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Kapitel

Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 , Kapitel 7 ,

Epilog

 

Kapitel 1

 

„Und Anrufer Nummer 38, Sie sind auf Sendung. Ihren Kommentar, bitte.“ Gott, ihre Stimme klang langsam schon nicht mehr taufrisch. Sie brauchte so dringend Urlaub, dass sie die Augen schloss und in der Kommentatoren-Kabine mit dem Kopf auf den Tisch sank, während Anrufer Nummer 38 anfing, verärgert loszuplappern.

 

„- und ich habe gesagt, es ist doch einfach eine Unverschämtheit! Aber mein Nachbar hat überhaupt nicht reagiert, Dr. Granger!“, rief er entrüstet. Hermine erschrak, denn sie hatte den Anfang seiner Beschwerde schlicht und einfach ausgeblendet.

 

„Oh, ahem…“, sagte sie und versuchte nachdenklich zu klingen.

 

„Dabei bin ich gegen Hunde allergisch! Es ist nicht so, als würde ich sie nicht mögen, wissen Sie? Aber es geht doch nicht, dass er den Hund behält und ich die Nacht kein Auge zubekomme, weil die Haare, die er auf dem Flur verliert in meine Wohnung gelangen! Da kann ich doch verlangen, dass der Hund verschwindet, ohne dass er es falsch auffasst!“ Sie warf einen verzweifelten Blick in Richtung der Produzenten, die von einem Ohr zu anderen grinsen mussten. So hatte sie sich ihr Leben nicht wirklich vorgestellt.

 

Sie hatte ihren Doktor bestimmt nicht gemacht, um am Telefon Menschen zu beraten, die Probleme hatten, von denen ihr schon beim Zuhören so langweilig wurde, dass sie sich am liebsten Schrauben in die Ohren bohren würde, um nichts mehr zu hören.

In der Praxis hatte man ihr vorgeschlagen, weil sie einfach gut war, eine Radiosendung zu moderieren. Und seit zwei Jahren hatte sie nicht die rechten Worte gefunden, um auszusteigen.

 

Sie war zu höflich. Und das war sie auch jetzt.

 

„Ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen, Anrufer 38“, sagte sie höflich.

 

„Doug. Doug Adams“, rief er laut. Sie hielt die Kopfhörer von ihren Ohren fern.

 

„Ok, Doug, hören Sie, es ist erst mal eine Frage, ob er ein Haustier halten darf, und wenn ja, dann können Sie eigentlich wenig tun. Es sei denn, Sie reden noch einmal höflich mit ihm, lassen sich auf Tabletten ein, oder Sie ziehen um“, erklärte sie. „Aber manchmal lassen sich Menschen auch überreden. Und dann… mit ein wenig guter Zuredung könnte ihr Nachbar sich dazu entschließen, den Hund bei seiner Mutter, seiner Freundin oder seinem Freund zu lassen. In Ordnung?“ Sie klang genervt, räusperte sich und setzte ein Lächeln auf, was Doug zwar nicht sehen konnte, aber sie lächelte auch eher, um sich zu beruhigen.

 

„Ich werde mit ihm sprechen. Kann ich Sie danach noch einmal anrufen, Dr. Granger?“, fragte verzweifelt.

 

„Aber sicher!“ Sie machte eine deutliche Geste in Richtung der Produzenten, dass sie seinen weiteren Anruf nicht durchlassen sollten. Sie hatte anscheinend Psychologie studiert, um sozial inkompetente Menschen am Telefon zu beraten. „Wir machen eine kurze Pause und ich bin gleich wieder für Sie da. Scheuen Sie sich nicht anzurufen. Die Nummer ist 555-Sorgentelefon-73. Mein Name ist Dr. Hermine Granger und ich freue mich über jeden Anrufer!“, versprach sie und die Lüge klang sogar relativ glaubhaft.

 

Sie zog sich müde die Kopfhörer von den Ohren und schlug auf den Pause-Knopf. Die rote Lampe hörte auf zu leuchten und die Werbung wurde eingespielt.

Sie schloss die Augen und wusste, sie musste nur vierzig Anrufer dran nehmen. Dann konnte sie gehen. Krummbein würde bestimmt schon halb verhungert sein. Auf seine alten Tage war er nur noch eine Thunfisch essende Kugel geworden, die maunzend auf dem Sofa lag und sich bedienen ließ.

 

Sie verwöhnte ihn wahrscheinlich zu sehr. Musste sie noch einkaufen? Hatte sie noch Feuchttücher? Brauchte sie Feuchttücher? Musste sie ihren Küchentresen mit Toilettenpapier putzen? Nein, eigentlich müsste sie noch einkaufen. Vor allem brauchte sie neues Katzenstreu und sie hatte wirklich keine Lust zu kochen.

Chinesisch? Vielleicht. Keine schlechte Idee. Oder mal wieder Pizza? Aber ohne Thunfisch. Das Katzenfutter roch schon immer so wenig vielversprechend.

 

Sie drückte erneut den Pause-Knopf, als die Werbung vorbei war. Sie setzte die Kopfhörer wieder auf, täuschte ein Lächeln und komplette Zufriedenheit vor und schaltete den nächsten Anrufer frei.

 

„Mein Name ist Dr. Granger, Anrufer 39, Sie sind auf Sendung. Ihren Kommentar, bitte“, leierte sie den Satz herunter und starrte trübsinnig auf das blinkende Mischpult. Es warteten bestimmt noch neunhundert gestörte, gelangweilte Menschen, die ihren Donnerstag versauen wollten.

 

„Dr. Granger?“, hörte sie jetzt eine Stimme und fast klang diese Stimme belustigt. Auf eine kühle Art und Weise. Aber da die Stimme bisher nur ihren Namen ausgesprochen hatte, würde das bedeuten, die Stimme machte sich über ihren Namen lustig. Sie runzelte die Stirn.

 

„Ja, was kann ich für Sie tun?“ Nur noch ein Verrückter hiernach, versuchte sie sich anzuspornen. Dann konnte sie endlich gehen!

 

„Ich frage mich, ob Sie sich an Halloween schon mal als Hexe verkleidet haben?“ Sie schwieg verblüfft auf diese Frage hin. Es war wohl das erste Mal, dass sie eine Frage gestellt bekam. Zwar eine verrückte Frage, aber eine Frage.

 

„Was?“, fragte sie verwirrt. Die Produzenten hatten schon die Hand über dem Schalter, der das Gespräch trennen würde, aber Hermine hob abwesend die Hand.


„Ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen“, sagte sie langsam.

 

„Anrufer 39 ist völlig in Ordnung“, erklärte die Stimme, die definitiv einem Mann gehörte. Einem Mann, der nicht älter als dreißig sein konnte. „Ich meine, bald ist Halloween, nicht wahr? Und ich würde gerne als Zauberer gehen, aber ich weiß nicht, ob ich damit nicht unterdrückte Ängste zum Vorschein bringen würde.“ Die Stimme wählte die Worte mit Bedacht. „Was meinen Sie, Dr. Granger?“ Vielleicht wieder ein gewöhnlicher Verrückter, überlegte sie.

 

„Nun, Anrufer 39, ich bezweifel, dass in der Verkleidung eines Zauberers irgendeine versteckte Angst zu befürchten ist.“ Sie hob unschlüssig die Schultern, um den Produzenten zu bedeuteten, dass sie rein psychologisch auch nichts mit diesem Anrufer anfangen konnte. Der Redakteur der Sendung grinste wieder hinter seiner Hand.

 

„Ich habe mich schon lange nicht mehr als Zauberer verkleidet. Manchmal denke ich, die Menschen verurteilen einen dafür“, fuhr die Stimme gedehnt fort. „Sie haben also nie das Bedürfnis als Hexe nach draußen zu gehen? Mit einem Umhang, einem Besen, einem… Zauberstab?“, fragte die Stimme und klang ein wenig scheinheilig. Sie biss sich kurz auf die Lippe.


„Darf ich doch nach Ihrem Namen fragen, Anrufer 39?“, wiederholte sie jetzt misstrauisch, aber der Anrufer lachte kurz.


„Ich dachte, es wäre völlig in Ordnung, anonym zu bleiben, Dr. Granger.“ Und wieder betonte die Stimme ihren Titel wie etwas Lächerliches.


„Sicher…“, sagte Hermine langsam. Ihre Produzenten bedeuteten ihr, weiter zu machen, denn die nächsten Anrufer warteten. „Die Frage ist“, griff sie wieder ihren üblichen Tonfall auf, „wovor Sie wirklich Angst haben, Anrufer 39?“ Sie mochte es nicht, dass er den Namen nicht verriet.

 

„Vielleicht… davor, dass ich in Wahrheit ein Zauberer sein könnte“, erklärte die Stimme recht jovial. Und Hermine war sich ziemlich sicher, dass dies der Fall war. Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie gerade jemand an der Nase herum führte.

 

„Nun, ich glaube nicht, dass dies der Fall ist und wenn Sie-“, begann sie das Gespräch abzuwürgen, aber die Produzenten wedelten wild mit den Armen. Sie schienen Gefallen an diesem, für sie, absurden Gespräch zu finden und lachten in der schallgeschützten Kabine nebenan. „Sie meinen also, Sie können zaubern“, fuhr sie verärgert fort.

 

„Nichts besonderes“, erwiderte die Stimme und sie hörte das Grinsen durch die Leitung förmlich. „Ein wenig Alohomora, ein Paar Reparos, vielleicht auch ein oder zwei Imperios“, fuhr er ungerührt fort. Die Produzenten weinten fast vor Lachen. Hermine jedoch fand es nicht mehr lustig.

 

„Ist das ein Scherz?“, fragte sie leiser, obwohl sie wusste, dass sie wahrscheinlich die Aufmerksamkeit des gesamten Londoner Abendverkehrs, der im Stau stand, hatte. Es machte keinen Sinn zu flüstern.

 

„Ich weiß es nicht, Doktor Granger.“ Wieder der Spott! Diesmal noch viel deutlicher. „Wenn man ein Zauberer ist, wieso würde man sich dann unter Muggeln verstecken und sagen wir… eine Muggel Universität besuchen und einen Doktor machen?“ Ihr Lächeln war verschwunden. Das war eine Unverschämtheit!

 

„Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich würde man als Zauberer nicht darüber nachdenken, denn soweit ich weiß, sind Zauberer und Hexen immer die bösen Märchengestalten. Wahrscheinlich denken Sie darüber nach, Froschbeine mit Taubenblut zu kochen, oder auf Besen zum Blocksberg zu fliegen und würden nicht über ein alternatives Leben nachdenken, weil sie nur der Fantasie entsprungen sind!“, gab sie recht angriffslustig zurück. Ihre Produzenten hatten mittlerweile aufgehört zu lachen und starrten sie entgeistert an.

 

Sie fing sich und schluckte die nächsten bösen Worte einfach runter.

 

„Ahem… was sind Muggel, Ihrer Meinung nach?“ Sie hatte das Wort gar nicht als Fremdwort wahrgenommen. Jetzt ärgerte sie sich über diese Unaufmerksamkeit. Der Anrufer ignorierte ihre Frage aber.

 

„Also erschöpfen sich Hexen und Zauberer im Sinne von Bibi Blocksberg und dem Zauberer von Oz?“, wollte die Stimme wissen und irgendwas kam ihr plötzlich vertraut vor. Aber sie wusste nicht, was.

 

„Neville?“, fragte sie, so leise sie konnte, obwohl es albern war.

 

„Entschuldigung?“, erwiderte die Stimme und sie schüttelte schnell den Kopf.

 

„Ich sagte, nun denn, es warten noch andere Anrufer. Verkleiden Sie sich ruhig als Zauberer! Ich sehe darin keine Gefahr, wenn Sie sich mit den Zaubersprüchen beherrschen können. Am besten lassen Sie den Zauberstab zu Hause! Vielen Dank für Ihren Anruf!“ Sie trennte die Verbindung des Gesprächs und atmete angestrengt aus.

 

Wer rief sie an? Wer aus ihrer Vergangenheit wagte es, sie anzurufen? Und versuchte, sie auch noch aus der Reserve zu locken, sie zu blamieren und welcher Zauberer hörte Muggelradio und konnte ein Telefon bedienen? Arthur Weasley? Nein, bestimmt nicht. Seine Stimme hätte sie auch erkannt. Sie schüttelte den Kopf erneut und verdrängte die verstörenden Gedanken.


„Hier spricht Dr. Granger, Anrufer 40, Sie haben das Glück der letzte Anrufer zu sein, was kann ich für Sie tun?“

 

„Hier ist noch mal Doug Adams! Mein Nachbar will den Hund nicht abgeben! Ich habe alles versucht, Dr. Granger! Der Hund muss weg!“, ertönte die Stimme von Anrufer 38 wieder und sie schloss die Augen. Ihre Produzenten waren furchtbar! Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sie fast vor Lachen von ihren Stühlen kippten.


„Ist das so, Doug? Tja… dann… können Sie Ihre Wohnung wohl nicht mehr verlassen!“, sagte sie gereizt und wusste, sie durfte ihre Geduld eigentlich niemals verlieren. Aber würde sie Doug Adams treffen, dann würde auch sie sich einen großen Hund besorgen, damit er nicht noch mal in ihre Nähe kam!

 

 

~*~

 

 

„Na, hast du Hunger, Dicker?“, fragte sie, während sie die Taschen auf den Tresen in der Küche hievte. Krummbein bedachte sie mit einem halb beleidigten Blick und schien mit voller Absicht die Krallen in den Stoff des Sofas zu drücken.

„Schon gut, schon gut. Es sind deine schweren Knochen, ich weiß“, bemerkte sie während sie die halbkalte Pizza auf das Blech in den Ofen legte und die Hitze aufdrehte.

 

Dann füllte sie schnell eine Schale für Krummbein und beobachtete lächelnd, wie er sich träge von der Couch schälte und auf den Napf zu wackelte.

„Erinnerst du dich noch an Hogwarts?“, fragte sie leise, während sie auf die Knie ging und ihn hinter  den Ohren kraulte. Grimmig ließ er dies über sich ergehen. Aber nur, weil er so verfressen war. Sonst hätte sie schon seiner Pfote ausweichen müssen, das wusste sie.

 

Er antwortete ihr natürlich nicht. „Ich habe heute darüber nachgedacht“, fuhr sie schlicht fort. „Da hat doch tatsächlich ein Zauberer angerufen, Krummbein. Ziemlich sicher einer, den wir kennen“, erklärte sie, aber der Kater könnte nicht abwesender sein. Sie erhob sich wieder.

 

Neben dem Bild ihrer Eltern auf der niedrigen Kommode stand auch ein Bild von ihr, Harry, Ron und Ginny. Es war nicht magisch. Es war ganz normal, ohne sich bewegende Personen. Sie fuhr über den leicht über den mittlerweile oxidierenden Silberrahmen. Sie hatte sie ewig nicht mehr gesehen. Aber das war auch ganz allein ihre eigene Schuld. Sie wusste, Ginny hatte ihr den letzten Brief geschrieben, wo sie ihr völlig offen ließ, wann sie sich wieder melden würde.

 

Das war jetzt zwei Weihnachten her.

 

Hermine wusste nicht, ob das Angebot überhaupt noch galt, oder Ginny es ihr schon jetzt auf ewig übel nahm, dass sie überhaupt Zeit brauchte, sich zu melden.

Sie nahm an, Ron war mittlerweile verheiratet. Himmel, wahrscheinlich waren Ginny und Harry mittlerweile auch verheiratet! Aber… nein. Sie hätte bestimmt eine Einladung bekommen. Oder nicht?

 

Sie betrachtete den Kater, dem es reichlich egal zu sein schien, ob er Futter aus einem Muggelnapf oder einem magischen Napf bekam, der stündlich die Farbe wechselte. Ihr Leben war in Ordnung. Es gab nichts, was sie störte. Ihre Arbeit war zwar mittlerweile stumpfsinnig, aber sie hatte sich doch tatsächlich vom Geld überzeugen lassen. Und sie bekam wirklich mehr Geld, wenn sie die dämliche Radioshow moderierte. Sie war immer noch drei Tage in der Praxis, aber… es würde ihr nicht wirklich fehlen.

 

Gott, dass ein simpler Anruf sie so sehr verwirren konnte!

 

Vielleicht war es nur ein verrückter Zufall gewesen. Vielleicht auch nicht. Sie wusste es wirklich nicht mit Sicherheit. Sie wusste nur, dass sie zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder an die Vergangenheit dachte. Aber… damals war es die richtige Entscheidung gewesen. Sie war nicht wie Harry. Sie war nicht mit dem Trubel und dem Ruhm klar gekommen. Sie hatte es nicht mehr ausgehalten, jeden Abend einem anderen Reporter die Tür zu öffnen. Sie hatte nicht mehr hören wollen, wie sie das Gehirn des Trios gewesen, das dritte Rad am Zweiergespann.

Sie wollte es nicht mehr. Die gequälte muggelstämmige Superhexe. Sie wollte das Wort Muggel auch nicht mehr hören, wollte es nicht denken, wollte nicht mehr über die Abgrenzungen sprechen.

 

Sie hatte keine Lust mehr auf die Welt gehabt, in der ihr Name jeden Tag im Tagesprophet erwähnt wurde. Sie hatte das Handtuch buchstäblich geworfen. Sie war zurückgekehrt, hatte ihre Wohnung verlassen, ihren Kater mitgenommen, ihren Freunden erklärt, dass sie eine Auszeit brauchte und das hatten sie akzeptiert.

Sie hatte die Professorenschaft der Hochschule verhext. Das war der letzte Zauber, den sie ausgeführt hatte. Ein Verwirrungszauber, bei dem sie beteuert, ihr Abschlusszeugnis bereits eingeschickt zu haben und angenommen worden zu sein.

 

Das war noch so eine Sache, die ihr schwer im Magen lag. Das schlechte Gewissen nagte manchmal an ihr, wenn sie ihr Diplom an der Wand betrachtete. Es war relativ unverdient, auch wenn sie anschließend ihr Studium mit Auszeichnungen bestanden hatte. Aufgenommen wäre sie unterm Strich nämlich nicht. Aber seit den letzten fünf Jahren hatte sie keinen Zauberstab mehr angerührt. Für gar nichts mehr.

 

Zuerst war es schwer gewesen. Als hätte sie aufgehört zu rauchen. Nicht, dass sie rauchte, aber so musste sich Entzug wohl anfühlen. Ginny und Ron hatten sie für verrückt erklärt, sich aber irgendwann gewöhnt.

Allerdings konnte sie sich nicht damit abfinden, mit einem Mann auszugehen, der nun gar keine Ahnung von Zauberern und Hexen hatte. Es war paradox, aber wahrscheinlich war sie eben paradox.

 

Und jetzt… nachdem sie tatsächlich zwei Jahre überhaupt nicht mehr an ihre Wurzeln hatte denken müssen… da bekam sie einen solchen Anruf. Praktisch einen Anruf aus ihrer Vergangenheit. Ob es Ron gewesen war, der sie hatte hochnehmen wollen? Aber nein, Rons Stimme klang anders. Oder wusste sie wirklich noch, wie Rons Stimme klang?

 

Mit diesem deprimierenden Gedanken schaltete sie den Fernseher an und Krummbein rollte sich neben ihr auf der Couch zu einem zufriedenen, schnarchenden Ball aus stumpfem, fusseligem Fell zusammen. Sie kraulte ihn wieder und er hob träge die Pfote, konnte sie aber nicht daran hindern, ihn weiter zu kraulen.

 

Nein. Das war die Antwort. Sie wusste nicht mehr, wie Rons Stimme klang.

 

Joan Rivers verkaufte ganz gleichmütig kitschigen Schmuck im Fernsehen, aber sie konnte sich nicht mehr dazu aufraffen, umzuschalten.

 

 

Kapitel 2

 

Fast hatte sie schon keine Lust mehr. Aber es war Freitag und das bedeutete, sie konnte morgen ausschlafen und sich keine Gedanken darüber machen, dass sie heute in der Praxis nicht wirklich fortschrittlich gearbeitet hatte. Sie hatte ihrem letzten Patienten doch tatsächlich den Ratschlag gegeben, seine Sorgen ab und an mit einem Glas Wein zu verdrängen.

 

Heute hatte sie nicht hundert Prozent gegeben. Und das störte sie sehr.

Und jetzt konnte sie noch das Vierzig-Verrückte-Spiel im Radio spielen.

Und wehe, Doug Adams rief noch ein weiteres Mal an.

Aber sie würde ihn vorziehen, als von Geistern ihrer Vergangenheit heimgesucht werden.

 

„Dr. Granger!“, begrüßte sie ihre Produzentin. „Gestern lief es wirklich ausgezeichnet. Diese Menschen, mit denen Sie immer sprechen… ich würde ja keinen geraden Satz rausbringen. Der Mann mit dem Hund, oder der, die sich in seine Küche verliebt hatte und nicht mehr aus diesem Zimmer gehen wollte…“ Ja, Hermine erinnerte sich dunkel. Das war er sehr verrückter Moment gewesen. „Oder der Zauberer… das war wohl am schrägsten. Wie schaffen Sie das? Sie lachen nie jemanden aus.“

 

Oh, Hermine würde sehr gerne lachen. Aber das gab sie nicht zu. Es kam ihr so vor, als hätte sie einen heimlichen Vertrag während des Studiums unterschrieben, dass sie, bei egal welcher Sache, keinen Humor zeigen durfte, weil die Leute es falsch auffassen konnten. Sie lächelte also nur und zuckte die Schultern.

 

„Ich bin professionell“, erklärte sie lapidar. Sonst wäre ich nicht im Radio“, fuhr sie fort. Mehr für sich, als für ihre Produzentin. Sie schämte sich, aber sie war sich nicht ganz sicher, wie sie hieß. Es konnte sein, dass ihr Name Laurie war.

 

„Sind das Naturlocken?“, fragte die Frau sie jetzt und schüttelte neidisch den kopf.

 

„Manche zahlen ein Vermögen für diese Frisur, Dr. Granger. Sie haben so ein Glück!“ Damit wandte sie sich um, um in ihrer Kabine zu verschwinden. Ja, was für ein Glück Hermine doch hatte! Wirklich. Sie seufzte und betrat ihre eigene Kabine.

 

Sie starrte böse auf das Mischpult mit den Knöpfen, um die Anrufe entgegen zu nehmen, starrte böse auf das Mikrofon, die Kopfhörer und das restliche Equipment, als hätte es ihr ein leidgetan. Dann setzte sie sich und sah, dass die Knöpfe bereits störend blinkten. Die Leute schienen den ganzen Tag lang Probleme zu haben.

Bei wem konnte sie sich beschweren? Nur bei Krummbein nahm sie an….

 

„Herzlichen Willkommen zu unserer Telefonseelsorge. Mein Name ist Dr. Hermine Granger und ich bin jetzt eine Stunde lang für Sie da, um Ihre Sorgen und Fragen zu beantworten und vielleicht Probleme zu finden und zu lösen!“, begrüßte sie die Hörer. Ja, vielleicht fand sie Probleme. „Danke, dass Sie zugeschaltet haben. Die Nummer ist 555-Sorgentelefon-73!“, fuhr sie freundlich fort und setzte die Kopfhörer auf, als die Knopf betätigte und den ersten Anrufer in Empfang nahm.


„Hallo, einen schönen guten Tag, Dr. Granger, was kann ich für Sie tun, Anrufer 1, Sie sind auf Sendung!“, sagte sie laut und deutlich und eine Frau räusperte sich.

 

„Dr. Granger, ich halte eigentlich nicht davon, dass Frauen Ärzte sind. Aber Sie sind nicht mal ein richtiger Arzt, oder? Sie könnten mir nicht helfen, wenn ich einen Herzinfarkt habe, oder?“, erkundigte sich die Dame, dessen Alter sie nicht schätzen konnte. Sie zählte innerlich bis drei, dann atmete sie aus.

 

„Manche Menschen haben Vorurteile gegenüber Frauen in Jobs, die früher nur von Männern ausgeführt wurden, weil Frauen keine Rechte hatten, das ist ein Generationsproblem.“ Gut, das war jetzt etwas bitter, aber wenn sie Glück hatte, hatte es die Frau sowieso nicht verstanden. „Was kann ich für Sie tun? Anscheinend wollen Sie meine Hilfe, richtig?“

 

Die Frau räusperte sich wieder. „Hören Sie, es ist nichts Schlimmes. Nicht wirklich.“ Hermine wartete geduldig. „Ich… kann… ich kann nicht einschlafen.“ Das war doch ein normales Problem. Bis jetzt.


„Sie können nicht einschlafen? Liegt es an den Dingen, die Sie abends zu sich nehmen? Kaffee? Tee mit Teein?“, erkundigte sie sich höflich,

 

„Nein, ich nehme keine Flüssigkeiten mehr zu mir, ab fünf.“ Das war bitter. Das fand sogar sie.


„In Ordnung. Können Sie mir sagen, woran es liegen könnte?“ Die Frau zierte sich noch eine Weile, aber dann sagte sie es doch.


„Mein Mann ist vor zwei Wochen gestorben. Und ich kann nicht mehr ohne ihn schlafen. Ich bin sehr müde.“ Hermine überlegte kurz. Das war wirklich traurig.

 

„Mein Beileid für Sie“, sagte sie mitfühlend. „Hören Sie, es ist ganz normal. Ihr Körper ist aufgewühlt und ihr Geist kann sich nicht damit abfinden, dass es etwas fehlt. Er kann es nicht zuordnen und will solange wach bleiben, bis sich der Zustand wieder geregelt hat. Es braucht Zeit, sich mit einem Verlust abzufinden. Es wird Tage geben, selbst in einigen Jahren, an denen Sie ebenfalls nicht schlafen können. Lenken Sie sich ab. Besuchen Sie Freunde, Verwandte, gehen Sie einen Bingo-Verein. Oder holen Sie sich ein Tier. Etwas, dass Sie erfolgreich von der Tatsache ablenkt, dass etwas in Ihrem Leben fehlt. Sie müssen nicht auf Alles verzichten, nur weil eine Sache fehlt.“ Sie erklärte es schnell, denn jeder Anrufer hatte nur begrenzt Zeit.

 

„Ein Hobby?“, fragte die Dame unsicher. „Ich weiß nicht. Wir haben immer Kreuzfahrten zusammen gemacht. Alleine würde ich nicht… ich könnte nicht…“ Hermine nickte, aber das konnte die Frau nicht sehen.


„Sie müssen nur etwas finden, was nur für Sie ist. Nichts, was Sie vorher schon gemacht haben. Trauen Sie sich ruhig. Ich bedanke mich.“ Die Frau wurde weggedrückt, ehe sie noch etwas sagen konnte. Hermine schoss dem Bunker der Produzenten einen bösen Blick zu. Die einzige normale Person, die sie noch wochenlang hätte analysieren können, die drückten sie weg! Natürlich wollten sie nur Küchenfetischisten haben.

 

Die nächsten zehn Anrufer raubten ihr den letzten Nerv. Ein Hypochonder nach dem nächsten. Die Gespräche wurden immer knapper und sie handelte die Leute in Rekordzeit ab, als würde sie im Akkord bezahlt werden. Das war natürlich Unsinn, aber sie konnte sich nicht beherrschen.

 

„Hallo, Dr. Granger hier, Anrufer 11, Sie sind auf Sendung!“, rief sie müde. Dabei war sie erst bei elf! Himmel….

 

„Dr. Granger.“ Sie erkannte die Stimme sofort. Zu ihrer Überraschung erkannte sie sie tatsächlich schon beim ersten Atemzug. Wieder klang ihr Titel nicht wirklich ernstgemeint. „Ihre Leitungen sind schwer belegt. Sie müssen sehr beliebt sein“, fuhr die Stimme gedehnt fort. Sie hörte das Lächeln.

 

„Anrufer 11, wollen Sie wieder anonym bleiben?“, erkundigte sie sich und drehte das Kabel der Kopfhörer zwischen ihren Fingern.

 

„Sehr gerne.“ Er nahm es anscheinend gelassen zur Kenntnis, dass sie ihn wieder erkannt hatte.

 

„Haben Sie wieder ein Problem mit Zauberern?“, fragte sie scheinheilig, damit auch die Produzenten hörten, dass es wieder derselbe Anrufer von gestern war.

 

„Nein“, lachte er. Ihr Herz schlug schneller. Sie wusste, weshalb sie aufgeregt war. Psychologisch konnte sie ihr Verhalten auch erklären. Es war die Angst, ertappt zu werden, die Angst, dass dieser Anrufer etwas verraten könnte, was sie als Geheimnis wähnte und niemandem sagen wollte. Es war ein destruktives Verhalten, aber sie war zu fasziniert, um ihn abzuwürgen. „Ich stelle mir seit einer Weile eine bestimmte Frage“, begann die Stimme, die sie beim besten Willen nicht zuordnen konnte.

 

„Ach ja?“, erwiderte sie, gespannt, was jetzt folgen würde.

 

„Ja. Sagen Sie, macht Gold wirklich glücklich?“, erkundigte er sich und sie atmete langsam aus.

 

„Sie meinen Gold? Meinen Sie nicht Geld?“, wollte sie betont gleichgültig wissen.

 

„Nein. Ich meine Goldmünzen. Knuts, Sickel, Galleonen…“, fuhr er fort und sie hörte das Grinsen in seiner Stimme. Die Produzenten lehnten sich grinsend weiter vor und bedeuteten ihr, weiter zu sprechen.

„Eine fremde Währung“, nahm sie an und tat so, als wolle sie ihn nicht aufregen. Er lachte jetzt lauter. Dieses Lachen… Kannte sie es? Vielleicht. „Sie wollen sagen, dass Gold Sie nicht glücklich macht?“, forschte sie weiter.

 

„Ja, wissen Sie, ich habe manchmal das Gefühl, dass Lebensqualität nicht davon kommt, wie viel Gold man besitzt, sondern… wie man sein Leben führt. Führen Sie ein angenehmes Leben?“, fragte er plötzlich gedehnt.


„Ich führe ein sehr angenehmes Leben, ja, vielen Dank, Anrufer 11. Und Sie?“ Das war reine Taktik. Die Patienten in ihrer Praxis stellten manchmal auch persönliche Fragen, aber ein professioneller Spezialist gab nichts Negatives Preis, es sei denn, es half der Heilung. Hier aber gab es keinen Grund, weshalb sie auch ein ehrliches Wort sagen sollte. Es war sowieso schon fast lächerlich! Sie telefonierte mit einem Zauberer. Der wahrscheinlich sogar wusste, wer sie war. Wirklich war. Damals.

 

„Sie sind nicht der Doktor? Sollten Sie mir nicht sagen, ob es angenehm ist, reich zu sein? Können Sie nicht bestimmen, ob etwas fehlt, alleine vom Wissen der Tatsache, dass ich Sie… anrufe?“ Er betonte das Wort, als wäre es etwas sehr besonderes. Und das war es wahrscheinlich auch.


„Ahem… Ich bin kein Wahrsager“, erklärte sie mit einem künstlichen Lächeln. „Es kommt darauf an, was andere glauben, was man braucht, um zufrieden zu sein und was Sie selber glauben, zu brauchen, um zufrieden zu sein“, erklärte sie langsam. Der Anrufer schwieg kurz.

 

„Sie sagen also, je schwächer der Wille, umso leichter lässt er sich von außen beeinflussen und bringt einen Menschen dazu, sagen wir… wegzuziehen?“ Sie schwieg jetzt. Er machte eine weitere Anspielung, nahm sie an.

 

„Man kann aus vielen Gründen wegziehen“, ging sie in die Defensive, ohne es zu merken.

 

„Bestimmt. Aber welchen Grund sollte man haben, wenn man genügend Gold besitzt, Freunde hat und auf einer Ebene sogar berühmt ist unter den Menschen. Können Sie mir diese Frage beantworten?“

 

„Vielleicht liegt es einfach an der Umwelt. An einem anderen Wohlbefinden. So, die Zeit ist leider um. Ich danke Ihnen für den Anruf!“, brach sie hastig das Gespräch ab und trennte die Verbindung. Sie atmete heftig, während sie die Werbung einspielte. Sie hörte, wie ein Produzent den Lautsprecher aktivierte.

 

„Ein guter Rat war das aber nicht, Dr. Granger“, rief er. „Beim nächsten Anrufer versuchen Sie bitte etwas hilfreicher zu sein, ja?“ Dann verstummte der Lautsprecher und böse starrte sie auf das Telefon. Wer war der Anrufer, verdammt noch mal? Er wollte sie beleidigen. Wollte sie aus der Reserve locken. Und dann? Dachte er, sie würde beichten, woher sie kam und dass sie auf einer Zaubererschule war? Dass sie die beste Hexe der Welt gewesen war und jetzt aber ein stilles Leben als Psychologin in einem Muggelvorort bevorzugte?

 

Sie schloss die Augen. Jetzt dachte sie das Wort schon wieder. Muggel… Nein. Menschen. Normale Menschen!

Nur noch 28 Anrufer. Sie rieb sich die Schläfe und bereitete sich auf relativ langweilige Gespräche vor, in denen sie hoffentlich nur über die Einflüsse von Regenwetter auf das Sexualgemüt reden müsste, oder Angst vor lila Bettwäsche, oder Männer, die sich Sorgen machten, nicht männlich genug zu sein, weil sie kein Gewehr neben dem Bett stehen hatten….

 

 

Kapitel 3

 

Unschlüssig stand sie vor dem Tropfenden Kessel. Zuerst hatte sie ihn gar nicht entdeckt. Solange hatte sie sich schon geweigert, ihn zu suchen. Suchen musste man ihn als Zauberer ja eigentlich gar nicht. Zwischen dem Discountladen und dem Stoffgeschäft lag er, unbeachtet von den Muggeln – nein, normalen Menschen – und wirkte noch schäbiger als früher schon.

 

Sie spürte den Zauberstab in ihrer Tasche und hatte ein ungutes Gefühl gehabt, ihn aus dem Schrank zu holen. Sie trat einen Schritt vor, und je näher sie den Pub ins Auge fasste, umso genauer wurden die Umrisse. Sie öffnete mit einem energischen Schnauben die Tür und betrat den schummerigen Raum.

 

Tom putzte den Tresen und hob gelangweilt den Blick. Sie wusste nicht, ob er sie erkannte, oder ob Tom zu der Sorte sturer Menschen gehörte, die nicht wussten, wer sie war. Sie nickte nur, sagte nichts und durchquerte den Pub, bis sie hinaus in den kleinen Hof treten konnte und die Mauer betrachtete.

Die Steinkombination war simpel. Sie zog den Zauberstab, der fremd in ihrer Hand lag und tippte auf die Steine.

 

Viermal in diagonaler Reihenfolge.

 

Die Mauer brach in der Mitte durch, Staub bröselte auf die Erde und die Steine schoben sich geräuschvoll zur Seite. Sie wurde erschlagen von dem bunten Treiben. Hundert bunte Umhänge brannten sich in ihre Netzhaut. Eulen flogen über ihren Kopf, Kinder schrien fröhlich, Katzen lagen träge in der Herbstsonne auf den Fenstersimsen und sie betrat das grobe Kopfsteinpflaster.

 

Sie vermisste die genaue Ordnung der Londoner Innenstadt, die nicht voller Zauberer war. Sie lief ziellos die Straße entlang, vorbei an dem Zauberstabladen, am Eiscafé, an Gaststätten, Madame Malkin, Flourish und Blotts und schließlich blieb sie vor Gringotts stehen.

 

Gold. Sie musste Gold tauschen. Dann konnte sie ein wenig stöbern, ihre Geister verjagen und sich vergewissern, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Sie lief die Straße hinunter, brachte den letzten Rest an Weg hinter sich und zog die goldenen Türen auf. Sie hatte auf ihren Umhang natürlich verzichtet. Sie hatte auch nur noch den Reiseumhang behalten, denn der war teuer gewesen.

 

Gringotts war stiller. Die Kobolde waren geschäftig über Dokumente gebeugt und Kunden standen ruhig in den Schlangen an. Der Boden war immer noch aus poliertem Marmor und sie wusste noch, wie sie als Bellatrix hier her gekommen war.

Sie fühlte sich ein wenig beobachtet, dabei sah sie nicht auffällig aus. Sie trug die Haare offen und die Locken verdeckten zu beiden Seiten ihr Gesicht. Sie trug eine Jeans, einen hellen Pullover und eine leichte braune Jacke.

 

Sie wirkte nicht besonders, fiel nicht durch irgendwelche Farben auf, aber dennoch war sie die einzige, die keinen Umhang trug. Ihr Herz klopfte schneller, als sie an der Reihe war.

 

„Ich will aber keine Eule, ich will eine Katze!“, rief ein Junge verärgert. „In Hogwarts sind genug Eulen, Mum!“, beschwerte er sich laut. Hermine betrachtete ihn. Sie dachte an Krummbein, der sie heute sehr wissend angesehen hatte, als sie den Zauberstab aus dem Schrank geholt hatte. Aber sie hatte ihn einfach ignoriert.

 

„Ja bitte?“, fragte ein Kobold, der Gott sei Dank, nicht Griphook war. Der hätte sie höchstwahrscheinlich erkannt. Sie räusperte sich.


„Ich hätte gerne etwas Geld getauscht?“, erwiderte sie leise. Ihre Stimme hallte trotzdem unheimlich wider.


„Gern“, sagte der Kobold und nur Kobolde konnten mit einem einzigen Wort komplette Ablehnung ausdrücken. Denn gern tat es dieses Exemplar von Kobold bestimmt nicht. „Wie viel?“ Sie wusste, sie würde gleich noch mehr Ablehnung ernten, wenn sie nur ein paar Galleonen abhob. Aber zur Hölle, sie hatte das Recht dazu. Sie atmete aus.

 

„Zwanzig Galleonen“, sagte sie und schob ihm rund fünfzig Pfund über den Tisch. Er betrachtete das Muggelgeld abfällig und verschwand eilig.

 

„Ich will das Verlies neu eröffnen. Ich hoffe, der Schlüssel ist noch gültig“, hörte sie eine sehr bekannte Stimme sagen.

 

„Unsere Schlüssel sind stets gültig. Eine ewige Haltwertzeit“, schnarrte eine weitere Koboldstimme.

 

„Ich möchte außerdem das Schließfach meiner Schwägerin kündigen, da sie es nicht mehr benötigen wird.“ Sie war automatisch hinter dem goldenen Tresen zusammengelkauert und erntete einen seltsamen Blick von dem Mann hinter sich. Aber das war ihr egal.

 

„Ihre Schwägerin?“, fragte der Kobold gereizt. „Mrs Bellatrix Lestrange?“ Hermine hielt panisch die Luft an.

 

„Ja. Sie ist vor elf Jahren umgekommen. Das Verlies wird nicht mehr benötigt. Außerdem möchte ich ein weiteres Familienverlies eröffnen“, fuhr Lucius Malfoy mit eisiger Stimme fort.

 

„Wie viel Gold möchten Sie anlegen, Mr Malfoy?“, krächzte die Stimme des Kobolds und Hermine lugte über die Kante des Tresens. Ihr eigener Kobold war wieder zurückgelkehrt und hatte eine haarige Augenbraue verächtlich in die Höhe gezogen. Seine Oberlippe kräuselte sich gereizt. Sie nahm sich das Gold.


„Danke“, flüsterte sie so leise es ging und kroch über den Marmorboden zurück. Sie wusste, wie albern es war und wie hoch die Chancen waren, dass Lucius Malfoy sich jede Sekunde umdrehen könnte. Sie hatte die Hälfte von Gringotts krabbelnd zurückgelegt und konnte die erlösenden Türen schon sehen.

 

„Ich glaube, ich möchte die erste Millionen in das erste Verlies legen und zehn weitere in das neue“, erklärte Lucius Malfoy und sie schüttelte verständnislos den Kopf über so viel Geld. Sie hörte die Zauberer bereits tuscheln und sah, wie sie auf sie zeigten, aber sie war sich sicher, Lucius Malfoy war so selbstfixiert, dass es ihn nicht interessieren würde, würde jetzt eine Massenpanik losbrechen.

 

Sie hatte die Türen erreicht, wollte sich aufrichten und hielt in gehockter Stellung inne. Vor ihr standen mattschwarze Lackschuhe. Vielleicht Schlangenleder. Eine sauber gestärkte, faltenlose schwarze Hose, schloss an den Schuhen an und ihr Blick glitt höher. Der Umhang lag locker um den Körper des Mannes. Es folgte ein Gürtel mit einer silbernen Schnalle, in Form eines Drachenkopfes, eine schwarze Weste und ein weißer hochgeschlossener Kragen.

 

Ihr Mund öffnete sich völlig ratlos als Draco Malfoy etwas verwirrt die Stirn runzelte.


„Draco, kommst du? Es geht hier um dein Vermögen!“, peitschte Lucius Stimme zu ihr hinüber. Sie schloss die Augen. Oh nein! Oh nein, nein, nein! „Ms Granger?“, fügte Lucius höchst kalt hinzu.

 

Es würde nicht besser werden. Es würde jetzt nichts nützen, die Hacken zusammen zu schlagen, und sich zu wünschen, ein Wirbelsturm würde sie erfassen. Sie wollte weg von hier. Und jetzt saß in der denkwürdigen furchtbaren Pose vor Draco Malfoy und sah aus, als wäre sie im Wald zum pinkeln.

 

Sie erhob sich und stöhnte leise. Alle. Alle Menschen dieser Welt hätte sie treffen können. Ihr wäre sogar Harry recht gewesen. Da hätte sie viel erklären und sich mehrfach entschuldigen müssen, aber beide Malfoys an einem Tag zu sehen… das war einfach zu viel!

 

„Ich glaube, ich habe Sie lange nicht gesehen“, stellte Lucius fest und betrachtete sie verächtlich. „Das könnte daran liegen, dass ich zehn Jahre in Askaban gewesen bin, aber das dürfte Ihnen bekannt sein, nicht wahr?“, fuhr er fort und schien sich nicht darum zu scheren, was die Leute dachten.

 

Askaban. Richtig. Lucius Malfoy war verhaftet worden. Sie schluckte, lächelte und öffnete langsam den Mund.

 

„Ich… muss gehen“, sagte sie, schob sich an seinem Sohn vorbei, der ihr verblüfft hinterher sah und sie hatte ihn fast nicht wieder erkannt. Lucius sah aus, wie immer. Die Haare lang und blond. Die Augen vielleicht etwas eingefallen, aber sonst hatte sie ihn genauso in Erinnerung. Draco hingegen…. Nein, sie hätte ihn wahrscheinlich zuerst für gutaussehend gehalten und dann hätte ihre Erinnerung sie irgendwann darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihn irgendwoher kannte.

 

Sie stürmte die Winkelgasse entlang, atmete gierig die frische Luft und lief einfach weiter. Jetzt wurde sie angesehen, aber wahrscheinlich nur, weil sie rannte. Sie wollte nicht mehr hier sein. Das war einfach zu viel. Zu viel Stadt, zu viele Zauberer, zu viel Vergangenheit. Sie verließ die Winkelgasse, kehrte durch die Mauer zurück, durch den Pub, würdigte Tom keines Blickes und trat wieder auf die Straße in London, in der das einzige Geräusch der laute Verkehr war.

 

Unglaublich, dass, nur einen halber Kilometer hinter ihr, Lucius Malfoy Gold in ein Verlies gezahlt hatte.

 

 

~*~

 

Eine dämliche Idee! Sie hatte die Beine an ihren Körper gezogen und starrte in den Fernseher. „Krummbein, es war furchtbar. Ich meine, noch schlimmer kann man sich gar nicht blamieren!“, murmelte sie, während ihr Kater missmutig zuhörte.

 

„Wenn es jemand anders gewesen wäre! Aber ausgerechnet die Malfoys. Aber jemand der reich ist, hält sich wohl ständig nur in der Bank auf, richtig?“, murmelte sie weiter und der Kater schloss genervt die Augen.

 

„Ich weiß, es interessiert dich nicht. Aber es hätte dir gefallen, wirklich. So viele Katzen, so viele Ratten“; fügte sie angewidert hinzu. Krummbein zuckte mit einem Ohr, als hätte er das Wort verstanden. „Da war auch ein Junge, der eine Katze für Hogwarts wollte. Was mach ich jetzt mit dem Gold?“, fügte sie verzweifelt hinzu. Es lag auf dem Küchentisch und war jetzt wieder völlig nutzlos. Krummbein schien daran kein Interesse zu haben und lehnte den dicken Kopf gegen ihren Schenkel. Sie atmete langsam aus und beschloss, diese Episode zu vergessen. Es war… nur ein Kurzschlussmoment gewesen. Sie hatte geglaubt, etwas zu vermissen, was ihr eigentlich gar nicht fehlte.

 

Aber sie hatte sicher gehen müssen. Sie hatte einfach! Sie war Hermine Granger gewesen! Sie war es immer noch, fiel ihr auf. Sie schloss die Augen.

Ein Anruf konnte sie also tatsächlich verwirren.

 

 

Kapitel 4

 

Sie ertappte sich dabei, wie sie ihrem Patienten nicht zuhörte. Sie hatte sich keine Notizen gemacht und dachte daran, dass sie morgen wahrscheinlich wieder einen Anruf bekommen würde. Von dem geheimnisvollen Zauberer aus ihrer Vergangenheit, der sie kannte. Aber musste es denn zwangsläufig jemand sein, mit dem sie damals zu tun gehabt hatte? Nein, musste es nicht!

 

Es könnte ja praktisch jeder sein, der herausgefunden hatte, wo sie jetzt war und arbeitete und wie man ein Telefon benutzte.

Aber… wer würde sich wirklich solche Mühe machen, außer Harry, Ron oder Ginny? Vielleicht Neville, Luna und George? Aber diese Stimmen gehörten nicht zu denen, die sie doch wirklich nicht wiedererkennen würde, oder?

 

Die Uhr an der Wand surrte. Damit war die Sitzung beendet und der Mann sah sie abwarten an. Anscheinend erwartete er eine Bestätigung von ihr, eine Art Ratschlag oder Bewertung. Sie räusperte sich verlegen und warf einen Blick auf ihren Block.

 

Harold hält den Schritt zum…

 

Und da endeten die Notizen. Es könnte alles sein. Den Schritt vom Raucher zum Nichtraucher für unmöglich, den Schritt, zuzugeben Schwul zu sein für gut, den Schritt seinen Job zu kündigen oder überhaupt einen zu bekommen für schwierig… sie wusste es nicht.

 

„Dann… denken Sie bis zum nächsten Mal darüber nach, was sie bei diesem Gedanken fühlen!“, sagte sie höchst motiviert. Harold sah sie verwirrt an. Sie lächelte nur bestärkend und Harold erhob sich kopfschüttelnd. Er verließ ihr Büro und sie hätte sich am liebsten den Block vor den Kopf geschlagen.

 

Es ging tatsächlich auf ihre Nerven. Sie verlor die Konzentration. Dabei war es solange alles gut gegangen. Aber sie war Psychologin. Natürlich war ihr klar, dass längst nicht alles gut war. Sie war natürlich vor ihrer Vergangenheit geflüchtet, egal, wie sehr sie es drehte. Und sie hatte versucht, alles zu verdrängen und anders zu leben, aber natürlich war es nicht möglich, alles zu vergessen. Und es nahm sie nur so mit, weil es sie berührte. Sie wollte es zwar nicht wahrhaben, aber es war eben unmöglich, der entscheidenden Frage auszuweichen: Wollte sie es? Oder wollte sie es nicht? Wollte sie vom einem Zauberer regelrecht genötigt werden, ihre wahre Identität zu verraten? Wollte sie wirklich die Muggelwelt wieder verlassen? War sie zu feige, um etwas zu ändern und musste sie es überhaupt ändern?

 

Es machte sie müde, diese Fragen zu denken.

 

„Dr. Granger, Ihr nächster Patient kommt in zehn Minuten“, kündigte ihre Sekretärin an. Hermine nickte nur und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie war nicht auf der Höhe und das war unfair gegenüber ihren Patienten.

 

Und sie erschrak so sehr als sie ein dumpfes Pochen hörte.

 

Ein Vogel war tatsächlich vor ihr Fenster geflogen! Dabei hatte sie doch in größter Mühe die schwarzen Klebevögel an die Scheibe geklebt, damit die dummen Dinger sich nicht verletzten. Sollte sie ihre Sekretärin rufen, damit die das arme Tier aufsammeln sollte? Nein. Das war albern. Oder?

Hätte sie ihren Zauberstab hier, dann könnte sie… - Nein!

 

Seit sie ihn zum eintreten in die Winkelgasse benutzt hatte, war sie wie elektrisiert, träumte davon, ihn zu benutzen und dachte konstant nur noch an die Energie, die durch ihren Arm geflossen war, als sie ihn in der Hand gehabt hatte.

 

Und leise klickte es an der Scheibe. Ihr Mund öffnete sich perplex, als sie den kleinen Kauz erkannte, der sich dick auf dem Fenstersims aufplusterte. War das… kein Unfall von einem fehlgeleiteten Vogel? Bekam sie… gerade etwa Post? Sie sprang fast aus dem Sessel, schlich unauffällig zur Scheibe und der Kauz blieb unbeeindruckt sitzen, als sie langsam die Hand auf den Fenstergriff legte.

 

Sie öffnete leise das Fenster, zog es nach innen auf und der Kauz hob den müden Blick. Gurrend streckte er ihr sein Bein entgegen und sie schnappte nach Luft, als sie den schmalen Brief daran erkannte. Oh, Himmel! Sie bekam Eulenpost! Sie bekam tatsächlich Post!

 

Fahrig löste sie den Brief. Der Kauz hockte weiterhin auf dem Sims. Worauf wartete er? Bezahlung? Sie hatte keinen Knut. Oder… wartete er auf eine Antwort? Sie drehte den Umschlag um. Dort stand in feinen Lettern: Telegramm.

Sie konnte also davon ausgehen, dass der Vogel eine Antwort wollte.

Sie ließ ihn nicht aus den Augen und öffnete zittrig den Umschlag. Das Pergament roch nach allem, was sie versucht hatte, zu verdrängen. Es erinnerte sie an eine andere Zeit. Pergament bekam man in ihrer Welt nicht ohne Weiteres. Und man benötigte es zu Zeiten des Handys und des Internets auch überhaupt nicht mehr.

 

Aber jetzt könnte sie nicht aufgeregter sein.

 

Sie hielt automatisch den Atem an.

 

Dr. Granger,

wissen Sie noch, was Eulenpost ist? Ich werde es ja feststellen, wenn ich Ihre Antwort erhalte. Wie groß ist Ihr Verlangen, den Zauberstab wieder aus dem Schrank zu holen und ein paar Zauber auszuprobieren? Womöglich halten Sie meine Penetranz für anmaßend. Ich entschuldige mich in dieser Form, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass Hermine Granger die Zaubererwelt wirklich für immer verlässt, wo sie doch Jahre dafür aufgegeben hat, für die Gleichberichtigung unter den Zauberern und Muggeln zu kämpfen. Und anscheinend ja auch mit Erfolg.

Und die Frage, die Sie sich Tag und Nacht stellen – denn ich weiß, Sie stellen sich diese Frage seit meinem ersten Anruf – beantworte ich mit einem klaren: Ja.

 

Sie kennen mich. Besser als Sie zu meinen glauben. Und die nächste Frage, die Sie sich stellen, beantworte ich auch mit einem Ja.

Ich habe einen guten Grund, weshalb ich Kontakt zu Ihnen aufgenommen habe.

Sie werden meine Handschrift nicht mehr erkennen, nehme ich an. Aber was bedeutet schon die Handschrift, wenn ich Ihnen ein Treffen anbiete. Relativ neutral.

Es gibt da eine Frage, die ich Ihnen gerne stellen möchte.

Ihre letzte Frage wird lauten: Gibt es für mich einen Grund, mich treffen zu wollen?

Und die Antwort hierauf lautet wohl eher: Nein.

Sie haben keinen guten Grund, mich treffen zu wollen.

Aber wie ich Sie kenne, wird Ihre Neugierde siegen. Und ja, ich kenne Sie auch.

Lassen Sie mir die Antwort Ihrer Entscheidung also bitte eulenwendend zu kommen.

 

Der Treffpunkt ist das Pétite Étoile Café, neben dem Hyde Park. Es sollte Ihnen ein Begriff sein. Morgen Abend um sieben.

 

Mit freundlichen Grüßen.

 

Der Brief sank in ihrer Hand. Was für eine Anmaßung! Was für ein Arschloch war das? Als ob sie wirklich auf so etwas eingehen würde! Bei ihrem Glück handelte es sich um einen verflixten Psychopathen, der nur wollte, dass sie auftauchte, damit er sie umbringen konnte, oder etwas Ähnliches! Oder es war ein Psychopath, der nur einen kranken Scherz machen wollte.

 

In beiden Fällen lautete ihre Antwort auf jeden Fall: Nein!

 

Und das schrieb sie auch hastig auf die Rückseite des Telegramms.

 

Lieber Anonym,

Sie müssen verrückt sein, wenn Sie glauben, ich ließe mich auf so etwas ein!

Anscheinend kennen Sie meine Nummer. Wenn Sie also eine Frage haben, dann rufen Sie einfach an. Wenn Sie denn noch einmal durchkommen sollten.

 

Hermine Granger

 

Und schwer atmend band sie den Brief wieder an das Bein des Vogels, der mittlerweile eingedämmert war und sich nun gurrend beschwerte.

 

„Los, flieg. Zu wem auch immer du fliegst!“, flüsterte sie, als der kleine Kauz sich mühsam in die Lüfte hob. Genau in dem Augenblick öffnete sich wieder die Tür zu ihrem Büro.


„Dr. Granger, der Durchbruch von letzter Woche ist nicht so geglückt, wie wir es besprochen haben“, erklärte Peter Platt unglücklich. Er kam seit einem Jahr regelmäßig. Und Hermine war jetzt mehr entschlossen als jemals mit Peter zuvor, einen Durchbruch zu erlangen. Sie würde ich jetzt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit bei all seinen Problemen zu teil werden lassen. Sie hatte sich entschieden. Und kein verfluchter Psychopath würde ihre Meinung ändern! Sie war eine Muggel und keine Hexe mehr.

 

„Wir finden einen Weg! Und wenn es das letzte ist, was ich heute tue!“, sagte sie streng. Peters Mund öffnete sich verblüfft und dankbar sank er auf die Couch und griff sofort nach einem Taschentuch.

 

~*~

 

Und so aufgeregt wie heute war sie selbst in den letzten Tagen nicht gewesen. Sie hatte schlecht geschlafen. Sie hatte von Scharen an Eulen geträumt, die mit Gewalt versucht hatten, in ihre Wohnung einzudringen. Aber es war kein weiterer Brief gekommen.

 

Jetzt saß sie mit klopfendem Herzen im Aufnahmeraum der Radiostation und betrachtete das blinkende Mischpult, mit hunderten von Anrufern, die über ihre Hundephobie sprechen wollten und einem Anrufer, der… sie wusste nicht, ob er anrufen würde, um die ominöse Frage zu stellen, die ihm auf der Seele brannte.

Wollte sie wissen, welche Frage es war? Anscheinend keine muggelverträgliche, wenn er sie privat irgendwo in einem Café stellen musste.

 

Und… wieso wollte sie jemand aus der Vergangenheit so dringend treffen und nicht einmal sagen, wer er war? Es war so verwirrend und beängstigend. Aber… Angst hatte sie eigentlich nicht. Sie war zornig, ja. Und sie war verwirrt, ja! Aber ängstlich…, nein, das war sie nicht. Dabei hatte sie allen Grund, Angst zu haben.

 

Dann ging die Show los. Eine Stunde würde sie bangen und beten.

 

Aber sie wusste nicht, ob sie dafür beten würde, dass er anrief oder eben nicht.

 

„Herzlichen Willkommen zu unserer Telefonseelsorge. Mein Name ist Dr. Hermine Granger und ich bin jetzt eine Stunde lang für Sie da, um Ihre Sorgen und Fragen zu beantworten und vielleicht Probleme zu finden und zu lösen!“, begrüßte sie die Hörer mit ihrer gewohnten Ansage. „Danke, dass Sie zugeschaltet haben. Die Nummer ist 555-Sorgentelefon-73!“, fuhr sie fort und setzte bedächtig die Kopfhörer auf. Sie hatte es schon tausendmal gemacht, aber jetzt empfand sie ein unangenehmes Kribbeln, als sie den Knopf betätigte, um den ersten Anrufer freizuschalten.


„Hallo, einen schönen guten Tag, Dr. Granger, was kann ich für Sie tun, Anrufer 1, Sie sind auf Sendung!“, sagte sie vorsichtig und lauschte gebannt.

 

„Dr. Granger, hier ist Sophie Clark!“, hörte sie einen schottischen Akzent und sie atmete aus. Nicht der anonyme Anrufer.

 

Sie begann die Show mit gewöhnlicher Stimme.

 

Und das tat sie weitere fünfundfünfzig Minuten lang.

 

„Und wir kommen zu unserem letzten Anrufer. Anrufer Nummer 40, Sie sind auf Sendung. Bitte, sprechen Sie jetzt.“ Und zum letzten Mal hielt sie den Atem an, aber war weitaus weniger ängstlich.

 

„Hallo, Dr. Granger. Hier ist Craig aus Sussex. Ich habe immer denselben Traum. Denken Sie, Sie könnten ihn für mich deuten? Ich träume immer von demselben Mann. Ich habe ihn in der Stadt gesehen und… bin völlig verwirrt deswegen. Ich bin nicht schwul! Ich hege kein Gefühl für diesen Mann, wirklich nicht!“

 

Hermine atmete aus und wusste jetzt definitiv, was sie empfand. Das Gefühl nannte sich in der Fachsprache Enttäuschung und war so primitiv, dass sie fast böse mit sich war. Wenn sie so enttäuscht war, dass er nicht angerufen hatte, dann hätte sie auch zu dem Treffen gehen können. Oder… wenn er angerufen hatte und nicht durchgekommen war?

Dann ist es auch egal, schalt sie ihre Vernunft energisch und sie riss sich zusammen.

 

„Craig, was war das für ein Mann? Und beruhigen Sie sich, wenn Sie von einem Mann träumen heißt das in den wenigstens Fällen, dass Sie wirklich eine homoerotische Neigung entwickeln“, beruhigte sie den Mann. Es war also ein ruhiger Arbeitstag gewesen, stellte sie etwas gleichmütig fest.

 

„Also gut“, begann Craig sichtlich nervös. „Er war hier in der Stadt, in London. Vor Reinig & Tunkunter. Diesem heruntergekommenen Laden, der ständig renoviert wird“, erklärte er hastig. Hermines Atem stockte. Das war der Besuchereingang zum Sankt Mungo. Spielte dieser Craig darauf an? War er die Stimme des anonymen Anrufers? Hatte dieser sich verstellt, sie verhext? Sie wurde langsam paranoid.


„Ja?“, sagte sie also vorsichtig und der Mann fuhr fort.

 

„Und… ich hatte das Gefühl, als würde er zu der Puppe sprechen, wissen Sie? Zu einer Schaufensterpuppe. Und… ich bin nur vorbeigegangen und als ich mich umdrehte… war er weg. Und… diesen Traum habe ich seit einem Monat. Und ich weiß nicht, warum. Meine Freunde halten mich für wahnsinnig, weil es unbedeutend ist. Sie sagen, er könnte weitergegangen sein, oder in sein Handy gesprochen haben. Ich hätte ihn aus den Augen verloren und wäre vielleicht in ihn verliebt. Aber ich schwöre, so ist es nicht!“

 

Hermine war sich nicht sicher, was sie mit diesen Worten jetzt anfangen sollte. Anscheinend hatte ein Muggel einen Zauberer im Sankt Mungo verschwinden sehen. Das war nicht so schlimm. Der Muggel hatte bestimmt viel Fantasie und träumte von diesem seltsamen Ereignis. Das war auch nicht schlimm. Schlimm war, dass sie schon wieder den Begriff Muggel benutzte!

 

„Ok, das klingt doch nicht weiter tragisch, Craig“, munterte sie den Mann jetzt auf.

 

„Er ist durch das Glas gesunken, ich sage es Ihnen! Sie halten mich auch für verrückt, oder?“ Sie beschloss nach einer kleinen Lüge zu greifen, die hier nicht unbedingt passend war, aber genauso gut passen könnte.

 

„Nein. Wissen Sie, ich denke, Sie haben sich vielleicht etwas mehr eingebildet, als da war. Ihr Unterbewusstsein hat es vielleicht etwas umgestellt. Wissen Sie, von Glas zu träumen, oder durch die Materie zu sinken, heißt einfach nur, eine persönliche Barriere zu durchbrechen. Vielleicht ändert sich das Gesicht des Mannes auch in Ihren Träumen? Mal sieht er Sie an, mal nicht? Es heißt, dass Sie Ihre Grenzen erforschen müssen, offen zu Menschen sein möchten, mit denen Sie lange nicht mehr gesprochen haben… es kann vieles bedeuten, Craig“, erklärte sie geduldig.

 

„Das Gesicht ändert sich nicht. Und… er hat etwas zu mir gesagt. Es war mir eigentlich egal. Aber… na ja. Ich hab es nicht so ernst genommen. Ich hatte Ihre Show erst neulich im Radio gehört. Und ich kannte Ihren Namen daher, aber…“

 

„Was meinen Sie?“ Vielleicht war dieser Craig doch etwas geschädigt von dieser Erfahrung. Hätte sie ihren Zauberstab, könnte sie… - Nein! Nicht schon wieder!

 

„Er sagte: Fragen Sie Hermine Granger nach…“ Er stockte. „Dann hat er seinen Namen gesagt. Und seit Nächten habe ich es vergessen. Und ich dachte, es wäre unwichtig. Und bizarr!“, fuhr er fort. Hermine jedoch bekam schwitzige Handflächen.

 

„Wie… wie sah der Mann aus?“, fragte sie und ihre Stimme war heiser. Harry! Ron! George! Im Sankt Mungo! Arthur! Neville! Irgendwas war geschehen! Wieso hatte ihr keiner von ihnen geschrieben? War irgendjemand krank? Oh Gott, oh Gott! Wenn es eine Botschaft von ihren langjährigen Freunden war, wieso kam niemand vorbei? Schickte eine Eule? Was war denn nur?!

 

„Er war… groß und…“

 

„Hatte er rote Haare?“, wollte sie wissen, darum bemüht, Haltung zu bewahren. „War sein Name Ron?“, setzte sie leise hinzu, doch sie wusste, es klang wieder paranoid.

 

„Ron? Nein“, widersprach der Mann. „Es klang wie…“

 

„Wie sah er aus?“ Sie räusperte sich wieder. „Bei der Traumdeutung ist es wichtig, das Äußere dem Inneren zuzuordnen“, faselte sie wenig intelligent.

 

„Er war blond“, sagte Craig jetzt. „Sehr blond. So alt wie ich, schätze ich. Also ungefähr dreißig. Und er war sehr gutaussehend. Und deswegen ziehen mich meine Freunde auf! Nur weil ich sage, er war gutaussehend. Was soll das schon heißen? Ich meine, Brad Pitt sieht auch gut aus! Das kann sogar ich sagen. Es stimmt ja auch, irgendwie. Aber nicht, dass er aussah wie Brad Pitt!“, rechtfertigte sich Craig eilig.

 

Hermine schluckte krampfhaft. Ihre Produzenten bedeuteten ihr, dass die Zeit jetzt um war.


„Craig, was war auffällig? Trug er… vielleicht auffällige Kleidung?“, sagte sie hastig und wollte das Wort Umhang nicht benutzen.

 

„Nein. Aber sehr teuer sah sie aus, ja“, erklärte Craig etwas ratlos. „Oh, er hatte… einen Gürtel um. Der war mir aufgefallen. Denn die Schnalle war ein Tier. Aus glänzendem Silber“, erklärte er.

 

Und Hermines Atem flachte plötzlich ab.

 

„Eine… Schlange vielleicht?“, fragte sie, schon fast so leise, dass Craig sie fast nicht hören konnte.


„Was? Oh ja! Ja, eine Schlange! Wie konnten Sie das wissen? Ist es ein typisches Symbol, Dr. Granger?“

 

„Damit kann ich Ihren Traum deuten. Vielleicht sollten Sie sich ein Haustier zulegen und die Barriere und die Angst vor Tieren überqueren und ablegen“, befahl sie tonlos.

 

„Meinen Sie? Ich denke nicht, dass…“

 

„Das war leider alles an Zeit, ich verabschiede mich. Alles Gute für Sie, Craig!“ Und in der Sekunde brach die Verbindung und die Sendung war vorbei. Sie war nicht mehr on Air.

 

Den Namen. Sie kannte den Namen. Und damit auch den Satz, den der unbekannte Mann Craig gesagt hatte.

 

Fragen Sie Hermine Granger nach Draco Malfoy.

 

Wie angewurzelt saß sie auf dem Stuhl. Die Stimme. Das Lachen. Die Handschrift. Natürlich kannte sie seine Stimme! Und sein Lachen. Wie oft hatte er über sie gelacht! Wie oft hatte sie hämische Sprüche aus seinem Mund gehört? Wie oft hatte sie ihn in Gedanken dafür verflucht, ein arrogantes Arschloch zu sein? Sie war so zornig! Seine verfluchte Handschrift kannte sie von den verfluchten Vertrauensschülertreffen zu Genüge!

 

Und dieser Mann, mit der Schlange auf dem Gürtel, wagte es, sie hier aufzusuchen, sie anzurufen, zu belästigen! Und wofür? Um sie wieder zu demütigen? Sie zu reizen, zu ärgern? Sie auf ihre Vergangenheit aufmerksam zu machen? War ihm langweilig in seinem reichen Todesserleben?

 

Sie ballte die Hände zu Fäusten. Oh sie wünschte, er würde noch einmal anrufen!

 

Und wieso… wieso, um alles in der Welt, wollte er sie treffen?

 

Draco Malfoy. Das war unmöglich!

 

Und er hatte sie gesehen. Bei Gringotts! Und er musste doch annehmen, sie wäre von seinen Worten irgendwie berührt gewesen, hätte sich genötigt gefühlt, die magische Welt aufzusuchen! Und das war sie nicht! Das war sie ganz bestimmt nicht! Definitiv nicht!

Das glaubte er wohl! Da fühlte er sich bestätigte und schickte ihr Briefe! Einen zwar nur, aber das reichte völlig aus. Sie floh bestimmt nicht aus ihrer alten Welt, damit ihr ein Feind wie Draco Malfoy folgen konnte.

 

Das Frettchen. Das Arschloch.

 

Oh und sie würde ihn treffen! Und sei es nur, um ihm zu erklären, dass er ja nicht glauben sollte, er hätte weiß Gott was für einen Einfluss gehabt!

Sie war nicht wegen jemandem wie ihm geflohen und jemand wie er sollte auch bloß nicht denken, sie würde wegen jemandem wie ihm erwägen, wieder zurück zu kommen. Es war nur ein Experiment gewesen. Gringotts war nur ein Experiment. Was nach hinten losgegangen war, aber… sie wollte nicht riskieren, noch einmal von ihm zu hören.

 

Oh nein!

 

Kapitel 5

 

Sie hatte den Kragen ihres Mantels hochgeschlagen. Das änderte zwar wenig an der Tatsache, dass man sie immer noch erkennen konnte, aber das war ihr egal. Sie hatte eine andere Einstellung. Die Haare hatte sie hochgesteckt, damit ihre Locken nicht zu auffällig waren. Und sie hatte psychologisch gehandelt und sich geschminkt und trug Sachen, die nach außen hin zeigten, dass sie sich wohl fühlte.

 

Der erste Schritt war, sich gut zu fühlen. Dann konnte man auch besser einen Punkt vertreten. Vor allem gegenüber jemandem, den man nicht mochte und mit dem man sich nicht auseinander setzen wollte. Die Regel war: Alle Angriffspunkte vermeiden. Und das würde sie tun. Ihr Äußeres würde keinen Anlass mehr bieten. Nicht für Draco Malfoy!

 

Sie wusste, er hatte sie früher beleidigt. Aber mit ihrem Aussehen war sie zufrieden. Es würde keine Schwäche darstellen. Alles andere natürlich… ihre Flucht, ihre Freunde, die sie zurückgelassen hatte. Das war eine andere Sache. Aber… darüber würde sie nachdenken, wenn es soweit war. Sie war noch nie um Worte verlegen gewesen. Sie verdiente ihr Geld mit spontanen Worten. Da wäre ein Gespräch mit dem Arschloch kein Problem, hatte sie doch schon die ganze letzte Woche mit ihm gesprochen!

 

Sie stand vor Reinig & Tunkunter, und es gab nur ein Problem.

 

Wie kam sie rein, wenn sie nicht krank war und niemanden zu besuchen wusste?

 

Sie lehnte sich langsam näher vor, blickte nach rechts und links, damit sie niemand beobachtete. Aber die Leute liefen geschäftig an dem wenig anheimelnden Geschäft vorbei.

 

Sie würde es einfach versuchen.

 

„Hermine Granger für Draco Malfoy“, sagte sie leise. Wie lange sie diesen Namen nicht mehr laut gesagt hatte! Doch die Puppe bewegte sich nicht. Malfoy war also nicht im Krankenhaus. Warum auch? Sie hatte ihn ja erst gesehen. Die Chancen, dass er nicht mehr hier her kam, waren außerdem auch nicht wirklich groß, wenn Craig ihn schon vor einem Monat gesehen hatte. Aber sie wollte nicht aufgeben. Lucius sah auch ziemlich gesund aus.

 

„Hermine Granger für Narzissa Malfoy“, sagte sie also. Namen, die soweit verdrängt gewesen waren! Wieder kein Glück.

 

„Hermine Granger für Harry Potter“, versuchte sie es erneut, aber nichts passierte. Es war frustrierend. Wirklich frustrierend.

 

„Hermine Granger für Ronald Weasley.“ Aber sie war auch dankbar, dass bei diesen Namen nichts passierte. Das bedeutete, es ging ihnen gut. Ihre Stimme verlor an Dringlichkeit.


„Hermine Granger für Ginny Weasley“, sagte sie jetzt, weil sie auch diesen Namen gerne noch mal aussprechen wollte, konnte sie es doch sonst nie tun. Und die Puppe bewegte die Hand. Sie spürte wie das Glas plötzlich kühler wurde.

Ginny war im Mungo? Oh Gott, nein! Sie hatte den Namen nicht gesagt, weil sie glaubte, sie könne dadurch die Tür zum Mungo öffnen! Gant bestimmt nicht!

 

Aber mit klopfendem Herzen glitt sie durch das kühle Glas.

 

Und schon stand sie in der lärmenden Halle. Den Zauberstab in der Jackentasche.

 

Zauberer rauschten an ihr vorbei. Zauberer, die nach ihren Angehörigen fragten. Schwestern und Heiler, die gehetzt wirkten, wie auch alle Ärzte der Muggelwelt.

Sie schritt langsam durch die Menschen, schnappte Fetzen auf, wie die Worte: Tagesprophet, Kesseldichte, Winkelgasse, Hogwarts, Quidditchunfall… Und es kam ihr so vertraut vor, dass es in ihrem Inneren schmerzte.

 

Sie kam an den Tresen. Und wollte schon wieder umkehren.

 

„Hermine… Granger?“

 

Das Namensschild der Hexe versetzte Hermine in ein kurzzeitiges Schweigen.

Lavender Weasley. Lavender Weasley. Wie hoch standen die Chancen, dass sie mit George verheiratet war? Gemäß Murphys Gesetz nicht besonders hoch. Von zwei Alternativen trat die ein, die am wahrscheinlichsten war. Und das war meist die unangenehmere.

 

„Lavender“, begrüßte sie die Hexe leise. „Hallo“, sagte sie, wenig enthusiastisch. „Du arbeitest hier“, stellte sie fest.

 

„Oh ja! Seit zehn Jahren. Es ist so super!“ Oh Gott. Sie war so dämlich.


„Glückwunsch zur Hochzeit.“

 

„Oh, ja. Richtig, du warst nicht dabei. Na ja, Ron kann ja nicht immer Single bleiben.“ Sie grinste. „Du willst bestimmt zu Ginny. Ob die deinen Namen noch kennt?“ Hermine hatte mehr Angst zu fragen, ob Ginny wirklich ihren Namen nicht mehr kannte als zu fragen, weswegen Ginny hier war.

„Einmal deinen Zauberstab. Nur Routine, du weißt ja. Vorsorge und so.“ Hermine gab den Zauberstab ab, ohne ihn in den letzten Jahren überhaupt benutzt zu haben.

 

„Welcher Stock?“, fragte sie nur.

 

„Fünfter Stock, Zimmer 500“, erklärte Lavender strahlend. Entweder war sie freundlich, weil sie es musste, oder es ging Ginny nicht schlecht. Oh bitte, lass es ihr nicht schlecht gehen!, flehte Hermine inständig und nickte nur.

 

Es war grauenhaft. Lavender hatte Ron geheiratet. Und sie war nicht da gewesen.

 

Das hätte sie auch nicht gewollt, nahm sie an. Lavender Weasley. Gab es etwas, was schlimmer klang als diese beiden Worte zusammen? Wahrscheinlich nur etwas wie, gepökelte Ratte, oder etwas Ähnliches.

 

Sie stieg in den Fahrstuhl, der mit vielen anderen nach oben sauste. Sie ließen die magischen Unfälle hinter, die Krankheiten und Fluchschäden. Der fünfte Stock trug den schlichten Namen: Erholung.

 

Erholung? Ginny brauchte Erholung? Von was?

 

Sie spürte, wie ihre Schritte schwerer wurden. Weit hatte sie es nicht, denn Raum 500 war direkt der erste Raum. Sie klopfte nach einer ganzen Weile. Nachdem es peinlich wurde und sie einige Schwestern eindeutig verwirrt anstarrten. Entweder fuhr sie wieder runter, oder sie zog es durch.

 

Und sie sah, wie sich ihre Hand hob und eigenständig klopfte.

 

„Herein?“ Ginny konnte also sprechen. Ihre Stimme brannte sich in Hermines Ohren. Oh wie vertraut ihr diese Stimme doch eigentlich war!

 

Sie öffnete die Tür. Es kam ihr so vor, als wöge sie tausend Pfund und wäre aus massivem Stahl. Aber natürlich war es leichtes Holz. Nichts weiter.

Und sie trat ein. Ginny lag in einem Krankenbett, die roten Haare locker zusammen gebunden. Sie sah müde aus, aber gesund. Sogar gut. Und sie schien mit jedem gerechnet zu haben, nur nicht mit ihr. Gut, dass war auch eine Wette, die Hermine selber nicht eingegangen wäre.

 

„Hermine“, flüsterte Ginny tonlos. „Hermine, was tust du hier?“

 

„Ich… hab gehört, du… bist hier“, erklärte sie. Das stimmte – eher weniger, aber das musste sie Ginny ja nicht sagen. „Ginny, was…?“ Doch sie musste nicht wirklich fragen, was passiert war, denn ihr Blick fiel neben Ginnys Bett. Auf den winzigen Glaskasten. Ihr Mund öffnete sich. Und wäre sie nicht trainiert, nicht zu weinen, egal wie rührselig oder dramatisch eine Patientengeschichte war, den hätte sie jetzt ehrlich geweint.

 

„Das ist James“, erklärte Ginny schließlich. „Und James ist ziemlich sauer auf dich, denn… wegen dir und deiner Flucht ist Lavender jetzt seine Patentante“, erklärte Ginny und es war nicht schwer zu erraten, dass sie sauer auf sie war. Aber Hermine konnte sich gerade nicht schlecht fühlen, denn da lag ein wunderbar kleines Baby. Sie kam näher. Ohne Angst.

 

„Er sieht aus wie….“ Aber es war völlig klar, wie wer der Kleine aussah. „Harry“, schloss Hermine schließlich.

 

„Ja. Mum war sauer, dass wir noch nicht verheiratet waren. Aber na ja… ich dachte mir, jetzt ist es auch egal. Und… ich kann ein Kind ohne dich bekommen, aber… heiraten wollte ich ohne dich nicht“; erklärte Ginny und sie war bei weitem nicht so gut trainiert, wie Hermine. Denn sie weinte. „Du bist wieder da“, flüsterte sie und Hermine konnte gar nicht anders. Sie umarmte ihre beste Freundin so heftig, als wäre sie hundert Jahre nicht mehr da gewesen. Was ungefähr stimmte!

 

Sie hielt Ginny so fest, so lang, dass die Sonne hätte unter und wieder aufgehen können.

 

War sie wieder da? Ginny war Mutter, Ron war verheiratet… Anscheinend war sie genau das Gegenteil. Sie war nicht da. Sie war weg. Weit weg.

 

„Es tut mir so leid“, murmelte sie an Ginnys Schulter.

 

„Unwichtig! Jetzt bist du hier! Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, fragte Ginny jetzt glücklich. Und Hermine fiel siedend heißt der eigentliche Grund ein, weswegen sie hier war.

 

„Ahem… das ist nicht so wichtig. Ich hatte… so ein Gefühl“, wich sie Ginny aus. Die sah sie lächelnd an.


„Aha. So ein Gefühl“, wiederholte sie langsam. „Dann sage ich einfach mal, ich hab so ein Gefühl, dass wir dich heute Abend zum Essen einladen, Hermine.“ Hermines Mund öffnete sich und die Angst war wieder da. Harry! Ron! Nein, sie konnte nicht!

„Ich werde heute nämlich entlassen und Harry holt mich in einer Stunde ab.“

 

„Oh, ich…“

 

„Wenn du wieder verschwinden willst, dann hättest du gar nicht erst kommen müssen!“, brauste Ginny auf und schien noch sehr… emotional zu sein.


„Nein, ich… will nicht verschwinden“, gab Hermine schließlich nach. Ihre beste Freundin war schwanger ohne sie und bekam ihr Kind ohne sie. Sie machte wen anders zur Patentante und Hermine würde wohl oder übel heute gerne zum Essen bleiben.

 

„Gut!“

 

„Ich muss… nur eben… was erledigen“, wich Hermine ihr aus.

 

„Das war kein Traum, oder?“, fragte Ginny leise, als Hermine sich mit einem Lächeln abgewandt hatte. „Du gehst nicht wieder weg?“ Wie sehr sie Ginny verletzt hatte wurde Hermine, der Diplom-Psychologin, erst jetzt klar.

 

„Nein. Ich komme wieder, ok?“ Ginny nickte glücklich. Dann verließ Hermine das Zimmer.

 

Sie musste unten fragen. Und wenn sie Lavender zwingen musste! Sie musste wissen, ob Draco Malfoy noch hierher kam.

 

Sie fuhr wieder nach unten. Nur stieg sie falsch aus.

 

Mehr oder weniger, stellte sie fest.

 

Sie befand sich im zweiten Obergeschoss: Magische ansteckende Krankheiten.

 

Und der Mann, der alles durcheinander gebracht hatte, saß auf einem der Stühle auf dem Gang, vertieft in den Tagespropheten. Und all die Freude, die sie gerade empfunden hatte, das Glück, weil sie ihre beste Freundin wieder gefunden hatte und die sie nicht auf ewig verabscheute – dieses Glück verwandelte sich in Zorn, als sie den sauber polierten Gang entlang stürmte.

 

Direkt in Richtung Draco Malfoy.

 

 

Kapitel 6

 

Er hob leicht irritiert den Blick. Nicht weil er sie erkannte, nein. Weil ihn anscheinend ihr Schatten auf seinem Tagespropheten störte. Sie hatte bereits die Hände in die Hüften gestemmt, auch wenn sie sich vorher gesagt hatte, keine Angriffsfläche zu bieten, keine Position zu beziehen, die sie dazu brachte, zu schreien.

Sie hatte studiert, alles auf rationaler Ebene zu lösen, aber… es war jetzt gerade unmöglich.

 

Sein Mund öffnete sich, als seine Augen ihr Gesicht registrierten und eine Sekunde später erkannten.

 

„Du… Arschloch!“, presste sie hervor. Das war keine Begrüßung. Das waren keine netten Worte, aber auch die fand sie nicht. „Findest du das witzig? Denkst du, meine Show ist eine private Sache, wo du dich lustig machen kannst? Denkst du, es hilft mir oder meinen Patienten, wenn du aus Langeweile anrufst, nur um zu nerven?“, knurrte sie zornig und sein Gesicht durchlief mehrere Gefühlsstufen. Sie erkannte sie alle, sie hatte sie alle studiert, nur darauf reagieren konnte sie nicht.

 

„Bei uns gibt es Gesetze gegen solche Leute wie dich! Und ich kann nicht begreifen, wie-“ Doch in sie wurde unterbrochen, obwohl sie gerade erst richtig in Fahrt kam.


„Ähm, Mr Malfoy, Ihr Sohn ist jetzt wach“, informierte ihn eine Schwester, die sich zwischen sie gestellt hatte. Einfach so! Eine Dreistigkeit war das! Sein Sohn…?! Sie begriff die Worte später. Bei Wut war das so. Der Körper konzentrierte sich auf die egoistischen Dinge. Und jetzt hatte sie doch vergessen, was sie sagen wollte. Er erhob sich langsam und es machte den Anschein, als hätte er lange in dieser Position gesessen, denn bewegte kurz die Schultern, als wären sie verspannt.

 

„Sohn?“, wiederholte sie langsam und irritiert als die Schwester gegangen war. Aber sie hatte ihr einen definitiven Blick zugeworfen, als würde die Schwester sie für verrückt halten oder so was. „Du hast einen Sohn? Hier?“, fügte sie knapp hinzu und rief sich den Namen der Station wieder in den Kopf. Magische ansteckende Krankheiten.

 

Er wirkte unangenehm berührt. Entweder weil sie ihn gerade vor den versammelten Schwestern angeschrien und beschuldigt hatte, er würde sie stalken oder weil es ihm nicht recht war, dass sie hier mit ihm sprach. Aber beides war ihr egal.

 

„Ja“, sagte er nach einer ganzen Weile, in der er ihre Erscheinung ausgiebig gemustert hatte. „Ich habe einen Sohn.“

 

„Er… ist krank?“, setzte sie schließlich hinzu, ganz der Doktor, der sie war, und vergaß ihn weiter anzuschreien. Es gab ein oder zwei Dinge, die Wut verrauchen lassen konnten. Oder zumindest verschieben konnten.

Er schenkte ihr einen was-denkst-du-wohl-Blick und legte den Tagespropheten zurück auf den niedrigen Tisch neben dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte.

 

„Wenn du mich entschuldigen würdest?“ Es klang wie eine Frage und anscheinend gebot es ihm irgendeine Art von seltsamer Malfoy-Höflichkeit auf ihre Antwort tatsächlich zu warten. Sie nickte nur langsam. Sie würde ihn bestimmt nicht davon abhalten, seinen kranken Sohn zu besuchen. Himmel!

 

„S…sicher“, sagte sie etwas unschlüssig und senkte den Blick. Bisher konnte sie nicht einmal hundert Prozent sicher sein, dass es sich wirklich um Malfoy handelte, der der Anrufer war. Er hatte vielleicht drei Worte gesagt. War es seine Stimme? Doch, es war seine Stimme, oder?

 

Er schritt an ihr vorbei. Sie roch seinen befremdlichen Duft. Er roch gut. Er sah gut aus. Und er hatte einen Sohn. Ron heiratet Lavender, Ginny hat einen Sohn und Malfoy anscheinend auch. Lavender wäre bestimmt auch bald schwanger. Vielleicht war sie es schon!

 

„Warte“, sagte Malfoy, als er schon an der nächsten Tür angekommen war. Er sah wieder in ihr Gesicht. Hatte er sie gerade wirklich dazu aufgefordert auf ihn zu warten? Sie war völlig unfähig, darauf etwas zu sagen. Anscheinend… lag sie richtig. Es handelte sich um Malfoy, und er wollte, dass sie wartete? Ihr Verstand klinkte sich wieder ein. Sie arbeitete schon zu lange in ihrem Beruf, als auch nur jemals wirklich für lange Zeit unprofessionell zu sein.

 

Wollte er über seinen kranken Sohn mit ihr sprechen? Sollte sie deshalb warten? Oder wollte er ihr entsprechend auf ihre Beleidigungen mit seinen Beleidigungen antworten? Er nahm ihr Schweigen wohl als Zustimmung zur Kenntnis und war schon in dem Raum verschwunden. Ansteckende magische Krankheiten.

Was hatte sein Sohn? Es war eine absolut indiskrete Frage.

Aber sie sank etwas ratlos auf den Stuhl, auf dem er gesessen hatte. Der Sitz war warm. Sie griff automatisch nach dem Tagespropheten und erschreckte fast über die bewegten Bilder.

 

Richtig. Die Bilder hier bewegten sich. Irgendein Quidditchteam hatte irgendeinen Pokal gewonnen. Irgendein Minister war neu gewählt worden. Irgendeine Kesseleinheitsgröße war verkündet worden. Irgendeine Hexe hatte ein neues Buch geschrieben.

 

Sie entschied sich für Seite zwei, denn es war wohl spannender über die Politik der Zauberer zu lesen als über Kesseleinheitsgrößen.

Und ihre Augen weiteten sich bei der Schlagzeile.

Erster Muggel wird Minister!

Das war doch mal eine Schlagzeile, mit der sie niemals gerechnet hatte. Niemals.

Eifrig las sie weiter, las über die Herkunft des Ministers, über seine Pläne, die bessere Eingliederung der Muggel in die Gesellschaft, und sie betrachtete das farbige Bild des Mannes. Er hatte dunkle Haare, ein gewöhnliches Gesicht und winkte scheu in die Kamera. Er hätte auch Schuhverkäufer sein können. Er war kein verwegener Haudegen, wie es Scrimgeour gewesen war.

Nein, er sah nett aus. Normal.

 

Letztendlich fand sie sogar Gefallen an dem Bericht über Kesseleinheitsgrößen. Und anscheinend handelte es sich bei dem Quidditchteam um ein Team, das zum Teil von Harry Potter gesponsert wurde. Harry Potter, der gleich Ginny abholen würde. Was tat sie denn? Sie konnte nicht in diesem Stock sitzen bleiben. Sie musste wieder zu Ginny.

 

Sie legte den Tagespropheten zur Seite und die Tür öffnete sich wieder. Sie versteifte sich auf dem Sitz und Draco Malfoy legte sich den Umhang über den Arm.

 

„Bist du zufällig hier?“, wollte er jetzt wissen und betrachtete sie mit Interesse.

 

„Nein, natürlich nicht“, sagte sie und wusste nicht, wie sie jetzt reagieren sollte. Sie wollte auch schon gar nicht mehr hier sein. Weshalb wollte sie noch mal mit ihm reden? Es kam ihr plötzlich albern vor, dass Draco Malfoy seine Zeit damit zubrachte, sie ärgern zu wollen. Anscheinend hatte er andere Sorgen.

 

„Aha“, erwiderte er. Sie sah sich gehalten noch etwas anderes zu sagen.

 

„Ginny hat Harrys Baby bekommen.“ Ein Satz, so natürlich, der aber Glücksgefühle in ihr auslöste, weil sie mit so einem Satz aus ihrem Mund niemals mehr gerechnet hatte. Seine Augenbrauen hoben sich kurz. Auch sein Gesicht wirkte nach dieser kurzen Weile überhaupt nicht mehr fremd. Es hatte noch schärfere Konturen angenommen. Er schien alles Jungenhafte abgelegt zu haben, um die Gestalt und Schönheit seines Vaters anzunehmen. Ein gruseliger Gedanke. Aber tatsächlich… im Dunkeln hätte sie den Unterschied nicht ausmachen können.

 

„Ja, ich habe mir schon gedacht, dass es bald Zeit wird“, erklärte er nun. Sie sah ihn verblüfft an.

 

„Du hast Kontakt mit Harry und Ginny?“ Und sie wollte ihm keine Fragen stellen. Und sie wollte nicht eifersüchtig klingen. Sie hatte jetzt wieder Kontakt. Sie war selber schuld, dass sie keinen mehr gehabt hatte! Und er schien ein wenig amüsiert.

 

„Nein. Nicht wirklich“, verneinte er jetzt. „Wir arbeiten im Ministerium. Ich sehe die beiden ab und an“, fuhr er etwas indigniert fort. Ja, das wüsste sie, wenn sie den Job angetreten hätte, der ihr angeboten worden war. Im Ministerium.

Sie wusste, dass Harry und Ginny im Ministerium arbeiteten. Aber natürlich wusste sie nicht über Malfoy. Außer, dass er einen Sohn hatte. Einen Sohn, der im Sankt Mungo lag.

 

„Oh“, erwiderte sie lahm.

 

„Du hast also noch Bezug zu deinen… Freunden?“, sprach er weiter und anscheinend war er unsicher, zu sprechen. Der Krankenhausflur war auch nicht der beste Ort, um Gespräche der unverfänglichen Art zu führen.

 

„Nein“, sagte sie schnell. „Also, heute wieder. Ich…“ Er sah sie an. Sie atmete ergeben aus. „Ich habe alle Namen unten am Eingang ausprobiert. Du warst nicht hier, deine Mutter nicht, dein Vater nicht. Und… weil ich niemandem kenne der im Krankenhaus sein könnte… habe ich die Namen ausprobiert, die ich noch kannte.“ So. Da war die Wahrheit. Sie kannte es von manchen Patienten. Manchmal musste man ein wenig von sich preisgeben.

 

„Du hast mich hier gesucht?“, wollte er verwirrt wissen und sie nickte.


„Ja, du hast Craig ja einen recht subtilen Hinweis gegeben“, stellte sie fest. Sein Mund öffnete sich verwirrt und zeigte ihr seine geraden, weißen Zähne.

 

„Craig?“, wiederholte er jetzt ratlos.


„Ja, Craig. Der Mann, der dich hier unten gesehen hat? Dem du gesagt hast, er soll mich nach dir fragen? Was sollte das?“

 

Dann schien er zu begreifen. Aber er wollte wohl nicht wirklich antworten.


„Das hat ja lange gedauert“, stellte er fest. „Und du gehst auf gut Glück hier her, probierst unten Namen aus und… suchst mich?“

 

„Ich… nein. Ich… du rufst mich an?“, erwiderte sie jetzt schroff und fand ein wenig ihrer Wut wieder. Sie mochte es nicht, wenn jemand anders recht hatte. Vor allem nicht dieser jemand.

 

„Ja“, sagte er schließlich nach einer Weile. „Aber… du hast nicht eingewilligt, mich zu treffen. Danach habe ich nicht mehr angerufen.“


„Ja, ich wusste auch nicht, wer du bist!“ Sie hörte den Fehler noch während sie sprach. Er wechselte den Umhang auf die andere Seite seines Arms.

 

„Ach so. Und jetzt, wo du es weißt, da bist du gleich losgestürmt, um mich zu finden?“, fragte er lakonisch und seine Stimme war ihr nun so vertraut, dass sie absolut taub gewesen sein musste, ihn nicht sofort zu erkennen.

 

„Nein, ich… nein!“, widersprach sie erst mal. „Jetzt, wo ich weiß, wer es war, finde ich es nötig, dir zu sagen, dass…“ Er wartete geduldig. Sie gab wieder auf. Nein, sie konnte jetzt auch keinen Reim mehr darauf machen, was die Anrufe von Draco Malfoy von einem x-beliebigen Zauberer unterschied. „Wieso ist er hier? Dein Sohn?“, fragte sie schließlich. Er sah sich unbehaglich um.

 

Und er sagte nichts. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Ok, vergiss es“, fügte sie knapp hinzu. „Also, warum sollte ich warten?“, verlangte sie jetzt zu wissen. Er wirkte gehetzt, er wirkte so vollkommen anders, als sie ihn in ihrer Erinnerung eingeordnet hatte.

 

„Du bist… eine Heilerin?“, fragte er jetzt langsam. „Für… den Geist, richtig?“ Sie runzelte die Stirn.

 

„So ungefähr. Ich bin Psychologin. Ärztin“, erklärte sie knapp.

 

„Das heißt, du heilst Menschen ohne Zauberei, wenn sie verrückt werden?“, übersetzte er ungelenk ihre Worte.

 

„Nein“, gab sie zurück. „So würde ich es nicht sagen.“ Aber ihr wurde etwas anderes klar. Fragte Draco Malfoy gerade nach psychologischer Hilfe? Anscheinend. „Wir können uns setzen.“ Diesen Satz sgte sie jeden Tag etwas zwanzig Mal. Und nach einer Weile nickte er. Nicht völlig überzeugt, aber er nickte.

 

„Nicht hier“, erklärte er, als sie sich umsah. „Unten gibt es eine Kantine. Das Essen sit scheußlich, aber der Kaffee ist gut.“


„Du weißt, wie das Essen hier ist? Du bist schon eine Weile hier, nicht wahr?“, stellte sie verblüfft fest und ihr wurde klar, dass genau dies der Fall war. Anscheinend war er hier wegen seines Sohnes. Sein Sohn war nicht krank. Sein Sohn war wirklich schwer krank.

 

Stumm gingen sie nebeneinander her, fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten und sehr leicht, hätte dies der seltsamste Tag seit Jahren werden können, befand sie.

 

„Ich hab dich neulich bei Gringotts gesehen“, sagte sie, um etwas zu sagen.

 

„Und ich denke, jeder hat dich gesehen“, gab er zurück.

 

„Wieso hast du nicht gesagt, dass du angerufen hast?“, wollte sie jetzt wissen. Er hob die Augenbraue.

 

„Vor allen Leuten in Gringotts? Während du dich vor meinem Vater versteckst? Und vor allem: Vor meinem Vater?“, gab er zurück und etablierte damit drei sehr glaubhafte Gründe.


„Ok, aber… der Brief. Ich meine… da hättest du doch…“

 

„Du wärst niemals gekommen“, stellte er nüchtern fest.

 

„Ich bin so aber auch nicht gekommen“, sagte sie leise.

 

„Und ich hätte ich gesagt, mein Name ist Draco Malfoy und ich brauche deine Hilfe, dann hättest du dir einen Schrubber geschnappt und wärst hergeflogen?“

 

„Vielleicht“, log sie. Er sah sie eindeutig an. „Ok, nein, wäre ich nicht. Was soll das alles, Draco?“ Sie benutzte seinen Vornamen, weil sie es von ihren Patienten so gewöhnt war. Und er nahm es einfach zur Kenntnis.

 

Er deutete in die Kantine und sie setzte sich an den äußersten Tisch. Er verschwand und kam mit zwei dampfenden Bechern wieder. Sie sah erst jetzt, dass er blass war. Unnatürlich blass. Eine Blässe, die sie von den Patienten kannte, die an schweren Schlafstörungen litten.

 

Und sie verlor alle Befangenheit und das Wissen, dass sie hier in der Zaubererwelt war und mit ihrem Feind Kaffee trank.

 

„Also, was ist das Problem?“, stellte sie die übliche Frage, für die sie täglich hunderte an Pfund bekam. Er trank einen Schluck und verzog bitter den Mund. Sie sah etwas in seinen Augen, was sie noch niemals bei ihm gesehen hatte. Und viele Emotionen kannte sie nicht von Draco Malfoy. Nein, sie kannte eigentlich nur eine.

Eine einzige. Und die war nicht positiv.

Er schien das Wasser zu testen. Aber ihm schien aufgegangen zu sein, dass er derjenige war, der das Gespräch suchte.

 

Ihr wurde auch klar, dass Draco Malfoy zu ihr durchgedrungen war. Und wenn man die Welt der Muggel und die Welt der Zauberer in einer Distanz ausdrücken musste, dann war Draco Malfoy tatsächlich bis ans Ende der Welt gegangen, um mit ihr zu sprechen.

 

„Mein Sohn ist krank“, begann er also.

 

„Ok. Das ist wirklich furchtbar. Wie lange ist er schon krank? Ist es sehr ernst?“, fragte sie, um sich ein Bild machen zu können.

 

„Er ist seit einer Weile hier und….“ Er fuhr sich über die Stirn.

 

„Es ist furchtbar für alle Eltern, ihre Kinder leiden zu sehen. Wie heißt die Krankheit, wenn ich fragen darf? Beeinträchtigt Sie deinen Sohn in seinem weiteren Leben? War es ein Unfall, weswegen er hier ist?“, wollte sie vorsichtig wissen, denn manchmal musste sie die Patienten aus der Reserve locken.

 

„Granger, mein Sohn wird sterben. Und ich kann nichts dagegen machen. Mein Gold kann nichts dagegen machen. Und ich glaube nicht, dass… dass ich es überleben kann. Ich kann nicht… ich…. Scorpius ist vier Jahre alt. Und ich würde alles tun, um seinen Platz einzunehmen.“

 

Sie weinte nicht. Sie weinte niemals. Aber sie sah Draco Malfoy weinen. Zum aller ersten Mal.

 

 

Kapitel 7

 

 

„Ich kann dir nicht helfen, deinen Sohn zu retten. Ich kann dir nur helfen, Abschied zu nehmen.“ Sie kannte die Fälle, in denen Eltern ihr Kind verloren. Und meistens blieben die Eltern danach nicht zusammen. Zumal wenn es sich um ein Einzelkind handelte, dass sie verloren hatten. Es war zu schmerzhaft.

Er zeigte kein Zeichen, dass er verstanden hatte.

„Um was für eine Krankheit handelt es sich?“ Und es schien ihm mehr als schwer zu fallen.

 

„Ich wünschte, hier drin wäre Feuerwhiskey“, murmelte er. „Ok“, sagte er langsam. „Kannst du mir etwas versprechen?“, unterbrach er sich und fixierte sie mit hellen Augen.

 

„Was?“

 

„Sag es nicht Potter“, war seine schlichte Forderung. Seine Stimme brach unter den Worten. Sie nickte nur. „Als ich sechzehn war“, begann er und sie betrachtete ihn, während er sprach. Es ging ein so starker Zorn von ihm aus, ein Laie hätte es in seiner Körpersprache lesen können, „bekam ich ein Gift injiziert. So stark, dass es alles schlechte auslöschen konnte. Das Schlechte ist ein Begriff, der mir damals nicht viel gesagt hat. Voldemort hat gründliche Arbeit geleistet. Mehr Arbeit, als mir bewusst gewesen ist“, fuhr er fort und bei dem Namen dachte Hermine, er würde die Tasse in seinen Händen zu Scherben zerbrechen. Sie hatte den Atem angehalten.

 

„Das Dunkle Mal der neuen Generation – meiner Genration – war… verbessert.“ Er betonte das Wort auf sarkastische Weise. „Voldemort hatte es mit einem Fluch versehen. All das haben Heiler bedauerlicherweise etwas zu spät herausgefunden“, fuhr er fort. Hermine schüttelte langsam den Kopf. Aber er sprach weiter. „Ich habe eine Frau geheiratet. Sie ist… eine Muggel.“ Er sah sie kurz an und ihre Hand hatte sich zu ihrem Mund gehoben. „Und… sie wurde schwanger. Mit meinem Sohn. Das Gift hat sich beinahe sofort in die Zellen meines ungeborenen Kindes gesetzt.“

 

„Meine Frau hat mich verlassen. Denn so läuft es heutzutage wohl in Ehen. Scorpius wurde plötzlich sehr krank. Er bekam Fieberschübe, Schüttelfrost, verlor den Appetit, und die Heiler stellten fest, dass sein Wachstum eingeschränkt wurde. Durch etwas… was sie nicht bestimmen konnten. Es war, als wäre etwas in seinem Körper, was die Zellen davon abhielt, weiter zu wachsen.“ Seine Stimme wurde bitterer als er sprach. „Etwas, das ihn mit magischer Gewalt daran hindern wollte, älter zu werden.“

 

„Vor etwa einem Monat bekamen wir das Ergebnis. Ich habe meinen Sohn letztendlich durch mein Mal vergiftet und es gibt keine Heilungschancen hierfür. Von einer Strafe wegen Mordes wird abgesehen, da mir die Auswirkungen des Mals nicht zugerechnet werden können und auch noch nicht erforscht worden sind, weil bisher kein Reinblüter eine Muggel geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt hatte.“

 

Sie starrte ihn mittlerweile wohl förmlich an.

 

„Meine Frage ist diese: Wie soll ich mir vergeben, meinen Sohn umgebracht zu haben, Granger? Was auf der Welt kann es geben, was diese Tatsache ungeschehen macht, verblassen lässt oder erträglich machen kann?“

 

Und sie atmete langsam aus. „Nichts“, sagte sie und ihre Stimme klang hohl.

 

„Das dachte ich mir. Wie sehr verabscheust du mich?“, wollte er jetzt wissen.

 

„Ich verabscheue dich nicht, Draco. Du wusstest es nicht“, begann sie und musste diese Unglaublichkeit dieser Geschichte begreifen.

 

„Ich wusste es nicht? Ich wusste nicht, dass Voldemort schlecht für uns alle sein wird?“, fuhr er sie bitter an und sie senkte den Blick. „Sag es“, forderte er ruhig. „Sag, dass ich selber schuld bin!“

 

Sie sah ihn wieder an. Und sie sah, wie gefährlich hell seine Augen wurden, wie greifbar seine Tränen waren. „Bitte, Hermine, sag es!“, flehte er. „Sag mir, dass ich ein schlechter Mensch bin und es verdiene, dass mir mein Sohn zur Strafe genommen wird!“, schrie er beinahe, dann vergrub er den Kopf in den Händen. „Es ist meine Schuld! Ich hätte nie… ich hätte…“

 

Und sie tat, was man tat – sie ergriff seine Hände.

 

„Die Frage ist, bereust du, dass du eine Muggel genommen hast, wegen der das Gift aktiviert wurde oder bereust du, dass es dein Mal war?“ Es war eine einfache Frage der Schuld. Er sah sie an, als läge es auf der Hand.


„Ob ich mir wünsche, eine Reinblüterin genommen zu haben, bei der ich einen Sohn bekommen hätte, bei dem keine Krankheit festgestellt werden würde?“, wiederholte er die Worte. „Nein. Sie trifft keine Schuld. Und meinen Sohn trifft keine Schuld. Die Schuld trifft mich. Und nur mich allein. Und ich würde es begrüßen, wenn du es sagen würdest. Du, unter allen, weißt, dass es meine Schuld ist!“, flüsterte er.

„Ich habe dich beleidigt und schlecht behandelt und du weißt, ich verdiene all das, was passiert, nicht wahr?“

 

„Niemand verdient so etwas. Es ist grausam. Und unmenschlich.“ Er sah hinab auf ihre Hände, die seine umschlossen hielten. „Aber niemand hätte damit rechnen können. Absolut niemand, Draco!“, versprach sie jetzt mit Vehemenz und Sicherheit.

 

„Nein! Das will ich nicht hören! Du sollst mir nicht vergeben! Du sollst-“

 

„Du willst, dass ich dich leiden lasse?“, fragte sie jetzt und er sah sie wieder an. „Tut mir leid. Du leidest genug. Voldemort hat die Schuld. Und Voldemort bezahlt bereits dafür. Es gibt Dinge, die passieren. Ohne, dass man etwas ändern kann. Aber es ist nicht deine Sache. Es ist längst außerhalb deiner Macht, Draco. Alles, was du noch tun musst, ist, zu akzeptieren.“ Er schüttelte nur den Kopf.

 

„Das ist unmöglich“, flüsterte er. „Ich muss es Scorpius sagen“, fuhr er fort. „Ich muss ihm sagen, dass ich ihn umbringe. Diese Schuld“, rief er heiser und sein Kopf sank auf ihre Hände.

 

„Er wird es dir nicht glauben“, erklärte sie.


„Was? Ich werde es ihm klar machen, damit…“

 

„Damit was? Denkst du, dein Sohn wird dich hassen? Er kennt Hass nicht. Er ist zu jung. Und er würde es niemals glauben. Nicht, weil es nicht stimmt. Nein. Sondern, weil du ihn liebst. So sehr, dass du seinen Platz nehmen willst, dass du alles tun möchtest, um es zu ändern. Er wird nicht begreifen, welche Schuld du dir gibst und er wird dir vergeben, weil er dich liebt, denn du bist sein Vater.“

 

Sie spürte die Hitze seiner Tränen. Und sie selber musste die Augen schließen. Es war so ungerecht. Sie hasste Voldemort. Sie hasste all das!

 

„Es tut mir so leid!“ Er hatte den Kopf gehoben und sah sie an. Er sprach diese Worte. „Es tut mir so leid. Du weiß nicht, wie leid. Er weiß gar nicht, wie leid es mir tut!“ Sie hielt seine Hände fest.

 

„Du musst zu ihm gehen. Er will… bestimmt nicht allein sein. Ob schlafend oder wach. Und… ihr müsst Abschied nehmen. Das klingt… jetzt nicht gut, ich weiß. Und es wird dir jetzt auch nicht helfen, ich weiß das auch. Aber vergib dir, wie dein Sohn es tut. Wie es alle Kinder ohne Wissen immer tun. Und für den Moment… sei stärker als du es für möglich hältst. Und ich bin da.“ Sie zog mit zittrigen Fingern eine Karte aus ihrer Tasche. „Die Adresse meiner Praxis, meine private Nummer und meine normale Adresse“, erklärte sie.

 

Er nahm die Karte an.

 

„Ich kann mir diese Sache nicht vergeben“, erklärte er kopfschüttelnd und atmete langsam aus.


„Ich weiß. Jetzt noch nicht. Aber andere werden dir vergeben. Ich vergebe dir. Nach und nach… wird es leichter.“ Er sah sie an, wie sie alle ihre Patienten ansahen, die mit einem Verlust umzugehen hatten. Und sie wusste, er glaubte ihr nicht. Und das musste er auch nicht. Das gehörte zur Heilung.

 

Er blickte wieder auf die Karte. „Wenn ich dich anrufen möchte…“, sagte er langsam.


„Das hier war keine Höflichkeit, Draco. Das hier bedeutet, dass ich deinen Anruf spätestens morgen erwarte. Du willst Hilfe? Von mir? Dann musst du das durchziehen. Alleine geht es nicht.“

 

„Du hasst mich nicht“, vermutete er jetzt und leerte angewidert seinen Becher als er sich erhob.

 

„Ich glaube, du hasst dich selber für uns beide genug“, erklärte sie.

 

„Danke. Danke, Hermine“, flüsterte er. Er zerrte an ihrer Seele. Sein Leid war so greifbar, dass es den ganzen Raum einzunehmen schien. Er litt. Er litt die Schmerzen eines Vaters, der sein Kind verliert. Der sich selber auch noch die Schuld daran gibt. Und sie hatte Mitleid. So etwas passierte in der Muggelwelt nicht. Etwas so grausames, durch Magie hervorgerufen. Es zeigte ihr, wie böse und gefährlich Magie sein konnte. Und dass sie ihr nicht übermäßig fehlte.

 

„Es tut mir leid“, sagte sie ehrlich und sie umarmte ihn. Es war ein seltsamer Moment. Eine seltsame Verbindung, aber er schien nicht mehr viel zu haben, was er zu verlieren hatte und so legten sich seine Arme um sie. Und er schien sich bei ihr zu entschuldigen, für alles Schlechte.

 

„Hermine?“ Sie erkannte Harrys Stimme schon bei der ersten Silbe, die er sprach. Draco löste sich schnell, fuhr sich über das Gesicht, aber seine Tränen waren bereits versiegt. Sie wandte sich um.

 

„Ich werde gehen“, erklärte Draco. Sie deutete auf die Karte in seiner Hand. Er verstand und nickte, als er sie behutsam einsteckte. „Meinen Glückwunsch, Harry“, fügte er hinzu und Hermines Mundwinkel zuckten kurz vor Trauer, als sie begriff, dass Draco Harry die Hand schüttelte und ihn zur Geburt seines Sohnes beglückwünschte. Harry wirkte nicht minder perplex und erwiderte den Gruß. Dann verschwand Draco. Still und würdevoll.

 

„Hermine“, wiederholte Harry. Sie war emotional. Verflucht emotional.

 

„Harry!“, stieß sie aus und hatte ihn noch nie so sehr vermisst, wie jetzt, als er vor ihr stand. „Oh Harry!“ Sie umarmte ihn so heftig, dass er husten musste.

 

„Du bist wieder da. Hat lang genug gedauert! Und was treibst du hier mit dem?“, fragte er in ihre Haare, denn sie weigerte sich, ihn jetzt schon loszulassen.


„Er… ist ein Patient von mir“, erklärte sie. „Harry!“, wiederholte sie, denn der Name hatte etwas so Tröstliches. Harry schien nicht weiter nach Draco fragen zu wollen.

 

„Wollen wir… Ginny abholen? Dann kannst du meinen Sohn auch besser kennen lernen“, schlug er vor und sie löste sich von ihm. „Ich kenne ihn auch noch nicht besonders gut“, ergänzte er lächelnd. „Er ist noch so neu.“

 

„Ok, sehr gerne“, stimmte sie zu und sie verließen Arm in Arm die Kantine.

 

 

~*~

 

 

Er kam regelmäßig.

Er war ein starker Mensch, eine starke Persönlichkeit. Und mit dem Wissen, dass selbst sein Sohn ihm vergeben konnte, musste er lernen sich auch selber zu vergeben.

 

„Und es ist komplett weg?“, vergewisserte sie sich ruhig, während sie sich seinen Fortschritt notierte und seinen verbundenen Unterarm betrachtete. Es gefiel ihm auf der Couch zu liegen, das wusste sie.

 

„Komplett weg, ja“, bestätigte er. „Die Heilung braucht noch einige Monate. Aber dann ist… wohl auch das letzte bisschen Gift verschwunden.“

 

„Es tut noch weh, richtig?“

 

„Nein. Das ist kein richtiger Schmerz, Hermine“, erklärte er etwas müde. Er blickte wieder durch ihr Fenster nach draußen auf den Garten. Die Apfelbäume verloren die letzten überreifen Äpfel.

 

„Kannst du schlafen?“, erkundigte sie sich, wie üblich.

 

„Ich kann besser schlafen, ja“, bestätigte er ihre Worte halbwegs. „Ich weiß, dass ich hierhin komme und du mir hilfst. Also ist das definitiv ein Fortschritt“, fuhr er fort. Sie lächelte.

 

„Definitiv. Ein seltsamer, denn die meisten Patienten bekommen wegen mir schlaflose Nächte“, ergänzte sie und runzelte darüber die Stirn. Dabei war sie gar nicht so schlimm. Sie war einfach nur ehrlich. Und das musste sie auch sein.

 

„Ich habe gestern das erste Mal nicht von ihm geträumt“, erklärte er leise. Sie schrieb dies nieder, mit dem Datum. „Das… ist schlecht, richtig?“

 

„Nein. Das ist völlig normal. Dass du nicht von ihm träumst, bedeutet ja nicht, dass du ihn vergisst, oder dich nicht immer noch schuldig fühlst. Dein Körper beginnt lediglich zu heilen. Und diese Heilung beginnt in deinem Unterbewusstsein. Und das ist der erste Schritt.“

 

„Der erste Schritt? Ich bin hier seit fast drei Monaten. Wenn das der erste Schritt ist, wie lange wird es dauern, bis alle Schritte fertig sind?“, wollte er unglücklich wissen.

 

„Das hängt von dir ab“, erklärte sie. Sie sah ihn immer wieder an. Ja, er kam seit drei Monaten her. Er hatte geweint, geschrien, ihr gedroht, nie wieder zu kommen. Er hatte sie beleidigt, ihr unterstellt, dass sie bei ihm keine gute Arbeit leisten würde, aber seit zwei Wochen ging er wieder arbeiten.

 

Vor zwei Wochen hatte er das erste Mal das Grab seines Sohnes besucht. Auf ihr Anraten hin.

Draco Malfoy war das erste Beispiel dafür, dass Liebe einen menschen ändern konnte. Sie wusste, wie sehr er litt. Er versuchte sich an ihre Anweisungen zu halten. Er versuchte so stark wie möglich zu sein. Manchmal weinte er und sie hatte das Gefühl, er schämte sich dafür. Er ließ es sich nur nicht anmerken. Immer wieder ging ihr durch den Kopf, dass er sich tatsächlich sie ausgesucht hatte, damit sie sein Problem mit ihm bekämpfen würde, seinen Verlust gemeinsam mit ihm überwand.

 

Es war eine wahrhaft große Geste. Und psychologisch wusste sie, weshalb er sich sie für sein Unterfangen ausgesucht hatte. Das sagte sie ihm allerdings nicht.

Er hatte sich einen Menschen gesucht, der ihn kannte. Der auch seine finsterste Seite kannte. Er hatte gehofft, jemanden zu finden, der ihm sagen würde, wie grausam er war. Dass er selber Schuld am Schicksal seines Sohnes sei. Jemand, wie sie. Eine Muggel, die er gequält hatte, weil er es nicht besser wusste, weil er sich seiner Gesellschaft hatte fügen müssen.

 

Er hatte sie ausgesucht, weil er sich bestrafen wollte.

Und es tat ihm gut, dass sie ihm nichts vorwarf. Natürlich warf sie ihm diese Sache nicht vor. Es war eine andere Art von Qual, die er jetzt leiden musste. Er bekam keinen Hass. Er bekam Verständnis und das ausgerechnet von ihr. Er hatte mit ihrem Hass gerechnet, aber… selbst wenn sie dem Draco von damals keine gute Eigenschaft abgewinnen konnte, dann war dies ein völlig anderer Mensch.

Er bereute, er sühnte seine Schuld.

 

Und etwas anderes war passiert… - je mehr sie Draco Malfoy fand, in all seinem Schmerz und seiner Qual, um so mehr fand sie sich selbst wieder.

Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart. So ordnete sie das Gefühl zumindest ein.

 

„Draco?“

 

„Ja?“ Er sah sie auch an. Aber sie hatte gar keine Frage mehr an ihn. Stattdessen lächelte sie. „Du schlägst dich tapfer“, sagte sie nun. Er setzte sich auf.

 

„Nein“, widersprach er und lächelte traurig. „Ich kann es nur nicht haben, wenn du denkst, ich würde keine Fortschritte machen und dann böse auf mich wirst, Granger. Also glaube ich dir einfach mal, zur Abwechslung. Und ich weiß bei Merlin nicht, wie du es machst. Und auch noch ohne Magie, ohne… irgendwas, nur mit deinen Worten! Ich kann es nicht begreifen, aber… es geht. Nicht gut, aber es geht.“

 

„Nach drei Monaten glaubst du mir also?“ Sie schrieb auch das nieder. Er atmete langsam aus.

 

„Vielleicht“, bestätigte er knapp.

 

„Das ist gut.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr. „So, unsere Zeit ist gleich um, für diese Woche.“ Er verzog den Mund.

 

„Mein Vater kann auch noch etwas warten“, erklärte er bereitwillig.

 

„Jeder zu seiner Zeit“, fuhr sie dazwischen. „Lucius hat den Termin jetzt. Also bekommt er auch seine volle Zeit.“ Die Frage der Schuld lag tief in der Familie. Lucius‘ Last lag schwer auf dessen Schultern. Zuerst hatte er nicht kommen wollen, aber er hatte seine Wut und seinen Stolz doch noch überwunden.

 

Und die Malfoys waren nicht die einzigen magischen Patienten, die sie in ihrem Register führte. Sie hatte ihren Horizont ein wenig erweitert und behandelte nun auch Hexen und Zauberer. Lavender kam zweimal die Woche. Dies war etwas, was Hermine zur Kenntnis nahm. Eher weniger begeistert, denn Lavender sprach die meiste Zeit über Ron. Und sich selbst.

Dafür bekam sie auch manchmal Besuch von Luna. Das waren dann angenehme Gespräche. Luna kam eigentlich nur aus konversationstechnischen Gründen. Aber auch das war angenehm.

 

Hermine hätte einiges bei Luna zu analysieren, aber sie hielt sich zurück.

Sie hätte auch bei sich einiges zu analysieren, denn als Draco sich erhoben hatte, notierte sie, dass er heute das blaue Hemd anhatte.

Und wenn sie durch die Notizen blätterte, dann hatte sie sich bisher jedes Mal aufgeschrieben, was er trug.

 

Und eigentlich gehörte es nicht zur Tagesordnung ihrer Praxis, sich aufzuschreiben, was die Patienten trugen. Es gehörte auch bestimmt nicht zur Agenda, dass sie seit ein paar Wochen unten auf den Blick kritzelte: Frag ihn, ob er mit dir essen gehen würde…!

 

Es war eher überhaupt nicht professionell, aber… sie nahm an, Lucius Malfoy unternahm ebenfalls eine Art Gehirnwäsche bei ihr. Allein wegen Lucius Malfoy hatte sie den Ratschlag angenommen, sich einige Objekte nahe der Winkelgasse anzusehen. Und sie hatte doch tatsächlich eine Wohnung dort angemietet! Sie wohnte wieder unter Zauberern. Und es gefiel ihr nicht schlecht. Lucius war auch derjenige, der ihr sagte, dass sie unter Menschen müsse und sich nicht in Arbeit vergraben könne. Er hätte zwar noch mehr Familienmitglieder, die dringend Schuldbewältigung machen müssten, aber sie sollte sich amüsieren gehen.

 

Sie verwarf diese Gedanken eilig als er sich umwandte.

 

„Ich sehe dich nächste Woche“, verabschiedete er sich, wie jedes Mal, mit dem Schütteln ihrer Hand.

 

„Ok“, sagte sie. Ihre Hand kribbelte, auch nachdem er schon gegangen war. Sein Duft hing noch einen Moment lang in den Räumen und sie atmete ihn ein. Er beruhigte sie auf eine seltsame Weise. Sie mochte es, dass er immer noch zu ihr kam und ihr langsam vertraute.

 

Vielleicht würde sie ihn nächte mal fragen. Vielleicht. Mal sehen. Oder danach. Was sie wollte, war im Moment nicht so wichtig. Wichtig war, dass er sein Leiden überwand und sie ihm die Schmerzen nehmen konnte. So gut es ging. Dafür war sie hier. Das war ihr Job.

 

Und sie hoffte, sie leistete ansatzweise gute Arbeit.

 

Und schon betrat Lucius Malfoy mit üblicher Eleganz ihr Büro. Ihre Sekretärinnen waren ihm alle verfallen. Er war ein Charmeur.

 

Ms Granger, Sie sehen heute wieder besonders reizend aus.“ Und sie wusste, diese Feststellung war weniger ein Kompliment, als die schlichte Tatsache, dass er merkte, dass sie nur besonders reizend aussah, wenn sein Sohn ebenfalls einen Termin hatte. Sie ignorierte dies aber.

 

„Bitte nehmen Sie Platz, Lucius. Tee?“, bot sie ihm an und nickte dankend. Dann wurde er auch wieder sehr schnell sehr ernst. Als ehemaliger Todesser war es für Lucius schwer. Aber auch er gab sich die größte Mühe. Und das war mehr, als sie jemals von ihm erwartet hätte.

 

 

Epilog

 

„Herzlichen Willkommen zu unserer Telefonseelsorge. Mein Name ist Dr. Hermine Granger und ich bin jetzt eine Stunde lang für Sie da, um Ihre Sorgen und Fragen zu beantworten und vielleicht Probleme zu finden und zu lösen!“, begrüßte sie die Hörer, und das wesentlich euphorischer als für gewöhnlich. „Danke, dass Sie zugeschaltet haben. Die Nummer ist 555-Sorgentelefon-73!“, fuhr sie lächelnd fort und drückte auf den Knopf, um den ersten Anrufer zu begrüßen.


„Hallo, einen schönen guten Tag, hier Dr. Granger, was kann ich für Sie tun, Anrufer 1, Sie sind auf Sendung!“, sagte sie schließlich, wie jedes Mal, wenn sie die Show eröffnete.

 

„Dr. Granger? Hallo, hier ist Craig! Wissen Sie noch? Ich erzählte Ihnen von meinem Traum? Und Sie haben gesagt, es handelt sich um eine Angst vor Haustieren?“ Sie erinnerte sich natürlich. Und Craig hatte sie einen relativ unpassenden Ratschlag erteilt.


„Oh, ja. Ich erinnere mich Craig. Es tut mir leid, dass ich Ihnen damals-“

 

„Ach, Sie mussten auflegen. Kein Problem, dass Sie mich abgewürgt haben. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich Ihren Rat berücksichtigt habe! Und seitdem Tag, an dem ich mir Lucy geholt habe, habe ich nicht wieder diesen Traum gehabt!“, erklärte er begeistert.

 

„Lucy?“, wiederholte sie verwirrt und war froh, dass Craig nicht anrief, um sie zur Rede zu stellen und zu kritisieren.

 

„Meine Schlange. Lucy“, erläuterte er. „Ich wollte mich bei Ihnen bedanken! Ich schlafe wieder ausgezeichnet. Und meine Freunde lieben meine Schlange. Sie ist sehr freundlich, zwar ist sie kein Vegetarier, so wie ich, aber meine Freunde sagen, bei den Damen habe ich große Chancen, mit so einem verwegenen Haustier. Und glauben Sie’s oder nicht! Es stimmt tatsächlich!“, rief er aus. Hermine nahm an, er war dankbar, dass ihn seine Freunde nicht mehr für schwul hielten. Obwohl sie sich da nicht so sicher war. Sie träumte auch sehr oft von Draco. Und sie… hatte dabei nicht unbedingt angewiderte Gefühle. Nein. Eigentlich gar nicht.

 

„Das freut mich wirklich, Craig! Gut, dass Sie wieder ruhig schlafen können, und eien Schlange ist wirklich… ahem… ein interessantes Tier.“ Sie konnte Schlangen nicht leiden, würde aber nicht erklären, warum. „Craig, wissen Sie, dass dies der erste Anruf ist, bei dem sich ein Hörer bedanken will?“, fragte sie plötzlich und musste lächeln.

 

„Kann ich mir nicht vorstellen. Alle lieben Ihre Show!“ Hermine war sich da nicht so sicher, aber sie wusste, in den letzten Wochen war sie freundlicher geworden. Definitiv freundlicher. Woran das wohl liegen konnte…?

 

„Vielen Dank für Ihren Anruf, machen Sie es gut und Grüße an Lucy!“, sagte sie, bevor sie Verbindung trennte und den nächsten Anrufer freischaltete.


„Anrufer Nummer 2, Sie sind auf Sendung. Hier spricht Dr. Granger, was ist Ihr Problem?“ Und sie merkte, dass sie schon wieder lächelte und überhaupt nicht schlecht gelaunt war.

 

„Dr. Granger“, hörte sie die Stimme, die sie jede Nacht in ihren Träumen hörte. Die Stimme, die schon seit drei Monaten nicht mehr angerufen hatte. Sie schwieg verdutzt.

 

„Sie sind doch mein anonymer Anrufer“, sagte sie, da sie den Namen nicht verraten wollte. „Unser… Zauberer“, fuhr sie fort, damit die Produzenten sich vielleicht erinnerten. Er rief sie tatsächlich wieder an, stellte sie fest. Ihr Herz klopfte laut.

 

„Sie haben gesagt, niemand ruft an, um sich bei Ihnen zu bedanken. Ich dachte mir, das sollte man ändern“, erklärte Draco und sie hörte ihn lächeln. „Danke, Dr. Granger. Sie glauben nicht, wie viele Leben Sie jeden Tag retten.“ Seine Worte berührten sie.

 

„Das ist… sehr nett“, sagte sie schließlich sehr kleinlaut. „Aber ich denke, so viele sind es nicht“, murmelte sie und drehte die Schnur der Kopfhörer zwischen ihren Fingern.

 

„Meins haben Sie gerettet. Ich weiß nicht, ob ich es jemals gesagt habe. Wahrscheinlich nicht. Seitdem mein Sohn gestorben ist, gibt es nicht mehr viel, was meinem Leben einen Sinn gibt. Einmal die Woche, da stehe ich tatsächlich gerne auf. Es gibt da ein Problem, über das ich gerne mit Ihnen sprechen möchte“, erklärte er schließlich und ihr Herz klopfte laut. Es war ein so großer Fortschritt, dass er sogar über den Verlust seines Kindes sprach. So groß, dass sie es am liebsten aufgeschrieben hätte!

 

„Über… Ihren Verlust?“, hakte sie nach, aber er verneinte.

 

„Nein, darüber rede ich ausreichend. Und ab einem gewissen Punkt, kann man nicht mehr darüber reden“, erklärte er und das stimmte. Er hatte die Aufmerksamkeit der gesamten Produktion. Alle lauschten seiner angenehmen Stimme. Zumindest fand sie seine Stimme äußerst angenehm. „Es geht um etwas anderes.“ Sie lehnte sich näher zum Mikrofon, dabei verstand er sie auch so genauso gut.

 

„Um was geht es?“ Sie wollte fast seinen Vornamen sagen, aber sie beherrschte sich.

 

„Es gibt da jemanden“, begann er und ihr Herz blieb stehen. Wollte er es nicht in der Sitzung diskutieren, weil er bereits gemerkt hatte, wie sie ihn manchmal anstarrte? War dies der Moment, wo er ihr erklären wollte, dass er eine Frau kennen gelernt hatte und sich unwohl fühlte, wenn sie ihn anstarrte? Oh nein, bitte nicht!

 

„Aha?“, piepste sie also. „Das… das ist gut. Man sollte den Verlust immer mit Menschen verarbeiten“, erklärte sie tapfer.


„Ja, ich weiß. Aber ich weiß nicht genau, ob sie… so denkt wie ich.“ Sie schwieg daraufhin. „Wissen Sie, ich sehe sie recht häufig. Und… manchmal erwische ich mich dabei, wie ich an sie denke und… eigentlich will ich sie seit einer Weile fragen, ob sie es sich vorstellen könnte, mit mir auszugehen.“

 

Sie schwieg immer noch. Sollte sie ihm jetzt Tipps geben? Wahrscheinlich. Das war ihr Job. Sie musste Menschen helfen. Vor allem Draco, wenn… er sich endlich traute, sich jemand anderem zu öffnen. Aber sie wollte nicht.

 

„Ah… ok. Haben Sie schon mal mit ihr gesprochen? Einfach so? Vielleicht… könnten Sie sie nach ihrer Nummer fragen. Und dann rufen Sie einfach mal an und… bitten Sie unverfänglich darum, einen Kaffee trinken zu gehen. Oder… ich weiß nicht genau, ist es denn eine Frau von Ihrer Arbeit?“ Im Ministerium arbeiteten schließlich viele. Es war ohnehin ein Wunder, dass sie nicht vor seiner Tür Schlange standen.

 

„Ich… sollte sie also einfach anrufen? So… wie ich Sie jetzt gerade anrufe?“, fragte er langsam. Und sie nickte. Das konnte er nicht sehen. Sie räusperte sich also.

 

„Ja. Die meisten Frauen sind recht umgänglich. Vor allem am Telefon.“

 

„Und… ich sollte sie unverfänglich fragen?“, wiederholte er und sie wollte am liebsten auflegen. Sie hatte zu lange gezögert. Er hatte wen gefunden, um nicht mehr allein zu sein.

 

„Ja, sicher. Sie… klingen doch… sehr nett“, sagte sie schwach. Ja, er klang sehr nett. Der Vater, der seinen Sohn verloren hatte und mit aller Kraft versuchte, weiter zu leben und Anschluss zu finden.

 

„Würden Sie mit mir essen gehen wollen?“, fragte er also und ihr Herz brach ein bisschen.

 

„Ja, so in etwa könnten Sie es machen. Nur nicht so förmlich. Wenn Sie sich schon kennen, und Sie die Nummer haben… dann duzen Sie die Frau doch einfach. Mut ist eine ehrbare Eigenschaft, Anrufer Nummer 2“, sagte sie leise.

 

„Mein Name ist übrigens Draco“, warf er schließlich ein. Er nannte seinen Namen.

 

„Oh, hallo Draco!“, begrüßte sie ihn jetzt mit warmer Stimme. Als wüsste sie nicht, wie er hieß.

 

„Ich sage es Ihnen nur, damit gleich kein Missverständnis entstehen kann“, fuhr er fort und sie glaubte, ihn lächeln zu hören.

„Hermine, würdest du mit ihr essen gehen wollen?“, wiederholte er seine Worte, nur diesmal öffnete sich ihr Mund überrascht.

 

„Du…?“, begann sie und musste überlegen, ob er nur ihren Namen benutzte, um zu üben, oder… - ob sie einfach verbohrt und taub war!

„Du… willst mit mir essen gehen?“, flüsterte sie knapp.

 

„Ja, das waren meine Worte. Ich würde gerne mit dir essen gehen. Mutig genug für dich?“, setzte er noch hinterher und sie musste vor Glück hinter der vorgehaltenen Hand lächeln.

 

„Ok“, murmelte sie schließlich.

 

„Könntest du das wiederholen?“, forderte er und sie nickte stürmisch.


„Ja! Ich… ich will mit dir essen gehen. Definitiv, ja!“

 

„Gut“, sagte er und sie hörte, dass er zufrieden klang. „Dann würde ich sagen, hast du dieses Problem gelöst. Ich danke dir, Hermine. Bis heute Abend dann.“ Sie liebte ihren Namen, wenn er ihn sagte.

 

„Ok. Also… bis heute Abend“, nuschelte sie verhalten und schüchtern und aufgeregt zugleich. Sie trennte wie in Trance die Verbindung. Sie würde mit ihm ausgehen! Sie freute sich schon jetzt so sehr darauf, ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen, dass sie fast vergaß, wo sie war.

 

„Oh, ahem… Verzeihung, liebe Hörer. Das war…“ Sie schloss kurz die Augen, um sich wieder zu fangen. „Na ja, Sie haben ja gehört, was das war. Also, machen wir weiter. Himmel, hier gehen ja tonnenweise Anrufe rein. Mein Name ist Dr. Granger und ich freue mich wirklich sehr, dass Sie anrufen und mich an Ihrem Leben teilhaben lassen! Wollen wir mal sehen, ob ich Ihnen in dieser Stunde ein klein wenig helfen kann!“ Glücklich schaltete sie den nächsten Anrufer frei.

 

„Anrufer Nummer 3, Sie sind on Air, meine Name ist Hermine Granger, was kann ich für Sie tun…?“

 

 

- The End -

 

 

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