegangen. Draco hatte aufgepasst, hatte Scorpius immer im Auge behalten. Dann war er getaucht, hatte die Münze aber nicht wiederfinden können. Der Grund war zu schlammig gewesen, das Grün des Sees undurchdringbar.

 

„Egal“, hatte er zerknirscht gesagt. „Dann kann keiner ins Drachenland.“ Scorpius hatte ihn enttäuscht angesehen. „Komm, wir machen ein Lagefeuer am Hauptquartier!“, hatte er gerufen, und die Elfe hatte bereits am Ufer gewartet, sie trocken zu zaubern.

 

Scorpius war ihm gefolgt, Draco war sich sicher. Er hatte der Elfe befohlen, das Dach des Baumhauses neu zu decken, und Scorpius war hinter ihm gewesen, als Draco gesagt hatte, er sollte Feuerholz sammeln.

 

Und er war nicht mehr wiedergekommen.

 

Draco rannte, bis er das Grundstück verlassen konnte und apparierte im Rennen, es warf ihn fast aus der Bahn, so schnell schleuderte er um sich selbst. Er schlug mit den Knien auf der fremden Auffahrt auf, aber er landete bloß im flachen Schnee. Keuchend kam er auf die Beine und klingelte an der Tür. Er klingelte ohne Unterlass. Der Elf öffnete die Tür gereizt, aber Draco schob sich schwer atmend an ihm vorbei. Tränen waren auf seiner Wange getrocknet.

 

Er zog sich die Stiefel nicht aus, scherte sich weder um Etikette, noch um Manieren. Er stürmte die Stufen nach oben, höher, bis er den zweiten Stock erreichte. Er lief durch den Flur, durch den er schon tausendmal gelaufen war. Am Ende riss er die Tür, ohne zu klopfen auf.

 

Blaise drehte sich erschrocken um. Er hatte vor seinem Schrank gestanden, einige Anzüge hingen, bereit zum Anziehen, an der Tür. Er selber trug bereits einen dunklen Anzug und starrte Draco an.

 

„Draco – was…?“ Aber er unterbrach sich. „Wieso bist du völlig durchnässt?“ Er starrte ihn an und kam näher. Dann erst sah er ihm ins Gesicht. Er schwieg abrupt. Seine Augen brannten noch von den Tränen, seine Lungen hämmerten von dem Lauf, und Blaise schien ihn nicht einordnen zu können.  „Was ist los?“, fragte Blaise alarmiert. Er betrachtete Dracos Erscheinung, dann fiel sein Blick. „Du blutest“, stellte er perplex fest. Draco öffnete die verkrampfte Hand, die er um die Münze geschlossen hatte. Blaises Augen weiteten sich.

 

„Was… was ist das? Was in Salazars Namen ist los mit dir?“, fuhr er ihn an, aber Draco war so fertig, dass er nicht sprechen konnte. Wieder liefen ihm die scheiß Tränen über das Gesicht.

 

Blaise schien jetzt Panik zu bekommen. „Malfoy, du sagst mir sofort, was los ist!“, forderte er zornig, fuhr sich hilflos durch die Haare, und Draco wischte sich die verfluchten Tränen vom Gesicht. Bevor Blaise soweit ging, und ihn noch umarmen würde, musste er langsam mal wieder an Fokus gewinnen, ermahnte er sich.

 

„Ich…“, begann er, aber eigentlich gab es keine Sätze, die er mit ‚Ich‘ beginnen wollte. „Du hattest Recht“, begann er also außer Atem.

 

„Immer. Und mit so vielen Dingen“, bemerkte Blaise, aber er war nur halb so arrogant, wie er tat. Draco sah, dass er immer noch panisch wirkte, aber wohl erleichtert war, dass Draco sprach. „Aber was meinst du konkret?“

 

„Mit… mit Astoria“, räumte Draco ein. Blaise wirkte etwas schuldbewusst.

 

„Oh. Also… ja“, entgegnete er. „Ich… ich gehe heute auf ihre Party“, erklärte er langsam. Draco sah ihn an. „Nachdem deine Mutter meinen Standpunkt klar bewiesen hat, dachte ich, es wäre noch mal ein wenig Extra-Salz für deine Wunden“, erläuterte er. „Warum zum Teufel bist du nass, wenn es nicht mal schneit?“, wechselte er das Thema erneut. „Und heißt das, du entschuldigst dich? Du? Bei mir? Dass ich das erleben darf“, schloss er ungläubig.

 

„Hm“, machte Draco nur, nicht willig, ihm mit mehr Worten rechtzugeben.

 

„Also?“, sagte Blaise mit verschränkten Armen.

 

„Also was?“, entgegnete Draco, noch ein wenig neben sich.

 

„Warum bist du nass?“

 

„Ich… ich war am See. Habe… habe ihn tauen lassen“, sagte Draco tonlos. Blaise runzelte die Stirn, weil er nicht verstand.

 

„Welcher See?“, fragte er, ernsthaft überfordert. Draco ruckte mit dem Kopf.


„Der See. Auf unserem Grundstück. Im Wald“, half er nach. Blaises Augen weiteten sich ungläubig. 

 

„Du warst am See?“, wiederholte er vorsichtig. „Was hast du – Oh Merlin!“, entfuhr es ihm, als sein Blick ratlos auf seine blutige Faust gefallen war. „Du hast die Galleone geholt? Bist du ins Wasser gesprungen? Weißt du, wie gefährlich das ist?“, fuhr Blaise ihn zornig an, und Draco nickte.

 

„Ja, ich weiß, wie gefährlich das ist“, gab er bitter zurück. „Und ich hab den Accio benutzt“, räumte er ein. „Wir sind jetzt erwachsen, und es verdammt noch mal viel zu leicht, das scheiß Ding, mit einem simplen Zauber ans Tageslicht zu befördern!“, rief Draco so zornig, dass wieder eine Träne auf seine Wange fiel. Hätte er doch damals einen Zauberstab gehabt! Hätte er doch…!

 

Blaise sah ihn ernst an. Traurig nickte er.

 

„Kann… kann ich sie sehen?“, wollte er schließlich wissen. Draco reichte ihm die schmutzige – und jetzt auch blutige – Münze. Blaise nahm sie fast ehrfürchtig in die Hand. Ohne Ekel, ohne eine äußere Reaktion.

 

„Wow“, entfuhr es ihm rau. „Da ist die verfluchte Münze“, flüsterte er. Blaise kannte die Geschichte. Nur Blaise. Pansy wusste, sein Bruder war gestorben, aber Pansy wusste nicht, dass er Schuld war. Das wusste nur Blaise. Und seine Eltern. Und der Heiler. Und die Elfe. Es wussten genug Leute.

 

„Ja“, erwiderte Draco. Blaise sah ihn an.

 

„Was machen wir damit?“, wollte er jetzt wissen, während er die Galleone abschätzend in den Fingern drehte. Draco hatte darüber nicht nachgedacht. Er wollte die Münze verfluchen. Sie verbrennen – und alle Galleonen dieser Welt gleich mit, damit so etwas keinem anderen kleinen Jungen passieren konnte, aber… das wäre nicht möglich.

 

„Ich wollte… sie ihm geben“, sagte er.

 

Blaise nickte nach einer Weile, als hätte er verstanden. Er war ein… guter Freund. Aber heute würde Draco die Gruft nicht mehr aufsuchen. Für heute war es erst mal genug.

 

„Ok“, sagte er nur. „Dein Bruder war verrückt nach Gold“, sagte er plötzlich kopfschüttelnd. Draco hob den Blick.

 

„Was?“

 

„Weißt du nicht mehr? Er wollte eine Niffler-Zucht aufmachen, wenn er groß war?“, erinnerte ihn Blaise grinsend. „Damit er alles Gold der Welt haben könnte?“ Draco verzog den Mund zum Lächeln.

 

„Richtig.“ Sie schwiegen beide.

 

Es sagte so viel aus, oder nicht? Das war es, was Draco dachte, und er wusste nicht, warum, aber Granger kam ihm urplötzlich in den Sinn, bei diesem Gedanken, bei diesen albernen kindlichen Worten seines kleinen Bruders, der schon mit fünf Jahren den Wert des Goldes zu schätzen gewusst hatte.

 

„Scheiße“, sagte Blaise schließlich resignierend und gab ihm die Münze zurück. Die Hand wischte er lediglich an dem neuen, teuren Anzug ab.

 

„Jaah“, bestätigte Draco nur. Dann hob er den Blick. „Blaise“, begann er wieder, und Blaise sah ihn an, „ich… ich habe was gemacht“, schloss er leise. Blaise sah ihn an.

 

„Was?“, wollte sein bester Freund langsam wissen. Draco fuhr sich durch die nassen Haare. „Komm, zieh deinen Mantel aus“, forderte er ihn kurzerhand auf und half ihm aus dem nassen Stoff. Draco setzte sich auf Blaises Schreibtischstuhl und stützte den Kopf in die Hände. „Draco, was hast du gemacht?“ Aber Blaises Stimme klang vorsichtig, behutsam fast. Draco hob den leeren Blick. Er nahm an, er hatte nun Dreck und Blut an seiner Schläfe kleben, aber es war ihm egal.


„Ich… ich habe…“

 

„Du hast was?“ Blaise hatte ungeduldig die Arme vor der Brust verschränkt. „Du… du kannst mir alles sagen, Mann“, eröffnete er ihm gepresst.

 

Draco schüttelte benommen den Kopf. „Nein, nicht alles“, widersprach er. „Denn du magst sie“, schloss er ernst. Blaise Blick wurde härter.

 

„Hermine?“, beantwortete er Dracos Satz. Draco verzog den Mund beim Klang ihres Vornamens, den er hasste. „Was hast du mit ihr gemacht?“, wollte Blaise tonlos wissen. „Hast du… hast du sie geschlagen?“, flüsterte er bestürzt, und Draco hob den Blick. Er ruckte mit dem Kopf, schloss wieder die Augen, rieb sich über die Schläfen, und erhob sich ruckartig wieder.

 

„Ich… ich wusste nicht, was… ich… - Blaise, ich… habe sie danach geheilt! Ich konnte nicht…“, plapperte er wirr, und Blaise kam näher.

 

„Du hast sie geschlagen?“, hauchte er, und Draco schüttelte knapp den Kopf.

 

„Nein! Ich… hätte sie lieber schlagen sollen“, flüsterte Draco, und sein Blick wurde glasig. „Ich… habe sie…“

 

„Oh“, sagte Blaise schließlich, als hätte er es begriffen. Es war ein harter Themenwechsel, und das Thema war nicht gerade ein besseres, fiel Draco resignierend auf. „Wieso?“, fragte er nur.

 

Wieso? Was war das für eine Frage?!

 

„Weil…“ Draco konnte nicht. Wieder sank er auf den Stuhl und vergrub den Kopf in den Händen. „Sie ist schwanger“, schloss er gebrochen. Das war zwar kein guter Grund, sie zu vergewaltigen, aber… Draco wusste nicht, was er sagen sollte.

 

Blaise schwieg eine ganze Zeit lang, ehe er sich auf sein Bett setzte.

 

„Damit war zu rechnen“, sagte Blaise schließlich ernster. Dracos Mundwinkel zuckten bitter. „Und es tut dir leid?“, fragte Blaise schließlich.

 

Draco hob müde den Blick. „Dass sie schwanger ist? Was soll das für eine Frage sein?! Natürlich-“

 

„-nein, Arschloch“, unterbrach Blaise ihn, eine Spur gereizter. „Dass du sie vergewaltigt hast!“ Draco stieß die Luft aus, arrogant und selbstgefällig. Wie er es gewohnt war, wenn es um verdammte Ehrlichkeit ging.

 

„Ich – nein“, sagte er nur. Blaise runzelte die Stirn.


„Ach so. Du… rennst also durch den Wald, machst so etwas bescheuertes, wie den See zu tauen, kommst zu mir und heulst – aber… es ist alles ok soweit?“, wollte er knapp wissen, und Draco wusste, er kaufte es ihm nicht ab.

 

„Es tut mir nicht leid“, erklärte Draco.

 

„Du wolltest das also?“, erwiderte Blaise mit verschränkten Armen. Draco erhob sich wieder.

 

„Was soll ich sagen? Was denkst du, passiert, wenn ich es sage?“, knurrte er plötzlich. „Es ändert nichts! Es ist vor allem zu spät, Blaise!“, schloss er zornig und schlug die flache unversehrte Hand gegen die Seite des Schranks.

 

„Wahrscheinlich würdest du dich besser fühlen!“, schlug Blaise ihm zornig vor.


„Oh – ok, fein!“, blaffte er. „Es tut mir leid, ok? Denkst du diese Worte ändern irgendetwas? Es tut mir leid, dass ich sie gezwungen habe, zu kommen!“, fuhr er Blaise an.

 

„Weil du willst, dass sie freiwillig mit dir Sex hat?“, stellte ihm Blaise eine Fangfrage, die Draco nicht bewusst als eine solche wahrgenommen hatte, und als er antwortete, war es bereits zu spät.

 

„Ja!“, rief er gereizt. „Ja, ich fände es-“ Er unterbrach sich wütend. Er schüttelte den Kopf.

„Nein, darum geht es nicht! Ich will überhaupt nicht so weit gehen müssen, verdammt nochmal, Gewalt anzuwenden! Sie hat mich geheiratet! Sie hätte es besser wissen müssen! Und wenn ich sie will, dann hat sie gefälligst-!“

 

„-aber du willst sie?“, warf Blaise mit entsprechend erhobener Augenbraue ein.


„Oh, fick dich Blaise! Du weißt, was ich meine! Was soll der Scheiß?!“ Aber Blaise hatte sich wütend erhoben.


„Was der Scheiß soll? Du kannst dich glücklich schätzen, Malfoy!“, knurrte Blaise plötzlich. „Wenn du einfach nur zugeben würdest, dass es alles überhaupt nicht so schlimm ist-!“

 

„-sie ist ein Schlammblut!“, donnerte Draco ungehalten.

 

„Na und?“, erwiderte Blaise genauso laut. „Merlin, na und? Und wär‘ sie eine Meerjungfrau, was soll der Mist, Draco? Was bedeutet der scheiß Unterschied noch, wenn du so weit gehst und sie vergewaltigst?“, schrie er außer sich. „Gib es einfach zu!“

 

„Es gibt nichts zuzugeben!“, entgegnete Draco zornig. „Was willst du von mir?“

 

„Du bist zu mir gekommen!“, rechtfertigte sich Blaise böse.

 

„Bestimmt nicht um von dir dieselbe Moral-Leier zu bekommen wie von meiner scheiß Mutter!“, sagte Draco kopfschüttelnd, wurde aber wieder ruhiger.

 

Sie schweigen beide erneut.

 

„Wow“, sagte Blaise schließlich in normaler Lautstärke und schüttelte anerkennend den Kopf. Draco hob gereizt den Blick. „Dein Stolz ist unfassbar“, endete er.

 

„Was?“, wollte Draco schroff wissen, aber Blaise lächelte plötzlich.

 

„Sie mag dich nicht, deshalb magst du sie auch nicht? Was, wenn sie dir zu Füßen liegen würde? Was dann?“

 

„Sie ist ein-“

 

„-ja, ja, du dummer Idiot. Ich weiß“, bestätigte Blaise mit einem freudlosen Lächeln. „Deshalb redet du auch pausenlos von ihr“, bemerkte er spöttisch.

 

„Wir haben ewig nicht gesprochen!“, behauptete Draco jetzt entrüstet. „Du weißt überhaupt nicht, wovon ich rede.“

 

„Sie ist die einzige Frau auf Merlins weiter Erde, die nicht scharf auf deine Millionen ist“, sagte Blaise jetzt. „Das muss ein immenser Druck für dich sein. Und scheinbar zu viel, wenn du sie-“

 

„-halt dein Maul“, knurrte Draco jetzt.

 

„Ich würde sie sofort nehmen“, erklärte Blaise kopfschüttelnd, während er prüfend über die Anzüge strich, die an seinem Schrank hingen.

 

„Bitte sehr, habe ich kein Problem mit“, bemerkte Draco und blickte aus dem Fenster.

 

„Ich denke nicht schlechter von dir“, sagte Blaise jetzt mit mehr Nachdruck, aber Draco wandte ihm den Blick nicht mehr zu. „Wenn du sie magst“, ergänzte Blaise eindeutig.

 

„Tu ich nicht. Wirklich nicht“, versicherte Draco ihm, den Blick missmutig aus dem Fenster gerichtet.

 

„Ok“, sagte Blaise schließlich und Draco merkte, wie er sich hinter ihn stellte. „Dann kannst du ja mit mir auf Astorias Party kommen. Wenn es dir sowieso alles egal ist? Wir könnten sie ein bisschen fertig machen, jetzt wo wir beide wissen, dass sie dich nur ausnutzen wollte und wo dir Hermine ohnehin nichts bedeutet?“

 

Draco wusste, was Blaise spielte. Aber Draco hatte keinen Grund, irgendetwas zu verbergen.

 

„Ok“, bestätigte er nur und wandte sich Blaise zu. Dieser trug ein Pokerface auf seinen Zügen, dass Draco nicht weiter beachtete. „Vielleicht lenkt sie mich ab, und ich breche ihr verräterisches Herz“, erklärte Draco kalt.

 

„Mach das, Malfoy“, forderte ihn Blaise lächelnd heraus. „Das würde ich wirklich gerne sehen…“

 

Draco ballte die Fäuste. Was glaubte Blaise eigentlich, was vor sich ging?

Draco konnte vögeln, wen er wollte, denn sie bedeuteten ihm alle nichts! Keine von ihnen!

Blaise glaubte, er würde das Schlammblut vorziehen? Sie bedeutete ihm genauso wenig wie seine Eltern ihm bedeuteten! Wie ihm irgendwer etwas bedeutete!

 

Er könnte Astoria haben – Merlin, er könnte jede haben, und es wäre verflucht egal!

 

„Ok!“, wiederholte Draco nur angriffslustig, und Blaise hob die Hand in einer entsprechenden Geste.

 

„Dann such dir einen Anzug aus, Prinzessin“, bemerkte er mit einem kühlen Lächeln. Dracos Oberlippe kräuselte sich zornig, aber zielstrebig schritt er nach vorne. „Und fühl dich frei, vorher zu duschen“, ergänzte Blaise trocken.

 

 

Kapitel 55

 

Pansy hatte ein schlechtes Gefühl. Sie konnte es nicht benennen oder beschreiben. Es war einfach da, in der Mitte ihres Bauchs. Sie machte sich Sorgen um Hermine, malte sich in ihrem Kopf aus, was Hermine alles anstellen würde, um das Baby loszuwerden und wie sie, Pansy, es verhindern könnte.

 

Aber ihr fiel nichts ein. Und… nicht, dass es nötig wäre. Aber sie würde Hermine viele Umstände ersparen können, überlegte sie, während ein heißer Schwall an Schuldgefühlen ihre Magengegend praktisch überrannte.

 

„Pansy?“

 

Dass James noch immer in ihrem Haus war, machte sie wahnsinnig. Und sie wusste, das war nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Es war an der Zeit, dass sie sich gewöhnte, dass sie sich damit abfand, dass er von nun an bald immer da sein würde, dass er ihr Ehemann sein würde und dass sie keinen Weg hinaus mehr brauchen würde. Denn sie hatte sich entschieden.

 

„Ja?“, antwortete sie abwesend, während ihr Blick starr geradeaus ging.

 

„Was ist los? An was denkst du?“, fragte er, eine Spur besorgt, eine Spur genervt, sowie die ganzen letzten Tage, denn sie wusste selber, wie sie auf ihn wirken musste.

 

„An nichts“, log sie einfach und sah ihn mit Überwindung an. Er erwiderte den Blick unschlüssig.

 

„Werden wir heute Abend ausgehen?“, fragte er also, und er hatte Recht. Es war Silvester, aber sie war gefangen in ihren eigenen Sorgen und Gedanken, dass sie sich darüber ausgerechnet keine Gedanken gemacht hatte. Und es war fast schon abends. Es klopfte laut an der Tür. Der Elf würde öffnen. Es waren bestimmt die Zutaten, die ihre Mutter bestellt hatte, um ein fürchterliches Essen zu veranstalten, mit tausend Gängen, das sie stundenlang an den Esstisch zwingen würde. Eigentlich mussten sie verschwinden, damit Pansy nicht auf ihrem Stuhl würde sitzen müssen, um James und ihrer Mutter dabei zuzuhören, wo die Hochzeit stattfinden sollte und wie viele tausend Galleonen auszugeben sein, um die Malfoys zu überbieten.

 

„James, ich-“

 

„-Miss, Sie haben Gäste“, unterbrach der alte Elf ihre wenigen Worte unhöflich, wie er eben war, bevor er zur Seite wich. Und Pansy war zurzeit über wenig dankbar, aber Blaise und Draco gleichzeitig zu sehen war wie eine Erlösung!

 

„Blaise!“, rief sie aus, erhob sich und war froh, dem Gespräch zu entkommen, was unweigerlich in einem Streit enden würde. Ihr fiel auf, dass beide Männer sehr gut angezogen waren. Ihr Blick fiel auf Draco. Mit ihm hatte sie lange nicht gesprochen. Und sofort musste sie daran denken, dass Hermine von ihm schwanger war! Ob er es wusste…?

 

„Hallo, Pans, wir wollen gleich los zu Astorias Party“, bemerkte Blaise, und Pansy konnte seinen Ton nicht recht deuten. Er klang nicht begeistert, und wenn doch, dann verbarg er es geschickt durch Gleichmütigkeit in seinen Worten.

 

„Astorias Party?“, wiederholte Pansy tonlos. „Wieso das?“, fragte sie, mit einem entschiedenen Blick auf Draco. Dieser ließ seinen Blick wandern, bis er an James hängen blieb.

 

„Wir haben eine Einladung erhalten“, erklärte Blaise vielsagend.

 

„Oh“, bemerkte Pansy. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hermine begeistert davon ist.“ Sie sagte die Worte mit Absicht und fixierte Draco jetzt. Er bemerkte es schließlich und gönnte ihr einen abschätzenden Blick.

 

„Und?“, sagte er tatsächlich emotionslos, und Pansy dachte nach. Sie würde niemals zu Astoria Greengrass gehen. Niemals! Nicht nachdem sie wusste, dass Draco sonst was mit ihr vorgehabt hatte, nicht nachdem Narzissa so ein Aufhebens darum im Club gemacht hatte. Und sie würde Draco am liebsten dafür ins Gesicht schlagen, aber mit Mühe beherrschte sie sich. Denn… es bot ihr einen Ausweg. Einen egoistischen, gemeinen Ausweg, für den sie sich schämte.

 

„James“, sagte sie langsam, und er kam näher zu ihr, begrüßte die Männer, tauschte belanglose Informationen aus, und sie biss sich auf die Lippe, wartete, bis die Männer fertig waren, mit ihrem angemessenen Smalltalk. „Wie wäre es, wenn du mit Blaise und Draco vorgehen würdest? Es wäre eine ideale Gelegenheit die anderen kennenzulernen, und ich hole Hermine ab und komme nach?“

 

Die Lüge kam wie Butter über ihre Lippen. Weich, glaubwürdig und ohne den Hauch eines Zweifels. Draco hob eine Augenbraue, aber nur sehr leicht. Er wirkte müde, verwegen, schlecht gelaunt, so wie sie ihn kannte, und doch flackerte etwas in seinem Blick, was sie nicht von ihm kannte. Er sah gut aus in seinem Anzug. So gut, dass sie keinen Zweifel daran hatte, dass Astoria mit ihm durchbrennen würde, würde er sie heute Nacht darum bitten. Aber sie ignorierte diese Gedanken. Denn sie machten sie nur wütend.

 

„In Ordnung?“, erwiderte James vage, unsicher, ob sie es wohl ernst meinte.

 

„Gut“, rang sie sich nickend ab. „Wenn du dich noch umziehen möchtest? Ich werde Hermine holen“, wiederholte sie steif. Wieder erntete sie Dracos Blick. Wachsam und prüfend.

 

„Fabelhafte Idee“, bemerkte Blaise, aber er klang nicht wirklich aufrichtig. Irgendetwas ging wohl vor, von dem Pansy keine Ahnung hatte. „Dann entschuldigt mich.“

 

„Wir sehen uns später?“, rief ihr James hoffnungsvoll nach, und sie nickte wieder.


„Natürlich! Ich beeile mich.“

 

Und vielleicht wusste Blaise, dass sie log. Vielleicht wusste es sogar Draco, denn warum sollte Pansy mit Hermine auf Astorias Party gehen? Aber wenn beide Bescheid wussten, dann sagten sie immerhin nichts zu James. Und Pansy hätte weinen können, so sehr verabscheute sie sich gerade selbst. Sie war ein Miststück und nichts weiter.

Aber sie wollte mit Hermine reden. Und vor allem war heute der letzte Tag im Jahr. Zwar war Pansy nicht wirklich abergläubisch, aber sie nahm an, es wäre schlecht für ihr Karma, wenn sie in diesem Jahr nicht regeln würde, was so sehr an ihr nagte. Wenn sie die Dinge nicht heute ins rechte Licht rückte, dann wäre es für immer zu spät.

 

Und sie scherte sich nicht darum, ihr schickes neues Kleid zu tragen, ihr Makeup aufzufrischen, sich im Spiegel zu vergewissern, wie sie aussah. Es interessierte sie nicht, dass sie bisher noch immer nicht mit Draco gesprochen hatte, obwohl es sie schmerzte, dass sie sich nicht mehr so verstanden, wie sie es getan hatten. Früher.

 

Und Hermine war ihr einfach wichtiger!

 

Sie verließ ihr Haus. Sie apparierte nach Malfoy Manor, mit so viel Selbstverständlichkeit, wie sie es damals getan hatte, um Draco zu besuchen. Nur jetzt tat sie es für Hermine.

 

Und für sich.

 

Der Schnee umhüllte kalt ihre Stiefel, während sie sich einen Weg über das Grundstück bahnte. Sie ignorierte das Zelt, obwohl sie sich ängstlich fragte, wer draußen wohl kampierte. Draco oder Hermine?

 

Sie klopfte an die Tür des Gästehauses, als sie den verschneiten Weg emporgelaufen war. Sie wartete und klopfte erneut.

 

Es öffnete ein fremder Mann, den sie nicht kannte.

 

„Guten Tag“, begrüßte er sie freundlich. „Sie wünschen?“, fragte er anschließend, und Pansy runzelte die Stirn.

 

„Pansy Parkinson, ich möchte zu Hermine?“, erklärte sie ein wenig argwöhnisch. Wer war der Mann?

 

„Mrs Malfoy befindet sich zurzeit in einer Sitzung“, erklärte er. Pansy starrte ihn an.

 

„Es ist Silvester“, sagte sie ruhig. „Ich möchte ins Haus. Was für eine Sitzung soll das sein?“

 

„Eine Therapie-Sitzung“, erläuterte der Mann geduldig.

 

„Therapie?“, wiederholte Pansy ungläubig.

 

„Mr. Atwell, das neue Jahr hat 365 Tage, können wir nicht einfach aufhören?“, hörte Pansy Hermines gereizte Stimme aus dem Wohnzimmer. Der Mann vor ihr, namens Atwell, schien nachzudenken, ehe er schließlich seufzte.

 

„Meinetwegen“, schien er sich unzufrieden geschlagen zu geben, und gab die Tür frei. Pansy schob sich an ihm vorbei durch den Flur ins Wohnzimmer. Hermine schien auf der Couch gefangen zu sein. Schon hob der Mann wohl einen unsichtbaren Fluch auf, und Hermine kam auf die Beine. Sie trug bequeme Kleidung, wirkte blass und unglücklich.

 

„Sie wissen, das ist noch nicht das Ende, Mrs Malfoy. Ich werde morgen wieder kommen, und besser ist Mr. Malfoy dann auch anwesend“, warnte sie der Heiler wohl. Hermine verdrehte die Augen, und der Mann nahm seinen Hut vom Sessel. „Ein frohes neues Jahr“, sagte er mit einem strengen Blick auf Hermine.

 

„Ihnen ebenfalls“, wünschte Hermine, ohne den Hauch an Freundlichkeit, und der Mann verschwand. Pansy schenkte ihr einen knappen Blick.


„Therapie?“, wiederholte sie gespannt.

 

„Lucius‘ Idee“, erklärte Hermine, ohne zu zögern.

 

„Was ist los?“, fuhr Pansy fort, denn Hermines Blick war abwesend, so wie Dracos Blick abwesend schien.

 

„Was?“ Müde sah Hermine sie an.

 

„Was ist passiert?“, fragte Pansy ohne Umschweife, und Hermine wich ihrem Blick aus.

 

„Gar nichts. Ich will einfach nur schlafen“, sagte sie.

 

„Nein, das tun wir nicht“, widersprach Pansy. „Zieh dich an.“

 

„Nein, Pansy. Wirklich, ich kann nicht“, sagte Hermine schwach. Pansy tat es weh, Hermine so zu sehen.

 

„Es ist Silvester. Wir gehen aus“, versprach sie ihrer Freundin, und Hermine sank wieder auf die Couch.

 

„Pansy, ich will nicht“, sagte Hermine wieder. Erschöpfung sprach aus ihren Worten, und ihr Blick wirkte glasig.

 

„Blaise und Draco gehen mit James auf Astorias Party“, eröffnete Pansy ihr kalt. Hermines Blick hob sich, und Verletztheit zuckte sehr kurz über ihr blasses Gesicht, aber Pansy entging das nicht. „Und ich weigere mich, das hinzunehmen“, schloss Pansy ernst. Hermine schien gedankenverloren auf ihrer Unterlippe zu kauen.

 

„Ich gehe da nicht hin“, wisperte Hermine kraftlos.


„Natürlich gehen wir da nicht hin!“, sagte Pansy kopfschüttelnd. „Zieh dich an“, befahl Pansy sanft. Und Pansys Herz klopfte laut, als sie die nächsten Worte sprach, und sie hasste sich selbst und sie wollte sich fast dafür bestrafen, aber sie sprach. „Häufig kann man frühe Schwangerschaften durch ausreichend rücksichtsloses, nachlässiges und gefährliches Verhalten abbrechen“, flüsterte sie fast verschwörerisch, und Hermines Blick hob sich müde.

 

Sie blinzelte verwirrt, dann öffnete sich ihr Mund.

 

„Alkohol?“, fragte sie schwach, und Pansy nickte langsam. Das schlechte Gewissen brodelte in ihrem Innern.

 

Denn sie wusste etwas, was Hermine nicht wusste. Seitdem sie im Mungo waren, wusste sie es. Sie hatte es immer gewusst, aber sie hatte es verdrängt. Und sie sagte es Hermine nicht. Hermine würde es so oder so erfahren müssen.

 

Und tatsächlich hellte sich Hermines Gesicht ein wenig auf.

 

„Einen Versuch ist es wert“, sagte sie, aber Pansy hörte, sie wollte das nicht. Hermine bot einen jämmerlichen Anblick, und fast erweichte es Pansy, fast wollte sie die Wahrheit rausschreien, wollte Hermine alles sagen, was sie wusste, aber sie wusste, würde sie das tun, würde Hermine nirgendwohin gehen!

 

Und alleine konnte Pansy nicht in den Fuchsbau. Alleine könnte sie dort nicht auftauchen und tun, was sie eben tun musste – denn sie konnte gar nicht anders! Es war unmöglich.

 

„Ich ziehe mich an“, versprach Hermine müde. Und Pansy hatte die Hände zu Fäusten geballt. Sie stiftete ihre Freundin dazu an, ihr Baby mit Alkohol zu vernichten. Und fast war es traurig. Fast war es bitter. Denn Pansy bereute, dass das der Auslöser war, der Hermine dazu brachte, mit ihr zu gehen. Und Hermine würde sich heute betrinken, nahm Pansy traurig an. Hermine würde sich wohl zur Besinnungslosigkeit trinken, so dringend wollte sie das Baby entfernen.

 

Und das Traurige war, Pansy nahm das in Kauf, obwohl es unmöglich war.

 

Nichts würde dieses Baby vernichten können.

 

Aber das wusste Hermine noch nicht. Und Pansy würde es ihr nicht sagen.

Und sie nahm in Kauf, dass Hermines Wohlergehen heute noch tiefer den Bach runtergehen würde, nur damit sie ihn sehen konnte.

 

Damit sie ihn nur noch einmal sehen konnte.

 

Sie war die schlechteste Freundin der Welt.

 

~*~

 

Er wusste, Blaise plante, dass er sich unwohl fühlen würde. Und deshalb trank er direkt, nachdem er das Haus betreten hatte, um Blaises Prophezeiungen zu zerschlagen. Die Auffahrt war gesäumt gewesen von magischen Winterblühern, die purpurn im Schnee ihre auffallend hellen Blüten gezeigt hatten.

 

Einige Blicke trafen ihn von irgendwelchen hochtrabenden Gestalten aus dem ominösen Club seiner Eltern. Er ignorierte alle Blicke, so gut er konnte.

 

Und er war mehr als überrascht, eine bestimmte Stimme zu hören. Er vernahm nur das Lachen, aber es war eindeutig.

 

Es war das Arbeitslachen seines Vaters. So unaufrichtig und geheuchelt, wie Draco es kannte.

 

Er sah sich alarmiert um. Was zur Hölle hatten seine Eltern hier zu suchen, wenn sie erst vor ein paar Tagen den Club aufgescheucht hatten, fragte er sich unwillkürlich, trank beunruhig noch einen tiefen Schluck Scotch, während sein Blick über die Gesichter wanderte.

 

Und er erkannte seinen Vater weiter hinten im Saal. Dann war seine Mutter wohl auch hier?!

 

Blaise stieß ihn sachte an. „Sieh dir das an!“, murmelte er. „Erst stellen deine Eltern die Greengrass‘ an den Pranger und dann feiern sie Silvester mit ihnen?“, stellte Blaise ein wenig verwundert fest, und Draco teilte diese Ansicht. Und er wusste, das konnte nichts Gutes bedeuten! Gar nichts!

 

Und er entdeckte sie, als sie ihn entdeckte.

 

Sie kam die Treppe hinab in einem wunderschönen lindgrünen Kleid, das ihr bis zu den Knien fiel. Es fiel locker, und umspielte ihre schlanke Taille anmutig. Sie trug hohe Schuhe, die ihre Beine hervorragend zur Geltung brachten. Ihre Haare hatte sie nur auf einer Seite mit einer goldenen Spange zusammengesteckt, und sie fielen auf ihre Schultern, ihre Rücken hinab. Glänzend und dunkel, wie das schönste Mahagoniholz. Sie war so geschminkt, dass es ihm nicht auffiel, aber ihre Augen wirkten betonter, und fingen sofort seine Aufmerksamkeit, als sie ihn entdeckte.

 

Er schluckte schwer, denn sein Mund war trocken geworden. Selbst jetzt noch. Immer noch! Auch nachdem er wusste, sie hatte mit ihm gespielt, hatte ihn ausgenutzt und verarscht. Und er würde nicht behaupten, er hätte nun von seiner eigenen bitteren Medizin getrunken, aber… es war kein gutes Gefühl gewesen. Er befürchtete nur, er würde ihr nur allzu schnell vergeben, würde sie erst einmal die Stufen überwunden haben und direkt vor ihm stehen. Er leerte hastig sein dünnwandiges Glas, und hatte schon Angst, es zu zerquetschen, vor Nervosität.

 

„Die Königin der Nacht betritt die Bühne“, murmelte Blaise mit anerkennendem Hohn, den Draco für unpassend hielt. Und er konnte mit Blaises Vergleich ebenfalls nichts anfangen. Es klang allerdings nach einem schönen Titel für Astoria. Die Königin der Nacht. Seine Königin war sie definitiv. Er wandte den verräterischen Blick von ihrer Schönheit ab.

 

„Ich brauche mehr zu trinken“, sagte er kalt, während James sich nun neben Blaise gesellt hatte. Pansys Verlobter war genauso langweilig wie Draco es von Pansys Geschmack erwartet hatte. Ein gestriegelter, pikfeiner, adeliger Vollidiot. Draco hatte kein Interesse mit diesem Vorzeige-Reinblut auch nur den Ansatz eines Gesprächs zu führen. Blaise war da toleranter, nahm er bitter an, während er auf die Suche nach einem Elf ging, der ihm sein Glas neu füllte.

 

Und es wunderte ihn kaum, dass er bei diesem Unterfangen auf seinen Vater traf. Kopfschmerzen suchten ihn augenblicklich heim, als auch Lucius einen Blick mit ihm tauschte. Es verging eine quälende Sekunde, in der weder Draco noch Lucius zu wissen schienen, was sie sagen sollten, und Draco wünschte sich den Scotch so dringend herbei wie ein Ertrinkender die Luft zum Atmen.

 

„Ach, da ist er ja!“, sagte ein Mann, der hinter Lucius aus dem nichts aufgetaucht zu sein schien. „Draco Malfoy, Senator Greengrass“, stellte sich der hochgewachsene schlanke Mann nun vor, der einen schmalen, akkurat rasierten Bart über der Oberlippe trug, der in einer pechschwarzen Runde auf seinem Kinn endete.   

Die Augen waren grün und sein Handschlag, den Draco mehr als überrascht entgegennahm, war sehr kräftig.

 

„Sir“, begrüßte Draco den Mann, eher perplex, als wirklich höflich.

 

„Ihr Vater hat mir viel von Ihnen erzählt, Draco“, erklärte den Mann, der mit ihm sprach, als hätte es den Vorfall der Demütigung seitens seiner Eltern nie gegeben. Und Draco fand seine Sprache wieder.

 

„Wirklich?“, fragte er, mehr als spöttisch. „Kann ich mir kaum vorstellen. Das würde bedeuten, mein Vater wüsste auch nur ein einziges Detail aus meinem Leben“, schloss Draco mit einem falschen Lächeln. Der Ausdruck des Senators geriet kurz ins Wanken. Aber er war Politiker und rettete die Situation tatsächlich für seinen Vater.

 

„Ich kann mir schon denken, was ein aufstrebender junger Mann wie Sie von einer Zwangsehe mit einer Muggel halten dürfte. Ihren Ärger verstehe ich durchaus. Vielleicht war es zu viel der Strafe“, mutmaßte der Senator amüsiert, und Dracos Kiefermuskel entspannte sich.

 

Und für den Bruchteil einer Sekunde wollte er widersprechen. Nicht nur, weil er seinem Vater die Genugtuung nicht gönnte, dass seine Strafe erfolgversprechende Ausmaße angenommen hatte, sondern weil… weil… er diese Muggel vergewaltigt hatte und… und… -

 

„Darling, wie schön, du hast bereits seine Bekanntschaft gemacht!“ Eine stark parfümierte Frau war erschienen. Die Haare lang und dunkel, die Lippen rot, die Augen eiskalt.

„Allegra Greengrass“, stellte sie sich mit überschwänglicher Freundlichkeit vor, reichte ihm ihre beringte Hand, und der Nagellack auf ihren langen Fingernägeln passte zu der giftigen Farbe ihrer Lippen.

 

„Mrs Greengrass“, begrüßte er sie langsam, denn er wollte mit keinem dieser Menschen reden.

 

„Es ist so nett, dass Sie vorbeischauen in unserem bescheidenen Haus“, rief sie lächelnd aus, aber die Freundlichkeit ihres Lächelns erreichte die kalten Augen nicht. Es war eine Floskel, genauso wie der Vergleich zum Haus, in Bezug auf diesen Palast. „Wo ist Astoria?“, ergänzte sie kühler und sah sich um. „Draco, ich werde sie suchen gehen. Sie werden sich bestimmt viel zu erzählen haben“, sagte sie lediglich und verschwand, ohne einen weiteren Blick in seine Richtung, aber der penetrante Geruch ihres Parfüms hing noch weiterhin in der Luft.

 

„Was macht das Vermögen?“, wandte sich der Senator wieder an seinen Vater, und Draco spürte, wie seine Aufmerksamkeit jäh abriss, als die Gespräche über das verdammte Gold begannen. Er entdeckte einen Elfen und ließ die beiden Männer stehen.

 

„Draco!“, rief sein Vater ihm nach, aber Draco reagierte nicht. Fast packte er den Elfen beim kleinen Kragen seines Anzugs und streckte ihm unfreundlich das Glas entgegen. Mit zittrigen Finger schnippte der Elf, und die goldene Flüssigkeit stieg im leeren Glas wieder bis zum Rand.

 

„Danke“, sagte Draco schließlich, und der Elf sah ihn mit großen Augen an. „Ich meine-“, begann Draco verwirrt und schüttelte sachte den Kopf. Granger stieg ihm bereits zu Kopf, nahm er an. Er bedankte sich schon beim Personal. „Verschwinde“, knurrte er, als der Elf ihn weiterhin anstarrte. Merlin, er musste mehr trinken! Er glaubte, seine Eltern waren dabei, ihn zu einer Verbindung mit den Greengrass‘ zu zwingen – und war das nicht verflucht noch mal verdammt witzig?!

 

Das Glas zitterte zornig in seiner Hand, nachdem er einen wütenden Schluck getrunken hatte.

 

Das, was er gewollt hatte, bekam er nun tatsächlich?

 

Und es war ironisch. Es war… wirklich komisch, denn…-

 

- Er wollte es nicht mehr!

 

Er wollte niemals etwas, was seine Eltern wollten, das er wollte, dachte er zornig. Er hatte genug davon! Er hatte eigene Sorgen zu bewältigen, hatte sein eigenes Leben, was mehr als zu viel für ihn alleine war. Er hatte so viele Grenzen überschritten, so viele Regeln gebrochen – sogar so viele seiner eigenen Regeln! Er verdiente kaum noch den Titel Lord und Prinz von Slytherin! Er verabscheute sich selbst, hasste sich, wie niemand sonst, und seine Eltern hatten nichts Besseres zu tun, als sein Leben von Monat zu Monat beschissener zu machen!

 

War Granger nicht schwanger? War das nicht die neue Strafe? Was jetzt? Seine Eltern wollten das rückgängig machen? So wie alles andere? Wollten ihn nun gewähren lassen? Jetzt sollte er Astoria bekommen? Die Schlange, die ihn nur wegen seines Goldes wollte?

 

Draco trank. Er trank jeden weiteren bitteren Schluck, bis das Glas gefährlich in seinen Händen zitterte.

 

Er… musste… hier… weg…!

 

~*~

 

Ihr Herz schlug schnell. Sie war noch immer müde, aber das konnte nur von Vorteil sein, wenn sie schnell betrunken werden wollte. George würde schon etwas Passendes vorbereitet haben. Sie hatte an die Tür geklopft. Aus dem Innern drang Musik, und Pansy neben ihr knetete ihre Hände in den Handschuhen. Sie war mächtig nervös. 

 

Die Tür wurde mit einer Wucht aufgerissen.

 

„Hermine! Meine Damen, kommt rein, kommt rein! Heute alleine?“, erkundigte sich George lautstark und angetrunken.

 

„Ja“, bestätigte Hermine nur. Pansy ruckte mit dem Kopf.

 

„Kommt rein!“, wiederholte George begeistert, aber Hermine war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt noch wahrnahm, so betrunken wirkte er bereits. Sie folgten ihm ins warme Wohnzimmer, wo laute Musik lief, während Molly und Arthur lachend zusammen tanzten, und Ginny und Harry glitzernde Bowle tranken.

 

„Oh“, vernahm sie Ginnys Stimme, und Harrys Augen wurden groß bei Pansys Anblick. Ron betrat gut gelaunt das Wohnzimmer, bis sein Blick auf die neuen Gesichter fiel.

 

Und tatsächlich schaffte er es, ein Arsch zu sein, stellte Hermine überrascht fest.

 

„Hey Hermine. Schön, dass du… da bist“, sagte er, mit etwas Überwindung. Scheinbar sprach er wieder mit ihr, obwohl er das ja nicht mehr vorgehabt hatte. Sie nahm lediglich an, er mochte sie vielleicht noch ein klein wenig mehr als Pansy. Denn diese ignorierte er komplett.

 

„Hey“, begrüßte sie ihn schwach. „Alles ok bei dir?“, begann sie das Gespräch, so unverfänglich wie möglich.

 

„Bowle, Pansy?“, rief George nun fröhlich, und ohne einen weiteren Blick auf Ron, war Pansy zu George marschiert.

 

„Alles bestens“, bestätigte Ron unbeeindruckt. Sie tauschten einen langen Blick. Gott, sie hatte ihm erst erzählt, dass sie in ihn verknallt war. Sie war wirklich verzweifelt, jetzt hier aufzutauchen, nur um sich zu betrinken, dachte sie dumpf. Es war wichtig, das Ding in ihrem Innern zu zerstören, dachte sie schwermütig. Aber sie versuchte, nicht zu viel nachzudenken, denn dann kämen ihr noch Zweifel.

 

„So… eine Bowle hätte ich auch gerne“, sagte sie, um irgendetwas zu sagen. Einfach nur, um nicht mehr vor ihm stehen zu müssen, wie ein Idiot, während sein Blick abschätzend und kalt auf ihren Zügen lag.

 

„Hm“, machte Ron bloß, bevor er wohl feststellte, dass es auch nichts gab, worüber er mit ihr sprechen wollte. Harry gesellte sich zu ihr, als Ron ihr tatsächlich ein Glas Bowle holen ging.

 

„Hey, alles gut bei euch?“, vergewisserte er sich vorsichtig. „Kein Geschrei? Keine Flüche?“, mutmaßte er knapp. Hermine schüttelte den Kopf. Molly und Arthur winkten ihr, ehe sie auch beim nächsten Lied wohl nicht widerstehen konnten, ausgelassen zu tanzen.

 

„Nein, alles gut“, sagte sie lahm.

 

„Pansy hat Schneid, das muss ich sagen“, bemerkte Harry mit einem Blick zu Pansy, die sich offensichtlich gut gelaunt mit George unterhielt, während Ron missmutig ihr Glas mit Bowle füllte. „Ist sie nicht verlobt?“, fuhr Harry fort, und Hermine seufzte auf.

 

„Ja, ist sie“, bestätigte sie.

 

„Und wo ist ihr Verlobter?“, wollte Harry verwirrt wissen.

 

„Auf einer anderen Party“, entfuhr es ihr kühl. Auf einer dämlichen anderen Party! Dort, wo Malfoy sich auch rumtrieb! Oh, sie konnte sich denken, was er da tat! Sie wusste es ziemlich genau. Es tat weh an einer Stelle, von der Hermine nicht wusste, dass es dort wehtun konnte. Es tat weh… in ihrem Herzen. Er war so ein Arschloch! Und sie war einfach ein Idiot.

 

Sie hasste ihn. Endlich kam Ron zurück. Er reichte ihr lieblos ein Glas.

 

„Entschuldigt mich“, sagte er knapp, während es wieder an der Tür klopfte und George diesmal seinen Freunden zu öffnen schien. Sie begrüßten sich laut und herzlich, und Hermines Finger lagen ruhig um das kühle Glas.

 

Sie würde jetzt trinken. Sie würde anfangen, das Problem selber zu beseitigen. Vielleicht brauchte sie keine komplizierten Flüche. Nichts, was sie in einem Buch erst finden musste. Vielleicht reichte simpler Alkohol aus? Vielleicht klappte es genauso gut.

 

Ron war aus dem Wohnzimmer verschwunden, die schlechte Laune ins Gesicht geschrieben.

 

Und Hermine sah, wie Pansy ihm folgte. Keine zwei Sekunden später.

 

Das war das, nahm sie bitter an. Sie glaubte nicht, dass Pansy allzu schnell wieder kommen würde. Oder Ron. Langsam näherte sie das Glas ihren Lippen.

 

„Und? Hat keiner eine Erkältung?“, erkundigte sich Ginny schnippisch, als sie sich neben Hermine und Harry gesellte. Hermine hielt inne. Erkältung? Ach ja. Pansys fadenscheinige Ausrede.

 

„Ahem, nein….“, sagte Hermine mit einem schwachen Lächeln.

 

„Prost, Hermine“, entgegnete Harry schließlich und hob sein eigenes Glas, um anzustoßen. Hermine tat es ihm gleich. Das Kristall klirrte angenehm, und Harry trank.

 

Pansy bekam Ron.

 

Harry hatte Ginny.

 

Malfoy würde heute mit Astoria Sex haben.

 

Die Malfoys wollten sie aus der Familie werfen.

 

Sie setzte das Glas zitternd an die Lippen. Sie spürte die Tränen in den Augen, als der Alkohol ihre Zunge traf.

 

Es tut mir so leid, dachte sie verzweifelt. Kleines Baby, es tut mir so leid!

 

Mit geschlossenen Augen leerte sie das ganze Glas Bowle. George musste sie gemixt haben, denn sie war stärker als alles, was sie bisher getrunken hatte.

 

„Nicht so schnell!“, warnte Ginny sie lachend. „Du glaubst nicht, wie viele hochprozentige Chili-Knollen George da rein gemörsert hat!“ Hermine spürte das angenehm scharfe Kribbeln in ihrem Bauch. Oh ja! Einige Gläser hiervon, und sie wäre dieses Problem bestimmt los. Und sie nickte nur, bevor sie sich noch ein Glas eingießen ging.

 

Nicht mehr nachdenken! Keine Sorgen mehr machen!

 

Einfach nur trinken, Hermine! Einfach nur trinken!

 

 

Kapitel 56

 

Er spülte.

 

Und das ohne Zauberstab. Pansys Puls brach Rekorde, und sie wusste, sie hätte nicht kommen sollen. Sie hätte sich selbst viel Leid erspart und Hermine müsste nicht verzweifelt Bowle trinken, weil sie glaubte, so ihr ungeborenes Kind loszuwerden.

 

Pansy machte viele Fehler. Früher war das nicht so gewesen. Alles war klar gewesen. Deutlich und ohne Risiken. Und seit neuestem fühlte sie sich ständig nur noch Risiken ausgesetzt, und jeder schien ihr ihre Fehler ständig mit einem Spiegel vorzuhalten.

 

Und mit jeder meinte sie Weasley.

 

„Hey“, sagte sie nur. „Du spülst Geschirr?“, stellte sie das Offensichtliche fest. Er schenkte ihr einen ausdruckslosen Blick, ehe er ihn wieder stoisch in die Spüle wandte. „An Silvester?“, ergänzte sie schlicht, und härter schrubbte er jetzt den Teller in seiner Hand.

 

Sie seufzte schwer. Denn es schien so, als wäre sie diejenige, die sich um alles kümmern musste. Die nachgab, die ihn hier heimsuchte, die tatsächlich aussprach, was sie dachte, während er das Kind war. Das Kind, was anscheinend clever genug gewesen war, um das Schulsprecherabzeichen zu bekommen.

 

Merlin, sie hasste ihn.

 

Zornig griff sie sich das Küchenhandtuch vom Haken und stellte sich schließlich neben ihn. Sie hatte fast vergessen wie groß er war.

 

„Was soll das?“, fragte er barsch.

 

„Ich trockne ab“, erklärte sie achselzuckend, ohne ihn anzusehen.

 

„Ich brauche dich nicht dafür“, knurrte er. „Nachher brichst du dir noch einen Nagel, das würde dein Verlobter kaum wollen“, schloss er böse. Umstandslos griff sie sich den nassen Teller aus seiner Hand und trocknete ihn kopfschüttelnd ab.

 

„Du bist ein Baby“, informierte sie ihn jetzt, und sofort schnappte er den Teller zurück.

 

„Der ist noch nicht sauber. Wieso gehst du nicht wieder rüber und fühlst dich da unwillkommen und fehl am Platz?“, schlug er ihr gehässig vor. Sie nahm ihm den Teller wieder ab und schoss ihm einen wütenden Blick zu. Sie rieb ihn lieblos trocken und stellte ihn auf den Küchentresen.

 

„Unwillkommen und fehl am Platz fühle ich mich hier in der Küche um einiges mehr“, konterte sie gereizt.

 

„Ich habe dich bestimmt nicht eingeladen! Wo ist dein fabelhafter Verlobter? Versteckst du ihn im Garten? Welche Ausrede hast du ihm erzählt? Weiß er, dass du-“

 

„-er weiß es“, unterbrach sie ihn bloß, und Weasley sah sie an.

 

„Was weiß er?“, fragte er jetzt, ein wenig argwöhnisch.

 

Pansy schwieg kurz und zuckte dann die Achseln.

 

„Gar nichts. Das ist es doch, was zwischen uns ist, oder? Gar nichts“, sagte sie missmutig.

 

„Was hast du ihm erzählt?“, wollte er jetzt wissen. Sie knetete unschlüssig das Küchentuch in den Händen.

 

„Dass du ein Idiot bist“, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen. Er wandte sich wieder der Spüle zu. „Hör zu“, fuhr sie jetzt müde fort, „ich… - es tut mir leid“, schloss sie schließlich.

 

Er sagte gar nichts, sah sie nicht mehr an.

 

„Alles ist… so kompliziert und… - ich dachte, ich hätte alles unter Kontrolle. Ich… habe sonst immer alles unter Kontrolle. Ich bin immer vorbereitet. Und James ist perfekt. Ich… habe ihn ausgesucht, also… muss er perfekt sein.“ Sein Ausdruck wurde grimmiger.

 

„Warum stehst du dann in meiner Küche? Wenn er so perfekt ist?“

 

„Weil… weil ich lieber hier bin, als bei ihm in irgendeinem Schloss“, flüsterte sie fast, ohne ihn anzusehen. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen. „Und… und ich weiß, das geht nicht“, entfuhr es ihr verzweifelt. „Nichts davon macht Sinn! Ich weiß nicht einmal, wie ich es vor ihm rechtfertigen soll! Ich weiß nur… - ich wollte heute hier sein“, sagte sie und schüttelte sanft den Kopf. Sie biss sich auf die Unterlippe.

 

„Und morgen?“, fragte er tatsächlich, und langsam hob sie den Blick. „Wo willst du morgen sein, Pansy? Und den Tag danach und danach?“

 

Er hatte ihren Vornamen benutzt, ging ihr dumpf auf und ihr Herz flatterte unpassend in ihrer Brust. Aber sein Ausdruck war nicht freundlich. Er war nicht… nett. „Hier? Hier in meiner Küche? Oder bei den Gryffindors im Gemeinschaftsraum? Willst du in Zaubertränke neben mir sitzen? Oder beim Quidditchspiel auf der Tribüne der Gryffindors? Wo du nicht hingehörst und nicht sein willst? Du bist mit Hermine nur aus einem Grund befreundet!“, fuhr er sie an. „Weil du mit Malfoy befreundet bist!“, klärte er sie kopfschüttelnd auf.

„Und das alleine ist schon die schlechteste aller Voraussetzungen!“

 

„Weasley-“, begann sie jetzt, aber er schüttelte den Kopf.

 

„-du sagst nicht mal meinen Vornamen!“, fuhr er sie kopfschüttelnd an. „Und nach Hogwarts, was dann? Was willst du deinen Eltern sagen? Was soll ich meinen Eltern sagen!“

 

„Ich habe darüber noch nicht nachgedacht!“, sagte sie trotzig. „Ich habe keine Lösung für alles!“, rief sie aufgebracht. „Und ich meine, wäre ich nicht hier – du würdest niemals bei mir auftauchen!“

 

„Deine Mutter würde mich vom Grundstück fluchen, oder nicht? Blutsverräter wie mich?!“, konterte er, ebenso laut. Sie verdrehte die Augen.

 

„Du bist so-“

 

„-was?“, unterbrach er sie angriffslustig. „Im Bilde? Realistisch? Wieso willst du unbedingt etwas, was sowieso niemals gut gehen wird? Guck dir Hermine doch an! Willst du das?“, fragte er tatsächlich.

 

„Nein, Weasley“, sagte sie trocken. „Der Unterschied wäre, dass wir uns mögen. Vielleicht. Keine Ahnung, was du denkst!“, ruderte sie hastig zurück, denn seine Augen hatten sich geweitet.

 

„Du hast dir einen Verlobten ausgesucht!“, rief er aufgebracht. „Du bist vergeben! Da ist nichts mehr zu-“

 

„-ich bin hier, oder nicht?“, unterbrach sie ihn zornig, und sie starrten sich wieder an. Er schüttelte den Kopf. Rote Strähnen fielen ihm dicht in die Stirn. Seine blauen Augen offen und hoffnungslos.

 

„Ich will das nicht“, sagte er langsam. Sie starrte ihn an. Was?

 

„Was willst du nicht?“, flüsterte sie fast, denn sie kannte die Antwort. Er schluckte schwer.

 

„Das hier“, sagte er vage, deutete auf sich und auf sie. „Ich… - wir wollen beide verschiedene Dinge.“

 

„Weasley-!“

 

„-du hättest nicht kommen sollen“, sagte er ruhiger, fast bedauernd. „Wir haben alles gesagt.“

 

Sie sah ihn an, während ihr Herz schmerzende Schläge tat. Nein. Was sagte er denn da?! Wieso tat er das? Wieso machte sie sich komplett zum Narren für diesen Idioten? Tränen stachen hinter ihren Augen.

 

Und es war so traurig. Ihre Mundwinkel zuckten freudlos und sie schloss den Abstand. Sie merkte, wie er stocksteif vor ihr verharrte, während sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Arme um seinen Nacken legte.

 

Völlig steif stand er vor ihr, während sie ihn umarmte. Einfach nur umarmte.

 

Sie roch seinen Duft und verdrängte mit aller Macht die Tränen.

 

„Ich beiße nicht“, flüsterte sie neben seinem Ohr. Die Wärme seines dunkelgrünen Pullis kroch durch ihre Kleidung. Er roch angenehm herb und frisch zugleich.

Und ohne, dass er die Umarmung erwiderte, löste sie sich schweren Herzens von ihm, denn sie durfte sich nicht länger erlauben, seine Nähe zu genießen.

 

Auf Zehenspitzen küsste sie sanft seine Wange und spürte, wie er die Luft anhielt. Seine Haut war weich unter ihren Lippen. Noch einen winzigen Moment verharrte sie, ehe sie zurückwich.

 

„Frohes neues Jahr, Ron“, sagte sie mit einem traurigen Lächeln, als sie zurückgewichen war. Er sah hinab in ihre Augen, aber sie konnte seinen Blick nicht deuten.

Und stumm nickte er. Hastig wandte sie sich ab.

 

Es war mehr, als sie ertragen konnte.

 

Sie verließ die Küche so schnell sie konnte, ohne zu rennen, sonst würde sie noch weinen.

 

„Hermine? Wir sollten zu Astorias Party, bevor-“ Aber sie unterbrach sich. Hermine war nicht im Wohnzimmer, wo neuer Besuch gerade mit der Bowle anstieß. „Wo ist Hermine?“, wandte sie sich an Potter, welcher gerade mit seiner Freundin anstieß.

 

„Sie… sie wollte kurz Luft schnappen. Sie ist auf der Veranda“, sagte er, und Pansy ging zu den Verandatüren. Dann wandte sie sich um.

 

„Potter, da draußen ist niemand“, sagte sie jetzt. Potter brauchte noch eine Sekunde, ehe sie seine Aufmerksamkeit gewann.

 

„Was?“, sagte er und kam näher. „Oh“, stellte er abschließend fest. „Vielleicht ist sie schon gegangen?“, stellte er die nächste entsprechende Frage.

 

Wohin? Wohin sollte sie gegangen sein?! Und wie? Wenn sie getrunken hatte?!

 

Aber Pansys Blick glitt ins Leere. War sie… dort? Auf der Party? Aber… wieso sollte sie dort sein?

 

„Was ist los?“ Schmerzhaft vernahm sie Weasleys Stimme hinter sich.

 

„Hermine ist verschwunden“, erklärte seine Schwester jetzt nachdenklich.

 

„Verschwunden?“, wiederholte Weasley jetzt und stellte sie fast selbstverständlich neben sie vor die geschlossenen Verandatüren, um in die Dunkelheit zu starren. „Willst du… willst du sie suchen?“, fragte er jetzt, und sie hob den Blick, aber er sah sie nicht direkt an.

 

Sie ignorierte gerade, dass er tatsächlich mit ihr sprach. Denn Hermines Wohl war gerade wichtiger als Pansys selbstsüchtige Gedanken! Was dachte er bitteschön? Dass sie Hermine betrunken draußen umher wandern ließ?!

 

„Ja, ich… ich mach auf den Weg“, sagte sie nur ausweichend und hatte sich abgewandt.

 

„Du… du hast schon getrunken“, stellte er jetzt fest und sie wandte sich langsam wieder um.

 

„Was?“ Was wollte er damit sagen?

 

„Brauchst du wen zum… Apparieren?“, fragte er jetzt, ein wenig unschlüssig. Ihr Mund öffnete sich langsam. Er bot ihr das an? Warum, fragte sie sich unwillkürlich und musterte ihn.

 

„Nein, ich… - so viel habe ich nicht getrunken. Ich kann-“

 

„-es ist gefährlich zu apparieren, wenn…“, begann er, und fast verlor sie sich in seinem Blick. Was wollte er sagen? Nahm er zurück, was er gesagt hatte? Oder machte er sich lediglich Sorgen um Hermine? Sie wusste es nicht.

 

„Schon gut, ich-“, wollte sie wieder anfangen, denn sie brauchte sein Mitleid bestimmt nicht. Er hatte doch klar gemacht, dass er sie nicht wollte.

 

„-Merlin, Pansy, jetzt apparier mit Ron“, unterbrach seine Schwester sie mit eindeutig erhobenen Augenbrauen.

 

„Nein, ich würde zu Astorias Party apparieren, und da sind… die… anderen“, wich sie seinem Blick aus, und er schloss den Abstand.

 

„Lass uns gehen“, sagte er lediglich, verabschiedete sich kurz von seinen Eltern, ehe er sich die Jacke überzog, und wieder neben ihr stand, ihren Mantel in der Hand. „Wollen wir?“, fragte er, und sie konnte ihn nicht einordnen. Hatte er nicht gerade genau das Gegenteil von dem behauptet, was er jetzt im Begriff war, zu tun? „Brauchst du eine Extraeinladung, Parkinson?“, erkundigte er sich jetzt, und ihr Mund öffnete sich perplex.

 

Sie folgte ihm, als er schließlich ging. Sie warf einen Blick zurück zu Potter und Weasleys Schwester. Dieser hatte seinen Arm um sie gelegt.

 

„Ich bin sehr froh, dass wir das hinter uns haben“, bemerkte Potter lediglich mit einem feinen Lächeln. „Grüße an deinen Verlobten“, schloss er spöttisch, und Pansy spürte den Hauch Röte in den Wangen.

 

Es klang so, als würde es ein furchtbarer Abend werden. Aber… ihr Herz hüpfte vor Freude.

Es war ihr egal, wie furchtbar es werden würde, solange sie bei ihm war.

Sie war lächerlich geworden. Absolut lächerlich….

 

~*~

 

Es war die Adresse der Einladung, die sie versucht hatte anzusteuern. Es war schwierig, wenn man noch nie dort gewesen war. Und es war bedenklich, nach zwei Gläsern spezieller Weasley-Silvester-Bowle. Die Kälte schlug ihr ins Gesicht.

 

Sie hatte das Haus um zweihundert Meter verfehlt, kämpfte sich durch ein kniehohes Grasbett voller Schnee und erreichte fröstelnd die Tore. Sie waren geöffnet, wohl mit Absicht für die Gäste. Alkohol wärmte nicht, stellte Hermine fest. Alkohol ließ sie erfrieren.

 

Sie schob sich durch den Schnee weiter nach vorne, bis die Auffahrt frei vor ihr lag. Purpurne Blüten säumten den Weg. Wie seltsam. Mitten im Winter, dachte sie und schüttelte sanft den Kopf. Das schlechte Gewissen in ihrem Innern lauerte auf ihr nüchternes Erwachen, das wusste sie.

 

Immerhin das wusste sie. Denn sie würde weinen, wenn sie nüchtern war. Sie würde begreifen, was sie dem ungeborenen Baby in ihrem Innern angetan hatte.

 

Sie wusste allerdings nicht, was sie hier tat – was sie überhaupt hier wollte. Hier gab es nichts für sie! Sie war nicht mal entsprechend gekleidet. Sie trug kein Kleid! Sie war nicht schick oder elegant! Sie sah aus – wie Hermine Granger.

 

Und sie wusste nicht mehr weiter.

 

Sie wusste nur, heute war sie hier. Auf der grauenhaften Party, wo ihr falscher Ehemann war. Wo alles Falsche war!

 

Mit klammen Schritten stieg sie die wenigen Marmorstufen empor. Kalt klang der Stein unter ihren Füßen. Sie klopfte gegen die schwere Tür. Sie wurde augenblicklich geöffnet. Wenn Hermine noch einen weiteren Elfen sehen würde, würde sie einen Weg finden müssen, alle diese Geschöpfe auch noch zu befreien. Keiner der Elfen wirkte glücklich. Aber warum sollten sie auch?

 

„Ja?“, erkundigte er sich mit einem abschätzenden Blick. Und war es nicht seltsam? Ein Geschöpf, das in diesen Kreisen als nieder behandelt wurde, betrachtete sie tatsächlich von oben herab.

 

„Hermine Gran- Malfoy“, korrigierte sie sich resignierend. Und zuerst dachte sie, der Elf würde nicht reagieren, würde sie weiterhin abschätzend anstarren und anschließend die Türen zuschlagen.

 

„Mrs Malfoy“, sagte er schließlich, deutete eine Verbeugung an und wich zur Seite, so dass sie eintreten konnte.

 

Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie den Flur betrat, der so groß war, wie die Große Halle von Hogwarts.

 

Gerne wäre sie unschlüssig im Flur verblieben, aber bedauerlicherweise, war sie hier nicht allein.

 

An den Wänden säumten sich Zauberer und Hexen, ins Gespräch vertieft. Sie vernahm Worte wie ‚Anlagen‘ und ‚Goldfonds‘, und ignorierte diese Worte. Langsam schritt sie voran, mit schwerem Gang, wie zu ihrer Hinrichtung. Riesige Kerzenleuchter aus Kristall hingen von der Decke, in einem Abstand von drei Metern. Sie glitzerten kühl, verstrahlten noch kühleres Licht, und Hermine schluckte schwer, während sie den Gang weiter schritt.

 

Mittlerweile waren die Gespräche um sie herum verstummt.

 

Alle beobachteten sie und Stille hatte sich auf den lagen Flur gesenkt. Sie ging weiter, vernahm mittlerweile die Musik, von Streichern gespielt. Vornehm und aristokratisch, wie sie es bereits von den Malfoys gewöhnt war.

 

Kälte steckte ihr noch immer in den Gliedern, und sie nahm an, ihre Wangen mussten noch von ihrem Weg gerötet sein. Sie war nicht geschminkt.

 

Der große Saal, in dem sich die überwiegende Anzahl der Gäste befand, hatte sie noch nicht bemerkt, als sie in dem großen bogenartigen Durchgang erschienen war. Eine weitläufige Treppe mündete in der Mitte des Saals und beschrieb einen ausladenden Weg nach oben, in höhere Stockwerke.

 

Der Boden war glänzend poliert und bestimmt geeignet dafür, auszurutschen, wenn man sich nicht vorsah.

 

Sie machte noch einen Schritt in den Saal und langsam ebbten die Gespräche in ihrer nächsten Nähe ab.

 

Wieder galten ihr die Blicke der Fremden, und ihre Augen suchten den Saal ab. Nach was, wusste sie nicht genau. Nach irgendetwas bekanntem vielleicht.

 

Durch den Alkohol hatte sie ihre Scheu verloren. So wie ihre Angst.

 

Einige Gesichter vermochte sie einzuordnen. Allerdings keines mit einem positiven Zusammenhang. Sie spürte, wie sie den Rücken durchstreckte, als sich nahezu die gesamte Aufmerksamkeit auf ihre Gestalt richtete. Die Musik wurde langsamer, ehe die Musiker auf einer Empore gänzlich aufhörten, zu spielen, und sich von ihren eleganten Mahagonistühlen erhoben, um Hermine besser erkennen zu können.

 

Stille fiel auch über den großen Saal und langsam begann das Getuschel.

 

Und kein Gesicht war ihr freundlich gesinnt.

 

Sie nahm an, es würde zu einem Komplott gegen sie kommen. Sie schluckte, denn ihre Kehle war trocken. Malfoy war nirgendwo zu entdecken.

 

~*~

 

Er starrte in den schwach erleuchteten Garten. Altmodische Laternen waren hier aufgestellt worden und beleuchteten die Blumenbeete mit Winterblühern in türkisem Licht.

 

„Draco?“, fragte sie wieder, aber er hatte den Blick noch nicht in ihre Richtung gewandt. Er hatte sich auf die Veranda zurückgezogen, in der Hoffnung, nicht mehr entdeckt zu werden. Er war es leid gewesen, Blaise und James Gesellschaft zu leisten. Er war es leid gewesen, die Bekanntschaft von der zukünftigen Daisy Goyle zu machen, die allen Ernstes heute zu Besuch gekommen war, um Gregory kennenzulernen, und sich nichts besseres hatte vorstellen können, als es auf dieser Party zu tun.

 

„Was?“, wollte er kalt wissen, ohne sie anzusehen.

 

„Es tut mir so leid“, erklärte sie. Sie stellte sich neben ihn. Und er nahm an, sie musste erfrieren, denn sie trug keine Jacke über ihrem spärlichen Outfit. Er biss die Zähne zusammen.

 

„Geh wieder rein. Du holst dir eine Erkältung“, informierte er sie und ignorierte ihre Worte.

 

„Draco!“, sagte sie, mit mehr Nachdruck. „Das ist mir egal. Bitte, rede mit mir, ich-“

 

„-was willst du von mir, Astoria?“, fragte er nur, und wandte den Blick. Ihre Zähne klapperten, und wütend zog er sein Jackett von den Schultern. „Hier“, knurrte er, und sie nahm es dankbar entgegen. Die Kälte machte ihm heute nichts aus. Es war ein geringeres Problem.

 

„Komm wieder rein. Lass uns… lass uns reden!“, versuchte sie, ihn zu bewegen. Er schüttelte nur den Kopf.

 

„Du hast mich ausgenutzt“, erwiderte er lediglich.

 

„Nein, ich…- das kann man ja wohl so nicht sagen!“, rechtfertigte sie sich.

 

„Du wusstest, wer ich war im Urlaub oder nicht?“, wollte er jetzt wütend von ihr wissen. Sie sah ihn schuldbewusst an, widersprach aber nicht. „Und du wusstest, dass… dass ich…“ Er wollte es nicht sagen. Er wollte nicht sagen, dass sie wusste, dass er verheiratet war. Er wollte die Worte nicht laut sagen. Niemals!

 

„Ja, ich… wusste es“, räumte sie jedoch leiser ein. „Ich… ich wollte es dir längst sagen, aber…“

 

„Aber?“, unterbrach er sie gereizt. Sie sah so gut aus. Er wandte den Blick wieder hastig in den dunklen Garten, denn er durfte sie nicht zu lange ansehen. Es war gefährlich.

 

„Deine Eltern reden gerade mit meinen Eltern“, sagte sie nun, mit mehr Bedacht. Er schwieg.  „Und… und es klingt, als… sollen sich die Dinge demnächst ändern, Draco“, erklärte sie zuversichtlich. „Sie werden sich um die Scheidung kümmern, und…“

 

War es nicht einfach furchtbar? War es nicht absolut lächerlich? Sah es niemand außer ihm?!

 

„Astoria-“, begann er und hatte sich ihr wieder zugewandt, aber sie unterbrach ihn atemlos.

 

„-Draco, ich liebe dich“, sagte sie rau, und er vergaß kurz seine Worte. „Und… und ich will versuchen, alles wieder gut zu machen!“, versprach sie aufrichtig.

 

Sie liebte ihn?

 

Sie kam näher. Er war darauf nicht vorbereitet.

 

„Du hast mich belogen!“, entfuhr es ihm verletzt. „Du hast mit mir gespielt, du hast mich benutzt, und du denkst, alles lässt sich einfach so wieder regeln?“, fuhr er sie an, und verzweifelt kam sie näher. So wunderschön, wie sie war. Er wich unbewusst zurück.

 

„Draco, bitte! Hab keine Angst, und mach dir keine Sorgen! Es wird alles wieder gut! Wenn du Hermine nicht willst, dann ist das doch die beste Lösung für uns!“, beteuerte sie. Er blinzelte mehrfach.

 

„Es ist nicht deine-“

 

„-bitte, gib mir wenigstens die Chance, alles wieder gutzumachen! Ich wollte längst mit dir gesprochen haben, und ich wäre sogar bereit gewesen, heimlich mit dir zusammen zu sein, aber jetzt… jetzt haben wir die Chance wirklich zusammen zu sein!“

 

Sie kam wieder näher. Er konnte mittlerweile in ihren Augen versinken, und hastig wandte er sich von ihr ab.

 

„Nicht“, sagte er und schritt wieder Richtung Türen zum Saal.

 

„Ich dachte…, du liebst mich auch“, wisperte sie, und er spürte, wie sein Herz zerriss.

 

„Ich… dachte das auch“, brachte er über die Lippen, und Astoria sah ihn unglücklich an. „Aber…“ Ihr Blick fiel.

 

„Aber was?“, flüsterte sie untröstlich.

 

„Aber… ich kann das jetzt nicht. Ich… brauche mehr Zeit. Alles ist… durcheinander und falsch und… nichts Gutes kann durch eine Entscheidung meiner Eltern passieren, Astoria. Und… ich möchte jetzt alleine sein“, schloss er und öffnete die Türen. Wärme empfing ihn.

 

Astoria folgte ihm, wollte wohl mehr erklären, mehr Worte benutzen, um ihn doch noch vom Gegenteil zu überzeugen, und er wusste, würde er ihr länger in die Augen sehen, wäre es noch schwerer Nein zu sagen, aber… er war so enttäuscht von ihr. Von allen Menschen! Niemand war seine Aufmerksamkeit noch wert.

 

Er bemerkte die Totenstille erst als er und Astoria wieder im Saal standen.

 

Und er fing ihren Blick nahezu übergangslos auf, als sie ihm aufgefallen war.

 

Denn sie stand alleine in der Mitte des Saals und wurde von den Reinblütern angestarrt wie ein unwillkommener Gast. Wie eine nutzlose Drohne im Bienenstock. Das Getuschel glich einem zornigen Summen, und Dracos Kiefer hatte sich überfordert gelockert.

 

Er war nicht wieder gekommen, fiel ihm ein. Er hatte ihr gesagt, sie solle auf ihn warten. Aber er hatte nicht vorgehabt, wiederzukommen. Er hatte vorgehabt, sie auf dieser Party zu betrügen. Mit… mit Astoria.

 

Grangers Blick glitt neben ihn. Astoria starrte Granger ebenso verblüfft an, wie er es getan hatte.

 

Aber was hatte er sich eingeredet? Dass es einfach wäre, Granger zu betrügen? Er hatte sich da etwas vorgemacht. Und vielleicht hatte Blaise es gewusst. Zur Hölle, vielleicht hatte Draco es selber gewusst.

 

Draco nahm an, Granger war das Jackett an Astoria aufgefallen. Vielleicht war ihr aufgefallen, dass er alleine mit ihr von der Veranda gekommen war.

 

Er wusste nicht, warum er das dachte, warum es ihn überhaupt kümmerte, was sie dachte, was sie aus seinem Verhalten schließen konnte.

 

Sie wirkte so… ernst. So müde. So traurig.

 

Und eine Gewissheit kristallisierte sich für ihn deutlich heraus.

 

Es lag an ihm. Es war alles seine Schuld. Sie war schwanger von ihm. Sie war seine Frau. Er hatte sie vergewaltigt, hatte ihr wehgetan.

 

Und er war sich nicht sicher, ob er gerechtfertigt handelte, egal, was für Hintergedanken sie eigentlich hatte, egal, was ihre Motive eigentlich waren. So langsam fragte er sich, ob er nicht zu weit gegangen war, denn es tat weh. Sie zu sehen tat einfach weh.

 

Und er merkte, auf welcher Seite er sich gerade befand. Seine Eltern stand etwas weiter ab, und Mrs Greengrass hatte begonnen, den Weg in Richtung Granger zu wagen, während die Gesellschaft sich wohl nicht an ihr sattsehen konnte. An einem Mädchen, was nicht hierhergehörte, und alles durcheinander gebracht hatte, wofür sie alle standen.

 

Und Draco konnte nur unbewegt zusehen und sich eingestehen, dass Granger mutiger war als er.

 

Mittlerweile nahm er an, sie war mutiger als sie alle hier zusammen.

 

„Mrs Malfoy“, begrüßte Allegra Greengrass sie bedächtig, mit einem eisigen Lächeln und dunklen Haaren, die all das Licht aufzusaugen schienen. Ihr Lächeln war so falsch, wie die freundliche Begrüßung, die sie Granger zuteilwerden ließ.

„Willkommen in unserem bescheidenem Haus“, rief sie aus, und ihre Stimme hallte bei dieser Lüge wie Hohn von den hohen, prunkvoll geschmückten Wänden wider. „Wir hatten nicht mehr mit Ihnen gerechnet“, fuhr sie lächelnd fort.

 

Granger schüttelte der Frau die dargebotene Hand, mit deutlicher Skepsis und Widerwillen im Blick.

 

„Allerdings“, fuhr Allegra Greengrass fort, und ihre Stimme kühlte merklich ab, „scheinen sich die Dinge auch ein klein wenig verändert zu haben, nicht wahr?“, flötete sie säuerlich, und sie wandte den kalten Blick nun zu ihm und Astoria.

„Oder irre ich mich, Draco?“, sprach sie nun direkt mit ihm, und stumm hatte sich die Aufmerksamkeit auf ihn verlagert.

 

Auf ihn und Granger.

 

Grangers Blick galt wieder ihm. Und er rührte sich nicht. Die Gesellschaft murmelte hinter den Händen, schien die Situation noch nicht zu begreifen, und es schien, als legten es seine Eltern darauf an, Granger noch heute Nacht aus der Gesellschaft zu befördern.

 

„Bei arrangierten Hochzeiten kann so ein Fehler leicht einmal passieren“, bemerkte Mrs Greengrass anschließend.

 

Und jetzt erst sprach sie. Grangers Blick löste sich von seinem Gesicht, und es war, als fiele ein tonnenschweres Gewicht von ihm ab, was ihrem Blick immer innewohnte, wenn sie ihn betrachtete. Er konnte jetzt erst wieder atmen.

 

„Und was für ein Fehler wäre das?“, erkundigte sich Granger ruhig, fast zu leise, als dass man es verstehen konnte, und die Gesellschaft verstummte augenblicklich, um ihre Worte zu hören. Sensationsgeiler Haufen, dachte Draco, mit einem Anflug von Zorn.

 

„Nun, manchmal denkt man, ein Mädchen wäre besser geeignet als ein anderes und man bemerkt den Fehler erst ein wenig später“, erklärte Mrs Greengrass mit herablassender Nachsicht. „Ich kann natürlich verstehen, dass Sie der Etikette wegen hier her gekommen sind, Mrs Malfoy, jedoch ist es nur nachvollziehbar, wenn Sie lieber gehen möchten“, schloss sie lächelnd.

 

Und Draco starrte sie an. Und selbst er begriff die Unhöflichkeit.

 

„Ich möchte lieber gehen?“, wiederholte Granger, mit derselben falschen Höflichkeit. „Und warum das? Weil Narzissa und Lucius mit Ihnen und Ihrem Mann bereits vereinbart haben, dass Draco Ihre Tochter heiraten wird? Wann? Direkt heute Nacht, Mrs Greengrass oder haben die beiden noch irgendein Mitspracherecht bei dieser Entscheidung?“ Grangers Stimme klang wie sie immer klang, wenn sie mit ihm sprach.

 

Gereizt, die Wut jederzeit greifbar, kurz davor zu explodieren.

 

„Ich habe das Gefühl, unter Kindern zu sein“, sagte Granger kopfschüttelnd. Und ihr Blick galt nun Narzissa. „Ich werde von einer Party geworfen?“, vergewisserte sie sich. „Warum? Weil nicht alles perfekt ist, in dieser Welt? Weil man bei all der Goldhorterei die wesentlichen Dinge aus den Augen verliert? Weil, wenn man einen Sohn verliert, man den anderen gleich mit aufgeben muss?“

 

Kurz herrschte eine solche Stille, dass sie fast unmenschlich laut erschien.

 

Niemand sprach.

 

Vielleicht hatte Granger erwartet, dass seine Mutter reagieren würde, dass sie Menschlichkeit zeigen würde, aber er kannte seine Mutter. Und fast war es traurig mitanzusehen. Narzissas Blick war nicht zu durchschauen.

 

„Keine Sorge“, sagte Granger schließlich, der Demütigung wohl überdrüssig. „Ich werde gehen. Ich wünsche Ihnen das Jahr, das Sie alle verdienen“, verkündete sie mit einem Nicken in die Runde.

 

Und es war wie das große Ende einer Vorstellung. Die größte Attraktion des Zirkusses verließ die Manege. Nicht bevor sie ihm noch einen letzten Blick geschenkt hatte, aus den dunklen Augen, die er stets verabscheut hatte, wann ihm sie ihm folgten, wann immer sie ihn bewerteten.

 

Sie verließ den Saal, und es war als würde ein Gewicht von ihnen allen gehoben. Die Reinblüter schienen aufzuatmen.

 

Sie war fort.

 

Und er bemerkte es erst wesentlich später. Er bemerkte es erst, nachdem sich seine Beine in Bewegung gesetzt hatten.

 

Er bemerkte es erst, als er ebenfalls den Saal verließ. Denn auf einmal rannte er.

 

Er bemerkte, dass er ihr folgte.

 

Und es hatte sich für ihn nicht die Frage gestellt, ob er es tun würde.

Nein. Denn verblüffenderweise wollte er heute genauso wenig unter Reinblütern sein, wie Granger wohl ihr ganzes Leben lang niemals unter ihnen verweilen wollte.

 

Sie war verschwunden, als er das Anwesen unter großen Augen aller Anwesenden im Laufschritt verließ und draußen in der Kälte stand. Sein Blick flog über die weiße Landschaft. Sein Atem kondensierte vor seinem Gesicht. Er rannte zu den Grenzen des Grundstücks, ohne seinen Mantel, ohne sein Jackett, so schnell ihn seine Füße trugen.

 

Und dann apparierte er. Ohne weiter nachzudenken. Er apparierte, gerade als er erkannte, dass Pansy ankam. Aber es war egal. Denn er folgte ihr. Er folgte Granger.

 

 

Kapitel 57

 

Pansy war stehen geblieben. Sie wandte sich an Weasley.

 

„War das Draco?“, wollte sie ungläubig wissen, aber Weasley antwortete nicht, während er fast zielstrebig in Richtung Haustür marschierte. „Wo will Draco hin?“, ergänzte sie, schließlich an sich selbst gewandt, denn fast konnte sie sich nicht vorstellen, dass Hermine hier her gekommen war oder dass Draco wutentbrannt davon apparierte. Es war absurd.

 

Sie erreichte die Tür, als Weasley bereits mehrfach geklopft hatte.

 

Der Elf konnte kaum etwas Abweisendes aussprechen, da erkannte sie bereits Blaise und Gregory im Korridor.

 

„Hey, habt ihr Draco gesehen?“, entfuhr es Blaise sofort. Pansys Augen weiteten sich nun entsprechend.

 

„Draco? Das war tatsächlich Draco?!“, sagte sie nun, und Blaise nickte.

 

„Er hat direkt nach Hermine die Party verlassen“, erklärte er Pansy das Unfassbare, und Pansys Mund öffnete sich leicht perplex.

 

„Hat er das?“, wiederholte sie völlig ungläubig.

 

„Oh ja“, bestätigte Blaise mit einem eindeutigen Blick, der Pansy nichts zu sagen vermochte. Was meinte er? Aber vielleicht hatte Pansy eine dunkle Ahnung. Draco war bestimmt nicht hierhergekommen, um dann noch vor zwölf abzuhauen. Und dann auch noch hinter Hermine her. Pansy begriff.

 

„Also war Hermine hier gewesen?“, schloss sie aus Blaises Worten anschließend kopfschüttend.

 

„Ja! Sie war hier und hat Allegra Greengrass die Meinung gesagt“, erklärte Blaise mit einem feinen Lächeln. „Du hast eine große Show verpasst, Pansy. Lucius und Narzissa sind drauf und dran Draco jetzt mit Astoria zu verkuppeln. Es ist eine Reinblüter-Party in Reinform!“, rief Blaise anerkennend. Neben ihr schnaubte Weasley auf.

 

„Super“, bemerkte er knapp. „Dann können wir ja gehen. Hermine ist nicht hier“, schloss er, und Pansy konnte mit seinen Worten nicht viel anfangen.

 

Gehen? Es ist gleich zwölf, Weasley!“, rief Blaise verdattert aus. Weasley schenkte ihm einen entsprechend ungläubigen Blick durch die orangeblonden Strähnen seines Ponys hindurch.

 

„Und?“

 

„Und?“, wiederholte Blaise mit gespielter Entrüstung. „Du willst ernsthaft irgendwo hin apparieren um Mitternacht? Merlin, als wärst du der einzige, der das versucht – und wie langweilig bist du eigentlich?“

 

„Ich werde bestimmt nicht auf eurer-!“

 

„-Pansy?“

 

Die Blicke wandten sich alle wieder in Richtung Flur. James war erschienen und wirkte einigermaßen verwirrt. Astoria hatte er im Schlepptau direkt mitgebracht. „Ich dachte, du kommst gar nicht mehr“, sagte er schließlich, eine Spur tadelnd.

 

„Ich muss die Tür jetzt schließen!“, rief der Elf in die folgende Stille, und Astoria erreichte die kleine Truppe mit schnellen Schritten auf ihren hohen Schuhen.

 

„Wo ist Draco?“ Niemand beachtete den Elf, bemerkte Pansy abgelenkt.

 

„Weg“, erklärte Blaise Astoria achselzuckend.

 

„Weg? Er kann nicht weg sein! Ich muss – er kann nicht-“

 

„-wieso lässt du ihn nicht einfach in Ruhe, Merlin noch mal?“, wollte Pansy entnervt wissen. „Begreif es endlich! Er will nichts von dir!“, sagte sie kühne Worte, die sie allerdings auch mit ganzem Herzen so meinte. Und sie hoffte, sie wären auch wahr.

 

Astoria wirkte erschüttert.

 

Allerdings sprach James. Nicht Astoria.

 

„Und was tut er hier?“ Seine Stimme klang… resignierend. Abgekühlt. Nicht mehr warm und verständnisvoll, aber Pansy reagierte schnell.

 

„Er… er hat mich gebracht – ich hatte getrunken und konnte nicht-“

 

„-gebracht?“, unterbrach James sie gedehnt. „Von wo? Wo hast du getrunken, wo er auch war? Ich dachte, wir hätten darüber gesprochen?“, sagte er nun kopfschüttelnd. Oh Merlin! Wie sollte sie das erklären.

 

„Es ist nicht so, wie es aussieht!“, versprach sie hastig. „Wirklich nicht!“

 

„Wo warst du gerade?“, wiederholte James nun mit mehr Nachdruck.

 

„Ich… ich war… - nun, ich war zwar in seinem Haus, aber es hatte vollkommen andere-“

 

„-Pansy, ich hatte dich gefragt, ob es möglich ist, dass wir zusammen sind! Ob du Ronald Weasley in den Wind schießen könntest, um bei mir zu sein! Aber anscheinend ist es nicht möglich, dass du das tust! Anscheinend wart ihr in einer Beziehung, oder ihr seid in einer Beziehung – ich weiß es nicht, und ich-“

 

„-sind wir nicht!“, mischte sich das Genie Weasley jetzt ungefragt ein, und Pansy schloss für einen Moment die Augen.

 

„Was?“, entfuhr es James gereizt.

 

„Sind wir nicht! Waren wir nie! Ich und Pansy haben nichts gemeinsam, uns verbindet absolut überhaupt nichts, außer einer Handvoll Fehler, die sich allerdings nie wieder wiederholen werden. Ich bringe dir deine Braut, und vielleicht solltest du ein wenig dankbarer sein!“, knurrte Weasley ungehalten. James‘ Mundwinkeln hoben sich spöttisch.

 

„Dankbarer? Dankbarer wofür genau? Dass du nicht Hals über Kopf mit ihr durchbrennst? Dass du sie an Silvester nicht alleine stehengelassen hast? Wow, ja, vielen Dank, Ronald, ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass du dich so um meine Verlobte sorgst!“

 

„Hey! Ich habe sie nicht gebeten, zu mir zu kommen! Für mich war die Sache klar, als sie mir eröffnet hat, dass sie heiraten wird!“, blaffte Weasley, und Pansy fühlte sich von Sekunde zu Sekunde elender.

 

Beide Männer starrten sich an, und Pansys Blick hatte sich voller Scham zu Boden gewandt.

 

„Und was genau tust du dann noch hier?“, wollte James schließlich angriffslustig wissen.

 

„Absolut gar nichts! Ich wollte meine Freundin Hermine holen! Nichts weiter, Wunderknabe!“, erwiderte Weasley lauter.

 

„Dann sag Pansy Auf Wiedersehen“, forderte James Weasley nun besonders kalt auf, „und verpiss dich!“ Es endete in einer bösen Mahnung. Vorsichtig hob sie den Blick.

 

„Das ist nicht nötig. Ich habe mich bereits von ihm verabschiedet“, sagte sie heiser und ein wenig kleinlauter als es sonst ihre Art war. Sie sah Weasley auch nicht mehr an.

 

„Du wirst nicht mehr mit ihm sprechen, Pansy“, sagte James, und die Drohung hing still und schwer im Raum.

 

„Sonst was?“ Blaise hatte sich ungefragt eingemischt, die Arme vor der Brust verschränkt und stellte sich James mit wenigen Schritten gelassen entgegen. „Du kannst verdammt froh sein, dass Draco schon weg ist“, bemerkte er stiller.

 

„Bitte?“, erkundigte sich James.

 

„Nun, Draco würde nicht zulassen, dass du so mit seiner besten Freundin sprichst. Und offen gesagt – ich lasse das auch nicht zu“, bemerkte Blaise mit so offener Ablehnung im Gesicht, während James‘ Mund sich knapp öffnete.

 

„Ich glaube nicht, dass du mir drohen möchtest, Blaise. Pansy und ich haben abgemacht-“

 

„-dass was? Dass sie Weasley nicht mehr wiedersieht? Beide sind Schulsprecher, McKnight. Beide werden sich unweigerlich sehen. Und sie werden miteinander reden, und Salazar noch mal, ich würde es begrüßen, wenn sie miteinander vögeln würden, und ich deine Visage dann nicht mehr sehen müsste!“, brachte Blaise feindselig hervor. Pansy schloss die Augen.

 

„Das ist mein Stichwort. Ich bin weg“, sagte Weasley neben ihr zornig, und sie spürte nur wie er kehrt machte, wie seine Körperwärme neben ihr verschwand und er gegangen war.

 

Einfach so. Tränen füllten ihre geschlossenen Augen. Sie war so dumm!

 

„Das muss ich mir nicht bieten lassen!“, donnerte James‘ Stimme jetzt ungerührt. „Pansy, ich habe dich gefragt! Du hast gesagt, du willst mich heiraten! Wieso stehe ich da wie der verfluchte Bösewicht?“, rief James jetzt aufgebracht, und verzweifelt sah Pansy ihn an.

 

„Es… es tut mir so leid, James! Ich…“ Ihre Stimme brach.

 

„Wir werden hier fort gehen, Pansy! Ich habe gesagt, ich will dich heiraten! Ich habe dir meinen Ring gegeben, und wir werden hier fortgehen, sobald dein Schuljahr vorbei ist! Wir werden ein neues Leben beginnen. Weit weg von diesem Ort, weit weg von diesem unfassbar eingebildeten Schulsprecher, und dann können wir uns auch eine bessere Geschichte einfallen lassen, warum dein Arschloch von Vater es nicht fertiggebracht hat, Askaban fernzubleiben“, knurrte er erschöpft. „Haben wir uns verstanden?“

 

„Du solltest verschwinden“, erklärte Blaise jetzt sehr ruhig.

 

„Das denke ich nicht. Ich gehe nicht ohne Pansy“, erwiderte James, ebenso ruhig.

 

„Dann haben wir ein Problem“, sagte Blaise achselzuckend.

 

„Ach ja?“ James schien zu überlegen, ob er Blaise überwältigen könnte, und Pansy nahm an, das wäre möglich. Panik schnürte ihre Kehle zu.

 

„Ja“, sagte nun Goyle und löste ein ängstliches, dickes Mädchen von seinem Arm, welches Pansy erst jetzt auffiel. Wer war dieses Mädchen? Ihre Augen waren vor Angst geweitet, und mit den Fingern wickelte sie eine dicke blonde Locke abwesend um ihre Finger.

„Wir sind fünf gegen einen“, schloss Goyle auffordernd, und zählte scheinbar sie, Astoria und das fremde dicke Mädchen dazu, stellte Pansy fest. Astoria wirkte heillos überfordert, starrte ab und an nach draußen und schien zu überlegen, es Weasley gleichzutun und abzuhauen.

 

„Wirklich beeindruckend“, zischte James und ergriff ihren Unterarm. Er zerrte sie zur Tür, während der Elf hastig mit einem ‚Plopp‘ verschwand. Er schien genug zu haben. Vielleicht hatte er auch Angst.

 

„Nein!“, sagte sie hastig und wollte ihren Arm entziehen.

 

„Komm mit! Wir haben hier nichts mehr zu suchen!“, sagte James zornig, während er sie aus dem Haus zog, und sie hinter ihm herstolpern musste. Blaise und Goyle beratschlagten sich über die besten Flüche, und waren im Begriff, zu zielen.

 

„James, nicht! James, du tust mir weh, du-!“

 

Weasleys Faust kam so unfassbar schnell geflogen, dass Pansy zurück in den Schnee fiel, als James überrascht ihren Unterarm fahren gelassen hatte. James stürzte ebenfalls fluchend zu Boden, nachdem Weasley ihn mitten im Gesicht getroffen hatte, und Blaise und Goyle bauten sich ebenfalls über ihm auf, die Zauberstäbe gezogen.

 

„Sie hat nein gesagt!“, knurrte Weasley außer Atem, und James Blick war tödlich und kochend vor Zorn, so dass der Schnee um ihn herum hätte schmelzen müssen.

 

„Ihr seid alle wahnsinnig!“, rief er jetzt aus, rappelte sich wütend aus dem Schnee und klopfte sich den Umhang sauber. „Ich verschwinde! Das ist es doch, was ihr wollt? Meld dich nie wieder bei mir, Pansy!“, wandte er sich warnend an sie und hielt wohl seine schmerzende Wange. „Du kannst vergessen, überhaupt noch jemals so eine gute Partie zu bekommen! Denn ich werde allen Junggesellen erzählen, dass du komplett übergeschnappt bist, sollten sie überhaupt noch wagen, sich für dich zu interessieren, du verrücktest Miststück!“

 

Und damit verließ er wutschnaubend das Grundstück und apparierte hinter der Grenze.

 

Weasley stand schwer atmend im Schnee und schüttelte seine wohl taube Faust, während Blaise ihr wieder auf die Beine half.

 

„Ich… ich dachte, du wolltest gehen?“, sagte sie schließlich, und widerwillig senkte Weasley den Blick auf ihr Gesicht.

 

„Das Arschloch wollte dich zwingen, und ich habe getan, was die anderen auch getan hätten!“, rechtfertigte er sich mit erhobenen Armen. „Nichts weiter!“

 

Sie sagte nichts. Er würde niemals zugeben, dass überhaupt irgendwelche Gefühle existierten. Pansy wusste nicht mal, ob dies überhaupt der Fall war. Anscheinend nicht. Müde atmete sie aus. Ihr war kalt, sie war nass und sie hatte ihren Verlobten verloren und jede gute Chance auf eine andere Partie.

 

Sie hatte alles falsch gemacht. Und für was?

 

Dafür, dass Weasley sie auch noch demütigen konnte.

 

„Ich werde gehen“, sagte sie ruhig und wandte sich ab.

 

„Pansy!“, rief Blaise sofort. „Es ist jede Sekunde Mitternacht! Du kannst nicht apparieren! Es ist zu voll! Du hast getrunken, oder nicht?“ Pansy wandte sich halbherzig um.

 

„Nein, es geht schon. Lass mich einfach in Ruhe, ok? Habt ein schönes neues Jahr. Ich will nur noch nach Hause“, entfuhr es ihr erschlagen. Sie hörte, wie ihr jemand folgte, wie Blaise kurz noch sprach, aber es war ihr egal.

 

„Ich bringe dich“, bot Weasley ihr schließlich zerknirscht an, als wäre es die Todesstrafe schlechthin.

 

„Danke, nein. Lieber zersplittere ich mich in tausend Stücke“, fuhr sie ihn an und schritt hastig weiter.

 

„Du bist unfassbar, Parkinson!“, rief er und lief neben ihr weiter, um sie einzuholen.

 

„Lass mich einfach in Ruhe! Es ist alles wie du es wolltest! Ich haue ab. Ich werde dir bestimmt keine Probleme mehr machen! Und ich habe dich bestimmt nicht gebeten, mich irgendwie zu verteidigen, Ron Weasley! Halt es mir bloß nicht vor!“

 

Entfernt vernahm sie den Gongschlag der Uhr im Dorf.

 

Es war Mitternacht. Sie hoffte nur, Hermine ging es gut, und sie wäre nicht zersplittert irgendwo in England! Traurig wandte sie sich ab.

 

Aber sie kam nicht weit. Auch Weasley hielt sie am Arm zurück.

 

„Lass mich endlich in Ruhe!“, fuhr Pansy ihn an. „Glaub mir, ich brauche deine Hilfe nicht, wenn es für dich immer nur eine Qual ist!“ Pansy sah aus den Augenwinkeln, wie das blonde dicke Mädchen Goyle um den Hals gefallen war und dieser sie unbeholfen küsste. Astoria konnte sie nicht mehr entdecken, und Blaise war wohl wieder nach drinnen verschwunden.

 

„Ist es vorbei?“, wollte er ohne jeden Zusammenhang wissen, während sich sein Blick aus seinen blauen Augen in ihren bohrte. Sie starrte ihn an und blinzelte verwirrt.

 

„Was? Was soll-?“

 

„-das! Diese… Verlobung mit deinem scheiß Prinzen aus weiß Merlin wo!“ Pansy sah ihn an.

 

„Was denkst du?“, rief sie entrüstet. „Dass er wiederkommt? Dass er mir verzeiht? Nein, Weasley! Du kannst dich freuen! Die dumme Pansy hat alles verloren, was sie geplant hatte!“ Tränen füllten wieder ihre Augen.

 

„Irgendwer anders in Aussicht?“, entfuhr es ihm knapp, und sie konnte ihn nicht begreifen! Eine Träne fiel auf ihre Wange.

 

„Nein! Und es wird auch keiner mehr kommen!“

 

Und sie sah ihn schlucken.

 

„Gut“, sagte er rau. Noch eine Träne fiel auf ihre Wange. „Das… das ist gut“, wiederholte er rauer, und ihre Augen weiteten sich überrascht, als er an ihrem Arm zog, den er noch immer festhielt, und sie gegen ihn stolperte. Sie dachte, sie würden sich die Köpfe stoßen, als er seinen Kopf plötzlich senkte, aber lediglich seine Lippen verschlossen ihre. Heftig und hungrig. Und überrascht schlossen sich ihre Augen.

 

Weasleys Hand griff in ihren Nacken, er vertiefte den Kuss sofort, und seine Zunge schob sich verlangend zwischen ihren Lippen. Und kurz bäumte sie sich gegen ihn auf, hasste ihn dafür, dass er so ein Arschloch war, und zog den Kopf zurück.

 

Mit großen Augen sah sie ihn an.

 

„Was zur Hölle tust du-?“

 

„-es ist Neujahr. Und… man küsst sein Mädchen an Neujahr, oder nicht?“, wollte er von ihr wissen, als wäre es selbstverständlich. Aber seine Stimme klang nicht sicher oder ablehnend.

Er klang wie… Ron Weasley.

 

Sein Mädchen? Sie war… sein Mädchen?

 

Es verging noch eine weitere Sekunde, in der mit leicht geöffnetem Mund atmete, angespannt und unwillig. Und Pansy wusste instinktiv, dass sie wahrscheinlich einen Fehler beging. All ihre Normen und Werte rebellierten in ihrem Innern. Alle Traditionen und Regeln und Vorsichtsmaßnahmen, die sie einst beigebracht bekommen hatten, wehrten sich gegen die Idee von Ron Weasley in ihrem Leben, aber ihr Herz schien aus ihrer Brust springen zu wollen, vor Erwartung.

 

Und anscheinend hatten ihre Augen nachgegeben. Anscheinend sah Pansy ihn bereits vollkommen hoffnungslos verloren an, denn sein Arm legte sich prüfend um ihre Taille und sie versank in seinen dunkelblauen Augen.

 

Und als er langsam den Kopf wieder senkte, kam sie ihm entgegen.

 

Heftig und überglücklich.

 

Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken, und überrascht hatte er kurz innegehalten. Aber nur sehr kurz, denn schon spürte sie, wie er reagierte, wie er sie enger an sich zog, und die Schläge zu Silvester waren verklungen, während im Schloss hinter ihr Gläser klirrten und das Feuerwerk im Garten losging. Raketen sausten dem Himmel entgegen, aber Pansy war es egal.

 

Sie küsste Ron. Und das war es, was sie wollte.

 

~*~

 

Sie hatte sich geschworen, schon als sie angekommen war, nie wieder zu apparieren. Zumindest nie mehr an Silvester und nie mehr betrunken! Sie war froh, überhaupt angekommen zu sein! Sie hatte sich an so vielen drehenden Körpern mit Müh und Not vorbeimanövriert, während sie gereist war, dass ihr schon jetzt alles wehtat, denn es war mehr als anstrengend gewesen, überhaupt betrunken zu apparieren.

 

Sie fühlte sich schlapp und elend, und sie befürchtete, gleich wieder zu viel Zeit zu haben, um wehmütig zu werden, was sie ihrem ungeborenen Kind angetan hatte.

 

Malfoy Manor lag in sanfter Dunkelheit. Es war ja niemand da.

 

Der Weg zum Gästehaus kam ihr wie immer lang vor, und diesmal war es ein noch schlimmerer Gang, denn sie hatte versagt. Sie packte ihre Koffer noch heute Nacht. Sie wusste nicht weiter. Und es war ihr überdies auch noch egal. Es war Neujahr. In wenigen Sekunden hätte das neue Jahr begonnen, und sie hätte es nicht geschafft, ihre Pläne zu verwirklichen. Sie hatte gar nichts geschafft, außer alle gegen sich zu wenden, die sie neu kennengelernt hatte.

 

Sie erreichte die Treppe zum Haus, lief die Stufen mehr oder weniger gerade hinauf und war fast froh, angekommen zu sein. Egal, wo. Hauptsache raus aus der Kälte und dem Schnee und der Einsamkeit.

 

Nur kam sie in eine neue Einsamkeit und wusste nicht mal, wie sie es erklären sollte.

 

Die Tür schlug nur wenige Sekunden, nachdem sie ins Wohnzimmer gegangen war wieder ins Schloss.

 

Sie wandte sich um. Denn sie konnte sich nicht erklären, wer –

 

Malfoy…?

 

Er wirkte außer Atem und seine hellen Haare lagen wirr auf seinem Kopf, aber sie wollte gar nicht wissen, wie sie aussehen musste, mit roten Wangen, halb erfroren und halb betrunken.

 

Er trug weder Umhang, noch Mantel, noch Jackett. Nur sein Hemd.

 

Richtig. Sein Jackett hatte ja auch seine neue Braut umgehabt.

 

Was tat er hier?

 

Aber sie sprach nicht. Sie wollte nicht. Sie wollte es auch gar nicht wissen. Es interessierte sie kaum. Vielleicht wollte er sicher gehen, dass sie verschwand, damit er und Astoria hier wohnen konnten.

 

„Ich hasse es, wenn du das tust“, sagte er außer Atem. Sie begriff nicht wirklich. Sie sah ihn mit großen Augen an.

 

„Was?“, entfuhr es ihr müde und gereizt. Natürlich verschonte er sie nicht! Nicht einmal in den letzten Sekunden des alten Jahres.

 

„Wenn du dich irgendwohin stellst und mich als Vollidioten zurücklässt!“, fuhr er sie tatsächlich sauer an. „Denkst du, es macht Spaß? Überall bevormundet zu werden? Und dann vor der Gesellschaft auch noch als kleines Kind ohne Willen abgestempelt zu werden?“

 

Sie sah ihn verwirrt an.

 

„Du-“, begann sie, aber er unterbrach sie, fuhr sich durch die blonden Haare, die durch den Schnee nass wirkten.

 

„-nein!“, unterbrach er sie gereizt. „Was willst du? Sag es mir!“ Sie blinzelte überrascht. Sie wollte gar nichts. „Wolltest du mich und meine Eltern vollkommen auseinanderbringen?“, entfuhr es ihm. „Wolltest du dir einen Spaß in unserer Gesellschaft erlauben? Ein bisschen schockieren? Abgründe eröffnen? Zusehen, wie wir nicht aus unserer Haut können?“

 

Sie hielt weiterhin den Mund, denn darin war sie gerade besonders gut. Er atmete aus.

 

„Ok, du hast Recht“, sagte er schließlich und hob hilflos die Arme, ehe er sie wieder sinken ließ. „Das hörst du doch so gerne, oder nicht?“, knurrte er. „Du willst mir beweisen, dass arrangierte Ehen mit einem Schlammblut die Hölle sind? Ok, du hast Recht! Es ist die Hölle, Granger! Es ist schlimmer als das! Du hast mir jede Lebenslust genommen – und du hast es geschafft, dass ich das Mädchen, von dem ich überzeugt war, das ich sie liebe, nicht mehr will!“, fuhr er sie lauter an. „War es das?“, fragte er sie tatsächlich.

„War es das, was du wolltest? Wolltest du mich persönlich bestrafen?“ Er klang ungläubig. „Nicht, dass ich überhaupt von deiner Existenz gewusst hatte, ehe du hier bei uns im Haus aufgetaucht bist – aber hey! Warum nicht? Ich bin es gewöhnt, gequält zu werden, hier in diesem Haus!“

 

„Malfoy-“, begann sie müde, aber er schüttelte einfach nur den Kopf.

 

„-es ist schon ok!“, sagte er bitter. „Ich bin es gewöhnt. Mein Leben war scheiße bis hierhin, also wieso sollte es sich ändern?“

 

„Es hat nicht-“ Aber wieder unterbrach er sie, indem er lange ausatmete.

 

„-du bist keine Hilfe, Granger“, sagte er jetzt gedehnt. „Was du tust, funktioniert nicht! Du denkst doch wohl nicht, du maßregelst alle Reinblüter in England einmal, und über Nacht sind wir alle Muggel-Freunde!“

 

„Es geht überhaupt nicht um-!“, begann sie, denn sie war zum Leben erwacht, aber er ließ sie nicht sprechen. Sie hatte ihn noch nie so viel sprechen gehört. Nicht mit ihr zumindest.

 

„-du unterschätzt das hier!“, unterbrach er sie streng und kam näher, deutete um sich, deutete auf sich. „Weißt du eigentlich, was du mich hast tun lassen?“, fragte er sie direkt. „Mit dir?“, ergänzte er, mit einem Blick auf ihre gesamte Gestalt. Ihr Mund schloss sich. Natürlich wusste sie das! Was dachte dieses Arschloch?! „Das ist nicht deine Aufgabe, Granger“, schloss er fast sanft. „Du kannst mich nicht retten, wenn ich nicht gerettet werden will“, sagte er leise.

 

Sie blinzelte. „Es macht keinen Spaß, dir wehzutun. Ich dachte, es macht Spaß, aber… es macht keinen Spaß. Ich bin kein Todesser, aber du machst mich zu einem“, erklärte er langsam. Fest biss sie die Zähne zusammen. „Du denkst, meine Eltern werden sich ändern? Das werden sie nicht“, informierte er sie zerknirscht. „Meine Eltern lieben mich nicht. Nicht… so wie du denkst. Meine Eltern haben bestimmt nicht damit gerechnet, dass du einen eigenen Willen formen wirst! Meine Eltern haben dich ausgesucht als Strafe. Und das weißt du, und du weißt, was das bedeutet, oder nicht? Sie empfinden dich als Strafe, Granger!“, wiederholte er kühl.

 

Sie wusste nicht, warum er so mit ihr sprach. Sie wusste nicht mal, wieso sie es zuließ.

 

„Und es tut mir leid“, ergänzte er ruhiger. Und sie raffte sich auf, zu sprechen. Es machte alles keinen Sinn. Es war alles sowieso egal.

 

„Was tut dir leid?“, fragte sie ihn, ohne es wirklich wissen zu wollen.

 

„Dass du dich geneigt gefühlt hast, mir helfen zu müssen.“

 

Seine Worte waren kalt. Seine Worte waren immer kalt. Tränen füllten ihre Augen, und sie wischte sie zornig beiseite. Darum ging es überhaupt nicht! Er war nur ein Mittel zum Zweck, aber sie war zu müde, das noch zu beteuern.

 

„Du bist meine Frau. Und du bist schwanger mit meinem Kind. War es das, was du dir vorgestellt hast?“, fragte er sie tatsächlich. Sie lachte freudlos auf.

 

„Ja“, sagte sie heiser. „Draco, genau das war es, was ich mir gedacht hatte!“ Sie sagte seinen Namen, denn in ihrem Kopf machte es mittlerweile Sinn, das zu tun. Sie waren so intim geworden, dass es irrsinnig wäre, ihn anders zu nennen. „Aber… aber der Alkohol sollte sich wenigstens um eine Sorge gekümmert haben!“ Er hob eine Augenbraue und musterte sie. 

 

„Alkohol?“, wiederholte er, und dann öffnete sich sein Mund in Verständnis. „Nein, Alkohol hilft nicht. Es ist keine Muggelschwangerschaft. Es ist…“ Sie sah ihn mit großen Augen an. Pansy hatte… gelogen? War es das, was er ihr sagen wollte? Hatte Pansy es nicht gewusst? Hermine wurde wieder wütend. Was hatte Pansy gewollt? Sie hatte Ron sehen wollen? War es das gewesen?!

 

Oh, Pansy war unfassbar! Und dennoch erfüllte fast so etwas wie Erleichterung Hermines Geist. Denn… dann hatte sie das Baby nicht umgebracht. Nicht mit Alkohol! Nicht, dass sie es überhaupt haben wollte, aber… es wäre nicht fair, es durch rücksichtsloses Trinken gewalttätig entfernen zu wollen!

 

„Oh“, entfuhr es ihr lediglich.

 

„Du dachtest, durch Alkohol könntest du es zerstören? Du solltest die Verträge genauer lesen, die du so leichtfertig unterschreibst“, schien er sie tatsächlich maßregeln zu wollen.

 

„Weißt du, du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Du brauchst dich nicht entschuldigen! Nicht dafür, dass dir niemand helfen kann, nicht dafür, dass es dir keinen Spaß macht, wenn du mir Gewalt antust. Ich will kein Gold von dir. Ich will gar nichts von dir!“ Ihre Stimme zitterte ein wenig.

 

„Mit der Scheidung kann das Kind entfernt werden“, erklärte er.

 

„Wunderbar“, entfuhr es ihr bitterer, als beabsichtigt.

 

„Du… du bist beleidigt, weil wir nicht verheiratet bleiben? Weil du kein Kind von mir bekommst?!“, fragte er allen Ernstes, mehr als ungläubig.

 

„Was? Nein!“, erwiderte sie erschöpft. Er war so dumm!

 

„Warum bist du dann so? Warum bist du die ganze Zeit so? Weil ich dein Schulferienprojekt bin, was sich nicht so entwickelt, wie du es willst? Was ist das hier? Deine Kompensation dafür, dass du nicht Schulsprecherin geworden bist?“

 

„Ja!“, schrie sie jetzt außer sich. Aber sie weinte schon wieder.

 

„Ja, schön. Fick dich, Granger!“, erklärte er resignierend. „Ich glaube dir nicht“, sagte er jetzt und wandte sich ab. „Ich glaube, dein Projekt macht dir verdammten Spaß und bietet dir die Ablenkung, die du in deinem langweiligen scheiß Muggelleben nicht bekommst!“

 

Es war nach Mitternacht, stellte sie mit einem Blick auf die Uhr fest. Sie hatten Silvester durchgeschrien.

 

Und plötzlich schoss ihr eine Frage in den Sinn.

 

„Wieso bist du hergekommen? Wieso hast du deinen tollen Abend bei den Idioten, die du bevorzugst, abgebrochen und-“ Er war so schnell zu ihr herumgefahren und hatte den Abstand geschlossen, dass sie abrupt verstummte, als er groß vor ihr stand, und sie den Kopf in den Nacken legen musste.

 

„Vielleicht weil eine dämliche Muggel dort ihre Show abziehen musste, und uns alle angestarrt haben?!“, fuhr er sie durch zusammen gebissene Zähne an, aber sie hatte keine Angst vor ihm. Jetzt gerade nicht.

 

„Ich bin sicher, Astoria hätte dich schon abgelenkt! Sie hat-“

 

„-nicht“, unterbrach er sie lediglich. „Genug, Granger“, entfuhr es ihm erschöpft.

 

„Aber du-“

 

„-es reicht!“, erklärte er und wandte sich wieder von ihr ab.

 

„Du wirst sie heiraten, oder nicht?“, sagte sie, während sie ihm nachsah. Er hielt erneut inne und neigte den Kopf über die Schulter, als er antwortete.

 

„Keine Ahnung, was deine Absichten waren, aber… sollte eine deiner Absichten gewesen sein, mich davon abzuhalten, irgendwen jemals wieder zu heiraten, dann – Glückwunsch, Granger. Ich habe kein Interesse mehr daran“, erklärte er.

 

„Du wirst dein Gold verlieren, wenn du es nicht tust“, sagte sie schließlich. Er atmete aus. Dann wandte er sich um und hob erneut die  Arme in einer Geste der Resignation.

 

„Na und?“, sagte er tatsächlich. „Wenn das die Ehe ist, dann ist sie kein Gold der Welt wert“, erklärte er, selber erschöpft. Sie nahm an, er übertrieb. Natürlich tat er das. Wäre sein Erbe in Gefahr, hätte er schneller ‚Ich will‘ gesagt, als sie würde gucken können.

 

Wieder drehte er sich um, und an der Treppe nach oben hielt er inne. Er schien zu hadern, schien zu überlegen, und dann traf sie sein Seitenblick.

Und es war einer dieser seltenen Momente, von denen sie nie wusste, wann sie passierten, und dann waren sie auch schon wieder vorbei.

 

„Kommst du?“, fragte er tatsächlich, und verblüfft klappte ihr Mund ein kleines Stück auf.


„Was?“, entfuhr es ihr entgeistert, denn er konnte unmöglich meinen, dass –

 

„-wir haben gestritten, wir haben Neujahr, ich bin müde – also?“ Wieder sah er sie auffordernd an.

 

„Du… du denkst, ich gehe mit dir nach oben? Um was zu tun?“, entfuhr es ihr atemlos. Und er zuckte die Achseln.

 

„Schlafen wäre eine Idee“, sagte er achselzuckend.

 

„Schlafen? Mit dir? In einem Bett?“ Ihre Stimme klang furchtbar heiser. Er verzog die Mundwinkel.

 

„Hm“, machte er ausweichend. „Du kannst morgen immer noch packen, meine Eltern anschreien, dein Kind loswerden und die nächsten zwei Tage heulend in Potters Armen liegen, oder nicht?“ Und er sprach so gleichmütig, so völlig gelassen. Es warf sie tatsächlich etwas aus der Bahn.

 

„Malfoy, wieso-?“ Aber sie unterbrach sich selbst. Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller.

 

„Weil du meine Frau bist. Heute noch“, sagte er. Und sie konnte ihn nicht einordnen. Sie verstand seine Worte nicht. „Weil ich dir gesagt habe, du sollst auf mich warten. Was du nicht getan hast – und wäre es nicht besser gewesen, du hättest das getan?“, beantwortete er seine ungestellte Frage selbst. „Außerdem – wo willst du hin? Zu deinen Eltern?“ Fast klang er spöttisch.

 

Ihr Mund öffnete sich.

 

„Lass uns… lass uns so tun, als… kennen wir uns nicht. Als… wäre nicht alles absolut scheiße und nicht alles zerstört, als würden wir uns mal nicht hassen, und-“

 

„-Malfoy!“, sagte sie streng.

 

„Es bedeutet doch ohnehin alles nichts!“, erklärte er fast verzweifelt und noch immer wartete er am Treppenabsatz.

 

„Wieso bist du dann nicht dort geblieben? Bei Astoria?“ Sie begriff es nicht. Er schien darüber nachzudenken.

 

„War zu voll da“, sagte er, aber er sah, dass sie sich nicht rührte. Er verdrehte die Augen schließlich. „Und weil ich sie nicht will“, erklärte er leichthin. Und sie sah ihn an, blickte in sein Gesicht. Seine unnahbare Gestalt wartete immer noch am Fuße der Treppe.

Den Umkehrschluss sprach sie nicht aus. Er wollte Astoria nicht, aber sie…? Sie wollte er?!

Sie nahm nicht an, dass er die Worte ernst meinte. Und selbst wenn!

 

Sie wollte nach Hause! Nach allem, was er getan hatte. Unschlüssig kam sie auf ihn zu.

 

„Ich… werde jetzt gehen“, sagte sie müde.

 

„Gehen?“, wiederholte er und legte auf jungenhafte Art den Kopf schräg. „Das Jahr ist noch jung. Kennen wir uns? Draco Malfoy“, stellte er sich ihr vor, und sanft zuckten seine Mundwinkel ebenmäßig. Ihre Augen wurden größer.

 

„Malfoy, was-“

 

„-einfach Draco“, spielte er sein Spiel mit einem charmanten Lächeln, was sie an ihm noch nie gesehen hatte.

 

Kurz schwieg sie. Aber er schien gerade ein Rollenspiel zu verfolgen, stellte sie fasziniert fest.

 

„Ich habe dich gesehen. Mit Potter und Weasley. Ist einer davon dein Freund?“, fragte er unverfänglich.

 

„Nein“, sagte sie schließlich. „Ich bin verheiratet“, schloss sie müde, mit eindeutig erhobener Augenbraue. Er biss sich auf die Lippe.

 

„Wirklich? Muss ja ein verdammt glücklicher Kerl sein“, erwiderte er. Sie presste die Lippen aufeinander, denn sie wollte nicht lächeln müssen. Nicht vor ihm. Also nickte sie ernst.


„Oh ja. Wirklich glücklich. Versteht sich gut mit seinen Eltern, wirklich ein wunderbarer Mann. So höflich. Überhaupt nicht rassenfeindlich oder überheblich-“

 

„-schön“, unterbrach er sie mit mehr Nachdruck. „Vielleicht… könntest du ihn trotzdem betrügen?“, fragte er direkt, und sie konnte ihn nur anstarren. Dann ging sie mit einem Seufzen auf sein dummes Spiel ein.

 

„Mit wem? Mit dir? Da müsste ich verrückt sein. Ich kenne dich überhaupt nicht, und mein Mann ist der reichste Mann in ganz England“, sagte sie, als würde es ihr die Welt bedeuten. Malfoy machte ein bedauerndes Geräusch.

 

„Tja, so viel Gold kann ich dir nicht bieten. Ich rede nicht mehr mit meinen Eltern. Ich denke, es wird schwer werden, mein Leben zu finanzieren, aber ich bin ein lustiger Typ. Und fabelhaft im Quidditch“, zählte er selbstsicher auf. Und sie runzelte die Stirn. Malfoy musste gar nichts selber finanzieren. War das gerade seine Vorstellung in seinem Rollenspiel?

 

„Schon irgendwelche Pokale gewonnen?“, zog sie ihn schließlich auf, während sie beide am Treppengeländer lehnten. Er schenkte ihr einen eisigen Blick.


„Das kommt noch“, versprach er eine Spur bitterer.

 

„Hoffentlich bald. Das Schuljahr dauert nicht mehr lang…“, merkte sie unheilschwanger an. Er schüttelte den Kopf.

 

„Unwichtig“, kürzte er es ab. „Wie heißt du überhaupt?“, fragte er jetzt. Eindeutig hob sie die Augenbrauen, denn dieses Spiel war lächerlich.

 

„Mein Mann nennt mich Schlammblut. Ich bin sicher, das könnte dir auch gefallen. Ihr seid euch ohnehin sehr ähnlich“, sagte sie kühler.

 

„Du hast keine Ahnung von Vorspiel, oder Granger?“

 

Das Spiel war vorbei. Er war wieder er selbst.

 

„Es gibt kein Vorspiel. Und nein, Malfoy“, sagte sie, ein wenig überrascht über ihre Worte. „Du warst mein Erster, also… nein, ich habe keine Ahnung von Vorspiel. Aber von Gewalt und Vergewaltigung und Schmerz und Hass. Vielleicht kann ich dir darüber berichten“, entfuhr es ihr kalt. Er atmete aus.

 

„Bleib“, bat er jetzt. Er spielte nicht mehr. Er war tatsächlich ehrlich mit ihr. Und es machte ihr mehr Angst als alles andere. Sie schüttelte den Kopf.

 

„Wieso sollte ich?“, wisperte sie erschöpft.

 

„Weil ich dich bitte“, erklärte er schlicht.

 

„Und dann was?“ Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. So kannte sie ihn nicht. Wirklich nicht. Und umgehen konnte sie damit erst recht nicht.

 

„Dann… ist morgen. Wir… vergessen diese ganze Sache, du gehst zurück in dein Leben und ich… in meins“, schloss er ruhiger.

 

Was wollte er? Eine letzte Nacht? Für was? War es nicht alles schlimm genug? Er nannte es ‚Sache‘. Ihr ganzes Leben hatte sich geändert. Alles war… zerstört. Und ja, sie hassten sich.

 

Es war das erste Mal, dass er sie um etwas bat.

 

Es war das erste Mal, dass sie unsicher war. In Bezug auf ihre Gefühle gegenüber Draco Malfoy.

 

~*~

 

Sie stand gedankenverloren vor ihm, schien zu überlegen oder abzuwägen, oder was sie eben so tat.

 

Er kannte sie gut, dieses Mädchen, in den gemütlichen Sachen, die nie figurbetont oder aufreizend waren. Er kannte ihren Körper gut, ihre verschiedenen Seiten, ihre Gefühle und Gedanken.

 

Er wunderte sich über sich selbst, wie gut er sie zu kennen glaubte.

 

Ihre Gesichtsfarbe war wieder gleichmäßig, ein wenig dunkler als bei anderen Mädchen, ein wenig sommerlicher, selbst im Winter. Selbst im Winter könnte er nicht beginnen, all ihre Sommersprossen zu zählen. Manchmal hatte er Angst vor ihrem Blick aus diesen dunklen Augen, die so anders waren als seine.

 

Er hatte Angst, sie zu berühren. Er wusste nicht, wie sie reagierte. Er wusste es nie. Die meisten Mädchen konnte er lesen, wie ein offenes Buch, aber sie nicht.

 

Sie sprang nicht an auf seine Tricks, auf seine Spiele. Sie schien ihn nicht ernstzunehmen, oder überhaupt wahrzunehmen.

 

Und jetzt, heute, nach allem, was auf der Party passiert war, wollte er sie zum ersten Mal um sich haben. Er wollte wissen, was sie dachte, er wollte wissen, ob sie überlegte, dass sie ihn wollte. Er wollte alles wissen. Heute Nacht.

Denn sie würde gehen. Es neigte sich alles einem Ende, und wie es immer so ist, weiß man erst zum Schluss, was man hätte haben können.

 

Und sie erweckte sein Interesse.

 

Soweit er es sexuell beurteilen konnte, war sie sein. Er hatte sie als erster gehabt, und niemand würde diese Tatsache ändern können. Er wusste nicht, warum ihm gerade dieser Gedanke eine lächerlich beruhigende Sicherheit verschaffte.

 

Sie war nicht sein. Sie würde nicht bleiben, er könnte sie nicht behalten. Sie wäre bald das Mädchen von irgendwem anders. Die Freundin von irgendwem anders. Die Verlobte oder die Frau von… irgendwem anders.

 

Und er wollte nicht, dass sie ihn nur mit Zorn und Gewalt verband – wusste Salazar, wieso! Sein Stolz hatte damit ein Problem.

 

Es war kein schönes Märchen. Es war keine schöne Geschichte. Eine Geschichte von Hermine Granger und Draco Malfoy konnte überhaupt keine schöne Geschichte sein, überlegte er dumpf.

 

„Ich… werde nach Hause gehen“, sagte sie nach einer kleinen Ewigkeit. Immerhin schien sie über seine Bitte nachgedacht zu haben. Sie sah ihn nicht direkt an. Tat sie selten.

Und er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie alle Sorgen über Bord werfen würde und eine letzte wilde Nacht mit ihm verbrachte.

 

Er atmete langsam aus.

 

Und sie tat etwas Seltsames. Sie stellte sich auf die erste Treppenstufe zu ihm und legte ihm die Arme um den Nacken.

 

Sie umarmte ihn. Granger umarmte ihn. Er spürte ihre Wärme, die ihn umfing. Er spürte, wie sie weinte. Und langsam legte er die Arme um ihren dünnen Körper, den er schon so oft gehabt hatte. Aber noch nie hatte sie ihn umarmt. Er atmete ihren Duft ein, den er auswendig kannte. 

 

„Es tut mir leid“, flüsterte sie in seinen Nacken. Er hielt sie, schloss seine Augen und verharrte so. Sie war sie selbst. Nicht das Miststück, das sie sonst markierte. Er ging leicht in die Knie, um sie fester zu umarmen.

 

„Mir auch“, murmelte er, ohne genau zu wissen, warum – oder was ihm leid tat. Es klang richtig. Irgendwie.

 

Sie löste sich als erste, langsam, ganz langsam strich ihre Wange sanft gegen seine, und nur Zentimeter trennten ihre Gesichter, als sie in seine Augen blickte. Tränen schimmerten in ihren Augen.

 

Und er machte sich da nichts vor. Und er glaubte, sie wollte es auch.

 

Er senkte den Kopf. Seine Lippen strichen sanft über ihre, probierten nur. Sie hielt völlig still. Und sich wich nicht zurück! Und es war, als verließ ein Seufzen ihren Mund, als sie ihm entgegenkam.

 

Es war ein Kuss, als wäre es der erste.

 

So vorsichtig, und er prägte es sich alles ein. Seine Finger fuhren durch ihre wilden Locken, die sich nur zu gerne um seine Finger wickelten, wie um ihn zu halten. Ihre Haut roch süß, und ihre Lippen waren genau richtig. Genau richtig geschwungen, genau perfekt für ihn.

 

Es zog in seiner Mitte, und seine Erektion pochte bereits.

 

Und bevor es perfekter werden konnte, bevor er seine Arme um sie schlingen konnte, bevor er sie hochheben und einfach davon tragen konnte, wich sie zurück.

 

Der Unmut darüber erfüllte ihn augenblicklich.

 

„Auf Wiedersehen, Draco“, sagte sie, und er mochte es, wie sie seinen Namen sagte. Als wäre es ein Wort, was sie noch nie gehört hatte und jedes Mal neu auf ihren Lippen klang.

 

„Wiedersehen“, war alles, was er tonlos sagte, und sie hatte sich abgewandt.

 

Sie griff nur nach ihren Mänteln von der Garderobe. Alle übrigen Sachen, die ihre waren, ließ sie zurück. Ihn gleich mit.

 

Und dann war sie verschwunden, und er war allein.

 

Ich liebe dich, dachte er.

 

Er dachte die Worte so plötzlich und unwillkürlich, dass es ihm einen Stich versetzte. Eine Leere breitete sich ohne sie in ihm aus, die er nicht kannte.

 

Nein. Nein, sagte er sich. Es waren nur… die Geister des letzten Jahres, die ihm einen Streich spielten.

 

Aber warum fühlte er sich dann so elend?

Warum wollte sie ihn nicht? Nicht mal für eine Nacht?

Und plötzlich war es, als sehe er klarer, ein wenig schärfer als noch zuvor.

 

Und er fragte sich, wie ihm Astoria jemals hatte schöner vorkommen können als sie! Als Granger. Denn das war sie nicht. Verglichen mit Granger wirkte Astoria nur noch… künstlich. Überhaupt nicht echt.

 

Er setzte sich langsam auf die Treppenstufe.

 

Das war alles gar nicht gut. Er musste sich wieder unter Kontrolle bekommen. Dann hatte er eben Gefühle von… Verliebtheit. Na und?! Die würden weggehen. Jetzt, wo alles wieder normal werden würde, durfte er keine weitere Dummheit begehen. Und sie hasste ihn immer noch.

 

Heute war eine Ausnahme.

 

Er würde wieder Junggeselle sein. Kein Ehemann. Kein Vater.

 

Es war still im Haus.

 

Er nahm an, seine Mutter würde es persönlich abreißen lassen, damit auch ja nichts mehr an die Zeit mit Granger erinnerte. Genauso wenig, wie es noch eine Erinnerung an Scorpius gab.

 

Er stützte den Kopf in seine Hände, denn er erschien ihm so unsagbar schwer.

 

Er hatte keine Ahnung von Gefühlen.

Er wusste nur, er wollte nicht, dass sie ihn alleine ließ.

 

„Weichei“, beschimpfte er sich selbst. „Verdammtes Weichei.“

 

Manchmal hasste er sich.

 

 

Kapitel 58

 

Sie lag flach auf dem Rücken und starrte seit einer Weile an die Decke. Unten hatte ihre Mutter endlich aufgehört zu schreien und zu weinen. Sie hatte sich mit ihrem Vater gestritten. Endlich war es ruhiger geworden.

 

Hermine hatte an nichts mehr gedacht, hatte auch nicht viel erklärt, als sie nach Hause gekommen war. Gestern Nacht waren ihre Eltern zu gut gelaunt gewesen, als sie noch um ein Uhr morgens nach Hause kam. Sie hatte ihnen erklärt, das Gästehaus wäre voll und sie wolle gerne in Ruhe schlafen.

 

Aber schon zum Frühstück hatte sie diese Lüge aufgeklärt, nachdem sie kaum ein Auge zugetan hatte.

 

Nun hatte sie die Tirade ihrer Mutter hinter sich gebracht, ohne ihr genau erklären zu können, warum ihre Ehe letztendlich nach zehn Tagen gescheitert war. Es kam Hermine wie ein ganzes Jahr vor, bestimmt nicht wie lediglich zehn Tage.

 

Sie atmete langsam aus, aber ihr Herz beruhigte sich kaum. Sie hatte noch nicht geweint, aber sie musste auch nicht wirklich weinen, denn sie hatte Malfoy nie geliebt.

 

Es klingelte unten an der Tür, und sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass es für sie war. Aber sie wollte es nicht. Und sie kannte niemanden, der wusste, dass sie hier wohnte, aus der Reinblütergesellschaft. Außer Narzissa. Aber sie setzte sich langsam im Bett auf.

 

Sie hörte die dumpfen Stimmen im Flur. Ihre Mutter sprach knappe Worte, und eine weitere Frau antwortete. Hermine zuckte zusammen, als ihre Mutter plötzlich aufschrie.

 

„Sie ist was?!“, dröhnte die entsetzte Stimme ihrer Mutter durch das gesamte kleine Haus der Grangers. Es folgten weitere gepresste Worte, die Hermine nicht verstand, und nach einer kleinen Weile vernahm sie Tritte auf den Stufen.

 

Sie betrachtete ihre verschlossene Tür, bis sie die Stimmen deutlicher hörte.

 

Dann klopfte es zweimal gegen die Tür, ehe ihr Mutter, ohne weiter zu warten, öffnete. Sie hatte einen knallroten Kopf vor Wut.

 

„Hermine? Eine Ärztin ist hier?“, presste sie hervor. Hermine erkannte die Heilerin, die sie erst vor wenigen Tagen angeschrien hatte. Heilerin Madden stand ein wenig betreten hinter ihrer Mutter. „Du bist schwanger?“, fuhr ihre Mutter sie an. „Hattest du vor, mir das zu sagen? Und was passiert jetzt, Himmel noch mal?!“, wollte ihre Mutter heiser von ihr wissen.

 

„Mum, lass uns bitte alleine, ok? Nur kurz? Ich… erzähle dir alles später!“, versprach Hermine.

 

„Hermine Jean Granger, wenn diese Hexen-Ärztin hier ist, um das Kind mit irgendeinem schwarzen Hokus-Pokus zu entfernen, dann bekommt ihr es beide mit mir zu tun, und ich verklage sie!“, drohte ihre Mutter mit erhobener Stimme. „Für eine Schwangerschaft hat man einzustehen, wenn man auch noch so dumm und kindisch und verantwortungslos handelt!“

 

Hermine sah ihre Mutter an. Das… war hoffentlich nicht ihr ernst. Außerdem konnte sich Hermine immer noch später entschuldigen, denn es würde nicht passieren, dass sie das Kind behielt. Immerhin kam die Heilerin sofort, um rückgängig zu machen, was sie angerichtet hatte!

 

Hermine hätte ihrer Mutter auch gerne erklärt, dass nicht sie schwanger geworden war, weil sie nicht aufgepasst hatte, sondern dass diese Heilerin sie mit Magie geschwängert hatte, aber Hermine nahm an, dann würde der Kopf ihrer Mutter einfach explodieren. Sie wirkte ohnehin kurz davor, Hermine in Stück zu reißen.

 

„Mum?“, wiederholte Hermine drängender, und ihre Mutter verließ schimpfend das Zimmer, während die Heilerin peinlich berührt die Türe schloss.

 

„Frohes neues Jahr“, sagte die Heilerin schließlich, ein wenig trocken.

 

„Ihnen auch“, erwiderte Hermine und versuchte, nicht zu überrascht über die Erscheinung der Frau zu sein. „Sie kommen, um es zu entfernen?“, vergewisserte sich Hermine leise und hoffnungsvoll. Wahrscheinlich war dies Narzissas größte Sorge, und deshalb wurde sich sofort um das Problem gekümmert. Egal, welcher Tag des Jahres war, vermutete Hermine bitter.

 

„Nun… ich…“, begann die Heilerin unschlüssig. „…werde es versuchen.“

 

Das war es, was sie sagte. Hermines Stirn legte sich in Falten.

 

„Was soll das bedeuten, Sie werden es versuchen?“, wollte Hermine besorgt wissen. „Sobald der Vertrag gelöst ist, kann man das Baby entfernen!“, wiederholte sie, was man ihr gesagt hatte.

 

„Das ist auch völlig richtig, Mrs Malfoy!“, beteuerte die Heilerin, und Hermine verzog beim Klang des Namens den Mund. „Und ich habe den Vertrag dabei! Den Vertrag, der – mit ihrer Unterschrift – die Verbindung zu den Malfoys lösen wird“, erklärte sie. „Es gibt nur ein einziges Problem“, fuhr sie fort. Hermine starrte sie an. „Aber zunächst bitte ich Sie, zu unterschreiben, denn vielleicht existiert dann das Problem gar nicht mehr!“

 

Hermine sah sie an.

 

„Hier auf der Linie unterschreiben Sie.“

 

Hermine fand es nicht nur komisch, dass die Heilerin diese Aufgabe erledigen musste. Sie fand es auch komisch, dass dies an Neujahr passierte, und Hermine sich vorstellen konnte, dass die Frau auch weitaus wichtigere Sachen zu tun hatte. Aber das war es, was sie wollte.

 

Sie unterschrieb mit der schwarzen Feder, die die Frau ihr darbot. Sie ermahnte sich in Gedanken noch einmal, dass sie mit ‚Malfoy‘ unterschrieben musste. Kurz leuchtete die Tinte auf.

 

„Gut“, sagte die Heilerin, eher zu sich selbst. „Der Zauber funktioniert schnell, Sie müssen sich nicht einmal umziehen, ich muss sie lediglich bitten, ganz still zu halten“, murmelte die Heilerin. Sie zog den Zauberstab ruhig aus dem Ärmel ihres Mantels hervor. Hermine hatte sich noch nicht bewegt. Es war eine sehr schnelle Angelegenheit. Sie hatte nicht mal Zeit, sich mental zu verabschieden, da sprach die Heilerin die Formel.

 

Firmus Abigo!“, sagte sie und drehte den Zauberstab nach links, während eine silberne Spur aus der Spitze brach und auf Hermines Unterleib zutrieb. Allerdings brach sie nicht durch ihre Bauchdecke, prallte scheinbar vorher ab und zerbarst in tausend goldene Funken. Die Heilerin atmete konzentriert aus. „Firmus Abigo!“, wiederholte sie, drehte den Zauberstab präziser, aber es passierte dasselbe wie zuvor.

 

„Was ist los?“, flüsterte Hermine ängstlich. Die Heilerin atmete resignierend aus.

 

„Das kleine Problem, von dem ich sprach?“, griff sie die Worte wieder auf, und Hermine sah sie mit großen Augen an. Ihr Herz raste, denn das Kind war nicht entfernt. Sie spürte es regelrecht, spürte, wie sich der winzige Funke menschlichen Lebens in ihrem Innern hartnäckig gegen den Zauber gewehrt hatte.

 

„Ja?“, entgegnete Hermine vorsichtig.

 

„Mr. Malfoy will nicht unterschreiben“, sagte sie schließlich. Hermine zog die Stirn in krause Falten.

 

„Lucius will nicht unterschreiben? Das ist absurd! Er war es doch, der alles wieder in die Wege geleitet hat, um mich auf dem schnellsten Weg loszuwerden! Hören Sie, Sie können ihm gerne ausrichten, dass er-!“

 

„-nein“, unterbrach die Heilerin sie stiller. Hermine verstummte abrupt. „Nicht Lucius Malfoy. Der Vater des Kindes weigert sich, den magischen Ehevertrag zu lösen, Mrs Malfoy. Und scheinbar reicht Ihre Unterschrift alleine nicht aus, dass ich das Kind entfernen könnte. Ich hatte Narzissa gesagt, es wäre vielleicht möglich, da Sie alleine das Kind in sich tragen, nur mit Ihrer Unterschrift arbeiten zu können, aber-“

 

„-was?“, unterbrach Hermine die Heilerin verständnislos. „Was soll das bedeuten?“ Sie begriff nicht wirklich, denn was die Heilerin sagte, war, dass Malfoy nicht unterschreiben wollte. Und das war… absurd! Genauso absurd, als würde Lucius nicht unterschreiben wollen.

 

„Es bedeutet… - ohne die Unterschrift von Draco Malfoy kann ich überhaupt nichts tun“, entschuldigte sich die Heilerin selber ein wenig überrascht bei ihr.

 

„Sind sie sich völlig sicher, dass er… dass er…“  Aber sie unterbrach sich. Was gab es daran nicht zu verstehen? Malfoy sollte unterschreiben, damit sie beide wieder geschieden waren. Malfoy sollte einfach nur seinen Namen hergeben, um seine Freiheit zurückzuerlangen.

Und das tat er nicht?!

 

Wieso nicht? Hermine konnte die Heilerin nur anstarren.

 

„Ich bin mir vollkommen sicher. Es steht mir nicht zu darüber zu berichten, aber es gab heute Morgen, als ich im Herrenhaus war, bereits einen mächtigen Streit. Ich… weiß ja nicht, was vorgefallen ist, aber Ihr Ehemann weigert sich vehement in eine Scheidung einzuwilligen. Also wenn es ein Problem mit den Schwiegereltern gab, können Sie sich zumindest der Unterstützung Ihres Ehemannes gewiss sein, Mrs Malfoy“, erklärte die Heilerin zuversichtlich.

 

„Was?“ Hermine konnte dieses Wort nur immer wieder und wieder sagen.

 

Malfoys Unterstützung? Die hatte sie noch nie gehabt. Und auf einmal hatte sie diese? Warum?!

 

„Nun, ich habe mein Bestes getan“, schloss die Heilerin. „Im Moment kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Suchen Sie mich wieder auf, wenn Sie beide unterschrieben haben und eine Entfernung noch immer gewünscht ist. Hier ist meine Karte. Sie habenzwei Monate Zeit“, klärte sie Hermine mit prüfendem Blick auf und reichte ihr eine verhexte Visitenkarte. Blumen wanden sich über die glatte Oberfläche. „Auf Wiedersehen, Mrs Malfoy“, verabschiedete sich die Heilerin von ihr und verschwand genauso still, wie sie gekommen war.

 

Ihre Mutter kam keine Minute später in ihr Zimmer zurück.

 

„Ich kann nur hoffen, ihr habt hier keine Magie in meinem Haus angewandt, die dem Kind Schaden zugefügt hat!“, warnte sie Hermine jetzt. Hermine schüttelte nur den Kopf.

 

„Nein, Mum“, sagte sie tonlos, ohne es selber begreifen zu können.

 

„Das ist gut! Lass dich scheiden, von mir aus! Aber eine Abtreibung kommt nicht in Betracht, Hermine! Hast du gehört?“, vergewisserte sich ihre wütende Mutter, während Hermine überhaupt nicht zuhörte. „Du magst eine Hexe sein, aber ich glaube an Werte und es ist einfach nicht richtig, so etwas einem ungeborenen Kind anzutun! Hörst du mir zu? Hermine?!“

 

Aber Hermine starrte leer aus ihrem Fenster, während sie verloren auf ihrer Unterlippe kaute, um zu irgendeiner plausiblen Lösung zu gelangen.

 

Wieso unterschrieb er nicht?!

 

~*~

 

„Draco!“, rief sein Vater zornig.

 

„Draco, mach sofort die Tür auf!“, schloss sich seine Mutter an.

 

„Ich warne dich, Draco!“, wiederholte Lucius, ehe der nächste Zauber erfolglos gegen die Tür knallte.

 

Seine Eltern ließen Fluch um Fluch gegen die Tür schlagen, die er vorsintflutlich verriegelt hatte. Es war ein gutes Haus. Wenn er es nicht wollte, dann kam niemand hinein. Nicht einmal seine Eltern, die es erbaut hatten.

 

„Ihnen ist klar, dass ich irgendwann das Haus verlassen muss?“, erinnerte ihn der Heiler, während Draco seine Tasche in den Flur stellte und sich einen prüfenden Blick im Spiegel zuwarf. Heiler Atwell war leider zu einem ungünstigen Zeitpunkt aufgetaucht. Kurz bevor seine Eltern versucht hatten, das Gästehaus zu stürmen. Und deshalb hatte Draco ihn kurzerhand ebenfalls mit sich eingeschlossen.

 

„Ja, ja“, sagte er wegwerfend.

 

„Wollen Sie darüber reden?“, erkundigte sich der Heiler, leicht gereizt.

 

„Nein“, entschied Draco knapp zu sagen, griff sich den Vertrag von der Anrichte und betrachtete die beiden Unterschriften auf der Linie.

 

Zumindest glaubte er, beide Unterschriften würden dort noch stehen.

Allerdings war Grangers Unterschrift von der markierten Linie verschwunden.

Sie hatte bereits unterschrieben, die Ehe zu lösen, ging ihm dumpf auf.

 

Seine Mutter war verdammt schnell mit solchen Dingen.

 

Er erinnerte sich noch an den glorreichen Tag der Unterschrift, an seinen siegessicheren Vater, der nun mit geballten Fäusten gegen die Tür hämmerte und seinen Namen schrie, damit er alles wieder rückgängig machte. Draco spürte den grimmigen Zug um seine Mundwinkel, als ihn Genugtuung erfasste.

 

Das würde Lucius so passen. Er hatte ihn hierzu gezwungen, und jetzt konnte er sehen, wie er damit zurechtkam! Er rollte das Pergament zusammen und steckte es sorgfältig in seine Tasche.

 

„Ist das Ihr Ehevertrag?“, vergewisserte sich der Heiler schließlich.

 

„Mhm“, bestätigte Draco kurz angebunden und griff sich seinen Mantel.

 

„Und Sie haben sich geweigert, zu unterschreiben, Ihre Ehe aufzulösen?“, fasste der Heiler den Streit des heutigen Tages im Hause Malfoy mit sehr wenigen Worten zusammen.

 

„Ja“, entgegnete Draco, während er sich seine Tasche griff und sich vor den Kamin stellte, den Mantel über dem Arm. Unfassbar, wie ruhig er tatsächlich blieb. Er hätte es sich nicht zugetraut, und es war seltsam, oder nicht? Sie war bereit, alles aufzugeben, die Sache zu beenden – und er? Er tat wie immer das genaue Gegenteil von dem, was von ihm erwartet wurde. So seltsam war es nun alles doch wieder nicht.

 

„Und warum nicht?“, wollte der Heiler besorgt wissen. „Sie… standen dieser Ehe mehr als ablehnend gegenüber!“, beteuerte der Heiler argwöhnisch.

 

„Ich habe nicht unterschrieben, weil ich nicht wollte“, sagte Draco achselzuckend, ohne die Geduld, weiterzureden und sein Handeln zu erklären. „Sie können gehen, sobald ich verschwunden bin. Wir müssen die nächste Sitzung verschieben, bis das Schuljahr vorbei ist, Mr. Atwell“, verabschiedete sich Draco, ohne großartig traurig über diese Tatsache zu sein, und warf das graue Flohpulver in den Kamin. „Hastings Parks“, rief er Blaises Adresse und wartete bis die Flammen grün loderten.

 

Dann trat er auf das Rost.

 

„Mr. Malfoy-!“, wollte ihn der Heiler aufhalten, aber Draco unterbrach ihn.


„-und sagen Sie ihnen nicht, wo ich bin! Schweigepflicht“, erinnerte ihn Draco streng an seinen Eid, und der Heiler schwieg unzufrieden. Dann war Draco auch schon verschwunden.

 

Die gepackte Tasche lag schwer in seiner Hand, während er durch das Netzwerk flog und aufpassen musste, sich nicht überall zu stoßen. Er kam schwankend im breiten Kamin der Zabinis an, stieß sich den Kopf am Rand des Sims und stolperte aus dem Kamin und ließ seine Tasche hustend fallen.

 

„Hey“, begrüßte ihn Blaise unbeeindruckt von der Couch, hob nicht mal seinen Blick aus dem Magazin. „Wie war die Reise, mein Freund?“, erkundigte er sich und blätterte die nächste Seite um.

 

„Fantastisch“, knurrte Draco und rieb sich die schmerzende Schulter. Die Tasche war definitiv zu schwer. Langsam ließ Blaise das Magazin sinken.

 

„Und was machen wir jetzt, im frohen neuen Jahr?“, wollte er knapp wissen. Draco ließ sich neben ihn auf die Couch fallen.

 

„Wir warten zwei Tage“, seufzte Draco erschöpft, lehnte den Kopf zurück und bemerkte, wie Blaise nachsichtig den Kopf schüttelte.

 

Warten zwei Tage“, wiederholte Blaise verächtlich. „Was ist? Hast du ein Genie Zuhause sitzen, das diese brillanten Ideen ausspuckt, Draco?“, wollte Blaise spöttisch von ihm wissen, und Draco verzog den Mund.

 

„Das ist der Plan. Einen besseren wird es nicht geben.“

 

„Und was ist mit Hermine?“, machte Blaise den nächsten Anlauf. Und Draco spielte cool. Denn auch das war etwas, was er ziemlich gut konnte.

 

„Was soll mit ihr sein?“

 

Blaise atmete aus. „Was ist gestern noch passiert? Du bist ihr nachgelaufen, oder nicht?“

 

„Nein?“, log Draco dreist und schaffte es, ungläubig die Augenbraue in die Höhe zu ziehen. Blaise wirkte misstrauisch.

 

„Nicht? Was hast du dann gemacht? Bei Astoria bist du nicht geblieben. Die hat sich nämlich ihre reichen Augen aus dem Kopf geweint. Was ist Sache, Draco? Ich wäre gerne informiert. Steht die Scheidung an? Ist das der nächste Schritt?“ Und Draco ließ sich sehr viel Zeit mit seiner Antwort, denn er befürchtete, es würden noch lange zwei Tage mit Blaise werden, wenn er, Draco, dieses Spiel weiter aufrecht hielt.

 

„Nein“, sagte er also, nach einer recht langen Pause, in der Blaise ihn gespannt beobachtete hatte.

 

„Nein?“, wiederholte sein bester Freund wieder. „Keine Scheidung? Aber du-“

 

„-meine Eltern haben mich gezwungen zu heiraten, und das habe ich getan. Und das wird auch so bleiben.“

 

„Und Hermine?“, wollte Blaise erneut wissen, ohne eine Frage zu stellen, und fast brannte es Draco schon auf den Lippen, ihren Namen zu sagen.

 

„Granger hat Pech gehabt“, fasste er ihr Unglück zusammen.

 

„Was soll das heißen?“, sagte Blaise tatsächlich überrascht. „Dass… dass du verheiratet bleibst?“, entfuhr es ihm. „Ob sie will oder nicht?“

 

„Sie hat damit angefangen“, rechtfertigte sich Draco, als ginge es ihn alles nichts an. Alles wäre es eine lästige Kleinigkeit, die sich leicht ignorieren ließe. Als könne es ihn nicht weiter berühren.

 

„Aber… sie ist schwanger! Und sie will es nicht, oder? Wenn du die Ehe nicht löst…, dann bleibt sie schwanger!“, informierte ihn Blaise mit mehr Nachdruck, und Draco setzte sich gemächlich auf die Couch und streckte die Beine aus.

 

„Nicht mein Problem“, erwiderte er achselzuckend, und Blaise starrte ihn an. Draco riskierte einen Blick aus den Augenwinkeln. Blaise kaufte es ihm ab. Vielleicht.

 

Blaises Stirn legte sich in tausend nachdenkliche Falten.

 

„Nur um deine Eltern zu ärgern, bleibst du mit einem Mädchen verheiratet, was du angeblich nicht willst, und sie ist passenderweise auch noch von dir schwanger, und du könntest all diese Probleme aus der Welt schaffen, sie loswerden und sogar noch das Mädchen heiraten, von dem du überzeugt warst, dass sie die richtige war?“, holte Blaise ungläubig aus.

 

„Es geht nicht mehr um solche Kleinigkeiten“, erwiderte Draco achselzuckend. „Meine Eltern haben sich diese Krötersuppe eingebrockt, und jetzt können sie sie auch auslöffeln. Und ich werde keinem mehr irgendwelche Gefallen tun.“

 

Blaise verschränkte die Arme vor der Brust. „Und Hermine hat damit nichts zu tun? Und du fühlst nichts für sie? Du bist einfach nur ein unausstehlicher Kotzbrocken, und sie muss am Ende leiden?“

 

Draco ließ die Muskeln seines Kiefers spielen, während er Blaises Blick standhielt.

 

So konnte man es natürlich auslegen, dachte er. Aber Draco dachte soweit nicht.

Draco dachte bis zu exakt einem Punkt.

 

Und dieser Punkt lag in naher Zukunft. Und er beinhaltete ihn, Granger, den Slytheringemeinschaftraum, sein Bett und die Malfortuna-Kette.

 

Zumindest war es ein Wunschdenken.

 

Solange er es auf dieses eine Mädchen abgesehen hatte, würde er unter Salazars Fluch persönlich nichts unterschreiben, was diese Ehe zerstören würde.

Und sie würde zu ihm kommen. Denn er wusste, sie wollte das Kind loswerden. Und das würde sie nur können, indem sie versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen.

 

Und bei Merlin, er wollte kein Vater sein.

 

Aber er wollte sie.

 

Nur noch ein paar Mal.

 

Bis er wieder bei Sinnen war.

 

Er wollte ihre Gesellschaft ausnutzen, sehen, wie weit es gehen könnte. Und er kannte sich. Gefühle, soweit es ihn betraf, würden verfliegen.

 

Aber Hogwarts würde verdammten Spaß machen, wenn seine Frau sich ihm nicht verweigern konnte, weil sie dringend etwas von ihm wollte.

 

Er musste lächeln, während er an all die Dinge dachte, zu denen er sie zwingen würde, damit sie ihren Willen letztendlich bekäme. Mit Kette sowie ohne.

 

„Jaah“, beantwortete er Blaises Frage.

 

„Du bist ein Arschloch, Malfoy“, bemerkte Blaise, aber sein Blick sagte Draco eindeutig, dass Blaise ihm die kalte Tour nicht vollends abkaufte.

 

Nur eine Sache bereitete Draco ein wenig Sorge. Er hoffte wirklich, diese Gefühle, die er kaum so nennen wollte, würden verfliegen. Noch nicht sofort, denn das Kribbeln in seiner Magengegend war ganz angenehm, aber doch bald.

Denn weiter als vier Wochen am Stück hatte er sein Leben noch nie geplant. In den nächsten vier Wochen wusste er, was passieren würde.

 

Ab dann hoffte er, dass alles wieder wäre wie zuvor.

 

Aber der Gedanke nagte an ihm, dass es vielleicht nicht ganz so einfach wäre.

Es war nur eine winzige Regenwolke an seinem sonst strahlend blauen Himmel.

Nichts, worüber man sich jetzt schon Gedanken machen musste.

 

Aber er würde die Wolke im Auge behalten.

Und er würde sich hüten, seine momentanen Gefühle gegenüber Granger laut zu äußern. Er hatte ihr gestern schon viel zu viele Zugeständnisse gemacht, sich ihr praktisch angeboten, und sie hatte abgelehnt! Einen Malfoy lehnte man nicht ab.

Und wenn er sie mochte – was ging es Granger an? Wozu sollte er sie noch weiter aufregen. Seine Gefühle wären schnell vorbei. Und bis dahin würde er endlich derjenige sein, der Spaß an dieser Beziehung finden würde.

 

Es klang furchtbar falsch in seinem Kopf.

 

Aber es war ihm egal. Wie so vieles zurzeit.

 

Grinsend lehnte er entspannt den Kopf zurück. Ein Glück, dass er das iPad eingepackt hatte.

Muggelspielzeug lag tatsächlich genau auf seiner Wellenlänge.

 

„Hast du Internet hier?“, fragte er Blaise unbekümmert und bückte sich nach seiner Tasche. Blaise starrte ihn an, als hätte er nun komplett den Verstand verloren. „Schon gut. Das Spiel funktioniert auch ohne“, klärte ihn Draco überheblich auf, als hätte Blaise auch nur eine einzige Frage diesbezüglich geäußert.

 

Er holte das noch schwarze Gerät aus der Tasche, und Blaises Mund hatte sich mittlerweile völlig entgeistert geöffnet.

 

Draco ignorierte ihn lächelnd, während er das Gerät zum Leuchten brachte.

 

 

Kapitel 59

 

Sie war appariert. Aber vorsichtshalber nicht bis ganz vor die Tore von Malfoy Manor. Ihre Schritte waren langsam. Der Schnee war überwiegend geschmolzen, aber sie hatte die Kapuze über den Kopf gezogen, und verharrte vor den hohen schmiedeeisernen Stangen, die das Grundstück umgaben, es vor Muggelaugen verschleierten, ein geschlossene Parklandschaft zeigten, aber sie sah, was passiert war.

 

Ihre behandschuhten Hände legten sich um die kalten Stangen, und sie presste die Augen zusammen gegen die Kälte. Sie erkannte die Stelle, wo das Gästehaus gestanden hatte. Oder das, was davon noch übrig war. Die Zauberer packten bereits zusammen, und Hermines Mund öffnete sich, als sie schmerzhaft begriff, dass Lucius und Narzissa das Haus hatten abreißen lassen.

 

Anscheinend ohne zu zögern.

 

Überreste lagen vereinzelt im steifen Gras, aber es war, als hätte dort nie ein Haus gestanden, als hätte dort nie jemand gewohnt, und Hermine spürte ein kaltes Schaudern ihren Rücken hinab laufen, denn ihre Zeit war vorüber auf Malfoy Manor. Lucius und Narzissa hatten sie gelöscht.

 

Und das war gut.

 

Das war in Ordnung.

 

Ob Malfoy da war? Sie brauchte seine Unterschrift. Sie musste das Kind loswerden, ehe sie in Hogwarts war. Sie war manisch geworden, belog ihre Eltern – sie war ein Wrack.

 

Und sie verstand nichts mehr.

 

Die Männer verschwanden, die wohl das Haus zum Einsturz gebracht hatten, und Hermine kauerte sich in den Schutz eines verschneiten Busches, bis die Männer das Grundstück verlassen hatten, und Hermine selber die Tore aufdrückte und das unwillkommene Terrain betrat. Zum hoffentlich letzten Mal in ihrem Leben.

 

Das Grundstück wirkte wieder so groß und endlos, wie an dem Tag, als sie zur Gartenparty eingeladen gewesen war. Nichts deutete mehr daraufhin, dass eine Muggel hier einst gewohnt hatte. Auch das Zelt war fort. Nichts war mehr übrig.

 

Sie ging auf die Stelle zu, wo das Haus gestanden hatte. Einzelne Splitter Holz lagen verteilt auf dem Boden. Es war eine Verschwendung gewesen. Das Haus zu bauen und es abreißen zu lassen, fand sie plötzlich mit aufkommendem Zorn.

 

Plötzlich fielen ihr ihre Sachen ein. Dinge, die dort im Haus gewesen waren. Fotos, Kleidung, Kleinigkeiten, die ihr gehörten.

 

Im gefrorenen Gras erkannte sie eine Scherbe. Sie funkelte in so vielen Facetten, schluckte das Licht und schimmerte in allen Farben des Regenbogens.

 

Es war eine Scherbe ihres Schuhs, stellte sie fest. Eine Scherbe ihres Hochzeitsschuhs. Der letzte Funken, der an vergangene Tage erinnerte, die keine zwei Wochen zurücklagen.

 

Sie fragte sich, wer veranlasst hatte, das Haus abzureißen, aber ungestüme und überstürzte Handlungen schienen nicht unbedingt Lucius‘ Metier zu sein, überlegte sie, während sie den schweren Gang Richtung Herrenhaus einschlug, was uneinnehmbar vor ihr in der winterlichen Kälte thronte. Wahrscheinlich war es Narzissas Wille gewesen.

Ihr unbeugsamer Wille, der Hermine hier überhaupt hergebracht hatte.

 

Sie schluckte schwer, als sie sich zwang, schneller zu gehen.

 

Sie war vor der Tür zu einem Halt gekommen, zögerte eine Sekunde und klopfte dann hart gegen das helle, polierte Holz, mithilfe des Türklopfers in Pfauengestalt. Sie verzichtete darauf, gegen die Tür zu trommeln, wie das letzte Mal.

 

Es vergingen einige Sekunden, in denen sie schon annahm, niemand würde ihr öffnen, aber sie irrte sich.

 

Der unhöfliche Elf, den sie schon kannte, zog die Tür auf.

 

Er betrachtete sie, ohne jede Spur von Begeisterung.

 

„Ja?“, wollte er gedehnt von ihr wissen, und ehe sie den Mund aufmachen konnte, rauschte Narzissa in den torbogengesäumten Flur.

 

„Draco?“, rief sie atemlos und verharrte dann, als sie Hermine erkannte. „Du“, sagte sie also, und jede Hoffnung verschwand aus ihrem Gesicht. Hermine begriff. Draco war nicht hier. Und sie war mehr als unerwünscht.

 

Dann würde sie ihr nächstes Problem angehen.

 

„Wo sind meine Sachen?“, fragte sie also, ohne jede Begrüßung, denn nach der Silvesterfeier war ihr nicht mehr danach, mit Narzissa mehr Worte als nötig zu wechseln. Narzissa schien abzuwägen.

 

„Berach, hol die Sachen“, befahl Narzissa schließlich dem Elf, der sich mikroskopisch langsam dazu herabließ, zu verschwinden.

 

Sie waren alleine.

 

Fast.

 

„Mrs Malfoy?“ Und Hermine wunderte wenig. Generell. Es war ein Charakterzug von ihr, dass gewisse Dinge sie nicht überraschen konnten. Und so war sie auch nur halbherzig schockiert, dass tatsächlich Astoria ebenfalls in den Flur kam. „Hermine“, sagte sie verblüfft und beschämt zugleich.

 

Narzissa ignorierte das Auftauchen des Mädchens, was wahrscheinlich auf Narzissas Wunsch hier war, um sich ein neues Dach für ein neues Gästehaus auszusuchen, dachte Hermine mit einem aufkommenden Schwall Bitterkeit. Sie steckte ihre geballten Fäuste in ihre rote Jacke, deren Kapuze sie immer noch auf dem Kopf trug.

 

„Wo ist mein Sohn?“, fragte Narzissa sie tatsächlich, ohne jedes Bisschen Freundlichkeit.

 

„Woher soll ich das wissen?“, erwiderte Hermine genauso unfreundlich. Narzissas übliche Gutmütigkeit war ihren Zügen nicht mehr anzuerkennen, stellte Hermine fest.

 

„Er ist dir nachgelaufen, oder nicht?“, mischte sich Astoria tieftraurig ein. Hermine hätte am liebsten die Augen verdreht. Darüber nachgedacht hatte sie nicht wirklich, aber ja. Draco war ihr tatsächlich gefolgt. Aber sie beschloss, zu lügen. Teilweise.

 

„Ich habe ihn seit Silvester nicht mehr gesehen“, sagte sie schlicht. „Es interessiert mich auch nicht, wo er ist“, fasste sie sich kurz. „Ich will, dass er unterschreibt“, erklärte sie streng.  Narzissa nickte bloß.

 

„Das wollen wir alle, glaub mir“, erklärte sie, ebenfalls kälter.

 

Es entstand eine unangenehme Stille. Hermine erinnerte sich, als sie mit Narzissa ausgegangen war, als diese sie in Malfoys Bett geschleust hatte, sie erinnerte sich an die Funkenjagd an Weihnachten, das Essen an Heiligabend, die Vertrautheiten, die sie mit Narzissa ausgetauscht hatte, wie Narzissa ihr bei den Weasleys erklärt hatte, es wäre nicht schlimm, dass Hermine die Bibliothek angezündet hatte, nur ihr Wohlergehen interessierte Narzissa – aber sie ermahnte sich zur Raison. Es war alles nicht echt gewesen, Hermine! Alles nicht echt.

 

Und endlich kam der alte Elf. Eine Kiste schwebte hinter ihm her. Hermine erkannte einen Ärmel des Pullovers von Molly, ein paar Bilderrahmen, allerdings keines der neuen Kleider, die Narzissa und Lucius ihr geschenkt hatten. Familienliebe ging also auch nur bis zu einer gewissen Grenze, dachte Hermine spöttisch.

 

Sie plumpste lieblos vor Hermines Füße.

 

„Wenn du ihn noch vor der Abreise siehst…“, begann Astoria ein wenig verzweifelt, und Hermine mochte das Mädchen nicht. Das Mädchen, was von Anfang an nichts anderes getan hatte, als zu versuchen, Draco Malfoy zu bekommen. Und wenn es nach Hermine ging, konnte sie ihn haben! Seine Familie gleich mit! Denn nichts lag Hermine ferner, als Malfoy von seinem selbstbestimmten Schicksal abzubringen! Sei es auch noch so furchtbar.

 

„Glaub mir, dann schicke ich ihn direkt zu dir“, sagte Hermine kalt.

 

„Mit was auch immer du ihn zwingst, nicht zu unterschreiben“, hielt Narzissa sie noch auf, nachdem Hermine sich ihre Kiste gegriffen hatte, „es wird ihm nichts bringen.“

 

„Ich zwinge ihn zu gar nichts, Narzissa“, klärte Hermine ihre ehemalige Schwiegermutter auf. „Wie könnte ich? Eine dumme, kleine Muggel“, führte sie aus, was in Narzissas Gesicht nur zu deutlich lesbar war. „Es wird einer seiner Scherze sein. Seine Auflehnung gegen seine Eltern, nichts das zu tun, was von ihm verlangt wird“, redete sie sich nun doch in Rage. „Tu doch, was du immer tust! Zwing ihn, irgendetwas Absurdes zu tun, damit er sein Gold nicht verliert.“ Hermines Blick fiel demonstrativ spöttisch auf Astoria, die sehr unglücklich wirkte. „Aber… ich sehe, das tust du bereits“, bemerkte sie knapp.

 

„Ich möchte, dass du mein Haus verlässt!“, sagte Narzissa jetzt, deutlich aufgebracht.

 

„Ich hatte niemals vor, zu bleiben!“, erwiderte Hermine ungehalten und wandte sich ab.

 

Sie trat mit energischen Schritten hinaus ins kalte, neue Jahr. Sie konnte nicht erwarten, das Grundstück zu verlassen und nie wieder zu kommen. Zornig hielt sie die Kiste in ihren Armen und blickte nicht mehr zurück zum Haus.

 

~*~

 

Die Schüler apparierten in Schüben nach Hogsmeade.

 

Und nur Pansy wusste von ihrer Schwangerschaft. Und natürlich Malfoy, den sie nicht mehr hatte finden können. Sie war mit Pansy sogar bei Blaise Zuhause gewesen, aber die Jungen waren nicht dort gewesen.

 

Und sie wusste, ihr Blick musste besonders giftig sein, mit dem sie Pansy und Ron betrachtete, die Händchenhaltend neben ihr gingen, während Pansy gar nicht auffiel, wie wortkarg Hermine war.

 

„Wir sehen ihn auf Hogwarts“, sagte sie leise zu ihr. „Er muss ja kommen.“ Ja, musste er wohl.

 

„Ich könnte ihn auch verprügeln“, bot Ron neben ihnen an, ohne genau zu wissen, um was es ging. Hermine sagte daraufhin nichts, während Pansy Ron beruhigte. Harry und Ginny gingen neben Ron und hielten ebenfalls Händchen. Hermine kam sich bitter und sehr einsam vor.

 

War sie auch. Daran gab es nichts zu leugnen. Sie konnte nicht fassen, dass sie vor Weinachten noch unverheiratet, ohne Probleme, in Hogwarts gewesen war, und nun, an Neujahr, verheiratet, schwanger und nahe der Scheidung zurückkehrte.

 

Und erreicht hatte sie gar nichts, außer dass die Malfoys sie nun allesamt verabscheuten. Und die Reinblütergesellschaft noch dazu.

 

Der Weg nach Hogwarts war beschwerlich, denn hier lag noch genügend Schnee, so dass sich zumindest alle männlichen Schüler zu einer Schneeballschlacht untereinander herausgefordert sahen.

 

Hermine hatte für nichts weniger Verständnis. Sie wich den lachenden Schülern aus, die sich mit Schneemassen bekriegten und war dankbar, Hogwarts in der nahen Ferne ausmachen zu können.

 

„Angriff!“, hörte sie ein Mädchen hinter sich rufen und drehte sich rechtzeitig um, um zu sehen, wie Pansy hinter ihr mit einer dutzendfachen Ladung an Schneebällen umgeworfen wurde. Pansy stürzte in den Schnee und rappelte sich keuchend wieder auf die Beine, ihre Haare klebten nass in ihrem Gesicht und Schnee durchweichte ihre Kleidung.

 

„Was zur…?“ Pansy starrte hinter sich. Ron hatte sich unbewusst schützend vor sie gestellt.

 

„Was für ein hübsches Paar!“, dröhnte die Stimme von Cynthia Bellows zu ihnen herüber. Sie ließ magisch ein Dutzend Schneebälle schweben, bereit, eine erneute Salve gegen Pansy zu richten. „Kein kluger Zug, Pansy“, schien sie noch hinzufügen zu müssen.

 

„Was für eine blöde Kuh!“, bemerkte Ginny neben ihr, zückte den Zauberstab und ließ ebenfalls ein Dutzend Schneebälle aus der Masse steigen.

 

„Wenn du Krieg willst sollst du ihn bekommen, du blöde Gans!“, rief Ginny, nur zu bereit, Pansy zu verteidigen. Und Ron. Der gesamte weibliche Slytheringemeinschaftsraum des siebten Jahrgangs schien sich zusammen gerottet zu haben. Gegen die fünf Gryffindors.

 

„Alles ok?“, erkundigte sich Ron bei Pansy, die sich zornig den Schnee vom Mantel klopfte.

 

„Ja“, murmelte sie kleinlaut. „Am besten legen wir uns nicht mit ihnen an. Ich muss mit Ihnen wohnen“, erinnerte Pansy den Rest der Gruppe, und Ginny zögerte.

 

„Wir sind Schulsprecher“, sagte Ron schließlich, als fiele es ihm jetzt erst wieder ein. „Keiner redet so mit uns.“ Auch er ließ Schneebälle in die Luft steigen.

 

„Hermine, geh einfach vor“, befahl Pansy ihr, ein wenig besorgter. Hermine verdrehte die Augen. Sie glaubte nicht, dass eine Schneeballschlacht gefährlich für eine Schwangerschaft sein könnte, die ohnehin beendet werden sollte.

 

„Ich bin in der Laune für Krieg“, sagte sie nur grimmig. „Tinus Cummulus!“, sagte sie mit Bedacht, als sie ihren Zauberstab hob und in der Luft zu rühren begann. Der Schnee vor ihr, begann sich zu bewegen, sich wie ein Strudel zu erheben, und Ron pfiff anerkennend durch die Zähne, als sich gefühlte hundert Schneebälle in die Luft erhoben.

 

Die Slytherins vor ihnen verstummten abrupt.

 

Die Schüler um sie herum hatten das Kriegsgebiet erkannt, und alle Gryffindors gesellten sich zu ihnen.

 

„Feuer frei!“, rief Harry, als ewiger Anführer, bevor die Slytherins genügend Bälle schweben lassen konnte, und nur zu gerne zielte Hermine auf die dummen Slytherins und alle Bälle sausten mit immenser Geschwindigkeit auf die kreischenden Mädchen zu.

 

Schnell hatte sich ein massiver Schneeballkrieg entwickelt, und Ron und Harry schienen in Höchstform zu sein. Cynthias Haare hingen nur noch wie ein nasser Mopp auf ihrem Kopf, während sie Salve um Salve auf die Gryffindors losließ und wilde Flüche schrie.

 

Auch Hermine und Pansy waren klatschnass, während sich Harry, Ron und Ginny in Quiditchmanie formiert hatten, und sich Schneebälle zupassten und weiterleiteten, ohne je selber getroffen zu werden. Es war letztendlich wie ein Spiel. Denn selbst die Slytherins lachten, wenn sie in den Schnee fielen und sich wieder aufrappelten.

 

Einfach ein Kampf zwischen den Häusern, aber Cynthia hatte sich näher herangewagt.

 

Hermine war dies entgangen, denn sie war zu beschäftigt, Harry zu decken. Männliche Slytherins hatten die Herausforderung ebenfalls angenommen.

Und alles, was Hermine im Moment wirklich dachte, war, dass sie alle tatsächlich zu spät zum Essen kommen würden. Fast fühlte sie sich ein wenig leichter, denn gerade taten sie etwas sehr sorgenfreies, mochten sie auch alle klitschnass am Ende sein.

 

Aber dieses Gefühl verschwand schnell.

 

„Oh, Granger?“, rief Cynthia jetzt neben Hermine. Hastig wandte sich Hermine um, die nassen Locken flogen über ihre Schulter. Sie zielte mit einem erneuten Schneeball auf Cynthia, aber diese war schneller. „Der ist nur für dich!“, verkündete sie drohend.

 

Die glitzernde Kugel traf Hermine ungebremst ins Gesicht. Der Schmerz war so beißend, dass Hermine vergaß, ihren eigenen Zauber auszuführen. Keuchend schloss sie die Augen.

 

Eis. Der Schneeball war pures Eis gewesen. Ihre Wange hämmerte unter der Wucht des Aufpralls, während heiße Tränen aus ihren Augen liefen.

 

„Hermine!“, rief Pansy neben ihr.

 

Hermine blinzelte mit schmerzverzogenem Gesicht.

 

Rot. Rote Tropfen fielen in den Schnee. Blut, ging ihr auf. Sie blutete tatsächlich.

 

„Oh Merlin!“, entfuhr es Pansy entsetzt. „Wir müssen zum Krankenflügel!“, unterbrach ihre schrille Stimme den Kampf. Harry und Ron waren sofort an ihrer Seite. Hermine konnte auf dem rechten Auge nichts mehr sehen.

 

„Scheiße“, sagte Harry schließlich. „Wer war das?“, donnerte seine Stimme über das weite Gelände, aber niemand sprach.

 

„Hundert Punkte Abzug für Slytherin!“, rief Pansys Stimme barsch und voller Zorn. Hermine hörte entrüstete Aufschreie der Slytherins, aber kein Schneeball flog mehr in ihre Richtung.

 

„Leute, es geht schon!“, verschaffte sich Hermine Gehör, aber ihre Stimme zitterte vor Schock.

 

„Los, komm.“ Ginny war neben ihr erschienen, legte den Arm um sie und beeilte sich, Hermine fortzuziehen. „Geht es? Kannst du laufen?“ Hermine war es mehr als peinlich.

 

„Ja, ja, es geht. Es ist nichts, ok?“, versuchte sie, Ginny zu beruhigen. „Ich habe zu spät reagiert. Diese dämliche Kuh“, murmelte sie.

 

„Cynthia?“, wollte Ginny böse wissen. Hermine nickte nur. „Ich knöpf sie mir später vor“, versprach Ginny.

 

„Das brauchst du nicht. Es ist schon gut. Wir hätten uns nicht auf den Mist einlassen sollen.“

 

„Sie wird schon Ärger bekommen!“, versprach Ginny dunkel, und von den anderen Schülern auf dem Gelände erntete Hermine neugierige Blicke. Sie war froh, endlich die weite Wiese zu verlassen und die Tore von Hogwarts zu sehen.

 

Ginny zog sie sanft weiter, während sich Hermine mittlerweile die Hand vor ihr blutendes Gesicht presste, und das rechte Auge geschlossen ließ.

 

„Madame Pomfrey wird das in zwei Sekunden geheilt haben. Keine Angst, ok?“, machte Ginny ihr tonlos Mut, während sie ächzend die Eichentür des Schlosses aufstieß. In der Halle standen bereits Schüler, die munter plauderten, von Silvester erzählten, und abrupt verstummten, als sie Ginny und sie erkannten.

 

„Wow, was ist passiert?“, vernahm Hermine die Stimme von Blaise Zabini direkt neben ihr. Hermine schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Das musste jetzt nicht auch noch sein! „Draco!“, rief Blaise sofort, und Hermine schloss das linke Auge gleich mit. Alles, nur das nicht!

 

„Cynthia Bellows, die verdammte Schlange, hat eine Schneeball aus Eis auf sie losgelassen“, antwortete Ginny zornig, während sie weiter schritt, aber Hermine stieg sein Duft sofort in die Nase, als er ebenfalls zu ihnen kam.

 

„Was ist passiert?“, wollte auch er, ohne Umstände wissen, stellte sich in den Weg, und Ginny übernahm das Reden.


„Geh aus dem Weg. Sie ist verletzt. Wir müssen in den Krankenflügel“, erklärte sie knapp.

 

„Ich will es sehen“, verlangte er befehlsgewohnt, und Ginny stöhnte auf.

 

„Nicht dein ernst! Was denkst du, kannst du ausrichten, Malfoy?“, wollte Ginny von ihm wissen, aber Malfoy schloss den Abstand einfach so.

 

„Zeig her“, verlangte er von ihr, sein Gesicht nahe vor ihrem eigenen, und ihr linkes Auge blinzelte schmerzverzogen. Er sprach mit ihr, als wäre nichts weiter. Als würden sie das tun. Als wären sie keine Feinde, als… als… befänden sie sich nicht mit seiner Familie auf Kriegsfuß! Und jetzt war er da! Und sie hatte so viele Fragen! Und wieso hatte er nicht unterschrieben? Und wo war er die letzten Tage gewesen? Und, und, und…!

 

„Es ist schon gut“, blaffte sie ihn an, denn sie wollte keine Hilfe von ihm.

 

„Sollen wir sie eliminieren?“, erkundigte sich Blaise geschäftig bei Ginny, bereit, sich in den Schnee zu stürzen.

 

„Ich werde das später tun. Du kannst dich gerne anschließen“, sagte Ginny, die Malfoy tatsächlich vor ihr gewähren ließ. Hermine weigerte sich die Hand von ihrem Gesicht zu nehmen, aber Malfoy schien sie ausreichend betrachtet zu haben, denn er sprach.

 

„Ich bringe sie hoch“, sagte er nur.


„Du?“, entfuhr es Ginny äußerst ungläubig.

 

„Sie ist meine Frau, oder nicht?“, erwiderte er glatt. Hermine konnte nicht fassen, dass das sein Argument sein sollte. Ginny wandte sich an sie.

 

„Hermine, ich-“

 

„-schon gut“, sagte Hermine. Es wäre praktisch, dann könnte sie ihn direkt zur Rede stellen, weshalb er noch nicht unterschrieben hatte!

 

„Bist du sicher? Ich könnte auch-“

 

„-ja, es ist ok, Ginny. Wenn er Probleme macht, verfluche ich ihn“, versprach sie ihrer besten Freundin.

 

„Ok?“, erwiderte Ginny nur und blieb mit Blaise zurück.

 

„Charmant“, bemerkte er neben ihr, während er einfach ihren Oberarm ergriffen hatte und sie halbherzig führte.


„Wieso machst du das?“, wollte sie schließlich nach der nächsten Treppe von ihm wissen.

 

„Was? Dich zum Krankenflügel bringen?“, erwiderte er, ohne sie anzusehen. Sie ging darauf nicht ein. Es interessierte sie nicht, weshalb er sich die Mühe machte, und so tat, als würde er sich um sie sorgen. Denn sie wusste, das tat er nicht.


„Wieso unterschreibst du nicht? Wieso versteckst du dich tagelang? Du kannst unmöglich verheiratet bleiben wollen! Deine Eltern rasten aus, das Gästehaus ist abgerissen, Astoria sitzt bereits zur Anprobe bei deiner Mutter auf dem Schoß, und ich bin immer noch schwanger, Malfoy!“, knurrte sie wütend. Er verlangsamte seine Schritte nicht.

 

„Das Gästehaus ist abgerissen?“, wiederholte er schließlich, aber seine Stimme klang neutral.

 

„Ja“, antwortete sie nur, starrte mit dem linken Augen nach vorne, und der Schmerz in ihrer Wange pochte beständig. Sie erreichten den Krankenflügel, ohne dass er auf nur eine ihrer Fragen geantwortet hatte.

 

„Ja?“, rief Madame Promfrey, während sie dabei war, die Betten herzrichten. „Ach du lieber Merlin, was ist passiert?“ Sie kam eilig zu ihnen, wischte sich die Hände an der Schürze ab und zog ihren Zauberstab.

 

„Eisball“, sagte Malfoy knapp. Hermine spürte, wie Madame Pomfrey ihren Arm ergriff, sie auf eines der Betten setzte und langsam Hermines Hand vom rechten Auge zog.

 

„Oh, ja. Ein Splitter ist im Auge“, stellte die Frau besorgt fest, während Hermine vor Schmerz hätte schreien können. „Es ist wirklich gefährlich, Schneeballschlachten zu veranstalten! Ich habe Dumbledore immer schon gesagt, er solle die Zauber dafür auf dem Grundstück verbieten!“, murmelte sie, während Hermine spürte, wie ein kühler Zauber über ihr Gesicht kroch. Konzentriert bewegte Madame Pomfrey den Zauberstab, und Hermine zuckte zusammen, als sie spürte, wie sich etwas in ihrem Auge bewegte, sich löste und verschwand.


„Aua!“, rief Hermine aus, und sofort sprach Madame Pomfrey einen Linderungszauber, während Malfoy neben ihr mit verschränkten Armen zusah. Dann war der Schmerz vorbei.

 

„Sie können Ihre Augen öffnen“, sagte Madame Pomfrey sanft, während sie sich erhob und eilig davoneilte. Vorsichtig öffnete Hermine ihre Lider. Es brannte ein wenig, aber sie sah alles klar. Sie sah hoch zu seinem Gesicht. Der angespannte Zug um seine Mundwinkel löste sich schließlich, von dem sie nicht gemerkt hatte, dass er wohl da gewesen war.

 

Madame Pomfrey kam mit einem feuchten magisch glänzenden Tuch zurück und rieb sanft und vorsichtig über ihre Wange.

 

„So, das Blut ist auch weg“, sagte sie, und zückte den Zauberstab erneut. Hermine spürte die Hitze der Heilung. „Die Kratzer sind geheilt. Morgen sollte man nichts mehr sehen“, versprach sie zuversichtlich. „Alles in Ordnung, meine Liebe?“, vergewisserte sich die Frau mütterlich bei ihr, rieb ihr kurz über die Schulter, und Hermine atmete langsam aus.

 

„Ja. Vielen Dank, Madame Pomfrey“, sagte sie.

 

„Wollen Sie sich noch kurz ausruhen? Was macht Ihre Wunde, Mr. Malfoy? Alles verheilt?“, wandte sie sich kurz und knapp an Malfoy, aber diese winkte ab. Diese Frau schien über jede Krankheitsgeschichte eines jeden Schülers mental Buch zu führen, nahm Hermine verblüfft an.

 

„Ja“, sagte er leichthin, ohne ein Interesse an sich selbst, wie ihr schien.

 

„Wunderbar. Ich lasse Sie allein.“ Geschäftig wandte sich die Frau wieder von ihnen ab. Er stand vor ihr, so wie sie ihn in Erinnerung hatte, nur trug er jetzt seine Schuluniform, und es wirkte falsch, dass er hier bei ihr am Krankenbett stand, und nicht Harry, Ginny oder Ron.  

Sie musste kurz die Augen schließen, denn sie lange geöffnet zu halten, bereitete ihr doch noch Schmerzen. Sie spürte ein Gewicht neben sich auf der Bettdeckte.

 

Hastig öffnete sie die Augen. Er hatte sich neben sie gesetzt.

 

Er sah sie nicht an, sondern blickte nach vorne.

 

Und sie fragte noch mal. „Wieso hast du nicht unterschrieben?“, entfuhr es ihr leiser. Aber er gab ihr keine Antwort. Es war nicht zu fassen. „Malfoy?“, sagte sie mit mehr Nachdruck. Er fuhr sich durch die Haare.

 

„Keine Sorge“, erwiderte er schließlich und sah sie an. Die Augen eisgrau und seine Züge unnahbar wie immer. „Das werde ich.“ Eine seltsame Schwere hing seiner Stimme nach, die sie nicht analysieren wollte.

 

„Wann?“, wollte sie von ihm wissen. Sein Blick war ihr unangenehm. Kurz schwieg er. Dann zuckte er tatsächlich die Achseln.


„Wenn mir danach ist“, erwiderte er, der Ausdruck immer noch gleichmütig. Ihre Augen weiteten sich.

 

„Du… du bestrafst mich?“, flüsterte sie jetzt, als stumme Erkenntnis sie erfasste. Das war es, was er tat! Er betrachtete ihr Gesicht weiterhin, schien es sich einprägen zu wollen. Und dann nickte er schließlich, als wäre er zu einer Entscheidung gekommen.

 

„Dich, meine Eltern, letztendlich mich, denn für mich ist es eine größere         Qual“, stellte er sachlich fest, demütigte sie, wie er es immer tat.

 

„Du hast Spaß daran“, murmelte sie mit einem bitteren Nicken und wandte den Blick ab. Sie spürte seinen Blick weiterhin. Er sprach mit gedämpfter Stimme.


„Zu sehen wie du leidest? Ja, Granger“, sagte er ruhig. Sie wollte nicht weinen, denn sie glaubte, ihre salzigen Tränen würden ihrem frisch geheilten Auge gar nicht gut tun. „Immer“, ergänzte er nickend. Sie schüttelte sachte den Kopf. „Weißt du“, begann er nachdenklich, „ich habe nachgedacht.“

 

Sie hatte Angst vor seinen Worten. „Wenn ich warte, bis du das Kind nicht mehr ohne schwarze Magie entfernen lassen kannst, bin ich fein raus.“

 

Leer starrte sie nach vorne auf die sauberen dunklen Fliesen des Krankenflügels. Und er fuhr fort. „Du hast unterschrieben. Für dich ist der Vertrag beendet. Du hast dann keine Ansprüche gegen mich. Du bleibst dann an der Schwangerschaft hängen, bist nicht mehr meine Frau…“ Seine Mundwinkel hoben sich. „Und eine gerechte Strafe für dein Handeln wäre es auch noch“, schloss er achselzuckend.

 

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Angst hatte sie erfasst, denn in ihrem Kopf wusste sie, sie würde das Kind auch schwarzmagisch entfernen lassen. Nur um das Gespräch mit ihrer Mutter müsste sie sich Gedanken machen. Sein Kind würde sie niemals bekommen. Niemals!

Aber sie hatte Angst. Seine Eltern würden sich darauf niemals einlassen! Oder? Im Moment waren sie nicht gut auf sie zu sprechen. Würde Malfoy sie ebenfalls davon überzeugen können, dass eine solche Strafe angemessen war?

 

Sie war verwirrt, und Angst lähmte ihre Glieder. So etwas konnte er nicht tun! Warum sollte er so etwas tun?!

 

Aber er war verrückt. Er war kalt und böse. Ihr Atem ging unregelmäßig.

 

„Es sei denn…“, fuhr er fort, und erschrocken über seine Stimme sah sie ihn an. Sein Ausdruck hatte etwas widerlich Überlegenes angenommen, stellte sie fest, während ihr schlecht wurde. Er sah aus, als hätte er etwas gegen sie in der Hand.

 

„Es sei denn was?“, rang sie sich heiser ab.

 

„Es sei denn, du überzeugst mich“, erwiderte er schlicht. Sie starrte ihn an, bis ihre Augen wehtaten, und sie den Blick senken musste.

 

„Dich überzeugen?“, flüsterte sie, denn sie begriff es nicht. „Ich verstehe nicht“, sagte sie schließlich mit leisem Zorn in der Stimme. Und er ergriff ihre Hand so plötzlich, dass sie zusammenzuckte. Seine warmen Finger öffneten ihre Hand, und sie wollte sie seinem Griff entziehen, aber er ließ es nicht zu. Seine andere Hand griff in seine Hosentasche.

 

„Du überzeugst mich, dich eher gehen zu lassen“, erläuterte er glatt und ließ die goldene Kette lautlos in ihre Hand gleiten. Ein grüner Schimmer huschte über die goldene Medaille, ehe seine Finger erbarmungslos ihre Finger über ihrer Handfläche schlossen.

 

Warm lag die Kette nun verborgen in ihrer Hand, während seine schlanken Finger ihre Hand noch immer geschlossen hielten.

 

Sofort hob sich ihr Blick zu seinen unergründlichen Augen, in denen sie allerdings die böse Absicht sofort erahnen konnte.

 

„Du… du bist widerlich!“, kam es stoßweise über ihre Lippen. „Wie kannst du so etwas nur-!“ Aber er erhob sich elegant vom Bett, ein abschätzendes Lächeln auf den Lippen.

 

„-es ist allein deine Entscheidung, Schlammblut. Es muss niemand erfahren“, würzte er seine Beleidigung noch mit passendem Hohn. Er wandte sich ab, aber sie hielt ihn auf, war aufgestanden und folgte ihm.

 

„Wieso tust du das, du Arschloch?“, wollte sie verzweifelt von ihm wissen, aber er wandte lächelnd den Blick. „Wenn du mich so sehr hasst und verabscheust, wieso willst du mich zu so etwas zwingen?!“, entfuhr es ihr zitternd, und er wandte sich noch einmal zur Gänze um, gönnte ihr den Ausblick auf sein scheiß arrogantes Gesicht.

 

„Macht, Granger. Vielleicht erinnerst du dich noch dunkel, wie es sich angefühlt hat, mich zu zwingen, dich zu heiraten, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte?“, erläuterte er gönnerhaft, und ihr Mund öffnete sich sprachlos. „Macht hält uns am Leben. Und der Gedanke, dein Leben noch ein wenig länger zur Hölle zu machen…“, er machte ein entsprechende Pause, und seine Lippen teilten sich zu einem feinen Lächeln, „… gefällt mir gut.“ Sein Blick wanderte entsprechend über ihren Körper. „Wirklich gut“, ergänzte er, und sein Lächeln vertiefte sich.

 

„Fick dich, Malfoy. Wenn du glaubst, dass das passiert, dann hast du dich geirrt!“, spuckte sie ihm entgegen, während ihre Fäuste vor Wut zitterten, und die Kette hart in ihre Handfläche schnitt.

 

„Ja?“, vergewisserte er sich, widerlich überlegen. „Das Baby wird wachsen. Und so auch deine Angst. Du weißt, wo du mich findest, Darling.“

 

Mit diesen Worten hatte er sich abgewandt, die Hände in den Hosentaschen seiner Uniform vergraben, so legere als hätten sie über irgendein Vertrauensschülertreffen gesprochen, und nicht darüber, dass er sie mit ihrer Zukunft erpressen wollte.

 

Ihr Herz schlug schnell, so schnell als wolle es aus ihrer Brust springen.

Sie könnte ihn mit dem Imperius belegen, dachte sie verzweifelt, ihn zwingen, zu unterschreiben. Irgendwie… - ihn irgendwie zwingen.

 

Und nun weinte sie doch, und sie verzog das Gesicht, denn die Tränen schmerzten in ihrem geheilten Auge. Jedoch nicht so sehr wie seine giftigen Worte.

Nichts schmerzte so sehr wie das.

 

 

Kapitel 60

 

Der Gemeinschaftsraum leerte sich schnell, nachdem Pansy einen Rundumschlag verteilt hatte und alle ins Bett schickte. Sie war ziemlich geladen, weil die Slytherinmädchen sie heute bombardiert hatten. Draco kam es recht, denn er fixierte das Mädchen, mit dem er reden wollte, seit einer Weile über den Rand der Zeitschrift hinweg.

 

„Draco?“ Blaise wandte sich um, wartete auf ihn, aber Draco ruckte knapp mit dem Kopf.

 

„Eine Sekunde noch“, sagte er ruhig, als er aufstand, die Zeitschrift auf den Tisch vor sich warf und den Weg zu ihr überwand. Sie hatte aufgehört, mit Pansy zu diskutieren, ob einhundert Punkte Abzug für Slytherin gerecht waren oder nicht und stand wütend, mit verschränkten Armen, neben dem Kamin, während Pansy die übrigen Schüler in die Betten scheuchte.

 

Cynthia sah ihn kommen und schien sich sehr kurz zu wappnen, ehe sie scheinbar gelassen darauf wartete, dass er näher kam.

 

„Draco“, begrüßte sie ihn mit einem falschen Lächeln, und er erwiderte es freudlos. Er hatte mit ihr Sex gehabt, nachdem er wusste, dass er Granger würde heiraten müssen. Er erinnerte sich an den Raum der Wünsche, in dem er mit ihr für diese Nacht verbracht hatte. Seine Hand zuckte kurz vor Zorn, wenn er an Grangers blutverschmiertes Gesicht dachte. Unwillkürlich erschien es ihm vor Augen, und er überragte Cynthia um einen Kopf.

 

„Ich habe gehört, du hast Granger heute erfolgreich verletzt?“, erkundigte er sich ruhig, als er sich lässig vor ihr gegen die Wand lehnte. Erleichterung erhellte ihre Züge.

 

„Oh ja!“, flüsterte sie verschwörerisch. „Ich dachte mir schon, dass es ganz nach deinen Vorstellungen ist“, erwiderte sie erfreut.

 

„Mhm“, machte er und nickte langsam. „Das nächste Mal übernehme ich diese Aufgabe“, erklärte er und senkte die Stimme minimal. Ihr Ausdruck wandelte sich und fragend sah sie ihn an. Und er berührte sie nicht, aber sein Blick wurde intensiver. „Hast du das verstanden, Cynthia?“, erkundigte er sich und Kälte war in seine Stimme gekrochen, so unscheinbar und doch so dunkel, dass sie blinzeln musste.

 

„Draco, ich habe nicht-“, begann sie verwirrt und abwehrend, aber er hatte keine Lust, zuzuhören. Denn er sah rot.

 

„-wenn mir danach ist, Hilfe von dummen Schlampen einzufordern, die ich betrunken gevögelt habe, lasse ich es dich wissen. War das deutlich?“, knurrte er, und jedes bisschen Fröhlichkeit war von ihrem mittelmäßigen Gesicht verschwunden.

 

„Was?“, entfuhr es ihr gehetzt, und sie sah sich nach einem Ausweg um, aber er hatte sich jetzt vor ihr aufgebaut. „Bist du verrückt geworden?“, fuhr sie ihn heiser an, aber er fixierte sie weiterhin.


„Wenn du sie noch einmal anrührst, noch einmal mit ihr sprichst, sie auch nur noch ein einziges Mal beleidigst oder verletzt, wirst du dir wünschen, nicht auf dieser Schule zu sein. Dann werde ich mich persönlich um dich kümmern“, wurde er deutlicher, so dass sie alle Farbe um die Nase verlor. Mit großen Augen starrte sie ihn ängstlich an. Er zeigte keinerlei Reaktion, wartete, dass sie fast panisch nickte, und gab dann den Weg frei. „Dann verschwinde, bevor ich wirklich wütend werde“, bemerkte er, und sein Kiefermuskel hatte sich hart angespannt. Sie ließ es sich nicht zweimal sagen und beeilte sich, nach oben zu kommen.

 

Er bemerkte Astoria erst jetzt. Sie hatte neben dem Portraitloch gestanden und sie schien zugehört zu haben. Sein Blick wanderte über ihre Gestalt. Sie trug nun die Schuluniform. Ihr Blick wirkte waidwund, so offen und verletzlich. Und immer noch war sie gefährlich schön. Zu schön für ihn.

 

Er hatte keine Reaktion für sie parat. Es war unangenehm. Sie stand in Kontakt mit seiner Mutter, wenn er Grangers Worten Glauben schenken konnte, und sie gab ihm keinen Anlass, dies anzuzweifeln.

 

Er war ein Arschloch gewesen. Und es hatte ihn alles gekostet, ihr heute nicht zu zeigen, wie sehr es ihn geschmerzt hatte, ihr Blut auf ihrer Wange zu sehen. Zu sehen, wie sie hatte geheilt werden müssen. Und es hatte ihm alles abverlangt, ein Arschloch zu sein.

Aber Gefühle waren nicht echt. Gefühle verschwanden mit der Zeit, und alles, was er wollte, war, ihren Körper unter seinem spüren. Ein letztes Mal. Ihre Nähe ein letztes Mal um sich haben, bevor er sie gehen ließ, und der Fluch vorbei wäre.

Und niemals würde er darum bitten. Sie würde zu ihm kommen. So waren die Regeln.

 

Und Astoria hatte ihn gesehen, hatte gesehen, wie er sein Verhalten gegenüber Granger als Lügen strafte, indem er sie vor dummen Slytherinmädchen verteidigte, und er keine Ausrede parat hatte.

 

Und er merkte, wie ihr Blick glasig wurde, wie Tränen ihre Augen füllten. Er wusste nicht, warum. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich ertappt, und es störte ihn.

 

„Draco-“, begann sie verzweifelt, aber er schüttelte den Kopf. Er wandte sich ab, bevor er sie zu lange ansah und noch irgendetwas Dummes tun würde.

 

„-nein“, sagte er nur, um eisige Beherrschung bemüht, und war gegangen. Sie könnte ihn verletzen. Sobald Granger aus seinem Leben verschwunden war, war Astoria das nächstbeste Mädchen, was vielleicht einen Weg in sein Herz finden konnte, und das wollte er nicht. Nicht mehr. Er wollte niemandem in seinem Herz haben. Es war zu anstrengend.

 

Er kam an Pansy vorbei, die müde an der Treppe zu den Schlafsälen wartete.

 

„Was hast du zu Cynthia gesagt?“, wollte sie misstrauisch von ihm wissen, als er sie passierte.

 

„Gar nichts“, sagte er gleichmütig. Pansy maß ihn mit prüfendem Blick.

 

„Gar nichts? Ich hoffe, du hast sie nicht gelobt, Draco. Ich hoffe das wirklich!“, schien Pansy ihn zu warnen. Dracos Mundwinkel zuckten bitter. Das dachte Pansy? Gut. Dann spielte er sein Spiel perfekt.

 

„Geht dich nichts an“, erklärte er gleichmütig. Pansy schien zu keinem zufriedenstellenden Schluss zu kommen. Kurz wanderte ihr Blick.

 

„Und warum weint Astoria?“, entfuhr es ihr, eine Spur gereizter.

 

„Keine Ahnung“, erwiderte er nonchalant und schritt an ihr vorbei zu den Treppen der Schlafsäle. „Ihr Weiber weint doch ständig“, bemerkte er abschließend, über die Schulter gewandt, und hörte Pansy gefährlich aufschnauben. Schleunigst beendete er den Weg nach oben. Er wollte nicht mehr reden. Sonst würde er sich noch mit jemandem prügeln, weil er zurzeit nicht gut haben konnte, wenn irgendjemand Granger verletzte.

 

Es sei denn, er tat es selber. 

 

~*~

 

Sie hatte die Gesellschaft ihrer Freunde unterschätzt.

 

„Was ist was passiert?“, fragte Ginny neben ihr zum hundertsten Mal.

 

Mächtig unterschätzt. Hermine atmete aus. „Ich meine, ihr habt gerade erst geheiratet, oder nicht? Und jetzt ist alles vorbei?“

 

Das Frühstück in der Halle war eine laute Angelegenheit, weswegen Harry und Ron Probleme hatten, Ginnys Fragen zu folgen, und sich immer näher zu ihnen lehnten. Was Hermine gereizt auffiel.

 

Ginny wusste nichts von dem Abend, an dem Harry und Ron sie mit dem Zelt im Schnee gerettet hatten. Hermine seufzte ihren Cornflakes entgegen.

 

„Es ist einfach vorbei, ok?“, versuchte sie, das Thema zu beenden.

 

„Das reicht mir nicht“, sagte Ginny kopfschüttelnd. „Ich muss schon akzeptieren, dass Pansy und Ron ein Pärchen sind, und ich nehme nicht hin, dass auf einmal alles vorbei ist, nachdem Narzissa dich wie eine verloren Tochter aufgenommen hat.“ Der Gedanke machte Hermine fertig. Noch immer. Ob es die Sache mit Pansy und Ron war, oder eben die Tatsache, dass sie Narzissa verloren hatte.

 

Wie böse Narzissa gewesen war.

 

Sie hatte ihr das Körnchen Glück mit die in die Kiste geworfen. Es hatte seinen Glanz verloren. Hermine wusste nicht, ob es bereits gestorben war. Sie erhob sich abrupt.

 

„Hermine!“, rief Ginny sofort, aber Hermine gebot ihr, still zu sein.

 

„Ich kann nicht, ok? Ich kann jetzt nicht darüber reden!“, fuhr Hermine sie an, denn sie hatte wirklich andere Probleme. Sie war schwanger, Malfoy erpresste sie mit Sex, und sie wusste nicht einmal, warum.

 

Sie würde nicht nachgeben! Nie wieder würde sie vor allem die Kette tragen! Sie konnte nur annehmen, er dachte, sie würde wusste Merlin was für versaute Sachen mit ihm anstellen, wenn sie sie trug, und das verwirrte sie umso mehr. Immer wieder hatte sie geglaubt, heute seinen Blick auf sich gespürt zu haben, aber immer, wenn sie zum Slytherintisch geblickt hatte, war er ins Gespräch mit Blaise oder Gregory vertieft gewesen.

 

Sie wurde wahnsinnig, und sie konnte es sich nicht verdenken.

 

Als sie die Halle verlassen wollte, hörte sie McGonagalls Stimme. Sie wartete neben den Türen, um zu hören, ob McGonagall wegen des Schnees vielleicht verkünden wollte, dass der Unterricht heute ausfiel, und alle Schüler den Tag draußen verbringen durften, aber eher würde McGonagall ihren strengen Haarknoten lösen und auf den Haustischen Polka tanzen, nahm Hermine dumpf an.

 

„Liebe Schüler“, begann McGonagall ungewöhnlich still, mit weniger Strenge als gewöhnlich, und Hermine runzelte die Stirn. „Ich habe eine Ankündigung zu machen.“ Sie schwieg einen Moment lang, und Hermine lauschte gespannt.

„Einige von Ihnen wundern sich vielleicht, weshalb Professor Dumbledore nicht zum Frühstück nach den Winterferien erschienen ist sowie üblicherweise“, fuhr sie fort. „Er… er sagte mir, er wolle nicht, dass Ausreden oder… andere Geschichten verbreitet würden, also…“

 

Und Hermine vergaß für einen Moment all ihre Sorgen. Unglücklich sah McGonagall nun in die Runde, und Hermine vermutete, sie hatte bereits geweint. Ihr Blick hatte selbst aus der Ferne etwas Schwermütiges an sich.

 

„Professor Dumbledore wird nicht wiederkommen“, sagte sie sehr plötzlich und sehr steif. „Er ist krank“, fuhr sie fort, und ihre Stimme brach einige Mal unter den Worten. „Er grüßt sie alle“, ergänzte sie, mittlerweile mit tränenschwerer Stimme. „Und über die Position als Schulleiter dieser Schule entscheidet das Ministerium in Kürze. Ich danke Ihnen“, schloss sie eilig, tupfte sich mit einem Spitzentuch über die Augen und verließ den Lehrertisch so eilig, wie sie gekommen war.

 

Die Schüler brachen in laute besorgte Gespräche aus, einige Mädchen weinten sogar, und Hermine stand verloren neben den Türen zur Halle und fragte sich, welche Krankheit er haben konnte, aber sie nahm an, es war keine Erkältung. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit ihm. Er hatte gesagt, ihre Hochzeit wäre das letzte Event, an dem er teilnehmen würde. Sie hatte nur nicht geglaubt, dass er das tatsächlich buchstäblich so meinen würden.

 

Sie hatte das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Hastig verließ sie das Schloss, schob die Tore auf und atmete die kühle Januarluft, um sich zu beruhigen, aber sie beruhigte sich nicht. Nicht wirklich. Wie auch?!

 

Alles brach auseinander. Nichts war mehr gut. Und jetzt würde Dumbledore nicht wiederkommen. Und sie fühlte sich um einen Abschied betrogen. Sehr betrogen. Und kurz war sie sehr wütend auf Dumbledore, der sonst immer wusste, wie jeder einzelne Schüler zu trösten war.

 

Ungnädig läutete der Gong zu ersten Stunde, und sie wischte sich über die Wangen. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie selber begonnen hatte, zu weinen. Sei es um ihrer selbst Willen oder um Dumbledores Willen. Sie wusste es nicht wirklich.

 

Und es half nichts, oder? Machtlos wandte sie sich wieder um, musste zurück ins Schloss, was ohne Dumbledore keine Wärme mehr ausstrahlen würde, während sie sich nur noch fragen konnte, ob sie sich noch an die letzte Begegnung mit ihm erinnerte. Auf ihrer Hochzeit hatte sie nicht einmal mit ihm gesprochen! Nein, das letzte Mal, hatte sie mit ihm an ihrem Jungesellinnenabend gesprochen. Und er hatte sie gefragt, ob sie ihn nicht fragen wollen würde, weshalb er Pansy gewählt hatte, Schulsprecherin zu sein.

 

Und dort hatte sie begriffen, dass es unwichtig war, weshalb er es getan hatte.

Denn egal, was sein Grund gewesen sein mochte, sie nicht auszuwählen, wäre Grund genug gewesen. Sie hätte es nicht angezweifelt.

 

Hinter den anderen Schülern bestieg sie die Treppen zum zweiten Stock, wo Snape die undankbare Aufgabe zuteilwerden würde, Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu unterrichten, mit aufgebrachten Siebtklässlern, die wissen wollten, wo Dumbledore war.

 

Und wie sie Snape einschätzte, war er ein Buch mit eintausend Siegeln und würde eher Strafarbeiten verteilen, als auch nur en Sterbenswörtchen darüber zu verlieren.

 

Ihre Laune sank in den Keller, da wo sie hingehörte, nach solch einer Ankündigung.

 

Sie erreichte den Flur, und Snape öffnete gerade rigoros die Türen zum Klassenraum und ignorierte bereits Harry, der sich nach ganz vorne durchgekämpft hatte und hastig auf ihn einsprach.

 

Hermine fiel hinter den Slytherins zurück, denn ihr stand nicht der Sinn danach, mit Pansy zu fachsimpeln, welche Krankheit Dumbledore ans Bett fesseln konnte, denn Pansy hatte eine sehr sachliche Ader, bei Dingen, die Hermine eher emotional behandelte.

 

Und ihr war schon klar gewesen, dass sie nicht neben Ron würde sitzen können. Denn dort saß nun Pansy.

 

Und der Blick der Slytherins war ihr gewahr. Unverhohlen wurde sie gemustert. Snape sorgte mit einer herrischen Geste vorne für Ruhe, bedeutete Harry, sich endlich zu setzen, bevor er Punkte abziehen würde, und wandte sich dann lächelnd an sie.

 

„Mrs Malfoy“, begrüßte er sie, und Hermine versetzte diese Anrede einen bitteren Stich, „schließen Sie die Tür“, befahl er, während er sich gleichmütig der Tafel zuwandte. Hermine tat dies mit tauben Fingern und wandte sich um. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie absurd und lächerlich es war, dass sie so hieß. „Bitte, bitte, kommen Sie nach vorne. Man soll mir nicht vorwerfen, ich hätte keine romantische Ader. Neben Ihrem Mann ist ein Platz frei. Direkt in der ersten Reihe, wo ich ein Auge auf Sie Turteltauben haben kann“, versprach er ihr süffisant, und Hermine spürte, wie sie rot wurde. Und wütend zugleich. Die Slytherins tuschelten, Cynthias Blick versprühte zornige Funken, und widerwillig setzte sie sich in Bewegung. Harrys, Rons und Pansys Blick folgten ihr gebannt, und wie der König selbst, wartete der Teufel in der ersten Reihe auf sie, ohne sie anzusehen. Aber sie sah die Genugtuung um seine Mundwinkel zucken, als sie sich zornig auf den Platz neben ihm fallen ließ und den Stuhl soweit zur Seite rückte, wie es eben ging.

 

Die Schüler tuschelten angeregt.

 

Aber Snape fuhr direkt fort. „Des Weiteren begrüßen wir heute eine neue Schülerin in unserer Mitte. Das wird keine Fragestunde, wir sind kein Kennenlernen-Kreis. Miss Greengrass, wenn Sie bitte nach vorne kommen würden. Erzählen Sie uns zwei Sätze über sich und setzen Sie sich wieder“, bemerkte Snape gereizt. Astoria kam widerwillig nach vorne, und die Schüler schwiegen.

 

Hermine betrachtete das Mädchen, was sie schon fast wieder verdrängt hatte, und hasste sie noch mehr. Sie hasste auch, wie gut ihr die dumme Schuluniform stand, wie glatt ihre Haare waren und wie schlank ihre Beine.

Sie hasste alles an ihr.

 

„Mein Name ist Astoria Greengrass“, sagte Astoria tonlos und traurig, als hätte sie irgendeinen Grund dazu! Hermine atmete zornig aus und mied jeden Blick auf Astoria, als diese sie plötzlich ansah. „Ich habe in Frankreich gelebt, bin dort zur Schule gegangen, allerdings ist mein Vater zurück nach England gezogen, und für das letzte Jahr gehe ich nun auf diese Schule.“ Astoria seufzte leise. „Einige von euch kenne ich bereits“, fasste sie die traurige Geschichte zusammen, die sie alle verband. „Ich hoffe, wir verstehen uns gut“, schloss sie kleinlaut. Einige Jungen pfiffen anerkennend, als Astoria sich wieder auf den Weg zu ihrem Platz machte.

 

„Wunderbar“, sagte Snape schroff. „Beginnen wir mit Kapitel 4, Drachenfeuer und wie wir es uns zu Nutze machen können – ja, Mr. Potter?“, sagte er glatt, und Hermine wandte den Blick in Harrys Richtung.

 

„Sir, wieso kommt Professor Dumbledore nicht zurück? Und wo ist er jetzt?“

 

Und Snape schien Harry schon vorhin diese Antwort verweigert zu haben, denn sein Blick sprach endlose Bände der Unlust. Kurz schwieg Snape, und alle schienen auf eine Antwort zu hoffen.

 

„Drachenfeuer ist kaum als echtes Feuer zu bezeichnen, denn meist ist es kühl, was die wenigstens allerdings wissen“, fuhr er unbeeindruckt fort, und Harrys Hand schoss wieder in die Höhe. „Was, Mr. Potter?“, fuhr Snape ihn zorniger an.

 

„Was hat er? Was ist das für eine Krankheit?“, beharrte Harry rigoros, und Snapes Nasenflügel blähten sich gefährlich.

 

„Ich werde fortfahren über Drachenfeuer zu reden, Mr. Potter, und noch eine Unterbrechung Ihrerseits, und ich suspendiere Sie nur zu gerne von meinem Unterricht. Ich bin nicht autorisiert, Ihnen Auskünfte zu erteilen, und, offen gesagt, auch froh darüber“, erklärte er abschließend. Kurz herrschte unangenehmes Schweigen.

 

„Drachenfeuer ist je nach Rasse des Drachen unterschiedlich warm und unterschiedlich tödlich. Es gibt Mittel und Wege dem Feuer zu entkommen und – ich warne Sie, Mr. Potter“, unterbrach sich Snape selber, als Harrys Hand erneut in die Höhe geschossen war. Hermine schloss bereits die Augen. Harry würde suspendiert werden.

 

„Ich möchte, dass Sie mir eine Antwort geben“, erwiderte Harry vollkommen unbeeindruckt.

Snape fixierte ihn knapp. Seine dunklen Augen versprachen nichts Gutes.

 

„Sie möchten eine Antwort?“, wiederholte Snape gefährlich langsam. „Gerne. Sie sind für diese Woche von Verteidigung gegen die Dunklen Künste suspendiert und schreiben mir einen hübschen drei Ellen langen Aufsatz über Drachenfeuer und seine Wirkung. Und jetzt raus“, ergänzte er mit stechendem Blick, und die Schüler beobachten gespannt die Szene.

 

Zornig griff sich Harry seine Umhängetasche und verschwand, ohne einen weiteren Blick auf Snape, aus dem Klassenzimmer. Die Tür ließ er mit Absicht extra laut ins Schloss knallen.

 

„Und zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor“, kommentierte Snape Harrys Abgang säuerlich. „Jeden, der noch eine weitere nicht fachbezogene Frage stellt, erwartet dasselbe Schicksal wie Mr. Potter. Fahren wir fort“, informierte er die Klasse mit erhobenen Augenbrauen.

 

Niemand hatte rechte Lust, sich am Unterricht zu beteiligen. Sie schrieben die verschiedenen Feuerarten von der Tafel ab, die komplizierten Lateinischen Namen der Flüche, welche das unterschiedliche Feuer einbanden, und sie bemerkte Malfoys Blick auf sich. Konzentriert schrieb sie weiter, aber er war so nah, dass sie spürte, wie sie zorniger wurde.

 

Sie war schwanger mit seinem Kind. Sie hasste ihn so sehr. Er hatte sie so sehr gedemütigt und verletzt, dass sie es kaum ertragen konnte, seinen Duft wahrzunehmen. Die Feder zitterte in ihren Fingern, als sie sich erinnerte, wie er in ihr Zelt eingedrungen war, wie er sie-

 

Ihre Hand schoss unweigerlich nach oben. Snape hob den Blick von seinen Unterlagen.

 

„Mrs Malfoy?“, forderte er sie auf zu sprechen, und ihre Stimme zitterte, als sie sprach.

 

„Sir, warum… warum hat Professor Dumbledore sich nicht verabschiedet?“, kam es stockend über ihre Lippen, und Snapes glatte Stirn legte sich langsam in Falten.

 

Sie spürte Malfoys Blick wieder auf sich und sah aus den Augenwinkeln, wie er den Mund verzog.

 

Snape atmete entschieden aus. „Auch Sie sind suspendiert, Ihr Aufsatz wird vier Ellen lang, Mrs Malfoy.“

 

Und das war es wert.

 

Sie hatte bereits begonnen, ihr Tintenfass zuzuschrauben und stopfte eilig ihre Unterlagen in die Tasche. Immerhin sie hatte fünfzehn Minuten ausgehalten, neben dem Teufel zu sitzen. Erleichtert sprang sie praktisch vom Stuhl und tat es Harry gleich. Sie verließ das Klassenzimmer, ohne Malfoy noch einen Blick zu gönnen.

 

Wenn er glaubte, er könnte sie auch noch mit seiner Anwesenheit quälen, kannte er sie schlecht. Sie war keine Schulsprecherin, sie brauchte nicht mehr die besten Noten. Sie konnte suspendiert werden, wenn es darum ging, ihre Gesundheit zu retten. Und das tat sie. Sie rettete ihre Gesundheit, wenn sie nicht neben dem Mann saß, der sie zwang ein Kind zu behalten, bis es zu spät war, es loszuwerden. Der nur mit ihr verheiratet blieb, um sie persönlich zu quälen.

 

Das Kind tat ihr umso mehr leid. Sie konnte es gar nicht beschreiben. Was für einen abscheulichen Vater es hatte! Theoretisch hatte – denn soweit würde es niemals kommen.

 

Sie ging zum Gemeinschaftsraum, denn sie hatte nun noch zwei Stunden Freizeit vor sich.

 

Als sie durchs Portraitloch stieg, wurde sie von einem verblüfften Harry empfangen, der bereits vor dem Kamin hockte.

 

„Hermine?“, entfuhr es ihm. „Was tust du hier?“

 

Sie zuckte die Achseln. „Ich habe gefragt, warum Dumbledore sich nicht verabschiedet hat“, erklärte sie, und er sah sie anerkennend an. Dass sie es getan hatte, um von Malfoy wegzukommen, verschwieg sie.

 

„Ich habe versucht, das Mungo zu erreichen, aber der Kamin ist für ausgehende Gespräche gesperrt“, erwiderte er enttäuscht. „Wir müssen ins Lehrerzimmer kommen. Oder wir fragen Hagrid!“, rief er aus. Hermine schenkte ihm einen nachsichtigen Blick. 

 

„Harry“, begann sie sanft, aber Erkenntnis trat in seinen Blick.

 

„Er ist nicht hier, ich weiß“, räumte Harry schließlich ein. Hagrid hatte ihr zur Hochzeit eine Karte geschickt. Sie war sehr bunt gewesen, und mit vielen Rechtschreibfehlern hatte er ihr erklärt, er würde eine Zeit lang mit Madame Maxime in Frankreich bleiben. Als eine Art verlängerter Urlaub. Und mittlerweile fragte sie sich, ob es etwas mit Dumbledore auf sich hatte.

 

„Meinst du, Dumbledore ist im Mungo?“, fragte sie, und konnte es sich kaum vorstellen. Dumbledore, schwach in einem Krankenbett war sowieso etwas, was ihre Fantasie nur schwer über sich brachte.

 

„Keine Ahnung. Er ist krank, sagt McGonagall. Wo soll er sonst sein? Und wieso hat er nicht geschrieben? Nur einen Brief! Wenigstens an mich, Merlin noch mal!“, entfuhr es ihm zornig. Und Hermine verstand Harrys Wut. Wenn Dumbledore sich bei jemandem verabschieden sollte, dann wahrscheinlich bei Harry, oder nicht?

 

„Ich weiß es nicht“, gestand sie ein und setzte sich auf die breite Couch. Und sie wusste es wirklich nicht. Es war eine herbe Enttäuschung. Ein weiterer herber Schlag, den sie nicht zu verarbeiten wusste.

 

Ein weiterer trauriger Punkt auf einer langen Liste.

 

 

Kapitel 61

 

Sie starrte hinab in ihren Tee. Trübe dampfte die Flüssigkeit in der Tasse, während Astoria nicht wusste, was sie tun sollte. Ihre Mutter hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass es sich nur um eine Frage der Zeit handelte, bis die Scheidung durch war, denn Malfoy würde sich nicht ewig weigern.

Zumindest nicht laut ihrer Mutter oder seiner Mutter. Astoria war sich jedoch nicht so sicher. Sie hatte doch gesehen, wie er das Mädchen namens Cynthia angefahren hatte, nachdem sie stolz erzählt hatte, Hermine verletzt zu haben.

 

So wie es für sie aussah, verspürte Draco überhaupt nicht das Verlangen, Hermine zu verlassen.

 

Der Gong läutete. Es war hier anders als in Frankreich. Der Unterricht begann früher und hörte später auf. Sie war jetzt schon mit der Materie hinterher – was aber auch dem Umstand geschuldet sein könnte, dass ihre Mutter sie mit ihren Briefen und ihren Belehrungen wahnsinnig machte.

 

Niemand hier kannte ihre Geschichte. Viele sprach über Draco und Hermine, darüber wie absurd es doch war, aber die Leute fanden sich ab. Sogar ihre kleine Schwester fand sich ab. Sie wusste auch nichts davon, dass Astoria nun an nächster Stelle stand, Dracos Frau zu werden. Und Draco tat auch nichts, um das Gegenteil zu verdeutlichen. Fast hatte sie den Eindruck, er mochte es. Mit Hermine verheiratet zu sein.

 

Sie erhob sich lustlos. Ein Schatten holte sie sehr schnell ein. Astoria hob den Blick.

 

„Hi“, begrüßte Cynthia sie mit einem neugierigen Blick. „Astoria Greengrass? Ich bin Cynthia Bellows. Meinen Eltern gehören die Kesselfabriken in England?“, schien sie sich vorzustellen. Astoria betrachtete sie nur.

 

„Aha?“, erwiderte sie schließlich.

 

„Gut, du sprichst Englisch. Man weiß es ja nie so genau, bei Auslandsschülern“, fuhr Cynthia mit einem falschen Lächeln fort. „Ich glaube, wir beide haben dasselbe Ziel, nicht wahr?“, ergänzte sie schließlich mit gesenkter Stimme.

 

„Welches Ziel?“ Astoria nahm an, Cynthia sprach von Kräuterkunde mit den Hufflepuffs. Und ja, sie würde bei Cynthia bleiben, denn sie kannte den Weg nicht.

 

„Hermine Granger zu vernichten“, erklärte Cynthia offen, mit einem Blick, der Astorias Mutter Konkurrenz gemacht hätte.

 

„Was?“, entfuhr es Astoria entrüstet, aber Cynthia fuhr im Gehen fort.

 

„Sie ist mir ein Dorn im Auge. Und was man so aus der Gesellschaft hört, sagt mir, du hast Pläne mit Draco? Ich habe kein Interesse mehr. Er hat mich… schlecht behandelt“, wich sie aus, und sah Astoria dann direkt an. „Aber ich bin gerne behilflich, das Schlammblut aus dem Weg zu räumen, Astoria.“ Sie bot ihre Hilfe so offensichtlich in schlechter Weise an, dass Astoria überrascht war.

 

„Nein“, lenkte Astoria jedoch verblüfft ein. „Ich will niemanden aus dem Weg räumen!“

 

„Ich dachte, deine Hochzeit mit Draco ist bereits geplant?“, bemerkte Cynthia mit einem überlegenen Blick. „Ich kann mir also niemanden vorstellen, der Granger lieber loswerden wollen würde als du“, schloss sie fast sanft. Ihre Stimme hatte etwas Manipulatives an sich.

 

Astoria starrte sie an. Woher wusste sie all das?! Das meinte sie doch wohl nicht ernst! Sie würde sich bestimmt nicht in einen solchen Plot verwickeln lassen! Das schrie förmlich danach, nach hinten loszugehen!

 

„Also?“, wollte Cynthia glatt von ihr wissen, und Astoria schwieg überfordert.

 

„Na, schließt ihr Bekanntschaften?“, mischte sich plötzlich die herrische Stimme von Pansy Parkinson in das Gespräch ein. Sie war von hinten näher gekommen, und griff nun Astorias Arm. „Du befindest dich in keiner guten Gesellschaft, Astoria“, informierte Pansy sie, mit einem sehr bösen Blick auf Cynthia.

 

„Was, Parkinson? Willst du mir zweihundert Punkte dafür abziehen, dass ich mit meinen Klassenkameraden spreche? Ich glaube, so viel Macht hast du nicht!“ Aber Pansy ging auf Cynthias Worte gar nicht erst ein, wandte sich an Astoria und setzte ein energisches Lächeln auf.

 

„Ich begleite dich zu den Gewächshäusern“, versprach sie, und es klang fast wie eine Drohung.

 

Astorias Blick bleib kurz an Cynthias boshaften Gesicht hängen. Dieses Mädchen wollte Hermine aus dem Weg räumen. Astoria wusste nur nicht, ob sie selber so tief sinken wollte.

 

Pansy schob sie nach draußen, wo Astoria einige weitere Slytherins wieder erkannte.

 

„Immer der Nase nach. Ich bin gleich da“, versprach Pansy plötzlich und verabschiedete sich mit einem entsprechenden Nicken.

 

Kopfschüttelnd beendete Astoria ihren Weg.

 

Hogwarts war furchtbar. Nichts war mehr gut. Und sie war eine dumme Gans, die geglaubt hatte, ihrer Mutter vertrauen zu können.

Astoria hasste sich selbst.

 

~*~

 

Pansys Schritte waren schnell. Er wartete im Schatten der Torbögen. Er stand dort wie beiläufig, aber Pansy nahm an, Weasley wartete dort nicht nur zufällig im kalten Wind.

 

Sie mäßigte ihr Tempo und kam fast schlendernd vor ihm zum Stehen. Aber ihr Herz schlug sehr schnell.

 

„Was tust du hier draußen? Frische Luft schnappen?“, fragte sie etwas atemlos, als sie in sein Gesicht empor blickte. Die blauen Augen funkelten ihr entgegen.

 

„Frech, Parkinson“, sagte er nickend. „Wie immer“, ergänzte er und schloss den Abstand. Ihr Herz machte einen Satz. „Darf der Schulsprecher nicht nach dem Rechten sehen?“, erkundigte er sich scheinheilig. Seine Hände fanden ihre, und seine Finger verschränkten sich mit ihren Fingern. Von ihm ging eine Wärme aus, die angenehm war, und sie schloss den Abstand ganz, legte den Kopf in den Nacken, und er senkte lächelnd seinen Mund auf ihre Lippen.

 

Ihre Lippen waren heiß im kalten Winter. Sie schloss die Augen unter der sanften Berührung, und ihr Magen schlug Saltos.

 

Er löste sich und wich wenige Zentimeter zurück.

 

„Hast du mich vermisst?“, erkundigte er sich schnippisch, und sie musste lächeln.

 

„Ja“, räumte sie leise ein. Sein Lächeln vertiefte sich. Die Schlosstore öffnete sich, und der letzte Schwall an Slytherins strömte nach draußen. Und Pansy blieb von Draco, Blaise und Gregory nicht unbemerkt. Nein, sie blieben sogar stehen und warteten auf sie. Weasley ließ ihre Hände los und wich einen nötigen Schritt zurück.

 

„Triff mich später, oben beim Pokalzimmer. Nach dem Unterricht“, raunte er ihr zu, schenkte ihr noch ein Lächeln, und dann hatte er sie stehen gelassen. Ihr Herz hämmerte nun in ihrer Brust, und sie konnte es kaum erwarten, ihn zu sehen. Sie versuchte, sich zu beherrschen, aber wann immer sie ihn sah, was es um ihre Kontenance geschehen.

 

Sie war ein bisschen peinlich.

 

Und sie war froh, dass sie heute keinen Unterricht zusammen hatten.

Sie war ein Wrack, wenn er in der Nähe war.

 

Sie holte Draco, Blaise und Gregory schließlich ein.

 

„Hey!“, rief sie, mit hochroten Wangen.

 

„Dein Geschmack lässt zu wünschen übrig“, informierte Draco sie allerdings nur, bevor sie den Weg zu den Gewächshäusern fortsetzten. Aber Pansy hob eine Augenbraue neben ihm.

 

„Mein Geschmack? Was unterscheidet meinen Geschmack von deinem, Draco?“, wollte sie eindeutig wissen, und er gönnte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Scheinbar fiel ihm darauf keine schlagfertige Antwort ein. Aber dann zuckte er die Achseln.

 

„Meine Eltern haben mich gezwungen, sie zu heiraten. Du machst das freiwillig.“

 

Gerne hätte sie ihn informiert, dass seine Eltern ihn mittlerweile zwangen, Hermine zu verlassen, aber das tat er auch nicht, aber sie sparte sich das. Sie würde bei ihm nicht weit kommen, mit dieser Taktik.

 

„Ich schlage vor, wir halten ein Auge auf Cynthia“, entschied sie schließlich ernster zu sagen. Draco sah sie aufmerksam an.

 

„Macht sie Probleme?“, wollte er sofort wissen, bereit, seinen Schritt zu beschleunigen, fiel ihr überrascht auf.

 

„Nein. Noch nicht. Sie spricht mit Astoria. Und ich halte diese Verbindung für nicht vielversprechend.“ Dracos Stirn runzelte sich nachdenklich, während er den Blick nach vorne wandte. „Und Draco?“, fuhr sie jetzt leiser fort, damit Blaise und Gregory nicht alles verstehen konnten, und Draco sah sie wieder an.

 

„Ja?“, wollte er misstrauisch wissen, denn sie wusste, ihr Blick musste ein wenig selbstgerechter wirken, als zuvor.

 

„Man könnte fast meinen, du willst, dass sie das Kind bekommt“, sagte Pansy sehr leise, und Dracos Mundwinkel zuckten. Ob amüsiert oder vor Spott konnte sie nicht genau bestimmen.

 

„Das glaubst du doch nicht im Ernst“, gab er ihr die letzte unbefriedigende Antwort, und sie musste unbedingt mit Hermine sprechen, wie es weiter gehen würde. Still erreichten sie die Gewächshäuser, und alle schienen ihren eignen Gedanken nachzuhängen.

 

Pansys Gedanken wanderten bereits wieder heimlich zu Weasley und seinen Worten, sie später im Pokalzimmer zu treffen….

 

~*~

 

Hermine hatte in Zauberkunst nicht wirklich aufgepasst. Ihre Gedanken waren anderweitig beschäftigt, auch als es zum Mittag läutete.

 

Sie war schwanger, sie musste es loswerden.

 

Und in ihrem Schlafsaal lag die Kette als eine Antwort auf dieses Problem.

Aber es war die schlechteste aller Antworten. Sie konnte nicht einmal wirklich darüber nachdenken. Harry setzte sich neben sie.

 

„Hey“, begrüßte er sie mit einem schrägen Lächeln, aber sie sah, er war nicht fröhlich. „Ich habe Hagrid geschrieben“, informierte er sie stiller. „Er wird wissen, wo Dumbledore ist“, schloss er und goss sich Eintopf in den tiefen Teller. Hermine nickte langsam.

 

„Wahrscheinlich schon“, bestätigte sie. Und mit dem Blick auf den dicken Eintopf vor sich, wurde ihr übel.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte Harry, eine Spur besorgt, und sie nickte.

 

„Ja“, erwiderte sie knapp.

 

„Du bist kalkweiß“, bemerkte er besorgt neben ihr. „Schlecht geschlafen?“, vermutete er jetzt. Sie ruckte nur den Kopf, atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, um sich zu beruhigen.

 

Es war nur falsche Morgenübelkeit. Unmöglich konnte sie wirklich Morgenübelkeit verspüren. Panik schnürte ihre Kehle zu, aber sie zwang sich ruhig zu atmen.

 

„Hermine?“ Harry wirkte ehrlich ratlos. Sie musste sich zusammen reißen. Sie musste! Sie musste! Der Geruch des Eintopfes war widerlich, fand ihr Körper.

 

„Harry, ich… werde eine Runde drehen. Meinen Kopf freikriegen“, beschloss sie wortkarg, erhob sich steif und machte sofort kehrt.

 

„Hermine!“, begrüßte Pansy sie ebenfalls, die gerade mit den übrigen Kandidaten aus Slytherin vom Unterricht kam. Aber Hermine zwang sich immer noch, ruhig zu atmen.

 

„Pansy, jetzt nicht“, brachte sie abgehackt hervor und stürmte an ihr, Blaise, Gregory und Draco vorbei. Die Blicke der anderen folgten ihr stumm, und sie rannte mit schnellen Schritten aus der Halle, über den steinernen Flur, um die nächste Ecke auf die Mädchentoilette.

 

Sie schlug die Türe hastig zu, stolperte zu den Spülbecken und fixierte ihr Gesicht in den angelaufenen Silberspiegeln.

 

„Alles ist ok“, raunte sie sich zu. „Keine Panik, Hermine. Du bist zwei Wochen schwanger. Es gibt keine Morgenübelkeit nach zwei Wochen! Das gibt es nicht!“, flüsterte sie panisch, während ihr bleiches Gesicht ihr unglücklich entgegen blickte. Sie zwang sich zur Ruhe, zwang sich, ruhig zu atmen. Sie schloss die Augen. „Beruhige dich“, sprach sie sich gut zu, und wollte weinen.

 

Feiner Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie rastete nur aus. Sie bekam tatsächlich Panik, so wie Malfoy es vorhergesagt hatte. Gott, sie war vollkommen angespannt. Ob er mit sich reden ließ? Er musste! Er konnte unmöglich wollen, dass sie… dass sie so lange warten musste, bis es tatsächlich in Frage stand, ob sie dieses Kind gebären musste.

 

So böse konnte er nicht sein.

 

Oder?

 

Oder konnte er doch?

 

Sie drehte den Hahn an und spritzte sich das kühle Wasser ins Gesicht. Kurz ließ sie die Handflächen auf den Augen ruhen. Sie atmete wieder kontrollierter. Sie ließ die Hände sinken, legte sie um den kühlen Emailerand des Waschbeckens und sah sich ernst ins eigene Gesicht.

 

„Natürlich kann er ein böses Arschloch sein, Hermine“, erklärte sie müde ihrem Spiegelbild. Merlin, sie führte Selbstgespräche! „Am besten vergisst du deinen Stolz, denn der führt dich nirgendwohin!“, wisperte sie, den Tränen nahe. Sie wusste, sie war furchtbar stur. Und er war es auch. Aber er hatte nichts zu verlieren! Ihn kümmerte es nicht! Er hatte sie vergewaltigt, hatte ihr wehgetan, während sie ihm nicht zusetzen konnte, so nahm sie an.

Und was genau brachte es ihr? Sich jetzt zu weigern?

 

Es würden zwei Monate vergehen, er würde Mittel und Wege finden, seinen Eltern auszuweichen – sie womöglich noch von seinen üblen Taten überzeugen! Und dann? Dann hatte sie ihre Mutter im Genick sitzen, die so oder so nicht wollte, dass das Kind entfernt wurde. Aber sie konnte nicht auf ihre Mutter vertrauen. Ihre Mutter war anders als sie.

 

Und wäre es das Kind von… irgendwem anders. Sie versuchte mit aller Macht, nicht an Ron zu denken. Merlin, das war vorbei. Das war Geschichte! Wäre es einfach das Kind von irgendwem, dann könnte sie damit besser leben, als wäre es das Kind von diesem Arschloch, was sie so gequält hatte! Und ja, dann war sie eben selber schuld!

 

Aber na und? Dafür konnte man sie nicht zwingen, mit seiner Leibesfrucht zu leben! Dann würde sie sich erniedrigen! Dann würde sie tun, was dieser widerliche Teufel wollte! Ein letztes Mal, und dann wäre es vorbei!

Es wäre vorbei, denn… sie war zu jung. Sie war wirklich zu jung.

 

Sie wollte kein Kind. Nicht jetzt. Nicht seins.

 

Sie hoffte, ihre Mutter würde das verstehen.

 

Irgendwann. Sie würde ihr ein Enkelkind bescheren, aber… eben noch nicht jetzt.

Einfach noch nicht jetzt. Ihre Hand fand den Weg zu ihrem noch flachen Bauch.

 

„Noch nicht jetzt“, murmelte sie tränenschwer. „Du verstehst das doch, hm?“, flüsterte sie erstickt.

 

Sie griff sich ein paar Papiertücher aus dem Spender, trocknete sich das Gesicht, streckte den Rücken durch und atmete streng aus.

 

Sie musste diese Sache – diese Schwangerschaft – hinter sich bringen. Sie brauchte seine Unterschrift, sie brauchte diese Entfernung. Sie würde sonst verrückt werden. Und irgendwann in den nächsten Wochen, würden sie die Schuldgefühle einfach umbringen, das wusste sie.

 

Sie verließ die Mädchentoiletten leise und schlüpfte wieder nach draußen auf den Flur.

 

Astoria hatte die Zeit über mucksmäuschenstill in einer der Kabinen gewartet und die Luft angehalten.

 

Hermine war schwanger?! Aber… die Scheidung wurde geplant! Sie verstand gar nichts mehr. Ob ihre Mutter davon wusste? Was ging nur vor sich? Wusste Narzissa davon? Musste Draco deshalb so schnell wie möglich unterschreiben? Wollte er es nicht? Wollte er das Kind?

Astoria lehnte den Kopf zurück an das alte Holz der Kabinentür. Sie schloss bekümmert die Augen.

 

Wie kam sie nur raus aus dieser Sache?

 

Wieso war Hermine Granger so ein Dorn im Auge? Und was ging in Draco vor? Er war ihr nie so vorgekommen, als wäre er verliebt in das Mädchen. Und jetzt? Jetzt musste sie annehmen, er mochte sie wirklich. Er mochte sie und… wollte ihr Kind?

 

Es ergab keinen Sinn in ihrem Kopf.

 

Eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel ihre Wange hinab.

Noch nie hatte sie sich so alleine gefühlt wie hier. Hogwarts war ein einsamer Ort. Aber anscheinend nicht nur für sie. Auch für Hermine.

Aber Astoria wollte nicht mit ihr sympathisieren.

 

Sie konnte nicht.

 

Gleich hatte sie noch mehr Unterricht und war dazu verdammt, Draco anzuschmachten, wie es wohl einige der Mädchen auf dieser Schule hier taten, ohne dass es ihm auffiel.

Sie versteckte sich auch vor Daphne, denn auf die Ratschläge ihrer kleinen Schwester hatte sie erst recht keine Lust. Aber immerhin war Daphne in ihre eigenen Freundeskreise eingebunden. Slytherins waren scheinbar streng, was ihre bevorzugten Freundinnen anging. Es durften niemals die falschen Bekanntschaften geschlossen werden.

 

Es war ermüdend.

 

All das war wirklich anstrengend. Am liebsten würde sie wieder zurück. Nach Frankreich, dachte sie verzweifelt, während sie nicht wusste, wohin sie in diesem großen Schloss sollte. Sie fühlte sich fremd. Sie hatte Heimweh.

Aber sie war zu alt dafür, sagte sie sich. Alle würden sie auslachen.

 

Hermine war schwanger, dachte sie wieder kopfschüttelnd.

Was für ein Chaos. Wieso war sie Teil davon? Sonst war ihr immer alles einfach zugefallen. Sie brauchte sich nicht anstrengend für irgendetwas. Hier war alles anders.

 

Und sollte sie dieses Geheimnis für sich behalten? Dass Hermine schwanger und verzweifelt war? Oder sollte sie es ihrer Mutter erzählen? Astoria biss sich auf die Lippe.

 

Sie wusste nicht, was die richtige Entscheidung war. Sie wusste gar nichts mehr.

Aber sie wusste, ihre Chancen wären alle dahin, sollte Hermine das Kind bekommen.

Ihr Herz schlug eine wilde Sekunde verzweifelt in ihrer Brust.

Sie wollte Draco. Sie liebte ihn, im Gegensatz zu Hermine. Und Astoria verdiente ihn auch.

Hermine nicht.

 

Draco musste unterschreiben! Und am besten zwang ihn Hermine dazu.

Sie musste sicher gehen, dass Hermine das auch tat!

 

Sie musste mit Cynthia reden.

Ihr Herz tat einen dunklen Schlag. Aber Hermine musste aus Dracos Leben verschwinden, wenn Astoria eine Chance haben wollte, mit ihm glücklich zu werden.

 

 

Kapitel 62

 

Seine Schritte waren selbstbewusst, hallten auf dem Steinboden wider, während er mit hohem Gang bereits das Portrait der Fetten Dame sehen konnte. Aber als sie interessiert den Kopf in die Höhe reckte, wandte er sich hastig ab und fluchte unterdrückt.

 

„Nein“, murmelte er zornig, blieb stehen und starrte zornig gegen die Wand. Er ballte die Hände zu Fäusten, machte wieder kehr und ging mit straffen Schritten dem Portrait erneut entgegen. Die Dame musterte ihn bereits neugierig. Keine zehn Schritte vor dem Portrait, verzog er den Mund und drehte sich wieder um.

 

Merlin, was tat er denn?! Er war nicht verzweifelt. Sie sollte verdammt noch mal zu ihm kommen! Nicht umgekehrt, dachte er böse, während er nicht gemerkt hatte, dass er beobachtet wurde. Aus den Augenwinkeln war er der Gestalt letztendlich gewahr geworden, blieb unwillig stehen und hob den Blick.

 

Großartig.

 

Weasley lehnte an der Wand, die Arme verschränkt und sah ihn unfreundlich an.

 

„Was?“, schnappte Draco, ein wenig ertappt, aber zu stolz, um sich irgendetwas anmerken zu lassen.

 

„Nichts“, erwiderte Weasley, immer noch unfreundlich, aber beinahe fragend, und verließ schließlich mit einem eindeutigen Kopfschütteln den Platz an der Wand, von dem aus er ihn wohl beobachtet hatte. Arschloch. Dann entschied sich das Arschloch scheinbar doch noch, ihm ein paar Worte zu gönnen. „Lass sie in Ruhe“, ergänzte er mit Bedacht, und Draco reagierte sofort.

 

„Ich bin nicht hier wegen ihr!“, behauptete er leider zu schnell und zu aggressiv. Weasley runzelte die Stirn, aber Draco beschloss, zu seinen Worten zu stehen und Weasley, wenn möglich, provozierend anzustarren. Dieser atmete kopfschüttelnd aus. Dann wandte er sich ab. Er verließ ihn, ohne ein weiteres Wort.

 

Zornig marschierte Draco in die andere Richtung davon.

Salazar, so nötig hatte er es nicht! Was dachte Weasley? Und außerdem, Weasley hatte kein Recht ihm irgendetwas zu sagen! Sie war seine Frau, und wenn er das verdammte Portrait einschlagen wollte, hatte er bestimmt irgendein gutes Recht dazu.

Abstinenz bekam ihm nicht. Sie zu sehen wurde ein übermächtiges Gefühl. Sie einfach nur zu sehen, zu wissen, dass es richtig war, was er tat.

 

Denn er bekam Zweifel. Und sie war ein verdammtes Schlammblut, was ihn ignorierte, und am liebsten würde er alle Wände einschlagen, die ihm in die Quere kamen!

Nein, es ging ihm nicht gut. Und er glaubte, es lag an ihr. Wenn er sie erst mal aus seinem System verbannt hatte, konnte sie ihm nichts anhaben.

Und vielleicht unterschätzte er ihre Angst? Vielleicht hatte sie keine? Vielleicht nahm sie an, dass sie ihn kannte, und dass er sie niemals mit einem Kind sitzen lassen würde? Aber da kannte sie ihn schlecht! Wenn sie stur sein wollte, dann konnte er das auch! Es war eine temporäre Schwäche gewesen, sagte er sich, während er missmutig die Treppe hinabstieg, in Richtung seines Gemeinschaftsraums.

 

Er verharrte vor dem letzten Absatz. Er hörte Stimmen, die ihm bekannt vorkamen. Zu bekannt.

 

„-ja, ich weiß“, sagte das eine Mädchen jetzt, während sich Draco flach an die Wand stellte, und um die Kurve blickte. Dort lag der Gang zu seinem Gemeinschaftsraum ausgestorben. Nur zwei Mädchen standen einige Meter weiter, mit dem Rücken zu ihm, ins Gespräch vertieft. „Ich habe einen von diesen Tränken, die dich sofort schlafen lassen. Ich habe ihn für Regelschmerzen von meiner Mutter bekommen“, erklärte Cynthia leise.

 

„Ist so etwas nicht verboten?“, wollte Astoria sofort wissen.

 

„Er hinterlässt keine Spuren. Wir müssen sie nur alleine erwischen. Das ist das größte Problem. Ich nehme nicht an, ihr steht in gutem Kontakt?“, vergewisserte sich Cynthia, während Draco still zuhörte.

 

„Nein, tun wir nicht“, bestätigte Cynthia, fast traurig. Und Draco konnte nur annehmen, sie sprachen von ihr. Von… Granger. Seine Atmung beschleunigte sich minimal.

 

„Aber ich denke, es ist kein Problem, wenn du sie nach einem Essen in der Halle abfängst und sagst, du möchtest mit ihr reden. Denn… du kannst sie einfach auf die Schwangerschaft ansprechen. Ich glaube nicht, dass sie will, dass es jemand weiß!“, sagte Cynthia verschwörerisch. „Dann wird sie mit dir kommen, wenn auch nur, um von dir wissen zu wollen, woher du es weißt!“, beteuerte sie, und Draco blinzelte verblüfft. Die beiden Mädchen wussten davon! Und sie planten, es auszunutzen! Aber… wieso? Sie wollten Granger mit irgendeinem scheiß Trank vergiften? Er spürte, wie er wütend wurde. Das war nicht ihr Ernst?!

 

„Ich weiß nicht“, wich Astoria Cynthias Worten aus, und Draco konnte nicht fassen, was er hörte.

 

„Was? Es ist ganz leicht! Außerdem wollen wir schließlich nur mit ihr reden! Wir werden sie bewusstlos machen, sie dort hinbringen, wo sie nicht weglaufen kann, und wir werden ihr deutlich machen, dass sie verschwinden muss“, erklärte Cynthia achselzuckend. Aber ihre Stimme hatte einen gefährlichen Tonfall angenommen.

 

Draco stand kurz davor, dazwischen zu gehen, die Mädchen anzufahren, was sie eigentlich dachten, und ob sie ernsthaft glaubten, er würde es zulassen, dass sie so etwas taten, aber er beherrschte sich, denn er nahm an, diese Schlangen würden es so oder so versuchen! Und wenn er jetzt dazwischen ging, würden sie vielleicht vorsichtiger werden, und er war zu zornig. So zornig, dass er sich selber nicht vertraute. Er hatte Angst, beiden noch einen Fluch auf den Hals zu jagen.

 

Granger würde seine Seite nicht mehr verlassen. Nicht bis er über seine scheiß Gefühle hinweggekommen war, denn dann hatten diese Mädchen keinen Grund mehr, Granger vergiften zu wollen. Dann wäre alles in Ordnung, und wenn nicht, würde er beiden den Kopf abreißen! Er lehnte den Kopf langsam gegen die Wand, während die Mädchen tuschelnd Richtung Gemeinschaftsraum verschwanden, bis es still auf dem Flur war.

 

Er setzte sie dieser Gefahr aus, wurde ihm bewusst. Er wusste, Slytherinmädchen waren bösartig. Wieso hatte er mit Cynthia geschlafen?! Wieso nur? Und wieso hatte er sich auf Astoria eingelassen? Wieso?!

 

Sollte er… einfach unterschreiben?

 

Es war ein machtloser Gedanke.

 

Konnte er all diese Dinge verhindern, indem er seine Unterschrift von den Papieren entfernte, Granger ihren Willen bekam und er… er… sich mit den Wünschen seiner Eltern abfand?

 

War es all das wert? Er setzte sinnlos Leben aufs Spiel.

Er verstand.

 

Aber… er wollte sie wenigstens ein letztes Mal. Wenigstens das, wenn schon seine anderen Pläne nicht funktionierten, verdammt! Wie bekam er sie? Sie mit dem ungeborenen Kind zu erpressen reichte nicht aus, sie zu einer schnellen Entscheidung zu bringen.

Er brauchte ein dringenderes Druckmittel.

 

Sein Blick hob sich plötzlich in einem Moment der Klarheit.

Leer starrte er nach vorne.

 

Er wusste, wie! Die Aufregung des Triumphs erfasste ihn, aber nur sehr kurz, denn… er brauchte Hilfe. Seine Mundwinkel sanken.

Und das Gefühl, das ihn erfasste war seltsam, denn… er musste einen Brief schreiben.

Er musste über alle seine Dämonen und Schatten springen, fiel ihm hilflos auf. Denn er musste ihm schreiben.

 

Seinem… Vater.

 

~*~

 

Pansy wartete wie beiläufig neben den Trophäenvitrinen im dritten Stock. Fahles Licht brach durch die großen halbrunden Sprossenfenster, und sie war allein.

Würde sie alleine bleiben? War er überhaupt auf dem Weg hierhin? Sollte sie seine Worte anzweifeln? Hatte er es vergessen, und sie stand hier wie ein Idiot und wartete darauf, dass er nicht auftauchte?

 

Ärgerlich betrachtete sie ihre Fingernägel.

 

Niemand war hier!

 

Dann hörte sie ein dumpfes Geräusch. Sie hob den Blick und lauschte. Da! Sie hörte es wieder. Es klang so, als ob jemand schwere Gegenstände über den Boden schob. Unsicher stieß sie sich von der Wand ab und verließ das Trophäenzimmer durch den angrenzenden Bogen. Im nächsten Flur waren die Vorhänge der hohen Fenster zugezogen, so dass nur dämmriges Licht, den Flur erhellte.

 

Sie lauschte, während sie vorsichtige Schritte ins Halbdunkel tat.

 

Sie näherte sich dem entfernten Treppenhaus auf der Nordseite des Schlosses. Vorher gingen zwei Gänge rechts und links ab. Auf der rechten Seite erstreckten sich leere, alte Klassenräume, die nicht mehr genutzt wurden und wo die Schule nun kaputte Kleinigkeiten sammelte, die vom Krieg übrig geblieben waren. Es war eher eine Reihe an Abstellkammern.

Der Flur zur linken Seite besaß keine Klassenräume.

Sie erreichte die Gabelung. Geradeaus könnte sie die Treppe runtergehen. Dann wäre sie so weit vom Slytheringemeinschaftsraum entfernt, wie es im Schloss überhaupt möglich war.

 

Da hörte sie es wieder!

 

Es kam von links! Sie wusste, dort gab es nur zwei Türen. Beide ohne Klinken. Hinter der einen hatte sich in ihrem ersten Jahr das Zimmer verborgen, durch welches Harry, Ron und Hermine den Stein der Weisen gefunden hatten, so sagte man jedenfalls. Sie könnte Weasley fragen, ging ihr dumpf auf – aber er war ja nicht hier! Sie kaute nervös auf ihrer Lippe, als sie das Geräusch erneut vernahm. Ein Reißen und ein Rollen. Ängstlich blieb sie stehen. Das andere Zimmer war… leer, wenn man den Lehrern Glauben schenken konnte.

Was man wahrscheinlich nie konnte, überlegte Pansy panisch.

 

Sie zog den Zauberstab. Wer trieb sich hier oben rum? In den einzigen Räumen, die für Schüler nicht zugänglich waren? Langsam beschritt sie den linken Flügel, bereit, denjenigen zu verfluchen, der sich in dem verbotenen Zimmer verbarg, und sie praktisch auf, als sich die knauflose Tür einfach öffnete!

 

„Ahhhh!“, schrie Pansy und zielte den stummen Stupor hilflos auf die Person, die das Zimmer verließ. Erschrocken sprang Weasley in Deckung, und Pansys Atmung ging so schnell, als wäre sie die siebzig Stufen von unten gerade eben hochgerannt.

„Weasley!“, rief sie empört. „Was bei Merlins Bart treibst du hier?!“ Die Hand, die ihren Zauberstab hielt, zitterte noch immer.

 

Weasley hatte panisch die Hände gehoben.

 

„Hey! Schon gut, ich bin’s nur!“, rechtfertigte er sich. „Du bist zu früh“, erklärte er, während er wieder Selbstbewusstsein gewann und sich aufrecht hinstellte.

 

„Ich? Was? Was tust du hier überhaupt?“, wollte sie unfreundlich wissen, und senkte den Zauberstab. „Du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt! Wie bist du überhaupt in diesen Raum gekommen und was, in Merlins Namen, tust du da drin?“

 

Und Weasley vergrub fast etwas schuldbewusst die Hände in den Taschen seiner Uniform.

 

„Es sollte… eine Überraschung sein“, erwiderte er schließlich. Pansys Mund öffnete sich überrascht.

 

„Eine Überraschung? Für wen? Für… mich?“, entfuhr es ihr fast ungläubig.

 

„Miss Parkinson“, eröffnete Weasley jetzt und streckte ihr auffordernd die Hand entgegen. „Wenn Sie mir folgen wollen?“ Und Pansy kam langsam näher, reichte ihm ihre Hand, die er mit seiner warm umschloss, und dann drückte er die angeblich verschlossene Tür wieder auf.

 

„Wow!“, entfuhr es Pansy schockiert. An den Wänden hingen halb zerrissene Portraits der Gründer der Schule. Der Raum war rund, mündete er also in einem der Nordtürme, und er war riesig groß, mit zwei Kaminen. Eine immens große Couch stand in der Mitte, mit einem sauberen Überwurf, davor stand ein niedriger Tisch, gedeckt mit hohen Kristallgläsern, einem Kelter mit Champagner und einer Schale Erdbeeren. Hohe Kerzenständer dekorierten die Seiten des Tisches, und scheinbar war Weasley gerade dabei gewesen, den Staub vom Boden zu entfernen. Die Fenster hatte er scheinbar sauber gehext, denn in das große Runde Zimmer fiel das helle Licht von draußen.

 

„Was ist das hier?“, entfuhr es ihr begeistert.

 

„Das hier“, begann er und schritt langsam zur Couch, „war der alte Gemeinschaftsraum der Häuser. Damals gab es wohl einen großen Gemeinschaftsraum für alle, wenn sie sich sehen wollten", erklärte er, und ihr war schleierhaft, woher er dieses Wissen nahm. „Ich habe Harrys Karte studiert“, erklärte er jetzt. „Er hat eine Karte, die alle Räume auf Hogwarts kennt. Und dieser wurde angezeigt als ehemaliger Gemeinschaftsraum. Und ich dachte, ich sehe ihn mir mal an, und… verwandel ihn in… unseren Raum.“ Erwartungsvoll sah er sie an.

 

„Ist das dein Ernst?“, flüsterte sie. „Unser Raum?“, wiederholte sie lächelnd, und er nickte, während sie näher kam. „Das ist… ziemlich süß.“

 

Er grinste frech. „Ich bin ziemlich süß, Parkinson.“

 

Pansy sah sich ungläubig um. Weasley hatte ein Versteck für sie gefunden, wo niemand nach ihnen suchen oder sie finden würde.

 

„Was ist das?“ Sie deutete nach rechts, wo etwas Hohes mit einem Überwurf verdeckt war. War es noch ein Geschenk? Pansys Herz schlug sehr schnell.

 

„Oh, das.“ Es schien wohl kein Geschenk zu sein. „Am besten schenken wir ihm keine Aufmerksamkeit“, bemerkte er rasch. So schnell, dass Pansys neugierig wurde.

 

„Was ist es?“, wollte sie jetzt wissen, aber Ron hielt ihre Hände fest, als sie dorthin gehen wollte.

 

„Es ist ein Spiegel“, erklärte er hastig. „Und Dumbledore hat ihn damals versteckt, als… Harry jede Nacht zu dem Spiegel ging, um seine Eltern zu sehen.“

 

„Ein Spiegel?“, wiederholte Pansy skeptisch.

 

„Ja“, bestätigte er. „Der Spiegel Nerhegeb?“, erklärte er, als müsse sie es wissen, aber sie ruckte in Ratlosigkeit mit dem Kopf. „Er zeigt nicht, was sein wird, sondern, was du dir wünschst“, fuhr er gepresster fort. „Ich wusste nicht, wie ich ihn hier rausbekomme, also, habe ich ihn einfach stehen gelassen.“

 

„Darf ich hineinsehen?“, wollte Pansy fast ehrfürchtig wissen.

 

„Ich weiß nicht“, wich Ron ihr aus. „Es ist nicht gut, hat Dumbleodore gesagt.“

 

„Hast du reingesehen?“, wollte sie plötzlich wissen, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja, das ist schon ewig her.“

 

„Was hast du gesehen?“ Pansy fand es sehr spannend. Kurz dachte sie, er würde nicht antworten, ehe er aufseufzte.

 

„Kinderkram. Dass ich den Hauspokal gewinne, den Quidditchpokal, dass ich Schulsprecher werde und…“ Er unterbrach sich selbst.

 

„Vielleicht gewinnst du den Pokal ja auch noch“, bemerkte sie spöttisch.

 

„Schon witzig“, bemerkte er mit einem schiefen Grinsen. „Hätte ich nie mit gerechnet. Also, Schulsprecher zu werden“, ergänzte er.

 

„Darf ich?“, wiederholte sie, aber er wirkte unschlüssig. „Wieso hast du Angst, wenn man nur so etwas sieht?“

 

„Weil es nicht immer so etwas Simples ist, Pansy“, erklärte er ruhig. „Ich meine, Harry hat seine Familie gesehen, konnte sich gar nicht sattsehen. Was, wenn du… irgendeinen reichen Prinzen siehst, den du… lieber willst, und-?“

 

Sie unterbrach ihn rigoros.

 

„-und du hast Angst, dann würde ich dich nicht wollen?“, flüsterte sie und war ernsthaft durch seine Worte berührt. „Ich hatte meinen Prinzen bereits, Ron. Aber… ich bin verliebt in dich. Ich will niemand anderen“, schloss sie, und spürte wie sie rot wurde.

 

Er wirkte ein wenig überrumpelt von ihrem Geständnis, und seine blauen Augen sahen sie ernst an. Langsam teilten sich seine Mundwinkel.

 

„Du bist in mich verliebt?“, vergewisserte er sich lächelnd, und sie verdrehte die Augen.

 

„Ja?“, bestätigte sie. „Und wenn du es nicht willst, interessiert mich dieser Spiegel nicht die Bohne und ich werde niemals hineinsehen!“, ergänzte sie. Er zog sie in seine Arme. Ihr Herz flatterte.

 

Er senkte den Kopf, und die Wärme seines Körpers hüllte sie ein. Allerdings war es hier oben gar nicht kalt. Er hatte bereits einen der Kamine entfacht. Sie kam ihm entgegen, und ihre Lippen trafen sich. Sanft küsste er sie, und langsam legte sie die Arme um seinen Nacken.

 

Seine Hände griffen in ihre Seiten, pressten sie enger an sich, und sie erwiderte seinen Kuss stürmischer. Ihre Hände griffen in seine schönen, weichen Haare, brachten seinen Kopf noch näher an ihren, und das Gefühl seiner Zunge, die ihre sanft massierte, brachte sie um den Verstand. Sofort wanderten ihre Finger über den Pullunder seiner Uniform, griffen in den Saum und zogen ihn nach oben.

 

Er reagierte augenblicklich, half ihr und unterbrach den Kuss. Er zerrte sich den Pullunder über den Kopf, nur um wieder ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen. Er küsste sie verlangend, und alles in ihr kribbelte. Sanft verließ er ihre Lippen, küsste ihren Hals, und zaghaft trauten sich seine Hände tiefer zu wandern. Sie strichen über ihre Bluse, und sie begann ihre Knöpfe zu öffnen.

 

Er hörte auf, sie zu küssen, als sie die Bluse von den Schultern schüttelte. Sie hatte damit nicht wirklich gerechnet, aber sie wollte ihn näher spüren. Sie wollte… sie wollte, dass er sie berührte. Sein Atem ging unregelmäßig und sein Blick wanderte über ihren dunklen BH, ihren Bauch hinab. Und bevor sie ihren Mut verlor, öffnete sie sein Hemd. Er hielt sie nicht auf, wirkte etwas überfordert und vollkommen abgelenkt von ihrem Körper. Schließlich half er ihr, die Ärmel seines Hemdes seine Arme hinabzuschütteln.

 

„Pansy-“, begann er heiser, aber sie kam näher.


„-küss mich, Ron“, unterbrach sie ihn, und er ließ sich nicht lange bitten, senkte den Kopf erneut, und diesmal war er ungeduldiger, sein Kuss war hungriger. Seine Hände hinterließen heiße Spuren auf ihrem Körper, und seine Hand wanderte höher, berührte die gestickte Spitze ihres BHs, und sie schnappte nach Luft, als seine Hand ganz über ihren Busen strich. Ihre Zunge begann seine heftiger zu massieren, und mit mehr Mut griff sie nach seiner Gürtelschnalle.

 

Sie hatte keine Zeit, sie zu öffnen, denn er presste sie enger an sich, zog sie unter dem Kuss mit zur Couch, und ließ sich darauf fallen. Sie stand schwer atmend vor ihm, strich sich die Haare hinter ihre Ohren, und zögerte kaum, sich rittlings auf seinen Schoß zu setzen.

 

Sein Blick folgte ihren Bewegungen, und kaum saß sie auf seiner harten Erektion, die sie unter dem Stoff seiner Hose spüren konnte, schoss ihr die Röte in die Wangen. Er lehnte sich wieder vor, küsste sie ohne Worte und seine Hände schoben die Träger ihres BHs von ihren Schultern, nur um die bloße Haut zu küssen, dann ihr Schlüsselbein, und sie glaubte, explodieren zu müssen, als seine Hand den Stoff des BHs zur Seite zog.

 

Oh Merlin! Bevor sie sich schämen konnte, schien er sich nicht beherrschen zu können und sog eine ihrer rosanen Spitzen in seinen Mund. Sie wurden schmerzhaft hart, und keuchend fiel ihr Kopf zurück in ihren Nacken, während sie sich an ihn klammerte, ihren Schoß in seine Erektion bohrte, und nicht fassen konnte, wie schamlos sie sich verhielt.

 

Und je mehr sie an Regeln und Traditionen dachte, umso dringender wollte sie ihn spüren. Wenn sie daran dachte, dass alle Reinblüterfrauen bis zur Ehe Jungfrau sein sollten, konnte sie kaum erwarten, dass er seine Hose loswurde. Sie wusste nicht, woher der Ungehorsam in ihr kam, aber Weasley löste ihn aus, wo immer er war. Er weckte alle guten Eigenschaften, alle schlechten Eigenschaften in ihr, und sie wollte, dass er sie sah.

 

Alles an ihr. Sie wollte ihm alles geben, was sie war. War es nicht verrückt?

 

Wieder griff sie nach seiner Gürtelschnalle, als er ihren BH geöffnet hatte.

 

Er hob den hungrigen Blick. Aber diesmal hielt er sie nicht auf. Nicht, dass sie wüsste, was sie tun müsste! Aber sie wollte ihn berühren! Sie wollte ihn spüren, wollte ihn dazu bringen, jedes bisschen Fassung zu verlieren. Und wie er sie ansah! Es war unglaublich! Dieses Gefühl war so mächtig!

 

Und für eine Sekunde driftete ihr Bewusstsein ab. Sie dachte an Draco und Hermine.

 

Und sie konnte es sich tatsächlich nicht vorstellen.

 

Sie wusste, Hermine liebte Draco nicht.

Und Draco hatte Hermine nie gewollt.

 

Und hier war sie, liebte Ronald Weasley und er sie wahrscheinlich auch, so wie er sie gerade ansah, und sie konnte es sich nicht vorstellen. Was musste zwischen den beiden vorgegangen sein? Denn entweder war es großartig gewesen, oder die schlimmste Erfahrung auf dieser Welt.

 

Unruhig bewegte sie sich auf seinem Schoß, öffnete seinen Gürtel und verscheuchte die Gedanken. Sie könnte sich niemals vorstellen, jemanden so nahe kommen lassen, den sie nicht liebte. Und sie liebte Ron Weasley. Sie musste tatsächlich lächeln.

 

„Was?“, entfuhr es ihm rau. Sie hob den Blick zu seinem schönen Gesicht.

 

„Ich… ich habe gerade gedacht, dass… ich das hier nur mit dir erleben will. Mit sonst keinem“, verriet sie ihm ihre Gedanken, und er schluckte schwer.

 

„Bist du…- ich meine, bist du sicher?“, rang er sich schwach die Worte ab, und sie war überrascht, wie sicher sie sich war. Sie zog sich achtlos den BH vom Körper, und Weasleys Blick war hunderttausend Galleonen wert.  Er starrte sie an wie einen Hauptgewinn, als könne er es nicht fassen. Dann hob sich sein Blick. Unsicherheit kroch über seine Züge.

 

„Pansy, ich… ich habe noch nie-“ Aber sie unterbrach ihn.

 

„-ich auch nicht“, sagte sie fest. „Aber ich will dich!“, wiederholte sie mit Nachdruck, öffnete seinen Reißverschluss, und er schluckte erneut.

 

Er nickte langsam, während seine Augen dunkler wurden, stellte sie überrascht fest. Ihr Herz machte einen heftigen Satz, als er plötzlich die Position änderte, sie mit seinem Gewicht umwarf und nun über ihr auf der breiten Couch lag.

 

Er küsste sie hart, rieb ihre bloßen Brüste mit seinen warmen Händen, und Blut summte in ihren Ohren, Wollust erfüllte ihren Körper, und ihre Hände zerrten seine Hose, soweit über seine Hüften, wie sie es schaffte. Er küsste hungrig ihren bloßen Hals, biss in ihre Schulter, küsste eine Spur zu ihren Brüsten, liebkoste erst die eine, dann die andere, und Pansy glaubte gleich zu kommen! Ohne dass er sie überhaupt dort berührt hatte!

 

Aber seine Hand tat ihr den Gefallen, wanderte unbeholfen tiefer, schob ihren Rock ihren Oberschenkel hinauf, und seine Finger strichen über ihren Venushügel, der unter ihrem Höschen verborgen lag. Sie schnappte nach Luft, als seine Hand tiefer wanderte, zwischen ihre Beine glitt, während er so hastig atmete wie sie. Sie war feucht.

 

Sie hatte nie damit gerechnet, jemals so feucht sein zu können! Und als seine Finger federleicht über den Stoff der Mitte ihres Höschens fuhren, stöhnte sie auf.

Merlin, sie verlor all ihre Kontenance!

 

Er wiederholte die Bewegung, trieb sie an, und sie wand sich unter ihm, bis er wohl mutig genug war, die Hand in ihren Slip wandern zu lassen. Immer noch lag er über ihr, zwischen ihren Beinen. Seine Lippen küssten sie immer fordernder, bis sie völlig bereit war, sich ihm hinzugeben, auch wenn die gesamte Schülerschaft jetzt auftauchen und zusehen würde! Sie hätte niemals gedacht, dass sie so fühlen würde!

 

Und blind griff ihre Hand in seine Shorts. Er stoppte all seine Liebkosungen, keuchte auf vor Erregung, und sie hatte keine Ahnung, was sie nun machen musste. Seine Erektion drängte sich praktisch gegen ihre bloße Hand, und instinktiv umschlossen ihre unruhigen Finger seinen harten Schaft. Sein Kopf sank stöhnend gegen ihre nackte Brust, und er verharrte.

 

„Bitte, beweg deine Hand nicht, Pansy!“, keuchte er. „Ich glaube, dann… dann…“ Sein Atem ging schnell, und sie fühlte sich auf mächtige Weise herausgefordert.

 

„So?“, fragte sie etwas scheinheilig, aber viel zu atemlos, um selbstbewusst genug zu klingen, und langsam ließ sie ihre geschlossene Hand um seine Länge hinaufgleiten. Es war ein erhebendes Gefühl, denn er reagierte sofort und stöhnte ungehalten gegen ihre Haut.

 

Sie mussten einen Verhütungszauber wählen, ging es ihr dumpf durch den Kopf. Immerhin dachte sie überhaupt noch soweit!

 

Sie war immerhin Schulsprecherin. Ja. Jetzt war das wohl nicht gerade das beste Argument, um ihre kühlen Verstand zu preisen, denn sie konnte kaum erwarten, diese Länge in ihrer Hand, in sich zu spüren, eins mit Ron zu werden. Alles in ihrem Innern schrie nach ihm.

 

„Ich will dich, Ron“, flüsterte sie jetzt erstickt. Sofort hob er den Kopf. Er wirkte schon vollkommen weit entfernt.

 

„Pansy, wenn ich… das jetzt tue, dann-“

 

„-Ron, ich will nicht mehr warten! Ich bin mir sicher!“, plapperte sie all den Unsinn nach, den sie von den Hexenmagazinen kannte, die ihre Mutter stets als Schund abtat. Aber Pansy verstand, dass es manchmal eben einfach so war! Dass man manchmal wirklich so fühlte! Mochte es auch noch so irrational und dumm sein!

 

„Ich… weiß nicht, ob ich den Verhütungszauber auf die Reihe kriege“, gestand er jetzt ein, und sie zog die Hand aus seiner Shorts zurück. „Ich… habe es noch nie in einer echten Situation versuchen müssen“, räumte er peinlich berührt ein, aber sie schob kurzerhand ihr Höschen ihre Beine hinab, und sah, wie sich sein Blick verfing.

 

Er war auch nur ein Mann, stellte sie fast siegessicher fest, denn er schob hastig seine Shorts seine eigenen Beine hinab, und Pansys Augen verfingen sich an seiner Länge.

 

Wow. Ok. Das würde niemals passen, stellte sie mit einem Hauch rationaler Panik fest.

 

Niemals.

 

Er bückte sich nach seinem Zauberstab der neben die Couch gefallen war, sprach mit zitternden Händen die Formel, und sein Penis wurde für eine Sekunde mit Licht umhüllt.

Der Spruch hatte gewirkt. Dann verschloss er geistesgegenwärtig mit einem letzten Spruch die Tür, warf den Zauberstab beiseite und sah sie schwer atmend an.

 

Und es passierte nun wirklich? Sie biss sich vor Erregung auf die Lippe. Er lag wieder über ihr, fixierte ihr Gesicht, wohl, um nach einem Zweifel zu suchen, aber Pansy war zu aufgeregt für Zweifel.

Er lag zwischen ihren Beinen, und sie spürte seine pochende Erektion. Er schob ihren Rock höher, und sie schluckte schwer.

 

Dann legte sie die Arme um seinen Nacken, zog ihn an sich und verschloss seinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Er erwiderte ihn stürmisch, und seine Zunge drang in ihren Mund. Sie bewegte ihren Unterleib fast ungeduldig, und sie spürte, wie seine Erektion pochte, wie er seinen Unterkörper enger gegen ihren bewegte, und wie plötzlich alles in die richtige Position rutschte.

 

Sie hielt die Luft an, als sie spürte, dass auch er merkte, dass er nur noch nach vorne stoßen müsste. Sein Atem ging schnell. Unkontrolliert bewegte sich sein Penis, und langsam, um ihr nicht wehzutun, gab er seinen Instinkten wohl nach, drang nach vorne, und sie schien so feucht zu sein, dass er tiefer glitt. Fast mühelos.

 

Ihr Kopf flog zurück, als sie spürte, wie erheblich es sich anfühlte, wie sie im Begriff waren, das zu tun, was das Erwachsenenalter schmerzhaft einläutete! Er teilte ihren Eingang weiter, verband sich mit ihr und zitternd stieß er vor, vergrub sich schließlich ungehalten zur Gänze in ihr, und beide keuchten sie auf.

 

Es tat weh! Sie klammerte sich an ihn. Er starrte mehr als überrascht auf ihr Gesicht hinab.

 

„Wow!“, entfuhr es ihm ehrfürchtig. Liebevoll sah er sie an, bis Besorgnis auf seine Züge trat. „Alles ok? Soll ich… wieder raus?“, fragte er panisch, aber der Schmerz war bereits abgeklungen. Es fühlte sich noch rau und viel zu groß an, aber Pansy schüttelte den Kopf. Sie war neugierig auf mehr.

 

Ron nickte langsam, küsste sie vorsichtig und begann, sich zu bewegen. Sie spürten es beide zum ersten Mal, und er stöhnte genussvoll bei jeder Bewegung. Es schien überwältigend für ihn zu sein, und sie merkte, wie seine Bewegungen unkontrollierter wurden, wie er grob in ihre Hüften griff, wie er mit der Zunge ihren Mund wie in Ekstase erforschte, ehe er grollend in ihr nach vorne bockte.

 

Er kam, riss den Kopf zurück und rief ihren Namen als wäre es eine Erlösung und Pansy musste lächeln, trotz des ungewohnten Gefühls, des leisen Schmerzes, musste sie lächeln.

 

„Tut mir leid“, murmelte er nach einer ganzen Weile, in der er nicht in der Lage schien, sich von ihr runter zu bewegen, und ihre Finger fuhren liebevoll durch seine verschwitzten rotblonden Haare. „Du bist perfekt“, fuhr er benommen fort. „Ich liebe dich, Pansy“, flüsterte er, und sie war so unglaublich glücklich.

 

Und sie wollte mehr…!

 

 

Kapitel 63

 

Er war den Morgen über abwesend gewesen, hatte Astoria und Cynthia im Auge behalten, hatte sich nicht an den Gesprächen beteiligt und wartete immer noch auf seine Chance.

Das Mittagessen war ebenfalls vorüber.

 

Und er hätte nicht geglaubt, dass er sich jemals auf Zaubertränke freuen würde. Aber da sah er sie. Und er fühlte sich, als hätte er nicht mehr viel Zeit, aber… so gesehen hatte er auch keine Zeit mehr.

 

Er war einen Deal mit seinem Vater eingegangen. Es war demütigend genug, gestern Abend noch vor dem Kamin auf sein Auftauchen zu warten, sich die Blöße zugeben, Lucius einzugestehen, dass er, Draco, etwas von ihm wollte, und es war einfach nur reine Selbstkastration, seinem Vater anzusehen, wie verdammt zufrieden er wirkte, nachdem Draco ihm das Versprechen gegeben hatte, morgen den Vertrag zu unterschreiben.

 

Selbst der Termin mit der Heilerin war für Morgen angesetzt.

 

Draco blieb also nur noch heute Nacht. Er wusste nicht, was Lucius dachte, wofür Draco ausgerechnet diese Information von ihm verlangt hatte, aber Draco hatte es auch nicht aufgeklärt. Es ging niemanden etwas an. Er wollte sie schützen. Schützen vor sich selbst, schützen vor den dummen Slytherinschlangen. Schützen vor weiterem Schmerz, der ihr unweigerlich widerfahren würde, würde sie noch länger den Namen Malfoy tragen müssen.

 

Er glaubte, sie merkte mittlerweile, dass er sie anstarrte. Sie warteten in dem Korridor auf Percy Weasley, der wieder einmal eine grauenhafte Zaubertränkestunde halten würde, aber Draco hatte einen guten Plan. Er hoffte es zumindest.

 

Endlich erwiderte sie seinen Blick. Wenn auch genervter, ein wenig gereizt und voller Abscheu. Er hoffe, heute Abend würde sie ihn anders ansehen. Er hatte das beste Hotelzimmer in Hogsmeade gebucht. Es war Freitag, und sein restlicher Tag galt nur noch ihr. Sie müsste nur mitspielen, aber er war sich sicher, das würde sie.

 

Sein Vater würde ihm in Laufe des späten Nachmittages eine Eule zukommen lassen, mit der Antwort, die Draco brauchte. Er hoffte, solange konnte er bluffen, konnte Granger vorspielen zu wissen, was er noch nicht zu sagen wusste.

 

Aber er würde es schon schaffen. Und sie würde tun, was er von ihr verlangte. Sie würde sich verdammt noch mal nicht beherrschen können, ihre Klamotten loszuwerden.

Er würde ihren nackten Körper befriedigen, ohne jede Gewalt, nein, weil sie es so wollte, und es war, als hätte sie seine versauten Gedanken in seinem Gesicht gelesen, denn ihre Mundwinkel zuckten verärgert.

 

Und gereizt wandte sie schließlich den Blick von ihm ab.

 

Percy kam. Draco folgte den anderen Schülern ins Klassenzimmer, während Percys Erscheinung wie immer lächerlich wirkte. Murrend wurden die Kessel aufgestellt, während Percy irgendein kreuzkompliziertes Rezept an die Tafel hexte, was niemand von ihnen würde exakt befolgen können, weil er wieder einmal den Trank einer Abschlussprüfung gewählt hatte, aber Dracos Fokus lag darauf, Granger die Notiz zuzustecken, ohne dass Potter oder Weasley oder Pansy etwas davon mitbekamen.

 

Weasley und Pansy wirkte ohnehin wie an der Hüfte verbunden. Und Weasley schien mutiger geworden zu sein, denn er hatte Pansy heute bestimmt eintausend Mal auf den Fluren geküsst, und sich einen Scheiß geschert, dass die anderen Schüler getuschelt hatten.

 

Draco hatte ihn für eine kurze Sekunde bewundert. Nicht wirklich. Aber er hatte seinen Schneid bewundert. Er hatte überlegt, es ihm gleich zu tun. Granger am Arm zu packen, wenn sie wieder einmal an ihm vorbeistürmte, ohne ihn mit dem kleinsten Körnchen Aufmerksamkeit zu bedenken, und sie gegen die nächste Wand zu drücken, nur um ihre sinnlichen Lippen zu küssen.

 

Draco konnte mit Worten nicht sagen, wie aufreizend und anturnend Grangers kühle Distanz-Nummer auf ihn wirkte.

 

Sie hatte ihn schon so weit, dass er sich selber vor allen Leuten lächerlich machen wollte. Und Blaise hatte recht gehabt. Astoria warf sich vor seine Füße, bettelte um jedes Bisschen Aufmerksamkeit, und bei Granger könnte er mit einem Kröter zusammen Einrad auf der höchsten Turmspitze von Hogwarts fahren, und sie würde ihn ignorieren.

Ahrg! Er stand darauf, dass sie ihn nicht wollte. Er war krank.

 

Ihm kamen mittlerweile schleimige Metaphern in den Sinn, so dass er sogar für sie versuchen würde, das nächste Quidditchspiel zu gewinnen, den Schnatz das erste Mal für sie fangen würde, einfach nur, damit sie ihm ein Lächeln schenkte – oder irgendetwas! Meinetwegen auch einen ihrer bösen Blicke, die seine Erektion ebenfalls erwachen ließen.

 

Er lebte wie ein verfluchter Mönch, denn er rührte keine an! Wollte kein Unglück auf sich ziehen. Und er musste sie dringend haben, denn dann wäre es vorbei. Dann hätte er nicht mehr das perverse Verlangen, Granger beweisen zu müssen, dass er ihre Aufmerksamkeit verflucht noch mal wert wäre! Denn er war besser als all die anderen! Er sah besser aus und…-

 

Fuck, sie hatte ihn wieder angesehen. Genauso genervt wie vorhin. Ja! Ja und?! Dann starrte er sie halt an wie ein bekloppter! Und? Sie war selber schuld! Wenn sie sich nicht so zieren würde! Wenn sie ihm einfach geben würde, was er verlangte, dann würde er sich hier nicht zum Affen für ein Mädchen machen, was ihn eigentlich niemals interessiert hatte!

 

Er war unfassbar, fand er. Er musste so schnell wie möglich handeln, bevor dieses Verhalten noch komplett ausarten würde!

 

„- oder, Mr. Malfoy?“, wiederholte Percy neben ihm scheinbar, und seine Stimme drang träge in sein Bewusstsein.

 

„Hm?“, machte Draco nur, riss den Blick von ihr los, denn sie sah ihn diesmal ungläubiger an. Fast so, als schäme sie sich für ihn! Miststück!

 

„Das heißt, wie bitte, Professor Weasley!“, korrigierte ihn Percy genervt, und Draco schaffte es, seine Aufmerksamkeit lange genug auf Percy zu konzentrieren, dass er aus seiner Lethargie schnappte. Er sah Percy entsprechend ausdruckslos an. „Möchten Sie freiwillig nach vorne kommen?“, wiederholte Percy schließlich, nachdem selbst ihm klar war, dass Draco keine höflichen ‚Professor Weasley Floskeln‘ einhalten würde. Draco sah ihn an.

 

„Wieso sollte ich?“, fragte er ehrlich, denn er hatte gleich größere Probleme, musste Granger die Notiz geben. Und am besten angsteinflößend aussehen dabei.

 

„Weil es Ihnen fünf Punkte bringen würde und es eine Ehre ist, den Schlafwandler-Trank auszuprobieren!“, bemerkte Percy ungeduldig.

 

„Nein, danke“, lehnte er spöttisch ab. Snape hätte ihn jetzt schon unter den Tisch geflucht, nahm Draco belustigt an. Percy jedoch wurde nur rot vor Zorn. Aber Draco grinste hämisch. „Meine Frau könnten Sie dafür bestimmt begeistern, Professor“, lenkte er schließlich ein. Percy schien kurz nachzudenken und freute sich anschließend, dass ihm wohl wieder eingefallen war, auf welcher Hochzeit er vor zwei Wochen eingeladen gewesen war, weil auch er zu den endlosen Weasleys gehörte.

 

„Oh richtig! Hermine! Aber Sie werden nach vorne kommen, sonst ziehe ich Gryffindor Punkte ab, und das tue ich äußerst ungern!“, warnte Percy mit Sing-Sang-Stimme. Granger schoss ihm einen so zornigen Blick zu, dass Draco am liebsten zu ihrem Gruppentisch gegangen wäre, nur um sie für diesen Blick von hinten zu nehmen. Und wieder hatte er das Gefühl, sie erriet seine Gedanken, denn sie senkte den Blick.

 

„Ich glaube nicht, dass ich-“

 

„-es war keine Bitte. Hermine, kommen Sie nach vorne!“, rief Percy fröhlich aus. Ale anderen feixten, wünschten ihr viel Glück, und Granger ging schlecht gelaunt nach vorne.

 

Draco lehnte sich zurück. So konnte er sie anstarren, ohne dass es besessen wirkte. Es war eine gute Idee von ihm gewesen, lobte er sich mental selbst.

 

„Und jetzt?“, wollte Granger missmutig wissen, während Percy bereits einen kleinen Flakon bereithielt.

 

„Jetzt trinken Sie den Trank, verfallen in tiefsten Schlaf, während Sie trotzdem bei Bewusstsein sind, und all Ihre Angst geht verloren, und Sie sind in völligem Einklang mit sich selbst!“, erläuterte Percy. Und Granger verdrehte die Augen, nachdem sie Percy den Flakon abgenommen hatte.

 

„Wunderbar“, meinte Granger spöttisch und leerte kopfschüttelnd den Flakon.

 

Zuerst geschah gar nichts. Dann überlegte Draco, ob sich Astoria und Cynthia bereits absprachen, um Granger schon jetzt zu entführen. Sein Blick glitt unauffällig zu den beiden Schlangen, aber beide starrten missmutig auf Granger, die vorne auf dem Stuhl mittlerweile zusammen gesunken war.

 

Draco hielt sich davon ab, aufzuspringen, so wie Potter es bereits getan hatte, wohl um zu Hilfe zu eilen.

 

„Keine Sorge, sie schläft nicht. Sie ist wach. Sie ist nur nicht ganz hier. Hermine?“, sagte Percy jetzt beruhigend, und Draco fand es verdammt spannend. Sie wirkte völlig friedlich. Ihre Augen waren geschlossen und sie setzte sich wieder aufrechter hin. „Wie geht es Ihnen?“, wollte Percy begeistert wissen. Wahrscheinlich das erste Mal begeistert, weil eine Stunde nicht vollkommen langweilig war.

 

„Nicht besonders gut“, sagte sie, die Stimme freundlich und doch so hilflos, wie Draco es noch nie gehört hatte. Percy wirkte kurz verwirrt. Die gesamte Klasse schwieg urplötzlich. Wahrscheinlich hatte Percy angenommen, Granger würde ihm erzählen, wie blendend es ihr ging. Und Draco erfasste ein ungutes Gefühl. Wenn Granger gleich ehrlich werden würde, dann würden sie beide denkbar schlecht dabei wegkommen. Er hatte dieses Spiel nicht durchdacht. Scheiße.

 

„Wieso das?“, fragte Percy interessiert nach, als wäre er ein verdammter Seelsorger, Merlin noch mal.

 

„Ich…- es ist so anstrengend“, erzählte Granger seufzend, und Draco überlegte, was er tun sollte. Gleich würde sie ihn verteufeln. Ihr Gesicht war so… so… unschuldig! Merlin, er haste sie manchmal.

 

„Was genau?“, entfuhr es Percy verwirrt.

 

„Bis man sich nicht allen Fehlern stellt, die man gemacht hat, kann man sich nicht ändern oder besser werden“, erwiderte sie mit geschlossenen Augen, tiefenentspannt, und doch so unendlich traurig. Und Draco horchte auf. „Wir alle brauchen Hilfe, manchmal“, räumte sie müde ein. Die Schüler hingen an ihren Lippen. Selbst Percy wirkte gefangen von ihren Worten. „Wir brauchen jemanden, der uns sagt, es wird nicht immer so schwer sein.“

 

Draco lehnte sich unbewusst weiter nach vorne. Kurz zuckten Grangers Lider im Schlaf. Sie klang wie ein Orakel. Sie klang… seltsam reflektiert.

 

„Es ist nicht schlimm, Angst zu haben. Nicht zu wissen, was man tun soll. Manche lügen, um durch den Tag zu kommen, und irgendwann wächst man jedoch über sich hinaus. Aber… ich habe es nicht geschafft“, entfuhr es ihr verzweifelt. „Manchmal glaube ich, wenn ich dachte, ich hätte einen schlechten Tag - war sein Tag tausendmal schlimmer“, schloss sie sanfter.

Und Draco hielt automatisch die Luft an. Meinte sie damit ihn? Unmöglich! Sie sagte nie irgendetwas Derartiges über ihn!

 

„Und das nur wegen mir“, entfuhr es ihr resignierend, aber ein schwaches Lächeln erhellte ihre Züge. Draco schluckte schwer. „Es ist… anstrengend der Böse zu sein.“ Sie sagte es mit einem Lächeln voller Schmerz.

 

Und dann war die Wirkung des kleinen Flakons vorbei. Ihre Augen flatterten auf und sie blickte in Percys bestürztes Gesicht.

 

„Was?“, fragte sie mit gewöhnlicher Stimme. „Habe ich… habe ich irgendetwas gesagt?“, wollte sie ängstlich wissen. Percys Mund öffnete sich ein wenig ratlos. Dann schüttelte er den Kopf.

 

„Nein, Hermine. Gar nichts“, sagte er nach einer Weile, und klang nicht mehr wie ein Lehrer. Nein, er war einfach Percy. Granger wirkte noch ein wenig verwirrt.

Draco sah sie weiterhin an. Sie glaubte, sie wäre der Böse? Alles in ihm schmerzte, wenn er sie mit ihren Augen sah. Er war ein Arschloch. Aber er wusste nicht, wie er anders sein sollte.

 

„Kann… kann ich wieder auf meinen Platz?“, fragte sie unsicher, und Percy nickte schließlich und gab ihr die versprochenen fünf Punkte für Gryffindor.

 

Potter und Weasley empfingen sie mit fragenden Gesichtern. Draco senkte den Blick. Er konnte gerade nicht mehr ertragen, sie anzusehen.

 

~*~

 

Harry und Ron hatten sie mit komischen Blicken gemustert. Pansy auch. Und Malfoy hatte sie Merlin sei Dank nicht mehr angesehen. Die ganze Stunde nicht mehr. Was für eine Erleichterung!

 

Percy hatte die Stunde merklich stiller beendet, entließ sie in den freien Nachmittag, und Hermine wunderte es gar nicht, dass Malfoy nicht aufgab. Dass er einfach nicht nachgab, sondern wie beiläufig im Korridor auf sie zu warten schien.

Die anderen warfen ihnen verstohlene Blicke zu, die Hermine nicht zu deuten wagte, und so langsam glaubte sie, sie hatte doch im Schlaf gesprochen! Wie peinlich! Sie hoffte, sie hatte Malfoy gründlich beleidigt!

 

Aber selbst Harry und Ron kommentierten nicht, dass Malfoy auf sie wartete, und deshalb kam sie seufzend vor ihm zum Stehen. Seinen Blick konnte sie nicht deuten, und sie erwartete nur die nächste unqualifizierte Beleidigung, Drohung oder Erpressung aus seinem Mund. Eigentlich hätte sie nicht wirklich damit gerechnet, dass er tatsächlich auf sie wartete, während es alle sahen. Denn eigentlich widersprach er seinen Worten, oder nicht? Sie hätte ihn für subtiler gehalten. Je länger sie ihn ansah, umso weniger konnte sie ihn leiden.

 

„Was?“, wollte sie fast schon müde wissen, aber wieder einmal konnte sie ihn nicht deuten. Es war egal, wie viel Zeit sie schon mit ihm verbracht hatte, sie würde niemals wissen, was er dachte. Er vertraute niemandem, spielte seine Spiele, und es war ihr mittlerweile egal. Sie wollte ihn nicht mehr verstehen. Sie wollte nur noch in ihr altes Leben zurück. Ohne ihn.

Und wieder dachte sie an seine Worte, an die Kette, an sein Ultimatum, und sie wollte am liebsten weinen, ihn verfluchen – irgendetwas tun.

 

Und dann sprach er.

 

„Ich…“ Er begann zumindest, zu sprechen, ehe er sich wieder zu besinnen schien. Sie sah in sein Gesicht. In sein aristokratisches Gesicht. Seine Züge waren ebenmäßig. Alles an ihm war ebenmäßig. Äußerlich zeigte er keinen Makel, keinen Fehler.

 

„Was willst du? Mir wieder drohen?“

 

„Ich habe dir etwas vorzuschlagen“, sagte er jetzt offen heraus.

 

Sie verdrehte die Augen. „Und was?“, wollte sie müde wissen. „Welche perversen Sexideen ich in die Tat umsetzen kann?“, knurrte sie, so dass Percy, der das Klassenzimmer von außen abschloss, sie nicht hören konnte. Auch Percy bedachte sie beide mit einem seltsamen Blick. Aber Malfoy ging auf ihre Worte gar nicht ein.

 

„Ich möchte, dass du mich heute Nachmittag begleitest“, sagte er, und sie runzelte die Stirn.

 

„Ach ja? Und wohin? Was denkst du, sollte meine Meinung jetzt geändert haben, Malfoy?“ Sie tat mutiger als sie war. Sie war so gut wie bereit, nachzugeben, ihm seinen widerlichen Willen zu lassen, nur damit es endlich vorbei war!

 

„Nach Hogsmeade. Über Nacht“, ergänzte er mit mehr Bedacht, ohne sie aus dem Blick zu lassen.

 

„Oh, und ich soll die Kette mitbringen, nehme ich an?“, wollte sie empört von ihm wissen.

Aber er schüttelte tatsächlich den Kopf. Überrascht musste sie blinzeln.

 

„Nein“, bestätigte er völlig ausdruckslos.

 

„Nicht? Dann was? Eine Peitschte, eine Augenbinde? Schlagsahne? Handschellen? Was, Malfoy?“, fuhr sie ihn an.

 

„Gar nichts. Nur dich“, erwiderte er, und er hatte ausgewählt schlechte Laune. „Triff mich um sechs Uhr vor den Toren“, sagte er, fast resignierend, als würde er nicht von ihr verlangen, ihn tatsächlich außerhalb von Hogwarts in ein schmieriges Motel zu begleiten! Denn das tat er doch! Kette hin oder her.

 

„Wieso sollte ich?“, fragte sie unwirsch.

 

Und er schien sich zu sammeln, schien tatsächlich einen Grund auf Lager zu haben, warum sie es tun sollte. Er sah sie durchdringend an, so dass es noch unangenehmer war, als ohnehin schon, wenn er sie ansah.

 

„Weil ich weiß, wo Dumbledore ist“, erwiderte er kühl und mit dem rechten Maß an Überzeugung in der Stimme, so dass sie ihm tatsächlich Glauben schenken konnte.

 

Was?! Sie starrte ihn an.


„Du weißt es?“, flüsterte sie plötzlich.

 

„Wenn du Interesse an dieser Information hast, komm zu den Toren. Bring Sachen mit, die du über Nacht brauchst“, fügte er hinzu, und ihr Mund hatte sich geöffnet. „Morgen unterschreibe ich, und du bist frei“, ergänzte er, als wäre es eine unwichtige Information. Und dann hatte er sich abgewandt.

 

Sie hatte noch fünftausend Fragen! Und was?! Er würde unterschreiben, wenn sie heute mit ihm ging? Und er war ihr anders vorgekommen. Zwar eigentlich wie immer. Als wäre es eine Qual, mit ihr überhaupt zu reden, aber… es hatte noch mehr in seinem Blick, in seinen Worten gelegen.

 

Und sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Nicht die geringste.

 

Aber… sie konnte bestimmt nicht über Nacht mit Draco Malfoy in einem Hotelzimmer sein.

Zwar sollte sie die Kette nicht mitbringen, aber… sie nahm an, er würde schon eindeutige Pläne haben. Unglücklich lehnte sie sich gegen die Wand.

 

Sie wollte wissen, wo Dumbledore war. Vor allem konnte sie es dann Harry sagen.

Und er würde unterschreiben? Vielleicht… wollte er nichts Sexuelles von ihr. Aber… was sollte er sonst wollen? Sie begriff ihn nicht. Jetzt gerade war er ihr anders vorgekommen, als noch vor der Stunde, wo sein Blick so derartig unverhohlen hungrig gewesen war, dass sie seine Gedanken praktisch hatte erraten können, aber jetzt… war er… vollkommen anders gewesen. Als wäre es alles eine endlose Qual. Und sie wusste nicht, was das richtige war, was sie tun konnte. Aber… sie wollte, dass er unterschrieb.

 

Resignierend atmete sie aus. Hatte sie überhaupt eine echte Wahl?

 

 

Kapitel 64

 

Unschlüssig stand sie vor ihrem Bett. Darauf befand sich ihre Umhängetasche, halb gepackt, halb ausgeleert. Sie hatte sich bereits zweimal umentschieden, zweimal beschlossen, nicht zu ihm zu gehen.

 

„Hey“, wurde sie nun von Ginny begrüßt, die in ihren Schlafsaal geschlendert kam. „Was tust du?“, wollte sie neugierig wissen. Hermine seufzte auf.


„Ich weiß es nicht genau“, gestand sie ihrer besten Freundin ein, strich sich einige verirrte Locken hinter das Ohr und ärgerte sich bereits maßlos darüber, dass sie sogar geduscht hatte, sich sogar die Locken geföhnt hatte, und nur, weil sie vielleicht – oder auch nicht – mit ihm gehen würde.

 

„Du klingst wütend“, stellte Ginny besorgt fest.

 

„Wütend?“, wiederholte Hermine ein wenig abwesend, während sie halbherzig ihr helles Shirt wieder in die Tasche schob, nur um den Inhalt danach doch wieder komplett auf dem Bett auszuleeren.

 

„Ja, du klingst, als ob-“

 

„-Ginny?“, unterbrach Hermine sie kurzerhand, und wandte sich ihr zu. Ginny betrachtete sie knapp von oben bis unten.

 

„Wow, du siehst… schick aus“, bewerte Ginny wohl ihr Outfit. Mist, sie hatte sich keine Mühe geben wollen. Mit gar nichts. Sie trug lediglich eine schwarze enge Hose, ein helles, kurzärmeliges Oberteil, was ebenso eng anlag, die Haare in einer lockeren Hochsteckfrisur, und die helle Jacke hing, bereit zum Tragen, über der Armlehne ihres Ankleidestuhls. Ihr war bei ihren Gewissenskonflikten ziemlich heiß geworden, weswegen kurzärmelig gerade vollkommen ausreichte.

 

„Kann ich dich was fragen?“, fuhr Hermine unbeirrt fort, und Ginny nickte überrascht.

 

„Natürlich kannst du“, antwortete sie achselzuckend.

 

„Ok, hör zu…“, begann Hermine unschlüssig und schob nonchalant ihre Hände in die engen Hosentaschen. „Nehmen wir an, du könntest etwas herausfinden, was du dringend wissen möchtest“, fuhr sie vage fort. Ginny runzelte die Stirn, schien ihr nicht folgen zu können.

 

„Was wäre das?“, wollte sie verständnislos wissen.

 

„Sagen wir, du… könntest die Prüfungsfragen für die ZAG-Prüfung in Zaubertränke rausfinden“, erwiderte Hermine kurzerhand.

 

„Was möchtest du mir damit sagen, Hermine?“ Ginny verschränkte misstrauisch die Arme vor der Brust.

 

„Gar nichts! Rein hypothetisch, Ginny!“, beteuerte Hermine eilig. „Sagen wir einfach, es gäbe diese Möglichkeit. Du würdest es herausfinden, ohne dass… ohne dass es irgendjemand merken würde – würdest du es tun?“ Hermine wartete gespannt. Ginny schien nachzudenken.

 

„Rein hypothetisch?“, vergewisserte sich Ginny. „Ich weiß nicht…“, sagte sie schließlich unschlüssig. „Also, wenn ich damit leben könnte, dass es zwar unredlich ist, dann… würde ich es wohl tun. Worauf willst du hinaus?“

 

„Du würdest also, für gewisse Informationen, gewisse Dinge tun?“, sprach Hermine weiter, wirkte wahrscheinlich mittlerweile noch kryptischer als sonst, und Ginny atmete aus.

 

„Geht es darum, wie weit ich für gewisse Dinge gehen würde, Hermine?“ Sie schien sich keinen Reim darauf machen zu können.

 

„Nein, es geht um absolut lebenswichtige Dinge“, widersprach Hermine seufzend und dachte an das Baby in ihrem Innern, das stetig wachsen würde. Sie dachte an Malfoys Unterschrift, die sie befreien würde. Sie dachte an Dumbledore. Sie dachte an all das.

 

„Was meinst du damit?“ Ginny schien besorgter zu werden. „Geht es um Malfoy?“

 

Ging es nicht immer um Malfoy, fragte sich Hermine unglücklich, und sie ruckte vage mit dem Kopf.

 

„Ich –nein. Auch“, räumte sie hilflos ein.

 

„Hermine, ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, worum es geht!“, entgegnete Ginny prüfend.

 

„Ginny, es ist nur eine abstrakte Frage!“, versicherte Hermine ihr. „Würdest du für wichtige Dinge… die Regeln verletzen?“

 

Ginny gab schließlich seufzend nach. „Wenn… es mich nicht in übertriebene Gefahr bringt. Und wenn… es für mich lebenswichtig wäre, dann… - ja. Dann würde ich die Regeln brechen“, räumte sie ein. „Ist das die Antwort, die du hören möchtest?“, wollte sie fast spöttisch wissen.

 

„Ja“, bestätigte Hermine, nicht unbedingt erleichtert, aber… sie fühlte sich besser. Sie stopfte die Sachen zurück in die Umhängetasche.

 

„Wo willst du überhaupt hin?“, erkundigte sich Ginny jetzt, als Hermine die Jacke vom Stuhl überzog und ihre Tasche über die Schulter schwang.

 

„Die Regeln brechen“, sagte Hermine nur, eine Spur unglücklicher, und griff sich an der Tür zum Schlafsaal ihren schwarzen Wintermantel von der schmalen Garderobe.

 

„Und du willst mir nicht sagen, um was es geht?“, versuchte Ginny es erneut, aber Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Es tut mir leid. Später. Ich erzähl dir alles später!“, beteuerte sie, aber Ginny schien noch etwas einzufallen.

 

„Ach, Hermine!“, hielt sie sie auf dem Treppenabsatz noch einmal auf. „Warum ich überhaupt hochgekommen bin“, fuhr sie fort, und sie verdrehte eindeutig die Augen, „Astoria Greengrass wartet draußen vor dem Portrait auf dich“, schloss sie mit eindeutig erhobenen Augenbrauen. „Ich habe ihr gesagt, ich sage dir Bescheid, aber versprechen könne ich ihr gar nichts!“

 

„Was will die denn?“, murmelte Hermine gereizt. Auf diese Person hatte sie nun überhaupt keine Lust, aber wie sollte sie unbemerkt an Astoria vorbei, wenn sie draußen wartete? „Ok“, sagte Hermine schließlich. „Ich kümmere mich darum“, versprach sie achselzuckend, nicht sicher, was Astoria mit ihr zu bereden hatte.

 

„Alles klar. Dann… anscheinend bis morgen?“, verabschiedete sich Ginny mit einem entsprechenden Blick auf Hermines Tasche, und Hermine errötete leicht.


„Oh… sag es keinem, ok?“, wisperte Hermine ihr zu, und Ginny nickte schließlich.

 

„Aber du erzählst mir, was es alles auf sich hatte!“, verlangte Ginny mit erhobenem Zeigefinger.

 

„Ehrenwort!“, versprach Hermine und verschwand im vollen Gemeinschaftsraum, schob sich durch die plappernden Schüler, die sich zum Essengehen versammelt hatten, und schlüpfte aus dem Portraitloch nach draußen. Sie sah sich um, konnte Astoria aber nicht entdecken. Sie bog nach rechts, Richtung Treppenhaus, aber als sie den Flur entlanglief, erkannte sie eine Gestalt am nächsten Fenstersims.

 

Sie wurde langsamer.

 

„Hi“, begrüßte Astoria sie scheu. Hermine schulterte ihre Tasche neu, und fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, alleine mit Astoria zu sein. „Alles ok?“, fragte sie, als wäre bisher jemals alles ok gewesen! Stirnrunzelnd war Hermine das schwere Buch in Astorias Armen aufgefallen. Sie wusste blind, um was für ein Werk es sich handelte. Astoria trug die Geschichte von Hogwarts bei sich, stellte Hermine verwundert fest. Was wollte sie damit? Hermine beschloss, nicht zu fragen. Es war ihr egal!

 

„Es geht“, bemerkte Hermine kühl. „Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas zu besprechen hätten, oder? Ich meine, deine Fronten sind klar gewählt, oder nicht?“, wollte sie wissen, und Astoria atmete mühsam aus. Irgendetwas lag ihr auf dem Herzen, begriff Hermine.

 

„Ich… dachte, wir… reden kurz“, sagte sie unschlüssig und schien sich sehr unwohl zu fühlen.

 

„Und worüber? Dass Dracos Eltern nun deine Hochzeit planen?“, fuhr sie Astoria schärfer als beabsichtigt an.

 

„Hermine, ich-“

 

„-nein! Ich glaube, ich muss mit dir nicht reden!“ Hermine war immer noch stocksauer auf Astoria. Wirklich! Hilflos hatte Astoria den Blick fast ergeben nach links gewandt, und Hermine runzelte die Stirn. Sie folgte Astorias Blick, und um die nächste Kurve kam seelenruhig Cynthia Bellows geschritten. Hermine bekam ein seltsames Gefühl im Magen. Sie waren zu zweit hier? Das hätte Ginny ihr mit Sicherheit gesagt, wenn sie es wusste!

 

„Zu schade. Leider haben wir aber mit dir zu reden, Schlammblut“, fügte sie glatt hinzu, und schenkte Hermine ein Lächeln, was nichts Gutes versprach.

Das Wort verletzte sie kaum noch, nachdem Malfoy seinen Sinn praktisch ausgeschlachtet hatte, aber es überraschte sie doch von Zeit zu Zeit.

 

Und Hermine war nicht dumm. Sie war nämlich gerade in der Unterzahl. Wie beiläufig lag Cynthias Zauberstab in ihrer Hand.

 

„Was wird das?“, entfuhr es Hermine ungläubig. „Ein Hinterhalt?“, vergewisserte sie sich, ohne die beiden Mädchen wirklich ernstnehmen zu können.

 

„Am besten kommst du jetzt mit uns, Granger“, beschloss Cynthia, ohne auf Hermines Worte einzugehen. Hermine erkannte, mit einem Blick aus dem Fenster, dass die Sonne versunken war. Würde Malfoy auf sie warten? Oder würde er sie verteufeln und verabscheuen dafür, dass sie nicht auftauchte, obwohl sie es tatsächlich vorgehabt hatte?

 

Sie suchen würde er wohl eher nicht, ging es ihr plötzlich mit einem Anflug von leiser Panik durch den Kopf. Wo blieben die Gryffindors? Jetzt war doch Abendessenzeit! Sie würden sie entdecken.

 

Cynthia hatte den Zauberstab eindeutig gehoben.

 

„Beweg dich, Granger!“, ergänzte sie strenger.

 

„Ihr könnt mich nicht verfluchen! Flüche, die auf den Gängen gegen Schüler gerichtet werden, werden dem Schulleiter gemeldet!“, stieß sie hastig hervor, um Zeit zu schinden, während sie die Spitze des Zauberstabs genau im Auge behielt. Astoria hatte sich mit dem Buch im Arm vom Fenster wegbewegt. Sie sagte gar nichts mehr.

 

„Der Schulleiter ist zurzeit nicht anwesend, Granger“, erwiderte Cynthia seelenruhig. Mist, das stimme. Der Fluchmelder ging im Büro des Schulleiters los. Befand sich McGonagall dort zurzeit? Wahrscheinlich, oder? „Und selbst wenn… wir sind schnell. Niemand würde es uns nachweisen können“, schloss Cynthia. Hermine horchte besorgt auf.

 

„Was nachweisen können?“, entfuhr es ihr sofort, aber Cynthia lächelte nur.

 

„Astoria, jetzt!“, sagte Cynthia ruhig, und ehe Hermine erschrocken den Kopf wenden konnte, spürte sie einen dumpfen, heftigen Schmerz. Astoria hatte die Geschichte von Hogwarts gegen ihren Kopf geschlagen, und Hermines Sichtfeld wurde schwarz.

Dafür also das Buch, dachte sie noch dumpf.

 

Sie verlor das Bewusstsein mit einem schwindelerregenden Gefühl und fiel wie ein nasser Sack auf den steinernen Flur.

 

Alles wurde schwarz.

 

~*~

 

Wo war sie?

 

Wagte sie es etwa, nicht zu kommen? Er stand vor den Toren und wartete in der aufkommenden Dämmerung. Noch waren alle Schüler beim Abendessen. Noch konnten sie das Schloss unbemerkt verlassen. Noch lief alles nach Plan.

 

Nur war es leider schon viertel nach sechs. Und er hasste es, zu warten. Er wurde für gewöhnlich nicht sitzen gelassen. Er musste nie auf jemanden oder etwas warten. Alles arbeitete für gewöhnlich für ihn. Sogar die Zeit.

 

Merlin, sie machte ihn wahnsinnig. Die Zeit tickte ihm davon. Er hatte sie nur noch diese Nacht! Keine weitere mehr! Und sie sollte sich endlich überwinden und zu ihm kommen, bevor sie noch mehr Zeit verlieren würden.

 

Er wartete. Und er war sich eigentlich fast sicher gewesen, sie würde kommen.

 

Dann war es zwanzig nach.

 

Fünfundzwanzig nach.

 

Halb sieben.

 

Gereizt stieß er die Luft aus. Er hatte eine halbe Stunde auf sie gewartet. Das war länger, als er in seinem gesamten Leben jemals auf etwas gewartet hatte.

Wütend und hilflos zugleich, trat er seinen zerknirschten Rücktritt an. Vielleicht hatte er sich geirrt? Vielleicht war ihr die Information über Dumbledore für sie doch nicht so wichtig? Vielleicht hatte er es nicht glaubhaft genug verkauft? Vielleicht hasste sie ihn einfach nur, und würde niemals wieder Zeit mit ihm verbringen? Selbst, wenn er sie einfach nur sehen wollte und ihr versprach, zu unterschreiben?

 

All diese Sachen könnten sein. Er beendete den Rückweg zum Schloss zähneknirschend, hörte das Gelächter aus der großen Halle, und schritt mit schnellen Schritten durch die Eingangshalle, um einen Blick in die Halle zu werfen, um zu sehen, ob sie tatsächlich unverfroren beim Abendessen saß.

 

Sein Blick flog über den Gryffindortisch, entdeckte Weasley, Potter, Weasleys Schwester – sogar Pansy am Gryffindortisch! Aber nicht Granger.

 

Wo war sie dann? Versteckte sie sich vor ihm? Kurz überlegte er, ob er sich an seinen Platz setzen sollte, um zu essen, verwarf diese Idee aber. Vielleicht könnte er dennoch nach Hogsmeade gehen, sich ablenken von seiner bitteren Zukunft. Er wandte sich wieder um und stand alleine in der Eingangshalle.

Jetzt wusste er nämlich nicht, ob er wirklich unterschreiben sollte. Sie war nicht da, aber er hatte es seinem Vater gesagt.

 

Musste er sein Wort halten?

 

Wahrscheinlich musste er. Alleine schon wegen der Slytherinschlangen, die –

 

Seine Gedanken, rissen unwillkürlich ab, und mit langsamen Schritten ging er zurück zum Eingang der Halle, kniff die Augen zusammen und ließ den Blick prüfend über den weit entfernten Slytherintisch gleiten.

 

Auf den ersten Blick entdeckte er die beiden Mädchen nicht.

 

Und er gab seine Deckung auf, durchschritt mit langen Schritten den Weg zwischen den Tischen, um zu seinem Tisch zu gelangen. Aber auch auf den zweiten Blick blieben die Mädchen verschwunden.

 

„Hey“, begrüßte Blaise ihn kauend, während er und Goyle Prospekte über das neue Rennbesenmodell durchblätterten. „Setz dich, wir könnten überlegen, ob wir für das ganze Team diese geilen Dinger finanzieren!“, schlug Blaise ihm zwinkernd vor. Aber Draco beachtete ihn kaum.

 

„Wo sind Astoria und Cynthia?“, wollte er knapp wissen. Blaise sah sich vollkommen verwunderte um.

 

„Nicht hier. Wieso?“ Das letzte Wort klang misstrauisch. „Du bist doch aus dieser Phase raus, oder nicht?“, vergewisserte er sich skeptisch. Oh, Draco konnte ihm gar nicht sagen, wie raus er war!

 

„Wo sind sie?“, entfuhr es ihm, während die Panik an ihm nagte. Aber… Unsinn. Nur weil die drei Mädchen nicht hier waren, bedeutete es nicht, dass sie Granger tatsächlich abgefangen hatten, um…-

 

Sein Verstand spielte ihm grausame Streiche.

Scheiße.

 

Bevor er panisch wurde, würde er im Gemeinschaftsraum nachsehen. Erst in seinem, dann in ihrem, dann im Raum der Wünsche, dann in der Bibliothek, dann würde er erst zu Potter rennen und Panik machen, beschloss er dumpf. Er ließ Blaise und Goyle hinter sich zurück und versuchte mit aller Macht, nicht zu rennen.

 

Denn wer rannte, hatte Angst.

 

Und er hatte keine Angst. Nie.

Auch wenn Granger das gerne in ihren rationalen Schlafwandel-Reden andeuten mochte.

Sie irrte sich.

 

Sie mochte sich selten irren, aber sie irrte sich.

 

Außer vielleicht jetzt gerade.

 

Kaum hatte er die Halle verlassen, fiel er unwillkürlich in einen Laufschritt, denn jetzt gerade konnte er sich nichts Schlimmeres vorstellen, als dass ihr irgendetwas passierte, und er auch noch schuld war! Und das nur, weil er ein egoistisches Arschloch war, welches sie nach Hogsmeade locken wollte, anstatt ein einziges Mal in seinem scheiß Leben, den nicht egoistischen Weg zu wählen, und sie von ihm zu erlösen!

Nein, er musste ja extra noch länger warten! Er musste den Schlangen zuhören, beschließen, dass er genügend Zeit hatte, um sie zu verführen, obwohl er es hätte wissen müssen!

 

Scheiße! Er musste sie finden! Er musste!

Und er hoffte, sie versteckte sich vor ihm. Versteckte sich so gut, dass auch die beiden bösen Slytherin-Schlangen sie nicht finden würden. Er hoffte es wirklich!

Dann würde er sich die Slytherins direkt vorknöpfen, und Granger würde nie mehr in Gefahr sein. Er würde es nie mehr zulassen!

 

Bitte, bitte – lass sie irgendwo anders sein! Nur nicht in Gefahr, flehte er praktisch, während seine harten Schritte laut von den Wänden widerhallten.

 

 

Kapitel 65

 

Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, denn sie wurde bereits wach, als sie auf einen Stuhl gesetzt wurde. Ihr Kopf tat noch etwas weh, sie war noch etwas benommen, aber schon fokussierten ihre Augen. Ihre Arme und Beine waren mit dem Klammerfluch belegt, also konnte sie nicht aufstehen.

 

Sie blinzelte unter dem Licht des Leuchters im Mädchenschlafsaal. Wohl der Saal der Slytherins. Astoria verriegelte gerade die Tür mit Hilfe eines Ankleidestuhls, während Cynthia Hermines Umhängetasche auf einem der Betten ausleerte.

 

„Was… was soll das?“, murmelte Hermine, während sie langsam wütender wurde. Cynthia hob kaum den Blick.

 

„Das muss deine Sorge nicht sein“, bemerkte sie nur. „Astoria schau!“, rief Cynthia spöttisch aus. „Hat Draco dir Schmuck geschenkt?“ Sie hatte die flache Schmuckschachtel geöffnet, und das goldene Medaillon baumelte von ihren Fingern hinab. Hermine hatte die Kette nur mitgenommen, um sie Malfoy wiederzugeben. Aus keinem anderen Grund. Sie bemerkte den grünen Schimmer, als Cynthia die Kette provozierend vor ihrer Nase baumeln ließ.

 

„Vielleicht behalte ich sie“, schlug Cynthia bösartig vor, aber Hermine konnte nicht umhin, diesen Vorschlag willkommenzuheißen.

 

„Bitte, tu das“, erwiderte Hermine kalt. Vielleicht würde Cynthias größtes Unglück in Erfüllung gehen! Das wäre wünschenswert. „Und jetzt?“ Hermine wehrte sich auf dem Stuhl gegen den Klammerfluch, aber ihre Gliedmaßen bewegten sich nicht. „Das war euer Plan? Mich im Schlafsaal einzusperren?“ Astoria wirkte unglücklich.

 

„Nein“, sagte Cynthia und warf die Kette achtlos auf das Bett zu ihren anderen Sachen. „Wir haben andere Pläne.“

 

„Ihr solltet euch beeilen!“, sagte Hermine schließlich. „Draco wartet auf mich, und er wird mich suchen, wenn ich nicht komme!“, log sie mutiger als sie wirklich war, denn sie bezweifelte, dass Draco überhaupt wusste, dass sie verschwunden war.

 

„Ich glaube dir nicht“, sagte Cynthia jetzt. Aber sie klang tatsächlich nicht völlig überzeugt. „Du wirst ihn verlassen, Granger“, ergänzte sie plötzlich drohender und kam näher. „Du wirst dafür sorgen, dass du aus seinem Leben verschwindest, du und die ungeborene Missgeburt gleich mit!“, fuhr sie abschätzend fort, mit einem entsprechenden Blick auf ihren Bauch.

 

Hermines Mund öffnete sich überrascht. Woher wussten die Mädchen das? Wer hatte es ihnen gesagt? Hatte Draco es Astoria gesagt? Oder Narzissa? Kurz war Hermine überrumpelt.

 

„Sprachlos?“, fuhr Cynthia fort, aber Hermine überwand ihren Schock.

 

„Ihr beiden seid auch nicht unbedingt die klügsten Doxys im Nest, oder?“, wollte sie gepresst wissen. „Zwar geht es euch nichts an, aber ich kümmere mich bereits um all diese Dinge!“ Cynthia wirkte nicht zufrieden.

 

„Granger, Draco hat mir gedroht“, erklärte sie kalt. „Er hat es gewagt, mir zu drohen. Er hatte Sex mit mir, kurz nach eurer Verlobung wusstest du das?“

 

Hermine konnte mit dieser sinnlosen Information nicht viel anfangen. Malfoy hatte ständig Sex mit Mädchen gehabt. Und… wieso sollte er Cynthia drohen?

 

„Erst vor ein paar Tagen hat er mir gedroht, sich persönlich um mich zu kümmern, wenn ich dir zu nahe kommen sollte.“ Sie klang eine Spur wahnsinnig. Hermine konnte sie nur ungläubig ansehen. Wieso sollte er so etwas tun?!

 

„Wieso ist es dir so wichtig?“, fragte Hermine unvermittelt, während sie sich wieder erfolglos gegen den Fluch stemmte. Sie wusste nicht, ob dieser Fluch McGonagall gemeldet werden würde. Sie hoffte es aber! „Astoria ist diejenige, die ihn heiraten wird.“

 

„Nennen wir es persönliche Rache“, antwortete Cynthia. Astoria war immer noch stumm.

 

„Persönliche Rache?“ Hermine konnte es nicht fassen. „Ihr seid krank! Und dafür fliegt ihr!“

 

„Wirklich? Ich glaube nicht. Wir löschen dein Gedächtnis, belegen dich mit dem Imperius, und du wirst tun, was wir sagen.“ Hermine hob eine Augenbraue, nach dieser Drohung.

 

„Aha. Und wie oft hast du schon Erinnerungen gelöscht, Cynthia? Wie oft hast du einen Unverzeihlichen benutzt? Es ist nicht so einfach, wie einen halben Klammerfluch auf eine bewusstlose Person loszulassen!“, spottete Hermine kalt. Cynthia schloss den Abstand und gab ihr tatsächlich eine ziemlich schmerzhaft schallende Ohrfeige. Hermines Kopf flog zur Seite und Tränen traten aus reinem Reflex in ihre Auge. Ihre Wange brannte.

 

„Halt deinen Mund!“, rief Cynthia zornig. „Du stehst soweit unter uns, Granger! Begreifst du das eigentlich? Begreifst du, wie dreist es von dir ist, zu wagen, schwanger mit seinem Kind zu sein? Überhaupt seinen Namen zu tragen?“, fuhr Cynthia sie an, und Hermine konnte das Mädchen vor sich nicht fassen. Voldemort wäre stolz gewesen, ein solches Exemplar in seinen Rängen zu haben, überlegte sie, während sie nachdachte, wie viel Zeit ihr noch blieb, ehe diese beiden Genies versuchen würden, irgendwelche Zaubersprüche anzuwenden, die nach hinten losgingen.

 

„Es ist nicht so, dass ich es mir ausgesucht hätte! Astoria, war das dein Plan? Hast du irgendetwas zu sagen? Oder stehst du einfach nur dumm in der Gegend rum?“, fuhr Hermine sie nun an. „Ihr Reinblüter habt einen Schaden! Und ob ihr es glaubt oder nicht, nicht jedes Mädchen ist scharf auf Draco Malfoy!“, rief Hermine nun zornig. „Wirklich, du kannst ihn haben! Ich kann nicht fassen, dass du so dumm bist, bei so einer Aktion mitzumachen!“, schloss Hermine mit einem bösen Blick auf Astoria. „Draco wollte dich die ganze Zeit! Und jetzt machst du so eine Scheiße? Warum?“ Fast war Hermine sauer auf Astoria. Sie wollte nicht, dass Draco mehr litt, als er musste. Warum auch immer! Aber Astoria war keine gute Wahl! Sie war hinterhältig und gemein. Und Narzissa musste blind sein, wenn sie Astoria für eine gute Wahl hielt!

 

„Deine dummen Worte, als du bewusstlos warst, waren so eine Heuchelei, oder Granger?“, nahm Cynthia das Gespräch wieder auf, während Hermine immer noch die Hitze des Schlags in ihrem Gesicht spüren konnte. Und was? Sie hatte gesprochen?

 

„Was?“ Sie starrte Cynthia an. Sie war psychopathisch!

 

„In Zaubertränke!“, rief Cynthia gereizt. „Dieser Quatsch von wegen, du hättest Angst? Du wolltest das alles genau so! Und jetzt bekommst du, was du verdienst!“

 

Hermine überlegte scharf. Sie hatte also doch gesprochen? Und sie hatte gesagt, sie hätte Angst? Gott, wie peinlich.

 

„Ihr solltet mich gehen lassen“, versuchte sie es erneut mit Vernunft. „McGonagall wird euch bestrafen hierfür, wenn ihr es noch weiter treibt. Jetzt habt ihr noch die Chance, dass ich euch lediglich Punkt abziehe“, warnte sie die Mädchen. „Astoria, das willst du nicht!“, beschwichtigte Hermine das Mädchen, was so unglücklich wirkte. Dann sprach Astoria.

 

„Ich will nicht, dass du schwanger von ihm bist! Ich will nicht, dass er dich bevorzugt. Das ist es, was ich will“, flüsterte sie schließlich, und eine Träne fiel auf ihre Wange. Hermine hatte nicht gewusst, dass Mädchen so verzweifelt sein konnten.

 

„Astoria, er bevorzugt mich nicht, Merlin noch mal!“, rief Hermine angestrengt aus. Astoria kam langsam näher.

 

„Er will dich und nicht mich“, sagte sie voller Trauer. „Und ich hasse dich dafür. Du willst ihn nicht mal, und er ist sogar bereit, alles aufzugeben. Für dich… für ein…“ Sie schluckte schwer, schien das Wort nicht sagen zu wollen, und sah sie dann mit ihren waidwunden Augen an. „Wieso will er mich nicht?“

 

Hermine hatte genug davon! „Vielleicht, weil du Menschen in Hinterhalte lockst, sie bewusstlos schlägst und ein missgünstiger Psychopath bist?“, schlug Hermine ihr kalt vor, und tiefverletzt warf Astoria Cynthia einen Blick zu.

 

„Du brauchst eine Strafe, Granger. Du bist zu selbstbewusst dafür, dass du nicht am längeren Hebel sitzt!“, drohte Cynthia jetzt und hatte den Zauberstab erhoben.

 

Und dann hörten sie einen Knall.

 

Es kam von draußen.

 

„Was… was war das? Du hast gesagt, sie sind alle noch beim Essen!“, rief Astoria panisch aus. Cynthia verriegelte die Tür zusätzlich mit einem stummen Zauber.

 

„Sei ruhig!“, zischte sie Astoria zu. „Wir müssen sie verstecken!“ Hermine kannte das Geräusch. Harry und Ron hatten damals den Zauber entriegelt, welcher die Treppen zum Mädchenschlafsaal in eine Rutsche verwandelte, damit sie sie und Ginny besuchen konnten. Und es hatte genauso geklungen.

 

Jemand hatte den Treppenfluch blockiert. Sie hörte, wie jemand die Stufen hoch gelaufen kam. Dann wurde an der Klinke gerüttelt, während Cynthia versuchte, Hermine vom Stuhl zu ziehen.

 

„Hilf-!“, begann Hermine zu schreien, aber Cynthia legte ihr die Hand über den Mund.

 

„Halt die Klappe, du Miststück!“, knurrte sie. Hermine hörte, wie ein Gewicht gegen die verschlossene Tür fiel. Wieder und wieder. Dann war es kurz still, bis sie alle zusammenzuckten, als die Tür mit dem Bombardia-Fluch aus den Angeln gerissen wurde. Sie fiel unspektakulär mitten ins Zimmer, begrub den Ankleidestuhl unter sich, und Hermine war wohl noch nie so überrascht und dankbar, ihn tatsächlich im Zimmer zu sehen.

 

Er war außer Atem, die Züge vor Zorn verzerrt, und seine grauen Augen erfassten das Geschehen. Hermine war auf dem Stuhl umgekippt und lag nun, noch immer bewegungslos auf dem Boden.

 

Er hatte den Zauberstab so schnell gezogen, und Astoria weinte bereits bitterliche Tränen.

 

„Weg. Von. Ihr“, knurrte er Cynthia entgegen, die sich zitternd erhoben hatte. Er war so unglaublich zornig, Hermine hatte ihn noch nie so erlebt. Er schwang den Zauberstab, und sein silberner Patronus brach aus der Spitze hervor und sauste aus der Tür zurück davon. Hermine hatte die Figur nicht erkannt, die sein Patronus annahm, aber es war etwas Großes gewesen.

 

Er rief nach Snape, nahm Hermine dankbar an.

 

„Draco-“, begann Astoria flehend, aber er schoss ihr einen eisigen Blick zu.

 

„-am besten hältst du deine Klappe! Am besten sagst du nie wieder ein Wort zu mir, Astoria. Nie wieder, hast du verstanden?“ Seine Stimme zitterte sogar. Er rührte sich nicht, blockierte den Eingang und behielt die Mädchen im Auge.

 

Cynthia schien zu wagen, an ihm vorbei zu wollen, aber er entwaffnete sie stumm, fing ihren Zauberstab auf, und sein Blick war tödlich.

 

„Ich werde dich nicht umbringen“, erklärte er ihr, mit unfassbar bösartiger Stimme. „Allerdings nur, weil Snape dich von der Schule werfen wird, was mir mehr Genugtuung verschafft, als ein lebenslanger Aufenthalt in Askaban.“ Es vergingen weitere Sekunden, in denen Hermine denkbar entwürdigend auf dem Boden lag, sich aber nicht traute, zu sprechen.

 

Snape kam nach einer weiteren Minute, und beide Mädchen weinten bis dahin schon bitterlich, versuchten Snape zu erzählen, Draco hätte sie hier eingesperrt und sie hätten versucht, zu entkommen, aber Snape bedeutete ihnen eiskalt, den Mund zu halten.

Er erfasste sie, überwand den Abstand, löste den Klammerfluch, und Hermine rappelte sich benommen auf die Beine.

 

„Was ist hier los?“, wollte er gefährlich ruhig wissen. Und Hermine atmete aus, betrachtete die verzweifelte Astoria aus den Augenwinkeln, und resignierte.

 

„Cynthia hat mich in einen Hinterhalt gelockt, mich bewusstlos geschlagen, hierhin geschafft und mit dem Klammerfluch belegt. Astoria war zufällig im Schlafsaal, aber Cynthia wollte ihr und mir das Gedächtnis löschen, und uns mit einem Unverzeihlichen dazubringen, Draco nicht mehr wiederzusehen. Sie ist krankhaft eifersüchtig, Professor!“, sagte Hermine schnell, und Cynthia schrie auf vor Zorn.

 

„Was? Astoria war genauso hieran beteiligt! Sag es ihm, du dummes Miststück!“, schrie Cynthia Hermine ins Gesicht, wollte sich auf sie stürzen, aber Snape brachte sie mit einem Zauber zu Fall.

 

„Keiner wird hier eine Schlägerei anfangen. Keiner entführt andere Schüler. Keiner bedroht irgendwen anders. Miss Bellows, ich werde Ihre Eltern noch heute Abend in Kenntnis setzen! Ich werde Sie von dieser Schule verweisen!“, donnerte Snapes Stimme. „Und Sie!“, wandte er sich an Astoria. „Waren Sie beteiligt?“

 

„Ich…?“ Astoria sah ihn ängstlich an, dann sah sie Hermine an, Draco und wieder Snape. „Ich… ich habe…“

 

„Sie hat genauso-!“, begann Draco, aber Hermine unterbrach ihn.

 

„-nein! Astoria hat nichts getan“, log sie ernsthaft. Draco starrte sie an. Hermine erwiderte seinen Blick nicht, und Snape betrachtete sie prüfend.

 

„Das stimmt nicht!“, rief Cynthia zornig aus, aber Snape ergriff kurzerhand ihren Arm.

 

„Miss Greengrass, wir sprechen uns noch. Draco, bringen Sie Miss Granger in den Krankenflügel, falls von Nöten. Alles weitere klären wir morgen!“, drohte er kurzerhand, und Hermine wollte nicht in Cynthias Schuhen stecken.

 

Dann war Snape verschwunden. Sie waren zu dritt. Draco wandte sich sofort an sie, mit einer eisigen Selbstverständlichkeit, dass sie zusammenzuckte, unter seinem zornigen Blick.

 

„Du deckst sie? Weshalb, in Salazars Namen noch mal, tust du so etwas absolut Dämliches, Granger?“, schrie er sie haltlos an. Hermine stemmte zornig die Hände in die Hüften.

 

„Das ist meine Sache, oder nicht? Es geht dich überhaupt nichts an!“, erwiderte sie genauso böse. „Und du brauchst mich nicht anzuschreien, Malfoy! Ich wurde entführt, Merlin noch mal!“, sagte sie böse.

 

„Ach wirklich?“, schnappte er zurück. „Und was für eine Art Stockholm-Syndrom soll das sein, dass du diese Schlampe hier davon kommen lässt?“, donnerte seine Stimme.

 

„Ich habe meine Gründe! Außerdem, wenn Narzissa will, dass du sie heiratest, dann-“

 

„-ich fasse es nicht!“, fuhr er sie außer sich an. „Du denkst ernsthaft, ich würde so ein widerliches Biest heiraten, Granger?“, schrie er jetzt, und schluchzend war Astoria aus dem Schlafsaal gerannt. Hermine sah ihn zornig an.

 

„War das nötig?“, fragte sie ihn tatsächlich, und er schien sie nicht fassen zu können.

 

„Sie hat dich entführt! Sie hat es doch geplant gehabt! Beide haben es geplant! Ich habe es doch gehört!“

 

Kurz wollte sie antworten, wollte erklären, warum Astoria es nicht verdient hatte, von Snape abgeführt zu werden, wollte ihm erklären, dass Astoria einfach nur unter dem immensen Druck ihrer Mutter stand, so wie Draco unter dem Druck seiner Eltern stand, aber dann drangen seine letzten Worte in ihr Bewusstsein.

 

„Was?“, fragte sie sehr leise. „Du… du hast das gewusst?“, entfuhr es ihr vollkommen entgeistert. Und so etwas Ähnliches wie Schuldbewusstsein kroch in seinen Blick.

 

„Nein!“, rechtfertigte er sich sofort, mit erhobenen Armen. „Nein, ich… habe sie gehört, wie sie geplant haben, dich…- nein, ich wusste nicht, dass sie es tun würden! Ich wollte nicht- ich hätte nicht zugelassen, dass-!“

 

„Du wusstest das, und hast nichts gesagt? Du hast mich in diese Falle laufen lassen?“, fuhr sie ihn fast ängstlich an, denn das er dazu fähig war, war mehr als sie ertragen konnte. Er hatte es wieder einmal geschafft! Sie wollte gehen, aber er hielt sie am Arm zurück.

 

„Granger!“

 

„Nein!“, schrie sie, mittlerweile unter Tränen. „Ich weiß, dass du ein Arschloch bist, Malfoy, aber das ist selbst für dich ein neuer Tiefpunkt!“ Ihre Stimme zitterte mittlerweile.

 

„Granger“, begann er wieder, hielt sie immer noch fest, „so ist es nicht! Ich bin hier, oder nicht? Ich habe diese Schlangen aufgehalten, oder nicht? Ich habe-“

 

„-du wusstest das! Was denkst du? Dass solche Leute wie Cynthia Scherze machen? Wegen ihr hatte ich eine Eisscherbe im Auge, Merlin noch mal!“, rief sie unter Tränen. „Du musst mich unglaublich hassen, wenn du wissentlich zulässt, dass ein Miststück wie sie so etwas mit mir tut!“ Und Hermine hatte die ganze Zeit über keine Angst vor den Mädchen gehabt, hatte nicht angenommen, dass auch nur eine von ihnen zu einem vernünftigen Fluch fähig war, aber dass Draco es wusste!

 

Dass er es gewusst hatte, das machte ihr so viel Angst wie nichts zuvor. Nicht nur vergewaltigte er sie, schwängerte sie, wollte sie nicht aus dem Vertrag entlassen, sondern sie noch weiter quälen – nein, sie kam auch noch freiwillig und lief damit in ihr Verderben! Sie wollte sich von ihm losreißen, aber er ließ es nicht zu, griff um ihre Schultern und hielt sie still.

 

„Nein“, wiederholte er nur. „Sieh mich an“, befahl er heiser. Sie weigerte sich, schüttelte den Kopf unter Tränen und wollte einfach nur weg. Was wollte er noch? Wollte er sie noch tiefer sehen? Seine kleinen Schlampen führten bestimmt nur seine Befehle aus! Hatte er nicht alles erreicht? Wieso hatte er einen Rückzieher gemacht? Cynthia hätte sie bestimmt noch eine Weile quälen können! Hatte er Schiss bekommen? Hatte er geglaubt, Snape würde ihn vielleicht verdächtigen? Ihn auch noch von der Schule werfen?

„Ich würde so etwas niemals tun!“, versicherte er ihr, versuchte, Ruhe in seine Stimme zu bringen, und Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Lass mich los! Malfoy, lass mich los!“

 

„Du musst mir glauben!“, sagte er eindringlich, und ihre sinnlose Gegenwehr ebbte langsam ab.

 

„Wieso sollte ich?“, spuckte sie ihm entgegen. „Du bist nicht nobel, Malfoy! Du hast noch nie bewiesen, dass du an irgendetwas anderes denkst, außer an dich selbst!“

 

„Niemals würde ich zulassen, dass dir irgendjemand etwas antut, du dumme Gans!“, riss ihm der Geduldsfaden scheinbar wieder. Hermine musste hysterisch auflachen.

 

„Was? Du tust mir doch ständig Grausamkeiten an, du Mistkerl!“, fuhr sie ihn an, und er atmete gepresst aus.

 

„Ich… tue so etwas nicht mehr“, korrigierte er sie angestrengt.

 

„Du wusstest, dass sie-“ Er sah sie zornig an.


„-ja, Merlin, ich wusste es, ok? Und ich habe mir gedacht, was für ein Spaß! Granger quälen ist genau, was mir in den Kram passt!“ Seine Stimme troff vor Ironie. „Du bist blind. So was von blind!“, beleidigte er sie jetzt. „Ich habe sie vorher nicht zur Rede gestellt, weil ich mir dachte, dass – sollten sie so etwas jemals versuchen – sie noch vorsichtiger wären, wenn sie wüssten, dass ich es weiß! Snape hätte mir niemals geglaubt! Merlin, dass sie überhaupt so etwas Dummes tun konnten! Und ich war da! Die ganze Zeit habe ich dich beobachtet! Was denkst du, weshalb ich heute mit dir weg wollte? Ich wollte die Sache klären! Wollte morgen unterschreiben, das Kind entfernen lassen, damit es vorbei ist! Damit ich keine scheiß Angst haben muss, dass dich irgendwelche eifersüchtigen Schlampen entführen und sonst was mit dir tun!“, schrie er sie wieder an. Tränen liefen ihre Wange hinab.

 

Was? Was erzählte er denn? Wusste er, wie verrückt das alles klang? Aber sie war noch immer sauer.

 

„Wieso morgen, Malfoy?“, wollte sie nun heiser wissen. „Wieso wolltest du erst morgen unterschreiben? Wenn du es doch sowieso alles beenden willst und solche Angst um mich hast, warum wolltest du dann noch einen Tag länger als nötig warten?“, fragte sie ihn tief enttäuscht, und er verzog den Mund, als würde ihn die Frage physisch quälen.

 

„Warum? Weil ich selbstsüchtig bin, Granger. Weil ich ein Arschloch bin, was dich noch eine Nacht haben wollte.“ Ihr Mund öffnete sich angewidert. „Und nicht nackt, nicht in irgendeinem Bett! Nicht mal das!“, widersprach er sofort, als er ihren Blick deutete. „Merlin, selbst wenn du die Nacht nicht mit mir gesprochen hättest, ich auf der scheiß Couch hätte schlafen müssen, wollte ich diese Nacht noch haben!“, donnerte seine Stimme.


„Was?“ Ihre Stimme brach. „Wieso?“ Sie sah ihn an, als wäre er krank.

 

Und er erwiderte ihren Blick, sah so aus, als zwinge sie ihn, etwas Unaussprechliches zu sagen, und ihr Herzschlag setzte für die kleinste Sekunde aus, als sich etwas Dunkles in seinen grauen Augen zu lichten schien, etwas, was das kalte Eis seiner Iris für eine Sekunde durchbrach.

 

Sein Atem ging unregelmäßig, aber er hielt ihrem Blick stand, hielt noch immer ihre Schultern umfangen, und fast wirkte er, als hätte er Schmerzen, während er sie ansah.

 

„Weil… weil ich-“ Und für eine lichte Sekunde, fragte sie sich wirklich, ob sie hier stehen bleiben wollte, und ihn diesen Satz beenden ließ! Denn sie ahnte, was er sagen wollte! Was er sagen würde! Und… es war absurd! Das meinte er nicht ernst! Das konnte er nicht ernst meinen! Er würde das jetzt nicht wirklich zu ihr sagen?!

 

„-nicht!“, unterbrach sie ihn hastig, schüttelte knapp den Kopf, und ihr Herz schlug schnell. Sie konnte ohnehin nicht mit ihm umgehen, konnte ihn nie einschätzen und hatte die letzten Monate damit verbracht, sich daran zu gewöhnen, von ihm scheiße behandelt zu werden – und das war auch der Plan gewesen!

 

Aber… wenn er jetzt anfing, seinen Kurs zu ändern – damit kam sie nicht zurecht! Und vielleicht irrte sie sich auch! Denn das Licht in seinen Augen war verschwunden. Er hatte den Mund geschlossen.

 

Es ging nicht. Sie konnte nicht emotional mit ihm sein. Sie schrien sich an. Es war nicht gut. Es tat ihr nicht gut. Er brachte sie an alle ihre Grenzen. Und seit wann sah er sie an? Seit wann sah er nicht mehr weg? Seit wann sah er sie tatsächlich?

 

„Hast… hast du einen Termin für morgen?“, fragte sie also, hatte den Blick abgewandt und sich seinem Griff endlich entzogen. Sie war einen Schritt zurückgewichen und sah überall hin, nur nicht in sein Gesicht.

 

„Mit der Heilerin?“, erriet er tonlos ihre Gedanken, und sie nickte dem runden weichen Läufer auf dem Boden des Schlafsaals entgegen. „Ja“, bestätigte er.

 

„Wann und wo?“, wollte sie wissen, während es immer unangenehmer zwischen ihnen wurde.

 

„Nachmittags, fünfzehn Uhr. Sie hat ihre Praxis in Hosgmeade“, erwiderte er, die Stimme in nicht deutbaren Tiefen. Sie nickte. Ja, sie hatte ja die Karte der Heilerin. Um nicht sinnlos vor ihm zu stehen, ging sie zu dem gemachten Bett, wo ihre Tasche ausgekippt lag, und stopfte die Sachen unordentlich zurück. Er sah ihr zu.

 

„Du… du wärst gekommen?“, schloss er plötzlich aus ihrer Handlung. „Du wärst mit mir nach Hogsmeade gegangen?“, vergewisserte er sich, und seine Stimme! Gott, sie würde ihn nicht ansehen können, so wie seine Stimme klang. Er klang so… unmenschlich enttäuscht, so… tieftraurig, so…unfassbar resignierend.

 

Vom Boden nahm sie die Kette und betrachtete sie. Sie glomm in sanftem Grün in ihrer Hand. Es lag ein starker Fluch auf diesem Schmuckstück. Sie wandte sich um und streckte ihm die Hand entgegen.

 

„Hier. Die wollte ich dir wiedergeben“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen. Er nahm sie ihr nicht ab. „Das… war ein böses Geschenk“, flüsterte sie plötzlich, als sie darüber nachdachte. Er war… immer nur scheußlich zu ihr gewesen. Nur! Und natürlich war er das. Sie hatte sein Leben zur Hölle gemacht.

 

Letztendlich streckte er die Handfläche aus, und sie ließ die Kette fallen. Er steckte sie wortlos in seine Hosentasche.

 

„Ja“, bestätigte er schließlich, und sie hasste es, dass seine traurige Ehrlichkeit ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie wischte sich zornig über die nassen Augen.

Und sie war nicht vorbereitet. Auf gar nichts, wenn es um ihn ging, aber er hatte die Hand zu ihrem Gesicht gehoben, hatte ihre Wange umfangen, und sie blinzelte erschrocken zu seinem Gesicht empor.

 

„Bitte, weine nicht mehr wegen mir“, flüsterte er unglücklich. „Ich… unterschreibe hier und jetzt sofort“, versprach er mit neutraler Stimme. Er wirkte so… so… - sie konnte es gar nicht beschreiben. So, wie sie es sich gewünscht hatte. Vollkommen verloren, gebrochen! So, wie sie ihn hatte haben wollen, einige Monate zuvor.

 

Und jetzt, wo es so weit war – wollte sie nicht mehr.

 

Was für eine blöde Idee! Sie hatte gedacht, sie könnte mit ihm spielen. Er wäre ihr Projekt. Sie würde emotionslos die Reinblütergesellschaft ändern, ihnen Angst einjagen, ihre Traditionen brechen, aber… stattdessen hatte sie ihn zerstört.

 

„Weißt du“, begann er plötzlich, ließ die Hand von ihre Wange sinken, und das Gefühl ihrer Haut konnte sie nicht beschreiben. Sie brannte förmlich. Wie von Cynthias Schlag, aber auf eine andere Weise. „Du hast in Zaubertränke gesprochen“, sagte auch er jetzt. Sie blinzelte überrascht. „Es war keine gute Zeit. Für keinen von uns. Und ich gebe dir die volle Verantwortung dafür, dass alles so geendet ist“, erklärt er plötzlich, ernster. „Aber…“ Er sah sie offen an, „ich… bin froh, dass du… dass du da warst, Granger“, schloss er, und seine Mundwinkel zuckten.

 

Er würde lächeln. Es würde ein trauriges Lächeln werden. Sie biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht beben würde, wenn sie gleich wieder weinte.

 

Gott, seine Offenheit war so entwaffnend, dass sie schon längst vergessen hatte, aus dem Saal zu stürmen.

 

„Zu seinem fünften Geburtstag hat Lucius ihm ein Schachspiel geschenkt“, begann er plötzlich zu erzählen und hatte den Blick in die Ferne gerichtet. Hermine sah ihn überrascht an. „Was für ein dämliches Geschenk für einen Fünfjährigen, wenn ich jetzt darüber nachdenke“, bemerkte er, und seine Mundwinkel zuckten langsam. „Wir haben gespielt. Ich… habe es ihm beigebracht, oder ich habe es versucht. Ein Fünfjähriger ist nicht gerade begabt für Schach.“ Hermine konnte ihm nur zuhören.

 

„Und als er starb“, sein Blick war wieder auf ihr Gesicht gefallen, und sie hielt unbewusst die Luft an, „ist Lucius ausgerastet, ist in sein Zimmer gegangen – in das Spielzimmer im zweiten Stock“, erläuterte er, und sie kannte es tatsächlich, denn dort war sie eingedrungen und hatte den Bären gestohlen, „und dann hat er alles vernichtet. Alles, was Scorpius gehört hatte. Er hatte es mit tausend Flüchen in winzige Fetzen geflucht. All seine Sachen“, murmelte Draco mit gerunzelter Stirn. „Und ich nehme an, die Elfe hat… hat noch eine Figur retten können. Von diesem Schachspiel“, ergänzte er mit einem Blick in ihre Augen.

 

„Du… du musst mir keine Fragen mehr beantworten“, entfuhr es ihr fast beschämt. „Du-“

 

„-ich weiß“, erwiderte er schlicht. „Aber stell dir vor, ich… vermisse deine Fragen, Granger“, ergänzte er, mit seltsam belegter Stimme. „Deine nervtötenden Fragen, deine nicht endenwollende Aufmerksamkeit – ich vermisse es.“ Sie konnte ihn nur ansehen.

„Ich… vermisse dich“, sagte er plötzlich, mit einem bestechenden Blick aus seinen eisgrauen Augen. „Jetzt, wo es vorbei ist“, schloss er knapp.

 

Und sie wusste, warum es alles so absurd war. Er hatte sie noch nicht beleidigt, hatte sich noch nicht aufgespielt, verhielt sich einmal nicht wie Draco Malfoy. Und er schien Angst zu haben. Angst, dass sie gehen würde, fiel ihr mit Schrecken auf. Er bewegte sich nicht von ihr weg.

 

„Verbring die Nacht mit mir“, riss er sie mit eindringlicher Stimme aus ihren Gedanken, und sie starrte ihn an.

 

„Was?“, entfuhr es ihr fast wieder hysterisch, aber er fixierte sie ernsthaft.

 

„Nicht als meine gezwungene Frau. Einfach nur… einfach nur so. Ich verspreche dir, ich werde dich nicht berühren“, versicherte er ihr mit aller Ernsthaftigkeit, und sie verzog den Mund. Er hatte sie vergewaltigt. Sie vertraute ihm nicht. Mit keiner Faser ihres Körpers.

 

„Malfoy-“, begann sie abwehrend, aber er unterbrach sie kopfschüttelnd.


„-ich unterschreibe auch vorher. Ich bitte dich nur, bleib eine Nacht. Als… Freund?“, schloss er fragend.

 

Sie waren keine Freunde. Das wollte sie ihm sagen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie waren gar nichts. Er hatte sie ein paar Mal gezwungen, mit ihr Sex zu haben! Nichts weiter!

 

„Nein“, flüsterte sie schließlich kopfschüttelnd. Die angehaltene Luft entwich seinen Lungen.

 

„Bitte“, bat er erneut, und es schockierte sie. Es schockierte sie mehr, als sie es in Worte fassen konnte.

 

„Malfoy, nein. Es… macht keinen Sinn. Ich will es nicht. Ich… will keine Zeit mehr mit dir verbringen“, sagte sie mit erstickter Stimme. Und langsam nickte er. Er wandte sich dann von ihr ab, griff nach seiner Tasche, die vor dem Schlafsaal lag, zog mehrere Blätter Pergament und eine Feder hervor und kam zurück.

 

Sie sah ihm zu, wie er stoisch unterschrieb, was sie bereits unterschrieben hatte. Er tat es! Einfach so! Er rollte dieses Pergament zusammen, und Hermine erkannte den Ehevertrag darunter. Den Vertrag, den sie an ihrem Hochzeitstag unterschrieben hatte.

Seine Unterschrift wurde blasser, immer blasser – und dann war sie gelöscht. Der Vertrag war wieder weiß. Und keine Sekunde später, zerfiel er unter seinen Fingern, zu feinem Staub.

 

„Du heißt wieder Granger“, informierte er sie plötzlich. Sie sah zu ihm auf. Und das war alles gewesen. Alles war rückgängig gemacht. Zumindest die Bürokratie.

 

„Du hast mich nie anders genannt“, erinnerte sie ihn, fast tonlos. Er nickte, als fiele es ihm erst jetzt wieder ein. Nie hatte er sie Malfoy genannt. Und dann reichte er ihr einen dritten Zettel. Er seufzte schwer, als sie ihn entgegennahm.

 

„Was ist das?“, wollte sie wissen. Alles war sehr schnell gegangen. Sie hatte sich darauf eingerichtet, mit ihm diskutieren und streiten zu müssen, aber sie hatte sich wohl getäuscht. Er hielt seine Versprechen mittlerweile. Es war seltsam.

 

„Dort ist Dumbledore“, entfuhr es ihm stiller. „Aber…“ Er mied ihren Blick und atmete langsam aus.

 

„Aber was?“, entkam es ihren Lippen fast ängstlich. Und dann sah er sie wieder an. Und mittlerweile konnte sie zumindest einordnen, wenn er keine guten Nachrichten für sie parat hatte.

 

„Aber es bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte er sanfter.

 

„Was… was soll das heißen?“, wollte sie hastig von ihm wissen, klammerte sich an die Notiz, die sie noch nicht geöffnet hatte.

 

„Du solltest nicht mehr allzu viel Zeit verlieren, wenn… du oder Potter ihn noch sehen wollt“, bemerkte er stiller. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. „Auf Wiedersehen… Granger“, verabschiedete er sich abrupt von ihr, ließ seinen Blick noch einmal über ihr Gesicht wandern, und fast kam ihr sein Abschied schmerzhaft plötzlich vor.

 

Dann hatte sich seine hohe Gestalt abgewandt, und er verließ den Schlafsaal, der keine Tür mehr hatte.

 

Hastig entfaltete sie die Notiz.

 

Und sein Lächeln, als er den Saal verließ, war ihr entgangen….

 

 

Kapitel 66

 

Harry starrte sie einfach nur an.

 

„Was genau meinst du damit, Cynthia hat dich entführt?“, wiederholte er vollkommen perplex. Aber Hermine hatte diese Geschichte nur sehr kurz zusammengefasst, während sie Harry die viel wichtigere Information unterbreitet hatte.

 

„Unwichtig, ok? Dafür haben wir immer noch Zeit, aber für Dumbledore nicht“, ermahnte sie ihn.

 

„Du willst das Schloss heute noch verlassen?“ Harry schien unsicher zu sein. Vor allem, weil sie diese Information von Malfoy bekommen hatte, aber Hermine hatte ihm versichert, Malfoy hätte heute bestimmt nicht gelogen! Denn sie glaubte ihm tatsächlich, wusste Merlin, wieso. Wahrscheinlich, weil er tatsächlich endlich unterschrieben hatte.

 

„Ja. Ich denke… Malfoy sagt die Wahrheit, wenn er meint, wir hätten nicht mehr viel Zeit“, wiederholte sie seine Worte.

 

„Nicht viel Zeit wofür?“, fragte Harry erneut, aber er hatte bereits seine Jacke übergezogen. Ron hatte zu viel Respekt, meinte er. Vor Dumbledores Krankheit. Hermine nahm an, Ron war Dumbledore ohnehin nie besonders nahe gewesen, aber Hermine wusste, Harry war es ein Anliegen. Sie nahm auch an, Ron hatte heute ein Date mit Pansy. Die beiden gab es nur noch als Paar. Und wusste Merlin, wohin sie immer verschwanden….

Hermine zwang sich, nicht mehr darüber nachzudenken.

 

„Kommst du?“, kürzte sie das Gespräch einfach ab, und Harry und sie hatten Ginny erneut versprechen müssen, ihr alles zu berichten. Hermine wollte das hier nicht an die große Glocke hängen.

 

Sie verließen das Schloss, als es bereits stockdunkel war. Sie hatten auf den Tarnumhang verzichtet, vertrauten einfach darauf, dass sie niemandem begegnen würden, vor allem, da die beiden Schulsprecher, die heute Aufsicht hatten, nicht patrouillierten, weil sie ein Date hatten.

 

Tatsächlich trafen sie nur auf Mrs Norris, die sich allerdings von Hermine kraulen ließ und schnurrend davon streunte. „Sie wird langsam alt“, wisperte Harry ihr zu, dem sie die Aufregung bereits anhören konnte, während sie die vielen Treppen und Flure des Schlosses überwanden, und endlich vor den Schlosstüren ankamen.

 

Sie vergewisserten sich noch einmal, dass niemand ihnen gefolgt war, und verließen das Schloss, schlüpften in die Dunkelheit und wurden von der kühlen Nacht verschluckt.

Hermine hatte fast ein nostalgisches Gefühl, während sie mit Harry durch die Dunkelheit schlich. Es warst wie früher. Regeln brechen, Nachtwanderungen und es ging um kein Beziehungsdrama. Wann waren sie eigentlich so erwachsen geworden, fragte sie sich unwillkürlich.

 

Die Luft kondensierte vor ihren Gesichtern, und sie erreichten die Tore.

 

Hermine sprach das Passwort, was ihr als Vertrauensschülerin bekannt war, und die Tore schwangen lautlos auf. McGonagall hatte sich scheinbar dieses Semester für die Reihe an magischen Basen entschieden. Diese Woche war es ‚Locorum Deserta‘.

 

„Ich schlage vor, wir apparieren direkt vor das Hotel“, schlug Harry vor, während er missmutig den langen Weg hinab ins Dorf begutachtete. Hermine wollte zuerst widersprechen, nahm aber an, dass sie sich noch auf dem verschneiten Hügel alle Knochen brechen würde, würde sie erst einmal ausgerutscht sein.

 

„Ok“, flüsterte sie, tauschte mit Harry noch einen Blick, und dann verschwanden sie, drehten sich um sich selbst, und das Gelände von Hogwarts lag wieder still und verlassen da.

 

Hermine kam eine Sekunde später an, und Harry hatte bereits den Kopf in den Nacken gelegt, während er misstrauisch an der teuer verputzten Fassade des kleinen Hotels emporblickte. „Hermine, warum sollte Dumbledore im teuersten Hotel von Hogsmeade sein?“, fragte er sie, und Hermine kam es selber abwegig vor.

 

„Ich weiß nicht, Harry, aber die Adresse steht auf dem Zettel. Cheshire Inn, Zimmer 7, Passwort Pfauenfeder“, wiederholte sie nachdenklich.

 

„Ok. Wenn das irgendein Trick sein soll, hauen wir ab!“, bemerkte Harry und zog endlich die Türen zum kleinen Hotel auf, was zwar nicht besonders riesig war, aber was wohl die teuersten Zimmer in Hogsmeade vermietete. Hermine wusste nicht, was das Geheimnis war. Wahrscheinlich die Kundschaft, nahm sie an.

 

Harry hatte den kurzen Weg durch die geschmackvolle kleine Halle beendet, um vor dem Tresen stehen zu bleiben, und die Dame um ihre Aufmerksamkeit zu bitten.


„Verzeihung, wir möchten ins Zimmer 7“, sagte er, aber er klang ein wenig ehrfürchtig. Vielleicht war Dumbledore tatsächlich hier. Aber was tat er hier? Wieso war er hier, wenn er krank war und nicht im Mungo? Das fragte sich Hermine ebenfalls, aber die Frau musterte sie.

 

„Haben Sie die Zugangsinformation?“, erkundigte sie sich eher unhöflich, und Harry zögerte, ehe er sprach.

 

„Pfauenfeder?“, wagte er zu fragen, und die Frau nickte, als plötzlich ein Geschäftslächeln auf ihren Zügen erschien, was vorher nicht vorhanden gewesen war, und ihre Freundlichkeit erwachte.

 

„Sehr wohl. Hier ist der Zweitschlüssel der Suite. Sie werden erwartet“, verkündete sie und vertiefte sich anschließend wieder in ihre Hexen-Hochglanzzeitschrift. Harry und Hermine tauschten kurz einen Blick, ehe sie den langen Marmorflur hinabschritten. Die Tapeten waren aus Seide, und auf wenig Platz wurde hier viel Prunk und Protz dargestellt, fand Hermine. Es passte überhaupt nicht zu Dumbledore. Es passte eher… zu den Reinblütern, die sie kannte.

 

Das Hotel besaß keinen zweiten Stock. Nur den langen Flur.

 

Sie kamen vor dem Zimmer an.

 

„Soll ich… soll ich aufschließen?“, fragte Harry sie unschlüssig, und Hermine nickte unbeholfen. Sie war froh, dass Harry mitgekommen war. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, hielt die Luft an, drehte ihn um, und schon sprang die Tür lautlos auf.

 

Die Suite vor ihnen war groß, luxuriös und wirkte unheimlich teuer. Leise lief atmosphärische Musik, und Hermine runzelte die Stirn. Das war kein Krankenlager, stellte sie skeptisch fest. Harry sah sich um.

 

„Was soll das sein?“, wandte er sich an sie. „Dumbledore ist nicht hier“, sagte er unzufrieden, nachdem er sich die Suite betrachtet hatte. Das Bett war unbenutzt. Nur eine Reisetasche stand auf der seidigen, dunklen Bettwäsche. Eine weitere Tür öffnete sich plötzlich. Hermines Mund öffnete sich perplex. Malfoy rubbelte sich die nassen Haare gerade mit einem Handtuch trocken. Scheinbar kam er aus… der Dusche? Heißer Dampf begleitete ihn. Er trug einen weißen Bademantel, und Harrys Mund klappte auf.

 

„Malfoy? Was soll die Scheiße?“, fuhr Harry ihn an, und Hermine nahm an, gleich würde er sich auf ihn stürzen. Sie konnte nicht fassen, dass er sie hintergangen hatte!

 

„Hallo, Potter. Schön dich zu sehen“, begrüßte er Harry mit einem schiefen Grinsen. Dann glitt sein Blick über sie, aber ihr fehlten die Worte. Er hatte sie angelogen.

 

„Was soll das? Wieso erzählst du eine solche Lüge, du Arschloch?“, rief Harry aufgebracht, wohl mehr als enttäuscht. „Ich habe bestimmt nicht das Schloss verlassen, um dich in deinem scheiß Bademantel zu sehen!“, knurrte er.

 

Malfoy lächelte noch immer. „Zu schade, ich hatte gehofft, wir würden uns näher kommen“, bemerkte Malfoy spöttisch, während er seelenruhig zum Bett wanderte und einen Umschlag aus seiner Tasche zog. „Aber… um ehrlich zu sein, hatte ich mit deiner Gesellschaft auch eher weniger gerechnet“, schloss er, und sein Blick ruhte auf ihr. Was für ein gerissener Bastard, dachte Hermine vollkommen überfordert. Seine Taktik beeindruckte sie marginal. Sie würde es aber vor ihm niemals zugeben.

 

„Was?“ Harrys Geduld war am Ende. Malfoy kam zu ihnen und hielt Harry den Umschlag entgegen.

 

„Entschuldige die Methode, Potter, aber ich wollte mit Granger noch ein, zwei Worte wechseln, ehe sich unsere Wege unweigerlich trennen.“ Hermines Mund klappte vor Entrüstung auf, als sie begriff. „Das hier ist die echte Adresse. Es ist nicht weit von hier. Du gehst, Granger bleibt. Das ist die Bedingung.“ Er wedelte locker mit dem Umschlag, und Harry schien abzuwägen.

 

Hermine starrte Harry an, denn er dachte ernsthaft darüber nach!

 

„Hermine?“, wandte sich Harry nun ein wenig ratlos an sie, und sie konnte nicht fassen, dass Malfoy sie ausgetrickst hatte. Er war so ein – „Sollen wir… gehen?“, schien Harry unschlüssig wissen, zu wollen, und Hermine wusste allerdings, Harry wollte Dumbledore sehen.

 

„Ist das wieder ein Trick? Noch eine Lüge?“, fragte sie kalt, und Malfoy schenkte ihr ein schmales Lächeln.

 

„Nein. Das war die letzte Lüge, versprochen, Granger“, erklärte er gleichmütig. „Also? Kommen wir ins Geschäft?“ Sie konnte nicht fassen, dass sie ihm seine ganze Nummer von vorhin abgekauft hatte! Er hatte… sie einfach nur… verarscht! Und er würde doch noch seinen Willen bekommen! Es war unfassbar.

 

„Ich bleibe. Eine Stunde“, erklärte sie mit strengem Blick.

 

„Ich hole dich wieder ab“, versprach Harry, aber Malfoy zog den Umschlag zurück. In einer bedauerlichen Geste schüttelte er den Kopf.

 

„Tut mir leid, Potter, aber… Granger geht mit mir zurück.“ Harry schien die Aussage dahinter schnell erfasst zu haben.

 

„Und wann wäre das, du Arschloch?“, wollte er zornig wissen, und Malfoy tat so, als müsse er scharf nachdenken.

 

„Hm… wenn wir fertig sind“, erklärte er nonchalant, und Harrys Mundwinkel sanken.

 

„Hermine?“, wandte sich Harry wieder an sie, und Hermine würde gehen, wenn sie es wollte.

 

„Malfoy, du kannst froh sein, dass wir überhaupt noch hier sind“, brachte sie gepresst hervor. „Ich tue das für Harry, und ich werde gehen, wenn ich es will, hast du das verstanden? Geht das in deinen verlogenen Slytherinschädel, oder muss ich es buchstabieren?“, wollte sie zornig von ihm wissen, und kurz zuckten seine Mundwinkel.

 

„Meine Auffassungsgabe ist hervorragend, Granger, vielen Dank“, erklärte er überheblich. „Viel Spaß, Potter“, bemerkte er und reichte Harry schließlich feierlich den Umschlag mit Wolfslächeln auf den Lippen.

 

Harry verzog den Mund. „Ok“, gab er schließlich nach, und seine Neugierde hatte gesiegt. Hermine hasste Malfoy, der Harry mit einem entsprechenden Blick bedachte, als würde er stören.

 

„Und Gute Nacht“, verabschiedete Malfoy Harry eindeutig, und dieser wechselte noch einen kurzen Blick mit ihr.


„Harry, es ist ok“, versicherte sie ihm. Das war es zwar nicht, aber sie war so wütend, sie würde Malfoy einfach umbringen, dann würde es ihr besser gehen, beschloss sie grimmig.

 

„Bis später“, verabschiedete er sich mit einem letzten hasserfüllten Blick auf Malfoy.

 

Dann fiel die Tür der Suite ins Schloss.

 

Und sie waren allein.

 

~*~

 

Sie starrte ihn böse an, die Arme vor der Brust verschränkt und weigerte sich, sich zu bewegen.

 

„Und? Schickst du ihn in die Walachei, oder-?“ Aber er unterbrach sie einfach, hatte sich abgewandt und warf das nasse Handtuch über eine Stuhllehne.

 

„-du bist früh. Ich hatte später mit dir gerechnet.“

 

„Malfoy!“, ermahnte sie streng, und er schenkte ihr einen Blick über die Schulter.

 

„Keine Sorge. Potter hat die richtige Adresse, Granger“, erwiderte er leichthin. Sie atmete zornig aus.

 

„Du hast… gelogen! Das war alles… nur Show?“, wollte sie jetzt immer noch empört von ihm wissen, und er griff sich frische Sachen aus seiner Tasche, ehe er sich wieder umwandte.

 

„Gelogen? Wann?“ Er stellte sich sogar noch dumm.

 

„Ich werde sofort dieses Zimmer verlassen, Malfoy. Wenn nicht bald ein Wörtchen Ehrlichkeit deinen Mund verlässt, werde ich dir deine Augen aus dem Gesicht fluchen und gehen!“, drohte sie, kurz davon zu explodieren. Er lenkte ein.

 

„Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Granger“, erwiderte er, freundlicher, aber sie hasste ihn dennoch.


„Nein? Die ganzen Geschichten die du mir erzählt hast? Deine Vergangenheit, die du mit mir geteilt hast? Tilly, das Schachspiel? Dass du mich… vermisst?“, entfuhr es ihr gepresst. „Dass du-“ Aber lächelte bereits wieder, und sie hasste ihn! Oh, wie sie ihn hasste!

 

„-ich war einfach charmant. Ein Kompliment hier oder da hat noch nie geschadet“, bemerkte er.

 

„Du bist unfassbar!“, knurrte sie ungehalten. „Ich wurde entführt, und du hast nichts Besseres zu tun, als deinen Willen-“

 

„-hey!“, unterbrach er sie ernster. „Ich war da, oder nicht?“ Seine glatte Art war von ihm abgefallen, und sie war fast froh, sein dämliches, falsches Grinsen nicht mehr sehen zu müssen. „Ich würde sagen, ich habe deinen Hintern verdammt noch mal gerettet!“

 

„Kunststück. Du wusstest ja auch, dass es passieren würde, du-“

 

Er hatte den Abstand zornig geschlossen.

 

„-halt den Mund“, warnte er sie ruhiger. „Ich habe dir schon gesagt, dass es nicht stimmt, also hör auf!“ Sie biss die Zähne zornig zusammen. Seine Nähe war ihr plötzlich unangenehm. Sehr unangenehm.

 

„Und wieso sollte ich dir glauben?“, fragte sie ihn gepresst. Er hob die Augenbraue tatsächlich provokativ in die Höhe.

 

„Ich habe unterschrieben, oder nicht?“

 

Sie sahen sich an. Sie wollte am liebsten schreien, so sauer war sie, dass er sie tatsächlich ausgetrickst hatte! Gott! Sie hasste ihn! Und er sollte nicht so nahe kommen!

 

„Ich werde mich jetzt anziehen“, informierte er sie gefährlich ruhig. Sie verzog nur den Mund.


„Ja? Wieso? Damit du mich gleich zwingen kannst, deine Klamotten auszuziehen? Macht es dir so mehr Spaß?“ Sie war so wütend, aber seine gute Laune war ebenfalls verflogen.


„So nötig wie du denkst, habe ich es nicht. Du schmeichelst dir selber. Außerdem habe ich kein Interesse daran, dass du mir meine Kleidung ausziehst, es sei denn, du bettelst darum, es zu tun“, informierte er sie glatt. Sie schnappte empört nach Luft.

 

„Oh ja! Sicher! Da träumst du von!“, gab sie angewidert zurück, und er bedachte sie mit einem letzte Blick. Ihr Herz raste mittlerweile. Vor Zorn, nahm sie an.

 

„Warte hier“, befahl er lediglich, und sie sah ihn mit großen Augen nach.

 

„Nenn mir einen guten Grund, Malfoy“, forderte sie belustigt, denn sobald er gegangen war, wäre sie auch verschwunden. Harry hatte die Adresse und sie würde nicht Gefahr laufen, hier auch nur eine Sekunde länger als nötig zu bleiben!

Seine Züge entspannten sich plötzlich.

 

„Weil ich dich darum bitte“, sagte er schlicht. Log er wieder? Ihr Mund öffnete sich knapp. „Bitte“, sagte er tatsächlich und schenkte ihr noch einen tiefen Blick aus seinen verdammten Augen, und dann wandte er sich ab. Ihre Hände zitterten sogar vor Wut.

 

Die Tür zum Badezimmer schloss sich hinter ihm, und unschlüssig stand sie in der Suite, wusste nicht, was er wollte, was sie hier sollte, und sie war nicht sicher, warum er all das tat?

 

Er schien tatsächlich nichts vorbereitet zu haben. Kein Champagner, keine Rosen. Gar nichts. Was hatte sie gedacht? Dass auch jemals nur ein wahres Wort seine Lippen verließ? Hatte sie angenommen, er hatte sie wirklich vermisst? Gott, wieso war sie so erbärmlich manchmal? Wieso brauchte jemand nur irgendetwas unerwartet Nettes zu äußern, und sie fiel darauf herein?

 

Weil sie dumm war.

 

Deshalb.

 

Sie wandte sich seufzend um. Sie ging langsam zur Tür. Sie hatte hier nichts mehr verloren. Sie war nicht mehr Hermine Malfoy, und sie war frei, das zu tun, was sie tun wollte.

Sie legte die Hand auf die goldene Klinke, hörte ihn immer noch hinter sich im Bad, und sie atmete langsam aus.

 

Das war es also.

 

Das Ende.

 

Sie drückte die Klinke runter, die Tür schwang auf und sie stand auf dem Flur.

Langsam schloss die Tür, hatte lautlos das Zimmer verlassen, und fragte sich sehr kurz, was er tun würde.

 

Sie schritt zur gegenüberliegenden Wand und lehnte sich abwartend dagegen.

Ihr Herz klopfte schneller. Sie konnte ihn nicht wirklich einschätzen. Sie wusste nicht, ob ihm nicht eigentlich egal war, dass sie ging. Und sie wusste nicht, warum sie blieb, warum sie es auf die Probe stellte, und ob sie nicht selber schuld war.

 

Eine Minute später hörte sie ihn wieder im Zimmer. Sie verschränkte schützend die Arme vor der Brust, beobachtete die Tür vor sich, hörte ihn mit schnellen Schritten durch das Zimmer laufen, und dann öffnete sich mit einem Ruck die Tür. Er hatte seinen Mantel über seinen Arm gelegt, wirkte gehetzt, und Überraschung trat auf seine Züge, als er sie erkannte.

 

„Läufst du mir nach, Malfoy?“, fragte sie ihn direkt, und sein Kiefermuskel arbeitet ertappt.

Sie hatte das Gefühl, gerade einige seiner Fäden in der Hand zu halten, denn tatsächlich wirkte er etwas überfordert. „Warum solltest du das tun?“, fragte sie mutig, obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlug. Warum war sie so unfassbar nervös? Sie kannte dieses Gefühl nicht und konnte es nicht zuordnen.

 

Er kam näher, schloss den Abstand, und sie musste bereits den Kopf heben, um ihn anzusehen. Er wirkte gerade nichts als ehrlich, als er fast erleichtert aufatmete. Und dann zog er sie in seine Arme.

 

Oh Gott!

 

Steif hing sie in seiner Umarmung, wusste nicht, wohin mit ihren Armen, und er hielt sie fest. Sein Hemd roch frisch, er duftete nach Duschgel und nach sich selbst, und seine Nähe und seine Wärme waren so überraschend. Und doch sehr vertraut.

 

„Bitte, geh nicht“, murmelte er gegen ihren Haaransatz, und sie musste überfordert schlucken. Seine Arme hielten sie so fest, als wollten sie sie nicht mehr loslassen.

 

„Malfoy!“, sagte sie gepresst, denn langsam bekam sie keine Luft mehr. Er merkte es und wich sofort zurück. Nicht weit. Er war noch nah genug, um sie womöglich aufzuhalten, wenn sie doch noch rennen wollte. Mit große Augen sah sie ihn an.

Seine blonden Haare waren noch immer etwas feucht. Er trug ein hellblaues Hemd, eine verwaschene Jeans, und ihr gefiel nicht, wohin diese ganze Sache zielte.

 

Er sah gut aus, aber das wusste sie längst. Ihr gefiel nicht, wie schnell ihr Herz schlug, und dass er sie immer wieder überraschte.

 

„Kommst du mit?“, bat er sie rau, und sie biss auf ihre Unterlippe, wusste nicht genau, was sie sagen sollte. Er war zu nahe und sie konnte nicht mehr richtig denken. Sie glaubte, dass sie sich eigentlich ständig selbst sabotierte. Er war ein spannendes Experiment, was sie niemals würde einschätzen können. Wann war der nächste Moment gekommen, an dem er ausrasten würde? An dem er schreien würde? Sie vergewaltigen würde? Sie anlügen würde?

 

Er spürte ihr Zögern, und er ergriff tatsächlich ihre Hand.

 

„Bitte, bleib“, wiederholte er mit warmer Stimme. Wie winzige Stromschläge wirkten seine Berührungen, stellte sie schluckend fest.

 

„Ich… ich werde nicht mit dir schlafen“, sagte sie leise, und scheinbar hatte sich ihr Körper entschieden, zu bleiben, stellte sie fasziniert fest. Sein Blick wurde dunkler.

 

„Das musst auch nicht“, erwiderte er, und sie erkannte ihn nicht wieder. Überhaupt nicht! Log er?

 

„Und…“, setzte sie erneut an, denn sie wollte die Fronten geklärt haben, „du läufst mir nach. Nicht umgekehrt, Malfoy“, schloss sie, und sah ihn direkt an. Kurz schien er zu überlegen, schien gegen sein besseres Wissen zu kämpfen, gegen seine ewige Überheblichkeit.

 

„Ja“, antwortete er schließlich knapp.

 

Wow. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

 

Sie wusste nicht, was sie in den letzten Monaten erwartet hatte. Aber solche Geständnisse von ihm ganz bestimmt nicht. Und dann ließ sie sich von ihm zurück in die warme Suite ziehen. Er legte seinen Mantel achtlos über den schmalen Garderobentisch und half ihr, ihren Mantel auszuziehen.

 

„Ich habe noch Sachen von dir“, entfuhr es ihm schließlich und er ging zurück zum Bett, wo seine Tasche stand. Er zog das iPad aus den Tiefen hervor. Sie blinzelte überrascht. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Ihr Körper reagierte lediglich auf seine Bewegungen.

 

„Oh. Ich dachte schon, Narzissa hätte es zerstört“, bemerkte sie lächelnd, als sie es entgegennahm. Sie erkannte seine Fingerabdrücke überall auf dem Glas. Sie seufzte schließlich und gab es ihm zurück. „Du kannst es behalten. Dann… hast du eine Erinnerung an mich“, sagte sie leichthin, aber noch immer jagte ihr Herz. Er hob den Blick zu ihrem Gesicht. Hitze stieg in ihr empor. „Falls… falls du überhaupt eine Erinnerung willst“, räumte sie hastig ein. „Ich meine-“

 

„-nein. Es ist ziemlich teuer. Es ist deins.“

 

Ihre Augen weiteten sich perplex. „Teuer? Weiß du, was das ist? Teuer?“, wollte sie fast mit einem Lachen von ihm wissen. Sie hatte noch nie gehört, dass er den Unterschied zwischen viel und wenig Geld kannte.

 

„Ich bin nicht dumm“, erwiderte er, vielleicht eine Spur beleidigt. Sie musste lächeln.

 

„Nein, aber du hast auch eigentlich kein Gespür für Empathie bezüglich deiner Mitmenschen, also wundert mich eine solch reflektierte Aussage. Vor allem in Bezug auf ein Muggel-Spielgerät“, merkte sie schnippisch an, und er verzog den Mund, als hätte sie ihn beleidigt. Sie legte das iPad schließlich auf das Bett zurück. Sie würde noch entscheiden, ob sie es zurück wollte oder nicht. Gerade konnte sie sich darüber keine Gedanken machen.

 

„Ich habe einen Scheck für dich“, wechselte er sehr schnell das Thema und zog den nächsten Umschlag aus seiner Tasche. Sie starrte ihn an.

 

„Für was?“, wollte sie misstrauisch wissen.

 

Er schenkte ihr einen traurigen Blick. „Für den Termin morgen. Eine Entfernung kostet einiges an Gold, und da du nicht mehr meine Frau bist, musst du dafür aufkommen. Aber… der Betrag sollte… mehr als ausreichen“, ergänzte er, schien sich unwohl zu fühlen und wartete, dass sie den Scheck annahm.

 

Sie war sogar dankbar, denn darüber hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Peinlich berührt nahm sie den Umschlag entgegen.

 

„Äh… danke?“, sagte sie also, und er schien erfreut, dass sie sein Gold angenommen hatte.

 

„Bedank dich nicht dafür“, sagte er nur.

 

„Und… was passiert jetzt?“, fragte sie ihn, und kurz sah er sie verstört an.

 

„Jetzt gleich?“, wollte er verwirrt wissen, aber sie schüttelte den Kopf, fühlte sich unwohl, einfach nur vor ihm zu stehen, und ging hinüber zu der kleinen Sitzgruppe und setzte sich auf den Ledersessel, der vor dem brennenden Kamin stand. Die Musik war leiser geworden, hatte sie das Gefühl. Und vielleicht rauschte das Blut in ihren Ohren nur lauter? Sie wünschte, Harry wäre noch hier. Dann würde sie bestimmt nicht so übertrieben hormonell ausrasten, nahm sie düster an.

 

„Nein, ich meine… überhaupt. In Zukunft?“, half sie ihm nach, und er tat es ihr gleich, setzte sich ihr gegenüber auf den Sessel.

 

„In Zukunft?“, wiederholte er nachdenklich, den Blick nicht mehr auf sie gerichtet, und sie stellte fest, er war gut anzusehen. Sie konnte ihren Blick kaum abwenden von seinem schönen Gesicht. Er war wirklich attraktiv. Es war ihr nie so aufgefallen, wenn er schrie oder sie beleidigt hatte. Hatte sie wirklich mit diesem Mann ihr erstes Mal erlebt? Es lag für sie alles so weit entfernt, dabei waren keine drei Wochen seitdem vergangen! Er hob den Blick, und ertappt blickte sie zur Seite. Wieder schlug ihr Herz so laut, dass sie sich fragte, ob er es hören konnte, ob er ihre verdammte Körpersprache lesen konnte. Sie war ein Wrack.

„Keine Ahnung“, sagte er. „Meine Eltern werden versuchen, Astoria schmackhaft zu reden, und…“ Er unterbrach sich und sah sie an. „Wieso hast du das getan?“, wollte er plötzlich ernster von ihr wissen. Sie sah ihn wieder an.

 

„Was?“, erwiderte sie ehrlich verwirrt.

 

„Wieso hast du sie gedeckt? Wieso hast du sie nicht auffliegen lassen? Snape verteilt gerne und großzügig Strafen. Doch wohl nicht, weil du glaubst, ich würde sie heiraten wollen?“, entfuhr es ihm aufrichtig. Sie war seine ganze Ehrlichkeit nicht gewöhnt, und sie war froh, dass er einen Meter entfernt saß und sie nicht immer noch umarmte oder so etwas Seltsames!

 

Sie atmete überfordert aus. Gott, sie sollte einfach gehen! Ihr Körper würde sich nie beruhigen! Nicht, wenn er im selben Raum war.

 

„Sie… tat mir leid“, räumte sie also achselzuckend ein, ohne ihn anzusehen.


„Dieses Mädchen hat dich entführt!“, knurrte er böse. Hermine ruckte mit dem Kopf.

 

„Ja, aber…“ Hermine wusste nicht wirklich, warum sie es getan hatte. Sie dachte nach. „Weißt du, sie… kann nicht anders. Ich glaube, es tut ihr wirklich leid, und sie tut es alles tatsächlich nur, weil sie dich liebt“, schloss sie kleinlaut.

 

Er sah sie verständnislos an. „Dein Mitleid ist grenzenlos pervers“, schloss er kopfschüttelnd. Sie musste lächeln.

 

„Ja, ich weiß. Deswegen sitze ich auch hier“, entgegnete sie spöttisch. Kurz schoss ein verletzter Ausdruck über sein Gesicht. Fast berührte es sie. Aber nur fast, sagte sie sich.


„Du bist hier, weil du Mitleid hast?“, vergewisserte er sich ungläubig und eine Spur beleidigt. Aber sie schüttelte schließlich den Kopf.

 

„Nein. Ich habe kein Mitleid mit dir. Ich…“ Sie dachte kurz nach. „Keine Ahnung, warum ich hier bin. Ich wollte gehen“, beteuerte sie ehrlich und versuchte, zu begreifen, warum sie es nicht getan hatte. Vielleicht sollte sie ihren Körper danach fragen?

 

„Wenn du wirklich gehen willst, ich würde dich nicht zwingen, zu bleiben“, sagte er schließlich, und sein ehrlicher Blick brachte sie noch um.

 

„Weißt du“, sagte sie und bewegte sich peinlich berührt auf dem Sessel, „ich kann dich viel besser einschätzen, wenn du ein Arschloch bist“, erwiderte sie, und tatsächlich musste er grinsen. Grübchen gruben sich in seine Wangen, und es war unfassbar, wie gut er aussah! Merlin!

 

„Jaah“, sagte er nur nickend. „Ich… wollte mich für all die Dinge entschuldigen, die… ich getan habe, und… die meine Eltern getan haben, und… die alle anderen dir angetan haben“, entfuhr es ihm ernster. „Und…ich habe mich noch nie für etwas entschuldigt, und ich kann es nicht wirklich gut“, gab er ehrlich zu, und sie starrte ihn wieder einmal an. „Aber… es tut mir wirklich leid. Ich…“

 

„Schon gut“, kürzte sie sein Geständnis schnell ab. Es war ihr peinlich, dass er so sprach. Sie würde noch ohnmächtig werden.

 

„Schon gut?“, wiederholte er ungläubig.

 

„Ich weiß, dass es dir leidtut“, erwiderte sie nur. „Du bist kein schlechter Mensch, Malfoy“, erklärte sie ihm, obwohl sie sich nicht sicher war, seit wann sie so dachte. „Ich wollte dir helfen. Ich wollte dich bestimmt nicht… läutern“, sagte sie, denn ein besseres Wort fiel ihr nicht ein. „Aber… ich verstehe schon. Gold ist quasi eure Religion, und dagegen kann ich absolut gar nichts ausrichten“, schloss sie achselzuckend.

 

„Doch, kannst du“, entgegnete er stiller. Sie hob überrascht den Blick.

 

„Nein, kann ich nicht“, widersprach sie.

 

„Doch! Ich weiß wie schrecklich das Gold ist, was uns alle zwingt, furchtbare Arschlöcher zu sein!“, rechtfertigte er sich aufgebracht. „Und… ich will selber nichts damit zu tun haben!“, fuhr er fort, aber sie sah ihn nachsichtig an.

 

„Und dieses Zimmer? Wie bezahlt sich dieses Zimmer?“ Er verdrehte die Augen.

 

„Ich bin sicher, ich hätte dich auch in Filchs Besenkammer locken können, aber das ist hier um einiges angenehmer“, bemerkte er, vielleicht etwas kleinlauter.

 

„Was ich meine, ist, es geht nicht ohne.“

 

„Wieso sagst du das?“, wollte er fast beleidigt wissen.

 

„Weil… weil es nicht-“

 

„-wenn du willst, gebe ich es auf“, erklärte er kurzerhand, hob ergeben die Hände, und sie schüttelte langsam den Kopf. Was redete er denn da?!

 

„Wieso sollte ich es wollen?“, erwiderte sie verständnislos. „Was bringt es dir?“ Und er sah sie wieder einmal so gnadenlos ehrlich an, dass sie versinken wollte. In die Tiefen des Ledersessels, ganz bestimmt nicht in seinen scheiß grauen Augen! Ihre Handflächen waren bereits feucht geworden, unter all seiner unpassenden Aufrichtigkeit.


„Keine Ahnung, vielleicht deine Aufmerksamkeit?“, schlug er ihr eindeutig vor, und sie musste die Augen kurz schließen.


„Malfoy, das macht keinen Sinn“ brachte sie erschöpft und verwirrt hervor. „Ich zwinge dich, mich zu heiraten, du tust nichts anderes, als mich loszuwerden, und dann… wenn alles wieder normal ist, willst du…?“ Sie sah ihn wieder ratlos an.

 

„Nichts ist wieder normal, Granger!“, fuhr er sie an, so dass sie zusammen zuckte. „Ich bin nicht normal! Ich fühle mich nicht normal! Ich fühle mich nicht mehr normal, seitdem du da bist!“, rief er aus. „Dass wir nicht mehr verheiratet sind, ändert für mich nichts.“

 

„Malfoy, ich.. ich werde morgen das Kind entfernen lassen!“ Sie würde noch Bauchschmerzen bekommen.

 

„Was hat das damit zu tun?“, entfuhr es ihm ungehalten. „Ich bitte dich nicht um deine Hand, Granger, ich…-“ Er hob den Blick. Sie hielt die Luft an. „Ich… bitte dich nur um eine Chance.“

 

Sie starrte ihn an. „Eine Chance?“, wiederholte sie tonlos, während sie tatsächlich Bauchschmerzen bekam. „Malfoy, wir waren verheiratet, bis vorhin. Und ich bin schwanger mit deinem Kind“, erinnerte sie ihn an ihr persönliches Fiasko.

 

„Ich weiß das!“, schnappte er.

 

„Wirklich?“, vergewisserte sie sich ungläubig. „Denn mir kommt es so vor, als würdest du mir vorschlagen, dass ich das Kind loswerde, und wir dann… keine Ahnung! Dass wir… zusammen sind?“, sprach sie Worte äußerst vorsichtig aus, und er atmete aus, fuhr sich durch die mittlerweile trockenen Haare, und sah sie wieder an.

 

Oh Gott. Und er widersprach nicht mal! Ok. Sie würde ohnmächtig werden. Gleich irgendwann, ganz bestimmt!

 

„Du… könntest es dir nicht einmal im Ansatz vorstellen?“, fragte er schließlich, und sie glaubte nicht, dass ihr schon jemals so heiß gewesen war.

 

„Was?“, piepste sie, denn er musste Witze machen! Ihre sichere Stimme hatte sie verlassen.

 

„Du, ich. Wir“, machte er es deutlicher. Sie atmete gepresst aus.

 

„Wie könnte ich das?“, flüsterte sie ungläubig und starrte in sein offenes Gesicht. „Nach allem… nach allem, was passiert ist?“ Sie konnte nicht fassen, dass er das sagte. „Wenn du das willst, wieso lässt du dich dann scheiden?“, entfuhr es ihr entgeistert, fast hysterisch. Er hob den Blick.

 

„Was?“ Er sah sie an. „Das wolltest du doch!“ Aber er schien zu begreifen, was er gesagt hatte. „Ich meine, es…- das mussten wir tun. Ich will nicht mit meinen Eltern über einen bescheuerten Vertrag streiten!“

 

„Und das Kind?“, flüsterte sie jetzt, und konnte ihn nur anstarren. Und er hob die Arme hilflos in die Luft.

 

„Willst du es behalten?“

 

Willst du es behalten?! Fragte er sie das ernsthaft?! Oh Gott! Was?!

 

„Nein?“, erwiderte sie, mehr als offensichtlich. Sie erhob sich abrupt, denn dieses Gespräch war ihr viel zu real. Er tat es ihr gleich und kam auf sie zu.

Bumm-bumm-bumm-bumm – ihr Herz raste in ihrer Brust.

 

„Geh nicht, ok?“ Er fuhr sich verwirrt durch die Haare. „Granger, es sind einfach nur Gefühle“, rief er aus. Sie starrte ihn an und wich vor ihm zurück, denn er kam zornig näher. „Wenn du einfach schon längst mit mir geschlafen hättest, dann wäre diese Scheiße vorbei, und ich müsste mich nicht mit diesem Berg an neuen scheiß Gefühlen auseinandersetzen!“ Jetzt war er auch noch sauer auf sie! Und was?!

 

„Bist du wahnsinnig?“, fragte sie sie ihn ernsthaft, mit zitternder Stimme, und er schüttelte den Kopf.

 

„Nein, ich denke, wenn ich ein letztes Mal – wenn wir ein letztes Mal…“

 

„Vergiss es!“, sagte sie schon mal vorsintflutlich, falls er sich gleich auf sie stürzen würde. Sie hatte einen mächtigen Kloß im Hals und wusste, sie war ihm nicht gewachsen. Kein Stück. „Was soll das überhaupt heißen? Du hast Gefühle? Für mich?!“ Es war absolut unfassbar, was er sagte.

 

„Ja“, erwiderte er.

 

Oh Gott.

 

„Dann… dann komm drüber weg!“, stotterte sie hilflos, als er wieder einmal so nah vor ihr stand, dass sie weinen wollte.


„Glaub mir, ich gebe mein Bestes“, fuhr er sie zerknirscht an.


„Dein Bestes?“, rief sie hysterisch aus. „Malfoy, du hast mir gerade vorgeschlagen, das Kind zu behalten!“

 

„Granger-“

 

„-ich kann nicht hier bleiben“, informierte sie ihn ängstlich, sah ihn schon nicht mehr an. „Ich… ich kann nicht bei dir sein! Immer wenn ich bei dir bin, tut alles weh! Du machst alles immer nur schlimmer! Und anstatt, dass du dich einmal richtig verhältst, kommst du jetzt mit diesem Scheiß um die Ecke!“ Sie musste sich selber retten! Alles schrie danach, dass sie auf das nächste Chaos zusteuern würden!

 

„Richtig verhalten?“, wiederholte er hilflos, und sie nickte heftig.

 

„Ja! Hast du irgendwann heute noch vor, mich Schlammblut zu nennen? Hast du noch vor, mich zu irgendetwas zu zwingen? Was soll das alles? Sei verdammt noch mal nicht nett zu mir, Malfoy! Du warst noch niemals nett zu mir, ok?“ Sie atmete heftig. Alles platzte aus ihr heraus. Alle Angst, alles, was falsch war!

 

Und er machte es alles nur noch schlimmer. Er sah sie schuldbewusst an. „Es tut mir leid“, sagte er aufrichtig. Sie spürte die Tränen bereits. Nein! Er sollte so nicht reden!


„Ich hasse dich!“, fuhr sie ihn zornig an.

 

„Ok“, sagte er nur, und sie stieß ihm grob die Hände vor die Brust, so dass er zurück taumelte.

 

„Hör auf damit!“, zischte sie, denn sie begriff, er log nicht mehr. Er spielte nicht mehr. Die Spiele hatten irgendwann in den letzten Minuten aufgehört. Und sie konnte nicht! Sie konnte damit nicht umgehen! Sie weinte mittlerweile. Sie brauchte, dass er ein Arschloch war. Ansonsten… ansonsten würde sie gar nicht mehr wissen, was richtig oder falsch war.

 

Und er kam näher. Angst erfasste sie. Ihr dummer, dummer Körper verriet sie nur! Ihr Körper wandte sich ständig gegen sie, dachte sie unglücklich.

 

„Granger“, sagte er ruhiger, aber sie schüttelte den Kopf.

 

„Rühr mich bloß nicht an! Du hast kein Recht, nett zu sein! Du hast kein Recht, zu behaupten, du hättest irgendwelche Gefühle!“ Und sie sah, ihre Worte schmerzten ihn.

Merlin, seit wann war alles so kompliziert? Seit wann war sie so verkorkst?!

 

Sein Blick war stechend grau, ein Sturm tobte in seinen Augen, und ihr Magen schlug Saltos, als sich seine Hand um ihren Nacken schlang, obwohl sie ihm verboten hatte, sie anzurühren. Ihr Atem ging unglaublich schnell, und dann krachte sein Mund auf ihren.

 

Die Zeit stand für eine endlose Sekunde still. Die Gänsehaut ging durch ihren ganzen Körper, ihre Wirbelsäule hinab, bis in ihre Zehen. Sein Arm schlang sich um ihre Taille, er zog sie an sich, und sie hasste ihn. So, so sehr! Sie weinte stumm, während sich ihr Mund unter dem Kuss öffnete, seine Zunge hart in ihren Mund drang, und sie sich nur an ihn klammern konnte.

 

Gott, wie sie ihn hasste!

 

Sie war so wütend, griff in seine Haare, zog ihn brutal näher, und er stöhnte ungehalten, während seine Hand ihren Kopf fixierte, nur um diesen verzehrenden Kuss zu vertiefen.

 

Nein…- sie wollte nicht ihn, sagte sie sich verzweifelt! Wenn, dann wollte sie Ron, oder… sie…

 

Tausend Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch, und immer noch erwiderte sie seinen Kuss, so stürmisch wie er es tat. Es tat so unglaublich gut, ihn zu küssen, ihm ihre Wut durch diesen Kuss zu zeigen, und fast wünschte sie sich, er würde gleich einsehen, dass er sich geirrt hatte. Dass er doch keine Gefühle für sie hatte, denn dann würde es für sie umso leichter sein, sich genau dasselbe einzureden, dachte sie verzweifelt, während er sein Becken gegen ihren Unterleib presste, und sie seine Erektion spürte.

 

Seine Zunge zog sich zurück, er küsste sie noch ein weiteres Mal auf die geschwollenen Lippen, und zitternd entfernte er den Kopf einige Zentimeter von ihrem Gesicht. Seine eisgrauen Augen schimmerten silbern als er auf sie hinab blickte, während er sie immer noch in seinem Arm hielt.

 

Sie sah schwer atmend zu ihm auf, die Augen so weit offen, und sie wusste gar nichts mehr.

Ihr Körper kribbelte so angenehm, als wäre Malfoy das richtige Ventil. Als wäre er das, was sie brauchte. Und sie hatte sich leider längst in seinem Blick verloren.

Es tat ihr fast leid um ihren armen Verstand, der alles besser wusste, aber auf den sie wahrscheinlich letztendlich niemals hören würde.

 

 

Kapitel 67

 

Ihre dunklen Augen sahen ihn überfordert an. Tränen glänzten noch immer auf ihren weichen Wangen. Sein Daumen fuhr über ihr Gesicht.

Er hatte ihre Anspannung gespürt, hatte gewusst, dass es unmöglich sein würde, sie mit Worten zu überzeugen. Er hatte ihr zeigen müssen, was er wollte, was er fühlte, und er wusste, als er vor ihr gestanden hatte, als sie ihn von sich gestoßen hatte, dass er nicht mehr konnte.

 

Er konnte sich nicht weiter vormachen, dass es vorrübergehen würde.

Er steckte mitten drin. Er war dabei, sich so sehr in sie zu verlieben, dass es nur ein schlechtes Ende nehmen konnte.

 

Merlin, er liebte sie. Und er sagte nur das Falsche! Am besten sprach er überhaupt nicht mehr, küsste sie nur noch, aber er wusste nicht mal mit Sicherheit, ob sie das wollte, oder ob sie Angst hatte und ihn lediglich gewähren ließ.

 

Er wusste es nicht! Und er hasste das.

 

„Wir… wir sollten reden“, schlug er vor, während er sich mit aller Macht darauf konzentrierte, das Blut aus den unteren Regionen wieder in seinen Kopf zu bekommen. Sie wirkte so verloren.

 

„Reden“, bestätigte sie tonlos, nickte dann, mit aufgerissenen Augen und schien sich unendlich zu schämen. Er machte einen Schritt zurück, brachte Abstand zwischen sich und sie und fuhr sich angespannt durch die Haare.

 

„Ok“, sagte er mit mehr Nachdruck und wusste, es gab dringende Probleme. Probleme, die sie lösen mussten. Merlin, er wollte sie einfach nur wieder an sich ziehen! Eine kinnlange lockige Strähne hatte sich aus ihrem Zopf gelöst und am liebsten hätte er sie hinter ihr Ohr gesteckt. Am liebsten wollte er ihr sagen, dass… dass… - alles. Er wollte all die Dinge tun, die verliebte Idioten eben taten! Er wollte das Fenster öffnen und es ganz Hogsmeade wissen lassen! Er war verliebt. Wirklich, ernsthaft verliebt. In jede ihrer Sommersprossen!

 

„Sag was!“, rang er sich hilflos ab, denn sie starrte ihn einfach nur noch an. Dann blinzelte sie verblüfft, schien nachzudenken, steckte sich die Strähne selber hinter ihr Ohr, und ihre Zunge fuhr unbewusst über ihre geschwollenen Lippen, um diese zu befeuchten.

 

Merlin. Er machte noch einen Schritt zurück.

 

„Wir… wir können das nicht machen!“, sagte sie plötzlich, die Stimme heiser und unsicher. „Wir…- ich bin schwanger und muss es entfernen. Ich kann dich nicht einfach küssen! Du kannst nicht einfach…!“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Er nickte eilig.

 

„Ja“, bestätigte er, ohne es wirklich so zu meinen. Sie konnte ihn von ihm aus den ganzen Tag lang küssen. Hatte er überhaupt kein Problem mit! Aber er konnte gerade nicht anders, als egoistisch zu sein. Zumindest teilweise. Er würde ihren Zustand ein wenig ausnutzen. Aber er nahm an, es würde ihr nicht besonders zuwider sein.

„Dann… lass es uns versuchen“, rang er sich rau die nächsten Worte ab. Sie starrte ihn an. „Nur noch eine Nacht. Und… dann ist es vorbei“, versprach er, eher halbherzig. „Bleib hier, eine Nacht.“

 

„Nein!“, rief sie ängstlich aus. „Ich werde nicht mit dir schlafen! Du kannst nicht-“

 

„-das meine ich nicht. Lass uns einfach… nur eine Nacht hier sein. Reden, nicht reden – egal. Lass uns… befreundet sein für eine Nacht!“, sprach er einfach weiter, reihte Worte aneinander, Lügen, damit sie nur nicht ging. Denn er erahnte es ihn ihrem wunden Blick. Sie wusste mit all dem nichts anzufangen. Sie vertraute ihm nicht. Sie vertraute ihm nicht genug dafür, dass er ein solches Geständnis machen konnte. Ihr zu sagen, dass er sie liebte war… selbst für ihn zu viel Realität.

 

Er wollte erst mal nur nicht, dass sie ging.


„Malfoy-“, begann sie verzweifelt.

 

„-bitte, bleib“, bat er jetzt, am Ende seiner Würde. Sie sah ihn unter Tränen an. Er sah, dass ihre Augen glänzten. Merlin, es war alles so neu und so unglaublich kompliziert.

 

„Und… was willst du tun?“, flüsterte sie praktisch. Hastig zuckte er die Achseln, um sie nicht zu verschrecken.

 

„Was du willst!“, sagte er sofort. Merlin, er war sowas von erbärmlich. Er hatte geplant, unendlich cool zu sein, sie zappeln zu lassen, und jetzt? Jetzt war es umgekehrt.

Verrückt. Er war der Prinz der Verführung gewesen, und jetzt war er Draco Malfoy – offizielles Weichei von Slytherin.

 

„Kein Sex!“, warnte sie ihn, auch wenn ihre Körpersprache etwas ganz anderes vermittelte. Aber er nickte. Hauptsache, sie blieb bei ihm. Er hatte dieses Zimmer bestimmt nicht für sich gemietet. Und er wusste, sie würde nicht reden. Sie würde vor der Wand stehen bleiben und Angst vor ihm haben.

 

Und er wusste, das Zimmer war jetzt gerade zu klein. Er fühlte sich eingeengt, und wollte sich schon wieder ihrem Körper nähern, ihr Gesicht in seine Hände nehmen, und dann fiel ihm etwas ein. Die Tatsache, weshalb sie überhaupt hergekommen war.

 

„Willst du… willst du zu Dumbledore?“, fragte er unvermittelt, und sie sah ihn überrascht an.

 

„Was… was meinst du damit?“

 

Was er damit meinte, war, dass er dieses Zimmer verlassen wollte, frische Luft brauchte, um seine Erektion loszuwerden, und dass Dumbledore ein gutes Alibi abgeben würde, um zu erreichen, dass sie ihn nicht wie gehetztes Wild anstarrte, weil er sich wie ein scheiß Raubtier verhielt, was ihr nur noch mehr Angst einjagte.

 

„Raus, einfach… nur eine Runde drehen“, erklärte er knapp. Sie sah ihn an, und langsam kroch etwas von der alten Granger über ihre Züge. Waches Interesse löste die Panik und Verzweiflung ab. Merlin, endlich! Er war fast dankbar dafür.

 

„Du sagst das, als würde er in der Nähe sein“, entkam es ihr misstrauisch.

 

„Eberkopf“, bestätigte er und verriet seinen letzten Trumpf. Sie sah ihn mit großen Augen an.

 

Der erotische Moment schien abzuklingen.

 

„Er ist im Eberkopf?“ Sie sprach wieder ganze Sätze. Das war gut.

 

„Ja“, sagte er, was er von seinem wortkargen Vater erfahren hatte.

 

„Warum?“, entfuhr es ihr ungläubig, aber dann klärte sich ihr Blick, und sie war wieder Granger. Sie wirkte plötzlich wie immer. „Er ist bei Aberforth?“, flüsterte sie. Und erst jetzt begriff Draco selber. Ja, richtig. Der Wirt vom Eberkopf war Dumbledores Bruder!

„Können wir da einfach hin?“ Sie blickte an ihm vorbei, schien nachzudenken, aber er nickte. Was sie wollte, würde er tun. Ob es einfach war oder eben nicht.

 

„Wir können es versuchen“, sagte er, und sie setzten sich beide in Bewegung, beide versessen darauf, aus dem Zimmer zu kommen. Sie mehr als er. Er wusste, sie würde diesen Moment nun totschweigen wollen, aber… er wusste, sie hatte ihn zurückgeküsst! Sogar mehr als nur das! Und wenn sich die richtige Gelegenheit bot, würde er sie daran erinnern. Er war sogar ein verdammter Gentleman und half ihr in den Mantel. Er war unfassbar!

 

Sie ließ es unkommentiert, aber ihre Wangen färbten sich rot. Er mochte das. Sein Mundwinkel hob sich, ohne dass sie es bemerken konnte.

Still verließen sie das kleine Hotel, wo ihn das Zimmer ein Vermögen kostete.

Der kalte Wind tat seinem überhitzten Kopf tatsächlich gut. Er atmete entspannt die kalte Nachtluft ein, und sie ging mit schnellen Schritten voran. Er holte sie bald ein, beschwerte sich allerdings nicht über ihren Stechschritt. Wenn sie das brauchte, um runterzukommen, dann sollte sie es tun.

 

Hogsmeade schlief bereits. Niemand war mehr wach. Er erkannte den Eberkopf von weitem, und sie wurde langsamer neben ihm. Er spürte ihre Unsicherheit.

 

„Woher… weißt du überhaupt, dass er hier ist?“, fragte sie fröstelnd neben ihm, und kurz überlegte er, den Arm um sie zu legen, widerstand der lächerlichen Versuchung allerdings. Er konzentrierte sich auf ihre Worte. Und ungern antwortete er.

 

„Ich habe meinen Vater gefragt.“ Es waren einfach Worte, aber sie starrte ihn an, als hätte er ihr gerade das schrecklichste Geheimnis der Welt verraten.

 

„Deinen… Vater?“, wiederholte sie.

 

„Ja. Wir haben über Floh gesprochen. Ich habe ihn um diese Information gebeten und ihm versprechen müssen, anschließend den Ehevertrag zu lösen.“ Sie sagte nichts mehr dazu, blickte stumm nach vorne, und sie beendeten den Weg. Warmes Licht brach aus den schmierigen Fenstern hervor und warf warme Schatten auf den verschneiten Weg.

 

„Wir sind da“, murmelte sie. „Was… was hat er?“, fragte sie letztendlich, aber sie schien mit keiner guten Nachricht zu rechnen. Ehrlich gesagt, hatte Draco nicht gewusst, woher sein Vater überhaupt solche Informationen nahm. Aber er hatte aufgehört zu fragen, woher sein Vater alles über verdammt noch mal jeden wusste. Wahrscheinlich kam man mit der richtigen Stelle und genügend Gold an jede Information auf Merlins weiter Erde.

 

Er seufzte schließlich. „Man nennt es Pe-Pe“, nannte er ihr die Bezeichnung der Krankheit, die die magische Bevölkerung kannte. Sie sah ihn an, ohne dass ein Wiedererkennungswert ihren Blick erhellte. „Du kennst es nicht“, schloss er nickend. Sie war eine Muggel. Woher sollte sie alte magische Volkskrankheiten kennen?


„Nein. Was… ist es?“ Draco kannte sich mit Muggel-Leiden nicht aus, wusste nicht, ob es ein entsprechendes Äquivalent gab.

 

„Es steht für ‚Penitus Perditus‘ und…“ Aber sie schien nachzudenken, die Worte zu übersetzen.

 

„Verloren?“, fragte sie ihn verwundert, und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Verloren in der Tiefe“, sagte er, was die Heiler oftmals im Mungo sagten, um die Krankheit den Angehörigen zu beschreiben. In Dracos Familie war diese Krankheit öfters  vorgekommen, aber er musste fairerweise zugeben, dass er seine Großeltern und Großonkel nie näher gekannt hatte. Sein Großvater war an Pe-Pe gestorben, hatte kurz zuvor auf Anraten eines verrückten Beraters angewiesen, Malfoy Manor zu verpfänden, weil er nichts von seinem Sohn Lucius hielt. Es war das reinste Irrenhaus gewesen, zu dieser Zeit, als sein Vater praktisch jeden Tag ausgerastet war, wenn ein weiterer Vollstrecker gierig vor den Toren von Malfoy Manor gestanden hatte.

 

Es war eine aktive Zauberkrankheit. Und Reinblüter kamen nicht umhin, seit Generationen durch die Zauberei belastet zu sein, wenn man so wollte. Draco nahm an, sein Großvater hatte bereits zu viele Hauselfen in seinem Leben gefoltert gehabt, weshalb die Krankheit eine durchweg grauenvoll böse Wirkung gehabt hatte. Ob er nun verloren gewesen war oder klare Momente gehabt hatte. Es hatte kaum einen Unterschied gemacht, erinnerte sich Draco düster. „Durch… viel Zauberei, durch… ständigen Kontakt mit dem Zauberstab, durch exzessives Zaubern und Fluchen… kommt es zu… Störungen im Gehirn“, erklärte er grob, was er über diese Krankheit wusste. Granger sah ihn mit großen Augen an.

 

„Besonders bei mächtigen Flüchen oder dunklen Flüchen bleibt immer ein winziger Teil des Fluchs im Zauberstab zurück, katapultiert sich quasi in den Körper zurück, und Dumbledore… dürfte in seiner Zeit einiges an Flüchen und Zauber ausgesprochen haben. Und… er ist ziemlich alt. Je älter ein Zauberer, umso wahrscheinlich ist es, dass er an Pe-Pe erkrankt – wenn er sich denn mit dunkler Magie beschäftigt.“

 

„Was heißt das?“, wollte sie schließlich wissen. „Störungen im Gehirn?“, wiederholte sie unsicher.

 

„Es legt gewisse Zonen lahm. Den größten Raum bietet das Langzeitgedächtnis, Erinnerungsspeicher, Sprachzentrum…“, zählte er wahllos auf, was er im Tagesprophten vor einiger Zeit mal gelesen hatte. Sie sah ihn an.

 

„So wie… Alzheimer oder Demenz?“, fragte sie ihn, als sie scheinbar verstanden hatte. Er musste ihr einen so verständnislosen Blick zuwerfen, dass sie weiter ausholte. „Bei den Muggeln ist es eine altersbedingte Krankheit, bei der sie… vergessen. Sie verlieren jede Erinnerung an ihr Leben, an simple Handlungen, vergessen erlernte Fähigkeiten wie Kochen oder Radfahren oder…“

 

„Ja, so ähnlich“, bestätigte er. „Aber… anders“, räumte er unschlüssig ein. „Die Zauber und Flüche hinterlassen alle eine Spur. Viele böse Flüche hinterlassen eine böse Spur. Mächtige und gute Zauber hinterlassen auch ihre Spuren, aber… keine so bösartigen. Und manchmal sind die Betroffenen so klar im Geist, als wäre überhaupt nichts“, versuchte er, zu beschreiben, wovon er kaum Ahnung hatte. Er glaubte nicht, dass ausgerechnet seine Verwandtschaft ein Paradebeispiel von Pe-Pe beschrieb. Zumindest hoffte er das nicht, denn dann wollte er Dumbledore lieber nicht sehen.

 

Sie nickte aber schließlich. „Und Dumbledore?“, fragte sie dann. „Was… was ist mit ihm jetzt?“

 

„Keine Ahnung“, erwiderte er ehrlich. „Mein Vater sagt, er kann den Schuldienst nicht fortführen. Lucius sitzt im Schulrat“, erinnerte er Granger, falls sie es nicht wusste. „Lucius sagt, Dumbledore weiß nicht mehr, dass er Schulleiter ist“, schloss er leiser, denn diese Information drang erst jetzt vollkommen in sein Bewusstsein. Granger wirkte schockiert.

 

„Aberforth wird uns niemals zu ihm lassen“, entfuhr es ihr tieftraurig.

 

„Wir versuchen es“, versprach er ihr, zuversichtlicher, als er wirklich war. Er ging letztendlich weiter, beendete den Weg zum Eberkopf, wartete, bis sie ihm unschlüssig gefolgt war, und  drückte die Tür ins warme Innere auf.

Nur wenige Gäste waren hier, und er sah sich um. Er kannte niemanden, niemand hob den Blick, um sie anzusehen. Die Gäste hier waren vertieft in ihr eigenes Leben, ihr eigenes Leid. Deshalb mochte er den Eberkopf auch um einiges lieber als die Drei Besen. Niemand nervte ihn.

 

Die Theke war verlassen, aber Granger zögerte nicht mehr. Sie schien den Weg in die privaten Räumlichkeiten zu kennen, stellte er fest, und nun war er derjenige, der ihr folgte.

 

Die Gäste stellten keine Fragen, ließen sie einfach passieren, und er folgte ihr durch eine Holztür am anderen Ende der Schenke. Hier war es ruhiger, roch nicht nach Pilzzigarrenrauch und Granger machte mutige Schritte durch den schmalen Flur.

 

Die gegenüberliegende Tür öffnete sich plötzlich. Draco schluckte, denn sie waren erwischt worden.


„Hey!“, rief ein Mann, bestimmt hundert Jahre alt, den Bart grau und zausig, und wüsste Draco es nicht besser, dann würde er glauben, es wäre Dumbledore persönlich. „Was tut ihr hier? Das sind Privaträume!“, schien er sie böse aufzuklären.

 

„Mr. Dumbledore“, begann Granger entschuldigend, und richtig. Er hieß ja ebenfalls Dumbledore, erinnerte sich Draco dumpf. „Es tut uns wirklich leid, aber… können wir Ihren Bruder vielleicht besuchen? Bitte?“, wagte sie tatsächlich zu fragen.

 

„Nein“, erwiderte der Mann schroff, „der kleine Potter konnte mich vielleicht gerade so überzeugen, aber ihr kommt da nicht rein!“, sagte er barsch, und zornig verengte er die buschigen Augenbrauen. „Woher wissen überhaupt Schüler, dass mein Bruder hier ist? Wer hat das wieder verzapft? Bestimmt der alte Zausel von Wildhüter!“, mokierte er sich aufgebracht, aber Granger hob die Arme.


„Nein! Nein, er war es nicht“, verteidigte sie hastig den Riesen, „ich bitte Sie inständig. Ich… bin Hermine Granger, und… wir würden wirklich gerne-“

 

„-ah, das Trio?“, schien der Mann sich zu erinnern. „Und du bist Ronald Westley?“, fragte er ihn argwöhnisch. Draco ergriff die Gelegenheit, die sich bot, kurzerhand.

 

„Ja“, bestätigte er prompt. Granger schenkte ihm einen knappen Blick, widersprach ihm allerdings nicht. Aberforth verzog unwillig den schmalen Mund.

 

„Na gut“, sagte er grimmig. „Fünf Minuten. Und sagt dem jungen Potter, er kann dann auch wieder gehen. Mein Bruder hat jetzt genug Besuch bekommen. Es tut ihm nicht gut“, erklärte er. Granger versicherte ihm ihre Dankbarkeit, ehe sie zur Tür schritten.

 

„Fünf Minuten!“, ermahnte Aberforth sie erneut. „Sonst zerre ich euch raus!“, versprach er dunkel, und Draco wusste, er würde sich an diese Zeitangabe halten. Aberforth war wie ein böser Dumbledore. Keine Güte, kein Verständnis. Und anscheinend mochte er Schüler nicht besonders. Nicht einmal Harry Potter.

 

Kurz zögerte Granger etwas ängstlich, dann aber drückte sie die Klinke runter und sie betraten die kleine Kammer, Aberforth war ihnen gefolgt.

 

Potter hatte den Blick gehoben. Er saß auf einem Schemel vor einem schmalen Bett. Und es erfüllte Draco mit ohnmächtiger Erkenntnis, dass Dumbledore sterben würde.

Dumbledore lag in dem Bett, wirkte schmächtig und schwach, das Gesicht blass und müde. Und seine allwissende Intelligenz war aus seinen müden Augen verschwunden. Die Brille war ihm abgenommen worden.

 

„Albus?“ Die Stimme seines Bruders klang nun nicht mehr zornig. Er klang fast sanft und vorsichtig, als er sprach. „Hermine Granger und Ronald Wessex“, stellte er sie gleichmütig vor. „Freunde von Harry Potter“, ergänzte er. Dumbledore schenkte seinem Bruder einen leeren Blick. Im schwachen Licht des Kerzenständers wirkte er unglaublich alt.

Potters Bick legte sich in schwache Falten, während er ihn, Draco, nicht als Ronald Wessex wiedererkannte. Aber auch er kommentierte es nicht. Aberforth verließ leise die Kammer wieder.

 

„Professor!“, flüsterte Granger tonlos und kam langsam näher, kniete sich vor das Bett, und Dumbledore musterte sie freundlich.

 

„Professor“, wiederholte Dumbledore schwach, ein wenig amüsiert, und ein angestrengtes Lächeln hob seine alten Mundwinkel in die Höhe. „Ich bin doch kein Professor“, versicherte er Granger, als wäre es albern, ihn so zu betiteln.

„Oh, kennen Sie sich?“, schien er sich zu bemühen, Potter vorzustellen. „Ha…-Harold?“, vergewisserte er sich stirnrunzelnd bei Potter.

 

„Harry“, korrigierte ihn dieser rau.

 

„Richtig, Harry Potter“, stellte er ihnen Potter vor, und seine Stimme sprach den Namen ohne Ehrfurcht, ohne besondere Wärme oder Freundlichkeit oder Wiedererkennung.

 

„Wir… wir kennen uns“, erwiderte Granger sanft, aber Draco sah sie angestrengt schlucken.

„Wie geht es Ihnen?“, fuhr sie fort, bemüht, höflich zu sein. Sie verdrängte die Tränen, so gut sie konnte, stellte Draco fest.

 

„Ich… bin müde“, sagte Dumbledore. Auch das war etwas, was Draco noch nie aus seinem Mund gehört hatte. Seine weißen Haare hatten den Glanz verloren, umrahmten sein altes Gesicht, und sein Blick war unfokussiert, und in seinen Augen las Draco bereits, dass er wohl wieder vergessen hatte, wie Potter mit Vornamen hieß. Es war wirklich schlimm. Schlimmer, als Draco vermutet hätte.

 

Und weder Granger, noch Potter sprachen. Weder Granger, noch Potter schienen sich mit dieser Krankheit auszukennen. Beide schienen nicht wirklich akzeptieren zu wollen, was sie sahen. Draco atmete aus. Er war der Reinblüter. Er kannte sich mit dieser Krankheit aus. Und er war fast froh, dass Dumbledore weder schrie, noch sie beleidigte. Es gab also tatsächlich eine bessere Form dieser Krankheit, als Draco sie kannte.

 

„Sir, kennen Sie die Schule auf dem Berg?“, fragte er ihn schließlich, mit fester Stimme, ohne sich die Trauer überhaupt anmerken zu lassen, ging auf die andere Seite des Bettes, und Dumbledores Blick weitete sich, wurde munterer.

 

„Eine Schule auf dem Berg?“, wiederholte er und schüttelte schwach den Kopf.

 

„Hogwarts“, sagte Draco. „Die Zaubererschule“, erläuterte er.

 

„Ihr geht dorthin?“, fragte Dumbledore, ein wenig gespannt, ein bisschen neugierig.

 

„Ja“, bestätigte Draco und kniete sich ans Kopfende. „Es gibt vier Häuser“, zählte er auf. „Hufflepuff, Ravenclaw, Slytherin und Gryffindor“, fuhr er fort, während Granger und Potter ihn unverwandt ansahen. Dumbledore lachte leise.

 

„Gryffndor“, wiederholte er scheinbar amüsiert über den Namen. „Warum vier Häuser?“, fragte er, voller Unverstand.

 

„Schüler haben verschiedene Veranlagungen, verschiedene Fähigkeiten. Die Bösen kommen nach Slytherin, die Klugen nach Ravenclaw, die Dummen nach Hufflepuff, die Guten nach Gryffindor“, erklärte er schlicht. Wieder lachte Dumbledore.

 

„Es sind keine dummen Schüler auf Hogwarts“, fuhr ihm Potter dazwischen, seine traurige Lethargie wohl kurz vergessend. Dumbledore sah von Potter wieder zu ihm.

 

„Und ihr? Wo seid ihr?“ Er schien tatsächlich milde interessiert.

 

„Gryffindor“, sagte Potter stolz. Gryffindors waren alle dumm, stellte Draco wieder fest. Stolz und dumm. Dumbledore nickte langsam.

 

„Es ist kalt draußen“, wechselte Dumbledore das Thema und hatte wahrscheinlich das Hogwarts-Gespräch bereits wieder vergessen.

 

„Es ist Winter“, bestätigte Draco nun, der Dumbledores Vergessen weder persönlich, noch schwer nahm. Denn es half nicht. Ihm nicht und ihnen auch nicht.

 

„Ich habe… mit meiner Schwester früher… Schneekugeln aus Eis verzaubert. Für die Fenster“, erzählte Dumbledore mit einem Lächeln. „Aber nach zwei Tagen waren sie geschmolzen.“

 

„Wie hieß Ihre Schwester?“, wagte Draco zu fragen, denn vielleicht erinnerte sich Dumbledore.

 

„Ahem…“ Er schien ernsthaft zu überlegen, aber kam wohl zu dem Schluss, besser das Thema zu wechseln. „Wohnt ihr hier im Dorf?“, fragte er also, und Draco schüttelte nur den Kopf.

 

„Nein“, sagte er, verzichtete, erneut von der Schule auf dem Berg zu erzählen, und er wusste, würde er nicht sprechen, würden Potter und Granger traurige Löcher in die Wand starren. „Sagen Sie, kennen Sie noch Voldemort?“, fragte er unvermittelt, und Dumbledores Blick traf ihn ratlos.

 

„Voldemort“, wiederholte er langsamer. „Voldemort“, flüsterte er. „Nein, ich kenne niemanden mit diesem Namen“, sagte er langsam und schüttelte müde den Kopf.

 

„Ariana“, sagte Potter plötzlich resignierend. „Ihre Schwester hieß Ariana.“ Dumbledore sah ihn an. Fast ein wenig beleidigt.


„Das weiß ich selber! Denkst du, ich weiß es nicht?“, wollte er empört von Potter wissen, und dieser biss fest die Zähne zusammen, so kam es Draco vor. „Ich weiß, wie meine Schwester heißt“, murmelte Dumbledore im Selbstgespräch, ohne sie anzusehen.

 

Eine Träne fiel auf Grangers Wange. Dann klärte sich Dumbledores Blick und Ruhe trat auf seine Züge. „Es ist kalt draußen“, bemerkte er an Draco gewandt, wieder Ahnungslosigkeit auf den Zügen. „Ist es schon Winter?“, schien er ratlos wissen zu wollen.

 

Draco nickte nur.

 

Die Tür öffnete sich. „So, das ist genug. Ihr könnt jetzt wieder verschwinden. Ich denke, mehr Zeit ist nicht nötig? Mein Bruder muss sich ausruhen“, bemerkte Aberforth ungnädig, und langsam erhoben sie sich und wichen vom Bett zurück.

 

„Leben Sie wohl“, flüsterte Granger Dumbledore noch zu, und Aberforths Blick verfing sich kurz an der Gestalt seines Bruders. Draco hatte sich bereits abgewandt. Es war sinnlos mit Pe-Pe-Patienten zu reden. Sie vergaßen alles innerhalb von Sekunden. Sie waren einfach nicht mehr-

 

„-Ach, Mr. Malfoy?“, riss ihn Dumbledores Stimme plötzlich aus den Gedanken, und wie selbstverständlich wandte sich Draco um, ehe er in der Bewegung gefror. Sein Mund öffnete sich perplex. Dumbledore saß aufrecht in den Kissen, der Blick wissend und geheimnisvoll, wie Draco ihn kannte.

 

„Sir?“, hauchte er, denn dieser lichte Moment in Dumbledores Augen jagte ihm Angst ein.

 

„Nicht die Bösen sind in Slytherin“, korrigierte ihn der Schulleiter, mysteriös wie eh und je. „Die mit dem Sinn für alte Magie und Traditionen sind in Slytherin. Die, die fasziniert sind von Zauberei und der Schönheit dahinter“, bemerkte er müde, und Draco spürte, wie seine Kehle trocken wurde. „Und nach Hufflepuff kommen nur die mit gutem Herzen und freundlicher Seele.“ Er lächelte ein feines Lächeln, ehe er sich an Aberforth wandte.

„Aberforth, sei so gut, und gib Mr. Potter die Kiste aus dem Schrank“, befahl Dumbledore seinem Bruder. Aberforth gehorchte so schnell, als hätte Dumbledore geschrien, und ihn nicht gebeten. „Hermine, kommen Sie kurz zu mir?“, fragte Dumbledore mit ernster Klarheit in der Stimme, und Draco beobachtete, wie Granger fast eilig den Abstand schloss.

 

Und er sprach leise Worte mit Granger. Diese hockte stumm vor dem Bett, lauschte angespannt, ehe sie sich zurücklehnte und Dumbledore betrachtete.

Und dann nickte sie still. Draco sah, dass sie nur noch mehr weinte.

 

„Meine Zeit wird knapp. Ich habe… mich wohl nicht gut genug versteckt“, bemerkte er mit einem anerkennenden Blick auf sie drei. „Ich möchte nicht, dass die Leute mich so sehen“, erklärte er mit einem Anflug von Offenheit. „Ich möchte nicht in Erinnerung behalten werden als alter, verwirrter Tattergreis“, informierte er sie kopfschüttelnd. „So ist das Leben“, schloss er seufzend. „Es ist ein Ärgernis“, murmelte Dumbledore rau, schüttelte benommen den Kopf, und sprach, als wäre es eine Lästigkeit, eine Kleinigkeit, ein Konzept, das ihm missfiel.

 

Potter hatte die schmale Kiste wortlos entgegengenommen. Sie sahen auf Dumbledore hinab, als würde er gleich aufstehen und gehen. „Ich verabschiede mich“, erklärte er förmlich, und Granger schniefte neben ihm unaufhörlich. „Egal, wie es von außen aussehen mag“, begann er mit einem maßregelnden Ton und ließ den Blick von einem zum anderen wandern, „die Oberfläche täuscht einen von Zeit zu Zeit“, sagte er mit wissendem Blick. „Meine Erinnerung mag nicht immer sichtbar sein, aber… sie ist da“, versicherte er ihnen nickend. „Am besten gehen Sie nun nach Hause. Nach Hogwarts. Dort werde ich auch sein“, versprach er lächelnd. „In meiner Erinnerung bin ich immer dort. Vergessen Sie das nicht.“ Sein letzter Blick ruhte auf Harry. Für eine wilde Sekunde, wollte Draco alles tun, was er könnte, um diesen Mann zu halten, um zu verhindern, dass die Krankheit von ihm Besitz ergriff. Aber… er war machtlos dagegen. Sie waren alle machtlos. Sogar Dumbledore.

 

„Es war mir eine Ehre, Harry“, schloss er mit einem letzten müden Zwinkern.

 

Der Glanz in seinen mitternachtsblauen Augen erlosch so schnell, wie er gekommen war. Verwirrt sah er sich um, sank in die Kissen zurück, und müde Ratlosigkeit war wieder auf seine Züge getreten.

 

Sie schwiegen alle betroffen. Und sie wussten, Dumbledore war fort.

Er ließ seinen Blick über sie alle wandern, ehe er langsam nach draußen aus dem schmalen Fenster blickte.

 

„Es… ist kalt draußen“, sprach seine sanfte Stimme fast hilflos die Worte, und Granger hatte sich gegen Potters Schulter gelehnt. Potter hielt den Arm fest um sie geschlungen, und Draco glaubte nicht, dass sie noch mit ihm zurückkommen würde. Er war sich sogar sicher, das würde sie nicht mehr tun. Traurigkeit erfasste ihn. Nicht nur wegen Dumbledore.

Nein, wegen vieler Dinge. Sie weinte an Potters Schulter. Nicht an seiner.

Nie an seiner.

 

Aberforth war zu seinem Bruder gegangen, deckte ihn fester zu, murmelte irgendetwas Beruhigendes, und sie wandten sich ab. Sie waren überflüssig in dem familiären Moment unter Brüdern. Und egal, wie unfreundlich und barsch Aberforth auch tat, Draco sah, er liebte seinen Bruder.

 

„Gute Nacht, Professor“, sagte Potter mit belegter Stimme, und sie schlossen lautlos die Tür hinter sich, als sie gegangen waren.

 

 

Kapitel 68

 

Vor dem Eberkopf sauste der kalte Wind um ihre Köpfe. Malfoy stand ein paar Schritte abseits neben ihnen, den Blick in die Nacht gerichtet, die Hände tief in seinen Manteltaschen vergraben. Auch Harry wirkte unendlich weit entfernt.

 

„Es tut mir so leid“, sagte sie zu ihm, und Harrys Blick klärte sich, und er sah sie wieder an.

 

„Ja. Mir auch“, bestätigte er betrübt. Dann hob er den Blick in Malfoys Richtung. „Danke“, sagte er, selber ein wenig überrascht. Auch Malfoy runzelte die Stirn.

 

„Du… bedankst dich?“, vergewisserte er sich tatsächlich, denn er traute wohl seinen Ohren nicht.

 

„Ich… weiß nicht, warum du herausgefunden hast, wo Dumbledore ist, aber…- trotzdem danke“, entgegnete Harry rau. Und Malfoy nickte schließlich. Hermine wusste nicht, was sie fühlen sollte. Sie wusste nicht, ob Dumbledore noch einmal klar werden würde, ob er sich nicht vielleicht doch dazu entschließen würde, allen Schülern auf Wiedersehen zu sagen. Sie war froh, ihn noch einmal gesehen zu haben. Und auch wenn Malfoy nicht aus besonders noblen Gründen Dumbledores Aufenthaltsort erfahren hatte, hatte er es ihnen zumindest ermöglicht, Lebewohl zu sagen.

 

Tränen waren auf ihren Wangen getrocknet. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte.

 

„Kommst du?“, fragte Harry sie schließlich, aber er schien unsicher zu sein. „Oder…?“ Er ließ die Frage offen stehen, während sein Blick über ihn wanderte. Malfoy.

 

Und Malfoy wirkte verschlossen, sah sie nicht einmal mehr an, und Hermine atmete langsam aus. Sie nahm an, er dachte, dass sie gehen würde. Mit Harry zurück aufs Schloss.

Und genauso wenig wie sie Harry nach der Kiste fragte, die Dumbledore ihm überlassen hatte, fragte Harry nach Dumbledores letzten Worten an sie.

 

Aber Dumbledores Worte klangen ihr noch immer in den Ohren. Und ihr Herz schlug schnell, als sie den Kopf schüttelte.

 

„Nein“, erwiderte sie ehrlich. Sie versuchte, zu lächeln, aber sie war zu angespannt. Sie war zu besorgt. Denn was sie gleich tun würde, war dumm. Und egoistisch. Und es war die blödeste Idee seit langem. Aber sie wusste, würde sie es nicht tun, dann würde sie es sich nicht verzeihen. Ihr Kopf würde es ihr vielleicht verzeihen. Ihr Kopf hielt nicht viel von diesen irrationalen Dingen. Aber ihr Körper würde es ihr nicht verzeihen.

 

Harry sah sie prüfend an. „Ich komme morgen“, versprach sie ihm ruhig.

 

„Bist… bist du sicher?“, vergewisserte sich Harry besorgt, mit einem ablehnenden Blick Richtung Malfoy, aber sie nickte nur.

 

„Ja.“

 

Sie schuldete es ihm. Sie schuldete es Draco. Und… sie schuldete es sich selbst wahrscheinlich auch. Und sie hatte geglaubt, es wäre ein größeres Problem. Sie hatte angenommen, Harry würde diskutieren wollen, das Für und Wider beleuchten. Sie vom Gegenteil überzeugen, aber schließlich nickte er nur.

 

„Ok. Pass auf dich auf. Bis morgen, Hermine“, verabschiedete er sich still von ihr, und damit hatte er sich umgewandt. Sie sahen ihm nach, wie er der freigeschaufelten Schneise im weißen Schnee folgte, nach einigen Meter apparierte und verschwunden war.

 

Die Luft entwich stockend ihren Lungen, als sie den Blick zu seinem Gesicht hob.

 

„Du bleibst“, stellte er ungläubig fest. Und sie nickte.

 

„Ich bleibe“, bestätigte sie, und er schien mit vielem gerechnet zu haben. Aber damit nicht.

Sie setzte sich in Bewegung, zurück zum Hotel und schließlich folgte er ihr, fiel in ihren zügigen Schritt, und still beendeten sie den Weg zurück.

 

Still betraten sie auch das Hotel, schritten an der desinteressierten Hexe am Tresen vorbei, zurück in der Flur, und schon standen sie wieder vor der Tür Nummer 7. Er zögerte jedoch und sah sie an.

 

„Wieso tust du das?“, fragte er sie schließlich, die Stirn in Falten gelegt. „Wieso bist du nicht mit Potter zurückgegangen?“ Aber sie war nicht wirklich bereit, auf seine Fragen zu antworten. Sie war sich nicht einmal sicher, was sie sagen sollte. Also beschloss sie, das zu tun, was er auch ständig tat – sie würde lügen.

 

„Ich habe deinen Scheck in der Suite vergessen“, erwiderte sie, und kurz dachte sie, er würde ihr zeigen, wie übel er ihr ihre Antwort nahm. Aber das tat er nicht mal. Er nickte schließlich.

 

„Richtig. Der Scheck“, bestätigte er. Er schloss auf und ließ ihr den Vortritt. Ob er überhaupt bemerkte, wie er sie behandelte? Wie zuvorkommend und höflich? Wie vollkommen selbstlos er sein konnte, wenn er es überhaupt nicht bemerkte? Wie er felsenfest davon ausgegangen war, sie würde mit Harry mitgehen und nicht mit ihm? Wie er versuchte, seine schlechten Eigenschaften in gute zu verwandeln? Mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen?

 

Er zog den Mantel aus, hing ihn schweigend an die Garderobe, und schritt unschlüssig durch die Suite, nicht sicher, was sie jetzt wohl tun würde. Fast war es nett. Unsicherheit stand ihm genauso gut wie jede andere Eigenschaft, die er verkörperte. Sie hatte nur nie angenommen, ihn tatsächlich unsicher zu erleben.

 

Auch sie zog ihren Mantel aus.

 

„Ich… würde gerne duschen“, sagte sie leichthin. Er hatte innegehalten und sah sie an. Dann reagierte er.

 

„Sicher. Da ist das Bad. Handtücher… liegen aus“, erwiderte er, ein wenig perplex, und deutete auf die Tür, aus der er zuvor gekommen war.

 

„Danke“, sagte sie nur und verschwand im Badezimmer.

 

Sie war sich nicht ganz sicher, warum sie duschen wollte. Die Hitze würde sie wärmen, aber das war nicht der einzige Grund. Sie war nervös, denn sie hatte nun beschlossen, hier zu bleiben. Bei ihm.

 

Und sie wusste, es bestand die Möglichkeit, dass… dass sie heute tun würden, was sie sich in ihrem Kopf bereits ausgemalt hatte.

 

Sie schälte sich aus den kalten Klamotten, drehte das Wasser in der Dusche an und hatte wohlweislich die Tür unverschlossen gelassen.

 

Sie steckte sich die Haare mit geschickten Griffen hoch – denn sie hielten von selber in dem Dutt, wenn man die Locken verdrehte – und trat unter den warmen Strahl. Sie säuberte sich gründlich, wandte einen Enthaarungszauber an, ohne über diese Verwerflichkeit nachzudenken, und behielt die Tür im Auge.

 

Aber er kam nicht ins Bad. Er hielt sein Wort. Sie war fast überrascht. Sie war fast enttäuscht.

 

Sie stellte das Wasser wieder aus, trat aus der Dusche in den warmen Wasserdampf und trocknete sich ab. Sie benutzte die kostenlose Probefläschchen, die sich am Waschbecken nebeneinander reihten, rieb sich Arme und Beine ein, und fand schließlich einen flauschigen Bademantel im Regal, der ihr passte.

 

Und so verließ sie das Bad auch wieder.

Nur mit einem Bademantel bekleidet – ansonsten nackt.

 

Sie kam sich sehr selbstbewusst vor. Sie waren nicht mal mehr verheiratet.

 

Ihr Herz schlug schnell. Und für einen Moment, wollte sie innehalten. Ihn einfach nur betrachten. Ihrem Handeln einen Sinn geben.

 

Für einen Moment wollte sie überlegen. Sie wollte sein wie er. Wollte nicht mehr spielen.

Keine Spiele mehr. Keine Tricks. Aber sie fürchtete, sie war nicht so wie er. Sie befürchtete, sie würde niemals dort sein können, wo er scheinbar angekommen war.

 

Es war ihr letzter Plan.

 

Das letzte Spiel, sagte sie sich. Und dann tickten die Sekunden gnadenlos weiter.

 

Er lag auf dem breiten Bett, vertieft in eine Quidditch-Zeitschrift, ehe er abwesend den Blick hob. Die Zeitschrift sank in seinen Händen, während er an ihr hinab blickte. Sie kam unaufgefordert näher und beschloss, sich vor ihm nicht mehr zu schämen. Es war nicht mehr nötig, für diese letzte Nacht. Sie kannten sich doch. Er kannte sie besser, als jeder andere Mensch, ging ihr tatsächlich verblüfft auf.

 

Auch wenn sie immer angenommen hatte, Ron würde sie am besten kennen, so stimmte das überhaupt nicht. War es nicht seltsam? Sie setzte sich auf die Bettkante, und auf dem Nachttisch an ihrer Seite lagen ebenfalls viele Magazine. Sie griff sich wahllos eines, was sie in Malfoy Manor gesehen hatte. Es war ein Magazin über magische Blütenpflanzen.

 

Sie schwang die Beine aufs Bett, lag nun neben ihm und blätterte interessiert die bunten Seiten um und machte sich damit vertraut, welche Pflanzen welchen Boden brauchten.

 

Sie spürte seinen Blick auf sich, aber sie beschloss, weiterzulesen, sich nichts anmerken zu lassen, und schließlich hob auch er sein Magazin wieder in die Höhe, und stumm lasen sie, während das Feuer im Kamin gemütlich prasselte. Fast wollte sie lächeln darüber, wie viel Mühe er sich gab, obwohl es gar nicht nötig war. Sie hatte sich entschlossen.

 

Sie wollte die Nacht, von der er gesprochen hatte.

 

Irgendwann wechselte sie die Zeitschrift, griff sich das ‚Magische Journal‘, während er sich ein mitgebrachtes Buch aus der Tasche zog. Sie konnte den Titel nicht lesen, aber es waren sehr klein gedruckte Buchstaben. Sie hatte gar nicht gewusst, dass er las. Aber eigentlich wunderte es sie nicht. Wahrscheinlich las jeder dann und wann. Unauffällig rückte sie näher zu ihm.

 

Sie wusste nicht, ob er es bemerkte, aber dann bewegte sie sich, machte es sich bequemer und lehnte sich gegen ihn. Sie merkte, wie er neben ihr gefror. Sie sah kurz zu ihm auf, schenkte ihm ein schmales Lächeln, und er löste die Hand vom Buch, um den Arm zu heben. Sie schmiegte sich enger an seine Seite, und langsam legte er den Arm um sie.

Es war gefährlich, das wusste sie.

Sie wusste, es würde kaum ein Zurück geben, hiernach. Sie wäre das Arschloch. Und vielleicht verdiente er es, wenigstens einmal, nicht das Arschloch zu sein. Ihr Herz schlug noch immer schnell.

 

Er hielt das Buch nur noch mit einer Hand, hatte bereits begonnen, weiterzulesen, und mit einem Lächeln las auch sie ihren Bericht über magische Edheilungen zu Ende. Sein Daumen strich abwesend über ihren Oberarm. Es war ein schönes Gefühl.

 

Und keiner von ihnen sagte ein Wort.

 

Es verging fast eine Stunde, in der sie einfach nur an ihn gelehnt saß, während er den Arm um sie gelegt hatte. Sie blätterte erneut um.

 

„Hast du gewusst, dass Bucca-Gras für Schrumpfzauber benutzt wird?“, fragte sie schließlich, um ihn aus seiner zurückhaltenden Reserve zu locken, denn sie wusste, Molly pflanzte es für ihren Bucca-Salat im Kräuterbeet an. Es bot ein unverfängliches Gesprächsthema.

 

„Mhm“, machte er nur, und seine Stimme vibrierte angenehm an ihrem Körper.

 

„Ich habe schon ein dutzendmal Bucca-Salat gegessen. Bin… bin ich dann kleiner geworden?“, erkundigte sie sich bei ihm, während ihre Augen den Artikel weiter überflogen. Das Buch sank in seiner Hand.

 

„Man muss das Bucca-Gras kochen. Ansonsten entfaltet es keine Wirkung“, erläuterte er mit erhobener Augenbraue. „Du solltest Snape besser zuhören“, maßregelte er sie trocken. Er war arrogant wie eh und je. Gut. So wollte sie es am liebsten. Sie spürte seinen Blick auf sich. „Granger?“, fragte er schließlich und legte sein Buch zur Seite. Sie hob den Blick.

 

Es ging los.

 

„Was wird das hier?“, fragte er sie schließlich ruhig. Noch immer befand sie sich in seinem Arm.

 

„Ich verbringe Zeit mit dir“, erwiderte sie ernst.

 

„Das sehe ich“, bestätigte er nichtssagend, während sie nicht verhindern konnte, dass ihr Herz wieder schneller schlug. „Woher kommt der Sinneswandel?“

 

„Stört es dich?“, entgegnete sie abwehrend, und er schien nicht recht zu wissen, was er erwidern sollte.

 

„Du weißt, das tut es nicht“, erinnerte er sie, die Stimme einen Hauch dunkler als zuvor. „Ich beschwere mich auch nicht, Granger, ich… bin nur verwirrt, das ist alles.“

 

„Hast du nicht gesagt, du willst noch eine Nacht mit mir verbringen?“, griff sie seine Worte von diesem Abend auf, und musterte ihn gespannt. Die Worte kosteten sie viel Überwindung.

 

„Ja, aber… so wie die Dinge liegen sah es nicht unbedingt danach aus, dass du… das auch wolltest.“ Und dann schien sein Verstand eine bestimmte Sache zu verfolgen. Sein Blick bekam eine andere Note. „Was hat Dumbledore dir gesagt?“, wollte er plötzlich mit einer neuen Determination von ihr wissen.

 

„Das ist privat“, erwiderte sie kopfschüttelnd.

 

„Privat? Ok“, entgegnete er achselzuckend. „Dann lass mich anders fragen – hätte er nicht mit dir gesprochen, wärst du dann immer noch mit mir zurück gegangen?“

 

Sie überlegte, aber nicht sehr lange. „Ja“, log sie schlicht. Wäre sie nicht, aber sie würde ihm Dumbledores Worte nicht verraten. Sie nahm an, sie würden entweder seinem Ego schmeicheln, oder er wäre krankhaft verletzt. Sie traute ihm beides zu. Einschätzen konnte sie es nicht, und sie hatte keine Lust, dass er noch arroganter war als ohnehin schon. Das könnte sie ihm sagen. Sie musste über ihre eigenen Gedanken schmunzeln. Und selbst wenn, Dumbledores Worte hatten zwar dafür gesorgt, dass sie sich entschieden hatte, hier zu bleiben, aber sie hatten genauso dafür gesorgt, dass sie dieses hier zu ihrer letzten Nacht machen würde. Es war also bittersüß, wie es traurig zugleich war.

 

„Was?“, wollte er misstrauisch von ihr wissen.

 

„Malfoy?“, wechselte sie jetzt lächelnd das Thema, und er verzog missmutig den Mund.

 

„Ja, Granger?“, erwiderte er genervt, aber sie musste bereits grinsen.

 

„Was magst du eigentlich an mir?“, wollte sie jetzt von ihm wissen. Sie würde es spielerisch angehen. Er löste sich aus der Umarmung, zog seinen Arm zurück und schüttelte nur den Kopf.

 

„Vergiss es!“, erklärte er, eine Spur beleidigt.

 

„Ich meine, die Tatsache, dass ich eine Muggel bin oder eine Gryffindor oder Harrys beste Freundin können nicht zu den positiven Dingen gehören, die dir aufgefallen sind.“ Sie wollte ihn ablenken, und sie nahm an, sie würde es auch schaffen. „Ich war Jungfrau, konnte dir also auch sexuell nicht viel bieten, und-“

 

„-ich weiß, was du tust“, unterbrach er sie eisig, aber sie schenkte ihm ein Lächeln. Sie sah, dass er abwog. Und sie glaubte nicht, dass er es wirklich wusste. Absolut sicher war sie nicht. Aber ziemlich sicher.

 

„Ich denke, es hat was mit Anziehung zu tun“, überlegte sie schließlich und betrachtete sein schönes Gesicht. Er beobachtete sie, während er jeden Punkt in ihrem Gesicht zu studieren schien. „Kann ich dich etwas fragen?“ Er schien ohnehin schon völlig verwirrt über ihre seltsame Bereitschaft, in seiner Nähe sein zu wollen. Er runzelte die Stirn.

 

„Es kommt drauf an“, grummelte er, noch immer beleidigt.


„Ich dachte, du vermisst meine Fragen?“, zog sie ihn mit einem bösen Lächeln auf, und er schüttelte den Kopf, während er die Muskeln seines Kiefers spielen ließ. Ja, sie hatte ihm zugehört.

 

„Manchmal sollte ich einfach meine scheiß Klappe halten, nicht wahr? Ich habe gelogen, Granger. Deine verdammten Fragen vermisse ich kein Stück“, erklärte er achselzuckend, aber sie glaubte ihm nicht wirklich. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war, dass sie nun keinen Fehler beging.

 

„Denkst du wirklich, es ist dann vorbei?“

 

Er wirkte verwirrt, atmete gereizt aus und setzte sich ihr aufrecht gegenüber.

 

„Was ist vorbei?“, wollte er ungeduldig wissen.

 

„Wenn… wenn wir… Sex haben würden“, stellte sie die gefährliche Aussicht in den Raum, und er wirkte plötzlich merklich konzentrierter, „denkst du, es wäre tatsächlich morgen vorbei?“, wiederholte sie ihre Frage deutlicher, aber er war nicht dumm. Dumm war er wohl noch nie gewesen, denn er durchschaute die Worte schnell.

 

„Du magst mich, oder Granger?“, wollte er überheblich von ihr wissen, und bevor sie rot werden würde, schüttelte sie den Kopf. Nein, tat sie nicht. Durfte sie nicht.


„Nein. Ich denke, ich mag deinen Körper. Das ist alles“, erklärte sie, so würdevoll wie sie konnte, und sie hoffte, sie wurde nicht allzu rot. Denn Plan hin oder her. Sein Blick, seine Worte schafften es immer, ihren Körper zu kontrollieren.

 

Sein Ausdruck hatte etwas gefährlich Interessiertes angenommen. „Wir… könnten das versuchen“, begann er glatt. „Wir haben ein letztes Mal Sex, dann werden wir einsehen, dass wir nichts gemeinsam haben, dass ich lediglich Gespenster sehe, dass du die Schnauze voll von meiner Visage hast, wir werden uns anschreien, uns fragen, wie wir so kreuzdämlich hatten sein können, tatsächlich anzunehmen, dass zwischen uns mehr ist als Abscheu und Ekel, und dann… dann lässt du das Kind entfernen und wir… gehen getrennte Wege für immer“, fasste er den Ablauf des wohl folgenden Desasters zusammen.

 

Sie schluckte.

 

„Das klingt… optimistisch“, bemerkte sie, ohne ihn anzusehen. Das war der Plan. Wenn er wüsste, dass das der Plan war…. Aber es war wichtig, dass sie fortfuhr. Denn es gab tatsächlich eine noch schlimmere Aussicht. Und sie sah ihn noch immer nicht an, als sie fortfuhr. „Was… wenn das nicht passiert?“, flüsterte sie mit einer wohlgewählten Kunstpause. Und dass sie überhaupt so sprach, ließ ihr Herz um Längen schneller in ihrer Brust klopfen. Sie ignorierte es so gut es ging.

 

„Du meinst, wenn…“ Er schien kurz nachzudenken, „wenn eine Nacht nicht ausreicht, und wir es wieder und wieder tun wollen?“ Sie spürte die Hitze in ihren Wangen sofort, als er die Worte sagte. „Das… lässt mich fast davon ausgehen, dass es besser wäre, wenn wir es dann überhaupt nicht machen“, schloss er stiller.

 

Sie hob den Blick. Er verwirrte sie. Er machte ihr ein wenig Angst. Er sollte so nicht denken. In ihrem Kopf ging sie eigentlich nur von schnelllebigen Gefühlsschwankungen aus, die sie nur hatte, weil er ihr erster war. Weil er aussah, wie er aussah, und weil es sich vertraut mit ihm anfühlen würde. Und sie nahm an, dass es beim ihm im Grunde nicht anders war.

Aber an etwas Längeres dachte sie nicht. Nicht wirklich zumindest. Er doch wohl auch nicht! Sein Kind zu bekommen, bereitete ihr Bauchschmerzen. Und sexuell abhängig wollte sie von ihm auch nicht sein.

Sein Status, seine Eltern, die Gesellschaft – alles hing mit dran.

 

Sie seufzte langsam. Denn sie wusste, aufgeben würde er nichts davon, auch wenn er es jetzt gerade noch versprach. Er wollte Sex mit ihr haben. Sie hatte gehört, ein Mann versprach einer Frau das Blaue vom Himmel, nur um sie ins Bett zu bekommen.

Und außerdem hatte er ihr bereits einen Scheck ausgestellt, damit sie das Kind entfernen ging. Mehr brauchte sie eigentlich nicht zu wissen. Sie glaubte ihm etwas anderes ohnehin nicht. Und das war auch gut so.

 

„Jaah“, räumte sie ein. „Viel zu kompliziert.“

 

„Das gehörte alles nicht zu deinem Plan, richtig?“, fragte er unvermittelt, und sie hob den Blick. Überraschung war in ihren Blick getreten, während sie ihn betrachtete.

 

„Mein… Plan?“, entfuhr es ihr fast nervös.

 

„Dein Plan, unsere Gesellschaft umzukrempeln?“, half er ihr unnötigerweise auf die Sprünge, und sie atmete erschöpft aus.

 

„Ich… ich hatte es mir einfacher vorgestellt“, räumte sie mit einem leisen Lächeln ein, beruhigt, dass er sie jetzt gerade nicht durchschaute. „Und nein. Mit dir in einem Hotelzimmer zu sitzen und zu überlegen, ob ich noch eine letzte Nacht mit dir verbringen will, obwohl wir geschieden sind und ich schwanger von dir bin – nein. Das gehörte nicht dazu“, beantwortete sie peinlich berührt seine Frage.

 

„Wenn du… eine Ausrede bräuchtest“, sagte er plötzlich, als käme ihm ein neuer Gedanke, „weshalb du wieder und wieder mit mir schlafen könntest“, fuhr er fort, und sie sah ihn entsprechend ungläubig an, „müsstest du einfach nur das Kind behalten, mich zwingen, bei dir zu bleiben und…“ Er tat so, als müsse er nachzudenken.

 

„Ja, das klingt romantisch, Malfoy. Das klingt nach einem super Plan“, bestätigte sie so ironisch wie er. Und sie wusste, er machte einen bösen Scherz. Sie sah es ihm an. Er meinte es nicht ernst. Natürlich nicht. Wieso sollte er? „Denk nur, was deine Eltern sagen würden!“, zog sie ihn bitter auf.

 

„Granger, ich ziehe es vor, so wenig wie möglich an meine Eltern zu denken“, erinnerte sie mit hochgezogener Augenbraue an das Offensichtliche. Sie verdrehte die Augen und blickte stumm nach vorn. Noch immer saßen sie nebeneinander im Bett, sahen sich nicht mehr an, und Hermine spürte, sie hatten eine Weggabelung erreicht.

Wenn sie wollte, was sie wollte, musste sie handeln. Und zwar bald.

 

Er winkelte neben ihr die Knie an, stützte die Ellbogen darauf und vergrub dann seinen Kopf seufzend in seinen Händen. Sie hatte noch nie erlebt, dass sich jemand für Gefühle entschuldigte, die er hatte. Sie hatte noch nie erlebt, dass zwei Personen mit dem Schicksal hadern mussten, weil sie Gefühle hatten.

 

Sie nahm an, er glaubte tatsächlich, Gefühle vergingen nach einer Nacht. Er glaubte, man könnte sie… wegvögeln, dachte sie bewegungslos. Aber sie wusste, würde sie es zulassen – würde sie auch nur eines von Dumbledores Worten mit der harten Wahrheit beleuchten, die in ihr schlummerte – dann… würde sie zerbrechen.

Deswegen nahm sie Dumbledores Worte zum Anlass, sich zum letzten Mal, ein einziges Mal, zu erlauben, was ihr sonst nicht zustand.

 

Keine Gefühle. Einfach nur eine verbotene Nacht.

 

Sie wollte nichts weiter. Sie wollte… ihn nur noch einmal spüren. Sie wollte noch einmal… dieses fantastische Gefühl erleben.

Sie wollte es nicht analysieren, denn natürlich konnte es nur eine Katastrophe geben, würde sie Gefühle zulassen. So oder so! Es würde heute einfach kein Morgen geben, über das sie sich den Kopf zerbrechen konnte.

 

Und wäre es morgen nicht vorbei, dann würde sie lügen. Das war der Plan.

Dann würde sie einfach verdammt noch mal so tun, als wäre es vorbei! Dann würde sie es sich solange sagen, bis es so war. Merlin, es war nicht so schwer. Und so wie sie ihn einschätzte, waren seine Gefühle überhaupt nicht echt, sondern existierten nur in seiner Hose! Er war Draco Malfoy. Er hatte sonst auch keine Probleme damit ein arrogantes Arschloch zu sein, was nur an sich selber dachte, also würde er das morgen einfach genau so tun. Er würde sein wie immer. Es wäre vorbei.

 

Sie kaufte ihm seine Gefühle nicht ab.

 

Langsam hob er den Kopf aus seinen Händen.

 

„Ich-“ Aber er unterbrach sich abrupt, als er ihren Ausdruck bemerkte.

 

Zeit zu handeln. Sie trug immerhin nur einen verdammten Bademantel! Wenn er sie so dringend wollte, wie schaffte er es überhaupt, sich zu beherrschen, fragte sie sich unwillkürlich und wurde plötzlich wütend auf ihn. Er machte es ihr mit Absicht schwer, nahm sie an.

 

„Falls du gedacht hast, ich würde hier ein Abendkleid drunter verstecken, Malfoy, tut es mir leid“, klärte sie ihn fast zornig auf. „Ich bin nackt hier drunter“, erläuterte sie überflüssigerweise. „Und ich hatte nicht wirklich vor, großartig über Morgen nachzudenken.“

 

Sein Blick änderte sich so plötzlich, dass ihr Blut gefror. Merlin, hatte sie das gerade wirklich zu ihm gesagt? Laut? Auf dem Rückweg hatte sie ähnliche Worte in Gedanken eistudiert, aber… dass sie sie wirklich sagen würde… - Merlin. Manchmal überraschte sie sich selbst.

 

„Wenn du mitgekommen bist, um Sex mit mir zu haben, dann sag es mir“, forderte er plötzlich. Sie blinzelte überrascht. Was? „Ich zwinge dich zu gar nichts mehr, Granger“, schloss er mit einem Blick, den sie kaum deuten konnte. Was meinte er damit?

 

Und sie wusste, er wollte, dass sie es sagte. Sie schluckte schwer.

 

Seine Atmung hatte sich beschleunigt, während er sie verlangend ansah. Trotz allem hielt er sich an die Worte, die er im Krankenflügel zu ihr gesagt hatte, als Madame Pomfrey den Eissplitter entfernt hatte. Sie sollte zu ihm kommen. Nicht umgekehrt. Es fiel ihr erst jetzt auf. Und sie musste ignorieren, dass er sich korrekt verhielt. Das würde es nur umso schwerer machen.

 

Sie war es nicht gewöhnt, den ersten Schritt zu machen, ging ihr plötzlich auf. Sie rückte näher zu ihm, denn sie wusste, würde sie länger warten, würde sie einen Rückzieher machen, aber jetzt gerade – heute Nacht – wollte sie ihn. Egal, wie dumm es war.

Und das war es, klärte ihr Verstand sie ohne Muße auf.

 

Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Sie hob zaghaft die Hand, strich mit ihren Fingern über die samtene Haut seiner Wange, fuhr liebevoll durch seine dichten Haare, und sein Blick war unglaublich, mit dem er sie bedachte. Dann legte sie probehalber die Hand um seinen Nacken und übte minimalen Druck aus.

 

Langsam neigte sich sein Kopf ihrem entgegen. Kurz versanken ihre Augen ineinander. Ihr Herz schlug schnell, und sie flüsterte die Worte nur, konnte sie niemals laut sagen, und schloss die Augen. Sie würde sie auch ab morgen leugnen.

 

„Schlaf mit mir“, wisperte sie und schämte sich über diese Worte. Aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn sie wollte es. Sie brauchte es. Es war der scheiß Plan!

Ja gut. Sie hatte gelogen. Sie wollte ihn noch dringender als dringend. Ihr Verstand hatte Sendepause. Aber das böse Ende würde kommen, dachte sie fast betrübt.

 

 

Und das Schicksal nahm scheinbar seinen Lauf, denn er schloss den letzten unnötigen Abstand mit angehaltenem Atem. Er war toxisch schön. Gleichzeitig fanden sich ihre Lippen zum ersehnten Kuss, und tausend Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch ungeduldig mit den Flügeln, auch wenn sie es zu unterdrücken versuchte.

 

Seine Lippen fühlten sich so gut an. Diese Nähe schickte tausend elektrisierende Stöße durch ihren Körper, und sie versuchte sich alles einzuprägen. Denn vielleicht würde sie es bereuen – mit Sicherheit sogar – aber… sie wollte es niemals vergessen. Sie war wirklich dumm.

 

 

Kapitel 69

 

Ok.

 

Fuck.

 

Seine Finger lösten ungeduldig den Knoten ihres Bademantels. Er hatte eine Erektion, seitdem sie sich an seine Schulter gelehnt hatte. Seit einer Stunde starrte er in sein verdammtes Buch, und als sie in gefragt hatte, ob sie Sex haben sollten, dachte er, er würde explodieren.

 

Und dann hatte er geredet, war Szenarien durchgegangen, von denen er angenommen hatte, dass er sich letztendlich selber das Genick gebrochen hatte, denn so wie er es schilderte, hatten sie keine Chance. Überhaupt keine!

 

Und jetzt?

 

Jetzt hatte sie ihm erklärt, dass ihr Morgen verflucht noch mal egal wäre! Und er wusste – Merlin, er wusste – sie waren hier in einer Sackgasse gelandet! Es konnte nicht gut ausgehen. Sie würden morgen nicht aufwachen, und alle Probleme wären magisch gelöst! So lief es nicht. Sie hatten den Arsch voller Probleme, standen unter Zeitdruck, und… das letzte, was er gerade tun sollte, war, Granger zu küssen, als gäbe es kein Morgen! Denn das gab es, und es würde unweigerlich kommen – aber er konnte nicht aufhören!

 

Der weiche Frotteestoff fiel zur Seite, entblößte ihre weiche Haut, ihre perfekten Brüste, die für seine Hände ideal groß waren. Sie war so unglaublich perfekt! Merlin, am liebsten würde er sofort auf die Knie fallen und ein Sonett für sie schreiben!

 

Er liebte sie! Er liebte sie und – fuck! Er konnte es nicht sagen! Er wusste nicht, wie! Und er durfte es nicht! Es würde nur alles zerstören, und nachher würde sie noch davonlaufen!

 

Seine Lippen senkten sich heiß und hungrig auf ihre Haut, und sie stöhnte in so süßen Tönen, dass ihm heiße Schauer über den Rücken jagten.

 

Er wusste nicht mehr, wann er sie das letzte Mal gehabt hatte, und ob sie sich ihm so freiwillig angeboten hatte wie heute, aber es war scheiß egal, denn er würde ihre Bitte garantiert nicht ausschlagen. Verlangend saugte er eine ihrer harten Brustwarzen in seinen Mund, und sie wand und bog sich unter ihm, kratzte über seine Kopfhaut, griff in seine Haare, presste sein Gesicht gegen ihre Haut, und seine Zunge leckte eine heiße Spur ihren Oberköper hinab, umzirkelte ihren Bauchnabel und glitt tiefer.

 

Sie war verflucht noch mal nackt unter ihm!

 

Perfekter konnte es nicht sein! Wäre er doch einfach seinem Instinkt gefolgt und hätte sie schon in der Dusche überrascht! Aber nein! Er musste so tun, als wäre er ein verdammter Gentleman! Dabei wusste Granger es besser! Er wusste es besser, und seine Zunge glitt über ihren Venushügel, während er seine Position änderte, tiefer rutschte, bis er zwischen ihren Beinen lag! Merlin, wie lange hatte er das tun wollen? Und sie hatte ihn nicht gelassen!

Und sehr leise ermahnte ihn eine Stimme in seinem Kopf, nachzudenken, denn… sie hatte ihn bisher nie etwas wirklich tun lassen!

Sollte er… darüber nachdenken? Sollte er hinterfragen, warum sie ausgerechnet heute Nacht alle Vorsicht fahren ließ? Er sollte. Definitiv.

 

Aber… er konnte nicht.

 

Jetzt hob sie den Kopf an, sah ihm zu mit herrlich roten Wangen, und er schaffte es nicht mal ihr ein Grinsen zuzuwerfen, denn er wollte sie einfach nur noch schmecken! Wollte sie zum Schreien bringen, und sich morgen verdammt noch mal den Schädel abfluchen, dafür, dass er so ein Idiot war!

 

Und fast übermütig leckte er mit der Zunge über ihren empfindlichen Punkt, hörte sie aufkeuchen, und es putschte ihn nur auf! Er drückte mit den Händen ihre Schenkel sanft auseinander, ehe er seine Zunge verlangend in ihr versank. Er stieß in kreisenden Bewegungen nach vorne, und sie keuchte und stöhnte, schrie seinen verdammten Namen, und er liebte jede Sekunde hiervon! Er kostete sie, schmeckte sie, reizte sie, setzte seinen Daumen ein, rieb harte Kreise über ihrem Nervenbündel, während er seine Zunge tiefer stieß, bis sich der erlösende Schrei aus ihrer Kehle rang, und ihre Oberschenkel zitterten.

 

Er hob schwer atmend den Kopf zwischen ihren Beinen empor, und sie hatte die Augen geschlossen, atmete durch den Mund, und feine rote Flecken zierten ihre Wangen.

 

Sie war wunderschön. War sie immer so wunderschön gewesen, fragte er sich atemlos, und er wollte nicht, dass dieser Moment hier mit ihr jemals endete.

 

Sie öffnete die Augen nicht, als sie sprach. „Zieh… endlich… die Klamotten aus…“, flüsterte sie hilflos, und er folgte ihren Worten. Merlin, wie gerne er ihren Worten folgte! Er hatte noch nie so schnell sein Hemd aufgeknöpft, schüttelte es zornig von den Schultern, drehte sich um, schob seine Hose von den Beinen, seine Shorts und die Socken gleich mit, ehe er sich schwer atmend wieder umwandte. Noch immer lag sie mit zufriedenem Ausdruck auf dem breiten Bett und schon lag er wieder über ihr.

 

Langsam öffnete sie ihre dunklen Augen, und fast euphorisch sah sie ihn an. Fast vollkommen glücklich.

 

Ich liebe dich, dachte er, und musste schlucken. Aber er verdrängte diese Worte, ermahnte sich, sie niemals laut zu sagen, und senkte den Mund erneut auf ihre Lippen. Sie kam ihm entgegen, küsste ihn hungrig, musste sich selber schmecken, aber es schien ihr egal zu sein.

 

Ihre Zunge focht mit seiner um unerreichbare Dominanz, und seine Hand fand den Weg zurück zwischen ihre Beine, während seine Erektion steinhart auf ihren Einsatz wartete!

Seit Wochen wartete, so kam es ihm vor!

 

Ihre Hände erkundeten verzweifelt seinen Körper, kratzten über seine nackte Haut, griffen in seine Schultern, in seinen Nacken, zogen ihn näher zu sich, und sie spreizte ihre Beine für ihn voller Ungeduld. Und er wusste, er würde es nicht lange aushalten, er wusste, er würde seine sprichwörtliche Ausdauer nicht unter Beweis stellen können! Nicht heute! Nicht mit ihr!

 

Aber er wollte sie ansehen! Er wollte sie ansehen dabei, wollte keine Sekunde verpassen.

 

Er riss sich von ihr los, unterbrach den allesverzehrenden Kuss, für den ein Mann jederzeit sterben würde, und sein Schwanz glitt in die richtige Position, den richtigen Winkel, und es handelte sich nur noch um den Bruchteil einer Sekunde!

Er suchte ihren Blick. Und für einen Moment, für eine wilde Sekunde, lag so etwas wie Wehmut in ihrem Blick. Als wäre es… Lebewohl. Er schluckte schwer unter seinen unregelmäßigen Atemzügen.

 

Ihren Augen waren ineinander versunken, und er glitt in ihre feuchte Hitze. Ohne Mühe, ohne Widerstand, und sein Blick zwang sie, ihn anzusehen. Nicht die Augen zu schließen, und sie sah ihn an! Merlin, wie sie ihn ansah. Sie schluckte kurz, als seine Länge sie komplett ausfüllte, sie dehnte, wie schon so oft zuvor, und sie atmete stumm durch den Mund, bewegte sich rhythmisch unter ihm, kam ihm nur zu gerne entgegen, als er das Tempo anhob, und sie waren eins, verflucht noch mal!

 

Wie er es gehasst hatte, sie nicht zu haben!

 

Tiefer rammte er sich in sie, grub seine Finger in ihre weiche Haut, und musste sich beherrschen, nicht sofort zu kommen!

 

Welche Sorgen er sich um sie gemacht hatte! Was für eine Panik er gehabt hatte, als sie nirgendwo zu finden gewesen war! Als er sie gesehen hatte! Mit dem Fluch an den Stuhl gefesselt! Er hatte die Mädchen umbringen wollen dafür! Und jetzt war sie hier! Und er hatte sie!

Sie war unter ihm, liebte jede seiner Bewegungen, gab sich ihm völlig hin, und er stieß härter nach vorne, zog sich zurück, kostete jede Sekunde aus, stieß kraftvoll wieder nach vorne, pinnte sie auf die Matratze unter sich, erlaubte ihr nicht, den Blick abzuwenden, und kurz bevor er es spürte, küsste er sie erneut.

 

Voller Verzweiflung, hungrigem Verlangen und der Angst, sie morgen zu verlieren.

 

Sie keuchte in seinen Mund, erwiderte seinen Kuss, klammerte sich an ihn, während er unkontrollierter nach vorne bockte, während er spürte, dass er keine Kontrolle mehr hatte! Er kam! Und es war ein unglaublicher Orgasmus! Es war der Orgasmus aller Orgasmen, und ihm wurde schwarz vor Augen, als Erleichterung ihn durchflutete, während sie schon wieder seinen Namen schrie, den Kopf nach hinten warf, sich wand, und er kaum noch wusste, wie er hieß oder welche Sprache er sprach!

 

Merlin!

 

„Ich liebe dich!“, sagte er – dachte er? Er wusste es nicht! Es war egal.

 

Scheiß egal. Er könnte jetzt sterben, und es wäre ok.

Er brauchte gar nichts mehr, er –

 

„-was?“, unterbrach ihre leise Stimme seine erdbebengleichen Nachwellen seines unglaublichen Orgasmus‘, und seine Augen flatterten träge auf, während er sich schwer atmend über ihr abstützte.

 

„Hm?“, war alles, was er nicht sonderlich intelligent erwidern konnte, denn er musste erst wieder zu Atem kommen. Sie hingegen schien bereits wieder gänzlich auf der Erde angekommen zu sein.

 

„Was hast du gesagt?“ Ihre Stimme verriet selbst seinem trägen Gehirn, dass etwas nicht stimmte.

 

„Gesagt?“, krächzte er, und hatte gerade keine Lust, zu reden, zu denken – irgendetwas zu tun, wenn er ehrlich war. Er wollte für immer in ihr bleiben, einschlafen, aufwachen und das Spiel von vorne beginnen. „Ich habe nichts-“

 

„-doch hast du!“, unterbrach sie ihn heiser. Sein Atem beruhigte sich langsam, aber er war immer noch ziemlich benebelt.

 

„Was?“, wollte er träge wissen, aber ihr Blick wirkte… anders. Nicht mehr glücklich, stellte er am Rande seiner Lethargie fest.

 

„Du… du liebst… mich?“, wiederholte sie tonlos, und sein Mund öffnete sich überfordert.

 

Fuck.

 

Anscheinend hatte er es nicht nur gedacht! Merlin, er war so ein Idiot! Er war so ein dummer Wichser! Er zog sich aus ihr zurück, rollte auf die Bettdecke und war einfach physisch in keiner guten Position, um sich eine passable Lüge auszudenken. All sein Blut dümpelte nutzlos in tieferen Regionen seines Körpers. Sein Gehirn lag blank.

 

„Malfoy?“, fragte sie, fast kleinlaut.

 

Fuck. Fuck, fuck, fuck! Was jetzt?

 

Sag was. Sag irgendetwas, Draco! Egal, was.

 

Irgendwas!

 

„Es… es war nicht ernstgemeint“, war das Beste, was ihm einfiel, und es war das dümmste, was ihm einfiel. Er schloss verzweifelt die Augen. Wieso hielt er nicht ein einziges Mal seine dämliche Klappe?!

 

„Nicht… ernstgemeint?“ Sie schien es ihm nicht wirklich abzukaufen, stellte er verzweifelt fest.

 

„Nein“, bestätigte er, noch immer etwas außer Atem. „Auf gar keinen Fall!“ Was redete er da? Er redete sich noch um Kopf und Kragen, Salazar noch mal! „Hast du noch nie beim Sex irgendetwas gesagt, was du nicht so gemeint hast?“, fuhr er sie jetzt auch noch an, aber er schloss die Augen über seine grenzenlose Dummheit.


„Nun, das solltest du am besten wissen, oder nicht?“

 

Merlin, klang ihre Stimme kalt.

 

Er brauchte dringend eine Antwort.

 

Es gab keine Antwort.

 

Und sie erhob sich. Aber geistesgegenwärtig ergriff er ihren Arm, hielt sie auf, ließ sie nicht gehen. Sie konnte nicht gehen, durfte nicht gehen!

 

„Nicht!“, sagte er nur, dachte angestrengt nach, und ihr Blick wirkte so unglaublich verzweifelt.

 

„Du… liebst mich nicht?“, fragte sie ihn also, mit einem verdammten Pokerface auf ihren wunderschönen Zügen. Wo hatte sie gelernt, ein Pokerface zu machen, fragte er sich unwillkürlich.

 

Fuck.

 

Er liebte sie nicht?

 

Doch. Nein. Doch. Nein.

 

Es gab diese beiden Möglichkeiten, verflucht noch mal!

 

Welche war die richtige? Was wollte sie? Denk nach, du Arschloch!

Ok. Sie wollte nur Sex. Sie wollte nicht nachdenken. Sie wollte das Kind entfernen.

Mehr wollte sie nicht. Sie mochte nicht ihn, sie mochte seinen Körper, rekapitulierte er bruchstückhaft das vorangegangene Gespräch.

 

„Nein!“, entschied er sich im Bruchteil einer Sekunde zu sagen, und es war die bessere Entscheidung gewesen. Für ihn zumindest. Sie wollte ihn ohnehin nicht. Und er würde sich so besser schützen, würde sein Seelenheil bewahren, als ihr jetzt die Wahrheit zu sagen, und von ihr zerschmettert zu werden.

 

„Ok“, sagte sie langsam, musterte ihn ausgiebig, und er schluckte, denn seine Kehle war trocken. War es die richtige Antwort gewesen? Er konnte ihren Ausdruck nicht lesen, ihn nicht deuten. Und es bereitete ihm Angst. Wieso Salazar noch mal, wirkte sie gefasster als er es war?! „Dann sag so was nie mehr“, warnte sie ihn ruhiger.

 

Die Luft entwich seinen Lungen in dankbarer Erleichterung.


„Es war… nur ein Reflex. Ich habe es tausendmal gesagt, zu den Mädchen, die-“

 

Halt die Klappe, Draco! Merlin, hörst du nie auf zu reden?!

Er biss sich praktisch auf die Zunge, um sich davon abzuhalten, absolute Scheiße von sich zugeben. Noch immer wirkte ihr Gesicht verschlossen.

 

„Hast du es zu Astoria gesagt?“, fragte sie unwillkürlich, und hastig nickte er.

 

„Ja, sicher! Ich…“

 

Falsche. Antwort.

 

Eine kalte Verletztheit kroch über ihre Züge, ließ sie dunkler, trauriger erscheinen. Aber nur für einen winzigen Moment. Wow. Er war fasziniert von sich selbst, wie schlecht er in solchen Dingen war. Er hatte von Liebe keine Ahnung. Definitiv nicht.

 

„Dann hast du mit ihr geschlafen?“, wollte sie von ihm wissen.

 

Oh Salazar. Er fing an zu schwitzen.

 

„Äh… ich…“

 

Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Merlin, er konnte sich nicht retten. „Ja“, bestätigte er also grimmig diese weitere Lüge. Denn besser, er hatte es beim Sex gesagt, und Granger glaubte, es bedeutete nichts, als… - Merlin, er wusste selber nicht mehr, um was es ging!

 

„Wann hast du mit ihr geschlafen?“, wollte sie plötzlich skeptisch wissen. Wieso war sie so gleichmütig? Es sollten längst alle Alarmglocken bei ihm schrillen, aber die Orgasmus-Nachwirkungen hatten ihn zu einem dummen Idioten werden lassen.


„Was?“ Er starrte sie an. War das ihr ernst?! „Keine Ahnung mehr“, wich er ihrer Frage aus.

Er bekam schlimme Kopfschmerzen, stellte er panisch fest.

 

„Vor Silvester?“

 

„Ich… äh… ja?“, sagte er, und sie nickte schließlich. „Können wir damit aufhören?“, erkundigte er sich erschöpft. Sie machte ihm Angst.

 

„Ok“, sagte sie nur. Immerhin lief sie nicht weg.

 

Und er fragte sich für eine wilde Sekunde, ob sie genauso spielte, wie er? Ob sie… eigentlich gehofft hatte, dass er Ja sagen würde, dass er sie tatsächlich liebte?

 

Aber… wurde es dann nicht kompliziert? Und wollten sie beide nicht genau das verhindern? Oder… spielte sie etwas ganz anderes? Langsam zog sich seine Stirn in Falten. Etwas lief hier schief, stellte er plötzlich fest. Etwas lief anders, und er glaubte fast, es war nicht seine Schuld! Aber sie unterbrach seine wachsende Skepsis.

 

„Und es war Cynthia gewesen?“, wollte sie plötzlich von ihm wissen. „Als du mir nach der Verlobung erzählt hattest, du hattest grandiosen Sex gehabt?“, erwischte sie ihn noch einmal eiskalt, und er öffnete überfordert den Mund. „Hast du es zu ihr auch gesagt? Dass du sie liebst?“

 

Er schwieg. Denn… was sollte er sagen? Denn es sah so aus, als hätte er mit Astoria Sex gehabt und hätte ihr gesagt, dass er sie liebt, und er hatte mit Cynthia Sex gehabt, und es war schlechter Sex gewesen! Und noch niemals hatte er überhaupt einem Mädchen so etwas gesagt! Und… - was ging hier überhaupt vor? So langsam hatte er das Gefühl, dass nichts, was er sagen konnte, irgendeinen Unterschied machte!

 

„Draco?“, sagte sie mit mehr Nachdruck, und musste sie ausgerechnet jetzt seinen Vornamen sagen?! Es tat weh.

 

Und er atmete resignierend aus. Scheiße.

 

„Ja“, bestätigte er, und er ließ ihren Arm los.

 

Falsch gespielt, Malfoy. Er wusste es.

 

Denn jetzt glaubte sie, er hätte mit ihren Entführerinnen Sex gehabt und ihnen ebenfalls gesagt, er würde sie lieben. Fuck. Gut, er hatte mit Cynthia Sex gehabt. Und er bereute nichts so sehr, wie das. Aber… er konnte es nicht ändern!

Er könnte zurückrudern, alles zurücknehmen, aber sie lächelte plötzlich. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Das war nicht gut.

 

„Danke“, sagte sie, und nein! Ein sanfter Glanz legte sich über ihre Augen. Sie war aufgestanden und wickelte sich den Bademantel um den Körper. „Wovor hattest du eigentlich Angst? Du machst es einem sehr leicht, zu gehen“, flüsterte sie jetzt.

 

Und er wollte schreien, wollte die Welt bestrafen dafür, dass er ein Arschloch war, aber er tat ihr den Gefallen. Er fixierte sie mit einem düsteren Blick. Er war sich fast sicher.

Sie spielte. Das Miststück spielte mit ihm. Sie brauchte einen Mistkerl, um sich besser zu fühlen? Dann würde er diese Rolle übernehmen. Er spielte sie doch so verdammt gut!

 

„Gern geschehen, Granger.“ Seine Stimme klang dunkel, und unendlich weit entfernt.

 

„Ich… werde gehen“, sagte sie und schien sich zu schämen. Und er nickte bitter.

 

„Gut“, bestätigte er, „ich habe ohnehin bekommen, was ich von dir wollte. Gibt keinen Grund, länger zu bleiben, oder? Ich hoffe, dir hat das Spiel gefallen.“

 

Arschloch. Es tat weh. Es tat ihm wirklich weh. Sie hatte ihm wehgetan. Er hatte ihr wehgetan. Verflucht großartig.

 

Sie hatte sich abgewandt und war im Bad verschwunden.

 

Panik erfasste ihn sehr plötzlich.

 

Er musste sie aufhalten. Er musste sie zwingen, ihm zuzuhören! Er musste es irgendwie… richten! Er musste…- aber er wusste nicht, wie. Sie waren zu stolz! Er… konnte nicht. Er konnte das hier nicht richten, ging ihm machtlos auf. Sie wollte es nicht.

Er schloss die Augen, versuchte, sich zu beherrschen, zwang sich, nicht zu weinen.

 

Und langsam glaubte er, er hatte alles falsch gemacht. Einfach alles.

 

„Du… liebst mich nicht?“

 

„Doch. Über alles auf der verdammten Welt! Nichts so sehr wie dich!“

 

Das wäre die Antwort gewesen. Er wäre einfach nicht auf dieses Spiel eingegangen. Er hätte einfach geantwortet! Das wäre das Richtige gewesen. Er schlug verzweifelt neben sich auf die Matratze. Er hatte kein weiteres Ass im Ärmel, keinen Trumpf versteckt! Er hatte alle seine Karten ausgespielt, und selbst wenn er alles rückgängig machen konnte, konnte er niemals rückgängig machen, dass Granger wusste, dass er mit Cynthia geschlafen hatte – was er mehr bereute als irgendetwas sonst! Er wusste nicht mal, ob sie ihn tatsächlich dafür hasste!

 

Seine Zeit war abgelaufen. Sie kam angezogen aus dem Badezimmer, ging zu der Sitzgruppe und griff sich den Umschlag – der Scheck!

 

Oh. Er war sich nicht sicher, wie sie damit umgehen würde, wenn sie erst mal wüsste, was sich im Innern des Umschlags befand. Aber jetzt konnte er schlecht damit anfangen, oder?!

 

Sie kam zurück zum Bett und nahm sich auch das iPad aus seiner Tasche mit. An der Garderobe zog sie den Mantel über und verbarg es im Innern. Und er saß immer noch wie ein Idiot im Bett und starrte sie an. In seinem Kopf hatte er sie bereits ein Dutzendmal aufgehalten, aber… in der Realität saß er wie ein Mistkerl im Bett und beobachtete sie.

 

Verdammt noch mal zu stolz, um irgendetwas zu tun, was ihn das Gesicht verlieren ließ.

 

„Das war’s dann“, verabschiedete sie sich ein wenig überrascht und tatsächlich unglücklich von ihm.

 

Halt sie auf. Beweg dich endlich, und halt sie auf! Jetzt!

 

Aber sie sprach weiter. „Ich weiß, wahrscheinlich wärst du jetzt daran gewöhnt, dass ich dir sage, dass ich dich liebe, aber… ich persönlich sage es nur, wenn ich es ernst meine.“

 

Scheiße. Oh, fick dich, Granger! Sie sagte es mit Absicht, war mit Absicht blind. Kurz hasste er sie! Aber es war egal, denn er hasste sich selber um Längen mehr!

Es war anstrengend, erwachsen zu sein, fiel ihm plötzlich auf.

 

„Tja“, sagte er tatsächlich, als ihm etwas bewusst wurde, „zu dumm, dass Weasley jetzt mit Pansy zusammen ist“, ergänzte er. „Aber keine Sorge, Granger. Es wird nicht halten. Blutsverräter und Reinblüter passen ebenso wenig zusammen wie-“, und kurz zögerte er, und sie sah ihn an. Und wieder hatte er die Wahl. Und er sah, sie wartete, lauerte – und wenn sie es wollte – wenn sie dachte, es half auch nur ein Bisschen weiter – dann sagte er es, „-wie ein Todesser und ein Schlammblut.“ Er biss die Zähne zusammen. Sie hatte nichts anderes von ihm erwartet. „Sobald es vorbei ist, kannst du dem Orangenkopf deine Liebe gestehen. Ich bin sicher, er wird Luftsprünge machen“, informierte er sie kalt, ohne die Eifersucht zu unterdrücken.

 

Sie lächelte tatsächlich ein endlos trauriges Lächeln. Oh, er hasste sie dafür! „Und Wut und Zorn und Trotz hatten sich vermischt. „Es war nur Sex“, erklärte er. Sex, den sie versaut hatte, weil sie tatsächlich versuchte, ein Arschloch zu sein! Sex, den er versaut hatte, weil er tatsächlich ein Arschloch war….

 

„Keine Sorge. So fühlt es sich auch an!“, gab sie zornig zurück. Ihr Blick flackerte kurz. Sie konnte die Fassade nicht gut halten, stellte er fest.

 

„Dann ist die Bezahlung auch nur passend“, knurrte er und deutete mit einem eisigen Blick auf den Umschlag in ihrer Hand.

 

Er war ein Wichser. Wieso stand er nicht auf? Wieso zog er sie nicht in seine Arme? Wieso beendeten sie das Spiel nicht?

 

Wieso sagte er ihr verdammt noch mal nicht, dass er wusste, dass sie Angst hatte, und dass er die Worte ernst meinte? Dass er sie haben wollte? Heute, morgen und nächstes Jahr? Wieso war es so verdammt schwer? Wieso gaben sie nicht auf? Wieso… taten sie das? Was war es noch wert? Merlin, er spürte regelrecht, wie es vorbei war.

 

Er hatte die Chance verpasst. Spielte sie tatsächlich? Seine Brust hob und senkte sich, während Tränen in ihren Blick traten.

 

Fuck.

 

Er war zu weit gegangen.

 

Aber sie wollte aus der Sache raus – oder nicht? Alle Zeichen deuteten darauf hin! Sie legte es doch darauf an! Er war ein Arschloch. Er verdiente sie nicht. Er verdiente Einsamkeit und Schmerzen, aber nicht ihre Aufmerksamkeit.

Er verdiente gar nichts. Und Merlin sei Dank, tat sie ihm endlich den Gefallen! Sie stürmte aus der Suite, knallte die Tür hinter sich zu, und endlich war sie fort, bevor er sich noch hätte verfluchen müssen dafür, so ein verdammtes Arschloch zu sein!

 

Und er schloss die Augen. Wieso war sie so blind? Wieso war sie so stolz wie er? Wieso sah sie es denn nicht?!

 

Eine Träne rann einsam über seine Wange.

 

Und in seinem Kopf, in seiner wunderbaren Fantasie, war sie noch da. War nicht gegangen. Er war kein Arschloch gewesen, und der Schmerz ließ ihn nach Luft schnappen, so sehr vermisste er sie bereits. Scheiße.

Wenn er nur die Augen geschlossen hielt, dann konnte er sich ihre Gestalt ins Gedächtnis rufen. Und noch konnte er sich einbilden, ihre Stimme in diesem Raum verklingen zu hören, und er würde kein Geräusch machen, um nicht nachzudenken und festzustellen, dass sie fort war.

 

Dass er alles versaut hatte. Dass sie alles versaut hatte.

Hatte sie geplant, dass diese Nacht ihre letzte sein würde? Komme, was da wolle?

Hatte sie ihm überhaupt zu leicht geglaubt, dass er die Worte nicht ernstgemeint hatte?

Hatte sie nur auf seinen Fehler gewartet?

 

Oder… glaubte sie ihm? War sie gegangen, weil… sie es gewusst hatte? Gewusst hatte, dass er es ernstmeinte? Dieser Gedanke raubte ihm kurz den Atem. Fühlte sie… nichts?

 

Er glaubte, zu sterben vor Schmerz.

 

Wie verdammt poetisch er doch sein konnte.

 

Er blinzelte in die grelle Realität. Sie war fort.

 

„Ich liebe dich, Hermine“, sagte er still, als wäre es verdammt noch mal das Einfachste auf dieser Welt.

 

 

Kapitel 70

 

„Was war das?“

 

Er blinzelte träge. „Hm, was?“, murmelte er, aber sie schüttelte unsanft seine Schulter.

 

„Das! Was war das! Wach auf!“, forderte sie heiser. Er blinzelte in die Dunkelheit und hörte es. Ein Hämmern, so laut, dass er es nicht einordnen konnte. „Es… ist an der Tür!“, flüsterte sie panisch. Kurz überlegte er, ob sie es sich beide einbildeten, aber… das Hämmern hörte nicht auf.

 

Er schwang zornig die Beine aus dem Bett, griff sich den Zauberstab vom Nachttisch, bereit, jeden zu verfluchen, der es wagen konnte, mitten in der Nacht an die Tür zu hämmern, wie ein Wahnsinniger. Sie folgte ihm ängstlich, hatte sich die Robe übergezogen, aber er hielt sie auf.

 

„Bleib hier“, befahl er, aber sie schüttelte nur den Kopf.

 

„Ich lasse dich bestimmt nicht alleine da raus gehen!“, widersprach sie, wie eigentlich immer, wenn er ihr etwas befahl. Knurrend lief er durch den Flur, hexte die Lampen an, überwand die vielen Stufen nach unten, die ihm heute Nacht besonders endlos vorkamen, bis er die Halle erreicht hatte. Die Elfen standen versammelt vor der Tür.

 

„Herr, wir… wissen nicht, ob-“

 

„-oh, seid einfach still!“, blaffte er die Geschöpfe an, die zusammenzuckten unter seiner Stimme. Mit erhobenem Zauberstab trat er vor, und mit mehr Courage, als er wirklich hatte, riss er die schwere Haustür auf, einen Unverzeihlichen auf den Lippen.

 

Mit geöffnetem Mund hielt er sich in letzter Sekunde auf.

 

Die Hand des nächtlichen Besuchs fiel zitternd an seine Seite, Blut tropfte von seinen Knöcheln auf das marmorne Plateau. Sein Zauberstab sank überfordert in seiner Hand, aber sie schob sich panisch an ihm vorbei nach draußen.


„Draco!“, rief Narzissa voller Panik aus, und Lucius kam nicht über die Tatsache hinweg, dass sein Sohn mit verweinten Augen und blutiger Faust zehn Minuten lang gegen die Tür gehämmert hatte.

 

Narzissa hatte ihn am Arm ins Innere gezogen, während die Elfen an der Wand zusammengekauert die Familie anstarrten. Draco zitterte am ganzen Leib.

 

„Bist du… betrunken?“, war Lucius‘ erste Frage, und Narzissa schoss ihm einen so empörten Blick zu, dass er den Mund schloss, aber sein Sohn sah ihn an.

 

„Noch nicht“, erwiderte er, und Lucius war alarmiert. Draco war nüchtern.

 

„Was ist passiert? Was tust du hier?“, wollte Narzissa wissen, die Draco mit zitternden Fingern die verschwitzten Strähnen aus der Stirn kämmte, was er abwesend einfach zuließ.

 

„Ich… ich wusste nicht, wohin“, flüsterte er, und wieder liefen Tränen über seine Wange. Lucius starrte ihn ungläubig an. Draco weinte? Er weinte tatsächlich? War es ein Trick? Lucius war so überfordert mit dieser Situation.

 

„Aber… du bist doch in Hogwarts? Wieso bist du nicht in Hogwarts?“ Narzissas Stimme grenzte an Hysterie, doch Draco vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er weinte so sehr, wie Lucius es noch nie erlebt hatte. „Draco!“, flüsterte Narzissa verzweifelt, und irgendwie überwand sie alle Konventionen, die diese Familie sich über die Jahre hinweg antrainiert hatte und zog Draco in ihre Arme. Vorsichtig zuerst, aber dann mit mehr Elan, strich ihm über den Rücken, während der Körper seines Sohnes von Schmerzattacken geschüttelt wurde.

 

Lucius fühlte, wie etwas gar nicht gut war. Wie etwas in seinem Innern tatsächlich darauf reagierte, dass sein Sohn Qualen erleiden musste.

 

„Mum, ich… kann das nicht“, sagte Draco unter Tränen, und Lucius war sich ziemlich sicher, dass Draco dieses Wort seit zehn Jahren nicht mehr benutzt hatte. Scheinbar gaben Dracos Knie nach, und er sank nach unten auf den kalten Boden, zog Narzissa einfach mit sich, und dann saßen seine Frau und sein Sohn eng umschlungen auf dem Fußboden seines Hauses und weinten beide.

 

Alkohol. Er brauchte jetzt Alkohol.

 

~*~

 

Draco starrte leer nach vorne in die Flammen des Kamins im Saal.

 

Lucius konnte den Blick kaum von ihm wenden. Es war nach zwei Uhr morgens, und die Elfen brachten Taschentücher, hatten Dracos Hand geheilt, und in seiner anderen Hand zitterte ein halb leeres Glas Scotch.

 

Und noch immer hatte er nichts gesagt.

 

„Was ist los?“, wollte Lucius wissen, dem die Geduld schwand und dem dieses Theater mächtig an die Nieren ging.

 

„Ich weiß es nicht“, wiederholte Draco tonlos. „Ich… weiß es nicht“, sagte er, ohne jemanden anzusehen.

 

„Draco-“, begann Lucius warnend, aber sein Sohn sah ihn plötzlich an, so unglücklich, so… unglaublich jung, dass Lucius Magenschmerzen bekam.

 

„Ich…“ Und es war, als könne er es nicht sagen. Lucius saß schon auf der Kante der Couch, so angespannt war er. „Ich…“, sagte Draco wieder und schloss dann die Augen. Er leerte den Rest des Glases in einem Zug. „Ich… habe einen Fehler gemacht“, flüsterte er müde. „Einen Fehler, den ich nicht beheben kann.“

 

Lucius schwante Schlimmes. „Wie viel Gold brauchst du?“, wollte er tonlos von seinem Sohn wissen, der immer nur Schwierigkeiten machte. Aber Draco lächelte freudlos.

 

„Ich brauche kein Gold“, erwiderte er düster. „Gold kann es nicht richten, Lucius“, fuhr er eisig fort. „Kein Gold der Welt kann das!“ Er schloss die Augen fest und weitere Tränen fielen auf seine Wangen. Er vergrub den bleichen Kopf in den Händen. „Was habe ich getan!“, flüsterte er gebrochen, und Lucius befürchtete, er hatte jemanden umgebracht. Sein eigener Sohn! Merlin, er hatte es alles kommen sehen!

 

„Draco, was ist passiert? Bitte, rede mit uns, ich bitte dich!“, flehte Narzissa, die selber weinte. Aber Draco weinte weiterhin nur stumme Tränen.

 

„Wie soll jemand wie ich etwas richtig machen?“, fragte er niemand bestimmten, sein Gesicht noch immer in den Händen vergraben.

 

„Draco“, sagte Lucius jetzt zornig, „was in Salazars Namen geht hier vor? Wovon redest du? Wenn die ganze Familie in Schwierigkeiten steckt wegen dir, dann sag es endlich!“, riss ihm der Geduldsfaden, und Draco hob erschöpft den Blick. Er schien zu verstehen.

 

„Keine Sorge. Keiner von euch ist in irgendwelchen Schwierigkeiten. Alles ist verflucht fantastisch, oder nicht?“, fuhr Draco ihn böse an. „Der Vertrag ist unterschrieben! Sie geht das Kind morgen entfernen! Es ist vorbei. Alles ist großartig! Alles ist so, wie es sein sollte! Ihr könnt direkt das nächste Haus bauen, die nächste Braut suchen! Alles… ist perfekt“, entfuhr es ihm erschöpft. Lucius sah ihn an.

 

Draco schloss erneut die Augen.

 

„Von was reden wir hier? Merlin noch mal, um was geht es, Draco?“, donnerte Lucius‘ Stimme, und er hatte sich abrupt erhoben. Aber Draco hatte die Augen geöffnet, war ebenfalls auf den Beinen, und ehe sich Lucius klug verhalten konnte, schrien sie sich beide an.

 

Wieder einmal.

 

„Ich weiß, ich hätte nicht kommen sollen! Niemals wieder hätte ich kommen sollen! Aber stell dir vor, ich hatte keine Ahnung, wohin ich sollte! Und es gibt tausend Orte, die immer noch besser wären – Merlin, selbst Askaban wäre ein besserer Ort als hier!“, fuhr Draco ihn zornig an, und Lucius fixierte ihn böse.

 

„Ach ja? Wieso verschwindest du nicht dorthin? Ich bin sicher, du hast dir das ein oder andere geleistet, was dich bestimmt dorthin befördert, oder nicht?“, konterte Lucius genauso laut.

 

„Das würde dir gut gefallen, oder nicht?“, wollte Draco tonlos von ihm wissen. „Dann wärst du mich los! Dann würde ich dich keine kostbare Zeit kosten, keine Sekunde deines wohlverdienten Schlafes! Keinen Sickel deines verdammten Vermögens! Verflucht, am besten wäre ich gleich mit ihm ertrunken! Dann würde niemand mehr einen unerträglichen Fehler in deiner Nähe machen können!“ Draco schloss kurz die Augen wieder, atmete angestrengt.

 

„Du machst es dir verdammt einfach, Draco! Du-“ Aber er sah ihn wieder an.

 

„-wieso haben wir nie darüber gesprochen, Merlin noch mal?“, schrie er jetzt, am Ende seiner Kraft. Seine Stimme zitterte, während Narzissa wieder angefangen hatte zu weinen. „Wieso haben wir es nie getan? Wieso wurde ich zu einem wildfremden Heiler geschickt? Wieso hat mir niemand gesagt, dass es nicht meine Schuld war, Scheiße!“, rief er, wischte sich über die geröteten Augen, und Lucius konnte ihn nur anstarren.

 

„Deine… deine Schuld?“, wiederholte er, denn er glaubte, nicht richtig verstanden zu haben.

 

„Es war meine Schuld, ich weiß das! Verdammt, ich weiß das, aber… ich wollte es nicht! Und ich… war so jung! Ich… war so jung und habe etwas getan, was mich nach Askaban bringen würde“, schien ihm plötzlich aufzufallen. „Es tut so weh!“, fuhr er heiser fort, sah ihn an, und sein Blick war offen und unglaublich ehrlich. „Hier zu stehen, tut weh, Dad! Immer wieder dasselbe zu fühlen tut verdammt noch mal weh! Und ich wünschte, ich wäre es gewesen! Merlin, ich wünschte, ich wäre ertrunken! Ich wünschte, ich wüsste, wie man gut ist, wie man irgendetwas richtig macht! Verflucht, ich wünschte, ich wüsste, wie man den verdammten Schnatz fängt, wie man Schulsprecher wird, wie man Dumbledore retten kann – aber ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht“, flüsterte er schwach.

 

Lucius schwieg, denn er hatte gerade keine Worte.

 

„Und es tut mir leid. Es tut mir so leid, Dad, aber… ich bin noch nicht tot. Ich… bin noch immer hier. Wenn ich aufwache… bin ich noch immer hier“, entfuhr es ihm zitternd. Dann sagte er nichts mehr, weinte stumm, und Lucius tauschte einen Blick mit Narzissa, die so entsetzt aussah, wie er sich fühlte.

 

„Merlin, du bist… so unglaublich dumm“, entfuhr es Lucius gepresst. Seine Hände zitterten vor Zorn. Er schloss den Abstand. „Sieh mich an!“, befahl er wütend. Und Draco öffnete müde die Augen, bereit für die nächste Runde, den nächsten Schlagabtausch, und Lucius biss die Zähne fest zusammen. Er ergriff Dracos Gesicht mit seinen Händen. „Halt den Mund“, sagte er rau. „Niemand – und ich will das nie wieder sagen müssen – niemand gibt dir die Schuld!“ Fest hielt er das weiche, junge Gesicht seines Sohnes in seinen Händen. Seine Finger waren nass von Dracos Tränen. „Du bist alles, was wir haben, du dummer Junge! Nie mehr werde ich einen weiteren Sohn verlieren!“, brachte er tonlos über die Lippen. „Merlin, wie kannst du denken, wir geben dir die Schuld? Wie kannst du nur eine Sekunde lang glauben, du wärst nicht gut genug?“, entfuhr es ihm fast zornig.

 

Und es kam so plötzlich, dass Lucius kaum Zeit hatte, es zu analysieren. Es stach in seinen Augen, es brannte unangenehm heiß, und er weinte das erste Mal seit-? Er wusste es nicht mal. Er ließ Dracos Gesicht los und schloss ihn in die Arme. Schwer sank Draco gegen ihn, während ihn stumme Schluchzer schüttelten.

 

Narzissa war zu ihnen gekommen, umarmte Draco von hinten, und so standen sie wahrscheinlich eine Endlosigkeit.

 

Und Draco ließ ihn nicht los, klammerte sich an ihn, als wäre er sonst verloren. Und es war als fiele ein schweres Gewicht von Lucius‘ Seele, als löse sich in dieser Sekunde eine dunkle

Macht von den Wänden des Hauses, bräche einfach davon und zurück blieb nur noch die sanfte Morgendämmerung nach Jahren der Dunkelheit.

 

~*~

 

Er wachte auf, als es gerade dämmerte. Er war nicht allein.

 

Die Elfe hockte zusammengekauert am Rand seines Bettes.

 

„Master Draco“, flüsterte sie und wirkte, als hätte sie ihn die ganze Nachtlang beobachtet. Er rieb sich die Augen, die von all seinen Tränen noch immer geschwollen waren. „Ihr habt keine Schuld“, wisperte das Geschöpf endlos traurig. „Tilly hat Schuld. Master Draco nicht“, ermahnte sie ihn ruhig.

 

Tilly war alt geworden, fiel ihm plötzlich auf. Und er seufzte schwer.

 

„Du dumme, alte Elfe“, sagte er rau, denn es war das erste, was er sagte. Verletzt sah sie ihn an. Er setzte sich auf, rutschte nach vorne, bis er die Elfe erreicht hatte, und tat, was er noch niemals getan hatte. Er umarmte eine Hauselfe. Tilly gefror unter dieser Geste, bis sie ihre winzigen Hände hob, um seinen Rücken kaum merklich zu tätscheln. Er hörte, sie weinte, und er löste sich von ihr. „Du hast keine Schuld“, erklärte er ruhig. „Jetzt geh schlafen. Wegen mir musst du nicht wachbleiben. Ich möchte, dass du dich ausruhst heute“, befahl er seiner Elfe, und das verhutzelte Geschöpf nickte ergeben.

 

„Ja, Master Draco“, erwiderte sie, und ein sanftes Lächeln spielte um ihre elfenartigen Züge. Dann löste sie sich auf. Er fuhr sich erschöpft durch die Haare, dann öffnete sich seine Zimmertür. Sein Vater betrat sein Zimmer und balancierte in einer Hand ein Tablett.

 

Draco runzelte die Stirn. Das hatte er noch nicht erlebt.

 

„Du… bringst mir Frühstück?“, entfuhr es ihm so ungläubig, dass er seinen Vater nur anstarren konnte.

 

„Warum nicht?“, erwiderte Lucius tatsächlich, und Draco schüttelte misstrauisch den Kopf. Auf dem Tablett dampften zwei Tassen Tee, daneben stand eine Schüssel mit aufgeweichten Cornflakes in Milch. Er musste grinsen.

 

„Perfekt“, bemerkte Draco und streckte sich.

 

„Ich habe eine Eule nach Hogwarts geschickt, damit Severus nicht gleich auf der Matte steht“, erläuterte er und setzte sich auf die Bettkante, während Draco hungrig die Cornflakes löffelte. Er hatte unglaublichen Hunger! „Wie geht es dir?“, fragte er jetzt.

 

„Beschissen“, erwiderte Draco kauend, und Lucius atmete aus.

 

„Was ist passiert?“, wollte Lucius ernster wissen. Draco aß fast gierig die nächsten Löffel und ruckte unverbindlich mit dem Kopf.

 

„Was?“, bemerkte sein Vater mit krauser Stirn. „Du stehst nachts vor der Tür, schreist, blutest und arbeitest die Vergangenheit auf, einfach nur so?“, fuhr er ruhiger fort, und Draco wollte nicht. Er wollte nicht reden. Er wollte es nicht Wahrheit werden lassen.

Stumm aß er weiter, und Lucius sah ihn unverwandt an.

 

„Vielleicht liege ich falsch, vergib mir, ich kenne mich nicht wirklich mit dieser Art von Problemen aus, aber…“ Draco hob den Blick zum Gesicht seines Vaters. „Aber… es hat nicht alles vielleicht mit Hermine Granger zu tun, oder?“ Er klang ein wenig ungläubig bei diesen Worten, fixierte ihn prüfend und neugierig, und Draco senkte den Blick zurück in seine Cornflakes-Schüssel.

 

„Hm“, machte er nur unschlüssig, und Lucius‘ Kopf legte sich langsam schräg.

 

„Draco?“, bohrte er mit unendlicher Ruhe nach, und Draco atmete aus, aß den letzten Löffel in stoischer Ruhe, um ihn dann wieder anzusehen.

 

„Ich weiß nicht“, gab er unwillig nach, nicht sicher, ob es ein Zugeständnis war. Denn er wusste es nicht. Er wusste wirklich nicht mehr, wo sie standen nach letzter Nacht. Er wusste nicht, ob er es nicht alles endgültig versaut hatte. Es kam ihm alles so unwirklich vor.

 

Und vielleicht… vielleicht hatte sie krampfhaft nach einem Ausweg aus der Situation gesucht? Vielleicht ist genau das richtige passiert, überlegte er bitter.

Es war wirklich ziemlich abgekartet von ihr gewesen. Draco nahm an, Granger schaute sich ihre Tricks bei ihm ab.

 

„Weißt du“, fuhr Lucius schließlich unverwandt fort, „deine Mutter und ich haben uns unterhalten“, schloss er ernst. „Du musst Astoria nicht heiraten, wenn du nicht willst. Ehrlich gesagt, musst du niemanden heiraten, wenn du nicht willst.“ Draco hob überrascht den Blick.

 

„Was?“, entfuhr es ihm ehrlich verblüfft.

 

„Es ist… wahrscheinlich eine dumme Tradition“, entgegnete sein Vater mit einem feinen Lächeln. „Ich bin sicher, Miss Granger wäre begeistert, das zu hören“, fuhr Lucius reflektiert fort.

 

„Ja“, bestätigte Draco nachdenklich. „Dad?“, begann er plötzlich, und er wusste, es war ein Wort, was weder er noch Lucius gewöhnt waren. Sein Vater betrachtete ihn beinahe eine Spur fassungslos.

 

„Ja?“ Und die Stimme seines Vaters klang so anders. Als würde er völlig neue Erfahrungen mit ihm machen, dabei kannten sie sich beide seit achtzehn Jahren.

 

„Ich… möchte ausziehen“, sagte er fast ungläubig die nächsten Worte. Lucius sah ihn ebenso verwundert an.

 

„Du möchtest ausziehen?“, wiederholte sein Vater mit Bedacht seine Worte. „Was… was meinst du damit?“ Scheinbar konnte er nicht begreifen. Draco wusste selber nicht, was mit ihm geschah.

 

„Ich glaube, ich… würde nach Hogwarts gerne…“

 

„-alleine wohnen?“, half ihm Lucius mit erhobener Augenbraue auf die Sprünge, und Draco sah ihn ratlos an.

 

„Ich denke schon. Ich… will arbeiten. Gold verdienen“, fuhr Draco nachdenklich fort, und Lucius tat so, als griffe er sich an das schmerzende Herz.

 

„Merlin, mein Sohn will Gold verdienen! Dass ich das noch erleben darf!“, erklärte Lucius voller ironischem Unglauben.


„Lucius!“, beschwerte sich Draco entnervt. Er hatte allerdings mit einer ganz anderen Reaktion seines Vaters gerechnet. Fast war er dankbar, dass sein Vater ihn noch nicht nachsichtig belächelt hatte. Aber dann seufzte Lucius auf.

 

„Draco, du darfst tun, was du willst“, erklärte ihm sein Vater eindringlicher. „Wir sind fertig damit, dich zu zwingen. Ich persönlich will, dass es dir gut geht. Dass du… Entscheidungen triffst, weil du sie treffen willst und nicht, weil… wir es so wollen“, schloss er seufzend. Er rieb sich die Schläfe. „Merlin, Algernon wird mich im Club auslachen, wenn er davon hört“, murmelte er, und Draco nahm an, Goyles Vater hatte noch nie irgendein Problem mit Gregory gehabt.

 

„Danke, Dad“, erwiderte Draco jetzt. Lucius verdrehte ergeben die Augen.

 

„Bedank dich nicht. Ich… weiß, wir haben noch nie ein echtes Gespräch geführt, aber… ich hoffe, das können wir von jetzt an tun?“ Fast klang Lucius beschämt. Fast klang er überrascht von sich selbst. Und Draco sprach die nächsten Worte.

 

„Ich will kein Gold mehr“, sagte er jetzt.

 

„Was meinst du damit?“, erkundigte sich sein Vater perplex.

 

„Ich… will nicht nur alleine wohnen und arbeiten, ich… will kein Gold mehr von euch“, erklärte er fester. Lucius seufzte dieses Mal auf.

 

„Nun, so einfach geht das nicht“, sagte er nur.

 

„Was?“ Draco sah ihn an. Hatte sein Vater nicht immer behauptet, Draco würde ihm nur auf der Tasche liegen und sein Gold verpulvern?!

 

„Wenn ich nicht mehr da bin, musst du dich ohnehin um das Vermögen kümmern. Es kann nicht in Gringotts versauern“, erinnerte ihn Lucius streng. Draco verzog den Mund. „Es mag dir lästig vorkommen“, begann Lucius mit erhobenen Augenbrauen und ironischem Tonfall, „aber deine rebellische Phase, alleine zu sein und ohne Gold auskommen zu wollen, kannst du auch dann umsetzen, wenn du dich mit den Finanzen der Familie beschäftigst.“

 

Draco verschränkte unzufrieden die Arme vor der Brust. „Außerdem“, fuhr Lucius mit wissendem Tonfall fort, „denke ich, dass Miss Granger alleine die Geste zu schätzen wissen wird“, schloss er mit eindeutigem Blick, und Draco sah ihn stirnrunzelnd an. Bevor Draco aber protestieren konnte – wo gegen auch immer – sprach sein Vater weiter.

 

„Mich erreichte heute ein Brief aus Gringotts“, fuhr Lucius nun mit einem Schmunzeln fort. Draco schluckte, denn er konnte ahnen, was in diesem Brief gestanden hatte. „Ich wurde darüber informiert, dass Draco Malfoy seinen Erbteil an Hermine Granger überschrieben hat. Ganze dreihundert Milliarden Galleonen“, schloss Lucius mit falscher Feierlichkeit. Draco verzog knapp den Mund. Er hatte bereits angenommen, dass das nicht vollkommen unbemerkt an Lucius vorbeigehen würde.

 

„Weiß das Mädchen von ihrem Glück?“, fragte Lucius eine Spur spöttisch, und Draco war es schleierhaft, dass sein Vater bis jetzt noch nicht geschrien hatte.

 

„Ich glaube… noch nicht wirklich“, wich Draco dem Blick seines Vaters ein wenig ertappt aus, und trank eilig einen kalten Schluck Tee. Ansonsten hätten sie Grangers Schrei bestimmt bis hierhin nach Wiltshire gehört, nahm er dumpf an. Sein Vater zog seelenruhig ein Blatt Pergament aus der Tasche.

 

„Mhm. Sie läuft also ahnungslos mit einem Teilhaber-Gold-Scheck durch Hogsmeade, welcher ihr ein Drittel unseres Vermögens vermacht?“ Lucius sah ihn immer noch entsprechend amüsiert an. Draco seufzte schließlich auf. Es war eine Kurzschluss-Reaktion gewesen. Aber bis jetzt bereute er es noch nicht. Nur den lästig überheblichen Blick seines Vaters konnte er nicht mehr ertragen.

 

„Wenn ich dieses Papier unterschreibe“, bemerkte Lucius seelenruhig und hielt das Stück Pergament in die Höhe, „validiere ich deine Verfügung, Draco“, erklärte er anschließend.

„Willst du das?“, stellte er die allesentscheidende Fangfrage, von der Draco kaum annehmen konnte, dass Lucius sie ernst meinte. Draco kaute auf seiner Unterlippe. „Ich meine, es erklärt, warum du mir eröffnest, in Zukunft kein Gold mehr anzunehmen, bedenkt man, dass du gestern praktisch dreihundert Milliarden verschenkt hast“, fuhr er lächelnd fort. Draco sah ihn an. „Es bringt mich allerdings zu meiner nächsten Frage, und ich hoffe, du nimmst sie mir nicht übel?“

 

Merlin, sein Vater war ein Bastard. Draco nahm an, er erkannte da eine gewisse genetische Linie in der Erbfolge.

 

„Ja?“, wollte Draco mittlerweile vollkommen entnervt wissen.

 

„Wenn du Miss Granger dein Gold schenkst“, begann er, sich dummstellend wie ein Kind, „wieso hast du dann überhaupt in eine Scheidung eingewilligt?“ Draco hatte damit gerechnet, und seine Antwort war keine wirklich gute.


„Weil sie es wollte“, erwiderte er zerknirscht.

 

„Mhm“, machte sein Vater wieder nachdenklich. „Sie wollte die Scheidung?“, wiederholte sein Vater. „Und du schenkst ihr ein Vermögen? Und du stehst da weder mit Gold, noch… mit ihr?“, vergewisserte er sich.

 

„Ja?“ Fast aggressiv hatte er seinem Vater geantwortet, aber Lucius lächelte immer noch.


„Dann scheinst du dir ja ausreichend Gedanken gemacht zu haben“, spottete er immer noch ruhig. „Soll ich unterschreiben?“, wiederholte er aber tatsächlich, während er die Feder aus der Tasche seines Blazers zog. Draco atmete genervt aus.

 

„Ich habe verstanden“, erwiderte er zerknirscht. „Du wirst es nicht tun“, ergänzte er eindeutig und verschränkte die Arme vor der Brust. Allerdings wich Lucius‘ spöttischer Bick einem durchaus wachsamen.

 

„Ich könnte unterschreiben, es mit dem nächsten Kauz nach Gringotts schicken, und das Gold wäre in den nächsten dreißig Minuten ihres“, erläuterte er mit Bedacht. Draco wartete auf die nächsten überheblichen Worte seines Vaters, die unweigerlich folgen würden. Das nächste ‚Aber‘ stand doch bereits im Raum, oder nicht? „Ich bin mir allerdings fast sicher, dass sie es nicht annehmen wird, Draco“, schloss sein Vater ernster.

 

Draco sah ihn an. „Was soll das heißen?“, entfuhr es ihm unerwartet perplex.

 

„Was meinst du?“, erwiderte sein Vater, immer noch ernst.

 

„Ich – du würdest… unterschreiben?“ Ungläubig sah Draco ihn an. Lucius schien eine weitere Sekunde abzuwägen und ruckte denn mit dem Kopf.

 

„Es ist dein Gold. Es steht dir zu. Du kannst damit tun und lassen, was du willst, Draco“, erläuterte Lucius gleichmütig und überfordert lehnte sich Draco in die Kissen zurück, ohne seinen seltsamen Vater aus den Augen zu lassen.

 

„Ich sage es ungern“, begann sein Vater von neuem, legte Pergament und Feder beiseite und hob seine eigene Teetasse vom Tablett, um einen Schuck zu trinken, „aber vielleicht solltest du sie gehen lassen?“, schlug er sanfter vor. „Sie wird das Kind heute entfernen, und es sieht nicht so aus, als ob sie ihre Meinung ändert. Und selbst wenn du alles aufgibst, ausziehst, arbeiten gehst – denkst du, sie wird ihre Meinung dann ändern?“

 

Es war wohl die verdammte Preisfrage, oder nicht? Draco kam kaum über die Tatsache hinweg, dass sein Vater nachgab, dass er Draco gewähren ließ! Draco hatte keine Ahnung, seit wann sein Vater irgendeine Einsicht in emotionale Dinge hatte, aber es waren leider auch keine positiven Worte, die er sprach. „Vor allem, wenn nicht mal mehr ein Kind da ist, was euch theoretisch aneinander bindet?“ Lucius trank ruhig einen weiteren Schluck, und Dracos Mundwinkel sanken aussichtslos. „Vielleicht liebt sie dich nicht“, sagte er voller Mitgefühl. „Und was passiert dann?“, wollte er ruhig wissen.

 

Draco spürte die beißenden Tränen in seinen Augen. „Es wäre töricht, alles aufzugeben, für ein Mädchen, was dich nicht will“, sagte sein Vater untröstlich. Draco schloss die Lider und nickte einmal.

 

Ja, er wusste das. Aber mit geschlossenen Augen schüttelte er den Kopf. Und fast konnte er nicht, glauben, was er sagte. Aber nur fast. Denn er wusste, egal, wie er es drehte und wendete – egal, wie oft er es leugnen würde – es bliebe trotzdem wahr.

 

 „Sie ist die eine, Dad“, erwiderte er sehr ruhig, öffnete die Augen und hob den glasigen Blick zum verblüfften Gesicht seines Vaters. „Und ich will, dass sie das weiß“, flüsterte er.

 

Und dann war es entschieden. Einfach so. Und Lucius nickte, als würde er verstehen. Als würde er sich tatsächlich die Mühe machen, und in Draco etwas wie einen Ebenbürtigen Mann sehen. Fast trieb es Draco die Tränen in die Augen.

 

Lucius ergriff die Feder ohne weiteres Zögern, als würde kein weiterer Zweifel mehr im Raum stehen, als würde er nicht annehmen, Draco hätte den Verstand verloren. Es bedeutete so viel. Draco hatte sich gestern überwunden, hatte den alles entscheidenden Weg nach Hause gewagt, hatte sein Herz ausgeschüttet, war alles Böse losgeworden, und sein Vater… tat nun seinen eigenen großen Schritt in Dracos Richtung.

 

Und Draco konnte nicht anders, als ihm zusehen, während sich sein Kiefer leicht lockerte. Sein Vater unterschrieb das Dokument, so wie er jedes Dokument auf der Arbeit unterschreiben würde. Voller Ernsthaftigkeit, ohne den Hauch eines Zögerns.

 

Und jetzt gehörte Granger sein Gold. All sein Gold.

 

Und fast spürte er Erleichterung. Er musste tatsächlich lächeln bei diesem Gedanken. Sein Vater legte das Pergament beiseite, hob mit einem faszinierten Kopfschüttelnd die Hand und fuhr ihm durch die verstrubbelten Haare. Er wusste nicht, wann er ihn das letzte Mal hatte lächeln sehen. Es war bestimmt zehn Jahre her, fiel Draco mit einem angenehmen Schaudern auf.

 

Und dann sprachen sie nicht mehr. Aber die Ruhe zwischen ihnen war angenehm. Die Stille vollkommen vertraut.

 

Nachdenklich trank Lucius seinen Tee, und Draco tat es ihm gleich. Stumm saßen sie beieinander und hingen ihren Gedanken nach.

 

~*~

 

Sie hatte die gesamte Nacht durchgeweint, und sie hatte kein Auge zugetan. Mit dem Morgengrauen waren ihren Tränen endlich verschwunden. So viel hatte sie das letzte Mal damals im Zelt geweint, als er sie… vergewaltigt hatte. Aber dieses Mal war es anders gewesen. Ganz anders.

Sie war aufgestanden, hatte geduscht, um das taube Gefühl ihrer Glieder zu vertreiben und hatte sich angezogen.

 

Noch vor allen anderen war sie frühstücken gegangen, hatte auch niemanden sehen wollen, und sie musste einfach nur durchhalten. Sie ging seltsame Wege, ging allen aus dem Weg, und fand sich draußen wieder, unter den Bögen vor dem Eingang des Schlosses, auf einer der kalten Bänke, die geschützt vor dem Wind waren.

 

Sie hatte mit ihm geschlafen.

 

Er hatte gesagt, dass er sie liebt.

 

Und je mehr Zeit sie gehabt hatte, je länger sie nachgedacht hatte, je klarer alles wurde, umso mehr verstand sie. Und er hatte nicht gelogen. Sie glaubte, er spielte kein Spiel.

 

Er glaubte, er liebte sie. Und all diese Worte, die er gesagt hatte, dass es ihm rausgerutscht war, dass er es zu allen sagte, waren… eine Lüge. Er schützte sich selbst. Sie wusste es. Und sie verstand es.

 

Und natürlich tat es weh. Wenn er mit Astoria und Cynthia geschlafen hatte, dann tat es weh. Aber sie wusste, wer er gewesen war. Sie wusste, er war ein Player gewesen.

Sie wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Sie wusste, sein Name war in jede Toilettentür geritzt. Dass Mädchen eifersüchtig auf sie waren, wusste sie ebenfalls.

 

Sie hatte sich nicht Neville Longbottom als Reinblüterexperiment ausgesucht.

 

Und sie hatte begonnen, Dumbledores Worte zu analysieren. Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht.

 

Sie starrte in die verschneite Landschaft, aber der Schnee hatte begonnen zu schmelzen. Er bedeckte nicht mal mehr vollständig das gefrorene Gras. Die Luft war kristallklar.

 

‚Wie fühlt es sich an, das Beste aus Draco Malfoy gemacht zu haben?‘, hatte Dumbledore sie leise gefragt. ‚Wie fühlt es sich an, aufrichtig geliebt zu werden, Hermine?‘, hatte er lächelnd wissen wollen. ‚Es ist ein gutes Gefühl, nicht wahr?‘ Und daraufhin hatte sie geweint und genickt.

 

Denn ja. Neben all dem Horror, dem Schmerz und der Scham, war es ein unglaubliches Gefühl. Sie war mit ihm gegangen, hatte gewusst, dass es irgendwie hatte enden müssen, dass irgendetwas hatte passieren müssen, denn es wäre unmöglich gut gegangen. Sie war fasziniert von ihm gewesen. Die ganze Zeit über, in der er sich nicht unmöglich verhalten hatte.

 

Und selbst wenn. Selbst wenn Dumbledores Worte wahr waren, so wusste sie, dass es zu ihrem eigenen besten war, was sie getan hatte.

 

Aber auch wenn es alles wahr war, auch wenn er sie liebte, auch wenn sie bei ihm sein wollte – so reichte es doch nicht. Wie sollte es funktionieren? Es würde kaputt gehen. Sie waren beide zu explosiv. Es war nicht gut. Und mit ihrer Show, mit ihrer kleinen tiefverletzten Nummer, die sie gestern für ihn gespielt hatte, hatte sie einen Ausweg geschaffen. Für sie beide. Seine Liebe reichte doch nicht! Er glaubte doch nur, er würde sie lieben! Er tat es nicht wirklich, das wusste Hermine. Dumbledore mochte vielleicht zu einem gewissen Grad recht haben, aber… es reichte bei weitem nicht!

 

Er hatte ihr den Mistkerl gemimt, von dem er annahm, dass sie ihn brauchte, und sie hatte sich wie das dumme kleine Mädchen aufgeführt, was nicht wahrhaben wollte, dass er Sex mit anderen Mädchen gehabt hatte, dass er solche wertvollen Worte zu jeder beliebigen Kuh sagte. Sie hatte ihn manipuliert, hatte genau gesehen, wie er abgewogen hatte, als sie ihn offen gefragt hatte, ob er sie nicht liebte.

 

Und ja. Ein winziger Teil in ihr hatte sich gewünscht, dass er instinktiv gehandelt hätte. Dass er Ja gesagt hätte, selbst wenn es keine echte Liebe war. Aber es hätte niemandem geholfen. Es hätte sich für ein paar Stunden nur gut angefühlt, bis der bittere Morgen gekommen wäre. Und es war so nicht von ihr geplant. Soweit Pläne gingen, war sie ihm immer noch voraus, stellte sie verblüfft fest. Sie hatte sich entscheiden müssen, denn, wäre sie geblieben, dann… wäre sie die Nacht nicht mehr gegangen.

Und dann wäre alles nur furchtbarer geworden.

 

Automatsch hatte sie die flache Hand auf ihren Bauch gelegt. Denn sie wusste, Draco wollte das nicht. Nichts davon. Er wollte sie nicht, denn sie trieb einen Keil zwischen ihn und seine Eltern. Sie war das, was er gesagt hatte. Für ihn war sie ein Schlammblut. Wertlos und nicht das Richtige für ihn. Und er war ein Todesser. Er war nichts, was sie länger in Erwägung ziehen konnte. Wer war sie schon, dass sie etwas ändern konnte? Wie hatte sie so vermessen sein können? Was Dumbledore geglaubt hatte zu sehen, war nur Dracos Verzweiflung gewesen, weil Hermine kurz an seiner Festung gerüttelt hatte.

 

Sie musste ihm nur eine Woche geben, und er wäre wieder ganz der Alte, hätte Sex mit irgendwelchen Mädchen im Raum der Wünsche oder auf den Toiletten, in der Eulerei – oder sonst wo!

 

Sie zwang sich innerlich zur Ruhe. Sie hatte doch gewusst, er war geschickt, was all das betraf. Sie redete sich schon selber ein, so viel mehr zu fühlen. Sie redete sich schon ein, dass es wehtat, nicht bei ihm zu sein. Er hatte wirklich gut gespielt. Er hatte sie wirklich gut durcheinander gebracht, und sie dankte ihrem kühlen Verstand, dass sie sich gestern von ihm nur geholt hatte, was sie gewollt hatte. Und nicht mehr.

 

„Heute wird es ernst“, flüsterte sie dem ungeborenen Kind zu.

 

„Selbstgespräche?“, überraschte sie Pansys Stimme, als sie um die Ecke bog. Sie trug ein Lächeln auf den Zügen, und Hermine lehnte sich übertrieben weit nach vorne und machte ein schockiertes Gesicht.

 

„Pansy! Wo ist Ron? Ist er dir verloren gegangen? Ist was passiert?“, rief sie panisch aus, wollte sich erheben, so tun, als suche sie verzweifelt nach Ron, aber Pansy schüttelte mit geröteten Wangen den Kopf.


„Ha ha. Mach ruhig deine Sprüche, Hermine!“, erwiderte Pansy würdevoll und setzte sich neben sie. Dann wurde sie ernst. „Cynthias Vater kam eben an und hat seine Tochter abgeholt“, bemerkte Pansy mit einem zufriedenen Ausdruck. „Es tut mir so leid, dass ich nicht da war!“, beteuerte sie sofort. Hermine jedoch schüttelte den Kopf.

 

„Draco war da“, sagte sie beschwichtigend.

 

„Ja, gut, dass er da war“, bestätigte Pansy kopfschüttelnd.

 

„Ja“, wiederholte Hermine traurig, gut dass er da war. Gott, sie benahm sich so albern! Sie glaubte ihm seine Tour nicht! Und das war auch besser so! Wie dumm wäre sie, auch noch auf seine Maschen reinzufallen? Pansy sah sie an.


„Wo warst du gestern?“, wollte sie wissen, aber Hermine nahm an, Pansy wusste wo sie gewesen war.

 

„Hat Harry mit Ron gesprochen, und Ron hat es dir schon erzählt?“, wollte Hermine also direkt wissen, und Pansy verdrehte die Augen.


„Kann sein?“, sagte sie also vage, und Hermine lächelte traurig.


„Es ist egal, Pansy“, erwiderte sie kopfschüttelnd. Pansy seufzte schwer. „Ich… werde es heute entfernen lassen“, fuhr Hermine schließlich fort, strich sich erneut über den Bauch, und Pansy atmete unglücklich aus.

 

„Wirklich?“, fragte sie, mit Hoffnung auf das Gegenteil. „Ich bin sicher, Draco will das nicht.“

 

„Ich glaube nicht, dass irgendjemand weiß, was er will und was nicht. Und wer würde schon gerne mit achtzehn Jahren Vater sein?“, entfuhr es ihr bitter. „Und… ich bin auch zu jung dafür, Pansy.“

 

„In unseren Kreisen ist das nichts Ungewöhnliches. Lucius war neunzehn“, erklärte sie schlicht. „Mein idiotischer Vater war achtzehn, und meine Mutter war siebzehn“, bemerkte Pansy mit hochgezogenen Brauen. Hermine verzog den Mund zur Grimasse.


„Oh Gott, wie furchtbar! Nein! Das will ich definitiv nicht. Ich hätte auch keine Möglichkeit für das Kind zu sorgen, Pansy“, fuhr sie fort. „Ich habe nach Hogwarts nicht mal einen Job. Und die Malfoys könnte ich auch nicht mehr ausnehmen, nachdem der Vertrag vernichtet ist“, fuhr sie achselzuckend fort.


„Ich habe Geld, Hermine“, erinnerte Pansy sie eindeutig. Hermine lächelte und schüttelte dankend den Kopf.


„So habe ich es nicht gemeint. Es geht nicht ums Geld, Pansy“, erläuterte sie sanft.

 

„Ich weiß. Aber… ich will nicht, dass du es bereust“, erwiderte sie traurig.

 

„Ich werde bereuen, wenn ich es bekomme und zu jung bin, um mich zu kümmern.“

 

Und sie sah Pansy schlucken. Sie sah, wie Pansy schließlich nickte.

 

„Ok“, sagte ihre Freundin Pansy beinahe sanft. „Kann ich… dich um einen Gefallen bitten, bevor du heute Nachmittag gehst?“, fragte sie, und obwohl Pansys Augen glänzten, tanzte ein Lächeln um ihre Mundwinkel.


„Sicher“, gab Hermine resignierend nach. „Was für einen Gefallen?“

 

„Komm zur Nordtreppe, eine halbe Stunde, bevor du gehen musst“, erwiderte sie kryptisch, und Hermine zog die Stirn in krause Falten.

 

„Warum?“, wollte sie ein wenig alarmiert wissen.

 

„Komm einfach zur Treppe“, erwiderte Pansy, während sie noch immer lächelte. Dann wechselte sie das Thema, und ließ Hermine keine Chance mehr, Fragen zu stellen oder zu widersprechen. „Wo denkst du, ist Draco jetzt? Noch im Dorf? Denn noch ist er nicht wieder da“, sagte sie nachdenklich.

 

Hermine wusste es nicht. Und sie wollte nicht darüber nachdenken, wenn sie ehrlich war, denn dann wünschte sie sich wieder tief in sich drinnen, sie hätte den Abend gestern anders beendet.

 

Aber es war ihr letzter Plan gewesen, hatte sie sich versprochen.

 

Das letzte Mal, dass sie Geheimnisse hatte. Es wäre das letzte Mal, dass er sich mit ihr hatte herumschlagen müssen, schwor sie sich selbst. Sie hatte ihn nur noch einmal spüren wollen.

Und mit aller Macht sagte sie sich, dass er sie nicht wirklich liebte.

Denn auch nur für eine winzige Sekunde an ihn zu denken, in der Sekunde, als er es gesagt hatte, als die Worte wie eine tiefe Erlösung über seine Lippen gekommen waren, erinnerte sie nur an die eine Tatsache. Für einen winzigen Moment hatte sie es geglaubt.

 

Vollkommen geglaubt. Und für einen flüchtigen Moment hatte sie es erwidern wollen.

 

Aber sie hatte es nicht getan. Sie hatte es hinterfragt, hatte ihn zur Rede gestellt, hatte sich nicht zufrieden gegeben, mit einer Aussage, zu der ihn bloß der Sex verleitet hatte!

Sie hätte es nicht tun müssen.

 

Genauso wenig wie er es hätte leugnen müssen, nicht wahr? Und jetzt waren sie, wo sie eben waren. Sie war vollkommen bereit, ihm zu unterstellen, dass er es nicht ernstmeinte, dass es nicht das bedeutete, was er glaubte, dass es vielleicht bedeuten würde.

 

Es war schwer. Diese Mauer aufrechtzuerhalten war schwer. Aber es war der einzige Weg.

Und hier waren sie jetzt.

 

Sie waren nicht zusammen. Nie mehr zusammen. Und es raubte ihrem Körper alle Wärme. Aber sie musste jetzt noch ein wenig länger stark sein. Nur noch ein paar Stunden länger, sagte sie sich tapfer. Sie wäre dumm, würde sie sich auf eine wankelmütige Gefühlsregung von Draco Malfoy verlassen, die sich wahrscheinlich innerhalb von Sekunden ändern würde.

 

Sie zuckte also die Achseln, und sie und Pansy starrten wieder in die Landschaft. Langsam schmolz das Eis. Der Frühling würde bald kommen, dachte Hermine. 

Und die Natur, die noch schlief, würde wieder aufwachen und erblühen.

 

 

Kapitel 71

 

Mit einem letzten Blick auf die Uhr im Gemeinschaftsraum machte sie sich auf den Weg. Sie hatte sich nicht von Ginny oder Harry verabschieden können, denn sie waren beide nicht hier. Ärgerlich stellte sie fest, dass sie jetzt auch keine Zeit mehr hatte, sie zu suchen. Sie hatte den Tag über in der Bibliothek verbracht, hatte sich ablenken wollen, und hatte es sogar ziemlich gut geschafft.

 

Hermine hatte eine Tasche gepackt. Sie war sich nicht sicher, wie es von statten ging. Wahrscheinlich war es nicht kompliziert. Das hatte die Heilerin letztes Mal zumindest gesagt. Trotzdem hatte sie Sachen zum Wechseln und ein Handtuch dabei, wusste Merlin, wieso! Als wenn sie irgendwo über Nacht bleiben musste! Sie hatte nicht mehr mit ihrem Bauch gesprochen, wollte das ungeborene Kind nicht in falscher Sicherheit wiegen, oder sich doch noch zu sehr gewöhnen, mit ihrem Bauch zu sprechen.

 

Ihre Gedanken waren dumm, das wusste sie, aber sie konnte sie nicht ändern.

Und sie hatte das iPad eingepackt, fall sie warten musste. Und natürlich seinen Scheck, dem sie keine weitere Beachtung geschenkt hatte und der ihr sowieso unangenehm war.

Eigentlich wollte sie nichts mehr von ihm annehmen. Keine Schecks, keine Geschenke.

 

Aber sie wusste, sie würde es sonst nicht zahlen können. Es war doch alles furchtbar, oder nicht? Mit einem letzten Blick zurück, verließ sie den Gemeinschaftsraum, um Pansys lächerlicher Bitte nachzugehen. Hermine nahm schon fast an, Pansy wolle sie auch noch entführen.

 

Und wenn man an den Teufel dachte, dann tauchte er auch auf, nahm sie an. Denn wieder einmal wartete jemand auf sie, vor ihrem Gemeinschaftsraum.

 

„Noch eine Entführung?“, vermutete sie knapp, mit einem Blick auf Astoria, die blass vor dem Fenster auf sie zu warten schien.

 

„Nein“, sagte diese sofort, schüttelte den Kopf, und schien sich unwohl zu fühlen. Das konnte sie wohl auch. „Es tut mir so leid“, sagte sie jetzt. „Wirklich“, flüsterte sie. „Ich… wollte nie, dass so etwas passiert. Und ich habe versucht, Snape zu überzeugen, mich ebenfalls von der Schule zu werfen, aber er wollte nicht“, fuhr sie verzweifelt fort.

 

„Das tut mir leid“, erwiderte Hermine ohne großes Mitleid und setzte sich wieder in Bewegung. Sie wollte mit ihr nicht reden.

 

„Hermine, bitte, verzeih mir!“, rief Astoria ihr nach, folgte ihr hastig, und Hermine atmete angestrengt aus.


„Du hast mich bewusstlos geschlagen“, erinnerte sie Hermine zornig, obwohl sie von dem mächtigen Schlag nichts mehr spürte.

 

„Es tut mir so leid! Du hättest mich einfach verraten können. Wieso hast du es nicht getan?“, wollte Astoria von ihr wissen, folgte ihr immer noch, und Hermine hielt abrupt inne.

 

„Ich sage es dir“, beschloss sie nun nickend. „Wenn du mir etwas verrätst“, sagte sie mit ernstem Blick. Astoria nickte sofort. „Hast du… hast du mit ihm geschlafen? Mit Draco?“ Hermine hasste sich dafür, dass sie fragte, aber… es interessierte sie doch. Astoria wirkte betroffen.

 

„Nein!“, sagte sie sofort. „Wirklich nicht!“, beteuerte sie. „Nicht einmal ansatzweise!“ Hermine nickte langsam. Sie glaubte dem Mädchen. Draco hatte also gelogen. Das hatte sie fast angenommen. Oder vielmehr gehofft. „Ich…“

 

„Ich habe es getan, weil ich dich verstehen kann“, sagte sie. „Zwar wollte ich Pansy nie mit der Geschichte von Hogwarts bewusstlos schlagen, aber… ich stand kurz davor“, gab Hermine achselzuckend zu. Astoria runzelte die Stirn.

 

„Pansy?“, wiederholte sie. „Wegen… Ron Weasley?“, kam sie verblüfft zu dem offensichtlichen Schluss, und Hermine nickte beschämt. „Aber… du…“ Astoria sprach nicht weiter.

 

„Und jetzt habe ich begriffen, dass Pansy und Ron zusammen gehören, und… ich bin drüber weg“, erklärte sie gleichmütig.

 

Astoria lächelte traurig. „Ja“, bestätigte sie. „Ich habe es auch begriffen. Glaub mir“, versicherte sie Hermine. Hermine wollte nicht fragen, was sie begriffen hatte. Sie befürchtete dann, dass sie so etwas sagen würde, wie, dass Draco und sie ebenfalls zusammengehörten, und das war nicht der Fall. Das wäre niemals der Fall.

 

„Ich muss los.“ Hermine ließ das Mädchen stehen.

 

„Hermine?“, hielt Astorias Stimme sie noch einmal auf. Sie wandte den Blick zurück.

 

„Ja?“


„Danke. Ich danke dir. Du bist… ein toller Mensch“, erwiderte Astoria anerkennend. Hermine verzog den Mund, nickte stumm und ging dann zügig weiter. Nein, war sie nicht. Sie war auf dem Weg zu einer magischen Abtreibung. Sie war kein toller Mensch, dachte sie dumpf. Sie hatte Draco vorgespielt, ihn zu verabscheuen, obwohl das auch nicht der Fall war.

Sie… war kein toller Mensch. Sie war ein schlechter Mensch.

 

Die Nordtreppe lag so weit weg, wie sie es sich gerade vorstellen konnte. Sie war mittlerweile sowieso zu spät, wegen Astoria. Nicht, dass sie wirklich Lust hatte, hier zu sein. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass Pansy nur kurz plaudern wollte. So kannte sie Pansy nämlich nicht. Für gewöhnlich wollte ihr Pansy ausreden, dass Baby loszuwerden. Und es war Hermine unangenehm. Sie tat das doch alles nicht, weil sie ein Monster war! Sie tat es, weil sie in keiner Beziehung war, weil es keine Zukunft für eine solche Verbindung gab. Sie tat es, weil sie zu jung war, und eine solche Verantwortung nicht übernehmen konnte, und weil es die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für ein kleines Baby waren!

Und sie tat es, weil sie nicht ein Leben lang an ihn erinnert werden wollte!

 

Und niemand schien sie verstehen zu wollen!

 

Sie erreichte endlich nach Minuten die Nordtreppe und hielt verblüfft inne. Funken tanzten auf der ersten Stufe in der Luft, glommen sanft in der Januarsonne, die durch die Fenster brach, und Hermine erkannte das hier. Es waren Funken wie bei der Funkenjagd auf Malfoy Manor! Sie blinzelte, um sicherzugehen, dass die Funken nicht ihrer Einbildung entsprangen, aber sie schimmerten immer noch einen Meter über der Stufe. Neugierig folgte sie der Spur, nur um am nächsten Absatz einen weiteren Funkenschauer zu finden.

 

Hatte Pansy die Funken hinterlassen? Hermine nahm es an.

 

Sie erklomm den nächsten Treppenabsatz, bis hoch zum dritten Stock, wo sie den vereinzelten Funken nach rechts in den Flur folgte. Die letzten Funken glommen vor der Tür, die neben dem Zimmer lag, in dem sie Fluffy, Hagrids Hund, gefunden hatten.

 

Die Tür war nur angelehnt. Hermine war noch nie hier gewesen. Vorsichtig drückte sie die Tür nach innen. Überrascht hatte sie inne gehalten. Harry, Ginny, Ron und Pansy schienen auf sie zu warten.

 

„Herzlichen Glückwunsch!“, bemerkte Pansy und reichte ihr denselben Stein, den Lucius für sie gemacht hatte, mit den gefangenen Funken.

 

„Was ist das alles?“, wollte Hermine verwirrt wissen und nahm den Stein entgegen. Die Funken tanzten im Innern, wie bei Lucius‘ Stein.

 

„Das ist der alte Gemeinschaftsraum der Häuser“, sagte Ron, und hatte die Hände unsicher in den Taschen seiner Hose vergraben. Hermine betrachtete wieder den Stein.

 

„Das ist übrigens deiner“, erläuterte Pansy und deutete auf den Stein. „Ginny hat deine Kiste mitgebracht“, fuhr sie fort und deutete hinter sich. Hermine Mund öffnete sich verwirrt. „Draco hat früher von den Funkenjagden erzählt“, räumte sie fast traurig ein. Hermine begriff immer noch nicht, was sie hier taten.

 

„Hier“, sagte Ginny plötzlich. „Ich habe… erst heute angefangen, denn… Pansy hat es mir erst heute erzählt, aber einer ist fertig.“ Sie hielt ihr einen fertigen kleinen Babyschuh entgegen. Hermine hob den Blick gequält.

 

„Ginny!“, sagte sie zögerlich. „Ich wollte es dir bestimmt erzählen. Und wofür machst du das? Ich werde es doch gar nicht bekommen.“ Tieftraurig sah Ginny sie an.

 

„Ich… ich weiß, aber… es ist so traurig“, erwiderte sie betrübt. Harry nickte nur knapp. Hermine nahm Pansy übel, dass sie es ihren Freunden erzählt hatte. Ihre Finger krampften sich böse um den weichen Babyschuh aus seidiger Wolle, und sie schüttelte den Kopf.


„Danke, aber… ich habe mich entschlossen“, erklärte sie.

 

„Ja, das wissen wir“, sagte Ron nun und kam näher. „Aber… ich will, dass du einmal einen Blick riskierst“, fuhr er schließlich fort, und sie ließ sich widerwillig von ihm tiefer in den hübschen Raum führen, zu einem hohen verdeckten Gegenstand.

 

„Und was jetzt?“, wollte sie entnervt von ihm wissen.

 

„Sieh hinein, und wenn du dort nichts finden kannst, was deine Meinung ändert, dann… darfst du gehen und… tun, was du tun musst.“ Er klang fast neutral, fast gleichmütig. Seine Gedanken konnte sie nicht deuten.

 

„Ist das der Spiegel von dem Harry erzählt hat?“, wollte sie ungläubig wissen. „Ich möchte nicht hineinsehen, Ron“, wandte sie sich kopfschüttelnd an ihn, aber er hatte sie bereits positioniert, und trat an die Seite des Spiegels, um das Tuch zu entfernen.

„Ron!“, sagte sie erneut, aber schon hatte er das Tuch mit Schwung vom Spiegel gezogen.

 

Es war ein sehr alter Spiegel, stellte sie fasziniert fest und vergaß, sich wegzudrehen oder die Augen zu schließen. Er hatte eine silberne Spiegelfläche, die an einigen Stellen bereits dunkel angelaufen war. Orientalische Zeichen schlängelten sich eingraviert an den Rändern kunstvoll empor.

 

Sie sah nur sich selbst. Missmutig blickte sie sich entgegen. Die anderen hatten sich in den Raum zurückgezogen, ließen sie alleine vor dem Spiegel.

 

Nerhegeb, stand oben am Spiegel. Unsicher betrachtete sie sich.

 

Nichts geschah. Das war auch nett, dachte sie dumpf. Sie begehrte also überhaupt nichts. Sie merkte, dass sie die Luft angespannt angehalten hatte. Leise atmete sie aus, froh, dass nichts passierte, bis sie etwas am Rand bemerkte. Langsam rollte ein Ball neben ihre Füße. Er war knallrot, mit blauen Streifen.

 

Sie blickte instinktiv hinab, aber neben ihren Füßen lag nichts. Sie hob den Blick vorsichtig zum Spiegel, und bemerkte erst jetzt, dass ihre Haare länger waren. Sie gingen ihr weit über ihre Schultern, fielen lockig ihren Rücken hinab.

War sie älter? Nicht viel, aber es kam ihr unweigerlich so vor.

 

Und dann fiel ein Schatten zu ihren Füßen.

 

Ein schmaler Schatten. Und hinter dem Ball kam ein Kind lachend hergestolpert. Sie konnte es nicht lachen hören, sah aber sein strahlendes Lachen. Ihr Mund öffnete sich perplex, als der winzige Junge, der wohl gerade erst Laufen gelernt hatte, sich erleichtert an ihren Beinen festhielt. Dann hob er den Blick aus dem Spiegel, als hätte er sie dort stehen gesehen. Und er schenkte ihr ein lautloses Lachen, das seine wenigen weißen Zähne entblößte. Er hatte hellblonde wellige Haare, ein bildhübsches Gesicht, und war bestimmt erst etwas älter als ein Jahr.

 

Etwas zog sich schmerzhaft in ihr zusammen, denn sie glaubte, dass er das Baby in ihrem Bauch war.

 

Ihr… Sohn.

 

Sie blinzelte, betrachtete das hübsche Kind unverhohlen, und dann bückte sich die Spiegel-Hermine und hob den Jungen lächelnd auf die Arme. Er hielt sich mit seiner winzigen Kinderhand an ihrer Schulter fest, lehnte sich gähnend gegen ihre Brust, und schloss selig die Augen.

 

Ein weiterer Schatten fiel ins Bild.

 

Draco spazierte gemächlich zu ihr, legte den Arm um ihre Schlüter und küsste sie auf den Haaransatz, bevor er liebevoll seinem Sohn über den blonden Schopf streichelte. Merlin, der Junge war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten! Hermine stockte erneut der Atem. Jetzt lächelte die Spiegel-Hermine zum Spiegel-Draco empor. Sie lehnte sich in seine Umarmung, und Hermine bemerkte den Ring, den sie am Finger trug.

 

Es war ihr alter Ehering mit den Reihen aus Perlen und Diamanten. Sie hatte ihn noch, ging ihr dumpf auf.

 

Und wie ein Fremder beobachtete sie unhöflich das junge Familienglück im Spiegel, was sie zerstören wollte.

 

Aber es war doch nicht echt! Sie schloss zornig die Augen. Der Spiegel zeigte nicht die Zukunft, sagte sie sich. Es müsste nicht mal ein Junge sein, den sie bekommen würde!

Merlin, sie wandte sich hastig ab, wollte nichts mehr davon sehen, denn sonst würde sie weinen. Und sie würde nicht mehr aufhören!

 

Gespannt sahen ihre Freunde sie an.

 

Mit energischen Schritten verließ sie den Spiegel, warf den Stein und den Babyschuh in ihre Kiste auf der Couch.


„Das hier ist meine“, erklärte sie gereizt, „ihr habt kein Recht, sie einfach zu nehmen!“ Sie hexte sie klein und steckte sie in ihre Manteltasche. „Und jetzt werde ich gehen. Ich verstehe eure Bemühungen. Aber lasst es einfach sein, ok?“ Und ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen. Bevor die anderen es sehen würden, wandte sie sich eilig ab und hatte das große, runde Zimmer verlassen.

 

Erst vor der Tür ließ sie zu, dass die Tränen ungehindert über ihre Wangen liefen. Was für ein gemeiner Trick! Ein gemeiner Zauber! Sie konnte kaum atmen, so heftig weinte sie. Natürlich zeigte ihr der Spiegel so etwas! Er zeigte nicht die schwere Geburt, er zeigte nicht, dass sie und Draco niemals glücklich werden konnten! Er zeigte nicht die Wahrheit, dass Lucius und Narzissa sie hassten! Dass Draco sie nicht wirklich wollte!

 

Es zeigte nur, was sie begehrte! Und was sie begehrte war blanker Unsinn! Sie müsste dumm sein, sich auf so etwas zu verlassen!

 

Sie lief die Treppen hastig hinab, denn sie würde noch zu spät zu ihrem Termin kommen.

 

~*~

 

„O-k.“

 

Pansy war die erste, die gedehnt sprach, nachdem Hermine praktisch aus dem Raum gestürmt war. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie in die Runde. Sie wurde langsam nervös.

 

„Ich bin sicher, sie hat das Kind im Spiegel gesehen“, beteuerte Ginny nachdenklich, ohne den Blick vom Boden zu heben. „Vielleicht… will sie es wirklich nicht?“, warf sie unsicher ein. Pansy machte ein abfälliges Geräusch.

 

„Natürlich will sie es nicht! Sie hat sich die gesamte Zeit über eingeredet, absolut unverwundbar zu sein, nichts mit dem Reinblüterzirkus zu tun zu haben, und selbst wenn sie es wollen würde, würde sie es sich niemals eingestehen“, erwiderte sie unzufrieden.


„Und was sollen wir dann tun? Wir haben ihr doch die Wahl gelassen!“, rief Ginny unglücklich.

 

„Lass mich nachdenken“, befahl Pansy und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich weiß nicht, ob Draco sie überzeugen kann“, murmelte sie abwesend.

 

„Malfoy?“, rief Ron abschätzend aus. „Wieso sollte er? Mir kommt es nicht unbedingt so vor, als würde es ihn überhaupt interessieren“, fuhr er bissig fort. Pansy schüttelte nachsichtig den Kopf.


„Ja, das zeigt, dass du keine Ahnung hast, Ron“, widersprach sie, und Ron verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

 

„Ich habe sehr wohl Ahnung!“, rechtfertigte er sich.

 

„Wir haben keine Zeit mehr“, warf Harry ungeduldig ein. „Sie geht jetzt zur Heilerin! Sie entfernt das Kind heute! Wir können hier sitzen und überlegen, ob sie zu stolz ist, ob sie Malfoy wirklich nicht mag, ob er sie wirklich nicht mag – oder wir tun irgendetwas!“

 

„Und was?“, mischte sich Ginny unglücklich ein. „Ich hatte gehofft, der Spiegel würde sie überzeugen! Aber das ist nicht passiert!“

 

„Oh sie ist so gut wie überzeugt“, entgegnete Pansy langsam. „Es fehlt nur der letzte Stoß in die richtige Richtung. Sie sah komplett verweint aus“, fuhr sie fort, und Ginny nickte heftig. Die Jungen sahen sie völlig entgeistert an.


„Was? Woher willst du das wissen?“, fragte Harry sie verwundert.

 

„Weil wir Frauen unsere Augen aufmachen, wenn wir mit unserer Freundin reden?“, schnappte sie gereizt. „Das ist jetzt nicht wichtig. Ich glaube, sie hatte Streit mit Draco. Oder so etwas in der Art.“

 

„Wenn sie jetzt sowieso nur Streit mit diesem Arschloch hat, wieso sollten wir sie überhaupt davon abhalten, seine Brut loszuwerden?“, schnappte Ron beleidigt.

 

„Weil sie es bereuen wird“, antwortete Pansy ihrem dämlichen Freund scharf. „Sie wird es spätestens dann bereuen, wenn sie sowieso wieder mit ihm zusammen kommen wird.“

 

„Wieso glaubst du, dass das überhaupt passiert?“, wollt Ron schlecht gelaunt wissen.

 

„Weil es offensichtlich ist, oder nicht?“, mischte sich Ginny ein. „Harry hat gesagt, gestern hat sie sich entschieden, mit ihm zu gehen. Nicht zurück zum Schloss. Ich meine, was willst du noch? Willst du ein Geständnis von Hermine in Stein gemeißelt?“, fuhr sie Ron böse an, und dieser starrte beleidigt zur Seite.

 

„Dann… haben wir nicht mehr viel Zeit“, begann Harry das Gespräch wieder von vorne.

 

„Entweder wir reden mit der Heilerin, oder wir brauchen Draco“, beschloss Pansy.

 

„Wir haben keine Zeit mehr! Sie ist bestimmt schon kurz davor zu apparieren, und die Entfernung dauert dann keine Sekunde mehr!“, rief Ginny verzweifelt aus.


„Richtig!“, sagte Pansy plötzlich. „Wir setzen vollkommen falsch an! Wir brauchen Zeit. Sie darf nicht zur Heilerin gelangen!“ Die drei sahen sie hilflos an.

 

„Und wie das?“, wollte Harry skeptisch wissen, während Pansy sich langsam mit dem Zeigefinger gegen die Lippe tippte. Dann wandte sie sich an Harry und Ron. „Ihr beiden appariert ihr nach!“, befahl sie knapp, und Ron verzog den Mund. „Und es ist mir egal, wie wenig dich das alles interessiert! Oder wie erfolgreich du vorspielst, dass es dich nicht interessiert“, korrigierte sie sich zornig. Kurz wirkte er etwas überrumpelt. Dann verdrehte er die Augen, und auch Harry hatte sich erhoben.

 

„Und dann was?“, wollte Harry etwas ratlos wissen, aber Ginny stöhnte gereizt auf.

 

„Harry, ich bitte dich! Bring eine Moral-Nummer, bring sie dazu, ihre Beweggründe zu hinterfragen, Merlin, du bist Harry Potter! Sag einfach irgendetwas!“ Harry nickte nach einer Sekunde und wandte sich an Ron.

 

„Komm.“ Und Ron erhob sich quälend langsam. Er wandte sich direkt an sie, und sprach gepresster.

 

„Sag mir, warum ich das tue?“, murmelte er ihr mit erhobener Augenbraue zu, und Pansy atmete gestresst aus.

 

„Weil du mich liebst? Weil du deine beste Freundin nicht in Scherben aufsammeln möchtest, wenn ihr das Ausmaß ihres Fehlers bewusst wird? Weil du sowieso nicht um die Malfoy-Verbindung herum kommen wirst?“, schlug sie ihm leise vor, und er verzog den Mund.

 

„Ich liebe dich“, entschied er sich wohl ergeben für Variante Nummer 1, neigte den Kopf, küsste sie kurz auf die Lippen und folgte dann Harry nach draußen. Pansy fuhr sich durch die Haare.

 

„Ok, ok. Jetzt… brauchen wir Verstärkung!“ Sie lief zum Fenster, zog es hastig auf und schickte ihren Patronus mit ihrer mentalen Nachricht in den grauen Himmel davon.

 

„Wohin geht er?“, fragte Ginny, die sich neben sie gestellt hatte und der schneeweißen Wildkatze aus sanften Rauch nachsah.

 

„Malfoy Manor“, erwiderte Pansy seufzend. „Und hoffentlich sind da nicht alle unfähig“, schloss sie etwas besorgt. An Lucius‘ Seelsorger-Talente glaubte sie nicht. Sie hoffte, dass Narzissa zumindest kein Herz aus Stein besaß….

 

 

Kapitel 72

 

Hermine war nicht dumm. Sie war vieles. Leichtsinnig, ein wenig irrational, was Draco Malfoy und seinen verdammten Körper betraf, aber… sie war nicht dumm.

Sie hatte damit gerechnet, dass ihre Freunde nicht so leicht aufgeben würden.

 

Sie hatte eine andere Abzweigung durch Hogsmeade genommen. Gerade im rechten Moment, bevor Harry und Ron auf die verschneite Hauptstraße apparierten. Hermine wich hastig an eine windschiefe Hauswand in der schmalen Gasse zurück, hielt sogar die Luft an, während Harry außer Atem die Straße hinablief.

 

„Komm schon, Ron!“, rief er ungeduldig. „Sie kann nicht weit sein!“ Ron folgte ihm, und Hermine war ein wenig überrascht, dass es tatsächlich funktioniert hatte.

 

Sie wischte die verdammten Tränen von ihrer Wange und setzte sich in Bewegung. Sie würde einen anderen Weg nehmen, nicht über die Hauptstraße. Die Jungen wussten nicht, wo die Heilerin war, nahm Hermine an, sie versuchten nur, sie aufzuhalten.

Sie lief durch die menschenleeren Gassen, in denen der Schnee allmählich taute.

 

An einer Kreuzung wurde es brenzlig und sie wich in den Schatten eines Hauses zurück. Harry und Ron stürmten direkt an ihr vorbei, und Hermine musste die Chance nutzen, die Straßenseite wechseln, noch um eine Kurve, und bevor Harry und Ron von der anderen Richtung ebenfalls in diese Straße biegen konnte, hatte sie die Tür der Praxis aufgezogen, war hinein geschlüpft und hatte es geschafft!

 

Sie atmete erleichtert aus, und die Hexe am Empfang bedachte sie mit einem scheelen Blick.

 

„Ja?“, erkundigte sie sich vorsichtig, und Hermine kam näher.

 

„Ich habe einen Termin mit Heilerin Madden? Hermine Granger?“, ergänzte sie, und quälend langsam prüfte die Hexe den Terminplaner.

 

„Richtig, Granger“, bestätigte sie. „Sie können direkt durchgehen, Miss Granger“, ergänzte sie kühl. Hermine nickte dankbar und beeilte sich. Nicht, dass Harry und Ron doch noch auf die Idee kamen, alle Heiler in Hogsmeade durchzuklappern!

 

Sie schritt durch das hübsche Empfangszimmer und klopfte an die verzierte Holztür, bevor sie diese lautlos öffnete. Die Heilerin saß an einem schweren Mahagonischreibtisch, flankiert von hohen Bücherregalen und hob den Blick.


„Miss Granger“, begrüßte sie Hermine, als sie sie erkannte. „So sehe ich Sie also doch noch“, ergänzte sie. „Kommen Sie rein“, gebot sie ihr höflich und erhob sich. „Ziehen Sie ruhig den Mantel aus.“

 

„Jaah“, bestätigte Hermine, und das Zimmer war sehr elegant eingerichtet. Alles wirkte modern, und hübsche riesige Blumen standen auf einem flachen dunklen Tisch.

„Krähenfänger“, murmelte Hermine, denn zufällig erkannte sie die prächtigen pinken Blumen aus der Zeitschrift, die sie gestern zum Schein gelesen hatte, als sie neben Draco auf dem Bett gelegen hatte. Ihre Kehle schnürte sich unerwartet zu. Sie ballte die Hände zu Fäusten und erlaubte sich nicht, schon wieder zu weinen.

 

„Das stimmt“, bemerkte die Heilerin verblüfft. „Für gewöhnlich erkennt sie keiner meiner Patienten“, wich sie fast beschämt aus. „Ich finde die Blüten sehr schön, und Krähen finden für gewöhnlich nicht den Weg in meine Praxis.“

 

Hermine nickte nur und verlor sich für einen Moment in den Farben der schönen Blumen. Sie erinnerte sich an den Artikel. Der Krähenfänger lockte die Vögel mit betörenden Farben und Geruch in die Nähe des Blütenstamms, und wenn die Krähen sich zu nahe wagten, wurde die Blume pechschwarz, erhob sich aus der Erde und verschlang die Vögel mit Federn und Schnabel zur Gänze.

 

Hermine glaubte nicht, dass sie gerne solche Blumen Zuhause stehen hätte. Nicht mal, wenn sie die schönsten Blüten der Welt hätten. Es wäre für Haustiere gefährlich, nahm sie dumpf an. Oder Kleinkinder, überlegte sie, und maßregelte ihr Gehirn sofort für diesen Gedanken. Sie hatte keine Kleinkinder Zuhause. Merlin, sie war achtzehn. Sie hatte nicht mal ein Zuhause, was sie ihr eigen nennen konnte, geschweige denn über Dekorationen nachzudenken! Ja, sie hatte ein Zuhause gehabt! Ein schickes Gästehaus, aber das war ja auch nicht mehr da!

 

„Miss Granger?“, riss die Heilerin sie vorsichtig aus ihren Gedanken, und Hermines Blick schnappte ertappt nach oben. „Sie… haben sich ausreichend Gedanken gemacht? Ihre Ehe wurde beendet? Mr. Malfoy sagte mir so viel?“, fing die Heilerin gezwungen das Gespräch wieder an, nachdem Hermine wie ein Wrack die Blumen betrachtet haben musste. Aber sie hatte nicht geschlafen! Man musste es ihr zugutehalten! All ihre wirren Gedanken waren dann gar nicht so wirr.

 

„Ja“, bestätigte Hermine, schüttelte sanft den Kopf, um ihre Abwesenheit zu vertreiben und setzte sich auf den bequemen Sessel, der Heilerin gegenüber. „Habe ich“, fügte sie nickend hinzu. Den Mantel legte sie über die Lehne neben sich.

 

„Nun gut. Sie kennen die Prozedur, Miss Granger. Ich muss Sie dennoch ein letztes Mal fragen. Sind Sie sich wirklich sicher? Habe ich einmal begonnen, kann es nicht rückgängig gemacht werden. Ich übernehme nicht das Risiko, wenn Sie ihre Meinung ändern“, warnte sie sie.  Hermine schluckte tapfer.


„Nein, ich bin mir absolut sicher.“ Sie verdrängte das Bild des hübschen Jungen, was sich mental in ihr Gedächtnis gebrannt hatte. Wie wunderhübsch er gewesen war. Wie ungerecht entzückend und bezaubernd. Aber dann hob sich ihr Blick.

 

„Sagen Sie, Heilerin Madden, können Sie… sehen, was es werden würde?“, wagte Hermine zu fragen, und die Heilerin runzelte die Stirn.

 

„Wünschen Sie das zu wissen, Miss Granger?“, fragte sie, ein wenig verwirrt, und Hermine nickte langsam.

 

„Einfach nur… so“, erwiderte sie.


„Es kann schwieriger werden, wenn ich es Ihnen sage, Miss Granger. Also wenn Sie sich bereits sicher sind, dann sollten Sie davon absehen, das Geschlecht des Babys zu erfahren.“

 

„Ich versichere Ihnen, es wird meine Entscheidung nicht beeinflussen. Ich will es nur… aus Interesse wissen“, versicherte sie ihr. Die Heilerin kam skeptisch näher.

 

„Na gut“, lenkte sie ein, zog den Zauberstab aus ihrer Kitteltasche, sprach eine stumme Formel, und Hermine spürte wie ein sanfter Zauber ihren Unterleib traf. Dann war der Zauber vorbei und sehr heller Rauch paffte in einer knappen Wolke empor und verpuffte keine Sekunde später vor ihr in der Luft. Die Heilerin lächelte.

 

„Was heißt das?“, wollte Hermine atemlos wissen.

 

„Es ist ein Junge“, erwiderte die Heilerin sanft. Hermine schluckte schwer. War es tatschlich, ja? Der Spiegel war tatsächlich cleverer als Hermine angenommen hatte. Aber sie war immer noch Hermine Granger und runzelte die Stirn.

 

„Welche Farbe hätte der Rauch bei einem Mädchen?“, wollte vor allem Hermines Fachverstand von der Heilerin wissen.

 

„Schwarz“, entgegnete sie. Das kam Hermine seltsam vor. Sie runzelte entsprechend die Stirn. „Vielleicht ist es für eine Muggel leichter verständlich, wenn Sie an Yin und Yang denken?“ Hermines Mund öffnete sich in leichter Erkenntnis. „Yang ist hell und hart, steht für die Männlichkeit, für Aktivität, und Yin ist dunkel und weich und symbolisiert die weibliche Ruhe“, schloss die Heilerin, und Hermine gefiel die Erklärung.

 

„Ja, ich verstehe“, sagte sie nachdenklich. Kurz herrschte Stille.

 

„Nun gut“, kürzte die Heilerin das Schweigen ab. „Wenn… wenn Sie sich sicher sind, dann… müssen wir leider über das leidige Thema Gold sprechen, Miss Granger“, erklärte sie entschuldigend, aber Hermine zog bereits den Scheck aus ihrer Manteltasche.

 

„Das ist kein Problem. Ich habe Gold“, versicherte ihr Hermine prompt. Die Heilerin nahm ihr den Umschlag ab.

 

„Wunderbar“, sagte sie.

 

Hermines Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie hielt die Hände in geballten Fäusten, ansonsten würde sie wohl ohnmächtig werden, so rasend schnell schlug ihr Herz.

 

Sie hoffte nur, sie machte keinen Fehler.

 

~*~

 

„Harry!“

 

Draco saß auf der halb gefroren Bank vor dem kleinen Brunnen, der noch völlig verschneit nicht in Betrieb genommen werden konnte. Er hatte seinen Mantel eng um sich geschlungen und wartete. Das war alles, was er tat. Er runzelte die Stirn, als er Potter die Straße entlang stürmen sah, dicht gefolgt von Weasley.

 

„Harry!“, wiederholte Weasley gepresster, und endlich blieb Potter, keine drei Meter vor ihm stehen, fuhr sich durch die verschwitzten schwarzen Strähnen und wandte sich unglücklich Weasley zu. „Wir haben sie verloren, Harry“, sprach Weasley erschöpft.

 

„Wie heißt die Heilerin?“, fuhr Potter ihn ungnädig an. Weasley antwortete nicht. „Ron!“, schrie Potter ungeduldig.


„Mann, ich weiß es nicht, Harry! Schrei mich nicht an, ok? Es ist zu spät. Wir haben sie verpasst!“, informierte Weasley ihn mit mehr Nachdruck.

 

„Scheiße“, entfuhr es Potter ungehalten. Verzweifelt sah er sich um und bemerkte Draco erst jetzt auf der Bank. „Malfoy?“, sagte er, mehr als entgeistert. Kurz tauschten sie alle drei einen Blick, ehe die beiden auf ihn zukamen.

 

„Was tust du hier?“ Die reinste Ablehnung schlug ihm aus Weasleys Stimme entgegen. Draco hatte den Mund entsprechend verzogen.

 

„Ich warte“, erklärte Draco schlicht. Denn er wollte es nicht erklären. Er wollte nicht erklären, dass Pansys Patronus Malfoy Manor erreicht hatte, dass er ihn erhalten hatte, dass er sich auf den Weg nach Hosgmeade gemacht hatte.

Er wollte nicht erklären, dass er direkt vor der Praxis saß und wartete. Wartete, dass sie rauskam, dass sie fertig wäre. Dass sie… - er wusste es nicht.

 

Sie wollte es entfernen, da würde er der letzte sein, der sie zwang, irgendetwas anderes zu tun. Aber… er wollte da sein, wollte ihr erklären, dass es ihm egal war, ob sie schwanger war oder nicht. Ob sie ihn hasste oder nicht. Er wollte ihr sagen, dass er sie wollte, egal, was sie fühlte, was sie vorhatte, und wenn er tausend Jahre würde warten müssen.

 

„Auf was?“, fragte ihn Potter völlig verstört. Draco atmete aus. Dann deutete er blind hinter sich.

 

„Das ist die Praxis“, erklärte er den beiden Pantoffelhelden vor sich, die rote Wangen und einen rasselnden Atem hatten, wahrscheinlich vom Rennen und Suchen. Kaum zu fassen, dass vor ihm die Helden der Generation standen, die es vollbracht hatten, Voldemort zu stürzen. Er nahm an, er wusste, weshalb es jemanden wie Granger an ihrer Seite gebraucht hatte. Er glaubte nicht, dass die beiden jemals den Weg raus aus Hogwarts ohne sie gefunden hätten.

 

„Die Praxis?“, wiederholte Potter aufgeregt. „Warum… warum sitzt du dann hier auf der scheiß Bank und bist nicht drinnen? Wieso hältst du sie nicht auf, verdammt noch mal?“, fuhr Potter ihn jetzt an. Wahrscheinlich gönnte er Weasley eine kleine Pause, bis alleine dieser wieder Potters Zorn zu spüren bekam.

 

„Weil ich ihr die Wahl lasse.“

 

„Welche Wahl, verflucht?“, schrie Potter jetzt aufgebracht. „Du bist ein dämlicher, scheiß Feigling, Malfoy!“, rief er außer sich. „Sie wird nie mehr glücklich werden!“, entfuhr es Potter jetzt kopfschüttelnd.

 

„Sei nicht so dramatisch“, widersprach Draco müde.

 

„Was?“ Potters Stimme war nur ein Zischen. „Ich fasse es nicht! Was denkst du? Dass sie noch ein einziges Wort mit dir reden wird, wenn sie begreift, dass du hier seelenruhig gesessen hast, während sie die falscheste Entscheidung ihres Lebens trifft? Denkst du, sie vergibt dir? Denkst du ernsthaft, sie guckt dich noch ein einziges Mal an, wenn sie weiß, dass du derjenige bist, dem es scheiß egal ist, was mit ihrem Kind passiert?“ Dracos Augen weiteten sich ungläubig.

 

„Was?“, erwiderte er gereizt. „Wovon redest du, Potter?“

 

„Wovon ich rede? Merlin, noch mal! Wie kann man nur so blöd sein!“, schrie Potter außer sich. Draco erhob sich, denn er ließ sich immer noch nicht vom Held der Nation ohne weiteres beleidigen.

 

„Potter, es ist ihre Entscheidung“, wiederholte er gepresst, was keinen von diesen Idioten etwas anging.

 

„Ihre Entscheidung?“, wiederholte Potter und lachte freudlos auf. „Nein, Malfoy. Eine solche Entscheidung trifft man zusammen. Nicht allein!“

 

„Sie will es nicht!“, donnerte Dracos Stimme jetzt. „Und wenn ich ehrlich bin, dann will ich es auch nicht, Potter!“

 

Und Potter schwieg abrupt. Dann schüttelte er langsam den Kopf, als wäre Draco der dümmste Mensch in Hogsmeade. Dracos Herz schlug unwillkürlich schneller.

Er hatte es gesagt. Er wollte es nicht. Er war nicht bereit dafür! Mochten seine Eltern und die gesamte Reinblüterschaft vielleicht mit fünfzehn bereit für dieses Leben als junge Eltern und Träger der Reinblüterwürde gewesen sein – er war es nicht. Er konnte sich kaum um sein eigenes Leben kümmern.

Er war nicht bereit, seine Hauptrolle in seinem eigenen Leben für ein Kind aufzugeben, was er nicht wollte! Und nicht nur das. Dieses Kind würde ihm Granger streitig machen. Noch war nicht mal klar, dass er sie überhaupt wiederbekommen würde! Und würde sie ein Kind bekommen, dann musste er nicht großartig nachdenken, wer von ihnen dann ihre Aufmerksamkeit bekäme. Das dumme Kind konnte nicht mal selber stehen, und Hermine würde es ihm vorziehen!

 

Und darauf hatte er keine Lust.

 

„Du bist dumm, Malfoy. Du bist blind und dumm“, sprach er, ohne Freundlichkeit. „Aber das ist mir vollkommen bewusst gewesen, schon am ersten Tag, an dem ich dich gesehen habe“, fuhr er zornig fort. „Hermine ist der letzte Mensch auf der Welt, der etwas Unschuldiges loswerden wollen würde. Das ist dein fabelhafter Einfluss. Und weißt du was, vielleicht ist es sogar besser so“, fuhr Potter ihn böse an. „Du bist ein Arschloch, und bei all dem Pech, was du bringst, würde es mich nicht wundern, wenn deine Arschloch-Gene direkt übergehen!“

 

Draco starrte ihn an. Potter war ein Mistkerl und nichts weiter.

 

„Vielleicht solltet ihr verschwinden?“, schlug er gepresst vor. „Ich glaube nicht, dass Granger von euch hatte gefunden werden wollen. Ich glaube nicht, dass ihr als ihre sogenannten besten Freunde einen so großartigen Job geleistet habt, oder? Vielleicht irre ich mich, aber ich glaube außerdem, ihr Leben geht euch überhaupt nichts an.“

 

„Ach ja?“, fuhr Potter ihm dazwischen. „Aber dich? Was soll das, Malfoy? Bist du jetzt verliebt?“, spottete Potter. „Du hast keine Ahnung davon, du Arschloch!“ Draco spürte, wie sich seine Fäuste ballten. „Du hast nicht den blassesten Schimmer, wie man jemanden glücklich macht! Am besten verschwindest du aus ihrem Leben, wenn du nichts Besseres zu tun weißt, als sie unglücklich zu machen und ihre Termine machst, um ihr Kind loszuwerden!“

 

„Wir haben gleich ein sehr großes Problem“, zwang sich Draco ruhig zu sagen, während seine Fäuste steinhart geworden waren. „Ich weiß nämlich tatsächlich nicht, ob sie noch mit mir sprechen wird, wenn ich dem Jungen, der noch überlebt hat, den Schädel eingeschlagen habe!“

 

„Ich liebe eine gute Drohung, Malfoy. Wenn du denkst, heute wäre der geeignete Tag, um auf mein Mitleid mit dir zu hoffen, dann hast du dich getäuscht! Ich bitte darum, mach jetzt nur noch einen Fehler und vielleicht endet der Tag dann für mich nicht ganz so beschissen, wie ich angenommen hatte!“

 

Sie standen so nahe voreinander, dass Draco jeden grünen Funken in Potters Augen sprühen sehen konnte.

 

„Leute!“, ging Weasley jetzt entnervt dazwischen. „Harry, hör auf, ok? Lass dich nicht auf ihn ein. Wahrscheinlich hat er sogar Recht“, rang er sich gereizt ab. Potter sah Weasley an, als hätte er Hochverrat begangen. Auch Draco konnte nicht verhindern, dass sich Falten der Verwunderung in seine Stirn gruben.

 

„Was? Was redest du, Ron?“, fuhr Potter ihn zitternd an.

 

„Wenn sie es nicht will, dann will sie es nicht. Wir haben sie mitgenommen, sie hat in den Spiegel gesehen – und sie ist trotzdem hier! Sie hat sich vor uns versteckt, wollte zu der Heilerin – und denkst du ernsthaft, Hermine tut irgendetwas, was sie nicht will?“

 

Potter schwieg daraufhin widerwillig. „Denkst du, sie heiratet den Wichser, wenn sie es nicht will? Denkst du, sie macht diesen ganzen Zirkus mit, wenn sie es nicht will? Es war alles ihre Entscheidung. Und wenn sie seine scheiß Leibesfrucht vernichten will – dann wird sie genau das tun.“

 

„Aber sie begeht einen Fehler, Ron!“, fuhr Potter ihn jetzt verzweifelt an. „Denkst du, sie weint die ganze Nacht, weil sie das alles nicht will?“

 

Weasley schwieg. Und Draco horchte auf. Sie hatte die ganze Nacht geweint? Gut. Dann ging es ihr immerhin nicht besser als ihm. Von was für einem Spiegel sprachen die beiden? Er würde nicht zugeben, dass er nicht verstand. Er würde nicht zugeben, dass es ihn interessierte.

 

„Ich habe Dumbledores Briefe gelesen, Ron! Alle seine Briefe! Und weißt du, wie viel Leid man sich ersparen könnte, wenn man einfach nur ein einziges Mal ehrlich ist? Wenn man tatsächlich einfach mal seinen scheiß Mund aufmacht, um jedes noch so dumme Missverständnis aus dem Weg zu räumen? Wie wichtig es ist, dass man das tut? Auch wenn es wehtut? Auch wenn es furchtbar ist? Geheimnisse bringen einem gar nichts, Ron! Falscher Stolz bricht einem nur das Genick. Am Ende bleibt man allein. Und wofür? Dafür, dass man sein Gesicht wahren konnte. Wenn ihr so spielen wollt – wenn es das ist, was alle Reinblüter dieser Erde tun-“

 

„-hey!“, unterbrach Weasley Potter empört, denn er schien sich durch das Wort ‚Reinblüter‘ äußerst beleidigt zu fühlen, ging Draco ungläubig auf, aber Potter sprach weiter.

 

„-dann kann ich euch nur zu eurer grenzenlosen Dummheit gratulieren!“, schloss Potter zornig. Draco riss der Geduldsfaden in dieser Sekunde.


„Fick dich, Potter! Das war eine hübsche kleine Ansprache, aber bist du jetzt fertig? Ich glaube, ihr habt hier nichts mehr zu suchen. Ihr dürft brav wieder nach Hause gehen! Was wollt ihr hier noch?!“, informierte er ihn zornig.

 

„Wir hängen mit dran, Malfoy“, erwiderte Potter kalt.

 

„Was?“, entfuhr es Draco, mehr als gereizt. Potter sollte endlich verschwinden!

 

„Wenn du tatsächlich vorhast, Hermine zu gewinnen, dann tut es mir verdammt nochmal Leid, aber wir hängen mit dran. So wie wir deine scheiße Visage ertragen müssen, wirst du uns ertragen müssen. Wenn das ein Problem ist, dann wäre es besser, wenn du dich verpissen würdest!“, klärte ihn Potter kalt auf. Draco starrte ihn an.

 

„Das hier-“, sagte Draco, deutete zornig um sich, „ist nicht euer Problem! Es ist mein Problem und es ist Grangers Problem! Nicht euers! Wir haben ganz bestimmt nicht um die scheiß Meinung von König Harry Potter gebeten!“, knurrte er außer sich. „Aber du mischst dich ein, oder? Du kannst gar nicht anders!“, fuhr Draco ihn an, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. Und es reichte ihm. Es war zu viel! „Weißt du was, Potter? Ich komme dir diesen verdammten scheiß Schritt entgegen, Merlin noch mal! Das ist es doch, was du willst? Was du so dringend suchst? Einen kleines bisschen verdammte Ehrlichkeit? Die keinem was bringt? Die keiner hören will? Aber bitte, ich bin der Stimmung, einem Arschloch wie dir meine Seele zu erklären!“, schrie er jetzt, und bevor Potter widersprechen konnte, bevor Draco den Mumm verlieren würde, der sich angestaut hatte, sprach er. Und was er sprach!

 

„Wir sind zu jung!“, donnerte Dracos Stimme über den verlassenen Platz. „Sie und ich? Wir sind zu jung dafür. Wir können kaum Verantwortung für unsere abgefuckte Beziehung übernehmen, geschweige denn, Verantwortung für ein Baby aus dieser abgefuckten Beziehung! Weißt du, wo ich herkomme? Wie man Probleme bei uns Zuhause löst?“, wollte Draco hysterisch wissen. „Gar nicht! Man löst sie gar nicht, Potter! Also verzeih, wenn ich noch kein Sternchen mit Auszeichnung in Konfliktlösung und Streitschlichterei bekommen habe, denn diese Scheiße ist neu für mich!“ Draco musste kurz Luft holen, während Potter ihn mit großen Augen anstarrte.

 

„Sie kann das Kind nicht bekommen, ok? Es geht nicht!“, fuhr Draco erschöpfter fort. „Unterm Strich ist es das Kind eines Todessers und eines Schlammbluts – und glaub mir, mir bedeuten die Worte gar nichts mehr!“, unterbrach er sich selbst, bevor Potters Kopf explodieren würde, weil Draco das böse Wort gesagt hatte. Das scheiß M-Wort, um es mit Pansys Worten zu sagen! „Es ist zu schwer, Potter! In der Gesellschaft, aus der ich komme, ist es zu schwer, diese Tatsache zu überwinden! Und ich kann damit nicht umgehen, stell dir vor! Ich überwinde kaum die Tatsache, dass es tatsächlich ein Mädchen gibt, was nicht so einfach zu manipulieren ist, wie all die Mädchen, die ich vorher gehabt habe! Ich kann nicht damit umgehen, dass sie anders ist, als alles, was ich kenne! Sie hasst mich! Kannst du dir das vorstellen?“, wollte er fast ausdruckslos von Potter wissen. „Ich weiß, du kannst es dir vorstellen, denn du hast in deinem Leben nie etwas anderes getan, als mich zu hassen, aber glaub mir – das ist nicht die Norm!“, informierte er ihn zornig. „Sie sieht mich an – und ich bin völlig machtlos! Ich bin fast froh, dass sie selber zu dem Entschluss gekommen ist, dieses Kind zu vernichten, denn bei Merlin, überzeugen hätte ich sie nicht gekonnt!“

 

Draco schüttelte müde den Kopf, denn es war schwer. Die Wahrheit tat weh, sie war schwer, und er wollte Potter am liebsten umbringen, für jedes Wort, was er, Draco, immer noch sprach!

 

„Und glaubst du, ich weiß es nicht? Dass es so nicht hätte kommen sollen?“, fuhr er ihn jetzt an, denn Draco verlor langsam jedes Gefühl für Distanz zwischen sich und Potter. „Ihr Plan war, uns alle vor eine Wand rennen zu lassen, als Heldin der unterdrückten Schicht zurückzukommen, Weasley zu heiraten und rothaarige Kinder zu bekommen, die ihr in stockfinsterer Nacht, im scheiß Fuchsbau in der verdammten Missionarsstellung gezeugt hättet! Langweilig, unspektakulär – und für immer dazu verdammt, Weasleys zu sein!“

 

Jetzt erntete er auch Weasleys mörderischen Blick, und würde er nicht weitersprechen, würde er auch Weasleys mörderische Faust in seinem Gesicht zu spüren bekommen.

 

„Aber das ist nicht passiert!“, rief er heiser aus. „Ich weiß nicht, was sie erwartet hat – womit sie wirklich gerechnet hat. Aber bestimmt nicht damit, dass… dass…“ Kurz fing er sich. Kurz dachte er über seine Worte nach. Aber gab es einen guten Grund, zu leugnen, was er sagen wollte? Gab es den?! Er glaubte nämlich nicht.

„… dass sie mich ändern würde“, schloss er mit dem leisen Schrecken der Selbsterkenntnis.

 

Potter und Weasley starrte ihn an. Unglücklich sah Draco in das Gesicht seines Feindes. „Denkst du, ich habe es mir so ausgesucht?“, wollte er plötzlich ruhiger von ihm wissen. „Ich habe die Dinge in meinem Kopf so oft durchgespielt, dass ich wahnsinnig geworden bin. Als… sie kam – als sie mich gezwungen hat, sie zu heiraten, da habe ich es schon gespürt. Ich habe bereut, was ich alles getan habe, um eine solche Strafe zu verdienen. Ich… wollte schon bei meinen Eltern um Vergebung winseln, mich für all die Jahre der Selbstsucht und des Ungehorsams entschuldigen, aber Stolz ist eine gefährliche Sache, Potter.“

 

Er sah ihn immer noch an, jeder Ausdruck war von seinem Gesicht gewischt. „Und dann… blieb sie. Sie blieb einfach bei mir, egal, wie scheußlich ich zu ihr war, wie weh ich ihr getan habe. Sie hat gesagt, sie wolle mir helfen, und ich habe sie immer mehr verletzt! Und glaub mir, ich habe es mir nicht ausgesucht – Merlin, ich hatte nicht mal mehr damit gerechnet, dass es solche Gefühle in meinem Leben überhaupt gibt!“, entfuhr es ihm. „Und es ist krank. Wahrscheinlich ist es genau das, was ich verdiene. Und jetzt hat sie es geschafft – alles, was sie geplant hat, hat sie auch erreicht!“, entfuhr es ihm resignierend. „Aber sie vertraut mir nicht genug, um es mir zu glauben!“, schloss er schlicht.

 

Verschlossen sah Potter ihn jetzt an, sagte gar nichts mehr. „Und ich glaube, dass einzige, worauf wir uns jemals einigen konnten, war, dieses Baby loszuwerden. Und darauf müssen wir aufbauen. Dieses Baby ist der letzte grauenhafte Rest aus einer furchtbaren Zeit. Und das müssen wir hinter uns lassen, wenn wir weitermachen wollen“, schloss er erschöpft.

 

Und Potters Gesicht hatte jeden Ausdruck verloren. Draco konnte nichts mehr in seinem Blick lesen. Potter Blick glitt neben ihn, fixierte einen anderen Punkt, und Draco wandte ebenfalls den Blick.

 

Granger.

 

Sie hatte die Praxis verlassen, trug ihren roten Mantel, und Dracos Herz machte einen Satz. Unschlüssig schien sie vor der Praxis zu stehen. Wie lange stand sie dort schon, fragte er sich plötzlich fast panisch. Was hatte sie alles gehört? Was hatte er alles gesagt?!

 

Aber seine Gedanken wurden von ihren scheiß Freunden unterbrochen, die bereits zu ihr stürmten. Weasley und Potter waren schneller als er gewesen. Wieder einmal.


„Hermine! Alles ok? Hast du…?“ Anscheinend stellte Potter die richtigen Fragen, stellte Draco machtlos fest, als Hermine in Potters Arme sank.

Wie ein Idiot stand Draco daneben, sah zu, wie er neben ihren Freunden völlig überflüssig war, und alles in ihm zerriss.

 

Sie würde niemals freiwillig zu ihm kommen. Niemals. Potter strich über ihren Rücken, und Draco wusste nicht, ob er sich näher wagen sollte. Er wusste nicht, ob Potters Worte irgendetwas in ihm auslösten. Sie weinte. Das war nicht gut, oder?

Sie hatte das Kind entfernt und weinte. So sah es doch aus, oder nicht?

Hatte Potter recht gehabt? War es ein Fehler gewesen? Hatte er den falschen Schritt gemacht? Hatte Hermine das Kind gewollt? Hatte sie nicht! Er wusste, das hatte sie nicht.

 

Also was sollte er jetzt tun?

 

Es schmerzte ihn, sie so zu sehen. Es schmerzte ihn, dass sie nur Trost bei ihren blöden Freunden fand und nie bei ihm.

 

Aber… war es verwunderlich? Was, wenn Potter, dieser Idiot, Recht hatte?

 

Durfte er, Draco, so etwas tun? Durfte er einer Mutter ihr ungeborenes Kind wegnehmen?

 

War das hier einer von diesen Fehlern gewesen, die er nicht richten konnte, die tatsächlich echte Fehler waren, weil es keinen Weg raus aus dem Dunkel gab? Er schluckte schwer, denn noch immer weinte sie stumm an Potters Schulter, während er es wagte, ihre Haare zu streicheln, ihren Rücken, während er es wagte, sie zu beschützen, obwohl es nicht seine Aufgabe war!

 

Dracos Mund war merklich trocken geworden. Alles, was gestern war, schien unendlich weit entfernt. Der Sex, der Streit, sein Showdown bei seinen Eltern. All das war… nur noch ein Nebel aus Worten und Missverständnissen. Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte, hatte es zurückgenommen, es in Lügen versteckt.

Aber sie wusste doch, dass er es ernstmeinte. Was sollte er noch tun? Wie sollte er noch beweisen, dass sie die eine war? Mehr verbiegen konnte er sich nicht! Mehr ging nicht.

 

Er hatte alles aufgegeben, und es war noch immer nicht genug? Vielleicht hatte sein Vater Recht, und der Kampf war aussichtlos? Wogegen kämpfte er? Gegen den Heiligen Harry Potter? Wer konnte schon gegen Harry Potter gewinnen? Er war Draco Malfoy und hatte ihr rein gar nichts zu bieten.

 

Und es war, als wäre der Winter bereits vergangen, der Sommer gekommen, wäre vom Herbst abgelöst worden, damit der Winter erneuten Einzug finden konnte, als sie sich endlich von Potter löste! Draco kam es vor, als hätte er ein weiteres Jahr Qualen erlitten und zugesehen, wie sie verdammt noch mal Potter erlaubte, sie zu trösten! Endlich löste sie sich, endlich wandte sie sich ihm zu.

 

Aber wollte er das? Unter Tränen kam sie nämlich näher.

 

Und mit einem Mal wusste er, er würde ihre Wut abbekommen. Er würde die Konsequenzen all ihrer Entscheidungen zu spüren bekommen.

 

„Warum bist du hier?“, fragte sie ihn rau, verweint, untröstlich. Sie fragte ihn das? Dachte sie, er würde nicht kommen? Dachte sie, für ihn wäre es vorbei? Die Sache gegessen? Dachte sie, er wollte sie nicht? War das ihr Ernst?!

 

„Ich…“ Er wusste keine echte Antwort. Er liebte sie? Er wollte immer bei ihr sein? Das gestern war ein Fehler von ihm gewesen? Er hätte die Wahrheit sagen sollen, hatte es aber nicht getan, weil er Angst hatte? Was wollte sie hören? Dass er sie brauchte? Dass es ohne sie alles keinen Sinn machte?

 

Und wieder hatte er zu lange gezögert, denn aus ihrem Mantel zog sie den Scheck.

 

„Hier“, sagte sie, und erbarmungslos hielt sie ihm den Teilhaber-Scheck entgegen.

 

„Es ist deiner“, erwiderte er nur, denn sie konnte nicht! Sie konnte es nicht zurückgeben!

 

„Ich will kein Gold mehr von dir“, sagte sie ruhig, aber ihre Worte trafen ihn so, wie ein Unverzeihlicher ihn treffen würde. Schmerzhaft tief in sein Herz. „Ich habe selber eigenes Gold in meinem Verlies. Dass du gesagt hast, du würdest die Kosten übernehmen, heißt wohl bestimmt nicht, die Kosten für tausend meiner Entfernungen?“, eröffnete sie ihm, was er garantiert nicht hören wollte. „Weißt du, wie sich das angefühlt hat? Diesen Scheck zu sehen?“, wollte sie mit stiller Empörung von ihm wissen. „Als hättest du kein größeres Anliegen, als diesen Fehler aus der Welt zu schaffen!“

 

„Granger-!“, widersprach er panisch, aber ihr trauriger Blick hatte etwas Endgültiges an sich, was ihn innerlich sterben ließ. Sie begriff nicht! Sie verstand ihn nicht! Überhaupt nicht!

 

„-ich glaube, wir haben gestern alles gesagt, oder nicht?“, flüsterte sie unglücklich. Was?! Nein! Hatten sie nicht! Sie hatten sich gestritten, gut, das taten sie halt! Das wusste Granger doch! Es bedeutete nichts! Sie würden sich vertragen. Jetzt war doch alles gut. Alles Schlechte war fort. Die Vergangenheit, das Baby! Alles konnte von neuem beginnen! Er hatte es geplant! Er würde sein Zuhause aufgeben, würde mit ihr in eine Wohnung ziehen, er würde arbeiten gehen, und sie würde ihn als den Mann zu schätzen lernen, den sie verdiente! Und er hatte es nie gesagt! Es war ihm nie wirklich ein Anliegen gewesen, das Baby zu entfernen. Sie hatten darüber gesprochen gehabt! Sie hatte es doch ebenso gewollt?!

 

Sein Mund jedoch sprach keines dieser Worte laut aus.

 

„Granger-“, sagte er nur wieder, und Verzweiflung drang an die Oberfläche, kratzte an seinen Worten. Und Merlin – wieso verstand sie nicht? Ihm kam es vor, als lägen alle Worte, die er jemals äußern konnte, allein in ihrem Namen.

 

„-du solltest gehen. Danke, dass du hier warst, aber ich schaffe das auch allein“, informierte sie ihn nur. Eine Träne fiel auf ihre Wange. Sie war so blass. Ihre schönen dunklen Augen füllten sich wieder mit Tränen, nur wegen ihm. Er nahm den Scheck resignierend entgegen, knüllte ihn in seine Manteltasche, und er wusste nicht mehr, was er tun sollte, um etwas richtig zu machen. Er hatte geglaubt, er hatte sich auf dem richtigen Pfad befunden. Der Pfad der Ehrlichkeit, des Verzichtes! Er hatte angenommen, sie würde ihn mit offenen Armen empfangen. Er hatte tatsächlich angenommen, sie würde erleichtert die Praxis verlassen, sich darüber freuen, dass er tatsächlich wartete, und sie dann das neue Leben beginnen konnten! Ohne gezwungene Ehen, ohne Vergewaltigungen und magische Schwangerschaften! Er dachte, er hatte dieses Mal alles richtig gemacht!

 

Und sie war aus der Praxis gekommen, hatte das Baby entfernt und weinte. Sie weinte.

 

Sie hatte das Baby entfernt.

 

Sie hatte es entfernt.

 

Diese Information schlug irgendwo in seinem Innern ein. Und er spürte es irgendwo in seinem Magen. Es war ein komisches Gefühl. Ein heißes, unangenehmes Gefühl, was ihm Bauchschmerzen bereitete. Und alles fühlte sich rau und böse in seinem Innern an.

 

Er hatte… einen Fehler gemacht, ging ihm langsam auf. Das Gold war ihr egal.

 

Er… war ihr egal.

 

Oh Merlin, nein.

 

Aber er konnte sie deshalb nicht verlieren.

Er wollte nichts mehr verlieren in seinem Leben!

 

Er hatte doch versucht, alles richtig zu machen! Und die verdammten Worte seines Vaters schlichen sich wie Gift in seine Gedanken. Sie hatte das Baby entfernt. Sie hatte die letzte ureigene Verbindung zwischen ihnen entfernt. Es gab keine Verbindung mehr! Es gab seine Liebe – und sonst nichts!

 

Potter und Weasley beobachteten sie, und Draco wollte alleine mit ihr sein. Er wollte die ganze Welt aussperren und nur alleine mit ihr sein. Er wollte ihr gerne sagen, dass sie alle seine Schecks zerreißen konnte, aber dass die Verfügung bereits rechtskräftig war und sein Vermögen bereits ihr gehörte. Er wollte sich entschuldigen für alle Fehler, die er begangen hatte und für alle zukünftigen, die er machen würde.

 

Er begriff es jetzt. Er machte nur Fehler, ging ihm auf. Immer dann, wenn er versuchte, alles richtig zu machen. Und in ihren Augen, würde er immer Fehler machen.

 

„Es tut mir leid“, sagte er plötzlich. So wie er es schon einmal zu ihr gesagt hatte, als sie ihn an Silvester im Gästehaus zurückgelassen hatte. Als er begriffen hatte, dass er sie liebte, sie aber niemals würde halten können.

 

„Ja, mir auch“, wiederholte auch sie dieselben Worte. Sie wischte sich die endlosen Tränen von der Wange. Er sollte gehen! Er sollte sie nie wieder sehen! Er sollte sich in eine Höhle zurückziehen, wo er sie nie mehr würde verletzen können.

 

Und dann musste er fragen. Er musste, denn er hatte Angst.

 

„Wie… wie lange hast du schon da gestanden und zugehört?“, fragte er rau, und traurig zuckten ihre Mundwinkel.

 

„Ich würde dir nicht genug vertrauen, um dir zu glauben“, wiederholte sie seine Worte. Sein Mund öffnete sich, um zu erklären, aber sie sprach. „Ich glaube dir“, sagte sie hastig, und er wollte sie umarmen, wollte sie spüren, wollte sie näher an sich bringen, aber er konnte nicht. Sie würde vor ihm weglaufen. „Ich glaube, dass du wirklich denkst, es könnte funktionieren, Draco.“

 

Draco. Sie sagte seinen Namen. Es war nie gut, wenn sie seinen Vornamen sagte, wusste er und musste schlucken.

 

„Aber das kann es nicht“, fuhr sie ernster fort, während sie immer noch weinte. Wieso weinte sie? Wenn sie sich so sicher war, dass es nicht funktionieren konnte, wieso weinte sie dann? Wieso konnte es nicht funktionieren?!

 

„Wieso nicht?“, fragte er fast trotzig, fast ebenfalls unter Tränen.

 

„Glaub mir“, sagte sie nur.

 

Er hasste all das hier! Wäre er nicht so verdammt unfähig, würde er sie längst in seine Arme gezogen haben! Er würde nicht so tun, als wäre er ein verdammter Gentleman, und hätte sie längst mit seinen Lippen überzeugt, dass sie sich irrte!

Aber er war so ein dummer Idiot, dass er nicht mal fertig brachte, der Frau seines Lebens zu sagen, dass er sie liebte! Aber er glaubte nicht, dass seine Liebe ihre Entscheidung irgendwie beeinflussen würde, denn jetzt gerade war er das Monster, was sie dazu gezwungen hatte ihr Baby zu entfernen!

Dabei hatte er das nie getan!

 

Er hatte sie nie gezwungen! Er hatte nie…!

 

„Mach’s gut“, unterbrach sie seine Gedanken und hatte sich umgedreht.

 

Nein! Sie konnte nicht gehen! Sie konnte nicht! Er hatte nicht mal ansatzweise gesagt, was er hatte sagen wollen! Er hatte…! Sie konnte nicht! Aber sie ging, und immer noch stand er an derselben Stelle. Es war wie ein Albtraum, dem er nicht entkommen konnte. Wieso hatte er nichts getan? Wieso tat er nichts?!

 

Sie verabschiedete sich von ihren Freunden und verschwand die Straße hinab.

 

 

Kapitel 73

 

Sie weinte und weinte. Sie konnte nicht anders. Ihr Herz war zerbrochen in so viele Teile. Sie hatte gehofft, dass er kommen würde. Sie hatte es wirklich gehofft. Sie hatte gehofft, ihn zu sehen, aber es war schlimmer geworden, als sie es sich jemals ausgemalt hatte. Was er Harry alles gesagt hatte! Merlin, was er alles gesagt hatte!

 

Und er hatte Recht gehabt, oder nicht? Oder nicht? Es könnte nicht gutgehen! Sie waren so verschieden. Sie hatte… alles falsch gemacht. Und er hatte alles falsch gemacht. Sie hatte ihn schon reden gehört, als sie vor der Tür nach draußen gestanden hatte, hatte ihn schreien hören, hatte ihn reden hören. Hatte gehört, was er von sich gegeben hatte.

 

Und sie wollte ihn nicht unglücklich machen. Sie hatte genug angerichtet, oder nicht?

 

Er sollte sie hassen. Er sollte sie wirklich lieber hassen. Und das würde er schon noch, das wusste sie. Schritt um Schritt ging sie durch die Gassen und war froh, dass ihr niemand folgte. Sie würde sonst zusammenbrechen, nahm sie an.

 

Sie ließ ihn frei! Was wollte er sonst? Hatte er sich nicht darüber beschwert, dass er es sich nicht hatte aussuchen können? Dass alles eine Qual für ihn gewesen war?

Oh ja. Sie hatte gehen müssen, sonst wäre sie womöglich tatsächlich noch in seine Arme gefallen, aber das wäre nicht von Dauer gewesen! Irgendwer von ihnen musste immer den vernünftigen Part übernehmen, und das war einfach sie. Denn sie wäre am Ende diejenige, die ohnehin alleine übrig blieb.

 

War sie jetzt frei? Selten hatte sich Freiheit jedoch so beschissen angefühlt. Er hatte so unglaublich verloren und verletzt gewirkt. Aber sie nahm an, sie musste sich gar keine Sorgen machen, denn morgen würde er sie sowieso hassen. Er sagte doch, Gefühle gingen fort.

 

Und bevor die Schmerzen sie umbrachten, rannte sie.

Sie rannte, bis sie keine Luft mehr bekam. Biegung um Biegung ließ sie hinter sich. Sie floh vor ihm, vor ihren Freunden, floh vor sich selbst. Und die nächste Tür, die sich ihr bot, schob sie nur zu dankbar auf.

 

Die Drei Besen war das nächstbeste Ziel gewesen.

 

Fröstelnd winkte sie Madame Rosmerta, die sie mit einem misstrauischen Blick bedachte, ehe Hermine ihren nassen Mantel auszog und sich umsah. Sie wollte eine kleine versteckte Ecke finden, einen heißen Tee trinken und vergessen, dass sie ein dummes Mädchen war. Ein dummes, hilfloses und irrationales Mädchen. Sie wusste, die Leute sahen sie an, weil sie völlig außer Atem war und aussah, als hätte sie zwei Wochen durchgeweint.

 

„Hier wäre noch frei?“, vernahm sie eine zu vertraute Stimme schräg hinter sich, von der Bank am Fenster. Langsam wandte sie sich um, und ihr Herz sank in den Keller.

 

Auffordernd deutete Narzissa auf den Platz gegenüber, und Hermine sah sich außerstande, vor dem nächsten Malfoy davonzulaufen.

 

Was tat sie denn hier? Was wollte sie von ihr?

 

Hermine konnte nicht mehr. Sie würde es nicht ertragen, sich den nächsten Streit zu liefern.

 

Sollte sie Narzissa ignorieren, sich irgendwo weit ab von ihr hinsetzen? Sie könnte das tun. Hermine wusste, nichts verband sie mehr mit dieser Person. Nichts.

Fast nichts.

 

„Bitte“, sagte Narzissa jetzt voller Demut, und Hermine seufzte schwer und nahm das Angebot der Frau vor ihr schließlich an. Narzissas Blick war nicht lesbar, und Hermine fand, es war ein seltsames Bild, dass ausgerechnet Narzissa in den Drei Besen saß. Hatte sie auf sie gewartet? Woher sollte sie wissen, dass Hermine hier war oder überhaupt hierherkam?

 

Aber vor Narzissa dampfte bereits eine Tasse Tee. Sie war schon länger hier, so kam es Hermine vor.

 

Und widerwillig setzte sich Hermine Narzissa gegenüber.

 

„Lass uns reden, Hermine“, begann Narzissa jetzt, und ein trauriger Ausdruck erschien auf ihren Zügen. Hermine musste sich nur ermahnen, kein Mitleid mit der Frau zu haben.

Kein Stück.

 

Narzissa sprach lange nicht, sah sie an, dann wieder in ihren Tee, und Hermine war inzwischen sicher, sie hatte einen Fehler gemacht, als sie sich gesetzt hatte. Madame Rosmerta hatte ihr ebenfalls einen Tee gebracht, und manchmal spürte Hermine den ein oder anderen neugierigen Blick.

 

„Narzissa“, begann sie ungeduldig, und die Frau hob den hellgrauen Blick erneut.

 

„Pansy hat einen Patronus ins Herrenhaus geschickt“, sagte Narzissa schließlich. Hermine hatte es bereits angenommen. So leicht gab ihre Freundin Pansy nicht auf. Sie atmete aus.

 

„Was willst du hier?“, fragte Hermine direkt. Die Frau sah aus, wie Hermine sie kannte. Sie war elegant gekleidet, gehörte in eine andere Welt, aber nicht in die Drei Besen. Ihre Haare fielen weich und seidig silbern über ihre Schultern. Ihre Augen leuchteten hell, und ihr Blick war klar. Keine Hintergedanken zeichneten sich ab.

 

„Mein Sohn kam gestern Nacht nach Hause, Hermine“, sagte sie schließlich und senkte den Blick. „Er… er hat geweint.“ Hermine sah sie verblüfft an. Draco war nach Malfoy Manor appariert? „Er… ist zusammengebrochen und will bestimmt nicht, dass ich es dir erzähle. Ich glaube, er… ist zum ersten Mal… verliebt“, sagte sie, und ihre Mundwinkel zuckten sanft. „Aber auf eine sehr schlimme Art, denn ich glaube fast, seine Liebe ist unerwidert, nicht wahr?“ Sie sah sie direkt an.

 

Hermine schluckte unauffällig. Was wollte Narzissa von ihr? Was sollte Hermine dazu sagen?

Aber Narzissa sprach weiter.

 

„Ich… habe mich nie dafür entschuldigt, wie ich dich behandelt habe“, sagte sie schließlich. „Es tut mir leid. Es gibt keine Entschuldigung, und ich habe keine gute Erklärung in zwei Sätzen. Vor… vor zehn Jahren starb mein jüngster Sohn, Hermine.“ Hermine konnte den Blick nicht abwenden. „Sein Name war Scorpius, und… ich war nicht da, konnte nicht helfen.“ Narzissas Blick fiel auf ihre zitternden Finger, die sie ineinander verschränkte.

„Weißt du, wir Zauberer unterscheiden uns von Muggeln dadurch, dass wir Magie einsetzen können, um alles auf dieser Welt zu bekommen.“ Sie runzelte die Stirn, ohne Hermine anzusehen. „Und dazu besitzen Lucius und ich auch noch jede Menge Gold. Aber… kein Gold der Welt und kein Spruch dieser Welt wird Scorpius zurückbringen. Ich… habe noch nie darüber gesprochen“, fuhr sie tonlod fort und hob den Blick wieder.

 

„Mein jüngster Sohn ist tot, und Draco glaubt, er trägt die Schuld daran. Weißt du, ich war so gefangen in meiner Trauer, dass ich meinem Sohn nicht einmal vermitteln konnte, dass er keinerlei Schuld an diesem Unglück trägt. Ich war eine schlechte Mutter, und ausgerechnet ein junges Mädchen wie du, musste mir das zeigen.“

 

Hermines Mund öffnete sich, aber Narzissa sprach weiter.

 

„Wir hatten beide unsere egoistischen Pläne, nicht wahr? Du wolltest unserer Gesellschaft beweisen wie dumm wir sind, und ich wollte, dass Draco sich endlich unseren Regeln fügt.“ Sie lächelte ein trauriges Lächeln. „Fast war es töricht. Wir lieben Draco, Hermine. Mehr als alles auf dieser Welt. Wir… hatten es nur vergessen“, flüsterte sie. „Und wir haben es ihn vergessen lassen. Und dafür, dass du uns erinnert hast, liebe ich dich sehr.“

 

Hermine biss die Zähne fest zusammen. „Ich weiß, ich kann dich nicht wirklich bitten, meine Entschuldigung anzunehmen. Ich kann dich nicht bitten, meinen Sohn glücklich zu machen. Ich kann aber auch nicht ertragen, wie sehr er leidet. Wir… wir werden alles tun, was er verlangt. Ob er arbeiten gehen will, dir sein Vermögen vorbehaltlos überlässt oder ob er ausziehen will, um selber alle Erfahrungen zu machen, die ihm bisher verwehrt waren.“

 

Hermine starrte die Frau an. Er zog aus? Er ging arbeiten? War das sein Ernst?

 

„Wir halten uns raus“, versprach die Frau plötzlich. „Aber… wenn du in deinem Herzen die Kraft finden kannst, ihn vielleicht auch zu lieben, dann lass ihn jetzt nicht allein.“

 

Hermine wusste nichts zu sagen. Gar nichts. Sie hatte genug Probleme, die Tränen zurückzuhalten. Sie nahm an, es war eine Prüfung Gottes, dieser Tag heute….

 

„Ich nehme an, du hast den Termin wahrgenommen? Warst bei der Heilerin? Ich hatte nur die vage Hoffnung, dich hier zu finden. Mehr nicht. Dass du hier bei mir sitzt, ist mehr als ich verlangen könnte, das weiß ich.“ Hermine schluckte schwer bei Narzissas Worten. „Und jetzt verbindet dich nichts mehr mit uns, du… kannst also auch keines meiner Worte mit einer Antwort würdigen und gehen, das weiß ich auch.“

 

Hermine schloss kurz die Augen. Sie hatte damit nicht gerechnet. Narzissa und Lucius hassten sie nicht? Anscheinend nicht.

 

„Ich will nur, dass du eines weißt“, fuhr Narzissa still fort, und Hermine hielt den Atem an. „Er liebt dich, Hermine. Und… ich will nur, dass er glücklich ist. Dass… du glücklich bist. Bitte, verzeih mir meine Fehler, Hermine.“

 

Hermine glaubte nicht, dass sie noch viel länger würde aushalten können. Tränen fielen wieder auf ihre Wange und sie vergrub den Kopf in ihren Händen. Wie sollte sie das aushalten? Wie?! Sie hörte, wie Narzissa aufstand. Oh nein! Hermine hob den Blick, wollte irgendetwas sagen, aber Narzissa setzte sich neben sie auf die Bank, und ohne ein weiteres Wort, ohne Umstand, hatte Narzissa Hermine in ihre Arme gezogen. Narzissas Wärme hüllte Hermine ein.

 

„Meine liebe Hermine“, flüsterte Narzissa mit erstickter Stimme, und Hermine weinte nur heftiger, schloss die Augen und erlaubte sich zum ersten Mal, dass Narzissa sie hielt.

Zum ersten Mal in all diesen Monaten.

 

Und das Schlimme war, sie liebte ihn.

Sie liebte Draco.

 

~*~

 

Unschlüssig standen sie im scharfen Wind. Dann atmete Potter aus.

 

„Wir gehen“, informierte er ihn knapp. Potter wirkte unschlüssig, während ihm seine Strähnen in der Stirn klebten. Selbst Potter wirkte… enttäuscht von ihm. Merlin, Draco war selber enttäuscht von sich. Und er konnte es von Potters Lippen praktisch ablesen. Er würde ihm zu gerne sagen, dass er es vorher gewusst hatte.

 

Draco blickte starr nach vorne, bis er schließlich langsam ausatmete.

 

„Du solltest ihr nicht nachgehen“, ergänzte Potter mit mehr Bedacht. Dracos Blick hob sich spöttisch. 

 

„Meinst du?“, wollte er kühl wissen. Er wusste noch nicht, ob er im Erdboden versinken wollte, weil Weasley und Potter gesehen hatte, wie Hermine ihn abgewiesen hatte oder ob er beide verfluchen wollte. Er war sich noch nicht sicher. Dracos Blick wurde kälter. „Seit wann interessiert dich mein Schicksal, Potter?“, wollte Draco wissen, dem langsam die Kälte in die Glieder kroch.

 

„Tut mir leid, dass sie dich nicht will“, räumte Potter tatsächlich ein. Dracos Herz tat einen schmerzhaften Schlag. Am besten verschwand Potter ziemlich schnell.

 

„Vielen Dank für deine Anteilnahme“, spuckte ihm Draco praktisch entgegen. Und es war Weasley, der plötzlich sprach.

 

„Keine Sorge“, sagte Weasley grimmig. Draco hob den Blick, Potter ebenso.


„Was hast du gesagt?“, entfuhr es Draco schärfer als beabsichtigt, denn er hatte keine Lust darauf, dass Weasley ihm irgendwelche Vorhaltungen machte. Aber der hochgewachsene Junge vor ihm sah ihn abschätzend an.

 

„Ich sagte, keine Sorge, Malfoy“, wiederholte Weasley tatsächlich. „Sie liebt dich auch“, schloss er, bitter und voller Ablehnung.

 

Draco starrte ihn an. Was?!

 

„Muss zwar ziemlich scheiße für sie sein, das Arschloch trotzdem zu lieben, was sie gezwungen hat, ihr Kind loszuwerden, aber-“ Und Draco hatte keine Geduld mehr. Er hatte sich gefährlich schnell in Bewegung gesetzt, und es war ihm scheiß egal! Was erlaubte sich dieser scheiß Wichser eigentlich?! Bevor er Weasley aber die Zähne rausschlagen konnte, ging Potter dazwischen, warf sich gegen seinen Oberkörper und hielt ihn auf minimalem Abstand.

 

„Nein!“, erklärte Potter gepresst. „Hört auf! Beide!“, brachte er zornig über die Lippen, und Draco schob ihn gereizt von sich, fixierte Weasley aber immer noch mit einem mörderischen Blick.

 

„Ich schlage dir vor, du lässt sie endlich in Ruhe!“, informierte ihn Weasley, ebenfalls noch immer gewaltbereit, denn sein Körper wirkte ebenso angespannt wie Dracos. „Das kannst du nicht wollen, Malfoy!“ Weasley hatte die Zähne fest zusammen gebissen und starrte Draco hasserfüllt aus dunkelblauen Augen an.

 

„Was du sagst, interessiert mich nicht!“, informierte Draco ihn bösartig.

 

„Ja, weil du immer deinen Willen bekommst, oder, Arschloch?“, knurrte Weasley, und Potter hielt sie beide immer noch auf Abstand. „Du willst sie quälen, also quälst du sie! Du willst kein Kind, weil du zu bequem bist, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen, also wird es entfernt! Du willst sie, obwohl es sie umbringen wird – also bekommst du sie auch, hm? So läuft es?!“, rief er zornig, und Draco wurde nun mit beiden Händen von Potter aufgehalten.

 

„Fick dich, Weasley!“, brachte er gepresst hervor, aber Potter schubste ihn hart zurück, so dass einige Meter Abstand zwischen sich und Weasley entstanden. Meinte er das ernst? Sie liebte ihn? Er hatte nicht das Gefühl. Und meinte er all die anderen Worte ernst? Dracos Atem ging schnell, aber er hatte keine Lust mehr. Er hatte keine Lust mehr auf all das.

„Ihr seid es nicht wert“, entfuhr es ihm  und er wandte sich ab.


„Du gibst es nicht mal zu, oder?“, rief ihm Weasley fast belustigt nach, und Draco drehte sich wütend um. Wovon sprach das Arschloch? Draco ließ zu, dass er weiter sprach. „Du kannst nicht mal jetzt zugeben, wo sie vollkommen gebrochen abgehauen ist, dass du einen Fehler gemacht hast!“

 

Aber Draco würdigte ihn mit keiner Antwort, drehte sich wortlos wieder um und schlug die entgegengesetzte Richtung ein, ohne zu wissen, wohin er wollte. Er wollte nichts mehr hören! Er konnte nicht mehr! Und Weasley hatte Unrecht! Draco hatte keinen Fehler gemacht!

 

Er wollte keinen Fehler mehr gemacht haben.

 

Aber was machte er sich vor? Er machte nur Fehler. Jedes Wort, alles was er tat, war immer nur ein Fehler.

 

Und jetzt hatte er sie verloren. Er glaubte Weasley nicht. Zumindest erlaubte er es sich nicht.

Es müsste an wahre Magie grenzen, sollte sie überhaupt zu ihm zurückkommen.

Sie liebte ihn nicht. Wahrscheinlich hatte er es nicht anders verdient.

Wenn sie nur wüsste… - alles würde er tun.

 

Und er war sich nicht zu bequem! Selbst in der verdammten scheiß Zeit würde er zurückreisen, wenn sie es wollte! Er würde… alles rückgängig machen!

Heiße Tränen liefen über seine Wange.

Er würde alles geben, was er noch hatte, würde sie ihm noch eine Chance geben.

 

 

Kapitel 74

 

Er hatte es geschafft, nur ein Ale zu trinken, sich verdammt noch mal zurückzuhalten, auch wenn er nicht mehr wusste, wozu. Er war sich nicht sicher, wie er seinen Tag verbracht hatte, aber alles war nur in einem Nebel an ihm vorüber gezogen. An Hogwarts hatte er kein Interesse. Er apparierte nach Hause.

 

Malfoy Manor lag ruhig hinter den schmiedeeisernen Toren. Er verharrte vor dem Eingang, wartete vor den Toren. Es war immer noch kalt. Der Frühling würde eine ganze Weile brauchen. Aber es passte zu seiner Grundstimmung. Ihm war nicht nach Frühling zumute.

 

Er passierte die Tore, schritt lustlos und kraftlos den Weg empor, und er befürchtete, dass nichts jemals wieder gut werden würde. Wie sollte es? Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte auch gar nichts mehr tun. Alles, was er tat endete in einem Fiasko, in einem riesigen Chaos.

 

Er klopfte gegen die Tür. Die Elfen hatten seine blutigen Knöchel schon gestern geheilt. Der alte Elf öffnete, verneigte sich steif, und Draco bedankte sich tatsächlich. Er hatte es sich angewöhnt. Man bedankte sich einfach. Granger hatte es ihm beigebracht. Und die meisten Dinge, die er von ihr gelernt hatte, waren gut.

 

Er schlurfte durch die Halle. Sein Vater hob den Blick. Er lächelte leicht.

 

„Na, wie war dein Tag?“, erkundigte er sich, als hätte Draco einen Tag lang Urlaub gemacht. Draco verzog nur den Mund. Er wollte sterben. So war sein Tag gelaufen. Lucius nickte nur. „Solltest du nach oben gehen, warne ich dich vorher“, fuhr er jetzt fort, „Narzissa hat einen Hausgast im Gästezimmer einquartiert“, erklärte er, während er durch das gebundene Exemplar der Trollkriege blätterte, was Granger ihm zu Weihnachten geschenkt hatte.

 

„Was für einen Gast?“, wollte Draco lustlos wissen, denn vielleicht reiste er doch ab und ging nach Hogwarts zurück.


„Eine Dame der Gesellschaft“, erwiderte Lucius, ohne ihn anzusehen. Draco war müde. Er war auch die verdammte Gesellschaft müde.

 

„Dad?“ Draco sah seinen Vater an, und dieser hob beim Klang des Wortes mit einem schmalen Lächeln den Blick.


„Sohn?“, erwiderte er mit erhobenen Augenbrauen.

 

„Wann… wann hat man keine Angst mehr?“, fragte er erschöpft. Lucius schien kurz darüber nachzudenken, ehe er sich erhob und zur Bar schlenderte. Er mixte für sich und ihn einen hellen Drink.

 

„Tut mir leid, Draco“, erklärte er, während er auf ihn zukam, und ihm eines der magisch immer kalten Gläser in die Hand drückte. „Ich glaube, man hat immer Angst vor irgendetwas.“ Sie tranken beide einen Schluck. „Hast du doch Angst, arbeiten zu gehen und auszuziehen?“, wollte Lucius lächelnd wissen, aber Draco ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein“, sagte er nur. „Ich…“ Aber er wollte nicht reden. Er schritt durch die Halle. Das Feuer wärmte die alten Wände, und er fühlte sich nur noch leer. Sein Blick blieb an etwas hängen. Das Glas sank in seinen Händen. Er näherte sich dem Kaminsims. Von weitem hatte er angenommen, es wäre ein Bild von sich selbst, aber… das war es nicht. Es war ein Bild von Scorpius. Er runzelte die Stirn.

 

Sein Vater trat neben ihn.

 

„Wir dachten, es wäre nicht nett gegenüber Scorpius, wenn wir kein Bild von ihm aufstellen würden“, erklärte er.

 

„Ja“, bestätigte Draco mit belegter Stimme neben ihm, und sein Blick fiel auf eine ovale Glocke aus Glas. Ein goldener Funke schwebte im Innern, nicht ganz auf halber Höhe, aber er versprühte einen angenehmen Glanz. Draco kam es bekannt vor.

 

„Woher habt ihr das?“, fragte er misstrauisch.

 

„Es war Miss Grangers Weihnachtsgeschenk“, erklärte Lucius bereitwillig. Richtig. Draco erinnerte sich. Das Körnchen Glück. Hatten seine Eltern es hier behalten? Wozu noch? „Draco, kann ich dir eine Frage stellen?“, sagte Lucius schließlich und leerte sein Glas neben ihm.

 

Draco sah ihn an. Was kam jetzt? „Warum wolltest du das Kind entfernen lassen?“, fragte er, und Draco wollte nicht mehr dieselbe Frage beantworten. „Glaubst du, es war richtig?“ Er sah ihn aus unergründlichen Augen an.

 

„Ja“, sagte Draco, was er sich angewöhnt hatte, zu sagen. Sein Vater nickte. „Ich…“ Dann seufzte er auf. „Es macht doch überhaupt keinen Unterschied, oder?“ Unwillkürlich dachte er an Weasleys Worte. Sie liebte ihn. Nein, tat sie ganz bestimmt nicht. Wie sollte sie?

 

„Wenn du das sagst“, erwiderte Lucius schließlich und wandte sich ab. Und Draco spürte, wie ihm kälter wurde, obwohl er vor den Flammen stand.


„Was, wenn… was, wenn dieses Baby das einzig Gute war, was ich jemals zustande gebracht hätte, Lucius?“, entfuhr ihm die Frage, die er sich seit heute Morgen gestellt hatte. Die er sich eigentlich schon seit einer ganzen Weile stellte. „Was, wenn ich dafür gesorgt habe, dass das einzig Gute jetzt verschwunden ist?“, flüsterte er zitternd. Lucius kam näher.


„Das ist Unsinn, Draco!“, ermahnte sein Vater ihn und umfing seine Schultern. „Draco, du besitzt viele gute Eigenschaften!“

 

„Ich… ich hätte sie aufhalten sollen, oder? Und ich war da! Ich saß nutzlos vor der Praxis! Ich habe sie nicht aufgehalten, habe mich nur in Selbstmitleid gebadet, weil ich Hermine nicht mit einem Baby hatte teilen wollen!“, sagte er untröstlich. Lucius strich ihm voller Mitgefühl über die Haare.

 

„Draco, du-“

 

„-Draco!“, hörte er die erfreute Stimme seiner Mutter, die soeben die ausladende Treppe runterkam. „Ich hatte gehofft, du würdest heute wiederkommen. Wir haben dich so selten bei uns!“ Sie war verdammt gut gelaunt, stellte er alarmiert fest. Hoffentlich hatten es sich seine Eltern nicht anders überlegt und waren schon wieder im Begriff, ihn zu verkuppeln.

„Magst du mir zur Hand gehen?“, fragte sie ihn direkt, und er glaubte nicht, dass sie ihn das jemals gefragt hatte.

 

„Wobei?“, wollte er lustlos wissen. Er hatte keine Lust auf gar nichts mehr.

 

„Ich dachte, wir essen heute alle zusammen, wo wir doch Besuch haben.“

 

„Was für Besuch?“, wollte er schlecht gelaunt wissen.

 

„Wieso holst du sie nicht einfach? Das Essen dürfte gleich fertig sein. Sie kennt sich nicht wirklich gut aus“, fuhr seine Mutter unbeeindruckt gut gelaunt fort. Draco hatte nicht wirklich Lust auf Gesellschaft, die er hassen würde. Aber er hatte auch keine Lust, das neugewonnene gute Verhältnis mit seinen Eltern wieder zu verlieren. Immerhin hatten sie ihm durchgehen lassen, dass er dreihundert Milliarden einfach so verschenkte.

 

„Mhm“, machte er nur einsilbig, und hoffte, dass Essen ging schnell vorbei, und es kam zu keinen furchtbaren Themen. Er leerte sein Glas im Gehen und spürte die wohlige Wärme des Alkohols. Bald wäre er taub im Innern. Wahrscheinlich zögen die Gespräche ohnehin gänzlich an ihm vorbei. Hunger hatte er auch keinen.

 

Der Weg kam ihm endlos vor, die Stufen wie Berge, die er überwinden musste. Wieso musste er überhaupt den Besuch einsammeln? Konnten es die Elfen nicht ebenso gut? Wahrscheinlich war wieder irgendeine Tante zu Gast, die ihm in die Wangen kneifen würde. Merlin, er hasste Verwandtschaft. Aber wenn er drüber nachdachte, dann bestand seine Verwandtschaft aus rassistischen Gift-Hexen, die damit beschäftigt waren, sich magisch aufbereiten zu lassen. Sonst lud seine Mutter doch auch keine Blacks oder Malfoys ein?!

 

Endlich. Endlich war er angekommen. Am liebsten würde er sich in seinem Zimmer einschließen und die Wände anstarren. Das konnte er besonders gut. Er bekam seinen dummen Mund nämlich ohnehin nicht mehr auf, wenn es wirklich wichtig war. Und fast erinnerte es ihn an die Zeit, als Granger hier gewesen war.

 

Er zögerte vor dem Gästezimmer. Er würde es hassen, dass nun dort irgendein Besuch untergebracht war. Dann klopfte er.

 

Niemand antwortete. Seufzend drückte er die Klinke runter.

 

Niemand befand sich im Gästezimmer. Nur eine Tasche stand auf dem Bett. Im angrenzenden Bad brannte jedoch Licht. Er runzelte die Stirn. Für gewöhnlich bekamen die Elfen beim seltenen Besuch seiner Verwandten allesamt einen Leistenbruch vom Koffer schleppen. Eine Tasche wirkte… irgendwie verdächtig wenig für eine Reinblüterin?

 

„Hallo?“, rief er emotionslos. „Das… Essen ist fertig?“, fuhr er fort, und kam sich idiotisch vor. Seine Mutter hatte ihm nicht mal den Namen der Person verraten, die dieses Zimmer dreisterweise beschlagnahmte.

 

Und er nahm an, er war betrunkener als er zuerst gedacht hatte.

 

Die Badezimmertür öffnete sich ein Stück weiter, und Dracos Mund klappte langsam auf, während er heftig blinzelte. Was…?! Was passierte hier?

 

~*~

 

~ Eine Stunde zuvor ~

 

Sie saßen sich seit einer Weile wieder gegenüber. Hermine hatte noch zwei Tee getrunken, und endlich war die Wärme wieder in ihren Körper zurückgekehrt.

 

„Warum nicht?“, fragte Narzissa fast verständnislos. „Ich meine, es wäre ein Leichtes, das Haus wieder aufzubauen“, fuhr sie fort. Hermine verzog den Mund.

 

„Ich habe noch nicht mal gesagt, dass es mit Draco und mir überhaupt etwas wird, Narzissa“, entgegnete Hermine. Ihre Augen waren langsam müde vom Weinen. Narzissa hatte sie so lange gehalten, hatte sie beruhigt, und Hermine hatte es zugelassen. Jetzt war eine Stunde vergangen, und Hermine lächelte fast wieder.

 

„Ich meine nur, ein Gästehaus ist schnell gebaut“, versprach Narzissa wohlwollend. Hermine schüttelte den Kopf.

 

„Selbst wenn… dann haben wir gesehen, dass es nicht funktioniert“, lehnte sie ab.

 

„Na gut“, sagte Narzissa etwas enttäuscht, „aber… kommst du mit mir zurück? Heute?“, wiederholte sie auch diese Frage, der Hermine bisher ausgewichen war.

 

„Du bist dir nicht mal sicher, ob er wiederkommt. Und wenn… dann ist nicht mal klar, ob er mich sehen will“, wich Hermine ihr aus, die Wangen wieder gerötet.

 

„Ich denke, er kommt wieder. Und…“, Narzissa schenkte ihr einen eindeutigen Blick, „glaub mir, er wird dich sehen wollen“, versprach sie sanft. Bevor Hermine widersprechen konnte, hatte Narzissa die Hand zum Zahlen gehoben. Madame Rosmerta hatte ihren neugierigen Blick auf den Zügen behalten, stellte aber keine entsprechende Frage. Narzissa zahlte anstandslos für sie beide und half Hermine sogar in ihren Mantel.

 

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, murmelte Hermine, aber Narzissa zog sie mit nach draußen, und sie apparierten Seit-an-Seit. Sie stellte fest, es war nicht übel, wenn jemand anders mal ab und an eine Entscheidung für sie traf. Sie war nicht besonders gut darin.

 

Hermine hatte nicht angenommen, Malfoy Manor so schnell wiederzusehen. Fast entspannt schritt Narzissa mit ihr den Weg zum Haus empor.

 

„Ich habe dich vermisst“, gestand sie Hermine ein. Hermine atmete langsam aus.

 

„Ich dich auch“, erwiderte sie ehrlich, und Narzissa lächelte selig, als sie die Tür erreicht hatten und sie aufschloss. Narzissa hatte sich so oft entschuldigt, dass es Hermine mehr als unangenehm gewesen war. Für eigentlich alles. Für Die Verlobung, ohne gefragt zu haben, für Astoria, für Silvester – für einfach alles. Es gab noch eine Sache, die Hermine nicht bedacht hatte.

 

Narzissa zog sie den lagen Flur hinab bis in die schöne von Bögen gesäumte Steinhalle. Sie schluckte schwer. Lucius saß auf einer der Couchen vor dem Kamin.

 

„Das hat lange gedauert“, bemerkte er, ohne aufzusehen, als Narzissa sie einfach mit in die Halle nahm. „Hast du sie-?“ Er hob den Blick und unterbrach sich selbst. Verwunderung zeichnete kurz seine Züge. „Wie ich sehe, hast du sie gefunden“, beantwortete Lucius wohl seine angefangene Frage, und Narzissa lächelte neben ihr.

 

„Ja“, erwiderte sie froh. Hermine wusste nichts zu sagen. Es war kein glücklicher Abschied zwischen ihnen gewesen.

 

„Und was verschafft uns die Ehre des Besuchs?“, wollte er von ihr jetzt wissen. Und ehe Hermine auseichend über die Antwort nachgedacht hatte, hatte sie bereits fast trotzig geantwortet.

 

„Ich bin hier wegen Draco“, sagte sie, und Lucius hob eine Augenbraue in die Höhe.

 

„Dass Sie nicht meine Aufmerksamkeit suchen, ist mir bewusst“, antwortete er langsam. Unschlüssig stand sie vor ihm.

 

„Es… es tut mir leid. Was passiert ist und… alles sonst“, schloss sie stiller. Irgendwann nickte er schließlich.

 

„Ich denke, Narzissa wird bereits alles gesagt haben. Ich… hätte nicht damit gerechnet, Sie wiederzusehen“, sagte er nach einer Weile. Es war viel passiert zwischen ihr und Dracos Eltern. Sehr viel.

 

„Ich will nichts überstürzen, aber…“

 

„Aber?“, erkundigte sich Lucius gespannt.

 

„Aber… ich weiß, ich liebe Ihren Sohn. Und ich…“ Sie sprach nicht weiter. Es war das erste Mal, dass sie es laut sagte. Ihr Herz schlug lächerlich schnell. Ein eigenartiger Ausdruck war auf Lucius‘ Zügen erschienen. Fast wie sanfter Unglaube.

 

„Ich bin… froh, dass… Sie aufgetaucht sind. Hier, in unserem Leben“, sagte er langsam. „Danke, Hermine“, ergänzte er ruhig.

 

„Ich… habe es mir selber ausgesucht“, erwiderte sie, fast verblüfft über die Worte, die sie sprach, aber… waren sie nicht wahr?

 

„Hermine, komm zieh den Mantel aus. Wie wäre es, wenn wir dir das Gästezimmer herrichten?“, schlug Narzissa vor. Sie wirkte so fröhlich, als wäre Hermine eine Freundin, die für eine Pyjama-Party vorbeigekommen war.

 

„Oh, Moment!“, Hermine fiel etwas ein. Sie holte die winzige Kiste aus ihrer Manteltasche und hexte sie wieder groß. „Hier“, sagte sie und hatte die ovale Glocke aus Glas hervorgeholt. Narzissa nahm ihr das Weihnachtsgeschenk für sie wieder ab und stellte es wie selbstverständlich auf den Kaminsims. Die drei betrachteten das Körnchen Glück skeptisch.

 

Und Hermine nahm an, es war leider zu spät. Aber immerhin fühlte sie sich glücklicher als noch vor einem Monat. Viel glücklicher.

 

Und ihre Mundwinkel zuckten einmal.

 

Und es war als würde ein seltsamer Zauber das Körnchen beleben. Es wand sich auf dem Boden der Glasglocke, ehe ein sanftes Leuchten von ihm ausging.

 

„Es lebt noch!“, flüsterte Narzissa begeistert. Und dann stieg das Korn in die Höhe, schwebte auf der Hälfte, und Hermine nahm an, man musste sich manchmal auch mit dem halbvollen Glas begnügen. „Das Glück ist zurückgekehrt“, murmelte sie fasziniert.

 

„Hm, was haben Sie noch in der Kiste?“ Lucius blickte hinab, belächelte wohlwollend seinen verzauberten Stein, und Hermine stellte sich neben ihn.

 

„Alles, was einst hier war“, sagte sie.

 

„Wie wäre es, wenn es einfach hier bleiben würde?“, fragte er jetzt, und eine angenehme Ruhe war in seine Stimme gekehrt. Er neigte sich nach vorn und angelte sich eine weitere Sache aus der Kiste.

 

Der seidige Babyschuh, den Ginny gestrickt hatte. Hermine hatte ihn fast vergessen.

 

„Und das hier?“, fragte er sie knapp. Sein Blick war so prüfend wie Dracos Blick manchmal war.

 

„Das ist neu“, sagte sie leise. „Ginny hat nur einen Schuh fertig bekommen“, erläuterte sie, ein wenig abwesend. Lucius nickte nach einer Weile.

 

„Und?“, fragte er direkt. „Brauchen wir einen zweiten davon?“

 

Hermine hob den Blick zu seinem Gesicht.

Er schien gespannt auf eine Antwort zu warten, auf eine Antwort zu hoffen?

Auch Narzissa war neben ihr verstummt. Sie hatte sie in den Drei Besen nicht weiter nach ihrem Nachmittag gefragt.

 

Und als Hermine antwortete, konnte sie wieder einmal die Tränen nicht zurückhalten.

 

~*~

 

Er träumte wahrscheinlich, nahm er an. Denn… konnte es sein, dass Hermine tatsächlich auf Malfoy Manor war? Hier, im Gästezimmer?

 

Sie steckte sich gerade ihre Haare nach oben, eine Spange zwischen ihren Zähnen, bevor sie auch diese nahm und eine letzte Strähne feststeckte. Sie trug einen hellen, engen Pullover, eine enge, schwarze Hose, und ihr schlanker, schöner Körper zeichnete sich makellos vor ihm ab. Ihr schönes Gesicht hatte wieder mehr Farbe, und auch ihre Sommersprossen hätte er fast schon wieder zählen können.

 

„Hey“, begrüßte sie ihn, als… hätte sie ihn erwartet?! Sein Mund war mittlerweile aufgeklappt. Was? Sein Herz klopfte wie wild. Er wollte weinen. Er wollte sterben. Er wollte lachen. Was in Salazars Namen tat sie hier?!

 

„Du… du bist der Besuch?“, entkam es heiser seinen Lippen. Er musste sie praktisch anstarren, aber… etwas anderes konnte er auch nicht tun! Hatte sie sich nicht heute von ihm verabschiedet? Hatte sie sich nicht entschuldigt, gesagt es würde nicht funktionieren und war abgehauen? Hatte sie ihn nicht alleine gelassen? War das nicht, was heute passiert war?

 

„Ich bin der Besuch“, bestätigte sie.

 

„Du-?“ Er unterbrach sich selbst. Ihr Ausdruck wurde ernster. Sie hatte geduscht. Sie roch herrlich frisch. Wahrscheinlich halluzinierte er. „Was… was tust du hier?“, flüsterte er, denn wenn es eine Erscheinung war, wollte er sie nicht verscheuchen.

 

„Deine… deine Mutter hat mich gefunden. Heute in Hogsmeade, und… und sie hat mich hier hergebracht“, erklärte sie. Dracos Augen weiteten sich.

 

„Hat sie… dich gezwungen? Sie-“

 

„-nein, nicht wirklich“, unterbrach sie ihn und senkte beschämt den Blick.

 

„Nicht wirklich?“, wiederholte er. „Was… heißt das?“ Er konnte nicht fassen, dass sie hier war! Er konnte nicht fassen, dass seine Mutter es geschafft hatte, Granger zu überreden! Und immer noch wirkte sie traurig.

 

„Draco, es gibt so viele Dinge, die ich…“ Sie wirkte ein wenig verzweifelt. „Gestern war…“, begann sie von neuem, und er konnte sie nur ansehen. „Ich habe mich falsch verhalten!“, sagte sie plötzlich. „Ich wollte unbedingt mit dir schlafen. Ich wollte bei dir sein, und ich…“

 

Was? Wollte sie? Er horchte auf.

 

„…ich hätte nicht bleiben können. Ich war mir sicher, es war nicht das, was wir wollten. Ich… weiß, du… spielst deine Spiele. Du schläfst mit vielen Mädchen und-“

 

„-hey! Ich… nein! Das stimmt überhaupt nicht! Ich-!“ Aber er unterbrach sich. Er wollte nicht mehr lügen. „Gut, vielleicht war das so. Aber es ist nicht mehr so!“, beteuerte er. „Du weißt, es ist nicht so! Du weißt, was ich… fühle“, schloss er unsicher. „Aber es reicht dir ja nicht!“, sagte er dann verletzt. Sie wirkte gequält.

 

„Ich will nicht, dass wir uns weiter verletzen“, erwiderte sie müde.


„Das tun wir nicht!“, versprach er blind, froh, dass sie mit ihm sprach. Froh, dass sie hier war. Bei ihm. Er würde ihr verdammt noch mal jeden Stern vom Himmel versprechen, wenn sie nur blieb.

 

„Doch, das werden wir. Wir streiten uns ständig.“

 

„Dann tun wir das nicht mehr!“, widersprach er, als wäre es ein Problem, was innerhalb von Sekunden lösbar war. Sie sah ihn entsprechend ungläubig an. Er verdrehte die Augen. „Nur noch über wichtige Dinge“, räumte er langsam ein.

 

„Deine Mutter sagt, du bist… hierhergekommen gestern? Du hast geweint? Du hast über alles gesprochen?“ Draco verzog gequält den Mund.

 

„Du musst nicht alles glauben, was sie erzählt ok? Ich… ich habe nicht wirklich geweint“, versuchte er zu retten, was nicht zu retten war. Aber ihre Mundwinkel hoben sich leicht. Sein Blick verfing sich an dieser Geste.

 

„Du hast Harry heute erzählt, ich habe dich verändert?“, fuhr sie fort, und er wand sich gequält unter ihrem stechenden Blick.

 

„Das weißt du doch längst“, erwiderte er zerknirscht.

 

„Wieso willst du, dass diese Beziehung funktioniert?“, fragte sie sehr leise. Und er sagte die Worte endlich laut. Er sagte sie endlich in ihr Gesicht.

 

„Weil ich dich mehr liebe als mich. Weil ich nichts auf der Welt so sehr liebe wie dich, Hermine“, sprach er die Worte eines echten Weicheis, und es war ihm herrlich egal. Sein Herz schlug schnell, und sie nickte langsam, ließ ihn nicht aus dem Blick.

 

„Ok“, erwiderte sie leichthin. Er runzelte die Stirn.

 

„Ok?“, wiederholte er ungläubig. War das ihr Ernst? Zu seiner erstklassigen Liebeserklärung bekam er ein lauwarmes ‚Ok‘ als Antwort? „Du glaubst mir nicht?“, vermutete er bitter, und spürte den unterschwelligen Zorn in seinem Körper brodeln. „Ist das wieder ein Verhör? Dann sag mir einfach, was du hören willst, Hermine“, entfuhr es ihm gereizt. „Ich meine, du bist scheinbar freiwillig hierhergekommen! Du wirst in deinem Kopf bestimmt wissen, was du von mir hören möchtest und was nicht!“

 

Ja. Es war anstrengend. Er hatte das Gefühl, die Tage endeten einfach nicht mehr. Sie ließ ihm keine Pause, suchte ihn selbst hier heim, nur um ihn zu quälen!

 

„Draco-“, sagte sie zögerlich seinen Namen, und er unterbrach sie ungeduldig.


„-was, Hermine?“

 

Sie sahen sich an. Was sollte er tun? Was? Was, Merlin noch mal? Was wollte sie? Was sollte er sagen? Er wusste nicht, was er sagen sollte, wenn sie es ihm nicht erklärte! Sie mied seinen Blick. Und er musste fragen.

 

„Liebst du mich?“, sprach er die nächsten Worte ernst, ein wenig resignierend, denn er hatte tatsächlich Angst vor ihrer Antwort. Sie hob den Blick, ein wenig verstört, ein wenig gereizt.

Sie war wirklich gereizt, ging ihm auf!

 

„Die Frage stellt sich nicht wirklich, oder?“, entfuhr es ihr, fast wütend. Seine Augen wurden groß.

 

„Nein?“, erwiderte er, und fand sie unfassbar. „Tun wir einfach so, als wäre das der Fall!“, fuhr er sie an. „Liebst du mich?“, wiederholte er zornig. Sie lachte tatsächlich auf. Und sie antwortete ihm nicht! Tränen traten in ihre Augen, und – nein! Sie wandte sich ab, aber schnell war er ihr gefolgt, hatte ihre Oberarme umfangen und zwang sie, ihn anzusehen.

„Hermine, was zum-!“, begann er wütend, aber sie entriss sich seinem Griff.

 

„Du bist so dumm!“, rief sie böse. „Was denkst du eigentlich? Dass alles kompliziert ist, weil ich dich nicht liebe, Malfoy? Dass alles immer nur wehtut, weil ich keine Gefühle für dich habe? Ich habe viel zu viele Gefühle, verdammt noch mal! Und du… du wirst mir irgendwann einfach nur wehtun, weil-“

 

„-weil?“ Er hatte sie sehr schnell und sehr atemlos unterbrochen, ließ sie nicht aus den Augen, und eine Träne rann über ihre Wange, als sie ihn weiterhin ansah. Ihre braunen Augen liefen fast über vor Gefühlen, die an die Oberfläche kamen.

 

„Weil… weil du…“

 

Und er nickte schließlich. „Weil ich ein Mistkerl bin?“, knurrte er dunkel, und ihr Atem ging schneller. Sie nickte nur. Es war nicht unbedingt eine Liebeserklärung aus ihrem Mund, aber es war gut genug für ihn. Sie hatte Angst, er würde ihr wehtun? Er würde ihr niemals mehr wehtun! Er schloss den Abstand mit so klopfendem Herzen, als hätte er es noch nie getan. Seine Hände griffen in ihre Hüften, zogen sie an sich, und ihre Lippen trafen aufeinander. Ihr Mund öffnete sich praktisch direkt unter seinem, und sie schien das hier genauso sehr zu wollen, wie er.

Alles in seinem Innern kribbelte vor Erregung, vor Erleichterung. Jetzt gerade hatte er nichts falsch gemacht! Sie wollte ihn! Er vertiefte diesen Kuss unwillkürlich, schob seine Zunge sanft in ihren Mund, und sie machte die wunderbarsten Geräusche für ihn, brachte ihn schon jetzt allein mit einem Kuss um den Verstand. Seufzend hatten sich ihre Arme endlich um seinen Nacken gelegt, und er würde sie nie mehr loslassen! Nie mehr!

 

 

Kapitel 75

 

Er konnte nicht fassen, was für eine Fügung es war, die sie überhaupt hier her gebracht hatte, aber er würde sie nie mehr gehen lassen! Jetzt gerade zählte nur, dass sie hier war! In seinen Armen. Ihre Lippen unter seinen. Es war ein wunderbarer Kuss. Es war befreiend und alle Ängste fielen von ihm ab. Seine Hand hob sich zu ihrem Gesicht, und er ließ seine Finger durch ihre Haare gleiten, zerstörte teilweise ihre Frisur, aber darauf achtete er kaum, denn versank in diesem Kuss.

 

Wie von selbst teilte seine Zunge ihre Lippen und sie kam ihm entgegen, stöhnte gegen seine Lippen, und ihr Geschmack, ihre Wildheit, ihr Hunger mischten sich mit seinem Verlangen, und Schauer rannen seine Wirbelsäule hinab, als er spürte, dass es diesmal ernst war! Dass keiner einen Rückzieher machte, dass er sie hatte, wo er sie wollte! Seine Zunge glitt hungrig in ihren Mund, focht mit ihrer eigenen, und sie schien jeden Widerwillen und alle Sorgen zu vergessen, als sie sich enger an ihn presste. Seine linke Hand lag auf ihrer unteren Rückenpartie. Er ließ sie tiefer wandern, bis sie auf ihrem perfekten Po zum Liegen kam.

 

Sanft presste er ihren Unterleib gegen seine Erektion, und sie keuchte wieder in seinen Mund. Aber ihre Zunge zog sich zurück. Und fast zärtlich beendete sie den Kuss, um ihren Kopf einen Zentimeter zurückzuziehen. Er hätte schreien können vor Ungeduld. Er wollte sie jetzt!

 

„Draco“, sagte sie sanft, sah ihm tief in die Augen, und er versuchte, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren.

 

„Hm?“, war alles, was er zu sagen schaffte, denn sein Blut dümpelte wahrlich an anderen Orten, staute sich praktisch, und selbst, wenn er sie erst gestern gehabt hatte, war das seinem Körper scheiß egal.

 

„Ich muss dir was sagen“, erwiderte sie, ein wenig außer Atem, die Wangen herrlich rot.

 

„Hm“, wiederholte er, mit dem letzten Mindestmaß an Geduld.

 

„Und ich weiß, es wird dir nicht gefallen“, fuhr sie fort. Er schüttelte sanft den Kopf, um den erotischen Nebel zu vertreiben, in dem sich sein Gehirn befand. Wieso tat sie das immer? Hatten Frauen generell keinen Sinn für sexuelle Spannung? Er wollte ihre Kleider vom Körper fluchen – sie wollte mit ihm reden! Jetzt! Ausgerechnet. Aber er sprach.

 

„Was? Du willst meinen Körper, aber du wirst Weasley heiraten? Was, Hermine?“, wollte er ungeduldig wissen, während er sie nicht losließ. Nie mehr würde er sie loslassen. Sie lächelte schwach.

 

„Ha ha. Nein, das ist es nicht“, widersprach sie kopfschüttelnd.

 

„Dann was? Ich wüsste nicht, was jetzt gerade so wichtig ist, dass es dich davon abhält genau da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.“ Entsprechend provozierend rieb er seine Erektion an ihrem Oberschenkel, und die Röte stieg in ihre Wangen.

 

„Erst mal erwartet deine Mutter uns zum Essen“, klärte sie ihn mit erhobenen Augenbrauen auf, und er verdrehte die Augen.

 

„Mir egal“, knurrte er, schlang den Arm um ihre Taille, aber abwehrend hatte sie ihre Hände sanft gegen seine Brust gestemmt.

 

„Und zweitens ist da noch eine Sache zu der ich deine Meinung bräuchte“, fuhr sie unsicher fort.

 

„Und das wäre?“ Er bedachte sie mit einem so verlangenden Blick, dass sie noch röter wurde. Merlin, er wollte sie. Noch immer. Und immer wieder.

 

„Rein hypothetisch…“, begann sie jetzt vorsichtig, und er wartete voller Ungeduld.

 

„Rein hypothetisch was?“, wiederholte er schließlich, als sie nicht weitersprach.

 

„Ich meine… bist du froh, dass…“

 

Dass was? Merlin, er wollte sie schütteln. Während sie sprach, könnte er sich wohl schon die Hose ausziehen, überlegte er dumpf, während seine Erektion schmerzhaft gegen den Stoff seiner Hose drückte.

 

„…bist du froh, dass das Baby entfernt wurde?“, fragte sie ihn schließlich, und sein Mund öffnete sich. Was?!

 

Sie war ein Stimmungsmörder, so viel stand fest.

 

„Müssen wir darüber jetzt reden?“, wollte er vorsichtig wissen, und sie nickte einmal. „Wieso ist das wichtig?“

 

„Wenn… wenn ich noch einmal schwanger werden würde, ich meine… - könntest du damit überhaupt umgehen, oder wäre es dir… würdest du-“


„-was meinst du damit?“ Er begriff nicht.

 

„Du hast Harry gesagt, du willst kein Kind“, schien sie zu wiederholen, und er sah sie überfordert an.

 

„Es wäre wirklich einfacher, wenn du mir einfach sagst, was du jetzt gerne hören würdest“, erwiderte er, viel vorsichtiger. Er wollte nicht, dass sie wütend wurde, aber er wusste, es gab auf diese Frage keine richtige Antwort von ihm. Nur falsche.

 

„Was ich gerne hören würde?“, wiederholte sie resignierend, und er wusste, gleich würde sie Abstand zwischen sich und ihn bringen. Ihre Stimme klang fast schon wütend. „Ich würde gerne hören, dass du sagst, dass du bereust, dass es heute so gelaufen ist, dass es niemals wieder so laufen wird und dass du am liebsten hättest, dass ich es nicht entfernt hätte“, giftete sie bitter.

 

„Ok“, sagte er eilig. „Ich bereue wirklich, dass es so gelaufen ist, und dass ich deine verdammten Gedanken nicht lesen kann“, erwiderte er, ohne sie loszulassen. Er wusste, sie nahm es ihm übel. Und Potter hatte Recht. Sie würde ihm immer übelnehmen, was er heute getan – oder nicht getan – hatte.

 

„Das war nicht, was ich gesagt habe!“, fuhr sie ihn an.

 

„Ja, aber ich kann es auch nicht mehr ändern! Hermine, ich denke wirklich, wir wären zu jung dafür gewesen“, sagte er ernst. „Und es ist doch ohnehin zu spät“, ergänzte er eilig. Locker lag sein Arm um ihrer Taille, und noch hatte sie ihn nicht von sich geschoben.

 

„Weißt du“, begann sie fast trotzig, „ich glaube, wir wären nicht zu jung gewesen“, entfuhr es ihr bockig.

 

„Ok“, sagte er ruhig. „Ein Baby kostet viel Zeit“, sagte er wieder. „Niemand nimmt dir übel, was heute passiert ist, verstehst du?“, ergänzte er sanft. „Unser Leben wäre vorbei, bevor es angefangen hätte“, fuhr er sachte fort. „Und ich will dich nicht teilen. Mit niemandem. Noch nicht. Ich will dich für mich, Hermine. Ganz allein für mich. Deine Aufmerksamkeit, ungeteilt, und es ist mir egal, wie verdammt egoistisch es klingt!“

 

„Ja, das klingt egoistisch“, bestätigte sie, nicht mehr ganz so zornig. Draco schenkte ihr ein Lächeln, zeichnete mit dem Daumen die Linie ihres Kiefers nach und senkte die Lippen. Er küsste ihre Mundwinkel, ihre Wange und letztendlich ihren Hals. Schließlich hob er ein letztes Mal den Kopf, um sie anzusehen.

 

„Und es tut mir leid. Dass es heute nicht das war, was du wolltest“, ergänzte er ernst. Sie musste freudlos lächeln. „Aber… du wärst ziemlich dick geworden“, erinnerte er sie spöttisch. „Morgenübelkeit, Stimmungsschwankungen“, fuhr er fort, aber sie schüttelte nur mit gespielter Empörung den Kopf. „Und alles für meine Brut? Was auch immer es geworden wäre?“ Er grinste breiter.

 

„Ein Junge“, sagte sie plötzlich lächelnd. Er sah sie an.

 

„Ein Junge?“, wiederholte er. Sie nickte.

 

„Ich habe die Heilerin gebeten, es mir zu sagen“, erwiderte sie stiller.

 

„Warum solltest du das tun?“, fragte er sie langsam.

 

„Weil… weil ich heute in den Spiegel Nerhegeb gesehen habe“, antwortete sie lächelnd. „Und er hat mit gezeigt, was mein Herz begehrt“, flüsterte sie. Er hatte von dem Spiegel gehört. Dumbledore hatte ihn irgendwo im Schloss versteckt. Sein Vater hatte ihm im ersten Jahr davon erzählt. Er schwieg ein wenig betroffen. Das hatten Potter und Weasley gemeint. „Er war da. Du warst da. Wir… waren glücklich.“

 

Er sah sie an. Ihr Blick wurde glasig.

 

Er atmete sehr lange aus, ließ sie los und fuhr sich durch die Haare. Er kämmte die Strähnen nach hinten, und dann nickte er langsam. Er sah sie an. Das wunderschöne Mädchen vor sich, was wohl den Verstand verloren haben musste, weil sie ausgerechnet ihn wollte.

 

„Ok“, sagte er ruhig. Er nickte erneut. Eigentlich mehr, um sich selber Mut zu machen, als sie zu bestätigen. „Ok“, wiederholte er resignierend. Er sah ihr in die Augen. „Dann… ist es wahrscheinlich gut, dass du ihn nicht entfernt hast“, schloss er, die Stimme so ruhig, wie er es fertig brachte. Ihr Mund öffnete sich überrascht. „Wolltest du darüber mit mir reden?“, erkundigte er sich gleichmütig.

 

Noch eine Träne fiel auf ihre Wange. Nur einmal nickte sie. Er kaute kurz auf seiner Unterlippe.

 

„Ok“, sagte er wieder. „Wie es aussieht haben wir dann sieben Monate Zeit, bevor er kommt? Dann kann ich sieben Monate egoistisch sein und dich für mich haben.“

 

Und ihr wunderschöner Mund teilte sich zu einem Lächeln. „Draco“, flüsterte sie voller Wärme.

 

„Hermine, ich liebe dich. Du… willst das machen? Du willst meinen Sohn bekommen? Was habe ich dann für eine Wahl?“, wollte er lächelnd von ihr wissen. „Wie… wie könnte ich dazu Nein sagen? Wie könnte ich der Liebe meines Lebens irgendetwas verweigern?“, fragte er sie offen.

 

Und sie schloss den Abstand, küsste ihn augenblicklich, und wenn sie jetzt sofort Zwillinge wollte – Merlin, es wäre ihm über kurz oder lang vollkommen egal! Seufzend schloss er die Augen, zog sie an sich.

 

Ja. Er hatte Angst. Aber… jeder hatte irgendwann vor etwas Angst. Und fast spürte er Erleichterung, als sie damit beschäftigt war, ihm tatsächlich das Hemd aufzuknöpfen. Sie hatte es nicht vernichtet, das vielleicht einzig Gute, was er jemals zustande bringen würde, ging ihm auf.

 

Und er half ihr, ihn aus den Klamotten zu befreien, während er danach achtlos ihr Oberteil über ihren Kopf zog, es in die Ecke warf, und sie zum Gästebett zog.

Sie zog ihre Hose aus, und er zog seine Hose aus. Beide landeten vergessen auf dem Teppich. Seine Hände glitten über ihren schlanken Oberkörper, und er hatte noch nie erlebt, dass sie so gierig auf seine Berührung war. Sinnlich biss sie sich auf die Lippe, und er lehnte sie gegen den hohen Bettpfosten. In BH und Höschen gab sie eine göttliche gefährliche Kombination ab, und anzüglich glitten seine Hände ihre Seiten hinab, drückten ihre weiche Haut, und sein Daumen strich fest über ihren flachen Bauch, hakte sich in ihren Slip und zog sie ihn achtlos tiefer, tiefer ihre Beine hinab, bis er lautlos fiel. Sie sah ihm zu, atmete durch den Mund, und er löste den Blick noch nicht von ihren Augen.

 

Ihre dunklen Augen brannten vor Hunger, und seine Finger glitten zwischen ihre Beine.

Fuck. Sie war feucht. Er spürte es. Sie sog scharf die Luft ein, als er zwei Finger in sie stieß, in ihre Hitze, während er näher kam, ihre Halsbeuge küsste, und spürte, wie sie erzitterte. Ihre Finger hatten zuerst seinen Kopf umfasst, waren ihm durch die dichten Haare gefahren, aber schon streichelte sie seinen Nacken, in massierenden Bewegungen seine Schultern, bevor auch ihre Hände über seinen Oberkörper wanderten, hinab zu seiner Shorts.

 

Mit der anderen Hand schob er den Stoff ihres BHs beiseite und sein Daumen rieb harte Kreise über ihre Brustwarze, bis Hermine sich ihm stöhnend entgegen lehnte. Er hatte das Spiel seiner beiden Finger in ihr noch nicht unterbrochen, zog sie stetig zurück, ließ sie wieder hart in sie gleiten und neigte endlich den Kopf tiefer, um ihre Brustwarze verlangend in seinen Mund zu saugen.

 

Sie stöhnte laut, griff in seine Shorts, umfasste seinen steinharten Schwanz, und er musste genussvoll gegen ihre Haut grinsen.

 

Wie oft sie das getan hatten… aber noch niemals war es so gut gewesen, noch niemals hatte es sich so fantastisch angefühlt, und ihre Bewegungen wurden schneller, verlangender, und er ließ von ihrer Brust ab, stellte sich zur vollen Größe vor sie und zog quälend langsam seine Finger aus ihr zurück. Sie hob den benebelten Blick. Er hielt ihre Hand auf, bevor er noch kommen würde, und ließ seine Shorts ebenfalls auf den Boden fallen.

 

Sanft presste er sie hinter sich auf die weiche Matratze nieder, schüttelte das Hemd von seinen Schultern und stieg über sie. Er ließ sie nicht aus den Augen, und sie spreizte die Beine einladend weit für ihn.

 

Ihre Hände umfingen sein Gesicht, während die herrliche Röte in ihren Wangen ihm mitteilte wie willig und bereit sie war. Seine Eichel drängte bereits gegen ihre Schamlippen, und sie schluckte schwer.

 

Sie wartete. Sie sehnte sich seinen erlösenden harten Stoß herbei.

Sein Herz schlug schneller. Ungeduldig versuchte sie, ihm entgegen zu kommen, aber seine Hände hielten ihren Unterkörper still.

 

„Sag es“, verlangte er plötzlich. Denn sie hatte es noch nicht gesagt. Sie hatte es noch nie laut in sein Gesicht gesagt. Kurz legte sich Verwirrung über ihren lustvollen Blick. Ungeduld und Verlangen erschienen deutlicher auf ihren Zügen.

 

Aber sie verstand. Das tat sie immer.

 

„Ich liebe ich, Draco“, antwortete sie ihm rau. Seine Mundwinkel zuckten.

 

„Sag es noch mal“, befahl er ihr tonlos. Er entließ sie nicht aus seinem Blick, hielt seine Körperspannung aufrecht, und sie gehorchte.


„Ich liebe – oh!“, stöhnte sie, und ihr Kopf flog nach hinten. Sie stöhnte lustvoll auf, denn er hatte sich in dieser Sekunde erbarmungslos tief in sie gerammt, gab ihr, was sie wollte, und ihre Beine schlangen sich unbewusst um seine Hüften. Er zog sich zurück, nur um wieder hart in sie zu stoßen.

 

Er senkte den Kopf, verschloss ihre Lippen, und mit jedem Stoß schob er seine Zunge tief in ihren Mund, ließ sich komplett fallen und wurde eins mit ihr.

Seine Hände gruben sich in ihre Hüften, griffen in ihre Oberschenkel, massierten ihre Brüste, und er ließ ihr kaum Zeit, sich zu sammeln, zu entspannen oder nachzudenken, denn er nahm von ihr Besitz, so wie er es von nun an immer tun würde.

 

Sie war sein und er war ihrs, wenn sie es wollte.

 

Sein Herzschlag beschleunigte sich ein letztes Mal, als er sich seinem Höhepunkt näherte, als er alle Muskeln beanspruchte, die ihm zur Verfügung standen, während Hermine bereits angekommen war, seinen Namen schrie, und er geistesgegenwärtig seinen Daumen ein letztes Mal einsetzte, um ihren Orgasmus solange aufrecht zu erhalten, wie es in seiner Macht stand, und als er spürte wie er kam, stieß er ein letztes Mal tief in sie, ließ sie ein letztes Mal seinen Namen schreien und küsste sie ein letzte Mal so voller Verlangen, dass er die Tränen in seinen Augen spüren konnte.

 

Heiß ergoss er sich in ihrer engen Hitze und umfing ihren Körper mit seinen Armen, als wolle er sie nie mehr gehen lassen, löste sich von ihren Lippen und ließ den Kopf in ihre Halsbeuge sinken. Schwer atmend schloss er die Augen, während ihre Finger sanft über seinen Körper strichen.

 

„Ich liebe dich, Draco“, murmelte sie träge, und er grinste schief und zufrieden gegen ihre weiche Haut.

 

Er zog sich zurück, rollte neben sie, und zog sie in seine Arme, während er die Decke über sich und sie breitete. Sie atmete ruhig und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Seine Hand kam auf ihrem Unterleib zum Liegen.

 

„Wissen meine Eltern davon?“, fragte er schließlich, und sie hob den Kopf, um ihn anzusehen. Plötzlich lächelte sie.

 

„Ja“, räumte sie ein. „Sie wollen morgen bereits das alte Kinderzimmer neu streichen“, fuhr sie fort.

 

„Weil man nicht früh genug damit anfangen kann?“, erkundigte er sich mit gerunzelter Stirn. Dann aber wurde er ernst. „Wieso hast du es mir heute nicht einfach gesagt?“ Und sie senkte den Blick. Am liebsten hätte er, dass sie ihn immer ansehen würde, ihm nie auswich.

 

„Ich hatte Angst“, sagte sie leise, und er verstand. Also hatte nicht nur er Angst.

 

„Das brauchst du nicht“, erwiderte er, lehnte sich vor und küsste sanft ihren Unterleib. Es war als erfasste ihn ein kühler Schauer. Es hatte etwas Magisches an sich, wurde ihm klar. Sie würde seinen Sohn bekommen. Uralte Traditionen würden sich fortsetzen, aber… solange sie bei ihm war, machte ihm das keine Angst mehr.

 

„Wieso hast du mir dein Gold geschenkt?“, fragte sie jetzt ungläubig. Er sah sie an.

 

„Ich brauche es nicht mehr“, sagte er lächelnd. „Ich habe jetzt dich“, fuhr er achselzuckend fort. „Das ist mehr wert als alle Galleonen dieser Welt“, schloss er. Ihr Lächeln war so unfassbar schön, dass er nichts bereute, was er getan hatte.

 

„Und du willst arbeiten?“, fuhr sie misstrauisch fort, und er lachte rau.

 

„Ja, Hermine. Ist das so verwunderlich?“ Sie nickte nur, strich ihm aber liebevoll über die Wange.

 

„Ja, Draco“, flüsterte sie.

 

„Sag es noch mal“, erwiderte er rau, während er langsam den Abstand zu ihren Lippen schloss. Sie musste wieder grinsen, und bevor er sie küsste, sagte sie die wunderbarsten Worte, die er jemals gehört hatte.

 

„Ich liebe dich, Draco!“, sagte sie glücklich, und er küsste sie stürmisch.

 

Und diesen Moment würde er nicht vergessen! Er würde nicht vergessen, wie sehr er sie liebte und dass sie ihm jede Angst genommen hatte. Er durfte es nicht vergessen.

Und wenn er es vergaß, dann würde er sie nur wieder ansehen müssen.

Er müsste nur in ihren Augen versinken, und alles wäre wieder gut.

 

Er besaß alles, wovon er jemals geträumt hatte. Hermine liebte ihn.

Und er hatte keine Angst mehr.

 

 

Epilog

 

Teil 1

 

~ 17 Monate später ~

 

„Wo ist er?“, rief er laut durch den ersten Stock, während er im Schlafzimmer Schublade um Schublade aufzog. Verdammt noch mal, wieso räumte sie alles ständig weg? Es waren seine verfluchten Sachen, Merlin noch mal! „Hermine?“, rief er lauter, voller Ungeduld.

 

„Merlin, was denn?“, rief sie gereizt zurück. Ihre Schritte kamen näher und schon stand sie entnervt im Türrahmen, den Jungen auf dem Arm. Faszinierend. Sein Sohn konnte also tatsächlich den Mund halten? Wozu jetzt aufhören mit dem Geschrei, dachte Draco zornig, wo das Balg doch die gesamte Nacht durchgeschrien hatte! Sie schenkte ihm den Blick, den er hasste. Als wäre er das Kind und sie die Erwachsene. Er hasste es!

 

„Wo ist dieser verdammte Kummerbund?“, fluchte er unbeherrscht, während er alle Sockenknäuele aus der ersten Schublade bereits auf den Boden gepfeffert hatte. Sie kam wütend zu ihm.

 

„Nimm ihn“, befahl sie nur, drückte ihm den Jungen in die Arme, und zornig sah er ihr dabei zu, wie sie gewissenhaft nach zwei Handgriffen in seiner Kommode den Kummerbund gefunden hatte. „Reicht das an Chaos oder möchtest du noch den Kleiderschrank leerräumen?“, erkundigte sie sich demonstrativ verärgert bei ihm. Frederic klatschte offensichtlich begeistert in die kleinen Hände und lachte ein besonders breites zahnloses Lachen auf seinem Arm. Das kleine Monster sollte nur nicht so unschuldig tun! Es schrie seit Wochen, und kein einziger Zahn schaffte den Durchbruch!

 

„Ja, ich dachte, du hättest Freude an etwas mehr Chaos“, erwiderte er bissig. Sie nahm ihm den Jungen wieder ab.

 

„Ja, du hast Recht, Draco. Dein Sohn macht bei weitem noch nicht genug Ärger in diesem Haus. Wenn du ihm nicht dann und wann zur Hand gehst, könnte ich fast noch glauben, tatsächlich Urlaub zu haben“, bemerkte sie glatt und ließ ihn alleine.

 

„Hey!“, rief er ihr ärgerlich nach. „Wie bindet man dieses scheiß Teil?“, knurrte er, während er den Bund ohne jede Geduld in seinen Händen betrachtete.


„An unserer Hochzeit hast du ihn auch getragen, schon vergessen?“, rief sie von unten nach oben, und er fluchte erneut. Das war fast zwei Jahre her! Woher sollte er sich gemerkt haben, wie man das Mistding band?? Außerdem hatte ihm Blaise das scheiß Ding umgebunden. „Und fluch nicht vor Freddy!“, fuhr sie wütender fort. „Er guckt es sich ab!“, maßregelte sie ihn. Was? Der Junge sprach noch nicht mal! Nicht nur mit seinen verdammten Zähnen, nein, auch mit dem Sprechen ließ sich das Kind verflucht viel Zeit!

 

Er hatte es endlich geschafft, griff sich die Manschettenknöpfe von der Kommode und folgte ihr nach unten. Er flog die Stufen praktisch hinab. Hermine hatte den Jungen bereits in den Kinderwagen gesetzt.

 

„Hier“, sagte er und hielt ihr die Knöpfe entgegen. Sie schenkte ihm einen sehr ungläubigen Blick, sagte jedoch nichts Entsprechendes. Sie nahm ihm die Knöpfe ab, und er streckte den Arm aus. Mit geschickten Griffen verschloss sie den ersten Knopf.

 

„Wartet die Kutsche?“, fragte er nur, und sie nickte abwesend.

 

„Steht seit fünfzehn Minuten vor dem Haus. Die Pferde sind bereits scheu.“

 

„Wegen mir kommen wir nicht zu spät!“, warnte er sie jetzt, falls sie gleich vorhatte, ihm die Schuld zu geben, und sie schüttelte mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf.

 

„Natürlich nicht“, bemerkte sie knapp. „Du hast nie Schuld an irgendetwas, nicht wahr?“, erkundigte sie sich glatt.

 

„Ich habe nicht vorgeschlagen, ihn mit der Flasche zu füttern und die Stillzeit zu beenden, damit du unabhängiger bist!“, warnte er sie mit kühler Stimme. „Ich habe nicht behauptet, es wäre notwendig, dass du wieder arbeiten gehst. Ich treffe keine Entscheidung mehr in diesem Haus, Hermine!“, fuhr er sie zornig an. Schlaf. Er brauchte mehr Schlaf. Denn wie sie ihn jetzt wieder ansah! Er nahm an, sie würde die nächsten Tage nicht mehr mit ihm sprechen.

 

„Du könntest einfach mal deinen Mund aufmachen, wenn dich etwas stört, Draco! Du bist doch sonst nicht so scheu, über unser Leben herzuziehen, wenn du dich mit deinen Kollegen betrinken gehst!“, konterte sie auf seinem Niveau, und seine Augen verengten sich.

 

„Ich ziehe nicht über unser Leben her!“, widersprach er gepresst. „Und ich hasse meinen Job. Wenn ich also mit meinen Kollegen trinken gehe, dann muss es aus Versehen passieren, denn ich würde nicht freiwillig-“

 

„-richtig, ich hatte es vergessen“, unterbrach sie ihn böse. „Der arme Draco Malfoy hasst seinen Job, weil er tatsächlich mal einen Finger rühren muss! Keine Sorge. Ich gehe wieder arbeiten, dann verdienen wir wieder mehr und du brauchst dir keine Sorgen mehr machen, dass ein königlicher Zacken aus deiner Krone brichst, weil du einmal in deinem Leben zwei Überstunden einschieben musst!“

 

„Hey!“, donnerte seine Stimme zornig, und sie zuckte zusammen. Frederic fing an zu schniefen, und er schloss die Augen. „Großartig. Jetzt geht das wieder los!“, knurrte er.

 

„Weißt du was, Draco?“, fuhr sie ihn so wütend an, dass er die Augen wieder öffnete. „Wenn es alles so furchtbar ist, dann kannst du auch einfach-“

 

Der Kutscher klopfte zaghaft gegen die Haustür. „Können wir dann los?“, rief er vorsichtig von draußen, und Draco war fast enttäuscht, dass sie nicht gesagt hatte, was sie sagen wollte. Frederic weinte mittlerweile wieder, und seine Kopfschmerzen meldeten sich zurück. Es kam ihm so vor, als bräuchten sie endlich wieder einen verdammten echten Streit, ohne dass der Junge sie unterbrach oder Merlin und die Welt.

 

„Schrei mich nicht mehr an, Hermine“, warnte er sie ruhiger. Es gab keine Explosion mehr. Alles stand nur kurz davor, und er wusste nicht mehr, wann alles furchtbar geworden war.

 

Er betrachtete sie erst jetzt wirklich. Sie trug ein helles Kleid. Es war kurz und eng geschnitten. Die Haare waren an den Seiten hochgesteckt und lockten sich lang über ihren Rücken.

 

„Sag mir nicht, was ich tun sollen, Draco“, gab sie hasserfüllt zurück und hatte nach seinem anderen Handgelenk gegriffen und verschloss auch den zweiten Manschettenknopf.

 

Wenn sie es darauf anlegte, könnte er auch noch die Zeit einschieben, sie über seine Schulter zu werfen und nach oben zu schleppen, um ihr Benehmen beizubringen, überlegte er mit wachsender Wut, aber er sprach seine Gedanken nicht laut aus. Das letzte Mal, dass sie Sex gehabt hatten? Hatten sie Sex gehabt, seitdem das Baby da war? Er glaubte nicht.

 

Hatten sie jemals Sex gehabt? Es lag soweit zurück, dass er es nur vermuten konnte.

Ihr Leben bestand aus Windeln, Kindergeschrei, das Haus babysicher machen, weil Frederic irgendwann anfangen würde, zu laufen, und er konnte sich in seinem magischen Architektenbüro keine großen Sprünge erlauben, konnte für sich und sie keinen Urlaub einfach so finanzieren, weil seine Freundin perverse Aversionen gegen Gold und Wohlstand hatte.

 

Draco hatte gehofft, die schlaflosen Nächte und das Geschrei würden sie veranlassen, endlich zu kündigen und ihn zu bitten, sich mit ihr auf den Millionen der Familie auszuruhen, aber bisher hatte er noch nicht das Glück gehabt.

 

Sie blieb verdammt noch mal eisern. Sie finanzierten ihr kleines Haus, lebten ihr Leben bescheiden, und sie beschwerte sich keine Sekunde darüber.

Er hingegen beschwerte sich auf der Arbeit pausenlos und erntete von seinen Mitarbeiter ein müdes Lächeln. Denn seine Kollegen begriffen nicht, weshalb er es nicht in die Hand nahm. Weshalb er das Gold nicht locker machte und kündigte.

 

Aber da waren sie wieder an dem Punkt in ihrem hübschen Teufelskreis angelangt, wo er und Hermine sich versprochen hatten, das Gold nicht zu brauchen, auf eigenen Füßen zu stehen und scheinbar liebte er sie so sehr, dass er sich an diese Abmachung hielt.

 

Auch wenn er nicht mehr wusste, warum er überhaupt noch irgendetwas tat. Die Müdigkeit brachte ihn um. Das schmale Gehalt brachte ihn um. Ihre Stelle im Ministerium, bei der sie sich zurzeit im Mutterschutz befand brachte auch nicht gerade das große Gold nach Hause, aber er hatte das bestimmt nie laut gesagt! Hatte sie bestimmt nicht gezwungen, wieder zu arbeiten!

 

Und er wartete. Seit mehr als einem Jahr wartete er darauf, dass sie endlich aufgab. Dass sie einsah, dass sie nicht so leben mussten.

 

So wie der Rest der armen Welt.

 

Aber sie tat ihm den verdammten Gefallen nicht.

 

„Was?“, stellte sie eine entsprechende Frage, mit einem lauernden, fast gehässigen Unterton. Denn manchmal glaubte er, sie konnte seine Gedanken lesen.


„Nichts“, erwiderte er kalt, öffnete die Haustür und sie folgte ihm wortlos, während sie den Kinderwagen mit energischen Schritten schob und Frederics Heulkrampf einem Schluchzen gewichen war. Immerhin.

 

„Pansy wird einen Anfall bekommen“, sagte sie, wohl um irgendetwas zu sagen. Aber er zuckte lediglich die Achseln, als sie mit wenigen Griffen den Kinderwagen unten zusammenklappte und Frederic gegenüber auf die Bank in die Kutsche stellte, ehe sie neben ihm Platz nahm, und der Kutscher die Pferde hart antraben ließ.

 

„Pansy bekommt dauernd einen Anfall“, erwiderte er unbeeindruckt. „Wenn sie das nicht täte, würde sie wahrscheinlich explodieren“, entfuhr es ihm spöttisch.

 

„Sie ist deine Freundin“, bemerkte sie mit hochgezogener Augenbraue.

 

„Sie ist genauso deine Freundin“, schoss er direkt zurück. Seine Augen ruhten auf seinem Sohn, der nach achtdreißig Stunden endlich die Güte hatte, einzuschlafen. Dieses kleine Bündel hatte ihn um zwanzig Jahre altern lassen, so kam es ihm vor. Er wandte den Blick erleichtert aus dem Fenster.

 

„Wir sollten nicht mehr sprechen“, murmelte er. „Sonst wacht er wieder auf.“

Sie schenkte ihm einen Blick, den er nicht deuten konnte und sah dann demonstrativ abweisend auf ihrem Fenster.

 

Was er sagte, war falsch. Was er tat, war falsch.

Merlin, manchmal wünschte er…-

 

Er schloss müde die Augen. Er brauchte drei Jahre lang Schlaf. Dann wäre er vielleicht nicht so ein unausstehliches Monster. Sobald sein Sohn sprechen konnte und das Prinzip von Schuld begriffen hatte, würde Draco dafür sorgen, dass Frederic niemals vergaß, dass er, Draco, Jahre seines Schlafes für ihn geopfert hatte! Oh, er würde ihn dafür büßen lassen!

 

Als sie nach einer Endlosigkeit angekommen waren, stieg sie ohne ein Wort aus, klappte den Wagen auseinander, ohne dass Frederic wach wurde und ließ ihn einfach zurück. Er stieg wütend aus der Kutsche und folgte ihren zornigen Schritten.

 

Merlin, es würde ein verdammt langer Tag werden – so wie jeder Tag verdammt lang war!

Sie betraten Das Anwesen der Parkinsons, und es herrschte lautes Treiben hier.

 

Müsste Draco schätzen, dann befanden sich gerade eintausend Weaselys auf einem Haufen. Und die Weasley-Familie beäugte Pansys Familie mehr als nur abschätzend, während die Parkinsons und die Rutherfords mütterlicherseits keinem von ihnen Beachtung schenkten.

 

Er sah, dass Ginny Hermine bereits das Baby abgenommen hatte. Hermine selber verschwand in der Menge, und das gab ihm einen guten Grund seinen Kummer an der offenen Bar zu ertränken. Pansy hatte sich dafür eingesetzt, und er war sehr, sehr dankbar.

 

Pansy hatte er noch nicht gesehen. Weasley genauso wenig, stellte er am Rande fest. Nicht dass es ihn interessierte. Seine Freundin war auch verschwunden, aber die sprach seit der Kutschfahrt ohnehin nicht mehr mit ihm.

 

Alles war verflucht großartig.

 

~*~

 

Sie klopfte zaghaft. Als niemand antwortete, öffnete sie vorsichtig die Tür.


„Pansy?“, sagte sie, und entdeckte ihre Freundin vor dem riesigen Ankleidespiegel. „Oh, du siehst wunderschön aus!“, sagte Hermine und lächelte heute zum ersten Mal. Sie spürte es. Lächeln war anstrengend geworden, denn sie befürchtete langsam, dass sie es verlernt hatte. Es gab nichts mehr zu lachen für sie. Draco schien sie und seinen Sohn zu verabscheuen und ihnen die Schuld daran zu geben, dass sein Leben zu anstrengend war.

 

Aber heute würde sich Hermine nicht mit seinen Sorgen befassen.

 

„Bist du aufgeregt?“, erkundigte sie sich, und Pansy scheuchte die Ankleidehexen nervös beiseite.

 

„Es sitzt alles, Merlin noch mal!“, fuhr sie die Hexen an, die hastig das Zimmer verließen. Pansy hob den Bick.


„Alles ist so kompliziert! Hast du Ron gesehen?“, wollte sie ohne eine Begrüßung verzweifelt wissen. Hermine stutzte.

 

„Nein. Ich bin direkt hochgekommen“, erklärte sie entschuldigend. „Wieso?“

 

„Oh, er hasst dieses Haus! Und er wollte überhaupt nicht kommen, meinte, meine Familie würde ihn sowieso verabscheuen, und deshalb hoffe ich, dass er überhaupt zu seiner eignen Hochzeit erscheint!“, rief Pansy wütend aus. Hermines Mund öffnete sich in leisem Verständnis.


„Er wird seine Hochzeit schon nicht verpassen“, erwiderte Hermine beruhigend.

 

„Wie geht es Draco? Ist er immer noch ein unausstehlicher Bastard, oder hat er sich langsam eingekriegt?“, wollte Pansy wissen, während sie hier und da an ihrem sündhaft teuren Kleid zupfte und unzufrieden ihr Spiegelbild betrachtete.

 

„Ersteres“, gestand Hermine still ein. Pansy hob mitleidig den Blick.

 

„Es tut mir so leid, Hermine“, entschuldigte sich Pansy aufrichtig bei ihr. Hermine lächelte traurig.

 

„Du kannst da nichts für. Langsam glaube ich, es ist ohnehin alles meine Schuld.“ Bevor Pansy etwas erwidern konnte, machte Hermine eine wegwerfende Handbewegung. „Vergiss es. Heute ist dein Tag. Und keine Sorge, Ron wird auftauchen. Ron liebt dich.“

 

Pansy wirkte nicht überzeugt. „Wo ist mein kleiner Junge?“, wollte sie jetzt wissen. „Wenigstens ein freundliches Gesicht würde ich heute gerne sehen“, beschwerte sich Pansy unglücklich.

 

„Ginny kümmert sich. Freddy schläft endlich, Merlin sei Dank. Wir haben die ganze Nacht kein Auge zubekommen. Er zahnt schrecklich. Ich glaube, sie kommen jetzt alle auf einmal“, bemerkte Hermine besorgt. „Es werden furchtbare Tage werden“, murmelte sie abwesend.

 

„Ach, es wird besser. Ich verspreche es dir. Draco soll sich mal nicht so anstellen!“

 

Pansy schien überhaupt nicht zu merken wie hübsch sie eigentlich aussah. Sie sah nur die Probleme, den möglichen Konflikt, machte sich Sorgen, dass Ron womöglich nicht auftauchte, und Hermine beneidete Pansy nicht. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Ron sich hier nicht wohlfühlte.

 

„Hast du Narzissa und Lucius begrüßt?“, wollte Pansy abgelenkt wissen, während sie weiter am Kleid zupfte.

 

„Nein“, erwiderte Hermine nur. Sie hatte auch keine Lust. Lucius wollte sie überreden, das Gold anzunehmen, während Narzissa sie pausenlos mit Fragen über ihre Beziehung löcherte, und warum sie und Draco nicht glücklich wirkten. Hermine hatte keine Kraft dafür. Und bestimmt nicht nach einer schlaflosen Nacht! „Ich will sie gerade auch nicht sehen“, fuhr sie gepresster fort.

 

Pansy seufzte auf. „Wenn Ron nicht auftaucht, bringe ich ihn um!“, entfuhr es ihr verzweifelt.

 

„Ich schaue, ob ich ihn finden kann, ok?“, bot Hermine ihr an, dankbar, etwas Ablenkung zu bekommen. Sie verließ das Zimmer, schlich den Flur hinab, lautlos die Treppe runter, um ja nicht aufgehalten oder angesprochen zu werden von irgendwelchen Reinblütern, die die Malfoys kannten, und hielt die Augen offen.

 

Sie blickte vorsichtig nach links. Sie erkannte ihren Freund an der Bar sitzen, während er das tat, was er am besten konnte. Sich betrinken. Super. Dann konnte sie wieder nüchtern sein, denn irgendwer musste sie beide ja nach Hause bekommen.

 

Sie schlich sich davon, fand einen Weg nach draußen und sah sich um. Vereinzelt unterhielten sich die Gäste auch hier, lästerten über die Parkinsons oder die Weasleys – je nachdem an wem sie vorbei kam – und sie gab sich Mühe, nirgendwo genau hinzuhören oder gar stehen zu bleiben. Sie erreichte den hinteren Teil des Gartens. Pansys Mutter unterhielt sich mit Ginny, während Ginny ihren mittlerweile weinenden Sohn auf dem Arm schaukelte.

 

So ein Mist. Er war wieder wach.

 

Hermine kam zu ihnen.

 

„Hallo, Hermine“, begrüßte Ophelia sie mit demselben abweisenden Blick, den sie schon vor einem Jahr für Hermine übrig gehabt hatte.


„Ophelia“, erwiderte Hermine erschöpft die Begrüßung und nahm Ginny den Jungen wieder ab. Er klammerte sich schluchzend an ihre Schulter, und Hermine murmelte beruhigende Worte.


„Tut mir leid. Er ist leider wieder wach“, entschuldigte sich Ginny und streichelte Frederics Rücken.

 

Von oben ertönte ein schrecklicher Knall. Danach schrie Pansy nach Leibeskräften mit dem armen Personal, und Ginny hob die Augenbrauen. „Ich… werde mal schnell nachsehen“, entschuldigte sich Ginny, und Hermine glaubte, sie wollte nur so schnell es ging von Ophelia weg.

 

„Tja, und wo ist mein fabelhafter Schwiegersohn?“, erkundigte sich diese kalt bei Hermine, und Hermine wollte hier wirklich nicht stehen. Ihr Sohn weinte nur noch mehr, und Hermine entschuldigte sich ebenfalls, um sich die Beine zu vertreten.

 

Merlin, war es eine angespannte Stimmung. Sie ging weiter in den Garten, wippte ihren Sohn von rechts nach links auf ihren Armen, aber er wollte und wollte nicht aufhören. Sie erreichte das kleine asiatische Teehaus in der Mitte des Gartens und öffnete mit einer Hand die Tür.

 

Überrascht blieb sie stehen.

 

„Hier bist du. Dann kann ich dem Suchtrupp drinnen Bescheid sagen, dass sie die Hunde wieder abziehen können“, bemerkte sie spöttisch. Ron saß auf der schmalen Bank, neben der geschätzte vierzig hässliche Sitzauflagen gestapelt waren. Im kleinen Teehaus war nicht mehr viel Platz. Frederic schluchzte noch immer, und Ron stellte seine Flasche Champagner beiseite. Er trank direkt aus der Flasche, hatte wohl auf ein unnötiges Glas verzichtet.

 

„Hey, kleiner Mann“, begrüßte er Frederic und nahm ihn Hermine ab. „Was hat er denn?“, erkundigte er sich leicht benebelt.

 

„Wie viel hast du getrunken?“, wollte Hermine besorgt wissen, aber Ron verzog den Mund.

 

„Nicht annähernd genug“, erwiderte er und setzte sich mit Frederic zurück auf die Bank.

 

„Deine Schwiegermutter fragt nach dir“, sagte Hermine, als sie sich neben ihn setzte.

 

„Oh Merlin, bloß das nicht. Wieso habe ich mich darauf eingelassen?“, wollte er müde von ihr wissen, während er Frederic schaukelte, der immer noch jämmerlich schluchzte.

 

„Weil du Pansy liebst?“, schlug Hermine ihm wenig enthusiastisch vor.

 

„Hm“, machte er nur, als fiele es ihm jetzt wieder ein, „Richtig. Was hat er?“, wiederholte er mit einem Blick auf Frederic wieder.

 

„Er zahnt“, gähnte Hermine praktisch, und Ron schmunzelte zum ersten Mal.

 

„Oh nein“, sagte er, betont mitfühlend und senkte den Blick. „Warte“, fuhr er fort, zog seinen Zauberstab und wandte einen Kälte-Illusions-Zauber auf seinen Zeigefinger an. Hermine runzelte die Stirn, als Ron dem Jungen einfach seinen Finger in den Mund schob.

 

Und Frederic hörte auf zu weinen. Hermine starrte mit großen Augen auf Rons Hand.

 

„Das ist alles?“, wollte sie empört wissen. „Du hext den Finger kalt, und er hört auf?“ Das stand in keinem der tausend Baby-Ratgeber, die sie sich verzweifelt von Molly ausgeliehen hatte!

 

„Jap“, bestätigte Ron zufrieden. „Hat mein Dad bei mir auch gemacht“, fuhr er fort. „Siehst du, Fred, alles nur halb so schlimm.“ Hermine musste lächeln. Die Stille war sehr angenehm. „Und? Wie geht es deinem Sonnenschein von Freund?“, wollte Ron schließlich wissen, und Hermine mied seinen Blick.

 

„Er betrinkt sich drinnen.“

 

„Hm, klingt nach dem romantischen Leben, von dem du immer geträumt hast“, erwiderte er spöttisch.

 

„Er… hat viel zu tun“, rechtfertigte sie in co-abhängiger Manie und hasste sich schon selber für ihre Worte. Ron runzelte entsprechend die Stirn. „Ok, er ist einfach ein Bastard“, murmelte sie resignierend.

 

„Nicht vor dem Jungen, Hermine“, ermahnte Ron sie scherzhaft. Hermine sah ihn seufzend an.

 

„Du musst den glücklichen Bund noch binden“, bemerkte sie, denn er hing Ron lose um den Hals.

 

„Kannst du das tun?“, wollte er verzweifelt wissen.

 

„Das bringt Unglück. Pansy müsste es machen“, bemerkte sie abwesend. Sie erinnerte sich noch an ihre arrangierte Hochzeit. Dracos Bund hatte sie auch nicht gebunden. „Außerdem kann ich es nicht“, beschwerte sie sich achselzuckend.

 

Die Tür des kleinen Hauses öffnete sich, ehe Ron etwas erwidern konnte, und Harry sah sie überrascht an.

 

„Hey, Hermine! Freddy!“, begrüßte er den Kleinen strahlend, kam näher, streichelte den blonden Schopf des Jungen und wandte sich dann an Ron. „Ron, du musst jetzt kommen. Ich schwöre dir, sonst bricht ein Familienkrieg aus, und die Hochzeit könnt ihr vergessen. Ich schlage vor, ihr bringt es schnell hinter euch und wir verschwinden“, schlug ihm Harry gehetzt vor.

 

„Merlin, ich hasse all das hier! Dann sollen sie sich doch einfach alle umbringen!“, rief er wütend.

 

„Ich bin nur der Bote, ok? Du brauchst mich nicht anschreien.“ Ron erhob sich mürrisch, gab Hermine den Jungen zurück und verließ, ohne gemachten Bund, das kleine Teehaus. Harry folgte ihm, und seufzend tat es Hermine den beiden gleich.

 

~*~

 

Er wusste nicht, wann sein Vater ihn gefunden hatte, aber irgendwie saßen sie nun nebeneinander an der Bar und betranken sich gemeinsam.

 

„Ich hasse solche Feiern“, murmelte sein Vater schlecht gelaunt.

 

Weasley kam zu ihnen und stellte eine scheinbar leere Flasche Champagner mit einem ‚Klonk‘ auf der Theke ab.

 

„Wo ist Pansy?“, lallte er tatsächlich betrunken. Lucius und Draco tauschten einen entsprechenden Blick.

 

„Schenkt den Elfen oben aus Wut Klamotten“, antwortete Draco missmutig, und Weasley verzog gequält den Mund. Dann wandte er sich taumelnd ab, wohl auf dem Weg, seine Verlobte zu holen.

 

„Der Bräutigam ist immerhin schon vor der Trauung betrunken. Es ist eine echte Reinblüter-Hochzeit“, murmelte Lucius amüsiert. „Hermine!“, entfuhr es seinem Vater mit einem milden Lächeln. Er erhob sich sogar der Höflichkeit halber. Seine Freundin schenkte seinem Vater ein knappes Lächeln.

 

„Hallo, Lucius, schön dich zu sehen“, log sie gehetzt. Draco wusste, Hermine konnte seine Eltern zurzeit nicht leiden, denn sie bedrängten sie immer und immer wieder mit dem Vorschlag, endlich ein wenig Gold anzunehmen. „Hier.“ Ohne weitere Worte drückte sie ihm, Draco, mit einem missbilligenden Blick den Jungen in die Arme. Lucius‘ Blick wurde großväterlich, und er ergriff Frederics kleine Hand, um mit ihm zu spielen. Hermine ergriff hingegen seine Hand, denn Frederic fing bereits wieder an, zu wimmern. Draco sah ihr dabei zu, wie sie ihren Zauberstab zog und eine Kälte-Illusion anwandte.

 

Mit erhobener Braue wartete er ab, aber sie sah ihn nur auffordernd an, als wäre er minderbemittelt.

 

„Schieb ihn in seinen Mund. Es beruhigt sein Zahnfleisch“, erklärte sie ohne Geduld. Und skeptisch befolgte er ihre Worte. Sein Sohn beruhigte sich innerhalb von Millisekunden, und Dracos Mund öffnete sich verblüfft. Der Junge konnte still sein? Welch Wunder!

„Wo ist Ron?“, wollte sie nahtlos von ihm wissen, und seine Laune verschlechterte sich merklich.


„Ich passe auf die Bar auf. Nicht auf den Bräutigam“, erklärte er unkooperativ, und ihre Augen verengten sich zornig. Sie konnte ihn so böse ansehen wie sie wollte. Sie hatte sich noch nicht für den letzten Streit entschuldigt, und er konnte genauso stur sein, wie sie es war.

 

„Er ist gerade nach oben gegangen, seine Braut holen“, antwortete Lucius statt seiner, mit diesem lächerlichen Grinsen auf den Lippen, während er liebevoll in Frederics Füße zwickte. Sein Sohn besaß immerhin den Anstand zu lachen, während er seinen Finger vollsabberte.

 

Hermine hatte sich abgewandt. Draco griff mit der anderen Hand sein Glas und dankte Merlin wieder und wieder für den kostenlosen Alkohol.

 

„Na, wenn das nicht mein Junge ist! Mein wunderbarer Junge!“, rief Narzissa erfreut aus, als sie ebenfalls den Weg zu ihnen fand, und Draco wusste mit absoluter Sicherheit – sie sprach nicht von ihm. „Hallo Draco“, begrüßte sie ihn, ohne ihn anzusehen, ehe sie ihm Frederic mit absoluter Selbstverständlichkeit abnahm. „Zahnt er noch?“, fragte sie lächelnd. „Ja, wo ist denn mein süßer Schatz? Wo ist er denn?“, wandte sie sich nahtlos wieder an Frederic, und Draco brummte eine unverständliche Antwort, während er sein Glas wieder füllen ließ.

 

Seltsamerweise wagte es Frederic nicht, einen Mucks auf dem Arm seiner Mutter von sich zu geben. Sie musste über Zauberkraft verfügen, die Draco unbekannt war.

 

„Wo ist Hermine?“, wollte sie wissen, während sie Frederic auf ihren Armen wippte. „Habt ihr langsam mal angefangen, eure Differenzen aufzuarbeiten?“, ging seine Mutter in die nächste Offensive, und Draco konnte das Glas nicht schnell genug an die Lippen setzen. Ja, vielleicht hatte Hermine Recht, und seine Mutter mischte sich wirklich viel ein.

 

„Oben“, sagte er sofort. „Erster Stock, drittes Zimmer auf der linken Seite.“ Aber seine Mutter tat ihm den Gefallen nicht, zu verschwinden.


„Wir können Freddy nehmen“, schlug sie ihm vor. „Wirklich“, beharrte sie. „Wir würden ihn gerne mal wieder haben. Die Erkältungsphasen sind vorbei, wir können uns gar nicht anstecken. Hermine muss sowieso mal lernen, von ihm getrennt zu sein. Dann hättet ihr Zeit für euch?“, sagte sie, mit mehr Nachdruck.

 

„Hm“, machte Draco und warf seinem Vater einen hilfesuchenden Blick zu, aber Lucius tat ihm heute keine Gefallen. Er drückte scheinbar lieber die Zehen seines Enkelkindes, stellte Draco entnervt fest.

 

„Wann habt ihr überhaupt vor, zu heiraten? Ich meine, wollt ihr wirklich für immer in wilder Ehe leben? Schlimm genug, dass ihr nicht denselben Namen habt!“, fing sie wieder mit dieser Diskussion an. Draco warf einen sehnsüchtigen Blick zur Treppe, aber Hermine, das Biest, versteckte sich gut. Besser als er.

 

„Mum, vielleicht solltest du mit ihr-“, begann er, aber Narzissa sah ihn prüfend an.

 

„-und wir bezahlen euch gerne die Hochzeit, Draco. Die Hochzeitsreise auch, wenn ihr weg wollt. Ich weiß nicht, seit wann es eine Schande ist, etwas Gold anzunehmen!“ Und Draco sagte, was er sich angewöhnt hatte zu sagen, ohne denn Sinn noch begreifen zu können.


„Wir brauchen kein Gold, Mutter“, murmelte er widerwillig.

 

„Ja, ja, Draco. Aber ich meine, ihr seid völlig abgespannt.“

 

„Es geht schon“, log er bitter. Es sah so aus, als müsse er seinen sicheren Platz verlassen. Und ungerne gab er die Bar auf. Aber er musste sich selber retten.

 

Er hoffte nur, die Hochzeit der Hölle fand schnell ihr Ende.

Er wollte nach Hause!

 

 

Teil 2

 

„Du bist ja völlig betrunken!“, fuhr Pansy ihren Verlobten an, während es irgendwie dazu gekommen war, dass Hermine neben Draco stand und sich für Ron fremdschämte.

 

„Na und? Dann passe ich doch herrlich in deine Familie!“, beschwerte sich Ron lautstark.

 

„Wie witzig! Hör mal, wenn du das alles nicht wolltest, dann hättest du mir keinen verdammten Antrag machen müssen!“, schrie sie unter Tränen und das aufwendige Makeup begann, den Weg allens zu gehen.

 

„Oh, ich wusste nicht, dass ich eine Wahl hatte, Miss Reinblüter-Prinzessin!“, entgegnete Ron aufgebracht.

 

„Das ist nicht fair!“, rief Pansy entrüstet.

 

Betroffen standen sie, Draco, Harry und Ginny an der Wand entlang gedrückt und versuchten, so zu tun, als wären sie unsichtbar, während Pansy in ein Seidentuch schniefte.

 

„Ich glaube, ich brauche mehr Alkohol“, murmelte Ron kopfschüttelnd. „Vielleicht kann ich auf dem Weg nach unten, über Floh deinem Ex-Prinzen einen Anruf abstatten, Pans“, ergänzte er spitz. „Wie hieß der Trottel? James? Ich bin sicher, er hätte kein Problem, mit all dem Reinblüter-Quatsch!“

 

Ron duckte sich rechtzeitig aus der Tür, ehe Pansys Brautstrauß mit Präzision gegen den Türrahmen knallte. Draco hatte sich ebenfalls unauffällig zur Seite gebückt und lehnte sich näher zu ihr.

 

„Meine Mutter lässt übrigens fragen, wann ich dir den nächsten Antrag mache“, murmelte er mit bitterer Ironie in der Stimme. Hermine nickte und tat so, als müsse sie darüber nachdenken.

 

„Ja, du kannst ihr sagen: Niemals ist genau der richtige Zeitpunkt dafür“, flüsterte sie zurück, während sie wirklich froh war, nie mehr heiraten zu müssen, wenn sie nicht wollte.

Pansy saß schluchzend auf dem Ankleidestuhl, und Hermine tauschte mit Ginny einen kurzen Blick.

 

„Hallöchen, Hallöchen!“, rief ein fröhlicher Blaise, der gegen den Türrahmen klopfte und Goyle direkt im Schlepptau hatte. Goyle wirkte etwas runder als das letzte Mal, als Hermine ihn gesehen hatte. „Merlin sei Dank, bin ich nicht zu spät.“ Er erfasste die Situation. „Pansy, meine Liebe, was gibt es da zu weinen?“, rief er, schloss einfach den Abstand zu Pansy und umarmte sie herzlich. Blaise traute sich was!

 

„Weasley ist ein Mistkerl!“, schniefte Pansy unglücklich.

 

„Na, na…“, widersprach Blaise. Dann betrachtete er den Rest. „Man könnte meinen, das hier ist eine Beerdigung. Oh.“ Er verzog kurz den Mund, als er Draco betrachtete. „Merlin, Merlin. Draco, du siehst beschissen aus“, eröffnete Blaise ihm grinsen. Draco verzog den Mund.

 

„Danke. Ebenso“, gab er das Kompliment bitter zurück, und Blaise musste lachen.

 

„Leute, lasst uns feiern. Pansy, seit wann lässt du dich von deiner Familie stressen? So kenne ich dich nicht. Ich finde, wir sollten mal langsam etwas Stimmung hier rein bringen!“, rief Blaise.

 

„Schatz, bist du hier?“, vernahm Hermine eine Frauenstimme von draußen. Ein hochschwangeres, gedrungenes Mädchen wagte sich ins Zimmer. „Gregory, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht weggehen“, murmelte sie gepresst. Goyle fuhr sich beschämt durch die spärlichen Haare.

 

„Tut mir leid, Daisy, Schatz“, erwiderte er.

 

„Ich habe Hunger. Jetzt, Gregory“, ergänzte sie, leiser, mit mehr Nachdruck.

 

„Natürlich, Schatz. Liebling, ich… ich hol dir… sofort etwas zu essen“, versprach Goyle mit hochrotem Kopf und Daisy Goyle lächelte verlegen in die Runde.

 

„Hi“, begrüßte sie die anderen. Hermine hatte sie nur einmal gesehen. Und da war sie noch nicht schwanger gewesen. Gesprochen hatten sie allerdings nicht. Die anderen im Zimmer begrüßten sie, außer Pansy, die in ihr Taschentuch schniefte.

 

„Blaise?“, vernahm Hermine eine weitere Frauenstimme.

 

„Ach ja – und noch eine Kleinigkeit!“, sagte Blaise plötzlich sehr hastig. „Ich weiß, es sieht schlimm aus, aber… es ist wirklich, wirklich nicht so, wie-“

 

-Astoria.

 

Hermine musste mehrfach blinzeln, als das schlanke, hübsche Mädchen im Türrahmen erschien. Kurz herrschte einen Moment lang eine unangenehme Stille, bis Blaise sich räuspert.

 

„Ähm, tja. Ihr kennt Astoria?“, sagte er nur. Hermine hatte ein Gefühl im Magen, was sie kaum als echtes Gefühl beschreiben konnte. Es war mehr das Gefühl brennender Lava in ihrem Bauch. Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten.

Sogar Pansy unterbrach kurz, in ihr Taschentuch zu schniefe.

 

„Das ist dein Gast?“, entfuhr es Pansy heiser, und sie starrte Blaise fassungslos an.

 

„Hey, wir… haben uns im Club getroffen, haben uns fantastisch verstanden, und… sie ist Single – ich bin Single. Es hatte sich angeboten“, sagte Blaise hastig.

 

„Ich hoffe, das ist kein Problem?“, fragte das dämliche Mädchen auch noch höflich, und Hermine spürte, wie ein Muskel in ihrem Gesicht unwillkürlich zuckte. Scheu sah Astoria sie schließlich an. „Hey, Hermine“, begrüßte das Mädchen sie auch noch! Hermine war zu schockiert und entsetzt, um zu sprechen.

„Hi, Draco“, wandte sich Astoria auch noch an ihn, und Draco hatte tatsächlich ein spöttisches Lächeln auf den Lippen.

 

„Hi, Astoria“, begrüßte ihr Freund das Mädchen neutral, und sein Blick verweilte nur eine Winzigkeit zu lange auf Astorias schlanker Taille, fand Hermine. Sie hatte Astoria so lange nicht mehr gesehen! Snape hatte sie damals zwar nicht von der Schule geworfen, weil Hermine ein netter Mensch gewesen war, aber Astoria hatte sich keine Woche später selber abgemeldet und war zurück nach Frankreich gegangen.

 

Und Hermine hatte sie kein Stück vermisst. Anscheinend war sie wieder da. Hermines Fingernägel schnitten in ihre Handfläche, so hart waren ihre Hände geballt. Und war es nicht super? Kaum lief es mit Draco nicht mehr gut, tauchte dieses dumme Miststück auf? Was scheinbar kein Kind ausgetragen hatte, kein Gramm zu viel auf ihren verdammten Hüften besaß und im beschissenen Frankreich auch noch genügend Schlaf bekam, um verflucht noch mal fantastisch auszusehen?!

 

Ahrg! Hermine war stocksauer.

 

„Ich hoffe wirklich, es ist kein Problem“, sagte Astoria schüchtern. Sie brauchte gar nicht schüchtern zu tun! „Blaise sagte, er hätte es euch gesagt“, fuhr sie mit einem bösen Seitenblick auf Blaise fort.

 

„Ich habe gesagt, sie wissen praktisch Bescheid“, korrigierte sich Blaise, der anscheinend überhaupt kein Problem mit dieser Situation hatte.

 

„Interessanter Sinneswandel“, bemerkte Draco neben ihr, der weitaus mehr Interesse an dieser Situation zu haben schien, als es Hermine für angemessen hielt.

 

„Ich habe keine Zeit, mich darüber aufzuregen“, mischte sich Pansy jetzt wütend ein und verließ ihr eigenes Ankleidezimmer. Harry und Ginny wirkte ebenfalls nicht angetan von dieser Situation.

 

„Astoria hat in Frankreich magische Kunstgeschichte studiert und ist jetzt Gast-Kuratorin in der Magischen Kunstgalerie in London“, schien Blaise ein wenig nervös zu erzählen.

 

„Beeindruckend“, erwiderte Draco, immer noch verdammt neutral, wie die beschissene Schweiz persönlich, und Hermine folgte Pansy mit zornigen Schritten und verließ das Zimmer. Ihre Hände zitterten vor Wut, und es wunderte sie überhaupt nicht, dass Draco ihr nicht folgte. Sie nahm an, er hatte bereits den Vorfall vor eineinhalb Jahren im Slytherinschlafsaal vergessen, wo er den beiden Mädchen Vergeltung geschworen hatte. Mittlerweile reichten wohl ein paar schlanke Beine, um ihn sämtliche Prioritäten vergessen zu lassen, stellte Hermine unfassbar wütend fest.

 

Sie erreichte die Bar, wo sich immerhin Narzissa und Lucius um ihr Kind kümmerten. Hermine nahm ihn kurzerhand aus Lucius‘ Armen. Dieser wirkte leicht enttäuscht. Hermine nahm sogar Narzissas Anwesenheit in Kauf. Dann lieber Narzissa, als Astoria.

 

„Habt ihr Pansy gesehen?“

 

„Du meinst, die verschollene Braut?“, spottete Lucius, und Hermine nahm an, es war nicht sein erstes Glas Scotch.


„Pansy hat gerade das Haus verlassen“, erwiderte Narzissa mit knappem Blick und einigermaßen besorgt.

 

Oh nein. „Hermine, wollen wir nicht kurz reden?“, schlug Narzissa ihr mit eindeutigem Blick vor. Und Hermine schüttelte nur den Kopf.

 

„Nein, danke. Ich… suche Pansy“, entschied sie, zu sagen, und schon hatte sie ihren Quasi-Schwiegereltern den Rücken zugekehrt. Sie lief an den Leuten vorbei, und Frederic war Merlin sei Dank wieder tief und fest am Schlummern.

 

Sie war froh in den herbstlichen September zu treten. Die Luft erfrischte sie, kühlte ihren zornigen Kopf. Sie musste nicht wirklich weit gehen, um Pansy zu entdecken. Sie saß im Windschatten der verblühten Rosenbeete auf einer Zierbank, in dem schönen fließenden Kleid, ein feuchtes Taschentuch in ihrem Schoß.

 

„Wo… wo ist Ron?“, fragte Hermine vorsichtig. Es gab noch andere Probleme, neben ihren eigenen. Pansy hob unglücklich den Blick.

 

„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie traurig. „Appariert?“, schlug sie trocken vor.

 

„Nein“, widersprach Hermine nur. „Das kann ich mir nicht vorstellen, Pansy“, versuchte sie, Pansy aufzumuntern. Dann nahm Pansys Ausdruck etwas Grimmiges an.

 

„Soll ich sie rauswerfen lassen?“, fragte sie Hermine direkt. Hermine sah sie verblüfft an. „Astoria?“, ergänzte Pansy eindeutiger, und Hermine Mund öffnete sich überfordert.

 

„Ich – nein“, gab sie schließlich nach. „Wenn Blaise mit ihr zusammen ist, dann…“ Ratlos fiel Hermines Blick auf ihren kleinen Jungen. Auch Pansy streichelte seinen kleinen Rücken sanft.

 

„Warum ist alles so schwierig?“, fragte Pansy sie. Hermine hatte keine gute Antwort. Sie hätte ja gerne gesagt, bei ihr war alles schwierig, weil Draco und sie viel arbeiten mussten und wenig Zeit hatten. Für gar nichts. Nicht mal für… private Dinge. Sowie Sex.

Hermine wusste nicht mal mehr, wann… sie überhaupt Sex gehabt hatten. Diesen Monat nicht. Letzten Monat nicht. Davor den Monat auch nicht. Er hatte die große Renovierung in seiner Firma gehabt. Dann hatten sie den Dachschaden am Haus gehabt, der ihre gesamten Ersparnisse aufgezehrt hatte, und sie hatten sich mächtig gestritten, weil Hermine nicht eingesehen hatte, sich von Lucius und Narzissa Gold aus dem Fonds auszahlen zu lassen.

 

Sie schloss kurz die Augen.

 

Und selbst wenn man Gold besaß, wie Pansy, schien das Leben nicht einfacher zu sein.

 

„Keine Ahnung“, sagte Hermine ehrlich.

 

„Ich… ich sollte die Zeremonie absagen, oder?“, flüsterte Pansy mit weiten Augen. Hermine atmete unentschlossen aus. Wenn Ron nicht auftauchte, dann gab es keine andere Möglichkeit.

 

„Nein“, sagte Hermine kopfschüttelnd. Sie musste Ron finden. „Kannst du… kannst du ihn nehmen?“, fragte sie jetzt, und nur zu gerne nahm ihr Pansy Frederic ab. Und Hermine betrachtete kurz den Jungen, der Draco so ähnlich sah. Wenn er schlief und ihr nicht den letzten Nerv raubte, dann… liebte sie ihn schon sehr, stellte sie fast verblüfft fest. Sie strich sanft die blonden Wellen aus seiner Stirn. „Ich bin gleich wieder da“, versprach sie, verließ zu gerne das Grundstück und apparierte hinter den hohen Hecken.

 

Sie kam drehend zum Stehen. Sie hatte nur angenommen, dass er vielleicht appariert war. Sicher war sie sich nicht. Der Fuchsbau ragte leer vor ihr empor. Alle befanden sich bei Pansy im Anwesen.

 

Fast alle.

 

Die Haustür war nur angelehnt, stellte sie fest, als sie näher kam. Sie drückte die Tür leicht auf. „Hallo?“, rief sie ins Innere. „Ron?“, sagte sie schließlich und schloss die Tür leise hinter sich. Das Wohnzimmer lag leer vor ihr. Langsam ging sie in den Flur und die Treppe nach oben. Die Stufen knarrten unter jedem Tritt, und mit jedem Stockwerk wurde der Flur enger, und sie musste sich mit der Hand an der schiefen Wand abstützen.

 

Dann stand sie vor seiner alten Zimmertür.

 

Sie klopfte sanft dagegen.

 

„Nein!“, ertönte seine betrunkene und missmutige Stimme von drinnen. Hermine öffnete die Tür. Er lag auf seinem alten Bett unter der Schräge, das Hemd seines Anzugs halb aufgeknöpft, eine Flasche ekelhaften Elfenlikör seiner Mutter im Arm. Er bedachte sie mit einem trotzigen Blick, und wandte sich demonstrativ zur Seite.

 

„Was tust du hier?“, wollte sie müde von ihm wissen, kam näher und setzte sich auf die Bettkante. Sie war froh, dass er sich nicht zersplittert hatte beim Apparieren.


„Ich kann das nicht“, erklärte er zornig.


„Was? Dich anstellen wie ein Kind und Pansy sitzen lassen? Es sieht so aus, als kannst du das ganz gut“, bemerkte sie knapp. Er wandte sich ihr wieder zu.


„Dieser Reinblütermist ist nichts für mich“, sagte er mürrisch.

 

„Ron, die Zeremonie dauert zehn Minuten. Dann seid ihr verheiratet und könnt abhauen“, ermahnte sie ihn böse. „Pansy sitzt in ihrem Garten und weint. Wegen dir“, sagte sie mehr als überdeutlich. Unglücklich sah er sie an.

 

„Diese ganzen Leute hassen mich. Sie denken, ich wäre nicht gut genug.“

 

„Na und? Pansy denkt, du wärst gut genug, Merlin noch mal! Was interessieren dich all die anderen?“ Aber Ron sah sie ernster an.


„Bei dir und Malfoy funktioniert es doch auch nicht. Und ihr seid nicht mal verheiratet“, entfuhr es ihm offen, und sie blinzelte überrascht.

 

„Alkohol macht dich wirklich unausstehlich“, stellte sie bitter fest.


„Sorry, aber es stimmt doch.“ Hermine würde nicht zugeben, dass er Recht hatte, aber sie nahm an, ihr Freund flirtete gerade mit der verdammten Schlange Astoria Greengrass, weil sie eine reiche Schlampe war, die ihm nicht den lieben langen Tag widersprach.

 

„Weißt du, du hast kein Recht irgendeine Meinung über mich zu haben, wenn du an deinem Hochzeitstag in deinem Kinderbett liegst und dich mit Altweiberlikör betrinkst“, informierte sie ihn gnadenlos. Er verzog den Mund. „Liebst du Pansy nicht?“, wollte sie entnervt wissen, und er ruckte mit dem Kopf.


„Natürlich liebe ich sie!“, sagte er ernst. „Nur nicht… das ganze Drumherum“, ergänzte er müde. Hermine nahm ihm kurzerhand die Falsche ab. Nur ungern ließ er das zu.

 

„Stell dich nicht so an, wie ein Kleinkind. Es ist nur ein verdammter Tag, dann ist alles wunderbar, Ron. Geh ins Bad, spritz dir Wasser ins Gesicht, knöpf dein Hemd zu, und komm mit mir mit, bevor Pansy die gesamte Show absagt und dich verlässt!“, befahl sie ungnädig, und Ron atmete ergeben aus.


„Fein, ok!“, gab er nach, quälte sich aus seinem Bett, und verschwand murrend auf dem Flur und ging ins Bad.

 

Merlin, es war ein anstrengender Tag.

Es war ein anstrengendes Leben.

 

~*~

 

Sie lachte glockenhell. Er wusste nicht, wieso, aber er betrank sich mit Astoria in der Ungestörtheit der Bibliothek der Parkinsons. Er wusste, wieso! Pansy hatte ihm gesagt, Hermine wäre abgehauen und suchte nach Weasley. Allein.

 

Er hasste die Aussicht, dass sie alleine irgendwo mit diesem Idioten war. Egal, ob Weasley verlobt war oder nicht. Und deshalb saß er hier. Denn in seinem Kopf gab es die beste Rache-Situation ab. Mit ihm sprach Hermine nicht! Aber dem Arschloch Weasley vertraute sie alle ihre Probleme an und zog wahrscheinlich über ihn, Draco, her!

 

„Wow, du hast also einen Sohn? Nicht schlecht“, sagte sie anerkennend, lächelte schüchtern, und lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Er betrachtete ihr hübsches Gesicht. Sie hatte sich nicht verändert.

 

„Du hast dir also Blaise geangelt?“, erwiderte er und trank einen tiefen Schluck aus seinem Merlin-wie-vielten Glas. Blaise hatte sich schließlich auch entschieden, nicht seine vorbestimmte Gräfin von-und-zu zu heiraten, sondern auf die wahre Liebe zu warten. Draco wusste nur nicht, ob er mit Astoria Erfolg hatte.

 

„Ach, ich glaube, es war eher Zufall. Ich… habe ihn im Museum getroffen und wir haben… einfach geredet.“ Sie senkte den Blick.

 

„Wirst du ihn heiraten?“ Er wusste nicht, weshalb er fragte. Merlin, er wusste nicht mal, weshalb er hier saß! Sie wirkte etwas überrascht.

 

„Ihn heiraten? Keine… Ahnung. Ich… habe es mit dem Heiraten genauso eilig wie du“, bemerkte sie spitz. „Wirst du Hermine heiraten?“, fragte sie plötzlich sehr ehrlich, und ihre Blicke trafen sich. Und er sagte, was er gar nicht so meinte.

 

„Nein. In nächster Zeit garantiert nicht.“

 

„Ach so?“ Waches Interesse huschte über ihr Gesicht.

 

„Ich… meine… - so meinte ich es nicht“, ruderte er zurück, trank noch einen Schluck und wusste nur, er hatte einen beschissenen Tag, und Astoria war gerade passend da.

 

„Wie meinst du es?“, ließ sie nicht locker, und er atmete aus. Ihre Haare fielen glatt und glänzend nach vorne über ihre Schulter. Sie war unfassbar schlank und sehr gut in Form, stellte sein dummes Unterbewusstsein fest, was heute ebenfalls einen beschissenen Tag hatte.

 

„Warum sitzen wir hier?“, fragte er plötzlich müde, und ihre Stirn runzelte sich.

 

„Warum? Du hast vorgeschlagen, hierher zu kommen“, erinnerte sie ihn. Rache machte keinen Spaß. Er hatte die Lust verloren. Er war zwar betrunken und verzweifelt, aber bestimmt nicht so betrunken und so verzweifelt, ermahnte ihn der letzte Rest seines Verstands. „Ist es dir… unangenehm? Hast du Angst vor mir?“, wollte sie lächelnd wissen, und er leerte sein Glas in einem Zug.

 

„Vermisst Blaise dich nicht?“, wandte er ein, ohne zu antworten, und sie zuckte die Achseln.


„Er wird mich schon finden, wenn er mich sucht“, sagte sie nur. Er hatte das ungute Gefühl, dass sie näher rückte. „Weißt du, Draco“, begann sie sanft, und er schüttelte den Kopf.

 

„-Astoria, ich habe kein Interesse an-“, begann er, aber plötzlich reckte sie den Kopf in die Höhe.

 

„Uh-oh“, entfuhr es ihr ertappt, aber ihre Mundwinkel zuckten dennoch kurz nach oben. Draco wandte den Blick.

 

Oh scheiße, dachte er nur, und verfluchte sich selbst, nicht schon längst aufgestanden zu sein.

 

Sie kam näher, seinen Sohn auf den Armen. Er schlief, oh Wunder.

 

„Hermine“, begann er beruhigend und erhob sich. Ihr Blick war… er hatte lange nicht mehr so viel Gefühl in ihren Augen gesehen. Aber… dennoch war es ein furchtbarer Blick, den sie ihm zuteilwerden ließ.

„Habt ihr Spaß?“, erkundigte sie sich, die Stimme kälter als Eis.

 

„Hermine“, sagte er erneut, die Hände abwehrend gehoben. „Es ist wirklich nicht, wonach-“

 

„-die Zeremonie geht los, und wenn ich mich recht erinnere, bist du Trauzeuge? Das heißt, natürlich nur, wenn du dich der entzückenden Gesellschaft hier entziehen kannst, Draco?“ Sie lächelte. Aber es war kein wirkliches Lächeln. Das Lächeln versprach ihm den Streit seines Lebens, sobald sie ihn alleine erwischte.

 

Er schluckte.

 

„Hermine, ich-“, mischte sich Astoria lächelnd ein, aber Hermine war schneller. Sie war immer schneller.

 

„-oh, ich würde dir raten, jetzt überhaupt nichts zu sagen, Astoria“, zerschnitt ihre Stimme gnadenlos und messerscharf Astorias Worte. „Wir befinden uns in einer Bibliothek, und ich bin mir sicher, ich finde schwerere Wälzer als die Geschichte von Hogwarts, um ein wenig Revanche zu üben“, informierte Hermine Astoria glatt, und Draco begriff nicht wirklich, aber Astorias Lächeln war verschwunden. „Aber ich brauche nicht mal wirklich ein Buch dafür. Ich bin Mutter, und schleppe seit einigen Wochen zehn Kilo spielend mit mir durch die Gegend“, fuhr Hermine fort, und deutete auf ihren schlafenden Sohn, der tatsächlich in den letzten Wochen gut zugelegt hatte. „Du glaubst nicht, wie schnell man Muskeln in den Armen aufbaut, Astoria“, schloss sie.

 

Und dann war er an der Reihe. Erbarmungslos drückte sie ihm Frederic in die Arme. Er wachte nicht auf. „Ich will dich ungerne daran erinnern, dass du dich für uns und dieses Leben entschieden hast, Draco“, zischte sie bitterböse, „aber am besten bewegst du dich, wenn du Pansys Hochzeit nicht verpassen willst“, schloss sie, und er wusste nicht, ob er sich irrte, aber… er glaubte, ihre Augen glänzen zu sehen.

 

Ehe er irgendetwas erwidern konnte, hatte sie Kehrt gemacht. Super. Er folgte ihr seufzend.

 

„Draco!“, hielt Astorias Stimme ihn auf. Langsam wandte er sich um. „Ich kann verstehen, dass du unglücklich bist. Es muss schwer sein für dich. Mit ihr?“, sagte sie mitfühlend, aber er schenkte ihr ein freudloses Lächeln.

 

„Astoria, am besten gehst du zu Blaise. Am besten bleibst du da.“ Sie sah ihn überrascht an. „Und ich bin nicht unglücklich mit Hermine. Niemals bin ich unglücklich mit ihr. Unglücklich bin ich nur, dass Hermine ihre Drohung nicht wahrgemacht und dich nicht verprügelt hat“, ergänzte er kälter. „Wenn du glaubst, ich hätte auch nur den Hauch von Interesse an dir, dann musst du blind sein.“ Ihr Blick wirkte unglaublich verletzt. „Schade, dass du nicht in Frankreich geblieben bist“, bemerkte er. „Schade, dass du einfach kein netter Mensch bist.“

 

„Draco!“, widersprach sie tonlos, aber er schüttelte den Kopf.

 

„Am besten redest du nicht mehr mit mir, Astoria. Dass Hermine denkt, ich würde dich tatsächlich noch immer vorziehen, ist keines deiner Worte wert.“ Und er hatte überhaupt nicht beleidigend werden wollen. Aber er hatte auch nicht geschlafen, war reizbar, und dass Hermine sauer auf ihn war, machte es nicht besser. „Tut mir leid, dass ich deine Anwesenheit ausgenutzt habe“, schloss er unwirsch und sah nicht mehr zurück, als er die Bibliothek verließ.

 

Der Flur des Anwesens zur Halle war bereits leer. Alle waren im großen Saal versammelt, und Draco beeilte sich, seinen schlafenden Sohn auf den Armen, zu folgen. Die Blicke der versammelten Menge folgten ihm, der seiner Mutter mit gewisser Wut, und er schritt schnell nach vorne. Pansy und Weasley standen tatsächlich nebeneinander. Hermine und Ginny standen als Brautjungfern hinter Pansy, und Potter und er waren die Trauzeugen.

 

„Dann sind wir vollzählig?“, erkundigte sich der Zeremonienmeister und Draco nickte nur. „Dann sollte ich jetzt den Wunsch des Brautpaares verlauten. Würden Sie Ihren Jungen wecken?“, bat ihn der Mann freundlich, und Draco verzog den Mund.

 

„Wecken?“, wiederholte er kopfschüttelnd. „Sie verstehen nicht, er zahnt, und er weint. Er weint wirklich viel. Wenn er-“

 

„-Pansy und Ronald haben sich kurzerhand dazu entschlossen, Ihren Sohn als Trauzeugen einzusetzen. Eine hübsche Geste, wie ich finde, aber der Kleine muss dazu schon wach sein, Mr. Malfoy“, erklärte der Mann freundlich, und Draco warf Pansy einen entsprechenden Blick zu. War das ihr Ernst?

 

Aber Draco sah schon, dass es kein Entkommen gab, denn der Saal machte entzückte Geräusche. Sie hatten alle keine Ahnung! Wenn gleich das Geschrei der sprichwörtlichen Muggelhölle ausbrach, dann würden sie es noch bereuen. Sachte stupste Draco seinen Sohn in die Seite.

 

„Wach auf, Fred“, flüsterte er entschuldigend. „Es tut mir so, so leid. Deine Tante Pansy ist schuld“, murmelte er, und Pansys Mund öffnete sich entrüstet. Frederic blinzelte müde, und graue Kinderaugen sahen ihn vorwurfsvoll an. „Ich weiß“, sagte Draco, und Frederic verzog missgelaunt den Mund. Aber noch war alles relativ spannend, was geschah. Frederic entschied sich vorerst wohl dagegen, loszubrüllen.

 

„Wunderbar!“, rief der Meister vor ihm. „Wir haben also die Trauzeugen Harry Jams Potter und Frederic Scorpius Malfoy, um diesem Tag als wahre Zeugen beizuwohnen!“ Draco riskierte einen Blick hinüber zu Hermine, aber sie ignorierte ihn, gönnte ihm keinen weiteren Blick, und er wusste nicht, wie er aus dieser Sache so schnell wieder rauskommen sollte.

 

Tatsächlich saß Frederic ziemlich munter auf seinem Arm, wandte den Kopf, um die Menge zu betrachten, lachte über wusste Merlin was, und Draco erinnerte sich an seine Geburt. Er war dabei gewesen. Er war da gewesen, als die Wehen begonnen hatten, als Hermine tatsächlich dreißig Stunden im Mungo geschrien und geweint hatte. Sie hatte ihn verflucht, die Heiler, Lucius und Narzissa – eigentlich alle. Er war dabei gewesen, als eine normale Geburt nicht möglich war, als der magische Schnitt hatte gemacht werden müssen.

 

Er hatte neben Hermine gesessen, als diese endlich zehn Stunden später aus der magischen Narkose aufgewacht war – er war immer da gewesen.

 

Als sie die Namen ausgesucht hatten… Frederic für Fred Weasley, der nicht mehr da war, und Scorpius für seinen Bruder, der auch nicht mehr da war. Ihnen hatten die Namen gut gefallen. Aber hätte sie ihn Eugene nennen wollen – er hätte Ja zu allem gesagt, so sehr hatte er sie an diesem Tag geliebt, als sie endlich aus der Narkose aufgewacht war und ihn angelächelt hatte.

 

Sie hatten Probleme. Ja, wer hatte die nicht? Und er beschwerte sich gelegentlich darüber, dass sie kein Gold hatten, weil sie es nicht wollte. Er beschwerte sich über die Arbeit, über die er eigentlich dankbar war. Er beschwerte sich über das kleine Haus, in dem sie wohnten, was aber wahrlich groß genug war.

 

Er beschwerte sich regelmäßig über alle Entscheidungen, die er je getroffen hatte, aber… unterm Strich… wollte er nicht ohne sie sein.

 

Er sah sie noch immer an. „-wollen Sie, Ronald Bilius Weasley, Pansy Ophelia Parkinson zu Ihrer Frau nehmen, die Traditionen ehren, bis der Tod Sie scheide?“

 

Sie hob abwesend den Blick und blinzelte erschrocken, als sie sich seines Blickes gewahr wurde.

 

„Ich will“, sagte Weasley seufzend und hatte Pansys Hand ergriffen, um einen Kuss auf ihre Knöchel zu drücken.

 

Hermine erwiderte seinen Blick, und er konnte nur hoffen, dass sie nichts Furchtbares von ihm dachte. Er hatte an Astoria kein Interesse. Er hatte an keiner ein Interesse. Nur an ihr.

 

„Wollen Sie, Pansy Ophelia Parkinson, Ronald Bilius Weasley zu Ihrem Mann nehmen, die Traditionen ehren, bis der Tod Sie scheide?“

 

Noch immer hielt er ihren Blick gefangen.

 

„Na ja“, sagte Pansy, und Hermine und er wandten überrascht die Blicke nach vorne, „die blöden Traditionen nicht, aber… meinen Mann will ich ehren und lieben bis der Tod uns scheidet. Und darüber hinaus.“ Und Weasley wartete nicht länger ab, zog Pansy in seine Arme und küsste sie tatsächlich.

 

„Ahem… Entschuldigen Sie, aber noch ist nicht die Zeit. Ich muss erst…“ Aber der Zeremonienmeister seufzte auf. „Meinetwegen, ich erkläre Sie zu Mann und Frau, bindend vor Merlin und der Gesellschaft“, ratterte er hastig runter. Draco hob wieder den Blick. Sie schien es zu spüren und sah ihn ebenfalls wieder an. Er wusste nicht, was sie dachte. Er wusste nur, sie war wunderschön. Noch immer. Auch nach der Geburt des endlos schweren Bündels auf seinem Arm, dachte er lächelnd. „Küssen Sie Ihre Braut!“, rief der Meister, und zumindest die Weasley-Seite des Saals klatschte verhalten.

 

Hermine senkte als erstes den Blick wieder. Er musste Frederic neu auf seinem Arm positionieren. Sein kleiner Sohn strahlte ihm entgegen. Verblüfft betrachtete Draco den Jungen. „Na, wenn das nicht mal deine ersten Zähne sind“, murmelte er. Winzige kleine weiße Stummel hatten sich durch sein Zahnfleisch geschoben. Draco drückte ihn liebevoll an sich.

 

Manchmal verlor man die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen.

Aber er erinnerte sich wieder. Er hatte keine Angst. Er hatte es nur vergessen. Er musste einfach nur in ihre Augen sehen, wenn er vergaß, warum er alles tat.

 

 

Teil 3

 

Er hatte sich gerade vom Teppich erhoben, als er wohl die Verbindung über Floh beendet hatte. Mit wem hatte er gesprochen? Die Leuchter brannten. Es war mittlerweile spät. Sie sah sich im Zimmer um.

 

„Hast du Astoria hier versteckt?“, fragte sie ihn also direkt, ohne dass sie es wirklich schaffte ihre Eifersucht zu verbergen, und er schenkte ihr ein feines Lächeln. Wozu lächelte er?

 

„Nicht, dass ich wüsste. Bist du eifersüchtig?“, erkundigte er sich tatsächlich bei ihr. Sie hob nur eine Augenbraue in die Höhe.

 

„Nein. Wieso sollte ich?“, log sie gleichmütig, aber sein Lächeln irritierte sie dennoch.

 

„Gut. Dann muss ich dir auch nicht erklären, dass ich kein Interesse an ihr habe?“, wollte er spöttisch von ihr wissen.

 

„Nein“, bestätigte sie. „Es interessiert mich auch nicht“, ergänzte sie achselzuckend. Sie war so unfassbar wütend gewesen. Sie war bereit gewesen, sich in der Bibliothek der Parkinsons mit diesem Hungerhaken zu prügeln! „Wenn du gerne mit ihr alleine sein willst, ist mir das egal!“

 

Und sie hasste, wie er sie ansah. „Ja?“, fragte er tatsächlich seelenruhig.

 

„Ja!“, erwiderte sie trotzig.


„Wirklich gut zu wissen. Aber mir ist klar, dass dein Selbstbewusstsein stärker ist als ihres“, fuhr er fort und kam näher. Er spielte mit ihr, ging ihr fast übergangslos auf. Er schrie nicht, er war nicht schlecht gelaunt, und sie hatte eigentlich damit gerechnet, sich noch bis aufs Blut mit ihm anzulegen. Woher kam seine gute Laune? War er im Begriff, sie für Astoria zu verlassen? Sie verengte die Augen.

 

„Was soll das?“ Ihre Stimme klang unsicher.

 

„Ich glaube, du bist eifersüchtig“, entschied er sich zu sagen. Sie schüttelte nur den Kopf und wappnete sich für den nächsten Streit.

 

„Du bist ein Arschloch“, sagte sie ruhig und wusste, es war schwach von ihr, ihn zu beleidigen, aber sie war so wütend gewesen! Aber ihre Züge entglitten ihr, denn er ging überhaupt nicht darauf ein. Denn er lächelte. Draco lächelte, obwohl sie ihn beleidigt hatte!

 

„Eine seltene Beleidigung, Miss Granger“, neckte er sie tatsächlich.

Sie starrte ihn an. Ihr war schon aufgefallen, dass er sich anders verhielt. Ihre Fingerspitzen hatten gekribbelt, als sie seinen Blick bei der Zeremonie erwidert hatte. „Wir sollten gehen“, merkte er schließlich an. 

 

„Was?“, entfuhr es ihr, denn sie hatte sich dieses Gespräch anders vorgestellt.

 

„Es ist spät, und ich habe noch Pläne“, bemerkte er, sein Blick war seltsam verheißungsvoll. Pläne? Mit ihr?!

 

„Pläne?“, griff sie seine Worte ungläubig auf. „Willst du packen und ausziehen? Wartet Astoria-“

 

„-hör auf“, unterbrach er sie ernst. Sie sah ihn an. Sein Blick war sehr intensiv, als er plötzlich näher kam. „Sie bedeutet gar nichts. Das weißt du auch“, sagte er rau, und er stand so nahe vor ihr, dass es ihr Schauer über ihren Rücken jagte. So hatte sie lange nicht mehr gefühlt, ging ihr mit klopfendem Herzen auf. Würde… würde er sie jetzt küssen, fragte sie sich dumpf, und sie hatte keine Ahnung, warum sie dieser Gedanke so erregte! Es wäre nicht ihr erster Kuss, Merlin noch mal.

 

Aber er wich zurück, und kurz spürte sie Enttäuschung in ihrem Innern aufkeimen. Sie brauchte Schlaf. Es ließ sich nicht alles über seine Ausstrahlung regeln, die sie allerdings schon lange nicht mehr zu spüren bekommen hatte. „Hast du verstanden?“, fragte er sie. Anscheinend erwartete er eine Antwort, ging ihr überrascht auf. „Hermine?“, sagte er mit mehr Nachdruck, und sie nickte tatsächlich.

 

„Ja“, räumte sie ein. Es kam zu keinem Streit. Aber sie ließ ihn nicht mehr aus den Augen.

 

„Wir gehen jetzt“, wiederholte er, und ein dunkles Versprechen lag in seinem Blick, und sie spürte ein unpassendes Ziehen in ihrer Mitte. Merlin, sie hatte seine Ausstrahlung schon völlig vergessen gehabt. Sie zwang sich, unbeteiligt zu klingen.

 

„Wir… wir müssen Frederic aus den Armen deines Vaters fluchen, nehme ich an.“ Aber er schritt ungerührt neben ihr.

 

„Nein, müssen wir nicht“, erwiderte er schlicht, ohne sie anzusehen.

 

„Nicht?“, wiederholte sie gereizt, denn er war kryptisch. Sie verstand nicht, was er meinte. Und es machte sie wütend, dass er irgendwelche Pläne hatte, von denen sie nichts wusste.

 

„Nein. Sie werden ihn das Wochenende über mitnehmen“, erklärte er. Sie schüttelte sofort den Kopf. War er verrückt geworden?

 

„Nein, das werden sie nicht! Sie verwöhnen ihn unnötig und nehmen ihn wieder als Geisel gefangen, um uns zu zwingen, vorbeizukommen, und über unsere Beziehung zu reden, während Lucius heimlich Galleonen in meiner Handtasche versteckt!“, sagte sie sofort verzweifelt. „Außerdem soll er sich gar nicht erst an die Hauselfen und das riesige Anwesen gewöhnen! Er hat-“


„-Hermine“, unterbrach er sie ruhig, „sie werden ihn mitnehmen“, wiederholte er mit einem besonders intensiven Blick.

 

„Wieso-?“ Aber er unterbrach sie schlicht.


„-weil ich es sage.“

 

Kurz lieferten sie sich ein Blickduell, aber ihr Herz schlug bereits schneller.

 

„Und wenn ich Nein sage?“, wollte sie wissen und reckte ihr Kinn in die Höhe.

 

„Du kannst es gerne versuchen, Granger, aber ich habe Mittel und Wege, dich zu zwingen“, erwiderte er, und selten, wirklich äußerst selten, nannte er nur ihren Nachnamen. Wenn überhaupt! Aber jetzt gerade… hatte es etwas seltsam Nostalgisches an sich, stellte sie mit einem flauen Gefühl fest.

 

„Was… was soll das heißen?“, schaffte sie zu sagen, aber ihre Stimme klang ganz und gar nicht mehr selbstbewusst.

 

„Das heißt, wir gehen jetzt“, wiederholte er mit dunkler Stimme. Mit klopfendem Herzen folgte sie ihm. Er war bereits in den Saal gegangen. Vor Lucius und Narzissa hielten sie inne. Beide sahen sie unglaublich erwartungsvoll an, wie Kinder am Weihnachtsmorgen.

 

Sie atmete ergeben aus. Denn ihre Neugierde siegte über ihre rationale Müdigkeit.

„Ihr dürft ihn mitnehmen“, entfuhr es ihr besiegt, und Lucius und Narzissa strahlten über das ganze Gesicht. Merlin, ihre Ex-Schwiegereltern waren unerträglich weich geworden. Frederic schlief seelenruhig in den Armen seines Großvaters. Sie wusste nicht, wie Lucius es fertig brachte, aber er strahlte wohl eine Ruhe aus, die einschläfernd auf Frederic wirkte.

 

„Euch einen wunderschönen Abend“, verabschiedete sich Narzissa vielsagend, und Hermine küsste Frederic sanft auf die Stirn, ehe sie sich erwartend an Draco wandte. Sie konnte nicht umhin, neugierig zu sein.

 

Pansy und Ron waren vor einer ganzen Weile verschwunden. Harry und Ginny und Daisy Goyle tanzten noch immer ausgelassen, und Hermine bewunderte Daisy für ihre Kondition. Hermine erinnerte sich, wie unbeweglich und müde sie in ihrem neunten Monat gewesen war. Astoria konnte sie nirgendwo entdecken, und es störte sie auch überhaupt nicht. Hermine verzichtete darauf, sich zu verabschieden und folgte ihrem Freund.

 

Draußen angekommen schritten sich betont gemächlich über das Grundstück und verließen dessen Grenze. Draco senkte vielsagend den Blick. „Darf ich bitten?“, fragte er und reichte ihr seinen Arm. Sie verdrehte die Augen und hakte sich unter.


„Es ist also wirklich ein Geheimnis?“, vermutete sie, aber er apparierte, ohne eine Antwort.

 

Es dauerte nicht lange. Sie waren in der Winkelgasse angekommen. Vor einem strahlenden Koloss. Sie sah ihn an.

 

„Ins ‚Victoria‘?“, sagte sie ungläubig. „Das ist nicht dein Ernst“, schloss sie kopfschüttelnd. Es war das teuerste Hotel in der gesamten Winkelgasse. Das Gold der Fassade funkelte protzig, und er nickte nur. „Dafür haben wir kein Geld!“, ermahnte sie ihn kopfschüttelnd. „Außerdem haben wir ein Haus!“

 

„Ja, voll mit Windeln und Kinderspielzeug, Unordnung und ungemachter Wäsche“, erinnerte er sie.

„Soll das ein Vorwurf sein?“, entgegnete sie scharf, aber er schüttelte nur den Kopf.

 

„Keine Sorge, ok?“, beschwichtigte er sie, aber sie starrte ihn an.

 

„Haben deine Eltern das angeleiert?“, wollte sie wissen und wurde wütend. „Ich nehme kein Geld von-“

 

„-nein, Merlin noch mal. Ich bezahle es von unserem Geld, Hermine“, entfuhr es ihm entnervt.

 

„Von unserem-?“ Sie starrte ihn an. „Großartig! Und was, wenn der Keller überflutet? Sagen wir unserem Sohn, wie können ihm kein trockenes Zuhause bieten, weil du deiner verschwenderischen Sucht nachgegeben hast, in ein überteuertes scheiß Hotel zu gehen? Was wenn das Dach wieder undicht ist? Dann was?“

 

Er schenkte ihr einen eindeutigen Blick. „So oder so werden wir dann wohl ertrinken müssen, Liebes“, erwiderte er trocken.

 

Ihr Mund öffnete sich empört, aber sein Mund teilte sich zu einem Lächeln. Sie sah ihn so selten lächeln, in den letzten Monaten. Aber… das war wirklich kein guter Zeitpunkt.


„Das ist nicht witzig, Draco“, ermahnte sie ihn. Aber sein Lächeln wurde breiter.

 

„Ich finde schon“, widersprach er rau und lachte tatsächlich. Sie biss sich fest auf die Unterlippe, denn auf gar keinen Fall konnte sie sein Verhalten auch noch tolerieren!

 

„Draco!“, sagte sie, aber ihre Mundwinkel zuckten, ohne dass sie es verhindern konnte.

 

„Kommst du jetzt endlich?“, wollte er grinsend wissen, während er rückwärts Richtung Hotel ging und sie auffordernd ansah.

 

„Aber wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen! Es ist nicht mal so, dass wir irgendetwas da drin genießen könnten!“, wand sie ein, und er schenkte ihr einen entsprechenden Blick.

 

„Wir sind zwanzig, nicht zweihundert Jahre alt, Hermine“, erinnerte er sie nachsichtig.

 

„Oh ja?“, lachte sie auf und folgte ihm. „Wer ist denn derjenige von uns, der sagt, alles was wir tun, ist, zu putzen und uns zu beschweren, dass wir zu wenig schlafen?“, zitierte sie seine Worte.

 

„Halt den Mund, Frau, und komm!“, knurrte er grimmig, und mit einem ungläubigen Lächeln folgte sie ihm.

 

~*~

 

Ein Portier hatte sie nach oben geführt, ihnen den Schlüssel für das Zimmer übergeben, nachdem er sie durch den wahrlichen Palast dieser Suite geführt und ihnen erklärt hatte, wie der Whirlpool mit welchem Spruch funktionierte, wie man die Fenster nach außen verblendete, wie das Bett von Queen- auf Kingsize verwandelt wurde – und all diese Dinge, die Hermines Augen hatten größer werden lassen.

 

Jetzt standen sie allein auf hundert Quadratmetern sündhaft teurem Luxus und Ordnung, was nur ein unbewohntes Hotelzimmer bergen konnte.

 

„Und jetzt was?“ Sie erinnerte sich, dass sie mit ihm die besten Zeiten in einem Hotelzimmer zugebracht hatte. Und noch immer blitzte das seltsame Lächeln auf seinen Zügen.

 

„Jetzt finde ich, gehört der Whirlpool ausprobiert“, sagte er fast unbeschwert.

 

„Draco?“, hielt sie ihn unsicher auf, und er widmete ihr wieder seine Aufmerksamkeit, nachdem er sich aus dem Jackett geschält hatte und sein Hemd aufknöpfte.

 

„Hm?“, machte er ungeduldig, und sie stand etwas verloren in dem großen Zimmer.

 

„Ist das die Art und Weise wie du mir sagst, dass du deinen Job gekündigt hast und jetzt von deinem Vermögen leben willst?“, fragte sie ihn ängstlich, und er runzelte die Stirn, ehe er zu ihr kam. Sie hatte ihn lange nicht mehr mit freiem Oberkörper gesehen. Seine Muskeln waren nicht mehr so fein definiert wie zu Schulzeiten, aber ihr Freund war immer noch einer der schönsten Männer, den sie kannte, ging ihr dumpf auf.

 

„Erst mal ist es dein Vermögen, und dann… - wieso sollte ich meinen Job kündigen?“, wollte er fast amüsiert wissen.

 

„Weil… weil du keine Lust mehr hast. Weil dir alles zu anstrengend ist. Weil du lieber in einem Hotel leben möchtest, Menschen oder Elfen für dich arbeiten lassen willst, und-“

 

Er schloss den Abstand einfach so, umfing ihr Gesicht mit seinen Händen und senkte den Mund auf ihre Lippen. Sie verstummte abrupt. Wann hatte er sie das letzte Mal geküsst?

Sie musste tatsächlich nachdenken. Bestimmt diesen Monat irgendwann, oder?

Ihre Augen schlossen sich, als seine Lippen zwischen ihre glitten und sie automatisch die Luft anhielt.

 

Wow…, dachte sie, als er sich nach einigen Sekunden von ihr löste.

 

„Hermine, ich mag unser Leben. Und ich will mit niemandem tauschen“, erinnerte er rau. „Ich mag sogar meinen Job. Und stell dir vor, ich mag es, mich manchmal zu beschweren“, fuhr er lächelnd fort. „Aber manchmal… möchte ich, dass wir aus dem Alltag rauskommen. Das hier nennt man Auszeit, Granger“, erläuterte er schnippisch. „Und die nehmen wir uns heute.“

 

„Ok?“, erwiderte sie, denn ihre Knie fühlten sich an wie Pudding.

 

„Entschuldige, dass der Tag heute nicht wirklich… perfekt war“, räumte er jetzt ein. Es fiel ihr wieder ein. Weshalb sie so wütend gewesen war.

 

„Wieso warst du alleine mit ihr?“, fragte sie plötzlich. Ein Schatten huschte über sein Gesicht.

 

„Du warst heute allein mit Weasley, oder nicht?“, erwiderte er ernst, und sie verdrehte die Augen.

 

„Ja, aber ich habe nie behauptet, dass Ron der eine wäre und vollkommen perfekt und-“

 

„-doch, hast du“, widersprach er ruhig. „Aber gut, ich gehe erneut auf deine Frage ein“, bemerkte er spöttisch, „obwohl du die Mutter meines Kindes bist und ich keine so liebe wie dich, und obwohl du mir versichert hast, du wärst niemals eifersüchtig, und-“

 

„-schon gut!“, rief sie gereizt aus, aber sie musste lächeln. „Ich… hatte nur Sorge, du hast vergessen, dass-“

 

„-die dumme Schlampe dich damals entführt hat?“, unterbrach er sie, und sie sah ihn schockiert an.

 

„Draco!“ Sie war es nicht mehr gewöhnt, dass er so sprach. „Nein, das meinte ich nicht. Ich… dachte, vielleicht gefällt sie dir besser. Wir sind nicht verheiratet, du bist praktisch ein freier Mann, und-“

 

„-ein freier Mann?“, wiederholte er ungläubig. „Merlin, dann leg mich in Ketten und nenn mich Weasley“, fuhr er kopfschüttelnd fort. „Ich will kein freier Mann sein, Hermine“, erinnerte er sie kopfschüttelnd. „Ich will bei dir sein. Immer. In meinen Augen macht mich das zwar immer noch zu einem freien Mann“, bemerkte er stirnrunzelnd, „aber wenn du Kettenspiele und weitere Zwänge im Auge hast – ich bin gerne Teil davon“, erklärte er mit hochgezogener Augenbraue. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.

 

„Du bist verrückt“, murmelte sie.

 

„Wieso eigentlich nicht?“, fragte er plötzlich. Sie sah ihn an.

 

„Wieso nicht was?“ Er machte eine entsprechende Kopfbewegung.

 

„Wieso heiraten wir nicht?“

 

Sie sah ihn perplex an. „Draco, wir waren schon verheiratet“, erinnerte sie ihn nachsichtig. Er musste lächeln.

 

„Das weiß ich, Schlaumeier“, neckte er sie, „aber… ich meine… wir sind seit eineinhalb Jahren zusammen, haben ein Kind, und die wilde Ehe ist klasse, aber…“ Sie musste schon wieder lächeln. Er war so anders heute. „Ich weiß, du gehst Sachen gerne langsam an – erst ein Kind und dann mal sehen“, fuhr er spöttisch fort, fing ihre Hand lachend ab, als sie ihn leicht in die Seite boxen wollte, „aber… wir könnten auch einfach heiraten?“, schlug er offen vor. „Ohne den Reinblüterscheiß“, ergänzte er vielsagend.

 

„Lass uns noch ein paar Jahre warten“, sagte sie mit einem feinen Lächeln. Reinblüterscheiß. Er musste besonders gute Laune haben. Er nickte abwehrend.

 

„Ok“, entfuhr es ihm mit gespielter Enttäuschung. „Vor zwei Jahren konntest du es gar nicht erwarten, mich zu heiraten.“ Dieses Mal schaffte sie es, ihn in die Seite zu boxen. Sie wusste nicht, ob es ihm ähnlich ging, aber mit leisem Schaudern dachte sie an ihre gemeinsame Zeit damals. Sie hatten sich so sehr verändert. Frederic hatte sie so sehr verändert. Alle kleinen Streitigkeiten, all das Drama war so nebensächlich geworden. Sobald ein Kind zahnt, sobald es Fieber hat, sobald irgendetwas ist – wurde man ein Team.

 

Sie konnte sich überhaupt nicht mehr vorstellen, wie es ohne Draco sein würde. Wie sie ohne ihn überleben konnte. Wie sie Frederic ohne ihn großziehen sollte. Und sie liebten ihren Sohn beide mehr als irgendetwas sonst. Hermine vermisste ihn schon jetzt, dabei wusste sie, taten Lucius und Narzissa nichts anderes, als die Welt um ihren Sohn mit eigenen Händen zu drehen. Und ihr Leben war gar nicht übel. Sie liebten sich nämlich gegenseitig so sehr, dass es niemals schlimm sein würde, egal wie klein ihnen der Alltag manchmal vorkam.

 

„Na gut“, sagte sie schließlich, „vielleicht müssen wir keine paar Jahre warten“, räumte sie lächelnd ein. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Merlin, war er gutaussehend. Sie erinnerte sich plötzlich. Damals, als sie ihm verschwiegen hatte, dass sie Frederic nicht hatte entfernen lassen, als sie dann wieder nach Malfoy Manor gekommen war – sie hatten grandiosen Sex gehabt.

 

Oder danach, als sie wussten, sie würden ein Kind bekommen. Sie hatten sich nur noch gesehen, hatten sich in den alten Gemeinschaftsraum der Häuser zurückgezogen. Sie hatten sich Nacht für Nacht geliebt. Sie erinnerte sich noch an seinen Elan, an seine Kondition. Fast musste sie grinsen. Hatten sie überhaupt für ihren Abschluss gelernt? Sie wusste es nicht mal mehr.

 

Oder als sie ihre Zeugnisse bekommen hatten, die Schule verließen, um erwachsen zu sein – sie hatten eine Wohnung nach der nächsten besichtigt, immer mit der Aussicht, dass sie ein Kind bekommen würden. Das Haus hatten sie letztendlich gekauft, weil Hermines und Dracos Eltern sie dazu gezwungen hatten, ihnen das Angebot gemacht hatten, sie würden das Geld vorstrecken, und sie würden es anteilig jedes Jahr zurückzahlen können. Narzissa und ihre Mutter hatten sogar am Ende geweint, und sie hatten schließlich nachgegeben und das Haus in Godric’s Hollow gekauft.

 

Es war klein, aber es war ihr Haus.

 

„Zieh dich aus, Malfoy“, befahl sie ihm mit einem koketten Grinsen, und ihr schöner Freund kam dem Befehl eiligst nach. Sie hatte seinen Nachnamen benutzt, und er klang seltsam in ihrem Mund. Sie benutzte ihn nie. Das taten sie einfach nicht mehr, aber jetzt gerade jagte es so etwas wie erotische Vorfreude durch ihren Körper.

 

 

Teil 4

 

Sie sah ihm voller Erregung zu. Er wurde das Hemd los und anschließend seine schicke dunkle Anzughose. Merlin, es war ewig her, dass sie ihn nackt gesehen hatte! Wie hatte sie es nur ausgehalten, fragte sie sich unwillkürlich. Hatte sie vergessen, wie gut er aussah? Anscheinend.

 

„Lass mich dir helfen“, bot er rau an, und er öffnete ihren Reißverschluss langsam. Dann schob er das Kleid ihren Körper hinab, und sie wusste, sie hatte nicht mehr die Figur, die sie vor zwei Jahren gehabt hatte, aber sie hatte kaum Zeit sich zu schämen, denn seine Lippen pressten sich auf ihre Schulter.

 

„Du bist wunderschön“, murmelte er gegen ihre Haut, und sie schloss die Augen, als sich seine Hände um ihre Taille legten, sanft in ihre Haut drückten und sie nur gegen seinen Körper sinken konnte. Seine Hände wanderten höher und öffneten ihren BH spielend leicht. Ihre Brüste waren frei und er drehte sie in seinem Griff zu sich herum, um nur wieder den Kopf zu senken, leicht in die Knie zu gehen, und eine Brustwarze in ihren Mund zu saugen.

 

Ihre Brustwarzen reagierten sensibel nach ihrer Stillzeit, und sie stöhnte auf und ließ ihren Kopf zurückfallen. Sanft massierte er ihre ohnehin größeren Brüste, küsste eine heiße Spur zu ihrem Hals hinauf, verfolgte mit der Zunge die Linie ihres Kiefers, ehe er ihre Lippen fand.

 

Gott, sie hatte fast vergessen, wie gut er sich anfühlte! Wie gut er all diese Dinge konnte!

 

Sie merkte auch jetzt, wie dringend sie es gebraucht hatte, mit ihm wieder alleine zu sein. Er küsste ihre Lippen, ihre Mundwinkel, fand wieder den Weg zu ihrem Hals, und sie schluckte schwer.

 

„Hast… hast du nicht was von Whirpool gesagt?“, murmelte sie, und sie spürte sein Grinsen gegen ihre Haut. Jede Stelle ihres Körpers brannte unter seinen Küssen. Er ließ ohne Umstände von ihr ab, befreite sich von seinen restlichen Kleidungsstücken und schien sie auch nur zu gerne von ihrer unnötigen Unterwäsche zu befreien, ehe er ihre Hand ergriff. Sie folgte ihm mit weichen Knien.

 

Sie kannte ihn nicht mehr so aktiv. Sie kannte sich selber nicht mehr so aktiv und völlig verliebt. Sie hatte geglaubt, diese Zeiten wären vorbei. Aber… wenn sie ihn jetzt betrachtete, dann schlug ihr Herz genauso schnell wie an dem Tag, als sie sich in ihn verliebt hatte.

Sie musste lächeln, als es ihr einfiel.

 

„Draco?“, hielt sie ihn auf. Und er wandte den Blick über die Schulter, während er sie im Bad losließ und den Pool magisch befüllte.

 

„Ja?“, erwiderte er lächelnd, und sie kam näher.

 

„Weißt du, wann ich mich in dich verliebt habe?“, fragte sie ihn und spürte die Röte in den Wangen.

 

„Ich bin gespannt“, entgegnete er mit gerunzelter Stirn. „Als ich gesagt habe, ich würde dich immer lieben?“, vermutete er doch noch, und sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein. Eher als dann“, erklärte sie sanft. Er überlegte knapp.

 

„Als ich euch damals zu Dumbledore gebracht hatte?“, sagte er nachdenklich, und Hermine musste an Dumbledore denken. Er hatte seine Meinung doch noch geändert, lag nicht mehr unter Verschluss bei Aberforth. Er war in einer privaten Klinik, und Hermine und Draco hatten ihn mit Harry erst vor ein paar Monaten besucht und Koboldsteine mit ihm gespielt.

Er war freundlich, aber klare Momente hatte er nicht mehr. Sie hoffte nur, die Zeit war für ihn so angenehm wie noch möglich. Auch die übrigen Kollegen aus Hogwarts besuchten ihn noch. Aber er stand mittlerweile nicht mehr auf. Er hielt sich noch tapfer, wenn sie darüber nachdachte, wie schnell die Krankheit für gewöhnlich fortschritt. Er war eben ein starker Mann.

 

Aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, eher als dann“, wiederholte sie, und mehr Falten gruben sich in seine schöne Stirn.

 

„Eher als dann?“, sagte er skeptisch. Und kurz wirkte er nachdenklich. „Als… als du mich damals im Gästehaus zurückgelassen hast und ich dich gebeten habe, mir noch eine Gnadennacht zu schenken?“ Er erinnerte sich gut an wichtige Moment, das gab sie zu, aber sie lächelte immer noch und schüttelte den Kopf.

 

„Eher-“


„-noch eher als dann? Hermine, so langsam glaube ich, du machst Witze. Wenn du mich… wenn du mich noch eher gemocht hast, wieso…?“ Er sah sie an, schien wieder nachzudenken, und sie wusste, er dachte nicht wirklich gerne an diese Zeit zurück.

 

„Ich war zu stolz“, sagte sie schlicht, und lächelte immer noch. Der Pool war randvoll. Noch hatte Draco den Düsenzauber nicht aktiviert.

 

„Wann?“, wollte er neugierig wissen. Und sie lächelte breiter.

 

„Weißt du noch, die Junggesellenparty?“, sagte sie stiller, und er runzelte die Stirn.

 

„Was? Als du fast in der Wanne ertrunken wärst, weil du mich so sehr verabscheut hast, dass du den Abend nur betrunken über dich hattest bringen können?“, vergewisserte er sich ungläubig, und sie lächelte immer noch.

 

„Der Morgen danach. Als… wir uns geküsst haben. Ich glaube, ab dann war ich verliebt.“ Er sah sie entsprechend skeptisch an.

 

„Ist das dein Ernst?“, wollte er wissen und kam näher. Sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Wenn ich einen Moment wählen müsste, dann… wohl diesen.“

 

„Das war noch vor der Hochzeit, Hermine. Hättest du das gesagt, dann-“

 

„-dann?“, unterbrach sie ihn gespannt. Er zuckte die Achseln.

 

„Dann hätten wir viel eher Spaß haben können“, bemerkte er mit einem seltsamen Glanz in den Augen.

 

„Ja?“, lachte sie. „Ich weiß, du mochtest mich nicht.“

 

„Ich mochte dich“, behauptete er jedoch vollkommen ernsthaft.

 

„Mhm, ja sicher“, erwiderte sie kopfschüttelnd. Und er wurde plötzlich ernster als er sprach.

 

„Du hattest einen schwarzen Rock an, eine grau Bluse und deine Schuhe waren schwarz und flach. Deinen Blazer hattest du über deine Handtasche gelegt. Es war ein Mittwoch gewesen, als du das erste Mal nach Malfoy Manor gekommen bist. Ich kam gerade vom Joggen und du hast in der Halle auf meinen Vater gewartet“, sagte er plötzlich sehr ruhig, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Ich habe gesagt, dass ich schon von vielen Mädchen heimgesucht worden wäre, und ob Lucius nicht zu alt für dich sei und ob er dich wenigstens gut bezahlt.“

 

Sie starrte ihn an. „Und du meintest, das Praktikum im Ministerium würde genügend Prestige bringen. Du hast dich ohne Probleme sofort mit mir gestritten, und das war etwas völlig Neues für mich. Du hattest angenommen, der Elf würde mir das Schulsprecherabzeichen bringen. Dabei war es nur ein wütender Brief von Snape gewesen, weil ich meine Fächerkombination nicht gewählt hatte.“

 

Langsam öffnete sich ihr Mund. „Der Tag später war das Gartenfest, was mein Vater veranstaltet hatte. Du hattest ein schwarzes Kleid an und hohe Schuhe, auf denen du kaum laufen konntest, und später Pansys pinken Bikini“, fuhr er fort, während sie langsam den Kopf schüttelte, und sein Blick etwas Gefährliches angenommen hatte.

 

„Du hast mich sogar ins Wasser geschubst. Ich habe von dir geträumt in dieser Nacht, und ich hatte ernsthaft gehofft, dass du am Freitag danach auf meine Geburtstagsparty kommen würdest. In meinem Kopf… hattest du weitaus weniger an als am Tag zuvor.“ Er lächelte wieder.

 

„Du bist verdammt gruselig, Draco Malfoy“, sagte sie tonlos. „Du hast dir all das gemerkt?“

 

„Ich habe mir noch weitaus mehr gemerkt als das, Granger“, benutzte er wieder ihren Nachnamen. „In der Nacht, als du mich zum Krankenflügel gebracht hast, als meine Mutter die Probeeinladung geschickt hat, habe ich dich Mrs Malfoy genannt – und weißt du…“, sagte er grinsend, „es hat mir nicht schlecht gefallen.“

 

„Du warst vollkommen neben dir, Draco!“, widersprach sie. „Und ja, jetzt fällt es dir leicht, so etwas zu sagen, du warst völlig besessen von Astoria, falls du das nicht mehr weißt!“

 

Er wirkte etwas schuldbewusst. „Ja“, räumte er ein. „Es war schlechtes Timing, aber… glaub mir, ich mochte dich. Ich mochte dich eher als du mich“, versprach er ihr. „Hätten wir… nicht geheiratet, dann…“

 

„Dann was?“, wollte sie ungläubig wissen. „Dann hättest du mich dein Leben lang Schlammblut genannt, und Astoria geheiratet“, erklärte sie mit verschränkten Armen.

 

„Da bist du dir sicher, hm?“, neckte er sie, strich ihr eine Strähne aus der Stirn, und Hermine wurde schmerzlich bewusst, wie nackt sie waren.

 

„Ja“, behauptete sie zögerlich. Und voller Ernst sah er sie an. Sein Blick war so intensiv, dass ihr nicht mal mehr kalt war.

 

„Hätte ich nicht“, sagte er, so simpel, als wäre es nie in Frage gekommen.

 

„Draco-“, widersprach sie unzufrieden, denn er sollte nicht lügen, er brauchte nicht mal lügen, er-

 

Er hatte den Abstand schnell geschlossen, und sie musste den Kopf in den Nacken legen.

 

„Weißt du, ich habe mich jede Sekunde, seit dem du in mein Haus gekommen bist gefragt, was du wohl denken mochtest. Als du eingewilligt hast, mich zu heiraten, wollte ich wissen, wieso. Jeden Tag hat es mich wahnsinnig gemacht. Wieso du mich nicht mochtest! Wie du als einziges Mädchen auf dieser Welt nicht auf mich angesprungen bist! Ich habe die Tatsache gehasst, dass ich dich nicht würde bekommen können, Hermine“, informierte er sie frustriert und durch zusammen gebissene Zähne. Sein Zorn wirkte sich sofort auf ihre Mitte aus. „Dass ich niemals in deinem Kopf sein würde, so wie du von Anfang an in meinem warst. Ich konnte nicht verstehen, wieso du mich so abstoßend gefunden hast! Ich dachte, ich würde sterben vor Verzweiflung!“, knurrte er. Sie hob die Hand zu seiner Wange und strich sanft über seine samtene Haut.

 

„Ich habe dich nie abstoßend gefunden“, flüsterte sie jetzt. Sein Blick versank in ihrem. Nein, wurde ihr plötzlich bewusst. Sie hatte ihn nie abstoßend gefunden. Sie erinnerte sich an ihr erstes Mal am Tag der furchtbaren Hochzeit. Und… wenn sie in sich horchte, dann… wusste sie, sie hatte es kaum erwarten können, von ihm berührt zu werden. Damals. Immer wenn er sie berührt hatte, war sie zum Leben erwacht.

 

„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“, fragte er sie plötzlich rau, so rau, dass sie eine Gänsehaut bekam. Und sie nickte schwach.

 

„Ja, ich weiß“, flüsterte sie. „Aber ich glaube, ich liebe dich mehr“, sagte sie, fast überrascht. Er schüttelte sofort den Kopf.

 

„Das, meine Liebe, kann überhaupt nicht sein“, sagte er überheblich, und bevor sie widersprechen konnte, hatte er ihren nackten Körper in Besitz genommen, zog sie grob an sich und küsste sie so hungrig, dass selbst ihre Zehen kribbelten.

 

Was sie hier taten war so aufregend, wie nichts im letzten Jahr. Denn er hatte Recht. Neben Windeln und Kindergeschrei und Unordnung hatte Erotik keinen Platz mehr gehabt.

Und heute hatte sie Angst bekommen, als sie Astoria gesehen hatte – den Dämon aus ihrer Vergangenheit. Sie hatte Angst bekommen, Draco zu verlieren, weil sie vielleicht nicht mehr der Mensch war, den er einmal geliebt hatte.

 

Aber mit sehnsüchtigem Blick zog er sie mit sich in den Whirlpool, setzte sich neben sie, aktivierte den Düsenzauber, und eine warme Wassermassage verwöhnte ihren müden Körper, der heute Dinge fühlte, die sie schon ganz verdrängt hatte.

 

Er zog sie näher und sah lächelnd auf sie hinab.

 

„Weißt du was?“, sagte er fast etwas schuldbewusst, und sie hob entsprechend die Augenbraue. „Ich vermisse den Schreihals“, fuhr er seufzend fort. Hermine musste grinsen. Rittlings stieg sie auf seinen Schoß, das Wasser um sie in stimulierender Bewegung.

 

„Ach ja?“, wollte sie provozierend von ihm wissen. Seine Hände kamen unter Wasser auf ihren Hüften zum Ruhen, während sie seine Erektion an ihrem Unterleib zwischen ihren Beinen pochen spürte. Sie hob ihre Hüfte aus dem Wasser, heiße Tropfen perlten ihre Brüste hinab, und er kam dieser unbewussten Aufforderung zu gerne nach, umfasste sanft ihre Brust und nahm ihre Brustwarze fast übermütig in seinen Mund.

 

Seufzend fiel ihr Kopf in den Nacken, und sein harter Schaft teilte ihren weichen Eingang mühelos, als sie wieder tiefer ins Wasser sank, ihn aufnahm, und er stöhnte gegen ihre heiße Haut. Ihre Hände legten sich auf seine Schultern, stützten sich ab, und quälend langsam hob sie ihren Unterkörper wieder an, ließ ihn halb aus sich gleiten, nur um seine Länge dann wieder in sich aufzunehmen.

 

Sie wiederholte diese langsame Spiel, bis es ihn um den Verstand zu bringen schien, denn keine Minute später, hatte sich seine nasse Hand um ihren Nacken geschlungen und zog ihren Kopf verlangend zu einem Kuss hinab.

 

Seine Zunge stieß in ihren Mund, und stöhnend erwiderte sie diesen verzehrenden Kuss, während sie nicht verhindern konnte, den Rhythmus zu beschleunigen. Das Geräusch des Wassers um sie, schluckte Hermines erstickte Schreie, als er seine Hand unter Wasser zwischen sie gleiten ließ und begann, ihren empfindlichen Punkt zu reiben.

 

Sie glaubte, sterben zu müssen vor Erregung und presste ihren Schoß härter auf seinen steinharten Penis, und die Wellen rissen sie einfach mit, als er kraftvoll nach oben in ihre Hitze bockte und sich stöhnend in ihr ergoss.

 

Sie hielt ihn noch lange umklammert, atmete heftig, sah bunte Sterne vor ihrem inneren Auge tanzen, und genoss die Wärme des Wassers und seine sanften Streicheleinheiten auf ihrem Rücken, unterhalb des Wassers.

 

„Das…“, murmelte sie schließlich gegen seinen Hals, „war eine gute Idee gewesen.“ Sie hörte ihn lachen.

 

„Danke. Manchmal habe ich eine davon“, erwiderte er, und sie glitt von ihm runter, um sich seufzend neben ihn zu setzen und den Kopf zurückzulehnen.

 

„Draco?“, sagte sie neben ihm, ein Lächeln auf den Lippen.

 

„Ja?“

 

„Ich vermisse ihn auch…“

 

Sie öffnete die Augen, und Draco legte den Arm um sie. Sie lehnte sich gegen seine nackte Haut.

 

„Na gut“, sagte er, „noch fünf Minuten. Und dann schauen wir Freddy beim Schlafen zu“, schlug er resignierend vor, und sie lächelte in sich hinein. Selten hatten sie bisher eine Nacht ohne ihren Sohn verbracht. Vielleicht erst ein- oder zweimal.

Und es war viel zu schwer, stellte Hermine schmerzlich fest. Zwar liebte sie Draco und sie liebte diesen Abend, aber… sie wusste, es ging Draco genauso wie ihr.

 

Ganz genauso.

 

~*~

 

Draco hatte den Arm um sie gelegt, und Hermine fror ein wenig. Hart klopfte Draco gegen die schwere Haustür, und Hermine gähnte verhalten. Sie war so unendlich müde.

 

Und zornig wurde die Tür nach einer ganzen Weile aufgerissen. Lucius hatte den Zauberstab erhoben und seinen roten Bademantel aus Samt eng um den Körper gewickelt.

 

„Was… in Merlins Namen treibt ihr hier?“, entfuhr es ihm außer Atem, und ungläubig starrte er sie an. „Es ist nach zwei!“, informierte er sie aufgebracht.

 

„Tut uns Leid, Dad“, entschuldigte sich Draco beschämt. „Wir… haben ihn vermisst“, räumte er ein, und Lucius brauchte einen Moment, bevor er begriff.

 

„Vermisst?“, wiederholte er, und seufzte dann laut. „Merlin, haltet ihr es nicht eine Nacht ohne ihn aus? Er schläft sowieso! Es ist nicht so, als ob er es überhaupt merken würde“, sagte er, während er zurückwich und sie eintraten.

 

„Er merkt es“, behauptete Hermine lächelnd. Lucius ging kopfschüttelnd voran, und Narzissa wartete bereits oben im Flur, ebenfalls im Bademantel und einigermaßen verwirrt. Sie betrachtete die mitternächtlichen Besucher stirnrunzelnd.

 

„Was… was ist los?“, wollte sie verstört wissen, aber Draco schüttelte den Kopf.

 

„Nichts, alles in Ordnung“, sagte er beruhigend.

 

„Sie wollten den Jungen sehen“, erläuterte Lucius eine Spur spöttisch. Narzissas Augen weiteten sich, und dann wurde ihr Blick nachsichtig.

 

„Ich hoffe, ihr vertraut uns überhaupt?“, erkundigte sie sich abschätzend. Hermine nickte lächelnd, denn sie wollte ihren Sohn einfach nur sehen. Es hatte nichts mit Lucius oder Narzissa zu tun. Draco und sie schlenderten den Flur hinab. Die Tür zum alten Kinderzimmer war angelehnt. Lucius und Narzissa folgten ihnen jedoch gähnend.

 

Sanft schob Draco die Tür nach innen auf.

 

Verschreckt zuckten die kleinen Geschöpfe zusammen, die teils vor dem Kinderbettchen kauerten, oder im Stehen eingeschlafen waren. Hermine musste lächeln. Die kleinen Elfen verneigten sich schlaftrunken, fielen fast vornüber vor Müdigkeit, und Draco bahnte sich einen Weg durch die bestimmt zwölf Hauselfen, die wohl ebenfalls Freddy beim Schlafen zusahen. Über dem Bettchen spielte das magische Mobile eine so einschläfernde Melodie, dass Hermine schon im Gehen die Augen zu fielen. Sanft lag ein violetter Glanz über dem Bettchen. Magische Mobiles schickten Duftzauber nach unten, gemischt aus Lavendel und weiteren beruhigenden Pflanzen und Kräutern, die Babys einen sorglosen Schlaf schenkten. Draco und sie neigten sich über das Bettchen, und sahen fasziniert dabei zu, wie Freddy so tat, als wäre er immer ein lieber Junge, der nichts anderes konnte, als nachts ruhig zu schlafen.

 

Seine winzigen Finger hatten den Fuß des alten Teddybären umschlossen. Dracos alter magischer Freund. Er hatte ein Auge verloren mittlerweile, aber das schien Freddy überhaupt nicht zu stören. Die Elfen drängten sich wieder voller Faszination um die Stäbe des Bettchens, um Freddy weiter zu beobachten.

 

Auch Lucius und Narzissa lehnten sich neben sie auf das Gitter und blickten in das Kinderbett hinab.

 

„Er sieht aus wie du“, murmelte Narzissa in Dracos Richtung, während es sie selber zu überraschen schien. Hermine lächelte müde. Das sagte sie auch immer.

 

Aber Draco schüttelte den Kopf.

 

„Nein“, flüsterte er zufrieden. „Er ist wunderschön. Das ist alles Hermines Werk“, schloss er und legte wieder den Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu drücken. Dann senkte er den Blick auf ihr Gesicht.

 

„Granger?“, sagte er, mit einem Hauch seines alten Selbst auf seinen Zügen, denn es kam immer zum Vorschein, wenn er nur ihren Nachnamen auf diese provozierend erotische Weise aussprach. Sie wusste nicht, ob ihr Nachname schon immer erotisch aus seinem Mund geklungen hatte, aber sie musste lächeln.

 

„Ja?“, wisperte sie, um ihren Sohn nicht zu wecken, der kurz den Mund geöffnet und wieder geschlossen hatte.

 

„Willst du mich heiraten?“, fragte er sie gerade heraus, und sie sah aus den Augenwinkeln, wie Lucius und Narzissa einen überraschten Blick tauschten. Hermine sah ihn verblüfft an.

 

„Ist das dein Ernst?“, flüsterte sie, aber das Selbstbewusstsein, was seine Züge erhellte, ersparte ihr seine Antwort. Sie seufzte, dachte kurz nach und zuckte lächelnd die Achseln.

 

„Ok, Malfoy“, erwiderte sie schlicht, und ihre Mundwinkel hoben sich höher, während ihr Herzschlag allerdings gerade einen Weltrekord brechen musste. Narzissa hatte bereits Tränen in den Augen, wie seit neuestem ständig. Sie war unfassbar weich geworden.

 

„Tilly?“, wandte sich Draco an die Elfe, die ebenfalls vor dem Bettchen wartete. „Hast du ihn?“, fragte er, und die alte Elfe kam eilig zu ihm.

 

„Ja, Master Draco, ja!“, sagte sie mit leiser aufgeregter Stimme. Hermine sah ihn stirnrunzelnd an, als er sich bückte, und etwas aus den Fingern der Elfe nahm.

 

„Mein Anruf über Floh?“, erinnerte er sie ruhig, und sie musste kurz überlegen. Ja, er hatte bei den Parkinsons im Kamin gesprochen gehabt, fiel ihr ein.

 

„Ich… ich dachte, du hättest im Hotel Bescheid gesagt?“, entfuhr es ihr verwirrt. Er hob die Augenbraue.

 

„Ich bin Draco Malfoy, ich muss mich nirgendwo ankündigen“, informierte er sie mit alter Arroganz, und sie hob entsprechend die Augenbrauen.

 

„Ist das so?“, vergewisserte sie sich, aber er ergriff wortlos ihre Hand.

 

„Ich liebe dich, Hermine“, flüsterte er und schob ihr ihren alten Ehering auf den Ringfinger. Er war etwas kleiner geworden. Oder ihre Finger waren etwas dicker geworden. Je nach dem. Fasziniert blickte sie hinab und den vierreihigen wunderschönen Ring aus Diamanten und Perlen, den sie so lange nicht mehr gesehen hatte. Anscheinend hatte er hier über Floh angerufen und der Elfe Bescheid gesagt, ihren alten Ring zu suchen, ging ihr auf.

 

Sie sah ihn liebevoll an. „Ich liebe dich auch, Draco“, erwiderte sie, und er senkte den Kopf. Sie kam ihm für den Kuss entgegen, und Narzissa schluchzte leise.

 

„Und das hätte nicht bis morgen warten können?“, wollte Lucius neben ihnen eine Spur entnervt wissen, und glücklich löste sich Hermine von Dracos Lippen.

 

„Nein“, bestätigte Draco atemlos. „Hätte es nicht.“

 

Kopfschüttelnd beugte sich Lucius über das Bettchen und streichelte sanft über Freddys Kopf.

 

„Gute Nacht, mein Kleiner“, murmelte er, wandte sich dann an Draco und zerstrubbelte ihm väterlich die Haare. „Gute Nacht, mein Großer“, verabschiedete er sich, ehe er sich an sie wandte. Und bevor Hermine wusste, was passierte, umarmte Lucius sie fest und schwiegerväterlich. Seine Wärme kroch durch ihre Kleidung, und dann ließ er schon wieder von ihr ab. „Willkommen Zuhause, Hermine“, schloss er sanft.

 

Dann ergriff er Narzissas Hand.

 

„Gute Nacht, ihr beiden“, verabschiedete sie sich mit Tränen in den Augen, ein Lächeln auf den Lippen.

 

Draco zog Hermine mit sich auf den Boden und sie lehnten sich gegen einen großen lila Plüschdrachen, den Freddy von Hermines Eltern bekommen hatte und der hier auf Freddy wartete, wann immer er zu Besuch kam. Es war sogar nicht mal unbequem. Draco gähnte herzhaft.

 

Die sanfte Musik des Mobiles und sein einschläfernder Duft hüllte Hermine erneut ein, und langsam sank ihr Kopf gegen Dracos warmen Körper. Er hielt sie im Arm, und seine Augen fielen müde zu.

 

Hermine merkte nicht, wie die Elfen sie beide behutsam zudeckten, ehe sie sich wieder an das Bettchen schlichen und Frederics Schlaf bewachten.

 

Sanft driftete sie in wunderbare Träume ab, und Dracos Wärme schien ihren ganzen Körper zu erfüllen. Niemals hätte sie geahnt, wie glücklich sie sein würde.

 

Das Körnchen Glück, was seit einer Weile hier im Kinderzimmer auf dem Fensterbrett stand, glänzte in sattem Gold und schwebte unter der ovalen Glocke mittlerweile so weit oben, dass es bereits gegen die Kuppel der Glocke drückte. 

Mehr Glück war nicht möglich.

 

Und ohne ein Geräusch, ohne dass es jemand mitbekam, zerplatze das Korn im Schutze des Glases. Nur Tilly hob langsam den Blick, und in ihren dunklen, erstaunten Elfenaugen spiegelte sich das Gold der Blume wieder, die sanft ihre prächtigen vier ovalen Blütenblätter entrollte. Ein blauer Saphirglanz ging vom Blütenstempel aus. In ihrer winzigen Größe strahlte sie wie eine eigene kleine Sonne und schwebte schwerelos unter der gläsernen Kuppel.

 

‚…es entsteht die schönste Blume, die ein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hat. Sie braucht kein Wasser. Sie braucht Liebe, die Ruhe der Seele und die Freude an sich selbst…‘

 

 

– The End –

 

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