Schnee
hatte sich über ihre Reisetaschen, Mützen Schals und Mäntel gelegt und begann
langsam aber sicher zu schmelzen. Die Nässe und Kälte drang spürbar durch die
Schichten an Kleidung, und sie nahm an, nicht nur ihr war es unangenehm. Sie
konnte aber weder Harry noch Ron einen entsprechend genervten Blick zuwerfen,
denn beide waren nicht hier.
„In
Ordnung! Bitte, Ruhe!“, rief McGonagall, die mit
ihrer karierten Pudelmütze fast schon komisch aussah, während sie sich die
Fäustlinge von den Händen schüttelte, die gerötete Nase schniefend hochzog, und
aus den Tiefen ihrer Manteltasche eine Liste produzierte. „Ich teile Sie in Ihre
Zimmer ein, natürlich Mädchen von Jungen getrennt“, bemerkte sie knapp,
verengte die Augen, denn sie trug keine Brille. „Patil
und Grant in die eins, Rosings und Alister in die zwei, Bones und Decon
die drei, Granger und Parkinson bekommen Nummer vier, Booth und Zabini die
fünf, Higgins und Malfoy nehmen die sechs. Und nein“, ergänzte ihre Lehrerin
sehr eindeutig, „es wird nicht verhandelt, es gibt kein Tauschen, keine
Dreierzimmer – denn ich habe mir tatsächlich Gedanken gemacht“, entfuhr es ihr
bitter. „Und jetzt denke ich, möchten wir alle in trockene Kleidung wechseln.
Wir treffen uns in einer Stunde in der Lodge zu heißem Kakao, und wer denn mag
– und darf – kann sich gerne einen winzigen Schuss in seinem Kakao genehmigen“,
schloss sie vielsagend, und Hermine konnte nicht mal aufzählen, was sie alles
an dieser Entscheidung auszusetzen hatte.
Die
übrigen Schüler beschwerten sich verhalten, und ein sehr alter Elf materialisierte
schließlich aus dem Nichts und gebot ihnen, zu folgen, führte sie durch das
untere Stockwerk, bis sie ein Treppenhaus erreichten und erklärte ihnen, die
Treppe in den ersten Stock zu nehmen, und sich ihre Zimmer zu suchen.
Wie
die Erstklässler trotteten sie den breiten Flur des charmanten Cottages
entlang, und abgesehen von ihrer Zimmernachbarin fand Hermine es urig hier.
Ganz abgesehen davon, dass sie nicht hatte herkommen wollen. Zumindest nicht
hier her und nicht wirklich mit diesen Leuten, aber letztendlich hatten Ron und
Harry sie derartig provoziert, dass ihr keine Wahl mehr blieb.
Harry
hatte behauptet, Hermine wäre viel zu unkoordiniert, und das nicht nur auf
einem Besen, sondern auf so ziemlich jedem Sportgerät, dass sie besser in Hogwarts auf der Couch im Gemeinschaftsraum bleiben sollte.
Ron hingegen hatte ihr klar gemacht, dass es tatsächlich kalt wäre, in den
Alpen um diese Jahreszeit, und dass sie die letzten Jahre immer vermieden
hätte, durch hohen Schnee zu staksen, einfach weil sie Kälte nicht vertragen
konnte und sowieso nur krank in ihrem Bett liegen würde, würde sie tatsächlich
mitkommen.
Und
Hermine hatte beschlossen, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um ihren Freunden zu
zeigen, dass sie durchaus in der Lage wäre, sich anzupassen, und dass sie kein
Troll auf jedem Sportgerät war! Gut, sie kannte sich mit Wintersport nicht aus
– ganz zu schweigen vom magischen Wintersport.
Und
ja, in ihrem Kurs befand sich eine Handvoll Slytherins,
und vielleicht hatte sie eigentlich gar keine Lust gehabt, mit dem Runenkurs
überhaupt eine Abschlussfahrt zu machen, aber McGonagall
persönlich hatte es angeleiert, hatte es eine Erholung nach dem Krieg genannt,
und Hermine machte der Unterricht Spaß sowie die Vorstellung, McGonagall auf einem Snowboard zu sehen. Magisch oder nicht
magisch. Allerdings behauptete McGonagall, vor
dreißig Jahren den zweiten Platz bei den Winter Mag-Olympics abgeräumt zu
haben, was Hermine an ihrer Entscheidung zweifeln ließ.
Und
Harry und Ron waren sehr neidisch gewesen, als sich Hermine eingetragen hatte.
Sehr neidisch.
Die
Gruppe hatte mit einem bereitgestellten Portschlüssel bis übers Meer apparieren dürfen, bis ins tief verschneite Österreich, wo
sie einen muggelgeschützten, unzugänglichen Pass
erreichten, an dessen Spitze sich das verborgene ‚Summit
Inn‘ befand, geleitet von einer stämmigen Hexe, die Hermine vorhin nur aus den
Augenwinkeln gesehen hatte, als McGonagall ihre
Ankunft angekündigt hatte. Sie kamen zum Anfang der Saison, weswegen sie
überhaupt genügend Zimmer bekommen hatten, und Hermine glaubte aber nicht, dass
die anderen Gäste sich großartig an ihnen stören würden.
Vor
der Nummer vier blieben sie und Pansy stehen. Ihre Slytherin Freunde schoben
sich mit ihren schweren Koffern vorbei. „Nicht mal das Gepäck tragen die Elfen
einem“, beschwerte sich Blaise Zabini stöhnend, aber Pansy lachte auf.
„Sei
nicht so verdammt faul, Zabini“, bemerkte sie kopfschüttelnd.
„Ich
und faul?“, rief er empört und schob sich die gestrickte Mütze höher in die
Stirn. „Warte, bis wir auf der Piste sind! Dann zeige ich dir faul!“
„Wir
holen dich ab“, mischte sich Malfoy ein und fing ihren Blick auf. Hermine fand
es überhaupt nicht gut. Sie hatte keine Lust, dass diese Leute in ihrem Zimmer
aufschlugen. „Wenn es deine Anstandsdame denn gestattet“, ergänzte er, mit
eindeutigem Blick aus seinen stechend hellen Augen auf sie, so dass Hermines
Mund sich überrascht öffnete. Aber Pansy antwortete anstatt ihrer.
„Draco, bitte. Immerhin bin ich mit der Kriegsheldin auf einem Zimmer.“ Hermine
verdrehte stumm die Augen gen Himmel. Super. Das würde wirklich super werden.
„Oh richtig“, entfuhr es Blaise, als sie sich an ihnen vorbeigeschoben hatten.
„Benimm dich bloß. Gibt bestimmt direkt Punktabzug, wenn man Kriegshelden auch
nur schief anguckt“, rief er über die Schulter zurück, und Pansy tippte endlich
mit Zauberstab auf die Klinke, die sich knirschend bewegte, ehe die Tür nach
innen aufschwang. McGonagall war am Anfang des
Schuljahres so freundlich gewesen, die übrigen Schüler darauf zu drillen, ihr,
Harry und Ron, nichts anderes als Respekt entgegen zu bringen, für den großen
Dienst, den sie der Zaubererwelt erwiesen hatten, und
sie zu behandeln, wie man jeden Kriegshelden behandeln würde. Es war das Unwort
des Schuljahres geworden.
Und
seitdem galten sie eigentlich nur noch als Kriegshelden, worüber sich die
anderen Schüler gerechfertigterweise nur noch lustig
machten, denn es war einfach übertrieben. Wirklich übertrieben. McGonagall hatte gute Absichten gehegt, allerdings…
überschätzte sie den Respekt der Slytherins doch ein
wenig. Oder den trockenen Humor der gesamten Schule nach dem Krieg.
Sie
wollten alle verdrängen und vergessen. Hermine genauso wie die anderen. Die
Erholung kam ihr in der Theorie sehr recht, aber in der Praxis würde sie sich
wohl einige Spürche anhören dürfen.
Sie
betraten das gemütliche Zimmer, und im Kamin brannte bereits ein kleines Feuer,
was den Raum angenehm aufheitzte. Es war kein Luxus,
aber es war privater, als auf Hogwarts. Zwei Betten
standen an der Wand. Lange Vorhänge verdeckten den Blick nach draußen, aber es
war ohnehin schon dunkel, und vor dem Kamin standen zwei alte Sessel. Hinten an
der Wand gab es noch einen großen Kleiderschrank, und viel mehr brauchte man
wohl nicht. Hermine vermisste nur eine weitere Sache.
„Wo
ist das Bad?“, wandte sie sich an Pansy, denn sie entdeckte keine zwiete Tür.
„Ich
fürchte, die Heldin muss sich mit dem Gemeinschaftsbad auf dem Flur begnügen“,
erwiderte Pansy mit einem frechen Lächeln und deutete eine lächerliche
Verbeugung an. Großartig. Das würde jetzt ganze vier Tage so gehen. Hermine
atmete tief ein, zählte innerlich bis fünf, und beschloss, nichts zu erwidern.
Pansy räumte bereits ihren mannshohen Koffer aus, belegte mehr als bdie Hälfte des bescheidenen Schranks, und Hermine
überlegte, ihre Sachen einfach im Koffer zu lassen. Sie hatte ohnehin nur zwei
Jeans, eine Schneehose und eine extradicke Jacke, neben drei Pullovern
eingepackt. Was Pansy alles an Kleidung mitschleppte, war kaum ernstzunehmen. Was hatte sie vor? Wollte sie sich dreimal
am Tag umziehen?
Hermine
kommentierte es nicht, zog sich ihre Lektüre aus der Seite ihrer Tasche und
warf das Buch auf den linken Sessel, bevor sie sich die dicke Jacke auszog, an
die Garderobe hing, sich stumm trocken hexte, und Pansy dabei zusah, wie sie
sich ein komplett neues Outfit zurechtlegte. Wahnsinn. Hermine hatte nicht vor,
sich umziehen. Sie würde höchstens ihren Schlafanzug anziehen. Das wäre alles.
Sie würde auch nicht lange in der Lodge bleiben. Die Reise über Port hatte sie
ermüdet. Der ganze Krieg hatte Hermine ermüdet, und sie hatte das Gefühl, noch
immer nicht völlig erholt zu sein. Auch drei Monate später nicht. Sie ließ sich
in den bequemen Sessel sinken, schlug ihr Buch auf, und ignorierte Pansy, bis
diese mit einem Stapel Klamotten aus dem Zimmer verschwand, wahrscheinlich, um
ins Gemeinschaftsbad zu gehen. Hätte Hermine das geahnt, wäre sie nicht
mitgekommen.
Aber
jetzt war es nicht mehr zu ändern, und gähnend blätterte sie die Seite um. Noch
vierzig Minuten konnte sie in der Parallelwelt des Buches versinken und sich
einreden, dass es eine gute Idee gewesen war, hergekommen zu sein.
~*~
Mit
Abwägung betrachtete sie Piste vor sich und war ein wenig verwundert über den
Tatendrang und die Furchtlosigkeit ihrer Mutschüler.
Gestern
Abend war sie der Höflichkeit halber in die Lodge gegangen, hatte noch einen
Kakao getrunken, sich mit Susan oberflächlich unterhalten – denn sie war die
einzige, mit der Hermine relativ unbefangen sprechen konnte – und dann war sie
still und heimlich abgezogen, hatte sich bettfertig gemacht, und offen gesagt
nicht einmal mitbekommen, wann Pansy zurückgekehrt war.
Hermine
war kein Draufgänger, auch wenn es die übrigen annehmen mochten. Absolut nicht.
Und dass sie sich in einen lebensgefährlichen Krieg gestürzt hatte, war alleine
dem Umstand geschuldet, dass sie es hatte tun müssen, um ihre Freunde und
Familie zu retten. Einfach Gryffindor.
Aber
sofern sie der Gefahr aus dem Weg zu gehen vermochte, tat sie für gewöhnlich
auch genau das.
„Na,
Kriegsheldin?“ Blaise Zabini trat neben sie, überragte sie um einen ganzen Kopf
und schenkte ihr einen knappen Blick – nicht dass sie seine Augen erkennen
konnte, aber er sie direkt an. Seine Augen blieben verborgen durch die stark
verspiegelte Sonnenbrille. Er trug eine auffallend grellgelbe Jacke, mit
irgendwelchen Symbolen, die Hermine vage einer teuren Sportmarke zuordnen
konnte. Dazu passend hatte er eine dunkle Hose ebenjener Marke an, und seine
Hände steckten in farblich abgestimmten Handschuhen.
„Zabini“,
begrüßte sie ihn, und er kratzte sich mit den behandschuhten Fingern den Kopf
durch seine schwarze Wollmütze. Er war komplett winterfest verpackt, und trug
unter dem rechten Arm, was Hermine bereits Albträume bereitet hatte.
Es
ähnelte eher einem Surfbrett, als einem Muggel-Snowboard.
Es war um einiges länger, besaß keine Schnallen für die Füße, und Hermine ging
davon aus, dass man magisch auf dem Brett gehalten wurde. Es war glänzend
schwarz lackiert, zeigte ebenfalls einige Galleonen trächtige Symbole auf der
Front, und Hermine nahm an, es handelte sich hier um einen sehr teuren Sport.
„Ich
hoffe mal, du hast dich gut eingecremt. Höhensonne verbrennt“, bemerkte er mit
einem zufriedenen Grinsen.
„Habe
ich. Danke, der Nachfrage.“ Hatte sie nicht, denn Hermine hatte daran überhaupt
nicht gedacht. Auch trug sie keine Sonnenbrille, aber Schneeblindheit hielt sie
für ein Gerücht. Sie sah sehr gut, trotz Schnee und Sonnenschein.
„Kein
Interesse am Boarden?“, erkundigte er sich
schließlich, als er das lange Brett wuchtig vor sich in den Schnee warf. Fast
dachte Hermine, wäre es viel zu schade, es schmutzig zu machen. Sie wusste,
einige ihrer Klassenkameraden benutzen ihre eigenen Boards. McGonagall
hatte sie gestern beim Aufbruch aufwendig verkleinert und verstaut. Die meisten
aber liehen sich die Bretter hier oben beim magischen Verleih.
„Nicht
wirklich“, erwiderte sie, nicht ganz sicher, warum sie sprachen.
„Es
ist nicht schwer. Es leichter, als fliegen“, behauptete er und schenkte ihr ein
strahlend weißes Grinsen, wie es nur Blaise Zabini konnte. Er sah gut aus. Er
sah aus, als würde er die Herausforderung auf so einem Board gut meistern. Und
Hermine nahm seine Worte zur Kenntnis. Zabini belegte keine Position in seinem Quidditchteam, also nahm sie an, er sagte die Wahrheit.
Aber Hermine hatte kein Interesse daran, es zu riskieren.
„Ja,
ansonsten würdest du es auch nicht schaffen“, mischte sich Pansy in ihr
Gespräch ein, an dem sich Hermine ohnehin nur halbherzig beteiligte. Der
Aufstieg allein war schon über alle Maßen anstrengend gewesen. Pansy trug
ähnliche Kleidung wie Blaise, hatte ihre Haare ebenfalls unter einer Mütze
verborgen, nur bei Pansy dominierte ganz klar die Farbe Pink. Selbst ihr
glänzendes Board war pink sowie die Ränder ihrer verspiegelten Sonnenbrille.
„Genau
wie du“, bestätigte Zabini nickend. Pansy winkte ab. Auch ihre Hände steckten
in Handschuhen – die ebenfalls pink waren, wer hätte es gedacht?
„Ihr
seid beide solche Anfänger.“ Draco Malfoy trat zu ihnen, ebenfalls ein
glänzendes Board unterm Arm, aber seines war silbern. Tatsächlich trug er kein
schlangengrün, sondern ein ziemlich bestechendes Rot. In seinem Nacken wölbte
sich eine dicke Kapuze, und seine hellen Haare waren verborgen unter einer
schwarzen Mütze. Auch auf seiner Kleidung sammelten sich die Marken und
Embleme, und seine Beine steckten in einer eleganten schwarzen Hose, und
endeten in festen schwarzen Schuhen. Seine Sonnenbrille war gelb verspiegelt,
und alle drei Slytherins hätten ohne weiteres,
Personen in einem schicken Werbekatalog für Winterurlaub sein können, dachte
Hermine dumpf. Malfoy warf sein Board ebenfalls in den Schnee, und Hermine
begriff, dass sie wohl am Startpunkt einer Laufpiste stand, um den Ausblick zu
genießen.
„Lust
auf eine Wette, Granger?“, erkundigte sich Malfoy tatsächlich bei ihr, und auch
seinen Blick konnte sie nur erahnen.
„Nein,
Malfoy“, erwiderte sie offen und ehrlich. Seine Mundwinkel hoben sich
daraufhin.
„Ich
wette, ich bin zuerst wieder oben“, fuhr er fort, ohne auf ihre Worte
einzugehen.
„Wetten
nicht?“, mischte sich Pansy mit ein und platzierte ihr Board sorgfältig neben
Blaises. Hermine beobachtete, wie sie alle die Zauberstäbe in die Hand nahmen.
Scheinbar ein kombinierter Sport? Nie im Leben würde Hermine daran teilnehmen.
Ihre Hand- und Augenkoordination war nicht direkt weltklasse.
„Granger?“
Malfoy sah sie abwartend an. Hermine verdrehte die Augen. Was sollte sie sonst schon
großartig hier oben tun? Mit den Slytherins zu wetten
war jetzt nicht unbedingt ein Regelbruch.
„Ich
denke, Blaise ist eher oben“, entschied Hermine nach reifer Überlegung.
Daraufhin lächelte Zabini und fühlte sich sichtlich geschmeichelt.
„Und
wenn ich es bin, lade ich dich auf einen heißen Grog ein!“, rief Zabini
siegessicher aus. Hermine würde keinen Alkohol trinken, aber rang sich ein
halbherziges Lächeln ab.
„So
viel zu Frauenpower“, bemerkte Pansy eine Spur beleidigt. „Blaise hat übrigens eine
Freundin“, ergänzte sie mit zuckenden Mundwinkeln.
„Aber
sie ist nicht hier“, erwiderte Zabini eindeutig, und Hermine wusste nicht, ob
ihr das gefiel.
„Tja,
weder Blaise, noch Pansy werden es vor mir schaffen, also… wenn ich als erster
wieder ankomme – fährst du eine Fahrt“, schloss er mit einem feinen Lächeln.
„Auf
gar keinen Fall“, entfuhr es ihr schockiert.
„Nicht
alleine. Wir fahren als Doppel“, ergänzte er knapp. „Es ist ungefährlich.“
Das
war es nicht! Das war es ganz und gar nicht! Und abgesehen davon, dass Hermine
weder mit Zabini Alkohol trinken, noch mit Pansy eine emanzipierte Front sein
wollte – würde sie erst recht nicht mit Draco Malfoy im Doppel diese verdammte
Piste runterfahren!
„Nein,
danke.“
„Wo
ist deine Neugierde, Kriegsheldin? Dein Drang nach Abenteuern?“, neckte er sie
mit eindeutiger Tonlage, aber Hermine verzog den Mund.
„Der Krieg war Abenteuer genug für ein ganzes Leben, Malfoy“, entkam es ihr
mehr als bitter, und betroffen schwiegen die anderen Slytherins.
Denn es stimmte. Und sie wussten es alle.
„Wow,
ich glaube, die Stimmung wurde gerade eiskalt ermordet“, machte er einen
geschmacklosen Wortwitz, und Hermine wusste, sie sah Dinge ein wenig verbissen.
Es war nicht so, dass sie immer noch Spinnefeind waren, mit den Slytherins… - aber es war eben auch nicht wirklich so, dass
sie es darauf anlegten, Zeit mit ihnen zu verbringen. „Tja, doch recht feige
für eine Gryffindor“, schloss er achselzuckend.
Hermine verdrehte die Augen, denn garantiert würden Harry und Ron sie
ausfragen, ob sie es denn wenigstens einen Abhang hinab geschafft hatte – und
wenn sie ihnen erzählte, sie wäre mit Malfoy zusammen gefahren… - dann würde
sie zumindest den Spaß an zwei schockierten Gesichtern haben.
Bevor
die Slytherins also die Zauberstäbe erhoben, lenkte
Hermine ein.
„Ok“,
sagte sie, ein wenig nervös.
„Ok?“,
wiederholte Malfoy, beinahe überrascht. „Dann ist das ein Deal“, ergänzte er
mit einem charmanten Lächeln, was sie an ihm weder kannte, noch besonders
schätzte. Er brauchte sie nicht dumm anlächeln.
„Meinetwegen“,
entgegnete sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Sei
dir nicht so sicher!“, rief Zabini ihm zu, und dann bestiegen die Slytherins ihre Boards, gingen in die Knie, erhoben die
Zauberstäbe und richteten sie nach unten.
„Velox!“, riefen
sie gleichzeitig, und fast schrak Hermine zurück, als die Bretter mit so viel
Geschwindigkeit nach vorne sprangen, dass sie nach hinten Schnee aufwirbelten.
Schon sausten die drei den Hang hinab, und Hermine bereute ihre Entscheidung
sehr, sehr schnell. Schon erkannte sie die bunten Jacken fast nicht mehr, und
dann verschwanden sie hinter der Kuppe. Hermine beschloss, sich umzusehen. Sie
nahm an, es würde eine Weile dauern. Sie stapfte durch den festen Schnee, bis
sie die Lodge erreichte. Es war ein kombinierter Verleih mit integriertem Café.
Sie trat sich die verschneiten Füße ab und betrat die warme Stube. Einige Gäste
saßen bereits vor den Kaminen, mit nassen Haaren und roten Gesichtern,
zufriedene Erschöpfung im Blick.
Hermine
begriff Draußensport nicht – sie begriff schon Drinnensport nicht völlig. Sie liebte lange Spaziergänge
und ernäherte sich gesund. Das sollte reichen, oder
nicht? Sie bewegte sich zu einem freien Sessel, neben Asher Higgins, dem Hufflepuff, mit dem Malfoy sein Zimmer teilte. „Hey“,
begrüßte sie den Jungen, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, seine Jacke
auszuziehen.
„Hey“,
erwiderte er und starrte fast ängstlich ins Kaminfeuer.
„Alles…
ok?“, wollte sie von ihm wissen, und Asher zuckte die Achseln.
„Ich
hasse Schnee“, murmelte er, und Hermine würde behaupten, dann war er ihr
falsch.
„Oh“,
entkam es ihr, denn viel mehr konnte man dazu wohl nicht sagen. „Schnee ist
nicht übel“, ergänzte sie bloß. Es hatte viel geschneit auf ihrer Reise damals.
Sie hatten im Schnee kampiert und hatten Merlin sei Dank komplexe Wärmezauber
beherrscht, die das Zelt die ganze Nacht mit Wärme versorgt hatten. Ansonsten
wäre es doch übel gewesen.
„Hast
du gewusst, dass sie McGonagall überredt
haben hierzu?“, sagte er schließlich grimmig und starrte in die Flammen.
„Wer?“,
entfuhr es ihr ratlos, und Asher wandte den ängstlichen Blick.
„Die Slytherins“, schloss er bitter. „Sieh
uns an!“, behauptete er dann und deutete um sich. Mehr als die Hälfte ihres
Kurses drückte sich in der engen Lodge herum, heißen Kakao in den Händen, und
vielleicht vier befanden sich auf der Piste. „Wir sind der Runenkurs“, ergänzte
er eindeutig.
„Was
soll das heißen?“
„Das
heißt, dass vielleicht die Quidditchteams Spaß an so
was haben. Aber wir sind… nicht die Quidditchteams.“
Hermine begriff nicht völlig. „Sie sind mit absicht
im Runenkurs, weil nur McGonagall sich zu so etwas
überreden lassen würde. Und das wussten die elenden Slytherins.“
Hermine
verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe dagegen gestimmt. Wo waren eure
Gegenstimmen, wenn ihr so viel Angst vor Schnee habt, ihr Feiglinge?“, wollte
sie wütend wissen, denn sie hatte sich ebenfalls schnon
gewundert. Asher atmtete trotzig aus.
„Ja,
sicher. Als ob die Mädchen Zabini und Malfoy widersprechen wollen“, beschwerte
sich Asher unglücklich.
„Es
ist nicht das Ende der Welt. Und vielleicht würde die ein wenig Winterluft gut
tun“, bemerkte sie schließlich, denn drei Schüler allein konnten nicht die Schud daran tragen.
„Ich
habe Asthma“, erwiderte Asher bitter, und Hermine hatte kein Verständnis für
ihn. Sie hatte für sehr wenige Wehwehchen Verständnis, seit dem Krieg.
„Asher,
ich bitte dich“, bemerkte sie bloß. Und sehr schnell bezog sie tatsächlich die
Gegenposition, nur um Asher zu widersprechen. Hermine war leider so und suchte
immer das gute Gegenargument – ob sie die Meinung nun vertrat oder eben nicht.
„Du
bist immerhin mit Pansy auf einem Zimmer“, beschwerte er sich grimmig, und
Hermine würde sehr gerne tauschen – nur vielleicht nicht mit Asher.
„Hör
auf zu jammern“, schloss sie und erhob sich wieder. Sie hoffte, es waren nicht alle so negativ eingestellt. Aus den
Augenwinkeln erkannte sie ihre alternde Professorin, der heute allerdings kein
Alter anzusehen war. Ihre Gesicht war rot vor Kälte,
einzelne Strähnen waren aus ihrer Firsur gerutscht,
und unter der Mütze blickte sie zufrieden in die Runde. Scheinbar hatte McGonagall gerade ihre Tour beendet, und Hermine begriff
nicht, wie eine alte Frau so viel Spaß an Wintersport hatte. Wäre sie eine alte
Frau, dann-
„-du
schuldest mir was, glaube ich“, vernahm sie die raue Simme
von Malfoy, direkt hinter sich. Hastig wandte sie sich um. Verdammt.
„Das…
ging schnell“, entkam es ihr verblüfft.
Er
grinste lediglich, zog sich die Brille von der Nase, wurde die Mütze los und
schüttelte seine hellen Haare auf. Sein Gesicht war ebenfalls gerötet, und
würde sie jetzt mit beiden Händen seine Wangen umfangen, wären sie bestimmt
eiskalt. Sie verscheuchte die seltsamen Gedanken. „Woher weiß ich, dass du als
erstes-?“ Aber sie wurde unterbrochen, als Zabini hastig die Tür aufzog und
sich siegessicher umsah, bevor er sie beide erkannte.
„Oh
verdammt“, entfuhr es ihm verärgert. Ok. Malfoy war eher zurück. Er betrachtete
sie seit einer Weile.
„Das
wird nicht reichen“, entschied Malfoy nach einer Weile. Hermine wandte ihm ihre
Aufmerksamkeit wieder zu. Er hatte an ihrer Kleidung hinabgeblickt.
„Was
wird incht reichen?“, entkam es ihr herausoferdern. „Meine Sachen sind durchaus
zweckentsprechend, auch ohne tausend Markenzeichen auf meiner Brust“, fuhr sie
ihn an, aber er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
„Wenn
wir das machen, machen wir es richtig“, schloss er bloß, und Hermine verzog den
Mund.
„Ich
habe garantiert kein Gold für so einen Quatsch!“, fuhr sie ihn an, und wieder
erntete sie sein ebenmäßiges Lächeln.
„Hat irgendwer behauptet, dass du das musst, Kriegsheldin?“, erkundigte er sich
glatt bei ihr, und seine Arroganz verschlug ihr die Sprache. „Na los.
Wettschulden sind Ehrenschulden. Kümmer dich um mein
Board, ja Blaise?“, wandte sich Maloy wie
selbstverständlich an Blaise, als wäre er sein Leibeigener.
„Das
hatten wir nicht abgemacht“, murrte Zabini schlecht gelaunt, aber Malfoy lachte
auf.
„Tu
mir den Gefallen“, erwiderte Malfoy und schlug seinem Freund auf die Schulter.
„Ja,
ja“, machte Zabini abwinkend. „Tut mir leid, Granger. Dein Schicksal ist
besiegelt“, ergänzte er, und Malfoy lächelte daraufhin bloß kryptisch. Dann
bedeutete er ihr, ihm zu folgen, und Hermine war sich nicht ganz sicher, wieso
sie sich mit ihrem Schicksal abfand, aber bei solchen Unken wie Asher wollte
sie auch nicht bleiben. Immerhin wären sie noch drei Tage hier.
„Wohin
gehen wir?“, wollte sie schließlich wissen, als sie die Lodge wieder verließen,
und Pansy gerade schwer keuchend wieder oben ankam.
„Blaise
schon hier?“, rief sie Malfoy zu, und dieser reckte den Daumen in die Höhe.
„Ach, verdammt!“, rief sie aus, winkte ihnen aber zum Abschied. Hermines Blick
glitt nach rechts zum Verleih der Bretter, wo es auch Ausrüstung zu kaufen gab.
„Der
Verleih ist da drüben“, sagte sie verständnislos, als Malfoy in Richtung der
Gondeln marschierte, die nach unten fuhren.
„Ich
weiß“, erwiderte er lächelnd.
„Wieso-?“
„-du
stellst viele Fragen, Kriegsheldin“, unterbrach er sie feixend. Seine grauen
Augen flogen über ihr Gesicht. Hermine verstand nicht, und so langsam nervte
sie der Spitzname.
„Ich
dachte, wir fahren die Piste-?“
„-falsch
gedacht, möchte ich meinen“, erwiderte er schlicht, und hielt die Gondeltür für
sie auf. Mit verschränkten Armen stand sie vor ihm, stur wie ein Ackergaul, wie
Harry sie manchmal liebevoll betitelte.
„Malfoy!“,
entkam es ihr warnend, und er seufzte theatralisch auf.
„Ich
glaube nicht, dass wir spezifiert hatten, was für
eine Fahrt ich mit dir machen möchte, oder?“ Er grinste ein Malfoy-Grinsen. Sie
hasste es.
„Oh,
du bist so ein Arsch“, entfuhr es ihr. „Es war impliziert!“
„Nicht
für mich“, rechtfertigte er sich unschuldig. „Ich hatte etwas anderes im Sinn.
As ob ich dich zwingen würde eine saugefährliche Talfahrt mit mir zu machen. Du
könntest stürzen, dir beide Beine brechen – und wie erkläre ich es Potter, dass
ich die Kriegsheldin kaputt gemacht habe?“, wollte er gespielt verzweifelt von
ihr wissen.
„Hör
auf damit!“, knurrte sie.
„Womit?“
Dann beschlich ihn Erkenntnis. Gespielte Erkenntnis. „Ist der seltgewählte Name icht mehr
passend?“, wollte er wissen, und Hermine hatte diesen Namen niemals selbst
gewählt.
„Da
wäre mir dein damaliger Spitzname lieber, Malfoy. Wesentlich lieber.“ Und sie
wussten beide, worauf sie anspielte. Dass sie und Malfoy eine hässliche
Vergangenheit hatten, war kaum zu leugnen, aber seine Überlegenheit und sein
endloser Vorrat an arroganten Lächeln verwischte.
„Wie
wäre es, wenn ich dich Granger nennen würde? Besser?“
„Mag sein“,
entgegnete sie. „Es ändert nicht an der Tatsache,
dass ich nicht mir dir ins Dorf fahren möchte – um weiß Merlin was zu tun!“
„Du
unterstellst mir böse Gedanken, Granger“, benutzte er ihren Namen mit
Wohlwollen.
„Immer“,
entkam es ihr schneller, als beabsichtigt.
„Zu
schade, dass deine Leibgarde gerade nicht hier ist, hm?“ Noch immer hielt er
ihr wartend die Tür auf. „Komm schon. Oder hast du Angst vor mir?“ Sie hatte
natürlich keine Angst vor Malfoy. Sie könnte ihn mit dem kleinen Finger
zerstören, wenn sie es wollte. Davon ging sie zumindest aus.
„Fein“,
gab sie sich widerwillig geschlagen.
„Merlin,
Granger. Wenn sich alle Mädchen so anstellen würden…“, sprach er vielsagende
Worte, und ihre Stirn runzelte sich, als sie in die Gondel stieg.
„Viele
Mädchen zwingst du denn üblicherweise zu kryptischen Sachen, Malfoy?“, entkam
es ihr verständnislos, als sie saßen, und er die Tür zuzog. Die Gondel setzte
sich in Bewegung, und Hermines minimale Höhenangst beschleunigte ihre Atmung.
„Wenige“,
bekannte er sich nachdenklich, sah ihr knapp ins Gesicht, bevor er die Mütze
wieder tief in die Stirn zog. War es… ein Date, fragte sie sich unwillkürlich,
denn sie begriff nicht ganz. Was tat Malfoy hier? Gab er sich ernsthaft… Mühe?
Sie war sehr verwundert. Sein Blick hatte etwas Strafendes, bevor er die Brille
wieder aufsetzte. „Du hast dich nicht eingecremt“, bemerkte er kopfschüttelnd,
und Hermine konnte nur annehmen, dass die Hitze in ihrem Gesicht daher rührte,
dass sie langsam einen Sonnenbrand bekam. Und nur daher.
~*~
So
langsam glaubte sie, dass sie überhaupt keinen Sport machen würden. Malfoy
hatte sich selbst und ihr schicke Outfits gekauft. Hermines war blau, denn sie
mochte blau, und die schicke Hose passte gut zur Jacke, die eng anlag und
trotzdem Wärme spendete. Malfoy hatte sich dieses Mal für schwarz entschieden
und hatte ihre Sachen per Kurier bereits wieder zu ihrer Unterkunft schicken
lassen. Und er hatte ein kleines Vermögen ausgegeben. Hermine hatte die Ohren
gespitzt, als Malfoy gezahlt hatte.
Was
spielte er für ein Spiel? Sie traute ihm nicht.
„Und
jetzt?“, erkundigte sie sich vorsichtig, als sie im verschneiten Dörfchen
standen und er mit sicheren Schritten eine Richtung einschlug, die zu den
Wäldern führte.
„Jetzt
löst du deine Wettschuld ein“, informierte er sie lächelnd. Hermine überkam die
stille Sorge, dass er etwas Furchtbars vorhatte. Aber warum sollte er ihr vorher sündhaft teure Kleidung kaufen? Sie hatte sich
noch nicht bei ihm bedankt, denn sie war sich noch nicht sicher, wofür sie sich
bedankte. Sie folgte ihm, und seine eigenartige Gelassenheit im Umgang mit
hohen Goldsummen, gepaart mit seinem massiven Selbstvertrauen, war… attraktiv?
War es das, was sie dachte? War sie so dumm und so leicht einzunehmen?
„Kann
ich dich was fragen?“, wandte er plötzlich den Blick, und es gefiel ihr besser,
wenn er die Sonnenbrille nicht trug. Dann konnte sie ansatzweise in seinen
Augen lesen. Und so Selbstbewusst klang er nicht mehr wirklich.
„Ja?“
Es verließ als Frage ihren Mund, denn wusste Merlin, was er fragen würde.
„Wärst
du lieber mit Blaise einen Grog trinken gegangen?“, erkundigte er sich, ehrlich
interessiert bei ihr, und kurz überraschte sie diese Frage. Sie atmete knapp
aus.
„Ich
trinke keinen Grog“, entschied sie zu sagen, aber er wandte den Blick nach
vorne.
„Darum
ging es mir nicht wirklich“, erwiderte er, und das war ihr klar.
„Du
fragst mich, ob ich lieber meine Zeit mit Zabini oder mit dir verbringe?“,
entkam es ihr ungläubig. So ungläubig, dass sie sah, wie sich seine Mundwinkel
hoben.
„Sagen wir, es wäre ein Weltuntergangsszenario, oder deine Vorstellung von der Muggel-Hölle – was wäre das kleinere Übel?“, wollte er
wissen, die Idee von Humor in seiner Stimme.
„Ich
mag, dass du niedrig stapelst, Malfoy“, bemerkte sie kopfschüttelnd. „Wahrscheinlich…
wäre ich, der Einfachheit lieber, bei Blaise geblieben, denn… dann wäre ich
bereits jetzt wieder unterwegs zurück ins Hotel.“
„Um
alleine auf deinem Zimmer zu hocken und Hestervilles
‚Fluch und Seligkeit‘ zu lesen?“, nahm er scharfsinnig an, und dass er wusste,
welche Lektüre sie tatsächlich las, wunderte sie.
„So ungefähr“,
bestätigte sie vage, und er nickte langsam.
„Gut.“
„Gut?“,
wiederholte sie. Das konnte kaum die Antwort sein, die er erwartete hatte. Dann
wiederum wusste sie nicht wirklich, was er erwartete.
„Ja“,
bestätigte er. „Es wird mir ein Vergnügen sein, deine Meinung zu ändern“,
schloss er zufrieden, und das ewige Selbstvertrauen in seine eigene Person
kehrte zurück.
Sie
erreichten den Waldrand, und ganz zu ihrer Überraschung wartete dort eine
mächtige Kutsche, mit sehr breiten Kufen. Der Kutscher legte die Zeitung weg,
die er las. Malfoy trat einige zügige Schritte vor, und schüttelte dem Kutscher
die Hand. „Malfoy, wir sprachen über Floh“, stellte er sich vor, und der
Kutscher tippte sich an den Hut.
„Sehr
angenehm. Hatte kaum gedacht, dass es tatsächlich klappt. Das ist die junge
Dame?“, wollte der Kutscher mit schwerem deutschen Akzent wissen und beäugte
sie knapp.
„Ja“,
bestätigte Malfoy, und Hermines Stirn runzelte sich stark. Was?
„Wenn
Sie bereit sind, fahren wir los“, entschied der Kutscher und öffnete die
schmale Tür. Es war eine offene Kutsche, und vier riesige vorgespannte Pferde
scharrten aufgeregt mit den Hufen. Sie waren massiv n ihrer Gestalt, keine
handelsüblichen Muggelpferde, und ihre Beine hatten
bestimmt doppelte Ausmaße eines gewöhnlichen Pferdebeins. Sie erinnerten
Hermine an die Pferde aus Beauxbatons, die Whiskey
tranken und… absolut nicht normal waren. Malfoy reichte ihr die behandschuhte
Hand, und perplex ergriff sie sie, um sich beim Einstieg helfen zu lassen. Kaum
saßen sie, verschloss der Kutscher die schmale Tür, bestieg seinen Sitz, und
Malfoy breitete die flauschige Decke über sie beide. Hermine konnte nicht
anders, als ihn anzustarren.
„Du…
du hast das im Voraus geplant?“, flüsterte sie ungläubig, und sein Blick war
recht ausdruckslos.
„Das
muss dich nicht interessieren“, entgegnete er schlicht.
„Es
interessiert mich aber!“, entkam es ihr empört. Kurz flog sein ernster Blick
über ihr Gesicht.
„Genieß
die Fahrt, Granger“, erwiderte er schlicht, und bevor sie protestieren konnte,
schnalzte der Kutscher mit der Zunge, und die Pferde sprangen praktisch in
Bewegung. Mühelos passierten sie die verschneiten Waldwege, und immer, wenn
Hermine glaubte, dass es zu eng wäre für die Pferde und die Kutsche, schienen
sie zu schrumpfen, zwängten sich auch durch den engsten Pass, und für den
Moment schwieg sie, den es war eine aufregende Fahrt. Sie fuhren höher und
höher hinaus, gar nicht üblich für eine Kutschfahrt, die wohl eher geradlinig
durch eine Stadt oder einen Park führte, aber es war keine übliche Kutschfahrt,
nahm sie an. Irgendwann passierten sie die Baumgrenzen, und Hermine wusste
nicht, wie viele Höhenmeter die monströsen Muskelpferde nun überwunden hatten –
und das in schwindelerregender Geschwindigkeit. Sie konnte unbefangener atmen
und genoss zum ersten Mal die Aussicht.
„Wow“,
entfuhr es ihr, als ihr Blick weit über die Wipfel glitt, und die verschneite
Weiße fast hypnotisch war.
„Es
gefällt dir?“, fragte er sie nach endloser Weile, und Hermine sah ihn an.
„Es
ist wunderschön“, erwiderte sie verblüfft. „Wieso tust du das?“ Und kaum hatte
sie die Frage gestellt, wollte sie es gar nicht mehr wissen. Interessierte sie
wirklich, weshalb er so etwas im Voraus plante? Wollte sie wirklich von ihm
hören, warum er eine Wette inszenierte, nur damit sie zusagte, und dann mit ihm
in einer Kutsche saß? War das seine Idee von Romantik? Merlin, ihre Idee von
Romantik traf es ganz gut! Aber von Draco Malfoy zu hören, dass er so etwas
gezielt beabsichtigt hatte, war… etwas, das Harry und Ron ganz und gar nicht
gut heißen würden. „Vergiss es“, entkam es ihr hastig, aber er hatte nicht so
ausgesehen, als hätte er ihr sofort antworten wollen. Jetzt hoben sich seine
Mundwinkel.
„Keine
Sorge“, murmelte er mit einem schmalen Lächeln. „Ich habe nicht vor, in diesem
verschneiten Wunderland um deine Hand anzuhalten oder etwas ähnlich
Prosaisches“, informierte er sie amüsiert. Ihr Blick hob sich überrascht.
Nicht, dass sie es erwartet hatte, aber… ihre Gedanken gingen in so eine
ähnliche Richtung. Dann überlegte sie es sich anders.
„Wieso tust du das dann?“ Jetzt war sie interessiert. Er lehnte sich zurück,
und ihr war aufgefallen, dass er tatsächlich keine Anstalten machte, ihr näher
zu kommen. Er legte nicht den Arm um sie, fand keine Ausrede seine Hand auf ihr
Knie zu legen. Er saß einfach nur neben ihr.
„Restitution“,
war seine schlichte Antwort.
„Restitution?“,
wiederholte sie ungläubig. „Du denkst, eine Kutschfahrt in Österreich macht
alles wieder gut?“, fragte sie ihn tonlos, und er zuckte die Achseln.
„Wohl
kaum. Aber es ist ein Neuanfang, und… ein recht guter, wie ich finde“, bemerkte
er und deutete auf die malerische Umgebung.
„Malfoy“, begann sie kopfschüttelnd, aber jetzt legte er den behandschuhten
Zeigefinger sanft über ihre Lippen.
„Halt
einfach deinen Mund und genieß die Aussicht. Ginge das?“, wollte er beinahe
freundlich von ihr wissen, und sie schwieg seufzend. Ja. Wahrscheinlich war es
möglich. Und sie verstand trotzdem nicht. Malfoy arrangierte aus Gründen der
Widergutmachung eine Schlittenfahrt? Aber… wahrscheinlich war es besser, als
sich bis zum letzten Tag mit den Slytherins zu
streiten. Hermine lehnte sich endlich zurück und ließ den Bick genussvoll
schweifen. Die Stille und die Einsamkeit, gepaart mit dem Geräusch der
schnaubenden Pferde war… ziemlich perfekt. Dass nun ausgerechnet Malfoy neben
ihr saß, würde sie wohl verschmerzen müssen.
~*~
Als
der Kutscher – sein Name war Rolf – sie tatsächlich bei ihrem Hotel absetzte,
war die Dunkelheit hereingebrochen. Sie war ein wenig steif vom Sitzen, als
Malfoy ihr aus der Kutsche half. Sie schüttelte Arme und Beine aus, und Malfoy
sprach kurz noch mit dem Kutscher, und Hermine sah nicht zu genau hin, als er
ihm einen prallen Beutel voll Galleonen reichte. Dann schnalzte der Kutscher
mit der Zunge und verschwand mit seinem Schlitten im Schatten der Bäume.
„McGonagall wird sich schon Sorgen machen“, bemerkte Hermine
schlotternd. Sie vermisste die flauschige Decke schon jetzt.
„Wird
sie nicht“, entgegnete er. „Es war mit ihr abgesprochen“, schloss er bloß, und
ihr Mund öffnete sich.
„Ernsthaft?“,
wagte sie zu fragen, und sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht.
„Ernsthaft“,
bestätigte er.
„Und…“,
begann sie vorsichtig, „sieht das nicht… komisch aus?“, ergänzte sie unsicher,
und seine Stirn zog sich in schwache Falten.
„Ich
sehe selten komisch aus“, behauptete er kopfschüttelnd, „und nein, tut es nicht“,
widersprach er schlicht.
„Es
sieht so aus, als-“
„-als?
Lass mich teilhaben, an deinen schmutzigen Gedanken, Granger“, forderte er sie
lächelnd auf. Sie wurde rot und senkte den Blick.
„Es
ist eine eigenartige Widergutmachung, das ist alles“, murmelte sie bockig.
„Ich
dachte mir, eine nette Schlittenfahrt wäre etwas, was dir gefallen würde“,
schloss er neutral.
„Es
hat mir gefallen, aber…“
„Aber
mit Blaise wäre es besser gewesen?“, vermutete er schnippisch. „Oder mit
Weasley?“, ergänzte er vielsagend, und ihr Mund öffnete sich. Das war eine
andere Baustelle! Eine ganz andere!
„Ron
und ich sind nicht zusammen“, sagte sie schnell, fast rechtfertigend. „Aber ich
nehme an, das ist dir klar, denn du hast bestimmt mit Harry und Ron vorher auch
alles abgeklärt?“
„Ja“,
bestätigte er bloß, und ihr Kiefer gab nach. „Kleiner Scherz“, ergänzte er
lächelnd. „Ich bitte dich! Es war eine Schlittenfahrt. Du erwartest jetzt nicht
mein Kind. Da hätten wir andere Sachen tun müssen, als über die Auswirkungen
der Plateauverschiebungen sprechen zu müssen – sehr romantisch übrigens“,
bemerkte er spöttisch, und sie wurde noch röter. Sie glaubte ihm nicht. Sie
kaufte es ihm nicht ab.
„Das
war ein Date, oder nicht?“ Die Worte entkamen ihr schnell und tonlos. Sen
Lächeln wirkte etwas hohl.
„Granger,
ich habe dir schon gesagt, dass-“
„-ich
weiß, aber ich glaube dir nicht“, unterbrach sie ihn, ohne ihn aus den Augen zu
lassen. Mittlerweile gingen sie auch nicht mehr, sondern standen voreinander,
ließen sich nicht aus den Augen.
„Wenn
du denkst, es war ein Date, dann…“, begann er gänzlich neutral.
„-dann?
Dann war es ein Date, Malfoy?“ Sie wusste nicht, warum sie langsam panisch
klang. Und dann fiel seine coole Fassade sehr kurz.
„Wäre es so schlimm?“, entkam es ihm, fast abwehrend.
„Ich…“,
begann sie überfordert, und der kalte Wind ließ sie zittern, „ich denke, ich
werde reingehen“, beendete sie kleinlaut das Gespräch. Er streckte den Rücken
durch, und seine Fassade erschien wieder ebenmäßig arrogant auf seinen Zügen.
„Tu
das“, sagte er bloß, und sie wandte sich von ihm ab, und letztendlich lief sie
praktisch zurück zum erleuchteten Hotel. Ihr Herz schlug sehr schnell und sie
war sehr überfordert. Sehr. Er folgte ihr nicht, und sie stürmte die Treppe
hoch, durch den Flur, tippte mit dem Zauberstab auf die Türklinke, und
flüchtete sich in ihr Zimmer. Sie lehnte die Stirn gegen den kühlen Türrahmen
und atmete schwer.
„Spaß
gehabt?“, vernahm sie Pansys Stimme vom Bett und schrak zusammen. Richtig. Sie
war nicht alleine hier. Fast zornig wandte sie sich um.
„Wusstest
du das?“, fragte sie das Mädchen, dass sich mit dem Zauberstab die Fingernägel
manikürte anklagend, und Pansy hob die Augenbrauen fast verwirrt.
„Wusste
ich was?“ Ihr Zauberstab sank verständnislos, und Hermines Atem ging noch immer
sehr schnell.
„Das! Das heute! Die Wette, die Schlittenfahrt – wusstest du das?“ Pansy wirkte
etwas in die Enge gedrängt. Dann atmete sie lange aus.
„Ich
habe ihm gleich gesagt, dass es eine dumme Idee war. Und dass er tatsächlich
als erstes wieder oben war – das war reines Glück“, schloss Pansy
achselzuckend.
„Eine
dumme Idee?“, flüsterte Hermine dann, und Pansy schwang die Beine vom Bett. Das
Feuer im Kamin brannte sehr hoch, und Hermine begann heißer zu werden.
„Na
ja, den Runenkurs zu belegen, um die Gelegenheit zu haben, alleine mit dir
einen Ausflug zu machen, ohne Potter und – Moment! Draco hat dir das alles
gesagt, oder?“, unterbrach sich Pansy, aber der Blick in Hermines schockiertes
Gesicht schien ihre Frage zu beantworten. „Oh“, entfuhr es Pansy ein wenig
ertappt. „Granger, so schlimm ist es nicht, oder?“ Es waren die Worte, die auch
Draco benutzt hatte.
„Ich
mag ihn nicht!“, flüsterte Hermine empört. Pansy verdrehte die Augen, als würde
Hermine ihr trotzig erklären, dass sie kein Gemüse mochte.
„Granger,
du könntest es schlimmer treffen.“
„Pansy,
ich-!“
„-schon
gut!“, beschwerte sich Pansy mit erhobenen Händen. „Ich will es alles gar nicht
so genau wissen!“, beteuerte sie. „Draco mag dich, du magst ihn nicht. Dann hat
er eben Pech gehabt. Schmackhaft reden muss ich ihn dir nicht. Dazu wurde ich
nicht beauftragt“, ergänzte sie achselzuckend.
„Ach wirklich?“,
entfuhr es Hermine ungläubig. „Wozu wurdest du beauftragt?“ Hermine fixierte
sie scharf. Wieder schien sich Pansys verplappert zu haben, und Hermine glaubte
langsam, dass es kein Zufall war, dass sie sich ausgerechnet mit Pansy das
Zimmer teilte. Steckte McGonagall auch mit drin? Aber
Pansy gab die Deckung seufzend auf.
„Ich
bin lediglich dafür zuständig, dass du heute Abend dabei bist.“ Hermine starrte
sie mit großen Augen an.
„Wobei?“,
entkam es ihr empört, aber Pansy seufzte auf.
„Komm
schon, Granger. Spiel einfach mit, lass mich in Ruhe, und sei einfach mal
spontan.“
„Pansy“,
begann sie kopfschüttelnd, aber Pansy kam auf sie zu.
„Wir
tun dir nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Tag so schrecklich war.
Weißt du eigentlich, wie gut Draco tatsächlich aussieht? Die ganzen Mädchen
hier sind nur mitgekommen, weil Draco dabei. Man sieht es vielleicht nicht bei
der ganzen Winterkleidung“, fuhr Pansy nachdenklich fort, aber Hermine schloss
zornig die Augen.
„-darum geht es nicht!“, knurrte Hermine böse.
„Komm
einfach mit“, bat Pansy sie schließlich.
„Wohin?“,
wollte Hermine erschöpft wissen.
„Nur
nach draußen.“
„Warum?“
„Sie
nicht so ein Spielverderber“, bemerkte Pansy bloß. „Und jetzt lass mich das
hier fertig machen“, ergänzte sie kopfschüttelnd, setzte sich wieder aufs Bett
und widmete sich ihren Nägeln.
Hermine
war sauer. Sie war beschämt, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Und gleichzeitig war sie… fast schon neugierig.
~*~
Es
war wohl Pansys Überredung zu verdanken, nahm er an. Er wusste schon, warum er
sie gebeten hatte, mitzukommen. Und ganz so lässig, wie er sich gab, war er
nicht. Wirklich nicht. Zwar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm nach
der Schlittenfahrt zu Füßen lag – aber gehofft hatte er es schon.
Jetzt
verließ Pansy mit Granger das Haus, während er und Blaise im knöcheltiefen
Neuschnee standen. Das Licht des Hotels wurde vom Schnee reflektiert, weshalb
es hell genug hier draußen war. Der dichte Schnee brachte eine angenehme Stille
mit sich, und Draco hatte nicht sonderlich viel Erfahrung mit Annäherungen und
Werbungsversuchen gemacht. Dafür hatte sich nie die Zeit gefunden, und offen
gesagt, hatte er sich nie sonderlich anstrengen müssen.
Ihm
gefiel, dass es bei ihr anders war. Er hatte lange darüber nachgedacht, was er
für sie empfand. Und er hatte sie beobachtet, abgewartet, wie die Beziehung zu
Weasley verlief, und jetzt, zum ersten Mal, hatte er geglaubt, eine echte
Chance zu haben. Er war enttäuscht gewesen, als sie heute geflüchtet war, aber…
er war einigermaßen beruhigt, dass sie jetzt tatsächlich mit dabei war.
Er
hatte Pansy eingetrichtert, höflich zu sein. Relativ nett. Und scheinbar tat
Pansy ihm den Gefallen.
„Ok“,
begann Granger mit verschränkten Armen, und Draco mochte, wie sich ihre wilden
Locken unter ihrer Mütze hoben. „Ich bin gespannt.“ Sie klang prüfend, und
vielleicht war es alles jetzt ein bisschen unangenehmer. Und Blaise räusperte
sich peinlich berührt.
„Wir
werden heute unsere verlorene Jugend einfangen und die besten Schneemänner
dieses Jahrhunderts bauen“, schloss er feierlich. „Es sei denn, es gibt
mittlerweile ein Problem, und du weigerst dich, mit Draco zu arbeiten“,
ergänzte er vorsichtiger in Grangers Richtung, und
Draco hätte am liebsten die Augen verdreht. Aber er tat es nicht, sondern
fixierte sie genau. Sie schien darüber nachzudenken, bevor sie schließlich
nachgab.
„Wir
bauen Schneemänner?“
„Muggel-Style“, entgegnete Blaise grinsend und zeigte seine
leeren Hände demonstrativ. Granger zog die Braue hoch.
„Lasst
us anfangen, es ist verdammt kalt“, beschwerte sich
Pansy, und Draco war stolz, dass seine Freunde ihm diesen Gefallen taten. Er kam
zu ihr, beobachtete sie genau, und marginal war ihr die Sorge anzumerken.
„Ist
das wieder ein Wettbewerb?“, erkundigte sie sich bei ihm, und langam entspannte er sich. Sie hasste ihn nicht, er war
sich sicher.
„Ich
würde vorschlagen, ja. Das macht es weniger… unangenehm“, ergänzte er lächelnd,
und Granger schüttelte den Kopf über ihm.
„Ok,
wenn wir schneller sind, darf Granger dich mit einer Salve an Schneebällen bombadieren – ohne Gegenwehr!“, schlug Blaise lachend vor,
und tatsächlich schien Granger die Idee zu gefallen.
„Abgemacht!“,
entkam es ihr lächelnd, und Draco gefiel nicht, dass sie Spaß bei dieser
Aussicht empfand. Aber jetzt war es ein Wettkampf, und sie setzten sich in
Bewegung.
„Wehe,
du sabotierst“, warnte er sie, als er sich bückte, und anfing, den Körper des
Schneemanns zu rollen. Granger grinste bloß, und er glaubte, sie ließ sich mit
Absicht sehr viel Zeit. Sie beleidigten sich gegenseitig, und Blaise war sehr
schnell außer Puste, während Pansy zu Hochtouren auffuhr.
Der
nächste unangenehme Moment kam, als sie mit gemeinsamer Kraft die großen
Schneekugeln stemmen mussten, um sie auf den Rumpf zu setzen, und Granger mied
den Blick in sein Gesicht sehr entschieden. Ihre Wangen waren herrlich gerötet,
und es wunderte ihn trotzdem nicht, dass sie – trotz seinen unemnschlichen
Anstrengungen – verloren.
„Erster!“,
rief Pansy siegessicher aus, gerade als Granger dem Schneemann ihre helle Mütze
aufsetzte.
„Perfekt!“,
entkam es Blaise grinsend. „Draco, Zeit, zu zahlen“, ergänzte er, und resignierend
klopfte sich Draco den Schnee von seinem Anzug, wohlwissend, dass er
wahrscheinlich gleich von Schnee begraben werden würde. „Zauberstäbe erlaubt“,
bemerkte Blaise zwinkernd.
Und
tatsächlich zögerte Granger nicht. Stumm ließ sie bestimmt zwanzig Schneebälle
in der Luft schweben, und Draco versuchte zumindest, an ihre Vernunft zu appelieren.
„Wirklich?“,
begann er, mit erhobenen Händen. „Das habe ich verdient?“, ergänzte er, aber
dass sie lächelte ließ seinen Puls zügig ansteigen. Sie hatte Spaß.
„Dafür,
dass du eintausend Geheimnisse hast? Ja!“, bestätigte sie bloß, und ohne
Vorwarnung ließ sie den Zauberstab nach unten sausen, und die Salve traf ihn
praktisch überall. Torso, Gesicht, Beine, und von der Wucht wurde er nach
hinten geworfen. Pansy klatschte begeistert in die Hände, bevor sie aufschrie,
weil Blaise sie mit einem Schneeball im Nacken getroffen hatte. Draco rappelte
sich auf, formte bereits einen massiven Ball mit den Händen, und Grangers Triumpf wandlete sich in
Angst.
„Oh
nein!“; wanrte sie ihn, aber Draco holte aus, und
Granger duckte sich weg. Zu spät, denn er erwischte sie an der Schulter.
Es
begann eine verbissene Schlacht, und jeder kämpfte für sich allein. Irgendwann
hatten sie alle ihre Mützen verloren, und Pansy flehte um Gnade.
„Ich
gebe auf!“, rief Pansy heiser und außer Atem, und schließlich sank Grangers Wurfhand und sie ließ
den Schneeball fallen. Sie hatte sichtlich Spaß gehabt, und erschöpft rangen
sie alle nach Atem.
„Ich
denke, wir gehen vor“, bemerkte Blaise mit eindeutigem Blick, und Grangers Ausdruck nahm etwas Gehetztes an. Blaise zerrte
Pansy in die Höhe.
„Merlin,
ich komme ja“, beschwerte sie sich kopfschüttelnd. Sie schenkte Granger noch
einen kurzen Blick, ein halbes Lächeln und dann verschwand sie mit Blaise. Ein
wenig unschlüssig standen sie schwer atmend nebeneinander, und Granger wandte
sich schließlich ihrem schiefen Schneemann zu.
„Er…
braucht einen Namen“, stellte sie fest und rieb sich mit dem behandschuhten
Handrücken die Nase. Draco stellte sich nachdenklich neben sie.
„Wirklich?“,
fragte er unschlüssig, aber sie schien überzeugt zu sein.
„Ja“,
bestätigte sie abwesend.
„Alles…
ok?“, wagte er zu fragen, denn ihr Blick wirkte schrecklich weit entfernt. Sie
nickte schwach und sah ihn dann an. Es war ein sehr entwaffnender Blick.
„Danke“,
sagte sie, fast überrascht. Seine Augenbraue hob sich langsam.
„Du
bedankst dich?“, stellte er verblüfft fest, und wieder nickte sie.
„So
viel Spaß hatte ich seit… einem Jahr nicht mehr“, endete sie stiller.
„Gut.
Gern geschehen.“
„Malfoy?“
„Mh?“ Er war sich nie sicher, was er von ihren Fragen
erwarten durfte. Er hielt jedes Mal den Atem an, wenn sie sprach.
„Was
hältst du von John?“ Kurz blinzelte er. Oh, sie meinte den Schneemann.
„John
ist gut“, schloss er nickend. „Guter Name für einen Schneemann.“ Dann öffnete
er seine Jacke und löste den Schal von seinem Hals. „Aber er soll nicht
frieren“, bemerkte er knapp und band ihn vorsichtig um den runden Kopf. Kalt
zog der Wind in seinen Kragen, und zitternd zog er den Reißverschluss der Jacke
hoch.
„Und
jetzt?“ Ein wenig erwartungsvoll sah sie ihn an.
„Jetzt?
Das war alles. Mehr fantastische Pläne habe ich nicht, Granger“, bekannte er
wahrheitsgemäß und lächelte schwach.
„Gut“,
erwiderte sie tatsächlich, einigermaßen beruhigt. Er runzelte die Stirn, als
sie unschlüssig näher kam. Sie zog sich den Schal vom Hals und auf Zehenspitzen
legte sie ihn um seinen Nacken. „Dir wird kalt“, erläuterte sie still, und
aufmerksam sah er sie an.
„Dir
nicht?“, wollte er wissen, und sie schüttelte den Kopf.
„Nein.
Mir ist nicht kalt.“ Vielleicht log sie, aber das war ihm egal, denn sie stand
nahe vor ihm, und sie lächelte.
„Granger-“,
begann er, wollte erklären, warum er den Aufwand betrieben hatte, warum es ihm
schwergefallen war, sie einfach zu fragen, als sie noch in Hogwarts
waren, und wieso es ihm leichter fiel, Dinge zu planen.
„-also, richtige Dates enden eigentlich anders“, unterbrach sie ihn, und alle
seine Gedanken erstarben. Sie… gab ihm die Erlaubnis, sie zu küssen! Zumindest
klang es danach, und ihn interessierte, warum sie ihre Meinung änderte, aber…
es hatte nicht die höchste Priorität.
„Ja?“,
erwiderte er, ein wenig heiser. „Hilf mir auf die Sprünge, ich mache so etwas
nicht sonderlich häufig“, murmelte er, und sein Blick fiel auf ihre schönen
Lippen. Röte kroch in ihre Wangen, die ohnehin schon rot vor Kälte waren. Ihr
Blick fiel.
„Vielleicht
irre ich mich auch, ich meine-“, begann sie ausweichend, aber er wollte nicht
mehr spielen, schloss verlangend den Abstand, legte den Arm um ihre dicke Jacke
und drückte sie näher an sich. Ihr Kopf hob sich gerade rechtzeitig, als er den
seinen senkte. Ihr Mund war warm, als er ihn verschloss, und sein Herz jagte.
Er spürte ihren heißen Atem, als sich ihre Lippen teilten, und er atmete sie
ein, öffnete ebenfalls seinen Mund, und ihre heißen Zungen trafen sich sanft.
Sie verlor sich, er spürte es. Sie hatte keine Angst, griff sogar in seine
Jacke, zog ihn näher, und er hasste, dass sie Handschuhe und Winterklamotten
trugen. Er konnte sie nicht so berühren, wie er wollte, aber es war trotzdem ein
verdammt perfekter erster Kuss.
Als
er endlich die Kälte in seinen Zehen spürte, löste er sich von ihren
geschwollenen Lippen.
„Lass
uns reingehen“, flüsterte er, wollte den Moment nicht zerstören, und sie wirkte
tatsächlich etwas beschämt, etwas ängstlich.
„Ok“,
erwiderte sie und wich einen Schritt zurück. Fast erfasste ihn Sorge, dass sie
wieder vor ihm davon rennen würde.
„Im
Keller gibt es eine Sauna“, sagte sie, und sein Kiefer gab nach. Ihr Mundwinkel
hob sich, und er setzte sich in Bewegung.
„Ist
das so?“, entkam es ihm rau, und die Beule in seiner Hose schmerzte ihn schon
jetzt massiv. Sie wurde knallrot. „Kann es sein, dass du mich magst?“, fragte
er sie lauernd, und sie senkte lächelnd den Blick.
„Ich…
weiß noch nicht, aber… die Chancen stehen gut, Malfoy“, entgegnete sie, und
ihre Angst war verschwunden. Er schloss zu ihr auf.
„Ja?
Erzähl mir mehr von der Sauna, Granger“, erwiderte er grinsend und mochte, dass
sie lächelte. Zusammen stapften sie zurück zum einladend leuchtenden Hotel, und
der Schnee begann wieder dichter zu fallen. Die Flocken legten sich auf Johns
Schal und Mütze, aber den Schneemann schien es nicht sonderlich zu stören. Es
lag ganz in seiner Natur.
– The End –