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Kapitel

Kapitel 1 , Kapitel 2 , Kapitel 3 , Kapitel 4 , Kapitel 5 , Kapitel 6 ,

Kapitel 7 , Kapitel 8 , Kapitel 9 , Kapitel 10 , Kapitel 11 , Kapitel 12 ,

Kapitel 13 , Kapitel 14 , Kapitel 15 , Kapitel 16 , Kapitel 17 ,

Kapitel 18 , Kapitel 19 , Kapitel 20 , Kapitel 21

 

Kapitel 1

 

~ Eight Months ~

 

Es gab entscheidende Momente. Und es gab mühsame. Hermine Granger musste wirklich sagen, dass im jetzt gerade die mühsamen Moment definitiv überwogen. Aber heute war ein Tag, an dem etwas entscheidendes passierte. Etwas, worauf sie seit acht Monaten wartete. Und es war etwas, dass sie nachts sehr schlecht schlafen ließ, weil sie sich immer noch aufregte, aber jetzt – heute – da war die Zeit vorbei.

 

Natürlich würde sie sich immer aufregen. Aber heute war es offiziell. Sie würde sich nicht mehr in aller Öffentlichkeit damit ärgern müssen. Und es war an der Zeit. Aber nicht nur der Brief der Magischen Bürgerverfahren war eingetroffen.

Es gab jeden Tag gute Nachrichten und schlechte Nachrichten. Und wer Hermine Granger aus der Schule kannte, wusste, dass sie strebsam gewesen war. Sie hatte die besten Noten gehabt, und nicht viel davon gehalten, irgendwo zu versagen.

 

Allerdings hatte die Hermine Granger mit der Hermine Granger aus der Schulzeit nicht mehr viel gemeinsam. Vielleicht hatte sie doch noch viel mit ihr gemeinsam, aber mittlerweile war es so, dass sie nicht die Wahl hatte, zwischen zwölf Fächern zu wählen, sondern die Wahl zwischen einem Meer von Berufen.

Und es waren zu viele. Sie hatte sich für zu viele beworben und sie hatte schon zu viele angefangen.

 

Der Beruf, der ihr unter den tausenden ansatzweise gefallen hatte, den hatte sie vor acht Monaten aufgegeben. Und sie hatte nicht vor, dorthin zurück zu gehen. Denn, wenn sie darüber nachdachte, dann hatte sie schon am ersten Tag sicher gewusst, dass es nicht ihre Zukunft sein würde.

 

Sie war als Auror mit Kusshand eingestellt worden, hatte in Harrys Team gearbeitet und sich selten so beobachtet und unwohl gefühlt. Sie hatte die Abteilung nach zwei Monaten gewechselt, war runter in die Mysteriumsabteilung gegangen und hatte dort die unergründlichen Geheimnisse erforscht, die ihr nach drei Wochen aber zu Kopf gestiegen waren und aus sicheren Gründen, musste sie gehen.

 

Sie war ins Sankt Mungo gegangen und hatte in der Londoner Heilschule eine Ausbildung zur Heilerin begonnen. Und sie hatte sie nach zwei Jahren abgeschlossen. Sie hatte ihr Diplom in die Hand gedrückt bekommen und wurde Vom Mungo direkt abgeworben.

 

Und sie war dort, hatte dort gearbeitet und hatte Menschen sterben sehen, hatte gesehen, wie sie an ihre Grenzen kam, wenn sie nicht in der Lage war, die Menschen zu heilen und war daran zerbrochen.

Sie hatte beim Tagespropheten angefangen, der sie gebeten hatte, eine wöchentliche Kolumne zu verfassen, über ihr Leben als Muggel, ihre Abenteuer mit Harry Potter, ein Ratgeber für kluge Frauen aus einem Muggelhaus.

 

Sie hatte sich gelangweilt, denn die Büroarbeit war zwar angenehm und ohne Aufregung, aber sie war stumpf. Sie hatte nicht lange bleiben können und war noch völlig eingenommen von ihrem Heilkundestudium gewesen.

 

Sie wusste, es war keine verschwendete Zeit, aber es war Zeit, die sie jetzt verloren hatte, vor allem, weil sie sich doch für ein anderes Berufsfeld entschieden wollte.

 

Magisches Recht war als nächste auf ihrem Radar gewesen. Sie hatte sich beworben in der Abteilung des Ministeriums. Sie wusste, sie hatte nicht endlose Freikarten für das Ministerium, aber dieses Mal taten sie ihr den Gefallen, taten es ab, als jugendlicher Leichtsinn, dass sie sich noch nicht festlegen konnte.

Magisches Recht hatte ihr gelegen. Sie hatte Urteile verhangen, hatte sich wohl gefühlt, mit der Macht und der Entscheidungsfähigkeit und hatte das einjährige Studium dual mit der Arbeit in der Abteilung abgeschlossen.

 

Und sie hatte ganze zwei Jahre ausgehalten. Das hatte noch andere Gründe gehabt. Wesentlich andere Gründe, die nichts mit der Arbeit zu tun gehabt hatten. Und vor acht Monaten hatte sie ihre Stelle aufgegeben. Sie hatte das Ministerium verlassen, aber ihre Vorgesetzten waren sehr zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen, also würde sie wohl immer die Möglichkeit haben, in diese Abteilung zurückzukehren, aber sie hatte sich dort nie wieder beworben.

 

Sie hatte Ron im Scherzartikelladen ausgeholfen, hatte in Hogwarts als Vertretung Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet und hatte sogar in einer Praxis für Tierheilkunde angefangen. Es war anders als die Heilkunde für Menschen, aber sie konnte es besser ertragen.

 

Es hatte ihr allerdings nicht gefallen und sie hatte nach nur einer Woche die Stellung verlassen. Sie wusste, sie konnte mit niemandem darüber reden, denn Harry war nun seit zehn Jahren erfolgreich in seinem Job, war zum Abteilungsleiter des Aurorenbüros befördert worden und Ginny arbeitete halbtags ebenfalls als Auror. Seit der Geburt von James hatte sie darauf verzichtet, wie Harry jeden Tag acht Stunden dort zu verbringen.

 

Ron arbeitete seit dem Abschluss zusammen mit George im Laden und sie erlebten einen bombastischen Verkauf nach dem anderen, da Ron auf einen simplen aber genialen Verhüllungszauber gestoßen war. Für das Ministerium war es für die verdeckten Ermittlungen ein absolutes Muss!

 

Luna hatte die Redaktion des Klitterers übernommen und Ernie MacMillan war stellvertretender Redakteur des Tagespropheten. Neville war Professor für Kräuterkunde und hatte große Chancen, irgendwann zum Schulleiter aufzusteigen.

 

Pansy stand zwischen ihrer ersten und ihrer zweiten Hochzeit, nachdem sie nach dem Verfahren mit Blaise sein Haus und die Hälfte des Zabini Vermögens ergattert hatte, hatte sie doch tatsächlich eine Beziehung mit Gregory Goyle angefangen, der sie nach einem Jahr endlich um ihre Hand gefragt hatte.

Im Eulenhaus von Gregory hatte Hermine auch eine Zeitlang gearbeitet. Direkt nach der Zeit in der Praxis für Tierheilkunde.

 

Es war eine dramatische Zeit zwischen Pansy und Gregory, aber wenn sie die Sorgen anderer betrachtete, dann kam ihr ihr eigenes Leben immerhin nicht mehr ganz so chaotisch vor. Das war auch die Zeit gewesen, in der sie sich mit Pansy gestritten hatte, bis es unerträglich wurde. Jetzt hatte sie Pansy eine Weile nicht mehr gesehen.

 

Sie wusste, was Harry und Ginny dachten. Sie wusste es ziemlich genau. Aber sie waren höflich genug, es nicht auszusprechen. Ihre Eltern waren sowieso jenseits von Gut und Böse. Nicht nur, dass sie keinen Job länger als zwei Jahre halten konnte, sie war zurzeit sogar schon wieder auf der Suche.

 

Aber sie würde heute zumindest ins Ministerium gehen, und dieses Mal sogar aus Gründen, die nichts mit der Jobsuche zu tun hatten. Das gefiel ihr persönlich auch mal ganz gut. Sie hielt den Brief in der Hand und musste nur noch ihre Unterlagen abholen, dann konnte sie wieder ruhig schlafen. Und sie würde sich nach einer neuen Wohnung umsehen. Es war bezeichnend, dass sie noch nicht mal ansatzweise die Kisten ausgepackt hatte.

 

Sie standen ziemlich lieblos auf dem Boden. Sie kaute hastig die letzten Bissen ihres kargen Frühstücks und griff sich die Schlüssel von ihrem Tisch. Sie musste kurz inne halten, ehe sie die temporäre Wohnung verließ.

Sie hatte Geld. Es war nicht das Problem, dass sie kein Geld besaß. Diese Wohnung hatte sie temporär gemietet. Sie hatte gewusst, schon vor acht Monaten, dass sie warten musste, ehe sie wirklich wieder anfangen konnte, ihr Leben so zu leben, wie sie es gewohnt war.

 

Sie hatte aushalten müssen. Es hatte der entscheidende Moment eintreten müssen. Und es störte sie immer wieder. Sie war so ordnungsliebend und wusste immer ganz genau, was ihr nächster Schritt sein würde. Seit zehn Jahren war sie mehr schlecht als recht dabei, ihr Leben zu ordnen.

Und die letzten zwei Jahre und acht Monate waren bestimmt nicht der Höhepunkt ihres Lebens gewesen.


Davor war sie ruhelos gewesen, hatte sich nicht entscheiden können, wie sie ihr Leben sinnvoll verbringen wollte, aber jetzt… jetzt sah sie so etwas wie einen hellen Lichtblick in der Verwirrung und der Dunkelheit.

Sie hatte keine Lust mehr, Fehler zu machen. Sie würde sich natürlich erlauben, einen schlechten Schuhtag zu haben, oder vielleicht die falsche Sommerfrisur zu wählen, aber sie würde keinen Fehler machen, der ihre eigene Sphäre verließ.

 

Sie würde ihre Stunden nicht mehr im Gericht verbringen, um sich zu streiten. Nicht über Vermögen, nicht über Anlagegegenstände, die sie vielleicht oder vielleicht nicht, wollte.

 

Sie würde sich nicht mit ihren Eltern darüber streiten, was Entscheidungen für Konsequenzen nach sich zogen. Sie würde es nicht mehr diskutieren. Mit niemandem mehr. Impulsivität hatte sie abgelegt. Und sie war etwas überfordert. Sie war eigentlich nie überfordert, aber seit acht Monaten war sie wieder ruhelos. Sie versuchte, das Perfekte zu finden. Mit ihrem Leben das anzufangen, von dem sie wusste, dass es exakt das war, was sie tun wollte.

Sie wollte nicht die anderen ansehen und wissen, dass sie ihren Platz im Leben gefunden hatten, und sie immer noch am Suchen war.

 

Heute würde sie offiziell ihren Namen zurückbekommen. Sie würde ins Ministerium gehen, was ihr so vertraut war, wie nichts sonst auf der Welt und sie würde in den achten Stock fahren, um dort hinter einer Tür zumindest einen kleinen Meilenstein in eine richtige Zukunft zu finden.

 

Sie hatte viel erlebt. Magische Ausbildung, die Flucht vor Todessern, Aufstände und einen Krieg. Sie hatte überall gearbeitet, wo es sich zu arbeiten lohnte. Sie hatte viel gesehen und sie hatte sich wohl gefühlt, genauso wie sie sich schlecht gefühlt hatte.

 

Sie hatte geheiratet und vor acht Monaten ihre Scheidung endlich durchgebracht. Und jetzt, acht Monate später bekam sie endlich ihren Nachnamen zurück, den sie vor lauter Überschwang abgegeben hatte.

Liebe machte blind. Und dumm. Zu diesem Schluss war sie gekommen. Sie war nicht kompatibel. Man erzielte nicht ausgezeichnete Einzelleistung, weil man ein ausgezeichneter Teamspieler war. Nein, sie erzielte gute Leistung, weil sie alle ihre winzigen Bälle in der Luft halten konnte.

 

Natürlich konnte sie keine Beständigkeit in ihrem Leben verzeichnen, aber sie konnte mit Fug und Recht behaupten, dass sie keine Chance am Wegesrand liegen gelassen hatte!

 

Sie warf den vollen Umzugskisten einen bösen Blick zu, als wären sie Schuld an allem Übel, und verließ die Wohnung, die sie zum Ende des Monats kündigen würde, damit sie endlich eine Wohnung auf ihren eigenen Namen anmieten konnte. Und nicht auf den Namen ihres Exmannes.

Nie wieder auf den Namen ihres Exmannes!

 

~*~

 

Sie war nervös. Mit jedem Stock, den sie höher fuhr, verschlechterte sich ihre Laune und ihre Fußspitze tippte nervös auf den Marmorboden im Fahrstuhl. Es war fast lächerlich. Als könne die Nähe auf einmal ihren Gemütszustand ändern. Sie war hier eigentlich viel zu oft, als dass sie sich noch eine Stimmungsschwankung erlauben konnte.


„Achter Stock – Magische Bürgerverfahren“, sagte die kühle Stimme und sie eilte aus dem Fahrstuhl. Sie sah nicht nach links, nicht nach rechts und hastete den Flur entlang. So dringend sie versuchte, langsam zu laufen, ja, sogar erhaben, stellte sie fest, wie die Luft zum Atmen aus ihren Lungen verschwand. Also beschleunigte sie ihre Schritte.

 

Sie klopfte an die Tür und wartete nicht ab, bis Mr Dyke sie hereinbat. Der Name stand zumindest auf dem goldenen Schild neben der Tür.


„Hallo, Hermine Granger. Ich komme für die Unterlagen? Den Ausweis und die anderen Dokumente?“, sagte sie hastig und lächelte breit, damit er keine weitere Fragen stellen konnte. Der Mann nickte langsam und suchte, wie eine Schildkröte in einem Berg von Akten. Sie spürte, wie sie anfing zu schwitzen. Es war doch unglaublich!

 

Sie musste sich beruhigen, denn es würde ihr auch nichts bringen, den Teufel direkt an die Wand zu malen. – Oder den Wolf schon selber vor die Tür zu stellen, überlegte sie, böse auf sich selbst.


Ms Granger, hier haben wir Sie. Alles sieht gut aus. Der Name steht auf allen Formularen, wird in Ihren zukünftigen Mietverträgen stehen, Ihrem möglichen Arbeitsvertrag und auf dem Ausweis.“ Er reichte ihr einen Ordner und sie schnappte ihn aus seiner Hand.

 

„Ich danke Ihnen. Vielen Dank“, sagte sie hastig und verließ das Büro so schnell, wie sie gekommen war. Den Blick nach links und rechts geworfen und dann stürmte sie wieder zum Fahrstuhl. Sie sah niemanden, sprach mit niemandem und hatte sich umsonst Panik gemacht.

 

Aber sie wusste, wäre sie nur eine Sekunde unaufmerksam, dann konnte sie damit rechnen, in die schlimmste aller Situationen zu geraten.

Und das hatte sie bestimmt nicht vor! Sie hatte sich nicht acht Monate perfekt verhalten, um dann wegen ihrer eigenen Unachtsamkeit direkt ins Messer zu laufen.

 

Sie hatte gesehen, wie sie werden konnte. Sie hatte sich vor sich selbst gefürchtet. Sie hatte sich noch nie so wütend, so böse, so rachsüchtig erlebt, wie vor acht Monaten. Nein, eigentlich schon eher. An dem Tag, an dem sie festgestellt hatte, das die Ehe scheitern würde, da hatte sie sich wohl am allermeisten überrascht.

 

Hatte sie sonst bisher alles ertragen, die Möglichkeiten abgewogen und war sie immer perfekt mit allen Situationen umgegangen, dann war an diesem Tag ihr sprichwörtliches Fass übergelaufen.

Es war das erste Mal gewesen, dass sie einen ganzen Esstisch umgeflucht hatte. Das erste Mal, das etwas zu Bruch gegangen war, das ein Zauber zwar reparieren, aber nichts in der Welt wieder richten konnte.

 

Sie hatte sich verschätzt. Sie hatte sich hoch verrechnet, und dafür hatte sie einen herben Preis zahlen müssen. Sie hatte feststellen müssen, dass sich gewisse Dinge nicht ändern würden. Dass sie gewisse Dinge nicht ändern konnte, egal, wie gut sie in der Schule gewesen war. Egal, wie viele Kriege sie gewonnen hatte. Egal, wie viel Wissen sie sich aneignete und egal, wie überzeugt sie war, von dem präzisen Erfolg.

 

Und mittlerweile hatte sie sich abgefunden. Eine Scheidung ließ Menschen bitter werden. Weiser, einsichtiger. Hermine Granger allerdings war vorsichtig geworden. Jetzt überlegte sie, sie plante, und zu allem Überfluss wurde sie nicht nur weiser. Alles kam mit einem Preis. Sie war jetzt siebenundzwanzig. Sie hatte keinen Job, keinen Mann, und in zwei Wochen hatte sie auch keinen Mietvertrag mehr.

 

Sie kannte die meisten Gesichter, die ihr im Atrium zunickten. Aber sie hatte auch schon in bestimmt sieben Abteilungen gearbeitet. Und sie war bekannt. Natürlich war sie das. Sie war Harry Potters beste Freundin.

Das war gut, denn so bekam sie die Möglichkeit, Arbeit nach Arbeit auszuprobieren und man nahm es ihr nicht lange übel. Aber es war auch schlecht, denn nicht alle waren geneigte Harry Sympathisanten.

 

Auch das hatte sie feststellen müssen.

 

Aber auch wenn sie zurzeit arbeitslos war und ziemlich unbeständig lebte, musste sie sagen, heute ging es ihr ziemlich gut. Besser als vor acht Monaten!

 

 

Kapitel 2

~ Morning Glory ~

 

„Hast du heute vor, zum Training zu kommen?“, fragte Blaise und Draco wusste, dass man das Hobbyfliegen nicht als Training bezeichnen konnte.

Es war wie ein Test. Es war eine Fangfrage, die Blaise seit Wochen, nein - seit Monaten zu stellen pflegte.

 

„Nein“, erwiderte Draco also, wie er es jede Woche tat.


„Weißt du, irgendwann werden wir dich aus der zweiten Fliegerreihe streichen und einen anderen ins Team nehmen“, erklärte Blaise mit erhobener Augenbraue.

 

„Gereizt?“, erkundigte sich Draco, während er die Fälle für morgen schon mal auf seinen Schreibtisch legte. Die braunen auf den braunen Stapel. Die grünen auf den grünen. Braun war eilig, grün war absolut höchste Priorität.

 

„War rot nicht die Farbe für die absolute Dringlichkeit?“, fragte Blaise und Draco übersah diesen Seitenhieb wieder einmal.


„Nein, rot wurde degradiert zu-“ Er unterbrach sich und erhob sich abrupt. „Was willst du noch?“, fragte er in voller Absicht unhöflich zu klingen.


„Man behält immer Angewohnheiten aus alten Ehen zurück. Wegen Pansy gehe ich immer noch zur Maniküre. Lächerlich“, entgegnete Blaise, aber Draco wollte weder über seine Ordnung, noch über Blaises Fingernägel sprechen. „Harry hat nach dir gefragt, und ob er deinen Platz im Team aufgeben soll?“, fuhr Blaise jetzt fort, nachdem Draco sich seinen Mantel vom Haken gegriffen hatte.

 

„Was für eine dumme Frage. Er kann den Platz gerne aufgeben“, erklärte Draco ungerührt. Er hatte seit Ewigkeiten kein Quidditch mehr im Team gespielt. Bestimmt seit einem Jahr nicht mehr.

 

 „Hast du es eilig?“ Ja, er wollte von Blaise wegkommen, aber das sagte er nicht laut. Noch nicht, zumindest.


„Ich habe eine Verabredung, wenn du es wissen willst.“

 

„Wieder die schöne Astoria? Wird das ernst?“

 

„Es wird nie ernst.“

 

„Tja, einmal die Finger verbrannt, Malfoy…“, lachte Blaise und Dracos Lippen wurden schmal.


„Ich verbrenne mir bestimmt nicht meine Finger.“

 

„A propos…“, fuhr Blaise fort. „Hast du dir schon überlegt, ob du den Fall annehmen willst?“ Und jetzt war Blaise wieder der Blaise, mit dem er noch gerne seine Zeit verbrachte. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.

 

„Welchen Fall?“, fragte Draco und wusste genau, um was es ging. Dass er log, das wusste er, und Blaise wusste es auch.

 

„Den Fall, an dem wir uns alle die Finger verbrennen werden“, entgegnete sein langjähriger Freund und erster und einziger Trauzeuge. Er hätte nicht von Blaise erwartet, tatsächlich vor einem Fall zurückzuschrecken. Er hatte ihn bereits abgelehnt.

 

„Ich übernehme den Fall. Leg ihn mir auf den Tisch.“ Blaise wirkte kurz beeindruckt. Draco beeindruckte sich selbst hin und wieder. Es war auch beeindruckend, dass er Astoria noch nicht verlassen hatte. Es war beeindruckend, wie gut er zurechtkam. Und das jetzt schon seit einer Weile, wo er doch sicher gewesen war, es nicht zu schaffen.

 

Natürlich würde er das niemals laut ausgesprochen haben. Er hatte erwartet, die mörderische Phase würde noch länger andauern. Aber eines Morgens war er aufgewacht und hatte es überwunden.

 

Obwohl das auch gelogen war. Er dachte die Lüge, und ihm fiel auf, dass überwinden und verleugnen sehr nah beieinander wohnte. Sie waren praktisch freundliche Nachbarn. Er spürte, wie er bitter wurde, aber er verdrängte den Gedanken.

Und der Tag? Der Tag, an dem er „überwunden“ hatte…, es war der Tag vor zwei Monaten gewesen, an dem er ein Formular unterschreiben musste, dass er in völligem Einverständnis mit seiner Exfrau darüber übereinkam, seinen Nachnamen aus ihrem eigenen Leben komplett zu streichen.

 

Er hatte tausend Dinge von sich erwartet. Tausend, wenn nicht mehr.

 

Aber nicht, dass er innerhalb von zehn Minuten den magischen Vertrag gelesen, unterschrieben und zurückgeschickt hätte.

Und genau das war passiert. Und genau seit dem Tag verschwendete er keine einzige Sekunde mehr mit auch nur einem lächerlichen Gedanken an die Vergangenheit. Seit diesem Tag war er auf die Avancen der vielen, unzähligen Frauen eingegangen, die schon in der Schlange standen.

 

Und es war verflucht großartig.

 

Verdrängen – überwinden. Wo lag der Unterschied? Es fühlte sich exakt gleich an. Obwohl er annahm, dass die Überwindung keinen so bitteren Nachgeschmack im Mund hinterließ, wenn er sich abends mit ihr schlafen legte. Die Verdrängung war nur erfolgreich, solange er sich die Mühe machte, sie aufrecht zu erhalten.

 

Aber er machte sich gut. Er war immer gut. Er war verflucht ausgezeichnet, in allem, was er tat. Also war das kein Problem für Draco Malfoy. Genauso wenig wie der Fall, den alle ehemaligen Todesser in der Abteilung fürchteten.

Ein Fall, der vielleicht leichtsinnig zu übernehmen war.

Ein Fall eines Todessers, der aus Askaban entlassen worden war und anschließend von einer Muggel angezeigt worden war, sie gefoltert zu haben. Vor der Inhaftierung.

 

Ein Fall, der seit einem Jahr auf der kalten Kante lag. Seitdem befand sich der Todesser nämlich wieder in magischer Vertrauenshaft und wurde rund um die Uhr bewacht. Eine solche Strafe war zwölf Monate lang möglich. Dann musste ein Verfahren entscheiden, wie der Fall behandelt werden sollte.

Und der Fall war durch sämtliche Pressen gegangen und das Für und Wider war wochenlang komplett ausgeschlachtet worden.

 

Sämtliche magischen Möchtegern Forscher hatten sich angeboten, den inhaftierten, ehemaligen Todesser zu untersuchen, festzustellen, ob die Aussage zutreffend war und ob er für das Vergehen, was er vielleicht begangen hatte, noch einmal bestraft werden könne, wo er doch schon lange Zeit in Askaban gewesen war.

 

Draco befiel starre Übelkeit, wenn er daran dachte. Denn dieser Fall war nicht einfach nur ein kompliziertere, unmöglicher Fall, der niemals gerecht entschieden werden konnte – nein. Dieser Fall war der Punkt des monumentalen Streits gewesen. Der Streit seines Lebens, wenn man so sagen wollte.

 

Der Streit der schlaflosen Nächte. Der Streit der fliegenden Tische. Der Streit des zerbrochenen Geschirrs. Der Streit der Scheidung.

 

Er wusste natürlich, der verfluchte Fall hatte wohl herzlich wenig mit all dem zu tun. Es ging lediglich um das, für das der Fall symbolisch stand. Der Fall war nur ein Symptom der Unmöglichkeit gewesen. Die Unmöglichkeit, die von Anfang bestanden hatte, die er immer hatte übersehen wollen und die er zwei jahrelang mit stoischer Perfektion übersehen hatte.

 

Ihn jetzt zu übernehmen, bedeutete, sich erneut mit diesen Gefühlen auseinander zu setzen. Allerdings glaubte er, dass er mittlerweile darüber hinaus gewachsen war und diese Gefühle nicht mehr an die Oberfläche kommen würden. Wie auch? Jetzt gab es keinen Auslöser mehr in seiner Nähe. Er war in der Abteilung der uneingeschränkte Analytiker. Er war Dogmatiker und prädestiniert für solche Fälle.

 

Er war über den Fall und über das, wofür der Fall stand hinausgewachsen und war froh darüber. Seine Fingerknöchel wurden nicht mehr weiß vor Wut, wenn er an den Fall dachte.

Er glaubte nicht an Therapie oder die Idee, die dahinter stand. Aber vielleicht war es nötig, dass er diesen Fall bewältigte.

Bewältigung – Verdrängung – Überwindung. Vielleicht gehörte Bewältigung auch zu den beiden Nachbarn. Er wusste es nicht.

 

Es würde ein Leichtes sein, zu beweisen, dass er diesen Fall ohne das geringste Problem übernehmen konnte. Er war Draco Malfoy.

 

„Wie du meinst“, erwiderte Blaise schließlich. „Ich komm mit dir runter. Ich für meinen Teil freue mich, gleich zu fliegen. Aber der Herr scheint ja mittlerweile selber wieder die Höhenflüge zu genießen“, ergänzte Blaise mit einem Lächeln.

 

„Oh ja“, erwiderte Draco und hob eindeutig die Augenbrauen.

 

Er spürte schon ein Kribbeln in den Fingerspitzen, wenn er an Astoria Greengrass dachte. Ich Körper war ein absoluter Traum. Sie war vollkommen perfekt.

Gerade richtig für ihn. Sie war eine glorreiche Eroberung.

Er hatte vergessen, wie wichtig Sex am Morgen für das tägliche Wohlbefinden doch war. Und es war eine Schande, dass er das hatte vergessen können.

 

~*~

 

Er hatte sich nicht daran erinnert, einen Durchschlag der Dokumente verlangt zu haben. Aber das musste wohl der Fall gewesen sein, denn ansonsten würden sie ihn jetzt wohl kaum auf dem Tablett anstarren.

 

Avalon“, rief er und der Elf erschien mit einem leisen Plopp. Der Anzug des Elfen war maßgeschneidert und Draco erinnerte er sich, wie viel Wert er darauf gelegt hatte. Der Elf legte die Stirn in fragende Falten.


„Master Draco?“, fragte er mit rostiger Stimme, die Draco an manchen Tagen beunruhigte.

 

„Ist das alles an Post?“, erkundigte er sich und der Elf wirkte beleidigt.

 

„Gewiss. Glauben Sie, ich enthalte Ihnen Briefe vor?“ Draco hob kurz den Blick. Gerne würde er dem Elf erklären, dass er ihn bezahlte und mit seinem Gold auch gleichzeitig garantierte, dass der Elf höflich und untergeben war. Aber er hatte in der Vergangenheit schon festgestellt, dass Avalon Eigenarten besaß, die alles Gold der Welt nicht ändern konnten.

 

Und es gefiel Draco. Es kam ihm nicht so vor, wie ein Dienstleistungsverhältnis. Es kam ihm eher so vor wie eine Art Symbiose. Aber er wusste, seit einem Jahr war der Elf kühler geworden. Distanzierter und wesentlich unumgänglicher.

 

„Nein, tue ich nicht“, sagte Draco und ging durch den Rest an Post.


„Ihr Gast ist über Nacht geblieben?“, fragte der Elf und Draco wusste, Avalon empfand es als impertinent.

 

„Ja, Ms Greengrass ist über Nacht geblieben“, erklärte Draco.


„Dann wird sie wohl Hunger haben, Sir?“ Und Draco fiel es wieder wie Schuppen von den Augen. Er hatte sich schon wieder nicht darum gekümmert. Astoria hatte es ihm erst vor zwei Wochen vorgehalten. Er wachte auf, weckte sie, um mit ihr zu schlafen, was großartig war, und ging danach duschen.

 

Meist drehte sie sich noch mal um, oder ging danach dann ins Bad. Aber wenn sie runter kam, dann war er fertig mit essen, mit seinem Morgenkaffee und dem politischen Teil des Tagespropheten. Und Astoria hatte er über seinem Ritual schon völlig vergessen gehabt.

 

Er fluchte unterdrückt. Und es störte ihn, dass er fast zu stur war, selber daran zu denken. Das Interessante war außerdem, dass er kein schlechtes Gewissen bekam. Tief in seinem Innern, war es ihm nämlich egal. Ob sie hier aß, oder nicht. Ob er sie morgens noch einmal sah oder erst wieder am Abend. Oder am nächsten Tag. Und er kannte Frauen. Er wusste, irgendwann würde selbst seine Gleichgültigkeit Probleme herauf beschwören. „Stell ihr einen Teller hin“, sagte er also. Ihm war bewusst, wie kühl diese Worte klangen.

 

Aber er war nicht in der Stimmung, andere zu wählen.

 

„Wird sie heute Abend auch hier bleiben?“ Es war eine Fangfrage.

 

„Das ist meine Angelegenheit.“ Draco öffnete ungerührt den Brief vom Ministerium und der Elf verschwand, wie er gekommen war. Aber die Antwort auf die Frage, die der Elf ihm stellte, wusste Draco sowieso nicht.

Natürlich war sie kein Dauergast. Nicht in hundert Jahren, würde er sie fragen, bei ihm einzuziehen oder etwas Derartiges.

Man musste nicht ständig alles definieren.

 

Der Brief vom Ministerium definierte es allerdings schon ziemlich genau.

Vom heutigen Tag an, würde der Name Malfoy in Grangers Leben keine relevante Rolle mehr spielen.

 

Seine Mundwinkel zuckten kurz, ehe die Gleichgültigkeit einen Weg zurück in sein Gesicht fand. Er steckte den Tagespropheten in seine Tasche und bereitete sich innerlich schon darauf vor, den Fall des Jahres zu übernehmen.

Wenn er es gut meisterte, dann würde er in die Ministeriumsgeschichte eingehen. Dann konnte er jeden Morgen mit dem Gedanken aufwachen, den Fall, der ihm früher Albträume bereitet hatte, endlich besiegt zu haben.

 

Ein verflucht epischer Gedanke.

 

Auf seinem Weg nach draußen zerknüllte er den Brief des Ministeriums in seiner Hand und warf ihn draußen in den nächsten Papierkorb.

 

 

Kapitel 3

~ The Friends we choose ~

 

 

„- und ich hatte bestimmt zwanzigtausend Galleonen auf das Tier gewettet. Du glaubst ja nicht, wie unvorhersehbar diese Hippogreifrennen geworden sind.“

 

„Zwanzig tausend für einen Hippogreif? Hast du nichts Besseres zu tun, Blaise?“ Sie erkannte Millicent Bullstrode. Hager und mit unerträglich hoher Stimme. Neben ihr stand Blaise Zabini im schwarzen Anzug. Und Pansy Parkinson-Zabini nippte gelangweilt an einem Drink. Hermine wusste, Blaise ging seit einer Weile mit Millicent aus. Aber mehr wusste sie auch nicht.


„In Paris sind diese Renne verboten. Aber ich halte sie für geschmacklos. Auf der magischen Schönheitsfarm, auf der ich war, haben sie tatsächlich noch Hauselfen beschäftig“, erklärte Pansy, der desinteressierten Millicent.

 

„Aha… ja, ich hab gehört, die werden immer dreister und verlangen jetzt noch mehr Bezahlung“, erwiderte Millicent mit kieksiger Stimme. Blaise schenkte ihr einen kurzen Blick, bei dem er geflissentlich die Augen verdrehte. Anscheinend mochte er Millicent unterm Strich genauso wenig, wie die anderen sie mochten. Manchmal fehlten ihr die Abendessen mit Blaise. Und mit Pansy. Aber das würde sie vor Pansy nicht zugeben.

 

„Der Alkohol ist nicht im Mindesten stark genug, Harry“, beschwerte sich Pansy und sah sich hilfesuchend um. Als erwarte sie, dass Harry ihr den Alkohol stärker hexte. „Wo ist Harry überhaupt?“, fragte sie schlecht gelaunt und dann blieb ihr Blick an ihr hängen. Und Hermine wusste nicht genau, wie sie jetzt unauffällig gehen sollte. Auch Pansy wirkte kurz überfordert. Aber sie enttäuschte Hermine nicht.

 

Sie betrachtete kurz ihre Erscheinung – und im Vergleich zu Pansys schwarzem, knappem Kleid, was mehr zeigte, als dass es verhüllte, wirkte sie natürlich wie ein Bauer. Auf einer normalen Farm. Nicht auf einer Schönheitsfarm, überlegte sie dumpf. Pansy lächelte. Ein Lächeln, das man einem lästigen Vertreter schenkte, damit er verschwand. Es bestand die typische Hass-Freundschaft zwischen ihnen. Die Gefühle waren nicht allzu warm, aber Pansy war… eben Pansy. Und mit der Zeit hatte sie sie zu schätzen gelernt. Manchmal.


„Hermine“, rief sie laut. „Wie schön.“ Und das war es ganz bestimmt nicht. Sie fühlte sich durchleuchtet und wünschte sich, Harry wäre an ihrer Seite. Aber es war keine Hilfe in Sicht. Sie tat also, was sie am besten konnte: Sie war furchtlos.

 

„Pansy“, erwiderte sie und konnte sich an kein freundliches Gespräch mit Pansy im letzten Jahr erinnern.


„Gut siehst du aus. Was machst du zurzeit?“ Pansy schaffte es, mit unverfänglichen Fragen, jeden Nerv zutreffen.

 

„Im Moment? Ich bin auf der Suche“, erwiderte sie und nahm Blaise den Sekt ab, den er ihr zwinkernd reichte.

 

„Auf der Suche?“, wiederholte Pansy. „Nach Arbeit? Oder nach einem Mann?“ Hermine versuchte sich an einem nonchalanten Lächeln.

 

„Nach Arbeit“, sagte sie also betont freundlich.


„Das scheint so eine Sache von dir zu sein. Bist du schnell gelangweilt oder gefällt dir die Arbeit nicht?“

 

„Ja“, erwiderte Hermine voller Elan. Blaise unterdrückte ein Lachen.

 

„Hermine, schön dich zu sehen“, erklärte er. Und Hermine freute sich auch. Denn wenn sie Blaise sah, dann nur, wenn Harry eine Quidditch Party gab und die Spieler des Teams einlud.


„Wo wohnst du eigentlich?“ Pansy musterte sie und Hermine war die Feindschaft heute Abend eigentlich leid. Wirklich leid.


„Ich wohne in einem Schweinestall. Ich teile ihn mir mit diversen Tieren des Waldes. Deswegen trage ich auch keine Pariser Mode und weil ich keinen Stilverstand oder überhaupt Modebewusstsein habe und nicht über Strebsamkeit verfüge,  bin ich arbeitslos und trinke hier.“ Das Lächeln ging ihr dennoch leicht über die Lippen.

 

Pansy jedoch wirkte kurz überrumpelt.


„Das war kein Vorwurf, Hermine“, entgegnete Pansy reichlich konsterniert.

 

„Nein, natürlich nicht. Du würdest mir niemals irgendeinen Vorwurf machen, oder Pansy? Das liegt nicht in deiner Natur, schlecht über andere zu sprechen. Ob sie nun vor dir stehen oder ob du es hinter ihrem Rücken tust.“ Sie prostete der verwirrten Pansy zu und verließ dann die kleine Gruppe.

 

Sie war wütend.

 

„Grandios, Hermine“, lachte Ron, der sich neben sie stellte.

 

„Bitte, du nicht auch“, flüsterte sie gereizt.

 

„Keine Angst. Pansy ist auch nicht mein liebster Gast. Sie ist eben schwierig.“ Ja, das wusste Hermine.

 

„Wo ist Harry überhaupt?“, fragte sie jetzt und Ron deutete in die Menge.

 

„Ich glaube, er zeigt gerade James in der Runde rum.“ Harry gab mit seinem Sohn an, wo er nur konnte. Er war ein vierjähriger Prinz. Harry verwöhnte ihn zu sehr. Ginny war da vollkommen anders. James hatte Glück, wenn er mit einem verschmitzten Lächeln bis zu Tür kam. Ginny kannte seine Tricks und war strenger als ihre eigene Mutter, wenn es um Streiche oder Ungehorsam ging. Hermine wollte nicht in James‘ Schuhen stecken.

 

„Hermine, hey, alles klar bei dir? Lange nicht mehr gesehen.“ Blaise gesellte sich zu ihnen.


„Blaise, schön mal wieder mit dir zu sprechen“, sagte sie und Ron grinste ihn an.


„Ich nehme mal an, du hast es nicht mehr ausgehalten“, murmelte Ron leise, dass Pansy ihn nicht hören konnten. Blaise fuhr sich durch die dunklen Haare und seine Augen wanderten wieder zurück zu der Gruppe an Menschen, die Hermine gerade so stürmisch verlassen hatte.

 

„Absolut nicht. Ich glaube Pansy ist immer noch beleidigt und möchte mir auch noch mein letztes Hemd vom Körper klagen“, sagte er bitter.

 

„Du scheinst aber auf offene Feindseligkeit zu vernichten“, bemerkte sie beeindruckt.

 

„Oh ja. Ich stelle mir vor, sie wäre die Exfrau von jemand anderem“, erklärte er schulterzuckend.

 

„Und das funktioniert?“, wagte sie zu zweifeln, aber er ruckte mit dem Kopf. Ron entdeckte Harry und nickte ihr und Blaise zu. Dann verschwand er wieder zwischen den Menschen.

 

„Hör zu, ich weiß, wir reden da nicht mehr drüber und… es ist auch eigentlich egal, aber… er wird den Fall übernehmen.“ Auch wenn Blaise keinen Namen genannt hatte, wusste sie sofort, von wem er sprach. Und das Gefühl war kein angenehmes.


„Aha“, sagte sie und hoffte, Blaise würde das Thema fallen lassen.


„Du weißt schon. Der Fall“, fügte er mit einem eindeutigen Unterton hinzu.


„Du weißt, ich arbeite schon lange nicht mehr in eurer Abteilung, Blaise“, sagte sie und versuchte ebenfalls auf offene Feindseligkeit zu verzichten, weil Blaise jemand war, den sie noch leiden konnte. Ihr Freundeskreis wurde schwindend schnell geringer, stellte sie immer wieder fest.

 

„Draco übernimmt den Todesser-Fall“, sagte er eindringlich und Hermine vergaß kurz, dass sie eigentlich nichts davon wissen wollte. „Ich dachte, es interessiert dich vielleicht.“

 

„Überhaupt nicht“, log sie und leerte ihr Sektglas.

 

„Gut. Wenn es dich überhaupt nicht interessiert, dann dürfte dich auch nicht interessieren, dass die betroffene Muggel zu mir gekommen ist, um nach einem geeigneten Rechtsmagier zu fragen. Ihrer ehemaligen Rechtsmagierin, um präzise zu sein“, fuhr er gedehnt fort.

 

„Was soll das, Blaise? Ich arbeite dort nicht mehr. Und du bist ein geeigneter Anwalt, also übernimm es doch.“ Blaise verzog den Mund.

 

„Sag das Wort nicht, Hermine. Das klingt so… trocken.“ Hermine verstand es nicht. In der Rechtsabteilung arbeiteten eben Anwälte. Ob in Muggelfirmen oder bei den Zauberern. Aber die Zauberer bevorzugten tatsächlich das Wort Rechtsmagier, was Hermine nicht begreifen konnte. Aber sie verdrehte die Augen.


„Schön, du bist Rechtsmagier, dann wünsche ich dir viel Spaß beim Fall.“

 

„Weißt du, das war mir damals schon viel zu kontrovers. Das Ministerium hatte auch große Sorgen, als du dich angeboten hast, die Anklage zu übernehmen. Zwei Parteien, beide im Ministerium vertreten. Es war ja nur so spannend, weil der Ausgang so völlig ungewiss war“, erzählte er lapidar und sie wusste, er wollte nur ihre Erinnerung auffrischen und ihr Honig um den Mund schmieren, weil sie anscheinend so furchtbar mutig gewesen war, denselben Fall in derselben Abteilung zu behandeln. Aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven.

„Hast du eigentlich noch die Unterlagen, die du damals angefangen hast, aufzuzeichnen?“, fragte er und das Thema wurde ihr unangenehm.

 

„Blaise, ich bin schon meilenweit entfernt von diesem Fall. Ich weiß nicht mal mehr, worum es überhaupt noch geht. Ich hatte nicht erwartet, dass du vorhast, heute über sowas zu reden.“ Sie hörte, dass sie langsam böse klang.

 

„Das habe ich mir gedacht. Und wenn du überhaupt gar kein Interesse hast, dann möchtest du dich bestimmt auch überhaupt nicht noch mal rein lesen, oder?“, erkundigte er sich scheinheilig und zog tatsächlich eine offizielle Ministeriumsakte aus seinem Jackett.


„Das ist vollkommen illegal, Blaise“, flüsterte sie plötzlich, auch wenn sich keiner hier dafür interessieren würde. „Artikel 27b der Ministeriumsvorschriften verbietet jeglichen Kontakt der ministeriumseigenen Anlagen mit unbefugten Außenstehenden“, fügte sie hinzu und die Worte gingen ihr leicht von den Lippen.

 

Ja, sie hatte diese Abteilung wirklich gemocht.

 

„Nun, dein Name steht noch in den ersten Bearbeitungen“, versuchte er sie zu locken und wedelte mit der Akte vor ihrer Nase. „Du musst wirklich keinen Blick hineinwerfen, denn es interessiert dich nicht“, ergänzte er mit einem Achselzucken.

 

„Nein, tut es nicht.“

 

Es verging nur eine winzige Sekunde.

 

Dann hatte sie ihm die Akte aus der Hand geschnappt.

 

„Du willst mich doch nur verführen, etwas Unrechtes zu tun“, murmelte sie böse und ihre Augen flogen gierig über den Fall, den sie verabscheute und gleichzeitig heiß und innig verschlungen hatte.

 

„Ich doch nicht“, erwiderte er lächelnd. „Dein Schreibtisch ist leicht wieder zu besetzen, Hermine. Du müsstest nur mit Donald sprechen. Ich bin sicher, er würde-“


„Blaise“, begann sie seufzend. „Ich hatte einen guten Grund, zu kündigen.“

 

„Nein, Hermine. Du hattest meinetwegen einen guten Grund, die Scheidung einzureichen. Aber einen guten Grund, den Job zu kündigen, der dir unter all den hundert Jobs, die du hattest, am meisten Spaß gemacht hat – den hattest du definitiv nicht.“ Und er war sehr ernst, als er diese Worte sagte. „Und es war ziemlich schäbig von dir, einfach so abzuhauen. Ohne irgendeinen Abschied. Aber das weißt du bestimmt, auch wenn es dich nicht interessiert.“

 

Sie mied seinen Blick und klappte die Akte zu.


„Hier, nimm sie einfach wieder mit“, sagte sie, aber er weigerte sich, sie zu nehmen und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Ich habe niemals etwas damit zu tun gehabt. Sie ist dir einfach in die Hände gefallen. Wenn du nichts Spannendes findest, und nichts damit anfangen kannst, komm ins Ministerium und leg sie mir auf den Tisch. Dann vergessen wir die Sache.“

 

Sie seufzte erneut und ließ die Hand mit der Akte sinken. „Blaise-“

 

„Wenn du aber auch nur den kleinsten Funken Freude empfindest, wieder eine richtige Arbeit – und nebenbei die einzig lohnenswerte, richtige Arbeit – zu haben, dann ist mir das auch recht.“

 

„Er hat den Fall“, sagte sie mit Nachdruck. „Es ist seine Sache.“ Und sie hasste es, über ihn zu sprechen. Sei es auch nur über die entfernteste Art und Weise, die möglich war: Nämlich die professionelle Art und Weise.


„Er hat nur die Verteidigung. Nicht die Anklage“, verbesserte sie Blaise, aber sie wusste, er wusste, was sie meinte. „Es ist ein Angebot unter Freunden, Hermine. Die ganze Sache ist nicht von Trollhänden in Stein gemeißelt. Es ist nur meine Auffassung, dass dir irgendjemand mal den Zaunpfahl vors Gesicht halten muss, auf dem der perfekte Job für dich geschrieben steht“, fuhr er unauffällig heiter fort.

 

„Fein. Ich überlege es mir. Mehr nicht“, fügte sie hinzu, als sie sah, wie seine Mundwinkel zuckten.

 

 

~*~

 

 

Es war lästig, wie gut Blaise sie kannte.

 

Und sie war enttäuscht von sich selbst. Schwer enttäuscht. Ihre Finger blätterten immer wieder durch die verbotene Akte, die sie schon vor Stunden hätte zum Ministerium zurückbringen müssen.

 

Sie hatte schon vollkommen abwesend begonnen, sich Notizen zu machen. Sie wollte sich zwingen, damit aufzuhören, aber sie fand immer neue Sachen, von denen sie in erschreckender Arroganz annahm, dass kein anderer sie finden würde. Sie wusste, es war ihr Fall gewesen! Es war ihr ganz großer Durchbruch gewesen.

 

Ihr Name war in Zeitungen gewesen, die Fronten waren hochgekocht, große magische Kanzleien hatten schon versucht sie mitten in der Vorbereitung abzuwerben. Das Ministerium zahlte gut, aber die Kanzleien waren begeistert davon gewesen, das intern im Ministerium zwei Rechtsmagier an demselben Fall saßen und einer von ihnen eine Muggel und der andere ein ehemaliger Todesser waren. Es war das gefundene Fressen für den Tagespropheten in all seinen Facetten gewesen. Diese Sache hatte Hermine gehasst. Der Fall hatte niemals etwas mit den Anwälten zu tun gehabt, die ihn behandelt hatten.

Natürlich war ihr der Zufall nicht entgangen. Damals wie auch heute nicht.

Die Muggel vertrat die Muggel – der ehemalige Todesser vertrat den ehemaligen Todesser.

 

Es war natürlich ein emotionaler Fall. Er war ein Fall, den man nicht ohne Befangenheit lösen konnte. Es war unmöglich.

 

Und wie kam er dazu, diesen Fall wieder zu übernehmen? Was war auf einmal passiert, dass er seine Meinung geändert hatte? Er hatte schließlich alle Leinen gezogen, er hatte den Rückzug angetreten. Er war es gewesen, der den Vergleich erzwungen hatte. Der Vergleich, der darauf verzichtete, ein Urteil zu fällen.

 

Magische Vertrauenshaft war ein lächerlicher Abschluss des Falls gewesen. Sie erinnerte sich wieder an das Gefühl der Hilflosigkeit und der Wut, als er ihr diesen Fall genommen hatte! Als er die Entscheidung getroffen hatte, von der er ganz genau gewusst hatte, dass sie dazu führen würde, dass der Fall auf Eis gelegt wurde.

 

Und er hatte gewusst, dass er dazu in der Lage war. Und er hatte gewusst, dass sie es gewusst hatte! Es war ein absolutes Tabu gewesen. Es war ein Schlag unter die Gürtellinie. Es war einfach nicht erlaubt gewesen! Es war ein feiger Schachzug gewesen. Es war, als wären beide Damen plötzlich vom Feld verschwunden und die beiden Könige schoben sich quälend langsam von Feld zu Feld.

 

Er hatte es hinausgezögert und hatte gewusst, dass sie damit alle Chancen verwirkt hatte, in der renommierten Kanzlei angenommen zu werden. Aber Geld war ihr eigentlich nicht wichtig gewesen. Es ging um das Recht, um die Wahrheitsfindung, die ihr zugestanden hatte!

 

Und er hatte es nicht geschafft, den Fall zu beenden, hatte auf der Hälfte abgebrochen und dann noch gewagt zu sagen, es wäre die beste Entscheidung so!

 

Sie wusste, sie liebte diese Abteilung im Ministerium und sie liebte den Job, den Kontakt mit Menschen und die Möglichkeit etwas wichtiges in der Gesellschaft zu verändern, Normen aufzustellen, Gerechtigkeit festzulegen und niemals wieder einen Krieg wie zu den Zeiten Voldemorts aufkommen zu lassen, weil jetzt nämlich direkt in der Verfassung nieder geschrieben wurde, was die Menschen durften und was sie verflucht noch mal nicht durften!

 

Und Todessern eine verfluchte zweite Chance zu geben – ohne eine Basis an ernsthaft berechtigten Beweisen – das durfte einfach nicht sein!

 

Und sie erinnerte sich dunkel… sehr, sehr dunkel, dass sie mit diesen Worten den Streit der Streite eröffnet hatte.

 

Gut, sie war vielleicht keine gute Ehefrau, aber sie war ein verflucht guter Rechtsmagier.

 

Und die ganze Nacht hindurch kratzte ihre Feder über dutzende Pergamentblätter. Ihr Kopf hatte sich entschieden, den Fall nie wieder anzugucken. Aber ihr Herz hatte blöderweise Feuer gefangen. Und es brannte wieder. Nach einer Ewigkeit….

 

 

Kapitel 4

~ A dangerous Place ~

 

 

„So sehen wir uns wieder“, bemerkte der Mann, den Draco vor ziemlich genau einem Jahr schändlich zurückgelassen hatte. „Malfoy, richtig?“ Draco nickte und schüttelte die Hand des Angeklagten.

 

„Wir stehen wieder am Ausgangspunkt, Mr Fowler.“ Er hatte den Namen schon lange nicht mehr benutzt. Edgar Fowler sah ihn skeptisch an.

 

„Da standen wir schon vor einer Weile. Wieso übernehmen Sie meine Angelegenheit wieder?“ Draco fand eigentlich, dass er solche Fragen nicht beantworten musste. Er lächelte also und hob die Hände.


„Ich muss überhaupt gar nichts tun, Mr Fowler. Sie können nach einem Pflichtrechtler verlangen und bekommen somit wahrscheinlich die schlechteste Hilfe, die Sie fürchten können.“ Fowler sah zur Seite.


„Ich sitze seit einem Jahr unter Bewachung in einer Anstalt. Für Sie mag es nicht weiter erwähnenswert gewesen sein, ob es nun zu einem Freispruch oder zu einer Strafe kommt, aber für mich war es lebenswichtig!“

 

„Die Vertrauenshaft ist keine Strafe, Mr Fowler.“

 

„Es fühlt sich verdammt noch mal nach einer Strafe an!“ Draco betrachtete den Mann, der kurz vor einem nervösen Anfall stand.


„Brauchen Sie Medikation, Mr Fowler?“


„Ich brauche einen Rechtsmagier, der mir hilft, Mr Malfoy.“

 

„Ich werde Ihren Fall betreuen, die Verteidigung leiten und tun, was in meiner Macht steht, Mr Fowler. Dafür müssen Sie einen Eid ablegen, aber dieser Eid ist Ihnen bereits vertraut“, fügte er geschäftig hinzu, ehe er den Zauberstab zog.


„Sie wissen doch schon alles! Wieso muss ich alles noch mal erzählen, Malfoy?“, brannte er auf und Draco ergriff grob den Arm des Mannes.

 

„Erstens nennen Sie mich Sir oder Mr Malfoy. Zweitens können Sie froh sein, dass ein so fähiger Zauberer sich Ihrem Schicksal angenommen hat und drittens muss man manchmal unangenehme Dinge mehr als zweimal durchleben, Mr Fowler.“ Seine Stimme war ernst und sachlich. Er fuhr mit dem Zauberstab über die Unterseite des rechten Arms des Mannes und die Haut glomm auf.

 

Magisches Recht bediente sich einem ziemlich gemeinen Trick. Es war weniger ein Trick, als eine Konditionierung. Bei dem Hauch der Unwahrheit verspürte der Betroffene ein unangenehmes Gefühl unter der Haut und konnte dem Drang nicht widerstehen, den Arm zu berühren, zu kratzen oder den Schmerz anders auszudrücken.

 

Natürlich konnte auch das magische Gesetz getäuscht werden. Gute Zauberer, die all ihre Sinne unter Kontrolle hatten, waren ab und an in der Lage eine Lüge ohne ein Wimpernzucken verkaufen zu können.

 

Veritaserum war immer noch in den meisten Fällen untersagt. Nur bei Mord war es zulässig. Aber psychologische Konditionierung war erlaubt. Also musste sich Draco darauf beschränken.

 

„Was für ein Zauber ist das überhaupt?“, fragte Fowler beleidigt und rieb sich anschließend den Unterarm.

 

„Würde ich es Ihnen sagen, dann wäre es trotzdem nicht hilfreich für Sie“, erwiderte Draco und Fowler sah ihn bitter an.


„Letztes Mal hatte ich keine Chance, also was ist jetzt anders?“, fragte er unwirsch.


„Ich. Ich bin anders. Das mag für Sie keinen Unterschied machen, aber für mich bedeutete es eine verfluchte Verbesserung“, erklärte Draco und nahm dem Klienten gegenüber Platz.

 

„Also?“ Fowler sah ihn verwirrt an.

 

„Erzählen Sie“, forderte Draco knapp.

 

„Was?“, entgegnete Fowler verwirrt.

 

„Haben Sie dieses Mädchen gefoltert?“ Draco hatte diese Frage schon viel zu oft gefragt.

 

„Sie kennen die Antwort doch schon!“, beschwerte sich der Mann ungehalten, aber Draco blieb völlig unbeeindruckt.

 

„Wir haben zwei Möglichkeiten. Sie machen es mir leicht oder ich mache es Ihnen verflucht schwer, Mr Fowler.“ Und anscheinend wollte der Mann ihm gegenüber nicht, dass er die Drohung wahr werden ließ.

 

„Nein, ich habe sie nicht gefoltert“, sagte er und Draco betrachtete das Gesicht des Mannes. Der Zauber schlug nicht an. Oder Fowler war so gut, dass er es verdrängen konnte. Er erinnerte sich an die endlose Diskussion die er im magischen Gericht geführt hatte, wie wahrscheinlich es war, dass ein gerade frisch entlassener Häftling fähig war, den Schmerz im Innern so gut verbergen zu können, dass er für einen ganzen Gerichtssaal unentdeckt blieb.

 

Es war höchst unwahrscheinlich gewesen.

 

Aber Draco konnte sich darauf nicht mehr verlassen.

 

„Haben Sie dieses Mädchen gefoltert, ehe sie nach Askaban gekommen sind, Mr Fowler?“ Der Mann sah ihn verwirrt an.


„Nein, ich habe sie niemals gefoltert. Nicht vorher, nicht nachher.“ Wieder nichts.

 

„Haben Sie Annabelle Douglas am sechsten Januar vor sieben Jahren auf der Straße angegriffen und gefoltert, Mr Fowler?“, fragte er erneut und Fowler sprach wieder, ohne das geringste Zeichen von Unwohlsein.

 

„Nein, ich habe Annabelle Douglas nicht gefoltert.“

 

Draco atmete langsam aus.


„Gut. Dann sind wir exakt wo wir letztes Jahr stehen geblieben sind, Mr Fowler. Bitte beantworten Sie die nächste Frage wahrheitsgemäß: Wieso behauptet Ms Annabelle Douglas, Sie hätten Sie gefoltert?“

 

„Mr Malfoy, es steht doch alles-“


„Wieso, Mr Fowler?“ Und Draco wusste, sie kamen zu einem entscheidenden Punkt in ihrem Verhört.


„Ich weiß es nicht.“ Und dieses Mal zuckte der Mann vor ihm zusammen und griff nach seinem Arm.

 

„Sie müssen mir die Wahrheit sagen. Sie müssen es einfach tun, Mr Fowler. Wir kommen sonst nicht weiter.“ Doch Fowler schwieg. „Es ist kein Spiel, Edgar. Sie müssen die Wahrheit sagen. Wenn Sie mir kein Vertrauen entgegen bringen, haben wir keine Chance. Letztes Jahr habe ich darauf verzichtet, auf diesen Aspekt einzugehen, aber jetzt müssen Sie es mir sagen.“

 

„Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich weiß es nicht“, fügte er hinzu und zuckte wieder zusammen. Es war eine persönliche Folter. Sie war physisch nicht echt. Das bedeutete immerhin, dass der Mann vor ihm wusste, was richtig und was falsch war. Es bedeutete, dass sein Rechtsempfinden nicht gelitten hatte. Sein Geist wusste, es war falsch, die Wahrheit zu verschweigen.


„Mr Fowler, ich bin nicht Ihr Priester. Das hier ist keine Beichte. Ich bin ihr Rechtsmagier. Sie verlieren hier wesentlich mehr als Ihr Gesicht.“

 

„Wieso stellen Sie mir nicht eine andere Frage?“, erwiderte der Mann etwas trotzig. „Es wird doch noch hundert andere Fragen geben!“

 

„Das ist nicht Ihre Entscheidung. Ich bin Ihr Anwalt. Sie sind mein Klient. Damit haben Sie hier keine Macht. Ihnen ist wohl nicht bewusst, dass die Vertrauenshaft ein Urlaub für Sie war, Mr Fowler“, fuhr er fort. Er wusste wieder, warum er froh war, den Fall aufgegeben zu haben.

 

„Ich war bereits in Askaban, Mr Malfoy“, fügte er hinzu. „Einige von uns haben bereits eine gerechte Strafe abgesessen.“

 

„Bezeichnen Sie mich ja nicht als einen von Ihnen“, erwiderte Draco plötzlich mit eisiger Kälte.

 

„Sie tragen also nicht das Mal?“, entgegnete der Mann vor ihm aufgebracht. „Sie waren doch in den Reihen einer der treusten Verbündeten, oder etwa nicht? Waren all die Berichte gelogen?“ Draco zwang sich, ruhig einzuatmen. Es würde ihm nicht helfen, jetzt auszurasten.

 

„Eine gerechte Strafe erhalten diejenigen, die Menschen gefoltert, getötet und misshandelt haben. Ich habe niemanden getötet, niemanden gefoltert und niemanden misshandelt.“ Fowler sah ihn zornig an.


„Ich bin sicher,
hätten Sie sich selbst mit ihrem verfluchten Zauber belegt, dann würden Sie sich jetzt Ihren Arm ausreißen!“ Draco zog den Zauberstab.

 

„Genug! Wenn Sie vorhaben, Ihr Gefühl von Ungerechtigkeit gegen mich auszuleben, dann muss ich Sie enttäuschen. Hier haben Sie dazu keine Gelegenheit. Außerdem ist es ziemlich dämlich von Ihnen, sich selber Steine in den Weg zu legen, Mr Fowler.“

 

„Ja, meine Steine werden nicht von meinem Vater aus dem Weg geräumt“, entgegnete Fowler zerknirscht.

 

„Ich habe das Mal getragen. Und ich war ein Anhänger der Ideologie, die Voldemort Jahrzehnte lang angepriesen hat. Aber ich war sehr jung. Und Merlin sei Dank, clever genug, auszusteigen als es an der Zeit wurde, selber zu denken. Wenn Sie geglaubt haben, ich hätte Ihren Fall damals übernommen, weil ich eine Sympathie zu ehemaligen Todessern empfinde, dann liegen Sie falsch“, sagte er kühl. „Dann liegen Sie so falsch, dass Sie aufstehen und gehen sollten.“

 

Er wartete kurz, aber Fowler rührte sich nicht. „Draußen wird Sie dann ein Ministeriumsangestellter zurück in ihre Vertrauenshaft bringen und ein Pflichtrechtler wird sich Ihrer annehmen. Und er wird nicht so geduldig sein, wie ich es bin.“

 

Fowler atmete aus. Draco nahm an, er war höchstens zehn Jahre älter als er selber, aber Askaban und die Vertrauenshaft hatten ihn bestimmt um zwanzig Jahre altern lassen.

 

„Sie meinen das ernst? Sie haben alles freiwillig aufgegeben?“, fragte Fowler leise und Draco konnte nicht sagen, ob er neidisch oder spöttisch klang.

 

„Ja. Ich habe alles aufgegeben. Aber… bei einer schlechten Sache, spricht man selten von Aufgabe. Das Wort Aufgabe hat einen sehnsüchtigen Tenor. Ich habe allem schlechten entsagt. Entsagung ist es, was die Folgen gleichgültig werden lässt“, erklärte Draco und nahm an, Fowler würde ihn nicht gegen einen anderen Verteidiger eintauschen.

 

„Sie haben entsagt“, wiederholte Fowler also und runzelte die Stirn.


„Ich habe eine Muggel geheiratet. Ich denke, mehr Entsagung ist einem ehemaligen Todesser wohl kaum möglich, oder?“ Die Worte kamen ihm widerwillig über die Lippen. Aber man musste den Widerwillen überwinden, befand Draco. Wieso sollte er sich immer noch schlecht fühlen? Diese Sache, war eine Tatsache. Er konnte sie nicht ändern, er konnte sie nicht zurücknehmen, was half es also, sie zu bereuen? Es half gar nichts. Also musste er sich abfinden.

 

Fowler lächelte plötzlich. „Doch, Mr Malfoy. Es ist mehr möglich als das.“ Draco wartete auf ein Zeichen, das dies als übertriebene Lüge enttarnen würde, aber Fowler bewegte sich nicht auf dem Stuhl vor ihm. Er sagte also die Wahrheit. Oder er glaubte, dass er das tat.

 

„Was wollen Sie mir damit sagen, Mr Fowler?“, fragte Draco plötzlich und lehnte sich vor. „Und was hat es mir Annabelle Douglas zu tun?“, fügte er hinzu und sofort wirkte das Gesicht von Edgar Fowler verschlossen und komplett leer.

Draco wusste, er würde heute überhaupt nichts mehr rausbekommen.

 

Und er fühlte sich mit lästiger Sicherheit an das letzte Jahr erinnert, wo er auch schon überzeugt gewesen war, Edgar Fowler verbarg mehr, als er sagte.

Aber was gab es für einen Grund, unschuldig in eine einjährige Vertrauenshaft zu gehen? Draco verstand es nicht. Was auch immer Fowler entlasten konnte, wieso sagte er es ihm nicht? Welchen Grund gab es auf der Erde, etwas auf sich zu nehmen, was man nicht tragen musste?

 

Warum trug er eine Last, die nicht seine zu tragen war?

 

In keiner Akte, in keinem Dokument in keiner Erinnerung gab es auch nur den geringsten Zusammenhang zwischen Edgar Fowler und Annabelle Douglas.

Und Draco wusste, dieses Mal musste er hier inne halten.

Dieses Mal musste er beweisen, dass der Fehler genau an dieser Stelle lag.

 

Denn er war sich absolut sicher, sie kannten sich. Und sie kannten schon vor diesem ganzen Angriff, der anscheinend nicht mal vorgefallen war.

Dracos Blick fiel in die Akten. Jetzt saß er wieder an diesem Fall. Es war schon seltsam. Ja, manchmal musste man unangenehme Dinge zweimal durchleben.

 

„Sie wollen mir immer noch nicht sagen, weshalb Sie vor einem Jahr die Frage nach der Folterung bejaht haben, oder?“, erkundigte sich Draco und klappte die Akte wieder zu. Fowler blickte zur Seite.

Eines der Probleme letztes Jahr war nämlich gewesen, dass Edgar Fowler die Folterung zugegeben hatte und Draco beschlossen hatte, ihn mit dem Konditionierungszauber zu belegen. Und das Resultat war, dass Fowler anscheinend gelogen hatte.

 

Der Konditionierungszauber wurde als Schwindel hingestellt und Draco hatte mehr als zwölf Zauberer ebenfalls mit dem Zauber belegen müssen, um zu beweisen, dass Edgar Fowler mit Absicht gelogen hatte.

 

Fowler hatte ab da die Folterung bestritten, aber bei jedem Verhör den Grund verweigert. Und hatte Draco letztes Jahr versucht, über Fowler an die Wahrheit zu kommen, so würde er jetzt den anderen Weg versuchen. Anscheinend gehörten immer zwei zu einem Verbrechen.

Er würde ein wenig die Regeln biegen und mit der anderen Partei Kontakt aufnehmen. Blaise hatte die nötigen Informationen zu Annabelle Douglas.

 

Diese Mal würde er klüger sein. Kein Todesser konnte ihm etwas vormachen. Kein Todesser würde ein Geheimnis vor ihm behalten können. Er war Draco Malfoy. Er war der König der Geheimnisse. Und er war sauer, denn er war letztes Jahr überzeugt gewesen, dass Edgar Fowler dieses Verbrechen nicht begangen hatte.

Und sie hatte ihn daran zweifeln lassen. Sie hatte gewagt, seinen guten Sinn, sein Gespür anzuzweifeln. Und er hatte tatsächlich nachgegeben und die Vertrauenshaft als Einräumung zugelassen.

Dieses Mal nicht.

 

Er wusste, das Gesetz erlaubte es ihm nicht, die andere Partei vor der Verhandlung zu befragen. Er wusste, er riskierte damit, als aktiver Rechtsmagier ausgeschlossen zu werden. Es war riskant, es war gefährlich und er musste hinter die feindlichen Linien. Und das, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam.

 

Aber er würde sich dieses Jahr nicht auf seine Arroganz verlassen. Und er musste zugeben, das hatte er letztes Jahr durchaus getan. Dieses Mal würde er beweisen, dass er jedem Kläger überlegen war. Und er konnte so auch gleich rausfinden, wer Annabelle Douglas dieses Jahr vertreten würde. Und er könnte so einiges über die Schwächen des Vertreters erfahren. Manipulation war immer noch ein wichtiger Schachzug in ihrem Geschäft.

 

Die Schwächen seiner Exfrau waren ihm bekannt. Aber dieses Mal würde er gegen jemanden antreten, bei dem er nicht die Gebotenheit verspürte, mit den mildesten Mitteln zu spielen. Jetzt konnte er direkt die erste Runde mit einem absoluten Tiefschlag beginnen.

Die Anklage würde sich noch wünschen, nicht auf Draco Malfoy gestoßen zu sein. Dafür würde er verflucht noch mal garantieren.

 

„Sie können gehen. Wir werden morgen weiter machen. Selbe Zeit“, fügte Draco hinzu und Edgar Fowler erhob sich stumm. Der Konditionierungszauber verlor mit der Zeit seine Wirkung. Es war also unnötig, ihn aufzuheben. Draco würde ihn morgen sowieso wiederholen.

 

Er überlegte, wie unangenehm es sein musste, wenn einem seine Lügen angesehen werden konnten. Wusste man doch statistisch, dass er der erwachsene Mensch bis zu zwanzigmal am Tag log.

War es schwerer, lügen oder die Wahrheit zu sagen? Das eines von beidem leicht sein konnte, dass bezweifelte er ziemlich stark.

 

 

Kapitel 5

~ Let’s call the whole Thing off ~

 

Mrs Malfoy. Mit Ihnen hätte ich bestimmt nicht mehr gerechnet.“ Donald Wades betrachtete sie mit einem anerkennenden Lächeln.

 

„Granger. Ich trage wieder meinen richtigen Namen.“ Sie hatte nicht richtig sagen wollen. Ihren alten Namen, das hatte sie gemeint. Donald sah sie entschuldigend an.


„Das war mir nicht bewusst. Ich hätte gedacht, einen solchen Namen gibt man nicht so schnell auf. Wie dem auch sei, was kann ich für Sie tun, sind Sie doch immer so willkommen in meinem bescheidenen Büro?“ Sie war froh, dass er das Thema von selber wechselte. Sie spürte, wie sich ihre Kehle ein wenig enger schnürte, weil es ihr schon seit einer Ewigkeit nicht mehr passiert war, dass sie jemand mit diesem Namen angesprochen hatte.

 

Und hatte es sich damals so vertraut und richtig angefühlt, so fühlte es sich jetzt nur noch schmerzhaft an.

 

„Der Todesser-Fall ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht, nicht wahr?“

 

„Wenn Sie mir auf diese Art und Weise sagen wollen, dass die Akte sich in Ihrem unerlaubten Besitz befindet, dann haben Sie recht, Ms Granger.“ Donald betrachtete sie triumphierend. Hermine schluckte schwer.


„Wissen Sie…“

 

„Zabini hat mir bereits anvertraut, dass Sie zurück kommen wollen“, fügte er lächelnd hinzu.

 

„Hat er das?“, erkundigte sie sich eisig und beschloss für sich, Blaise später zu erwürgen.

 

„Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Zumal dieser Fall ja letztes Jahr dazu geführt hat, dass sie gekündigt haben, Ms Granger.“

„Mr Wades, ich versichere Ihnen, dass ich nicht vorhabe noch einmal zu kündigen!“, sagte sie heftig und schien sich selber in die Falle gelaufen zu sein. Sie wollte also wirklich hier arbeiten? Donald schien ihre Gedanken zu erraten.

 

„Und es ist nicht nur eine Phase, in der Sie beschließen, diesen einen Fall zu lösen, weil er Ihnen schwer im Magen liegt?“ Er ließ sie nicht antworten. „Und außerdem… Sie wissen, dass Ihr Exmann ebenfalls nicht kündigen wird und ebenfalls hier arbeitet? In meiner Abteilung?“ 

 

Nein, sie hatte darüber nicht nachgedacht.

 

„Ja, ich weiß das.“ Sie konnte die Worte sagen. Sie konnte sie anscheinend auch so meinen. Donald schien nicht überzeugt.


„Wenn Sie einen kalten Krieg in meiner Abteilung planen, dann können Sie es vergessen, Ms Granger. Das hier ist kein Ort, um gescheiterte Beziehungen mit wehenden Fahnen zu rächen, haben Sie verstanden?“ Sie streckte den Rücken durch.

 

„Sie irren sich. In meinem Leben habe ich kaum jemals eine klügere Entscheidung getroffen, als die Scheidung einzureichen.“ Sie konnte bestimmt hundert klügere Entscheidungen nennen. Ihre Scheidung war ihr komplett egal. Es war lange her. Und sie hatte nicht vor, nur noch ein einziges Mal mit diesem Mann zu sprechen.

 

Nun, außer bei diesem einen kleinen Fall.

 

„Sie tun dies also nicht aus Rache?“

 

„Ich mag eine Frau sein, aber ich bin nicht so eine Frau“, erklärte sie ungeduldig.

 

„Es ist also keine Vendetta? Sie kommen zurück, weil sie den Job vermisst haben, Ms Granger? Ist das richtig?“, vergewisserte er sich mit einem prüfenden Blick und sie atmete aus.

 

„Keine Vendetta. Es gibt keine losen Enden. Es hatte alles seine Richtigkeit und ich bin glücklich geschieden, Mr Wades.“ Es verging ein kurzer Moment.

 

„Abgemacht. Ich stelle Sie mit Freude wieder ein, Ms Granger.“ Sie versuchte, nicht zu lächeln. Und nicht Blaise Zabini für den Wink mit dem Zaunpfahl zu danken. „Wenn es allerdings auch nur das kleinste Problem mit Mr Malfoy gibt, dann ist der Deal geplatzt. Und da Sie uns verlassen haben, werde ich nicht Mr Malfoy kündigen. Haben Sie verstanden?“, sagte er kühl und sie hatte das Gefühl, als hatte ihr nicht nur Blaise übel genommen, so überstürzt gekündigt zu haben.

 

„Es wird kein Problem mit Mr Malfoy geben.“ Ihre Stimme war leise, tonlos und schwer. Den Namen zu sagen, erfüllte sie mit Wut und Scham. Noch nie hatte sie sich für eine einzige Sache so sehr rechtfertigen müssen.

Es gefiel ihr nicht, einen Fehler immer wieder vorgehalten zu bekommen, denn üblicherweise unterlief ihr, Hermine Granger, kein einziger Fehler.

Sie hatte sich nie wegen einer schlechten Entscheidung so oft entschuldigen und rechtfertigen müssen. Noch nie.

 

Es bereitete ihr schlechte Laune, dass sie an ihrer eigenen Menschlichkeit scheiterte. Denn Menschen machten Fehler. Und sie wusste, sie war ein Mensch, ja. Aber… sie hatte immer gehofft, sie wäre ein absolut besonderer Mensch, dem niemals etwas so lange vorgehalten wurde.

 

Aber anscheinend war sie doch nur ein gewöhnlicher Mensch, wie klug sie auch damals gewesen sein mochte. Einen Krieg hatte sie mit kühlem Kopf und brillanten Ideen überstanden, aber dennoch konnte wohl eine einzige spätere Fehlentscheidung alles revidieren, was sie einst ausgemacht hatte.

 

Tja, das schien ihr Pech zu sein.


„Ausgezeichnet. Worauf warten Sie dann noch? Sie kennen meine Arbeitsmoral, Mrs Malfoy“, rief er freudig. Dann zuckte sein Lächeln. „Verzeihung, Ms Granger, meine ich. Es wird wohl noch ein bisschen dauern“, entschuldigte er sich schulterzuckend. Ja, das würde es wohl.

Jetzt hatte sie gerade den Namen zurückbekommen und musste nun doch den Kompromiss eingehen, den alten Namen zu hören, wenn sie dafür den Job zurückbekam, den sie wirklich machen wollte.

 

„Gut, habe ich… ein Büro?“, fragte sie kleinlaut und zum ersten Mal sah sie nicht ihren Boss, sondern einen Mann, dem die Verletzung ihres kurzen Abschieds noch auf den Zügen lag.


„Ihr Büro ist frei. Ich… habe es noch nicht wieder neu besetzen können. Und denken Sie ja nicht, ich hätte nicht genug Angebote bekommen, ich… habe nur nicht… Ja, ihr Büro ist frei. Bitte, fühlen Sie sich… wieder wie Zuhause, Granger.“ Sie verließ das Büro mit einem leichten Nicken, denn sie fühlte sich nicht wohl dabei, sich jetzt bei ihrem Boss zu entschuldigen und die richtigen Worte zu finden.

 

Heute war nicht der Tag dafür. Heute war der Tag, an dem sie Annabelle Douglas besuchen würde. Und es kribbelte in ihren Fingern, diesen Fall endlich zu ihren Gunsten zu Ende zu führen. Und er würde sich noch wundern. Oh ja, das würde er!

 

~*~

 

 

Annabelle war noch nicht umgezogen. Das war eine Erleichterung. Hermine fand es immer schwer, neue Orte mit neuen Adressen zu finden. Es war eine Sache, mit der sie schon früher Probleme hatte. Aber sie erkannte den Aufgang zur Haustür. Die Kieselsteine waren bestimmt von der Sonne schon ganz aufgeheizt und sie machten dasselbe Geräusch unter ihren Füßen, wie letztes Jahr, als sie nahezu jeden Tag hier hoch marschiert war.

 

Mal wütend, mal völlig verzweifelt.

 

Sie hatte die Akte noch einmal komplett durchgearbeitet und wusste, es gab ziemlich viele unberücksichtigte Punkte, die sie einfach nicht hatte berücksichtigen können, weil der Fall zum Ende hin, nicht mehr eine Gerichtsverhandlung gewesen war, sondern… ein Scheidungsgrund. Sie hatte die Arbeit aus den Augen verloren und ihre Befangenheit hatte Überhand gewonnen. Jetzt war dies Merlin sei Dank kein Problem mehr.

 

Sie wusste, sie würde sich bald die Erinnerungen des Gerichtszeugens ansehen müssen. Das war noch so eine Sache, die magische betrachtet vielleicht sinnvoll war, aber für ihre Gefühle dürfte es äußerst unangenehm und schmerzlich sein, wieder und wieder in die fremden Erinnerungen einzutauchen und zuzusehen, wie sie und ihr Exmann sich heiser schrieen.

 

Es gab eine Regel, der sie stets zu folgen versuchte. Eine einzige Regel, die sie auch in den letzten zehn Jahren niemals – niemals – vernachlässigt hatte. Aber heute war wohl ein langsamer Tag. Es war warm und sie wog sich tatsächlich in einer kurzen Sicherheit.

 

Aber sobald sie hörte, wie sich die Tür öffnete, standen ihre Nackenhaare zu Berge. Und sie wusste nicht, ob es an der neuen Situation lag, oder ob sie sich selber noch nicht abfinden wollte, dass sie tatsächlich wieder Arbeit hatte, jedenfalls war das Verlangen auszuweichen unmenschlich groß.

Und bevor die Tür völlig offen stand, war sie in die Rosenbüsche zu ihrer Linken abgetaucht. Sie hatte es nicht verhindern können.

 

Und bevor sie sich feige schimpfen konnte, bevor sie auch nur ansatzweise rot werden konnte, weil es lächerlich war, sich als erwachsene Frau in Büschen zu verstecken, nur weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass sie die Tür sich öffnen würd, ehe sie geklopft hatte, war ihr Instinkt wieder angesprungen.

 

Die Regel, die sie niemals missachtete war, immer darauf gefasst zu sein, dass etwas passieren würde. Denn es war immer, immer möglich. Das war es auch, was Harry ihr beim Aurorentraining, das sie vorzeitig abgebrochen hatte, immer erklärt hatte. Möge sie sich auch noch so sicher fühlen, dann ist es ein schlechtes Zeichen. Selbstvertrauen bedeutet nur, dass es etwas gibt, was man nicht weiß. Und deswegen war sie eigentlich immer alarmbereit.

 

Und das war gut.

 

Ihre Knie gaben unter ihrem Gewicht beinahe nach und fast wäre sie nach vorne in die Dornen gestolpert. Sie hielt die Luft erschrocken an und spürte den Herzschlag in ihren Ohren. Alle Luft was aus ihren Lungen gepresst und sie fühlte sich wie erschlagen. Und würde sie nicht hier versteckt in den Büschen stehen, dann wüsste sie nicht, ob sie diesen Tag auch nur ansatzweise überlebt hätte. Mit Würde, natürlich. Sie wäre vollkommen sicher, dass sie überlebt hätte. Nur eben nicht auf die Art und Weise, die sie bevorzugte.

 

Sie wusste gerne, worauf sie sich einließ. Und jetzt war sie immerhin ansatzweise vorbereitet für das nächste Mal.

 

Sie musste den Anblick überwinden.

 

Denn er sah viel zu gut aus. Und sie hasste diesen Gedanken. Sie hasste es, dass sie genau sah, dass er wohl wieder mehr trainiert hatte, denn seine Schultern wirkten breiter unter dem Anzug. Sie hasste es, dass sie sich an das blond seiner dichten Haare nicht mehr völlig erinnern konnte, wusste sie doch sonst alles über jedes Thema.

 

Sie hasste es, dass er ihr nicht mit jeder Einzelheit im Gedächtnis geblieben war, denn nur das Unbekannte, konnte einen wirklich überraschen.

 

Sein Gesicht wirkte gesund, strebsam, bereit dafür, sich in den Kampf zu stürzen, oder in die Arbeit. Sie hatte sogar vergessen, wie er aussah, wenn er sie ansah. Würde sie jetzt aus dem Schatten hervortreten, dann würde sie nicht mehr wissen, wie es wäre von ihm angesehen zu werden.

 

Er wirkte so, als wüsste er nicht, dass es sie gab. Und das war natürlich auch gut so. Es wäre ihr am liebsten, würde er schlechter aussehen. So als würde ihm eine Scheidung brutal zusetzen. Als wüsste er nicht, wohin mit seiner Zeit. Als würde er einen Bauch ansetzen und nicht die Ausdauer und Lust finden, tatsächlich zu trainieren.

 

Aber sie vermutete bitter, dass er bereits guten Ersatz gefunden hatte.

 

Ja, ihr Exmann sah verboten gut aus. Er hatte immer schon gut ausgesehen und sie hatte heimlich immer gedacht, dass es gefährlicher war, wenn der eigene Mann besser aus sah als man selbst. Natürlich hatte sie es nie laut gesagt. Und sie erinnerte sich, dass er ihr immer Komplimente gemacht hatte und nie angedeutet hatte, dass er womöglich besser aussah.

 

Warum auch? Das war ihm wahrscheinlich herzlich egal. Und das machte es auch noch schlimmer. Er war einfach von Natur aus schön. Er wirkte lediglich ein wenig angespannt, aber sie wusste nicht mal mehr, ob das stimme und ob sie es wirklich noch sehen konnte. Hatte sie ihn einst jeden Tag gesehen, so war die Erinnerung mit jedem Tag, den sie ihn nicht gesehen hatte, verblasst. Es war seltsam. Sie kam sich selber vor wie eine Fremde.

 

Der Moment war vorbei. Er war gegangen, hatte den Kiesweg hinter sich gebracht, war aus dem Tor getreten und war appariert.

 

Das war alles gewesen. Diese sieben Sekunden waren ihr vorgekommen wie eine halbe Ewigkeit. Eine halbe Ewigkeit, die sie dazu gebracht hatte, all ihre kühle Vorbereitung zu verlieren und jetzt ohne Plan hinter den Büschen zu kauern.

 

Und sie musste ihr Gehirn praktisch zwingen, wieder anzuspringen.

 

Sie durfte sich nicht von seinem Äußeren beeindrucken lassen, denn sie wusste ja sonst auch alles von ihm! Das war ja das Schlimme! Sie wusste, hinter seiner schönen Fassade ruhte auch eine böse Seite. Eine Seite, die sich nur zu gerne bis aufs Blut streiten würde. Sein Aussehen hatte bei Weitem nicht ausgereicht, dass sie bei ihm hätte bleiben können.

 

Ihre Differenzen hatten überwogen. Und jetzt musste sie das einfach hinter sich bringen. Sie hatte keine Angst, ihn zu sehen. Es gab nichts, was sie nicht von wusste. Außer eine Sache: Was hatte er zum Teufel noch mal hier zu suchen? Er durfte hier gar nicht sein!

 

Sie musste ihren Schock jetzt überwinden und anfangen, sie selbst zu sein.

 

Sie kam aus den Büschen hervor und jetzt hätte sie es wahrscheinlich gerne, dass er noch mal auftauchen würde. Jetzt wäre sie wütend genug dafür. Wahrscheinlich ging es nur noch darum: Wütend genug für Draco Malfoy zu sein!

 

Denn wäre es anders, dann würde sie wahrscheinlich nicht genug Worte finden. Oder nicht die richtigen. Die Scheidung war so glimpflich wie möglich verlaufen. Nicht gut, nein. Aber wenigstens nicht blutig.

Dennoch konnte sie nicht vermeiden ihm den Großteil der Schuld zuzuschieben.

Sie konnte nicht die größere Person sein. Sie konnte leider nicht. Sie war anscheinend nachtragend und sie war bitter.

Und sie war jetzt wütend genug.

 

Sie hatte die Tür erreicht und dachte nicht darüber nach, dass sie jetzt dort stand, wo er vor einer Minute gewesen war. Ihre Nase hinterging sie ganz gemein und versuchte sogar zu erriechen, ob sein Aftershave noch in der Luft hing.

 

Natürlich tat es das nicht. Sie klopfte energisch, denn sie war schließlich wütend genug.

 

Annabelle öffnete. Ihre Haare waren länger und sah sie bis gerade noch untröstlich aus, dann veränderte sich ihr Ausdruck bei ihrem Anblick sofort.

 

Mrs Malfoy! Ich habe sie schon erwartet. Ihr Mann war gerade hier“, flüsterte sie Frau beschwörerisch und Hermine erlitt mehrere Anfälle hintereinander. Sie zwang sich zur Ruhe.

 

„Schön, Sie wiederzusehen, Ms Douglas. Aber ich bin geschieden, wie Sie vielleicht wissen, und mein Name ist wieder Granger“, erklärte sie übertrieben freundlich, obwohl sie lieber schreien wollte.

 

Hier befand sie sich wieder in der alten Welt. Und es würde sie Zeit kosten, sie wieder bequem und erträglich zu machen. Ohne, dass sie mit einem Namen angesprochen wurde, der ihr kalte Schauer und das Gefühl von langen Fingernägeln auf einer rostigen Tafel über den Rücken jagte.

 

„Oh Verzeihung. Ja, ich bin sicher, ich habe das gewusst. Ich war nur… verwirrt.“

 

Ja, Hermine war auch verwirrt. „Kommen Sie doch rein, Ms Granger“, sagte Annabelle mit Nachdruck. Hermine tat wie ihr geheißen und konnte auch in der Wohnung sein Aftershave nicht riechen.

 

Gut, dann wäre sie nicht abgelenkt.

 

„Was hat Mr Malfoy hier gemacht?“ Merlin, sie musste vielleicht Zuhause eine Stunde einlegen, in der sie immer und immer wieder diesen Namen sagen würde, damit ihr nicht mehr übel vor Wut werden würde, wenn sie ihn aussprach.

 

„Er hat mir sehr viele Fragen gestellt, Ms Granger“, flüsterte Annabelle ängstlich. Und hatte Hermine bis gerade noch überlegt, die ganze Sache sein zu lassen, zu Donald zu gehen und doch um die endgültige Kündigung zu bitten, dann fühlte sie jetzt, wie das Gefühl langsam abflaute.


„Fragen? Er darf überhaupt nicht hier sein. Ich hoffe, Sie haben ihm nichts gesagt“, fuhr sie fort, denn sie erinnerte sich wieder an die schönen Einzelheiten ihres Berufes, an die Paragraphen des Gesetztes, die für sie arbeiteten und mit denen sie diese Welt beherrschen konnte.


„Nein, ich habe es ihm gar nichts gesagt. Nun ja, außer einer Sache.“

 

Ms Douglas, Sie dürfen absolut gar keine Informationen weitergeben. Nicht vor der ersten Hauptverhandlung. Das ist Beeinflussung und Mr Malfoy weiß das auch“, setzte sie verärgert hinzu. Vielleicht könnte sie ihm schon jetzt eins reinwürgen und er würde von dem Fall suspendiert werden.

 

Dann würde viele Probleme auf einmal lösen! Das wäre gut.


„Nein, ich… es hatte nichts mit dieser Verhandlung zu tun.“ Und Hermine sah, dass Annabelle müde wirkte. Die Zeit hatte ihr nicht unbedingt gut getan, stellte Hermine fest. Und wieder befiel sie ein Gefühl, das sie schon vor einem Jahr befallen hatte. Irgendwas war an diesem ganzen Fall vielleicht nicht ganz so offensichtlich, wie Hermine es gerne hätte. Und ihr fiel es auf. Und sie hegte die stille Befürchtung, dass auch Malfoy nicht völlig dumm war. Auch wenn sie genug Beweise dagegen vorbringen konnte.

 

„Was haben Sie ihm dann gesagt?“

 

Und jetzt wirkte Annabelle ein wenig schuldbewusst.

 

„Er wollte sehr viel wissen, hat mir aber auch gesagt, dass ich rechtlich nichts sagen müsste. Und… das habe ich auch nicht getan und… ich habe gesagt, dass ich mit meinem Rechtsmagier sprechen möchte, bevor ich… etwas sage“, sagte sie leise. „Und… dann hat er mich gefragt…“ Anscheinend wusste Annabelle selber nicht genau, ob sie einen Fehler gemacht hatte oder nicht.

 

„Er hat Sie gefragt, wer sie vertritt?“, vermutete Hermine mit einem flauen Gefühl und konnte sich plötzlich denken, weshalb er so plötzlich und angespannt verschwunden war.

 

„Ja, ich… wusste nicht… ich durfte diese Information doch weitergeben? Ich meine, wir sehen uns ja alle sowieso im Ministerium, richtig?“ Hermine schien ein sehr beunruhigtes Gesicht aufgelegt zu haben und entschied, der Frau keine weiteren Sorgen zu machen.

 

„Nein, das war völlig in Ordnung von Ihnen.“ Zwar hätte sie es ihm gerne selber auf die Nase gebunden, aber so war es wohl besser. Dann gab es vielleicht kein dramatisches Schauspiel. Obwohl sie glaubte, dass es sowieso nicht zu irgendwelcher Dramatik kommen würde. Er war zu kalt, zu unnahbar. Während der letzten Verhandlung ihrer Scheidung hatte er kein Wort mehr für sie übrig gehabt.

 

„Ich dachte, er hätte es gewusst. Ich dachte, Sie wären übereingekommen, den Fall dann wieder gemeinsam aufzunehmen“, entschuldigte sich Annabelle heftig.


Ms Douglas, das ist wirklich nicht Ihre Sorge. Über Ihre Sorgen sprechen wir jetzt. Und Sie müssen mir genau sagen, welche Fragen er Ihnen gestellt hat“, fügte Hermine streng hinzu.

 

 

 

Kapitel 6

~ You have to love something before you can hate it ~

 

 

„Ich weiß, dass du damit zu tun hast!“ Und alles, was in seinem Kopf vorging, war, nicht zu schreien. Alles, aber bloß nicht schreien. Und der Blick, den Blaise ihm zuwarf, war beinahe zu viel.


„Ich habe überhaupt nichts-“


„Blaise, wer sonst hätte so einen absolut verflucht beschissenen…“ Er fing sich. Und Blaise hob eine Augenbraue. Und dann seufzte sein ehemaliger bester Freund auf.

 

„Schön. Ich gestehe, Mr Malfoy“, sagte er und Draco hasste den Ansatz des Lächelns auf den Zügen seines ehemaligen besten Freundes. „Ich habe ihr nahegelegt, zurückzukommen. Ich habe Kontakt mit ihr. Na und? So schlimm ist es nicht. Der Job war gut für sie. Es wäre eine absolute Verschwendung, würde sie ihr Talent sonst wo aufgeben“, erklärte Blaise selenruhig.

 

„Hör zu, es ist mir scheiß egal, ob sie in den Drei Besen Butterbier ausschenkt oder nächste Zaubereiministerin wird. Es ist mir sogar verflucht egal, ob sie in unserer Abteilung hockt, aber diesen Fall wird sie nicht übernehmen!“ Er hatte die Zähne fest zusammen gepresst, damit er bloß nicht lauter werden würde.

 

„Donald hat sie eingeteilt. Er hat zugestimmt und-“

 

„Was erlaubst du dir eigentlich? Du setzt sie auf den Fall an? Wieso? Willst du, dass ich verliere?“ Scheiße. Fehler. Er hoffte, Blaise würde davon absehen. Aber natürlich tat er das nicht. Stattdessen genehmigte er sich ein recht ausgiebiges Lächeln.


„Malfoy, Malfoy… du denkst, du verlierst? Ich möchte gerne wissen, warum.“

 

„Oh fick dich, Blaise. Es ist nicht so, wie du denkst.“

 

„Nein?“, lachte sein ehemaliger bester Freund jetzt schadenfroh. „Was denke ich denn?“, fragte er lauernd und Draco war kurz davor, ihm die Faust ins Gesicht zu schlagen.

 

„Ich glaube nicht, dass du damit rechnest, dass ich zu Donald gehe und ihm das Gesetz vorlege, dass dir verbietet, Außenstehenden Akten zukommen zu lassen.“ Blaise verdrehte die Augen.


„Draco, ich bitte dich. Sie war mit dem Fall vertraut. Sie hat die-“

 

„Da scheiße ich drauf. Du hast hier das Gesetz gebrochen, und wenn es anders nicht möglich ist, dann werde ich diesen Weg wählen. Ich habe absolut keine Lust, diesen Fall unter diesen Voraussetzungen zu übernehmen.“

 

„Was willst du tun? Zu Donald gehen und anfangen zu heulen, weil du keine Lust hast, dass dein Exfrau wieder hier arbeitet?“ Draco riss sich zusammen. Und es war verflucht schwer.

 

„Es ist mir egal, was sie tut. Sie könnte nackt auf meinem Schreibtisch liegen und auch das wäre mir verflucht noch mal egal!“ Jetzt hatte er doch geschrieen. „Aber dieser Fall ist ein Höhepunkt in meiner Karriere. Er wird als Präzedenz für jeden angeklagten ehemaligen Todesser ausgelegt. Und wenn sie mit ihrer kleinbürgerlichen Muggelscheiße die Wahrheit verdreht, dann wird es keinen Fortschritt geben!“

 

„Dann würde ich dir vorschlagen den Fall einfach gut zu lösen. Dann hast du nichts zu befürchten. Noch mal kannst du dich schließlich nicht von ihr scheiden lassen.“ Blaise sah ihn herausfordernd an. „Es sei denn natürlich, sie liegt wirklich nackt auf deinem Schreibtisch und du heiratest sie noch mal“, fuhr Blaise lächelnd fort.


„Ich weiß, was du vorhast. Und es ist erbärmlich von dir. Wag es nicht noch mal, deinen Arsch in meinem Büro zu zeigen, Zabini“, entgegnete er zornig und verließ mit knallender Tür das Büro seines ehemaligen besten Freundes.

 

Und sein Weg führte direkt zum nächsten Anlaufpunkt: Seinem Vorgesetzten.

 

Aber bevor er zu der Tür kam musste er an einer anderen Tür vorbei. Und etwas erregte seine negative Aufmerksamkeit. Es verfing sich im äußersten Punkt seines Augenwinkels und auch, wenn er kein Problem damit hatte, regte es ihn doch für die kleinste Sekunde lang unglaublich auf.

 

Ihr Büro war da, wo es schon letztes Jahr gewesen war. Er sah sich schon die Tür eintreten und den Schreibtisch demolieren. Hermine Granger. Das stand auf dem kleinen Schild neben der Tür. Hermine scheiße Granger.

Und sie bekam seinen Fall! Seinen verfluchten Fall!

 

Er widerstand dem quälenden Verlangen, zu klopfen und sie zu verfluchen, sie rauszuwerfen und ihr zu drohen sie umzubringen, würde sie diesen Fall wieder wagen zu übernehmen. Merlin, so wütend war er nicht mehr gewesen seit… seit der ersten Verhandlung der Scheidung, wo sie den Vertrag zerrissen hatte und all seine Abfindungsvorschläge zum Teufel gejagt hatte.

 

Zornig klopfte er an Donalds Tür.

 

„Ja?“, hörte er die Stimme von Donald Wades und musste seine Wut erst mal kontrollieren, ehe er die Klinke runter drückte.

 

Er betrat das Büro und wusste noch immer nicht, wo er anfangen sollte.

 

„Malfoy, gut Sie zu sehen. Ich habe ein paar Dinge mit Ihnen zu besprechen.“

 

Oh ja? Wollte er vielleicht damit anfangen, ihm zu erklären, weshalb er Granger eingestellt und mit dem Fall betreut hatte?!


„Welche Dinge?“, brachte Draco knapp hervor.


„Sie waren bei Annabelle Douglas vor der Verhandlung. Sie wissen doch sehr genau, dass das gegen alle Regeln ist. Beeinflussung ist hier untersagt, Malfoy.“ Es war doch unfassbar! Dieses kleine Miststück!

 

„Hat Annabelle Ihnen das erzählt?“, fragte er lauernd und wusste, er durfte unter gar keinen Umständen seinen Boss anschreien. Er durfte nicht!

 

„Das ist völlig unwichtig, Malfoy. Es geht darum, dass-“

 

„Oder kam Granger persönlich zu Ihnen?“ Er spürte, wie der Nebel der Wut seinen Blick verschleierte.


„Sie wissen es also. Gut, ich hatte es Ihnen sowieso sagen wollen. Es war nur noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen.“ Draco wartete. Aber anscheinend waren diese wenigen Worte für seinen Boss völlig ausreichend.

„Zabini hat ihr Akten zukommen lassen. Bevor sie angestellt war. Artikel 27b verbietet ein solches Verhalten. Sie ist nicht befugt. Und der Fall steht ihr nicht zu.“ Draco versuchte ruhig zu bleiben. Sehr ruhig.

 

„Ich denke, wir können eine Ausnahme von der Regeln machen“, bemerkte sein Boss jetzt.

 

„Ja? Bei ihr geht das? Aber ich gehe zu einer Klientin und werde angeschwärzt? Ich denke nicht, dass das eine faire Sache ist.“

 

„Malfoy, es wird doch hoffentlich keine Probleme geben, oder?“, erkundigte sich sein Boss nachdrücklich.


„Ich denke, die gibt es allerdings, Donald.“ Während er wartete, ballte er die Hände zu Fäusten.

 

„Ich habe Ms Granger bereits gesagt, das es bei dem kleinsten Problem zur Kündigung kommt.“

 

„Sie wollen mir kündigen? Haben Sie das mit ihr vorher abgesprochen und aufgesetzt?“ Bloß nicht schreien. Er trainierte nicht so viel, damit seine Wut unkontrolliert Oberhand gewinnen konnte.

 

„Ich weiß, dieser Fall belastet sie beide emotional.“

 

„Tut er nicht“, widersprach Draco hastig. Sein Trotz regte ihn selber auf. Er war erwachsen, verflucht! „Es stört mich, dass Außenstehende plötzlich eine Sonderbehandlung bekommen!“

 

„Ich habe Ms Granger gesagt, wenn es zu Problemen kommt, dann muss sie gehen.“ Oh. Sie musste gehen? Immerhin ein bisschen Fairness in dieser verdammten Abteilung.

 

„Gut, dann schicken Sie sie nach Hause.“ Er wusste, er hörte sich albern an.


„Vielleicht sollten Sie mir ihr sprechen. Oder nein…“ Und plötzlich wirkte sein Boss sehr zufrieden. „Es geht mir sowieso etwas gegen den Strich, dass schon wieder zwei Rechtsmagier aus meiner Abteilung den Fall wieder übernehmen. Es kommt mir vor wie eine zweite Runde. Sie wollen den Fall, richtig?“ Draco sagte nichts darauf. Es kam ihm vor, wie eine Falle. „Granger will ihn ebenfalls. Ich schlage vor, Sie beenden Ihre Vorbereitungen zur ersten Verhandlung – ohne Zwischenfälle – und Sie und Ihre Exfrau tragen mir beide Seiten vor.“ Dracos Mund öffnete sich.

 

„Und dann werde ich entscheiden, wer übernimmt. Meine Abteilung wird diesen Krieg nicht noch mal ausfechten. Entweder meine Abteilung entscheidet sich für die Verteidigung oder die Anklage“, endete Donald und wirkte sehr zufrieden.


„Was?“ Draco sah ihn an. „Das… das geht nicht. Wer übernimmt dann die andere Seite?“

 

„Kein Problem. Die freien Kanzleien reißen sich darum. Es soll Ihre Sorge nicht sein. Wenn Sie perfekt vorbereitet sind, können Sie den Fall behalten. Wenn nicht, dann ist es auch egal. Dann widmen Sie sich wieder ihren anderen Fällen. An Arbeit sollte es Ihnen ja nicht mangeln. Seit Ihrer Scheidung arbeiten Sie schließlich wie ein Wahnsinniger. Es fällt mir natürlich auf, Malfoy“, fügte Donald mit gerunzelter Stirn hinzu.

 

„Aber Sie können nicht…“

 

„Ich bin der Boss. Ich kann einiges, Malfoy. Sie und Granger haben eine Woche. Ich würde vorschlagen, Sie überzeugen mich.“ Und Draco hatte die Befürchtung, dass Donald schon letztes Jahr auf Grangers Seite gestanden hatte.

„Wollen Sie es ihr sagen?“, fügte Donald und Draco würde lieber brennend auf dem Rücken eines Drachen reiten, als diese Information weiter zuleiten.

 

„Nein“, sagte er jetzt und fühlte sich erschlagen. Würde er sich jetzt wieder mit ihm anlegen, dann würde Donald ihm den Fall sofort abnehmen. Würde er sich anstrengen, würde er wahrscheinlich sowieso nicht den Fall behalten, weil er die Vermutung hatte, Donald würde Granger sowieso bevorzugen.

Aber das konnte er ihm nicht vorwerfen. Vielleicht sollte er den Fall abgeben. Einfach so. „Oder wissen Sie, nein. Ich kann es ihr sagen“, entschied er plötzlich.

 

Ja, er würde es ihr sagen. Das und noch eine ganze Menge mehr, verflucht.

 

~*~

 

„Alles in Ordnung?“, fragte sie verschlafen, denn er hatte sich bereits aufgesetzt. „Es ist kurz nach sechs“, fügte sie hinzu. Und ja, normalerweise schlief er länger, aber jetzt konnte er nicht mehr im Bett bleiben.

 

„Ich muss ins Büro“, erklärte er also, und Astoria setzte sich auf.

 

„Du hast überhaupt keine Zeit mehr, Draco“, warf sie ihm jetzt vor. „Gestern haben wir gar nicht gesprochen und jetzt hast du nicht mal eine halbe Stunde Zeit, um aufzustehen und mit mir zu sprechen? Mit mir zu frühstücken – wenigstens einmal – damit dein Hauself mir nicht wieder böse Blicke zuwirft? Also wäre ich ein Feind in deinem Haus?“

 

Er sah sie an. Und er hatte keine Lust, mit ihr zu sprechen.

 

„Astoria, ich habe dir gesagt, der Fall ist wichtig. Und wenn du Probleme mit dem Hauself hast, dann sprich nicht mit ihm“, erklärte er ungehalten.


„Oh Draco, es geht nicht um den dämlichen Hauself!“, rief sie jetzt.


„Er ist nicht dämlich.“ Sie verdrehte die Augen.


„Schön, du kannst deinen Hauself gerne verteidigen. Aber was ist mit unserer Beziehung? Wann fängst du an, unsere Beziehung auch mal zu verteidigen? Wann stellst du mich deinen Eltern vor? Gibt es dafür auch einen Termin? Oder sind in deinem Kopf alle Termine für das dämliche Ministerium belegt?“ Ihre Stimme wurde ganz heiser. Draco nahm an, sie würde gleich auch noch weinen.

 

Er erhob sich also.

 

„Ich muss jetzt los. Am besten regst du dich ab und wir reden später. Oder morgen“, fügte er gereizt hinzu.

 

Und er sah, dass sie weinte. Aber er konnte es beim besten Willen nicht ändern. Dieser Streit war ihm lästig und er hatte jetzt keinen Kopf für ein solches Frauenproblem. Es war sehr schön, dass sie nur sich selbst im Kopf hatte, aber er hatte nicht auch noch die Zeit für diese Probleme.

 

„Du redest nie mit mir!“, schrie sie aufgebracht und er verschwand ins Bad. Und er war dankbar, dass es mehrere Türen hatte. Er musste sie also heute Morgen nicht noch mal sehen.

 

Und worüber sollte er auch mit ihr reden? Sie hatten nichts gemeinsam, außer guten Sex. Und das reichte doch völlig aus. Er hoffte nur, der Elf hatte nicht wieder gelauscht.

Denn diese verurteilenden Blicke konnte er auch nicht ertragen. Er verbrachte nur ein wenig mehr Zeit als sonst im Bad. Nur ein wenig mehr. Der Anzug war ein wenig teurer, ein wenig eleganter. Seine Haare lagen heute ein wenig besser, aber er schenkte all dem kaum mehr Beachtung.

 

Es diente einem größeren Zweck.

 

Er wusste, er und Granger hatten sich länger gehasst, als dass sie sich geliebt hatten. Und vielleicht würde es einfach sein, sie dazu zu bringen, die Stelle aufzugeben. Für das bessere Wohl, fügte er lächelnd in seinem Kopf hinzu.

Er hatte gedacht, er müsste erst in einer Woche ein Plädoyer halten, aber er könnte vorher schon mal üben. Es würde nicht schaden, eine Proberunde zu machen.

 

Er war Draco Malfoy und er war es gewohnt, zu gewinnen. Egal, wobei.

 

Und er war fast überrascht, wie leicht der Weg zur Arbeit war. Er hatte erwartet, ein Gefühl des Unwohlseins zu empfinden. Aber anscheinend war das nicht der Fall. Er wusste, er war überlegen. Aber dass es so leicht sein würde, machte es ihm natürlich einfacher, einen ruhigen Kopf zu bewahren.

 

Der Fahrstuhl war leer, mit dem er nach oben fuhr. Der Flur lag vor ihm wie ausgestorben. Keine Ablenkungen, und er betrachtete das Schild mit ihrem Namen nicht, als er an die Tür klopfte.

 

Er öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Schreibtisch stand immer noch rechts. Sie war über ein Haufen an Papier gebeugt, die Haare zusammengebunden und hochkonzentriert. Sie sah nicht anders aus.

 

Und sie war nicht allein.

 

„Wie nett. Ist das nicht der Mann, der mit verboten hat, sein Büro zu betreten?“, erkundigte sich Blaise bei ihm und Draco wäre wirklich dankbar, wenn man Blaise wenigstens den Hauch von Schuldgefühlen ansehen könnte. Aber dem war nicht so. Und er hatte nur wenige Möglichkeiten, die Situation zu behandeln. Er entschied sich also für den erwachsenen Weg.

 

„Vergiss es einfach.“ Er sah, dass sie ihn nicht wirklich ansah. Er wusste, er war überlegen.

 

„Wirklich? Das klang gestern völlig anders“, betonte Blaise lächelnd.

 

„Blaise, könntest du uns kurz alleine lassen? Ich habe ein Wort mit Ms Granger zu reden.“ Es war mehr als seltsam, ihren Nachnamen zu benutzen und sie zu siezen. Jetzt sah sie ihn an.


„Ich denke nicht, dass es irgendwas gibt, was Blaise nicht hören könnte.“ Und sie fiel ihm natürlich in den Rücken. Er lächelte also.


„Wie du willst.“ Er beschloss auf die Förmlichkeit zu verzichten und sah sofort wie sie sein Lächeln zu beunruhigen schien. „Ich habe gestern mit Donald gesprochen und er hat entschieden, dass nur einer den Fall übernehmen kann.“ Sie wirkte kurz verwirrt.

 

„Hat er nicht“, sagte sie nur.


„Oh doch. Hat er“, widersprach er. Sie warf Blaise einen Blick zu, aber dieser zuckte nur die Achseln. „Und wir dürfen beide unsere Seiten nächste Woche präsentieren und entweder übernimmt die Abteilung die Anklage oder die Verteidigung. Je nachdem, wie sich Donald entscheidet.“

 

„Dann solltest du vielleicht schon mal dein Kommando zurückpfeifen, Draco“, erklärte sie freundlich. „Ich denke, dass mein Standpunkt vom Ministerium wohl besser zu vertreten ist, als deiner.“

 

„Es wird so oder so vor dem Ministerium vertreten. Auch die freie Kanzlei wird hier her kommen. Ob sie nun deine Seite übernimmt oder meine.“

 

„Es ist doch ziemlich offensichtlich, dass Donald meine Anklage bevorzugen wird.“ Blaise wirkte zwischen ihnen merklich fehl am Platz.

 

„Ich schlage vor, wir sehen uns zum Essen, Hermine“, sagte er also. Und plötzlich änderte sich Grangers Tonlage.


„Du kannst einfach bleiben, Blaise. Ich denke, Draco ist fertig?“

 

„Es gibt da noch ein paar Dinge“, fuhr er unbeeindruckt fort.

 

„Die Blaise hören kann?“, fragte sie jetzt und sah ihn wieder nicht direkt an.

 

„Sicher, wenn er will. Anscheinend habt ihr keine Geheimnisse voreinander“, fuhr er mit unüberhörbarem Unterton fort.

 

„Witzig, Draco“, erwiderte sie trocken.

 

„Ihr könnt es gerne unter euch klären, Hermine. Wie gesagt, wir gehen ja zum Mittag zusammen.“ Und Granger schien kurz etwas ratlos zu sein.


„Ok, meinetwegen. Dann… bis später.“ Blaise verschwand. Aber nicht, ohne ihm noch einen kurzen Blick zuzuwerfen. Aber Draco würde verdammt sein, würde er sich irgendein Gefühl anmerken lassen. Die Tür schloss sich und Granger spannte sich an. Er sah es genau.

 

„Du wolltest den Fall also unbedingt zurück?“, fragte er scheinheilig und betrachtete ihre Unterlagen. Sie zog sie hastig zurück, als könne er aus ihnen verbotene Informationen beziehen. Er lächelte spöttisch zu ihr hinab.

 

„Ich wollte ihn nicht unbedingt zurück. Es war eben einfach so“, erklärte sie und sah stur nach vorne auf den Schreibtisch. „Ich muss wirklich weiter machen, wenn Donald nur eine Seite in seiner Abteilung haben möchte.“


„Das ist kein Wettkampf, das ist dir klar oder?“

 

„Draco, bei dir ist alles ein Wettkampf, oder nicht?“

 

„Ich glaube, man bezeichnet es nicht als Wettkampf, wenn der Sieger schon von vornerein feststeht“, bemerkte er mit einem Hauch an Spott. Nicht zu viel, denn das würde seine Überlegenheit schmälern.

 

Jetzt hob sie gereizt den Blick. „Du hast es letztes Jahr schon nicht geschafft“, konterte sie und er sah, dass sie sich für die Worte ärgerte.

 

„Was konkret?“

 

Sie erhob sich.


„Bitte, geh einfach. Danke für die Information. Und versuch dich bitte hier rauszuhalten, ja? Es ist gegen das Gesetz, meine Klientin auszuspionieren.“ Natürlich war das ihr Punkt.


„Zweimal bitte… das müsste dann wohl ein neuer Rekord sein, oder?“, erkundigte er sich kalt. „Und außerdem ist es erst seit zwei Tagen deine Klientin, Granger.“ Er sah ihre Wut genau. Seltsamerweise beruhigte es ihn. „Und wer im Trollkeller sitzt, sollte besser nicht das Schwert verlieren, denn ich glaube, du bist nicht völlig rechtens an diesen Fall gekommen.“ Ja, sie war wütend.

 

„Bist du fertig?“, fragte sie böse und er unterdrückte ein Lächeln.

 

„Sicher, immer doch. Wenn du glaubst, du hättest auch nur die geringste Chance, dann irrst du dich“, erklärte er immer noch freundlich.

 

„Wenn es kein Wettkampf ist, brauchst du mir auch nicht zu drohen.“ Sie zeigte auf die Tür. „Da geht’s raus.“

 

„Ich denke, das weiß ich besser als du, denn ich hatte nicht die plötzliche Laune, die Abteilung zu verlassen. Weißt du, du hättest hier hoch aufsteigen können, aber dein Problem ist, dass dich deine Gefühle in die falsche Richtung lenken. Wenn sie dich denn überhaupt in irgendeine Richtung lenken. Und das dürfte auch der Grund dafür sein, weshalb du diesen Fall leider nicht übernehmen wirst.“ Ihr Mund war aufgeklappt.

 

„Wenn mich meine Gefühle in eine falsche Richtung gelenkt haben, dann-“ Sie hatte sich selber unterbrochen und die böse Seite in seinem Innern, wollte förmlich, dass sie weitersprach. Er hatte wirklich gedacht, dass sie nach mehr als einem halben Jahr normal reden konnten. Aber er hatte sich geirrt. Und sie schaffte es, wieder Fokus zu gewinnen. Wirklich schade, dachte er. „Schön. Das war wirkliche ein wunderschöne Ansprache, Malfoy. Aber ich glaube, wir sind hier fertig.“

 

„Du wirst doch wohl nicht wütend werden? Seine Gefühle im Griff zu haben, ist das wichtigste. Aber vielleicht verlierst du den Fall auch nicht wegen Befangenheit, sondern einfach, weil dir die richtige Information fehlt, Granger.“

„Du hast überhaupt gar keine Informationen! Was willst du schon besser wissen als letztes Mal? Es ist genau das gleiche. Und hättest du damals nicht den Schwanz eingezogen und nachgegeben, dann wärst du in die bittere Lage gekommen, um zu sehen, wie ich gewonnen hätte. Haushoch.“

 

„Es geht nicht immer ums Gewinnen. Es geht um die Wahrheit. Aber das war dir noch nie wirklich, bewusst, oder? Egal, ich habe wirklich besseres zu tun. Nett, dich in der Abteilung zu haben. Aber wer weiß, wie lange du es aushalten wirst, richtig?“ Jetzt schenkte er ihr ein Lächeln.

 

Ja, es war weiß Gott einfacher, sie zu hassen als etwas anderes zu tun. Und es war großartig zu sehen, wie sie die Fassung verlor. Er war beruhigt zu sehen, wie wenig er sie leiden konnte.

 

 

Kapitel 7

~ Silence is Holy ~

 

 

Er war zwar nicht besonders stolz auf die Tatsache, dass er Annabelle Douglas besucht hatte, obwohl es ihm nicht zugestanden hatte, aber immerhin war er jetzt um eine Information reicher. Und die würde er Fowler unter die Nase reiben. Jetzt war es nämlich überlebenswichtig, dass er auch seinen Boss überzeugte.

Denn jetzt wusste er, er lag richtig.

 

Bevor er gehen konnte, klopfte es allerdings an seiner Tür. Er bezweifelte stark, dass ihn Blaise zum Essen abholen würde. Denn Blaise wusste, trotz seiner Höflichkeit, dass Draco ihm noch nicht verziehen hatte.

 

„Herein?“

 

Eine Frau steckte den Kopf in sein Büro. Und er erkannte sie immer noch sofort.

 

Mrs Potter, was für eine Ehre“, begrüßte er sie und versuchte keine Wertung in seine Stimme zu legen.

 

„Spar dir das, Malfoy“, sagte Ginny böse. Und sie war nicht allein. Sie hatte ihren Sohn an der Hand.

 

„Womit verdiene ich einen Besuch von dir?“, erkundigte er sich freundlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

 

„Du verdienst eigentlich überhaupt nichts, Malfoy. Aber es gibt wohl keine andere Möglichkeit. James, fass nichts an, Mommy ist gleich fertig.“ Draco betrachtete den Jungen, den er lange nicht mehr gesehen hatte. Er versteckte sich halb hinter den Beinen seiner Mutter und Draco konnte es ihm nicht verdenken. Es war bestimmt schon ein halbes Jahr her. Wahrscheinlich erkannte er ihn gar nicht mehr. Und für einen kurzen Moment tat ihm das wirklich leid. Denn im Gegensatz zu seinem Vater war James absolut in Ordnung.

 

Sie setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl, ohne dass er sie dazu aufgefordert hatte. Potters Frau machte da nicht viel Fehlerlesen.

 

„Ich nehme mal nicht an, dass du gekommen bist, um zu plaudern?“, vermutete er seufzend.


Plaudern? Nein. Wir haben noch nie geplaudert. Harry hat mir gesagt, dass Hermine wieder in der Abteilung arbeitet. Und anscheinend sitzt ihr schon wieder zusammen an dem Fall.“ Er wartete kurz, aber sie sagte nichts.

 

„Erwartest du, dass ich darauf irgendwas sage?“ James betrachtete währenddessen das magische Prisma, was als Dekoration vor ihm stand. Draco schob es ihm unauffällig zu und nickte ihn an. Langsam schlossen sich James‘ Finger um den gläsernen Gegenstand und die Funken flitzten im Licht durch das Glas, als James es hochhob.

 

Ginny beobachtete dies mit geschürzten Lippen. „Ich will, dass du den Fall aufgibst, Malfoy“, sagte sie schlicht. Für einen kurzen Moment sah er sie an und tat so, als würde er darüber nachdenken. Dann verzog er entschuldigend den Mund.

 

„Nein. Tut mir leid. Das werde ich nicht tun.“ Er hob knapp die Hände und lächelte nachsichtig. Sie sah ihn böse an.

 

„Du willst das also wirklich noch mal machen? Du willst dich mit ihr streiten, ihr wollt alles vergessen, was mit eurer Arbeit zu tun hat, nur weil ihr ein persönliches Problem habt?“ Er sah sie kurz an.

 

„Glaub mir, darum geht es nicht. Es mag derselbe Fall sein, aber die Voraussetzungen sind-“

 

„Genau dieselben, Draco!“, unterbrach sie wütend. Ihr Sohn sah sie kurz an, ehe er wieder wie gebannt auf das bunte Treiben im Innern des Prismas achtete.


„Ich denke nicht, dass du das beurteilen kannst“, stellte er trocken fest.


„Was? Bist du verrückt? Wer war denn letztes Jahr jeden Tag dabei? Wer hat denn den ganzen Streit miterlebt? Und wer hat auf unserer Couch geschlafen? Warst du das oder war das eine Halluzination?“ Er unterdrückte den Drang, laut zu werden und lehnte sich wieder vor.

 

„Ich habe mein eigenes Haus, wo ich alleine wohne und wo ich alleine schlafen kann. Die Lage ist anders. Und ich glaube nicht, dass es dir zusteht, mir zu befehlen, einen idealen Fall aufzugeben. Ich bin nicht dein Sohn“, fügte er hinzu und sein Blick fiel wieder auf den Jungen. Seine dunklen Haare wirkten länger und seine Augen funkelten immer noch genauso grün, wie Draco sie in Erinnerung hatte.

 

„Hermines Wohl liegt mir sehr am Herzen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dafür verantwortlich sein wirst, dass es ihr wieder schlecht geht. Und das wollen wir doch wohl nicht!“, fügte sie mit Nachdruck hinzu. „Oder willst du das wirklich, Malfoy?“

 

„Was? Es ist mir völlig egal. Ich habe keinen Einfluss auf ihr Leben!“, entrüstete er sich.

 

„Nein? Ich habe gehört, Donald Wades sucht sich einen Rechtsmagier von euch aus. Sie wird ihr Herzblut in diesen Fall stecken. Sie wird sich all die Mühe machen und ich will nicht, dass er dann am Ende dich auswählt, weil du irgendwen bestochen hast oder mit dem Tod gedroht oder mit Armut oder sonst was!“

 

„Für wen hältst du mich eigentlich? Ein netter Einblick, wirklich“, erklärte er und warf einen Blick auf die Uhr. „Allerdings muss ich wirklich los.“

 

„Du wirst also gar nichts tun? Du wirst es nicht leichter für sie machen?“

 

„Leichter für sie?“, wiederholte er entrüstet und lachte auf. „Weshalb sollte ich ihr irgendwas leicht machen?“

 

„Weil sie es schwer genug hatte, Draco“, sagte Ginny mit Nachdruck.

 

„Richtig. Und sie war auch die einzige, das hatte ich vergessen. Sie war mit sich selbst verheiratet.“ Er konnte nicht verhindern, bitter zu klingen. Und er wollte es gar nicht verhindern.

 

„Du kannst das nicht schon wieder tun. Du kannst nicht schon wieder mit ihr über diesen Fall streiten!“

 

„Wenn Donald nächste Woche entscheidet, dann ist es doch vorbei. Entweder sie gewinnt, oder ich gewinne. Dann muss sie es nur eine Woche aushalten. Und bei allem Respekt, es geht dich nichts an, Ginevra.“ Sie zuckte bei ihrem Namen zusammen.

 

„Fein. Wie du willst. Wie hatte ich annehmen können, auch nur ein einziges Mal ein vernünftiges Gespräch mit dir zu führen? Das hat ja schon vor zwei Jahren nicht geklappt“, erwiderte sie bitter und erhob sich schließlich.

„James, wir gehen. Sag auf Wiedersehen“, fügte sie widerwillig hinzu, denn anscheinend bestand sie bei ihrem Sohn auf die gebotene Höflichkeit. Er hatte das Prisma vorsichtig zurückgestellt und warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf die bunten Farben.

 

„Wiedersehen, Onkel Draco“, sagte der Junge jetzt kleinlaut und winkte ihm kurz. Draco wurde wirklich nicht oft von den Menschen überrascht, aber dass der Junge noch wusste, wer er war, das war wirklich bemerkenswert.

 

Machs gut, James. Ginevra“, fügte er mit einem Lächeln hinzu und Ginny warf seine Tür förmlich ins Schloss.

 

Als ob er wirklich für Granger auf diesen Fall verzichten würde. Er hegte sowieso die Befürchtung, dass Donald sich für Granger entscheiden würde. Er hatte sowieso das Gefühl, dass alle Granger lieber mochten als ihn. Das war ein dummes Gefühl, aber es ließ sich nicht verdrängen. Sein eigener Hauself mochte Granger lieber. Sein Vorgesetzter mochte Granger lieber, ja, verflucht sogar Lucius mochte Granger höchstwahrscheinlich lieber als ihn.

 

Es klopfte erneut. Vielleicht war Potters Frau doch noch nicht fertig mit ihm. Aber diesmal war es tatsächlich Blaise.

 

„Hallo der Herr mit den Stimmungsschwankungen. Hat es dir Befriedigung verschafft, sie zu sehen?“, fragte er lauernd und Draco verdrehte die Augen. Er wusste, Blaise sprach nicht von Potters Frau.

 

„Was willst du?“

 

„Hast du Hunger?“

 

„Nein, ich muss gleich los“, erklärte Draco kurz angebunden. Er nahm es Blaise wirklich übel.

 

„Ich hab hier noch eine Sache. Vielleicht liegt dir das. Bei solchen Fällen bin ich immer überfordert. Die Sache mit dem Todesser, der vor einigen Jahren verschwunden ist“, fuhr er fort. „Der Fall liegt schon solange im Regal, dass es fast peinlich ist. Könntest du die Akte schließen?“

 

„Warum ist sie nicht schon längst geschlossen?“, fragte Draco verwirrt, denn er erinnerte sich daran, dass der Fall schon mal durch ihre Abteilung gegangen war.

 

„Keine Ahnung“, erwiderte Blaise und Draco glaubte ihm nicht.

 

„Nein? Du kommst zu mir, mit einem Fall, der irrelevant ist und du tust das, obwohl du weißt, dass ich an einem Fall arbeite. Hat Donald dir schon gesagt, dass er Granger haben will?“ Blaise runzelte die Stirn.


„Deine Paranoia ist beeindruckend, Draco, aber nein. Ich dachte mir, du bräuchtest etwas Ablenkung.“

 

„Ist das so?“ Er nahm die Akte mit spitzen Fingern entgegen.

 

„Wie wäre es, wenn wir das heute Abend beim Essen besprechen würden?“

 

„Wieso? Willst du vor Millicent entkommen? Oder vor Pansy?“

 

Blaise musste lächeln. „Sag bloß, du hast es vergessen, Draco? Das sieht dir ja gar nicht ähnlich.“ Draco durchsuchte seinen Kopf. Welches Datum war denn heute? Er wusste es wirklich nicht. Vielleicht hatte Potters Frau recht, und es war wirklich nicht gesund, alte Streits wieder neu aufzuwickeln. „Dein Vater hat Geburtstag und du vergisst es tatsächlich“, ergänzte Blaise lächelnd. Dracos Mund öffnete sich.

 

Himmel, da hätte er fast den Geburtstag seines Vaters vergessen! Dabei hatte er noch neulich daran gedacht, dass die Investition in die Einhornzucht das ideale Geschenk wäre. Sein Vater liebte neue Marktentdeckungen, die Profit brachten.

 

Er warf die Akte achtlos auf seinen Schreibtisch. Er würde morgen einen Blick reinwerfen. Heute musste er noch zu Fowler und dann zu der Feier seines Vaters. Er könnte sich wieder rechtfertigen, weshalb er nicht verheiratet war und welcher seiner schlechten Entscheidung die andere übertraf.

 

„Ich hoffe doch, wir haben eine Art Waffenstillstand, Draco?“, erkundigte sich Blaise jetzt ernsthaft und Draco hob eine Augenbraue.

 

„Von mir aus“, gab er zurück. Dann lächelte er. „Obwohl es bestimmt angenehm wäre, dich Pansy heute zum Fraß vorzuwerfen.“ Pansy war stets im Hause Malfoy eingeladen, wenn eine Feier stattfand. So auch Blaise. Narzissa schien die Tatsache zu ignorieren, dass Blaise und Pansy geschieden waren.

Allerdings ging er stark davon aus, dass sie Granger keine Einladung geschickt hatte. Es war seltsam. Sein Vater hatte Granger gemocht. Seine Mutter nie wirklich.

 

„Ha ha“, erwiderte Blaise nur. „Bis später dann“, verabschiedete er sich mit einem letzten Blick auf die Akte. Jetzt vermutete Draco schon bei Blaise Hintergedanken, aber anscheinend lag er mittlerweile nicht mehr falsch, wenn er so etwas vermutete.

 

Jetzt musste er sich schon fast beeilen.

 

~*~

 

Fowler heute zu sehen, war ein durchaus besseres Gefühl.

 

„Sie wissen, dass entweder ich oder Ms Granger den Fall weiterführen wird? Es kann also sein, dass sie einen neuen Verteidiger bekommen?“, vergewisserte sich Draco und erhoffte sich irgendeine Regung im Gesicht des Mannes zu erkennen.

 

„Ja, ich weiß“, sagte Fowler. Er wusste es, denn sein Körper zeigte Regung auf den Konditionierungszauber.

 

„Wissen Sie, ich war vor zwei Tagen bei Annabelle Douglas, Mr Fowler“, fuhr Draco fort, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Die wässrigen Augen des Mannes verengten sich.

 

„Warum? Es ist doch gar nicht ihre Klientin, oder?“

 

„Nein, ist sie nicht. Allerdings ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen, Mr Fowler.“ Draco wartete kurz. Sie wusste nicht, ob sich Fowlers Atmung beschleunigt hatte, sein Herzschlag oder ob Schweiß auf seine Finger getreten war. Er könnte es leicht nachprüfen, aber er verzichtete darauf. „Wissen Sie, was das sein könnte?“, fuhr Draco langsam fort.

 

Und Fowler sagte nichts. Denn wenn Draco richtig lag, dann würde jede Antwort von Fowler dazu führen, dass der Zauber anschlug.

 

„Wann werden Sie anfangen, die Wahrheit zu sagen?“ Er wartete, aber Fowler sagte nichts. „Warum wollen Sie unbedingt zurück nach Askaban?“, fügte er hinzu.

 

„Ich will nicht nach Askaban“, erwiderte Fowler und das war die Wahrheit.

 

„Wissen Sie, was ein Zeitenumkehrer ist?“, fragte Draco jetzt und schlug die andere Richtung ein.

 

„Ja, Mr Malfoy“, sagte Fowler kleinlaut. „Jeder weiß das, oder?“

 

„Wissen Sie, weshalb Ms Douglas im Besitz dieses Gegenstandes ist?“ Und beide Männer sahen sich an.


„Nein“, flüsterte Fowler und verzog kurz den Mund. Der Zauber schlug an.


„Warum, Edgar?“

 

„Ich weiß es nicht“, sagte er lauter und seine Züge spannten sich wieder an.


„Sie müssen-“

 

„Fragen Sie mich das nicht! Sagen Sie niemandem, dass sie ihn hat, sagen Sie es keinem, haben Sie gehört? Ich bitte Sie, sagen Sie es nicht!“, flehte der Mann vor ihm jetzt und seine Atmung ging schneller.


„Sie wissen, warum?“, erwiderte Draco aufgeregt. „Sie wissen, wofür Sie ihn gebraucht hat und Sie wissen, dass es Privatpersonen nicht gestattet ist, einen Zeitenumkehrer zu besitzen“, fuhr er fort.


„Ich weiß das“, sagte Fowler und es trat eine kurze Stille ein.

 

„Warum verteidigen Sie diese Frau? Warum beschuldigt Sie diese Frau, dass Sie sie gefoltert hätten? Und warum bestätigen Sie es? Warum wehren Sie sich gegen die mögliche Freiheit? Warum tun Sie das für diese Frau?“

 

Und Draco schwieg plötzlich. Edgar hatte recht. Man musste die richtigen Fragen stellen.

 

„Sie lieben diese Frau.“ Und es war keine Frage, die er stellte. Fowler wirkte müde. Er sagte nichts.

 

Wissen Sie, Reden ist Silber. Schweigen ist Gold, Mr Malfoy.“

 

„Nicht in meinem Beruf“, widersprach Draco gereizt und wusste nicht genau, was er tun sollte. Es würde ihm nichts bringen in seiner Akte zu erwähnen, dass Annabelle Douglas einen Zeitenumkehrer besaß, denn dies hatte nichts mit dem Fall zu tun. Es wäre eine weitere Tat. Aber der ehemalige Todesser vor ihm bat ihn, diese Frau zu verschonen. Aber bisher hatte Draco noch nicht viele Fäden zusammen gebracht. Er wusste jetzt sicher, dass sich die beiden kannten. Er wusste sicher, dass Edgar Annabelle nicht gefoltert hatte.

Er wusste, dass Edgar dieses Verbrechen aus Liebe auf sich genommen hatte.

 

„Wozu der Aufwand, Edgar? Was verbergen Sie mit der fadenscheinigen Foltergeschichte?“

 

„Reden ist Silber-“

 

„Schweigen ist Gold, ja, ja. Das sagten Sie schon“, knurrte Draco gereizt, aber Fowler lehnte sich plötzlich vor.


„Schweigen ist Gold“, wiederholte er jetzt eindringlicher.

 

„Schweigen ist Gold?“, wiederholte auch Draco verwirrt und Edgar nickte.

„Soll da sein Rätsel sein? Ich hasse Spiele, Mr Fowler.“

 

„Schweigen ist Gold.“ Und das war das letzte, was Edgar Fowler ihm heute an Worten gönnte.

 

 

Kapitel 8

~ But I grow old and I forget your Name ~

 

 

Jeden Freitag war er hier gewesen. Jeden. Für über zwei Jahre. Und jetzt, seit acht Monaten war er vielleicht vier, fünfmal hier aufgetaucht. Schon alleine aus diesem Grund wusste er, dass seine Mutter seine Exfrau nicht immer verteufelte.

 

Sein Vater betrachtete verzückt das Bild, von dem Einhorn, das jetzt neu in das Zuchtprogramm aufgenommen worden ist.

 

„Ich kann mir noch einen Namen aussuchen?“, erkundigte sich sein Vater und Draco war froh, dass er das Geschenk nicht verabscheute. Aber es brachte Kapitel, also war es wohl ein gutes Geschenk.

 

„Sicher, wenn du willst“, erwiderte Draco und nickte den vorbeigehenden Gästen zu.

 

„Gut. Ich denke, ich entscheide mich für… Jean.“ Kurz hatte er den Blick gehoben und Draco beschloss, zu ignorieren, dass es sich niemals um einen Zufall handelte. Generell gab es keine Zufälle. Und dass sich sein Vater den zweiten Vornamen seiner Exfrau für sein Einhorn ausgesucht hatte, grenzte mit hoher Wahrscheinlichkeit an genauso geringe Zufälligkeit.

 

„Es ist ein männliches Einhorn“, erklärte Draco geflissentlich.

 

„Unwichtig. Das Einhorn weiß doch nicht, wofür der Name steht.“ Wie beiläufig zog sein Vater eine beeindruckend hübsche Taschenuhr aus seinem Jackett. „Ich denke, es wird Zeit für den Toast.“

 

„Ein Geschenk von Mutter?“, vermutete Draco jetzt, denn sein Vater zeigte ihm das Schmuckstück bestimmt nicht, ohne Absicht.

 

„Was? Das? Oh nein, Draco. Interessant, dass sie dir auffällt. Du machst dir doch nichts aus Taschenuhren“, fuhr sein Vater fort. „Es ist Hermines Geschenk. Sie kann leider nicht persönlich kommen, obwohl ich glaube, dass sie nichts daran hindert, was denkst du?“

 

„Mutter ruft mich“, log er kalt und ließ seinen Vater zurück.

 

Er brauchte dringend mehr Alkohol.

 

„Draco!“, rief seine Mutter, die tatsächlich auf ihn wartete. „Nimm dir ein Glas, Liebling“, erklärte sie und reichte ihm den teuren Kristall. Der kam ihm gerade recht, denn sein eigenes Glas war leer.

„Hast du einen Blick auf die Damen geworfen?“, fragte sie scheinheilig. „Oder bist du immer noch nicht über Hermine hinweggekommen?“

 

Alkohol. Dringend.


„Mutter, ich…“ Was wollte er sagen? Dass er mit Astoria Greengrass seine Zeit verbrachte? Astoria, die er, wie beiläufig, vergessen hatte, zum Geburtstag seines Vaters einzuladen? Fuck. Er war sich nicht ganz sicher, ob er das wieder gut machen konnte. Aber auf Blaise war ja Verlass.


Mrs Malfoy, Draco trifft sich seit einer ganzen Weile schon mit der Tochter von Senator Greengrass“, erklärte dieser bereitwillig und griff sich ebenfalls ein Glas von dem schwebenden Tablett.


Greengrass? Kennen wir den Senator nicht aus dem Club?“, wandte sich Narzissa an ihren Mann, der näher gekommen war. Immerhin hatte er die Uhr wieder eingepackt, stellte Draco fest.

 

„Sicher. Seine Tochter ist… nun, sie ist arbeitslos, nicht wahr?“

 

„Es ist das erste Mal, dass du eine reiche Reinblüterin ohne Arbeit als arbeitslos bezeichnest, Vater“, bemerkte Draco spitz.

 

„Wenn sie nicht arbeitet, dann ist sie doch arbeitslos. Oder wie soll ich es sonst nennen?“

 

„Sie ist die Dame des Hauses, Liebling“, sagte seine Mutter recht kühl. „Außerdem war Hermine nun wohl ständig arbeitslos.“

 

„Das hatte andere Gründe. Das Mädchen ist so talentiert, dass sie ohne weiteres Zaubereiministerin werden könnte, nicht wahr, Draco? Wir haben doch immer gesagt, dass-“

 

„Entschuldigt mich, mein Glas ist leer“, sagte er tonlos und Blaise schritt mit ihm über die sommerliche Wiese. Die Rosen blühten voll und schwer. Der süße Duft hing überall in der Luft.


„Der Alkohol schlägt wesentlich schneller an, in dieser Hitze“, bemerkte Blaise zusammenhanglos.

 

„Sehr nett von dir, mit Astoria anzufangen“, knurrte Draco.

 

„Wo ist sie überhaupt?“, fragte Blaise und ignorierte den Seitenhieb.

 

„Keine Ahnung.“ Draco leerte das nächste Glas. „Wo ist Pansy?“, stellte er die Gegenfrage.

 

„Hör mir auf. Wenn Goyle und ich auch nur noch ein weiteres Glas auf gute Freundschaft trinken müssen, dann hänge ich mich am höchsten Balken eurer Turmspitze auf“, drohte er leise und trank ebenfalls.

 

Draco musste lächeln. Gut, vielleicht nahm er Blaise nicht alles Übel.

 

„Hast du dir den Fall angesehen?“, fragte Blaise plötzlich unvermittelt und Draco zuckte die Achseln.


„Nein, noch nicht. Ich wollte erst diesen Fall hinter mich bringen. Aber danke der Nachfrage, du willst also schon jetzt, dass ich mich damit abfinde, den Fall nicht zu bekommen?“ Blaise seufzte.


„Es war letztes Jahr schon schwer genug. Und ich weiß, diese ganze Ehre und die Vergangenheit und dein Stolz hängen schwer davon ab, aber… Draco… lass ihr doch den Fall.“

 

„Das ist hier kein Abfindungsgespräch, Blaise. Das habe ich hinter mir. Und sie wollte keinen Sickel meines Vermögens. Also bekommt sie auch nicht den Fall.“ Wie zum Teufel sollte ein Mann eine Frau vergessen, wenn ihr Name überall in der Luft schwebte, verflucht?

 

„Und nein, ich habe dir den Fall nicht als Überwindung gegeben, Draco.“ Draco runzelte die Stirn.


„Warum dann?“

 

„Merlin, sieh ihn dir einfach an.“ Blaise wirkte gereizter als zuvor. „Ich hätte diesen Todesser-Fall auch übernehmen können, ist dir das klar?“ sagte er plötzlich. „Ich denke, ich hätte sogar beide Seiten besser übernehmen können, als du und Hermine zusammen“, fuhr er verärgert fort.

 

„Was soll das heißen?“ Blaise sah ihn eindringlich an.

 

„Oh bitte! Worum geht es dir? Geht es dir wirklich darum, zu beweisen, dass ehemalige Todesser auf der guten Seite stehen können? Wirklich, Draco? Oder geht es einfach nur darum, Hermine zu beweisen, dass du besser bist?“


„Du liegst absolut falsch. Du solltest dich mit Potters Frau zusammen setzen. Dann könntet ihr eure Fantasien zusammen spinnen“, erwiderte er böse.

 

„Wieso bist du dann immer noch nicht weiter?“

 

„Hey! Außerdem bist du selber schuld! Du könntest den Fall auch einfach übernommen haben. Du hättest ihn nicht dieser dämlichen Besserwisserin geben müssen, Blaise. Es ist sowieso deine Schuld.“

 

„Meine Schuld…“, wiederholte Blaise nachsichtig. „Richtig, eure Scheidung ist meine Schuld. Es hat mich ein Jahr gekostet, euch zu zeigen, dass eure Streitereien kein Hass, sondern Liebe waren und es ist meine Schuld, dass du den Fall verlieren wirst. So einfach ist das alles nicht.“

 

„Ich hasse deine Kuppelversuche. Ich weiß nicht, was du erwartest, Blaise. Ich bin glücklich mit Astoria.“ Na ja, das war mehr oder weniger gelogen.

 

„Ja? Ich bin sicher, es gefällt ihr hier bei deinen Eltern wirklich gut. Ach nein, warte. Sie ist ja gar nicht hier“, ergänzte Blaise lächelnd.

 

„Ich werde den Fall nicht verlieren“, sagte er jetzt zornig und ging nicht mehr auf die Tatsache ein, dass er Astoria komplett verdrängt und vergessen hatte.

 

„Ok, hör zu, wenn es dir wirklich nicht mehr um Hermine geht, dann streng dich gefälligst an. Wenn es dir um den Fall geht, dann sollte es dir nicht so schwer fallen, Donald zu überzeugen.“

 

„Er ist ein Muggelfreund, verflucht! Er steht nicht auf meiner Seite!“, beschwerte sich Draco gereizt. „Und wenn du alles besser weißt, hättest du den Fall behalten sollte!“, fügte er hinzu und spürte den Alkohol wirken.

 

„Ich weiß es auch besser. Aber ich habe altruistische Gründe, Malfoy. Du wirst es später begreifen.“

 

„Vergiss es“, sagte Draco vage, denn er wusste zwar nicht, was Blaise meinte, aber er würde ihm bestimmt nicht recht geben. Ganz bestimmt nicht.

 

 

~*~

 

Und sie war sich nicht mehr sicher, ob Donald sie wirklich am Ende der nächsten Woche nehmen würde.

 

„Sie müssen mir die Wahrheit sagen. Sie wissen, dass es so gut wie unmöglich zu beweisen ist, dass er sie gefoltert hat.“ Und sie wusste, Annabelle war müde. Und sie selber war noch viel müder.

 

„Wenn ich es Ihnen doch sage“, beteuerte die Frau jetzt. „Und… er ist doch ein Todesser. Ich weiß überhaupt nicht, warum das Ministerium noch zögert!“ Hermine runzelte die Stirn. Es war ein neuer Punkt. Bisher hatte Annabelle eigentlich nie darauf gepocht, dass Edgar Fowler ein Todesser war.

 

Sie wusste, Malfoys Konditionierungszauber hatte einiges für sich. Aber sie weigerte sich, ihn auszuführen. Denn wenn die Menschen logen, dann logen sie einfach. Dann konnte man sie auch nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Sie vertraute auf Veritaserum, war aber bei solchen Bagatellfällen – waren sie auch noch so spannend – nur auf ihren Menschenverstand angewiesen.

 

„Ich habe hier ein paar Fakten gefunden, über die wir bisher noch nicht gesprochen haben“, sagte sie mit schwerer Stimme, denn eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, alles wieder aufzurollen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, es ruhen zu lassen. Die losen Enden, einfach lose Enden sein zu lassen.

 

„Wieso haben Sie diese Anzeige damals bekommen?“

 

„Das wissen Sie doch schon.“

 

„Nein, ich weiß, dass sie im Ministerium aufgegriffen wurden, wegen Diebstahls. Oder versuchtem Diebstahls zumindest.“

 

„Aber das habe ich Ihnen doch schon erzählt.“

 

„Ja, aber dieses Mal werde ich nicht locker lassen, denn dieses Mal geht es um etwas sehr wichtiges“, beharrte sie. „Wir können uns nicht erlauben, gewisse Dinge, nicht zu berücksichtigen.“


„Sie haben gesagt, es ist unwichtig und dass diese Sache nichts mit dem Vorfall im Ministerium zu tun hat“, widersprach Annabelle aufgeregt.

 

„Nein, mir persönlich ist es auch egal. Aber Mr Malfoy wird sich jeden Strohhalm greifen. Und wenn hinter dieser Information mehr steckt, als sie mir sagen wollen, dann muss ich es wissen, Annabelle.“

 

Mrs Malfoy – Ms Granger, es war dumm von mir, in das Ministerium einbrechen zu wollen. Es war… ein Impuls. Ich hatte eine seltsame Phase hinter mir. Meine Mutter war gerade gestorben und ich… ich wollte mich auflehnen. Ich habe nichts gestohlen!“, beteuerte sie erneut. Hermine ignorierte den Namensfehler.

 

„Warum die Mysteriumsabteilung?“, fragte Hermine ruhig und sie wollte einfach nur einmal die Wahrheit hören. „Was wollten Sie ausgerechnet dort stehlen? Warum wollten Sie nicht… keine Ahnung, randalieren oder…, was man eben tut, wenn man wütend ist. Wieso haben Sie sich ein Ziel ausgesucht, was so gut bewacht ist?“

 

Annabelle sagte nichts darauf und schüttelte entschuldigend den Kopf.


„Ich habe es den Beamten schon damals gesagt, es war rein impulsiv.“

 

„Ich glaube Ihnen das nicht. Wissen Sie, dass Malfoy denkt – immer noch denkt – dass Sie und Edgar Fowler in Zusammenhang stehen? Dass Sie sich kennen und dass hinter diesem Verbrechen ein anderes steht?“ Sie konnte nicht glauben, dass sie jetzt schon Malfoys Theorie in Erwägung zog. Sie wurde doch langsam verrückt. Aber sie wusste, sie musste jede Verwirrung aus dem Weg schaffen. Dazu gehörten auch die verworrenen Theorien ihres Exmannes.

 

„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich weiß, dass er mich gefoltert hat! Er hat mich angegriffen und mich gefoltert. Und ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn noch nie vorher in meinem Leben gesehen!“ Und sie sagte die Wahrheit. Hermine sah es ihr an. Sie sah es sehr genau.

 

Sie sah noch eine andere Kleinigkeit sehr genau. Annabelle hob immer wieder ihre Hand zu ihrem Hals und immer wieder wickelte sie sich die goldene Halskette um ihren Zeigefinger. Wahrscheinlich nur unbewusst.

 

Aber die Kette war feingegliedert. Die goldenen Ösen waren flach und breit und ineinander gesteckt. Sie waren grob geschliffen und unangenehm geformt. Und das Tragen dieser Kette schmerzte im Nacken, denn sie diente nur dem Zweck und der Unzerstörbarkeit. Weshalb Hermine das wusste? Weil sie selber einmal so eine Kette getragen hatte. Zumindest für eine begrenzte Zeit.

 

„Woher haben Sie die Kette, Annabelle?“, fragte Hermine und Annabelle runzelte die Stirn und zuckte dann die Achseln.


„Ein Erbstück, wieso? Gefällt sie Ihnen? Es ist albern, aber mittlerweile lege ich sie nicht mal mehr zur Nacht ab. Sie ist unbequemer als man denkt.“ Sie lächelte kurz und dann wurde sie wieder ernst. „Bitte, ich will, dass es endlich vorbei ist. Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen soll.“

 

Hermine wusste auch nicht genau, was sie noch sagen sollte.

 

Außer, dass sie sich nicht erklären konnte, wie Annabelle Douglas an die Kette eines Zeitenumkehrers gekommen war. Und wo war der Zeitenumkehrer? Und woher hatte sie ihn? Und wieso war ihr das nicht eher aufgefallen?

Annabelle war in der Mysteriumsabteilung aufgegriffen worden. Schon vor einigen Jahren.

 

Das Ministerium hatte danach die Sicherungen verschärft und es hatte sofort eine Inventur durchgeführt. Annabelle hatte nichts gestohlen. Hätte ein Zeitenumkehrer gefehlt, dann wäre es verzeichnet gewesen.

Die Verarbeitung der Kette war Trollhandwerk. Hermine sah es genau. An den groben Stellen funkelte das Gold der Kette besonders hell. Sie war schön anzusehen und unerschwinglich teuer.

 

Sie war auch nur zweckentsprechend, denn Zeitenumkehrer waren schwer und benötigen eine Kette aus belastbarem Material. Und würde sie die Kette näher in Augen schein nehmen, würde sie vier Initialen in der letzten Öse eingestanzt erkennen können.

 

Sie hatte ein gutes Auge dafür, denn sie hatte auch für eine kurze Zeit bei den Trollen gearbeitet. Aber diese konnten Menschen nicht besonders gut leiden. Deswegen konnte es natürlich nicht auf Dauer gut gehen.


„Dürfte ich mir die Kette ansehen? Sie ist wirklich schön. Bestimmt alt?“ Fast erwartete sie, dass Annabelle verneinen würde, aber sie nahm sie einfach ab und reichte sie Hermine.


„Ich meine, ich wäre froh, wenn wir einfach diesen Fall hinter uns bringen würden. Und stellen Sie sich nur vor, ich müsste einen neuen Rechtsmagier beantragen. Dann müsste der sich erst einarbeiten und ich bin doch so zufrieden mit ihnen“, fügte Annabelle hinzu und atmete verzweifelt aus.

 

Hermine drehte das Gold unauffällig in der Hand um. Und sie wünschte sich fast, sie läge falsch.

Aber das tat sie eigentlich nie. MFZL – Ministerium für Zauberei, London.

Sie hatte recht. Dies war eine offizielle Kette des Ministeriums und jetzt wohl ein sehr seltsames Beweisstück. Es gab eine begrenzte Zahl und wieso war der Zeitenumkehrer, der dazu gehörte, nicht als vermisst gemeldet? Es war unmöglich, eine Kette ohne Umkehrer zu besitzen. Es war alles genau verzeichnet. Sie gehörten eng zusammen. War er etwa hier in diesem Haus?

 

Hermine sah sich um.

 

„Darf ich?“ Annabelle streckte die Hand nach der Kette aus. Seufzend gab sie Hermine ihr zurück. Was brachte ihr schon eine Kette? Es hatte nichts mit dem Fall zu tun. Annabelle legte sie wieder um. „Wissen Sie, Ihr Exmann hatte sich auch für die Kette interessiert. Den meisten fällt sie gar nicht auf“, erklärte Annabelle gleichgültig. Hermines Atem stockte.

 

„Hat er… hat er sie auch in die Hand genommen?“, fragte sie tonlos und Annabelle runzelte die Stirn.

 

„Sicher, ich habe sie ihm gezeigt. Er fand sie auch bemerkenswert schön.“

 

„Wissen Sie… entschuldigen Sie mich. Ich denke, für heute haben wir genug besprochen.“ Hermine erhob sich hastig und ihr war auf einmal ganz unwohl. Zwar hatte diese Sache nichts mehr mit dem Fall zu tun, aber sie kannte Draco Malfoy gut genug, als dass er daraus eine Staatsaffäre machen würde. Jede noch so kleine Ablenkung wäre gut genug für ihn, den Fall für sich zu beanspruchen.

 

„Aber diese Sache im Ministerium wird doch nicht mehr zur Sprach kommen, oder? Sie hat nichts damit zu tun. Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?“ Auf einmal war sich Hermine nicht mehr völlig sicher, mit ihren Entscheidungen.


„Ja, ich denke, das wird… nein, wissen Sie, Sie müssen sich überhaupt keine… ich kümmere mich. Wir sehen uns morgen!“, sagte sie hastig und verabschiedete sich und verließ das Haus. Sie brauchte die Akte. Sie brauchte die verfluchte Akte, denn ihr kam gerade ein erschreckender Einfall.

 

Vielleicht… nur vielleicht, lag sie doch nicht richtig. Vielleicht hatte sie einen Fehler gemacht, letztes Jahr. Wieso war es ihr nur nicht aufgefallen?

Hoffentlich war es ihm nicht mittlerweile in die Hände gefallen! Hoffentlich plante er nicht gerade einen grandiosen Triumphzug, bei dem sie ziemlich übel davon kommen würde.

 

 

Kapitel 9

~ From the vantage Point ~

 

Sie hätte ja erwartet, dass es sie mehr Überwindung kosten würde. Sie hatte erwartet, dass die Gewissenbisse sie erschlagen würden, aber sie war überrascht, wie leicht es gewesen war, in sein Büro einzubrechen. Sie fühlte sich nicht mal schlecht bei dem Gedanken.

 

Das Ministerium war vollkommen leer. Abgesehen von den Auroren. Sie wusste, die Auroren trainierten gerne spät. Es war dann ruhiger und angenehmer, außerdem waren ihre Arbeitszeiten flexibler als die der restlichen Mitarbeiter.

 

Und mit schnellen Fingern ging sie durch seine gesamten Akten. Sie waren alle in dem Regal gelagert. Mit dem Lumos versuchte sie die Titel der Akten besser erkennen zu können, allerdings gelang es ihr nicht wirklich gut. Und sie wusste, sie hatte wahrscheinlich alle Zeit der Welt, aber dennoch wollte sie so schnell wie möglich hier raus.

 

Sie nahm an, er würde noch eine ganze Weile auf der Feier seines Vaters sein. Es war immer sehr angenehm auf den Feiern gewesen. Das Anwesen war so groß und so schön gewesen, dass sie immer ungern gegangen war. Auch wenn sie mit Narzissa ihre Probleme gehabt hatte, so war sie mit Lucius doch irgendwann stillschweigend übereingekommen jeden Groll zu begraben.

 

In einer stillen Stunde hatte er sich nämlich bei ihr entschuldigt. Wirklich entschuldigt. Und sie hatte ihm vergeben. Und seitdem war es ihr liebster Schwiegervater gewesen. Natürlich war er ihr einziger Schwiegervater gewesen, aber das ignorierte sie einfach. Sie hoffte nur, ihm hatte die Uhr gefallen.

 

„Mist“, sagte sie schließlich und hob den Zauberstab. „Accio Akte 737“, sagte sie leise, aber nichts geschah. Wo war die verfluchte Akte? Er hatte sie doch nicht geschützt? Nein, er hatte ja keine Ahnung, um was es ging. Sie war aus dem Archiv nämlich verschwunden und Blaise Zabini hatte die Markierung hinterlassen, dass sie jetzt von Draco Malfoy geschlossen werden sollte.

 

Das Schließen einer Akte war magisch gesehen das Todesurteil der Akte. Einmal geschlossen, war sie komplett unbrauchbar und durfte niemals wieder mit einer magischen Strafverfolgung geahndet werden.

 

Einmal geschlossen – immer geschlossen.

 

Hatte er sie nach Hause genommen? Tat er so etwas? Vielleicht tat er so etwas. Sie brauchte diese Akte. Und sie brauchte sie am besten jetzt. Sie hatte nicht mehr viel Zeit und je mehr Zeit sie vergeudete, umso größer wurden seine Chancen.

 

Sie atmete aus.

 

Na gut. Dann würde sie andere Maßnahmen ergreifen. Drastische Mittel erforderten eben ein wenig drastische Maßnahmen.

 

Und vielleicht ein wenig Fantasie.

 

 

~*~

 

Die Tür öffnete sich langsam und die kleine Kreatur hob ausdruckslos den Blick. Und es dauerte eine Sekunde, bis er sie erkannte.

 

Mrs Malfoy!“ Der Elf verneigte sich tief, bis hinunter auf den Boden. Sie sah sich hastig um.

 

Avalon, nur Hermine. Wie oft muss ich es dir denn sagen?“, flüsterte sie mit einem kleinen Lächeln.

 

Mrs Malfoy, was tun Sie hier?“, fragte er, all seine Höflichkeit und verhohlenen Stolz vergessend.

 

„Hermine. Oder Ms Granger, wenn du willst“, erklärte sie, aber sie glaubte nicht, dass er ihr zuhörte.

 

„Der Herr ist aus. Lord Lucius feiert Geburtstag“, sagte er mit feierlicher Stimme.

 

„Ja, ich weiß. Denkst du vielleicht, dass es möglich ist, dass ich kurz nach etwas gucke?“, fragte sie, darauf bedacht, nichts weiter zu verraten. Der Elf sah sie kurz an. Und dann trat er zur Seite. „Oh, danke dir, Avalon! Du bist der beste Elf!“, flüsterte sie fröhlich.

 

„Alles, was Mrs Malfoy wünscht“, sagte er nur.


„Bitte, Ms Granger.“ Doch der Elf hörte nicht hin. Und sie wusste, er tat es mit Absicht nicht.

 

„Wollen Sie einen Tee? Earl Grey mit zwei Stück Zucker, Mrs Malfoy?“, fragte der Elf und Hermine gab es auf, ihn zu verbessern.

 

„Wann kommt Draco wieder?“, fragte sie, während sie die vertrauten Stufen zu seinem Arbeitszimmer hochging.

 

„Er hat keine Zeit genannt. Die furchtbare Person war heute Abend schon zweimal an der Tür. Aber Avalon hat sie abgewiesen“, erklärte er großzügig.

 

„Welche furchtbare Person, Avalon?“, fragte sie und konnte nur an Narzissa denken, was ihr fast leid tat. Sie hatte das Arbeitszimmer erreicht. Es lag dunkel vor ihr und sie öffnete behutsam die Tür. Es war bezeichnend, dass der Elf nicht mal wissen wollte, was sie hier tat.


„Astoria Greengrass, Tochter des Senators“; erklärte der Elf. „Kennen Sie diese Frau, Mrs Malfoy?“ Sie wandte sich um.

 

„Astoria?“ Ja, sie kannte Astoria. Und sie hatte sie schon früher verabscheut, wenn sie zu Besuch gekommen war, um sich um den politischen Segen im Hause Malfoy zu kümmern. Sie war der kleine Goldschatz ihres Vaters, komplett unbegabt für alles, nur nicht komplett unbegabt, um ihrem Mann – nein, Exmann – Komplimente zu machen. „Warum ist sie hier?“, fragte sie recht tonlos.

 

„Sie verbringt die Nächte hier, Mrs Malfoy.“

 

„Oh“, sagte Hermine nur. Dann wandte sie sich um und ging zielstrebig zu seinem Schreibtisch. Die Bilder von ihnen waren alle verschwunden, fiel ihr auf, aber sie ignorierte diese Tatsache. Hastig zog sie die Schulbaden auf. Der Elf entzündete, mit einem Handschlag, die Kerzen im Raum.


„Aber Avalon spuckt in ihren Tee“, erklärte er würdevoll. Hermines Mundwinkel hoben sich kurz.


„Nein, tust du nicht“, sagte sie leise und sah ihn an. Er ruckte mit dem kleinen Kopf.

 

„Nein, noch nicht. Aber wenn es Mrs Malfoy wünscht, dann wird Avalon gehorchen.“

 

„Du musstest mir noch nie gehorchen“, korrigierte sie ihn lächelnd. Ja, sie hatte selbst den Elf vermisst.

 

Avalon würde töten für Mrs Malfoy“, erklärte er, ohne mit der Wimper zu zucken.


„Du musst Astoria Greengrass nicht töten. Wirklich nicht. Sie interessiert mich nicht.“ Und das tat sie wirklich nicht!


„Er ist nicht glücklich mit ihr. Sowieso nicht, Mrs Malfoy.“ Und das interessierte sie erst recht nicht.

 

„Gut“, sagte sie bitter.

 

„Haben Sie einen übernachtenden Gast, Mrs Malfoy?“, fragte Avalon mit kühlem Unterton. Hermine tauchte aus den vielen Unterlagen wieder auf.

 

„Nein, keinen Gast, Avalon. Bitte sag doch Hermine“, fügte sie fast flehend hinzu.

 

„Zieht Mrs Malfoy wieder ein?“, fragte er sehr leise und Hermine kippte nun die gesamte Schulbade auf dem teuren Schreibtisch aus.

 

„Es würde mich sehr überraschen, würde sie das tun.“ Ihr Atem gefror. „Avalon, du kannst gehen. Die Küche könnte ein wenig Sauberkeit vertragen.“ Seine Stimme jagte ihr fast Angst ein, so zornig klang er. Sie und der Elf wirkten beide recht ertappt.


„Ja, Sir“, sagte Avalon und verschwand mit einem entschuldigenden Blick in ihre Richtung und einem leisen Plopp. Sie strich sich langsam eine Strähne hinter ihr Ohr und überlegte, wie viel Zeit es sie kosten würde, ihren Zauberstab zu erreichen.


„Wie… wie war der Geburtstag?“, erkundigte sie sich und ihre Stimme war merklich höher geworden.

 

„Ihm gefällt die Uhr“, erwiderte er mit so schmalen Lippen, dass sie ihn kaum sprechen sah. Er kam näher. „Hausfriedensbruch und Diebstahl. Bestechung von Angestellten und Sachbeschädigung“, fuhr er eisig fort.

 

„Also, eigentlich hat Avalon mich rein gebeten. Und ich habe nichts gestohlen und nichts beschädigt, also-“

 

„Was tust du hier?“

 

„Ich kann dir das erklären, wirklich, ich-“


„Eine Minute, Granger. Dann rufe ich die Beamten“, informierte er sie und zog seinen Zauberstab.

 

„Was? Du würdest mich ernsthaft verhaften lassen? Das ist doch wohl-“

 

Fünfundfünfzigzig Sekunden“, fuhr er ungerührt fort.


„Ok schön. Ich… dachte ich hätte etwas vergessen“, log sie. Und das auch noch schlecht. Mist, Mist, Mist….

 

„Oh wirklich? In meinem Schreibtisch? Ziemlich schwache Ausrede. Fünfundvierzig Sekunden“, ergänzte er und jetzt lächelte er langsam.

 

„Ok, schon gut. Schon gut, ich sag es dir, verflucht!“, rief sie ärgerlich. Sie kam sich vor wie ein kleines Kind, das gemaßregelt wurde. Ihr war gar nicht bewusst, wie vertraut ihr dieses Zimmer war. Wie viele hundertmal sie schon hier gewesen war. Wie schwer es gewesen war, nicht mehr her zu kommen.

 

„Deine Zeit wird knapp. Glaub nicht, dass ich dich verschone, weil du eine Frau bist, Granger.“ Sie hätte gerne etwas Bitteres erwidert, aber sein Blick glitt schon wieder zu der Uhr an der Wand. Entweder sie ließ sich tatsächlich verhaften oder sie riskierte, den Fall zu verlieren.

 

Es waren beides keine akzeptablen Aussichten. Scheiße.

 

„Ich suche die Akte.“

 

„Dreißig Sekunden. Welche Akte?“, fragte er höchst desinteressiert und entfachte das Feuer im Kamin.

 

„Akte 737“, sagte sie wütend.

 

„Sagt mir nichts“, erklärte er ungerührt und hob den Zauberstab. „Ministerium, mobile Strafverfolgung“, rief er ins Feuer und die Flammen brannten plötzlich grün.


„Komm schon, Draco!“, rief sie fast verzweifelt. Aber nur fast. Sie hatte keine Angst vor ihm. „Die verdammte Akte, die jetzt in deiner Obhut ist. Der verschwundene Todesser Fall. Humphrey Gold“, fügte sie zornig hinzu.

 

Mobile Strafverfolgung, hinterlassen Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, leierte die magische Ansage herunter und sie versuchte den Atem unter Kontrolle zu halten. Es würde sie nämlich eine ganze Menge Gold kosten, würde sie sich frei kaufen müssen.

 

Schließlich sah er sie an.

 

„Sag das noch mal“, forderte und schien seinen eingebauten Countdown vergessen zu haben.

 

„Was?“

 

„Wie heißt die Akte?“

 

„737?“, wiederholte sie ungläubig, aber er ruckte ungeduldig mit dem Kopf.


„Nein, den Namen, Granger.  Den verfluchten Namen.“ Er flüsterte nur noch.

 

„Humphrey Gold“, wiederholte sie verwirrt.

 

„Schweigen ist Gold. Scheiße“, rief er ärgerlich.

 

Mobile Strafverfolgung, bitte wiederholen Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, wiederholte die Ansage lauter. Und Malfoy schnippte gereizt mit dem Zauberstab und Flammen erloschen.


„Was willst du mit diesem Fall?“, fragte er gereizt und trat an den Schreibtisch und durchsuchte ohne Worte das Chaos, was sie angerichtet hatte. Schließlich zog er die Akte unter einem großen Berg hervor.

 

„Nichts?“, versuchte sie sich rauszureden.

 

„Nichts? Aha. Deswegen brichst du in mein Haus ein? Wirklich? Ein bisschen viel Nichts für so einen Aufwand, findest du nicht?“

 

„Draco, ich habe-“

 

„Du hast den Fall als letztes bearbeitet?“, fragte er plötzlich und sah sie wieder an. „Weshalb?“

 

„Was? Nur so…“

 

„Nur so?“, wiederholte er ungläubig. „Ja, sicher. Am besten sagst du mir ziemlich genau, was du weißt, Granger.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften.


„Wieso sagst du mir nicht einfach, was du weißt, Malfoy!“, forderte sie und er legte den Kopf schräg. Die Nachnamen-Basis war sehr seltsam. Selbst in ihren Ohren.


„Du bist in meinem Haus, brichst in mein Arbeitszimmer ein, und wenn ich richtig liege auch wohl vorher schon in mein Büro. Du willst eine Akte haben, die nichts mit dem Fall zu tun hat und anscheinend weißt du mehr, als du zugibst“, leierte er herunter, wie die Stimme der mobilen Strafverfolgung.

 

„Schön“, erwiderte sie.


„Schön, was?“, wiederholte er.

 

„Sag mir einfach, was du weißt“, erwiderte sie bockig.

 

„Annabelle hat den Zeitenumkehrer.“

 

„Nein, sie weiß nicht mal, was es ist“, widersprach Hermine, ehe sie sich stoppen konnte. Und ihr Exmann hob auf sehr vertraute Art und Weise die Augenbraue.

 

„Du weißt von dem Zeitenumkehrer?“

 

„Du weißt von Humphrey Gold?“, stellte sie die Gegenfrage und beide sahen sich kurz an.

 

„Es macht keinen Sinn“, sagte er schließlich.


„Nein, es macht überhaupt keine Sinn“, bestätigte sie.


„Also, glaubst du mir jetzt, dass sie sich kannten?“, fragte er und fixierte sie genau. Sie verdrehte die Augen und sah zur Seite.


„Vielleicht sind es etwas viele Zufälle. Aber das heißt noch nicht, dass-“ Sie unterbrach sich selbst. „Was meinst du damit, dass sie sich kannten? Du denkst, sie kennen sich jetzt nicht mehr?“ Er öffnete die Akte und schob sie ihr rüber. Sie senkte den Blick, kurz nach dem sie ihn noch einmal fixiert hatte. Er war immer noch schön. Sie hasste es.

 

„Was gucke ich mir an?“, fragte sie und er kam näher, bis er den Zeigefinger auf die Zeile legte. Sie sah ihn fragend an. „Humphrey Gold, Sohn von Matilda Winston-Gold, las sie schließlich. „Und?“ Er ging rüber zu dem Schrank und zog eine andere Akte hervor. Er öffnete auch diese und schob sie ihr rüber.

Sie zog es vor, ihm nicht zu sagen, dass er gerade Informationen an sie weitergab, die nicht für sie bestimmt waren. Aber… wahrscheinlich wusste er das selbst.

 

„Edgar Fowler, Sohn von John und Matilda Fowler.“ Sie hob den Blick. Dann schüttelte sie den Kopf. Er blätterte weiter und deutete auf die nächste Zeile. Sie erkannte seine Schrift. Sie erkannte sie tatsächlich immer noch genau. „Angeklagter sagt, sein Vater hätte Matilda Winston-Gold 1970 geheiratet. Sie nahm den Namen ihres neuen Mannes an. Seine Mutter war bereits zweimal verheiratet gewesen…“ Er entzog ihr die Akte wieder.

 

„Er hat einen Bruder“, sagte Hermine schließlich und Draco nickte langsam.

 

„Nein“, widersprach er nach einer kurzen Weile und sie nickte und deutete wieder auf die Akte, wegen der sie überhaupt hergekommen war.

 

„Nein, er hatte einen Bruder“, korrigierte sie sich leise. „Hat er ihn erwähnt?“, fragte sie ihn sofort und er verneinte knapp und fuhr sich durch die dichten Haare. Sie erinnerte sich, dass sie das auch oft getan hatte. Unschlüssig standen sie voreinander, den Schreibtisch voller Chaos zwischen sich.

 

„Annabelle wurde wegen Diebstahl angezeigt. Sie wurde in der Mysteriumsabteilung aufgegriffen“, sagte sie schließlich. Was half es jetzt noch, Geheimnisse zu haben?

 

Mysteriumsabteilung? Was hat sie gestohlen? Den Zeitenumkehrer?“, fragte er mit einem freudlosen Grinsen und sie schüttelte den Kopf.

 

„Nein, sie hat nichts gestohlen. Es wurde kein verschwundener Gegenstand verzeichnet. Aber das ist nicht das wichtige“, setzte sie etwas widerwillig hinzu.

 

„Was dann?“, fragte er schließlich.

 

„Das Datum“, sagte sie leise. Kurz brauchte er noch. Dann öffnete sich sein Mund.

 

„Es liegt nah an der mutmaßlichen Folterung. Aber vielleicht ist das Zufall“, sagte er, ohne auf eine Antwort zu warten.

 

„Ja, aber was hat sie mit Edgar zu tun? Oder mit seinem Bruder?“

 

Draco sah sie an. Und ihr fiel etwas Entscheidendes auf: Sie sollte gehen. Das war kein Gemeinschaftsfall. Absolut überhaupt kein Gemeinschaftsfall. Sie streckte den Rücken etwas stärker durch und räusperte sich.

 

„Ministerium, mobile Strafverfolgung“, rief er wieder in Richtung Kamin und die Flammen loderten auf. Ihre Augen weiteten sich.


„Das tust du nicht wirklich, oder?“

 

„Ich denke, deine Frist ist abgelaufen, oder nicht?“, erwiderte er wieder unnahbar kalt. Sie verschränkte zornig die Arme vor der Brust.

 

Mobile Strafverfolgung. Nennen Sie ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, leierte die Stimme erneut und Hermine verdrehte die Augen.

 

„Draco, ich werde einfach…“

 

„Einfach was?“, fragte er und sie konnte dennoch sehen, dass er es kaum erwarten konnte, mit den neuen Informationen zu arbeiten.

 

„Ich muss die Akte ansehen!“, sagte sie plötzlich und wollte sie nehmen, aber er war schneller.


„Das ist wohl ein Scherz, oder? Als ob ich sie dir geben würde. Du hattest deine Chance. Du hast sie nicht geschlossen, also ist das dein Problem. Warte!“ Er sah sie wieder an. „Weshalb hast du sie nicht geschlossen?“ Er musterte sie jetzt mit lauerndem Blick. Dann verengten sich seine Augen. „Du hast das geahnt, oder? Du hast das gewusst! Du hast gewusst, dass Annabelle nicht die Wahrheit sagt! Du hast es gewusst!“, schrie er fast.

 

Bitte wiederholen Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, rief die Stimme aus dem Kamin und Hermine verlor die Geduld.


„Ich habe die Akte nicht geschlossen, weil ich mir nicht völlig sicher war. Aber ja, ich glaube dennoch, sie sagt die Wahrheit!“, schrie sie lauter als die Kaminstimme.

 

„Sicher! Deswegen weißt du auch, dass sie einen Umkehrer hat!“, rief er aufgebracht.

 

„Nein, das wusste ich vorher nicht!“, schrie sie zurück.


„Aber jetzt?“, fragte er ungläubig und sah sie wütend an. Ihr Mund öffnete sich und schloss sich wieder.

 

Bitte wiederholen Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand!“, rief die Ansage in die Stille und er atmete zornig aus und ließ die Flammen wieder mit einem Schlenker erlöschen.

 

„Du lässt mich also doch nicht verhaften?“, fragte sie spöttisch und er sah sie an.

 

„Oh, das Vergnügen werde ich mir nicht nehmen lassen. Aber noch nicht jetzt“, fügte er hinzu.

 

„Tee?“, fragte der Elf unbeeindruckt und betrat das Zimmer wieder. „Mrs Malfoy, ich habe Ihnen das Gebäck hinzugelegt. Ich meine mich zu erinnern, dass Sie es gerne mochten“, erklärte der Elf. „Master Draco, Ms Astoria wartet im anderen Kamin“, fügte er bitter hinzu.

 

„Ihr Name ist nicht Malfoy, sondern Granger, Avalon. Und sei lieber froh, dass ich dir keine Kleidung schenke“, knurrte er ungehalten. „Wehe, sie verlässt dieses Zimmer. Das ist ein Befehl, Avalon. Aber wahrscheinlich wirst du diesen nur zu gerne ausführen, nicht wahr?“, fügte er böse hinzu und der Elf sah gleichgültig zur Seite.

 

Und ihr Exmann verließ das Zimmer, um das Gespräch von der Schlampe Astoria Greengrass anzunehmen. Sie erinnerte sich noch vage an einen Streit, den sie hatten. Aber sie erinnerte sich noch sehr gut an seine Worte.

Niemals würde er sich für eine arrogante Reinblüterin wie Astoria Greengrass interessieren.

 

Und würde sie behaupten, dass es sie glatt kalt ließ – dann wäre das gelogen.

 

 

 

Kapitel 10

~ An armed Truce for the Purpose of digging up the Dead ~

 

 

Er war nach dem Gespräch mit Astoria nicht sofort zurück gegangen. Er wollte gar nicht zurück. Er hatte sich umgezogen, hatte sich des Jacketts entledigt und die Krawatte über den Ankleidestuhl geworfen. Jetzt krempelte er sich die Ärmel seines Hemdes hoch und er konnte sie mit dem Elf sprechen hören.

 

Er betrachtete sich kurz im Spiegel. Und genau dieser Moment kam ihm sehr vertraut vor. Er hörte ihre Stimme in seinem Haus.

Er hatte alle Bilder verbannt, alle Erinnerungen, waren sie noch so winzig, vernichtet. Er wusste, der Elf hatte die Hochzeitsbilder gehortet und würde sie auch an seinem Todestag nicht rausrücken, aber jetzt –

 

Jetzt konnte er nicht verhindern, dass er sich sehr genau erinnerte.

Er erinnerte sich, wie sie ihre Sachen her gebracht hatten. Wie sie beteuert hatte, dass sie nicht viel an Platz brauchen würde und im Endeffekt mehr als die Hälfte des Hauses eingenommen hatte.

Er erinnerte sich, dass er nicht hatte schlafen können, wenn sie nicht neben ihm gelegen hatte. Wenn sie manchmal länger im Ministerium geblieben war, dann war er fast wahnsinnig geworden.

 

Er hatte es nicht ertragen auch nur eine Nacht lang ihren Körper nicht neben seinem zu spüren. Hatte ihre Wärme und ihren Duft nahezu ständig um sich haben müssen. Es hatte ihn beruhigt, hatte ihn befriediget und er hatte es sich nicht vorstellen können, sich auch nur einen einzigen Tag nicht in ihr vergraben zu können.

 

Er schloss die Augen und musste sich zwingen, richtig zu denken.

Nur weil ein paar nette Erinnerungen dabei waren, änderte es nichts an der verfluchten Tatsache, dass sie geschieden waren. Aus einem guten Grund.

 

Allerdings hatte er Astoria gesagt, er sei müde und hätte nicht den Nerv, sie noch zu sehen. Was tat er stattdessen? Er war doch verrückt geworden! Anstatt sich Astoria ins Haus zu holen, ließ er davon ab, die Beamten zu rufen und hatte stattdessen Granger in seinem Arbeitszimmer sitzen.

 

Das war doch unmöglich normal. Es war unmöglich gesund.

 

Und er hasste es, dass der Elf ihn so hinterging! Es war sein Haus. Es waren seine Regeln. Der Elf hatte ihm zu gehorchen. Nicht seiner Exfrau. Wann war sie seine Exfrau geworden? Es kam ihm genauso unwahrscheinlich vor, wie die Tatsache, dass sie einmal seine Frau gewesen war.

 

Langsam atmete er aus. Er musste mit der Situation zurechtkommen, musste ihr sagen, dass sie gehen musste – und dann… dann würde er arbeiten. Es hatten sich so viele Möglichkeiten eröffnet. Und es lag kein bisschen Klarheit in seinem Blickfeld. Wusste sie, um was es noch ging? Mussten sie das zusammen lösen? Nein, bestimmt nicht. Er wusste noch ziemlich genau, was das letztes Mal passiert war, und wenn er sich den Abend betrachtete, dann waren sie schon wieder ziemlich nah an dem Streit der Streite vorbei geschlittert.

 

Energisch verließ er das Zimmer.

 

Sie saß an seinem Schreibtisch. Er hatte es schon früher gehasst, wenn sie das getan hatte. Und sein verräterischer Elf stand gespannt neben ihr und lauschte ihrer Stimme, als würde er selbst nie mit dem Elf auch nur zwei Worte wechseln. Jetzt war er schon neidisch! Der ganze Abend war ausgeartet. Zuerst hatte ihn sein Vater wahnsinnig gemacht, dann Blaise und jetzt sein Elf. Von Granger ganz zu schweigen.

 

„Mach es dir nicht zu gemütlich“, sagte er gereizt.

 

„Wieso? Kommt Astoria noch vorbei?“, erkundigte sie sich gefährlich leise und ihm fiel wieder ein, dass sie Astoria wohl nicht leiden konnte. In derselben Sekunde wurde ihm bewusst, dass er Astoria auch nicht leiden konnte. Er war wahrscheinlich einfach krank, vermutete er jetzt.

 

„Nein, sie kommt nicht vorbei.“

 

„Soll ich das Gästezimmer für Mrs Malfoy herrichten?“, fragte der Elf eifrig. Noch nie hatte Draco ihn so erlebt. Und er hasste es, dass er ihren Namen nicht sagen wollte, dass er ihren falschen Namen mit voller Absicht sagte. Und dass es dem Elf auch noch Freude zu bereiten schien.

 

„Nein, sie wird nicht bleiben. Und sie heißt nicht Malfoy“, fügte er wieder einmal hinzu. „Sie hat ihren Namen aufgegeben.“

 

„Ich habe nicht meinen Namen aufgegeben, ich habe nur deinen Namen aufgegeben, Draco.“

 

„Tu bloß nicht so! Du hattest kein Problem damit, ihn anzunehmen, als er dir noch sämtliche Türen geöffnet hat.“ Sie hatte sich plötzlich erhoben.


„Entschuldige, aber meine Türen habe ich mir alle selber geöffnet“, sagte sie bitter und funkelte ihn böse an.


„Ja, ich weiß. Meine Türen hast du auch geöffnet und bist mit deinem unnützen Kram Merlin sei Dank auch wieder ausgezogen. Ich denke also, wir sind quitt“, fügte er hinzu und der Elf stand unentschlossen zwischen ihnen.


Mrs Malfoy, Sie bleiben also nicht?“ Und Draco hatte das Gefühl, der Elf sprach nicht nur von dieser Nacht.

 

Avalon, du hast den Rest des Abends frei“, betonte er mit Nachdruck. Und er hatte das Gefühl, als würde der Elf gleich in Tränen ausbrechen. Da hatte er sich den reserviertesten, grimmigsten aller Elfe ausgesucht und dieser würde gleich anfangen zu weinen. Es war unfassbar.

 

„Oh bitte nicht, Sir. Master Draco, bitte lasst Avalon bleiben. Bitte, nur noch ein paar Momente. Bitte, mein Herr. Ich bitte in tiefster Demut, um-“ Draco verdrehte die Augen.


Avalon, ich habe das Gefühl, du wärst lieber ihr Hauself als meiner“, unterbrach er den Elf in seiner Ansprache und der Elf sah ihn mit offenem Mund an. „Unfassbar“, fügte Draco hinzu. „Wahrscheinlich wäre es besser, wenn du gehst, denn mein Elf kann deine Anwesenheit nicht ertragen, Granger.“

 

„Glaub mir, ich ertrage es hier auch nicht länger“, gab sie zurück und warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf die Akten auf dem Tisch.

 

„Ja? Wahrscheinlich gibt es gerade keinen besseren Ort, den du dir vorstellen kannst“, sagte er spöttisch. Sie sah in sehr ernst an.


„Selbst Askaban wäre ein besserer Ort als dieses Haus, Malfoy.“

 

„Dann bitte – dich hält hier niemand“, erwiderte und damit war der Abend vorbei. Und sein Elf weinte tatsächlich.

 

„Kommen Sie wieder, Mrs Malfoy?“, flüsterte er erstickt und sie sah den Elf mit dem größten Bedauern an.

 

„Tut mir leid, Avalon. Aber wenn dein Herr dich irgendwann mal beurlauben sollte, dann kannst du mich besuchen kommen. Im Moment habe ich noch keine Wohnung, aber… ich könnte dir irgendwie… Bescheid geben“, versuchte sie zu erklären. Er hätte kotzen können bei dieser Dramatik. Sein Elf warf sich plötzlich vor ihm auf die Füße.

 

„Sie hat kein Haus, Herr“, keuchte er mit verweinten Augen.

 

„Sie hat eine Wohnung, Avalon. Bitte, fass dich wieder“, fügte er bitter hinzu.


„Sie hat kein Haus und ich werde sie nie wieder sehen“, weinte der Elf und Draco konnte ihn nur fassungslos anstarren.

 

„Dafür hast du mich. Manchmal muss man eben mit dem schlechten vorlieb nehmen, Avalon. Ich möchte, dass du schlafen gehst. Das ist ein verfluchter Befehl“, setzte er knurrend hinterher und voller Widerwillen löste sich der Elf in Luft auf. Dann war es still.

 

„So, das war ein wirklich beeindruckender Auftritt. Ich hatte natürlich nichts anderes von dir erwartet.“ Sie schien sich tatsächlich zu überwinden und würdigte den Schreibtisch mit keinem Blick mehr.

 

„Oh warte!“ Er versperrte ihr den Weg vor der Tür und sie sah ihn ärgerlich an. „Du wolltest hier also die Nacht verbringen, verstehe ich das richtig? Du wolltest in meinem Gästezimmer schlafen – oder bei Avalon in der Küchenstube – und du hattest niemals vor, das Haus zu verlassen?“, erkundigte er sich ungläubig und sie blickte zur Seite.

 

„Nein, natürlich nicht. Aber ich habe dir schon immer gesagt, dass du den Elf anders behandeln musst. Er ist kein Diener, er ist ein Freund.“

 

„Ja, ein verflucht guter Freund, der mir in den Rücken fällt, wenn du es wagst und in mein Haus einbrichst. Ich sollte ihn feuern“, fügte er mehr zu sich selbst hinzu. Plötzlich sah sie ihn an. Und die Wut war verschwunden.


„Denkst du, er hat den Zeitenumkehrer?“, fragte sie unvermittelt und wartete auf seine Antwort.

 

„Edgar?“, fragte er und auch er hatte vergessen, worüber sie vorher gesprochen hatte. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen warteten, lauerten förmlich auf seine Antwort. „Wieso sollte er ihn haben? Hast du nicht gesagt, sie hat ihn noch nie gesehen?“ Und sie sagte, was er sich niemals hätte träumen lassen.


„Vielleicht lügt sie und-“


„Was? Stopp, halt!“, unterbrach er sie bestimmt. „Sag das noch mal!“, forderte er schließlich tonlos und starrte sie an.


„Was?“ Sie schüttelte den Kopf und wollte wieder zum Schreibtisch, doch er umfing einfach ihr Handgelenk und hielt sie auf. „Draco!“, sagte sie verwirrt, doch er sah sie einfach an.


„Sag das noch mal“, wiederholte er und sie schien zu begreifen. Sie atmete langsam aus.

 

„Vielleicht lügt Annabelle“, sagte sie langsam und fassungslos sah er sie an.

 

„Meinst du das ernst? Du meinst das ernst, oder? Du glaubst wirklich, dass sie lügen könnte. Nach einem Jahr glaubst du, sie könnte tatsächlich lügen.“ Sie machte sich von ihm los.


„Eigentlich habe ich schon vorher gedacht, dass sie lügen könnte.“ Er holte sie wieder ein.

 

„Hast du nicht.“

 

„Doch, ich habe das schon letztes Jahr überlegt, aber ich hatte dafür keine Beweise.“ Er konnte nicht glauben, was er da hörte.

 

„Was? Ich hatte einen ganzen Schrank voller Beweise, Hermine! Worüber haben wir uns denn bitte Abend für Abend gestritten?“ Sie hatte die ganze Zeit gedacht, dass ihre Klientin log! Das war doch unglaublich!

 

„Wir haben uns darüber gestritten, dass du jedem Todesser eine zweite Chance geben willst, und jede Muggel in der heutigen Zeit die Tatsache ausnutzt, dass sie schlecht behandelt worden war. Wenn ich mich recht entsinne, hast du es sogar gewagt, einen Vergleich zu den Schwarzen in Amerika aufzustellen, Draco!“

 

„Das habe ich niemals getan!“, rechtfertigte er sich entrüstet und schüttelte ungläubig den Kopf.


„Natürlich hast du das getan! Und Edgar Fowler war ja wohl das absolute Gegenteil von einem Todesser Kandidaten, der eine zweite Chance verdient hatte.“

 

„Aber… wenn du dachtest, dass Annabelle lügt, dann musst du Edgar ja geglaubt haben!“, brachte er diese Aussage auf den Punkt. „Das heißt, du hast mir auch geglaubt“, endete er plötzlich ruhig.

 

„Nein, ich habe dir nicht geglaubt. Denn du bist ja während der letzten Verhandlungen wieder zum Todesser mutiert, Draco!“, sagte sie jetzt laut und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.


„Was? Das ist ja wohl die größte Lüge, die du jemals von dir gegeben hast, und da gab es schon einige“, fügte er bitter hinzu.

 

„Keine Lüge. Es ist einfach so!“


„Ach ja? Wann soll das bitte passiert sein? In deinem verfluchten Kopf? Hast du es wieder geträumt? Es dir vielleicht eingebildet, oder wann genau im letzten Jahr habe ich auch nur ansatzweise irgendwas von-“


„Du weißt, wann!“, schrie sie plötzlich und er wich erschrocken zurück. „Du weißt verdammt genau, wann!“, wiederholte sie und wischte sich schon mal präventiv über die Wange. „Aber es ist auch völlig egal, denn die Magie der Scheidung bedeutet, dass es mir völlig egal ist, was du wann zu mir gesagt hast!“

 

„Abgesehen davon, dass es dir nicht egal ist, und dass du es dir ausgedacht hast, ja. Abgesehen davon ist es dir offensichtliche egal. Ich werde Donald umbringen, wenn er dir wirklich den Fall überlässt“, drohte er kopfschüttelnd.

 

„Ich kann es dir sogar zeigen!“, sagte sie jetzt und er konnte sich nicht vorstellen, wie er acht Monate ohne ihre Präsenz hatte leben können. Es war ihm nicht möglich. Aber es war ihm auch nicht möglich nur einen einzigen glücklichen Tag hervorzurufen.

 

„Was soll das bedeuten?“

 

„Die Erinnerung des Ministeriumszeugen, Draco.“ Und er erinnerte sich an eine ziemlich dumme Begebenheit. Er senkte den Blick.


„Ich habe mich dafür entschuldigt, Granger“, sagte er jetzt zerknirscht.


„Das ist mir egal. Es ist mir völlig egal. Ich will darüber überhaupt nicht reden!“

 

„Dann hättest du ja auch die Klappe halten können, oder nicht?“ Wieder sahen sie sich an und wieder stellte er fest, dass es einfach nicht funktionierte. Es klappte einfach nicht. Waren irgendwann einfach so viel Schmerz und so viele Missverständnisse vorhanden, dass es einfach nicht mehr ging? Er musste das annehmen. „Es ist spät“, sagte er ruhiger und sie nickte.

 

„Ja, es ist zu spät“, bestätigte sie, aber er war sich nicht völlig sicher, was sie damit meinte. „Sag mal, bist du eigentlich… mit ihr zusammen?“, fragte sie plötzlich und er wusste sofort, wen sie meinte. Aber es gab natürlich auch sonst keine große Auswahl.


„Wusste nicht, dass ich ein Keuschheitsgelübde abgelegt habe“, erwiderte er. Sie verdrehte die Augen und verließ sein Arbeitszimmer. Er folgte ihr schließlich widerwillig, denn wahrscheinlich gebot es irgendeine Art von Höflichkeit, dass er sie nach unten brachte.

 

„Wenn du wissen willst, ob es ernst ist, dann… nein. Es ist nicht ernst“, entgegnete er schließlich, als sie unten in der Halle angekommen waren.


„Will ich nicht wissen“, erklärte sie mit einem neutralen Lächeln, was sie es auch dem nächsten Bäcker hätte schenken können.

 

„Gut.“


„Gut“, bestätigte sie, immer noch lächelnd.


„Und? Ist Weasley endlich zum Schuss gekommen?“, fragte er jetzt und lächelte ebenfalls.

 

„Was? Ron? Was soll mit Ron sein?“

 

„Ich bitte dich, er hat dich immer mit den Blicken ausgezogen. Selbst als wir verheiratet waren, verflucht.“

 

„Draco, ich glaube, du irrst dich, aber nein. Natürlich bin ich nicht mit der erstbesten Gelegenheit ins Bett gegangen.“

 

„Weasley wäre die erstbeste Gelegenheit gewesen?“, erkundigte er sich und er bereute es, dass er den Mund nicht einfach halten konnte.

 

„Die Scheidung war wirklich nötig gewesen. Tut mir leid, dass ich so dumm gewesen bin, deinen Antrag anzunehmen“, erklärte sie konsterniert und mit müder Stimme. Er ignorierte ihre Worte. Er wusste mittlerweile, wann Worte als Waffe dienten und wann sie ernst gemeint waren. Es war so, dass sie ihn nicht mehr verletzten konnte. Sie konnten sich beide wohl nicht noch mehr verletzten.

 

„Was ist mit dem Fall?“, fragte er also, um es abzukürzen, um es weniger schmerzhaft werden zu lassen.

 

„Ich weiß es nicht. Willst du ihn haben?“, fragte sie plötzlich.

 

„Du willst ihn nicht?“, horchte er auf und sie stöhnte auf.


„Nein, Malfoy, verdammt. Das ist es nicht, was ich gesagt habe! Wenn du auch nur ein einziges Mal zugehört hättest, dann wüsstest du, dass es nicht das war, was ich gewollt hatte!“ Er sah sie verwirrt an.


„Du willst also den Fall behalten, fragst mich aber aus Höflichkeit, ob ich ihn haben will, damit ich ablehne und wir weiter streiten können?“, erkundigte er sich, denn er kannte ihre Spiele.

 

„Nein, ich will, dass du ernsthaft darüber nachdenkst.“

 

„Granger, dir sollte klar sein, dass ich mittlerweile über verfluchte Leichen gehe, um diesen Fall zu einem Ende zu bringen.“ Sie sah ihn erschöpft an.

 

„Schön. Also du glaubst, er hat sie niemals gefoltert. Du glaubst, er nimmt das alles auf sich, weil er so selbstlos ist, wie alle Todesser auf dieser Welt?“

 

„Er liebt sie“, sagte er nur.


„Draco, sie kennt ihn nicht.“

„Vielleicht kennt sie ihn nur einfach nicht mehr!“, betonte er trotzig und sie starrten sich an. Eine geschlagene Sekunde verging. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.


„Er hat keinen Zauberstab mehr“, sagte sie nur. „Ein Vergessenszauber wäre…“ Sie sprach nicht weiter. Die Worte verklangen im Raum. „Hältst du das für möglich?“, fragte sie leise und sah ihn fast ängstlich an.

 

Hielt er es für möglich? Er hielt es kaum für möglich, dass sie hier heute Abend in seinem Haus war. Er hatte es nicht für möglich gehalten, sie überhaupt wieder zu sehen. Also hielt er es definitiv für möglich, dass Edgar Fowler noch mehr verschwiegen hatte, als er angenommen hatte.

 

„Wie viel Zeit hast du?“, fragte er und sie runzelte die Stirn.


„Ich werde nicht mit dir arbeiten, Draco“, drohte sie und schüttelte den Kopf.

Aber er wusste, er würde es nicht ohne sie schaffen. Das war ihm auf vielen Ebenen klar geworden. Aber in allen anderen Situationen konnte er wenigstens ohne sie überleben. Aber diesen Job konnte er wirklich nicht ohne sie bewerkstelligen. Dieses eine Mal nicht.

 

„Waffenstillstand?“, bot er ihr also mit ausgestreckter Hand an.

 

„Das schaffst du nicht“, mutmaßte sie, die Stimme schon jetzt schwer vor Enttäuschung.

 

„Vertrau mir ein einziges Mal. Nur ein Mal“, sagte er schlicht. Und sie schloss die Augen. Dann schüttelte sie seine Hand. Nur kurz.

 

„Ich habe Zeit“, antwortete sie schließlich und auch wenn er es nicht beurteilen konnte, wusste er, gerade eben hatte ein sehr epischer Moment stattgefunden. Er hoffte wirklich nur, er könne sein Wort auch halten.

Er glaubte, den Elf aus den Augenwinkeln erkennen zu können. Es war ihm klar gewesen, dass er nicht hatte umhin können, zu lauschen.

Wahrscheinlich hatte er schon Grangers Lieblingstee aufgesetzt. Draco würde nicht zugeben, dass er auch noch wusste, wie sie ihren Tee trank. Eher ließ er sich die Zunge aus dem Mund schneiden.

 

 

Kapitel 11

~ It’s dark, they turned off the Moon, most of the Stars are fading fast ~

 Sie wusste nicht, woher der Elfenwein gekommen war, aber sie registrierte, dass Draco kein Problem damit hatte, ihre Gläser aufzufüllen. Sie betrachtete seit einer Weile seine Unterarme. Sein perfekten Unterarme. Und ihr Blick glitt immer wieder über den hellen Fleck, an dem einst das Mal eingebrannt gewesen war.

 

Er hatte es unter so großen Schmerzen entfernen lassen, dass er eine Woche hatte im Bett liegen müssen, bis alles Böse und das gesamte Gift aus seinem Körper verschwunden waren. Und obwohl Draco dem Elf freigegeben hatte, schlich die kleine Gestalt immer wieder ins Wohnzimmer, brachte Decken, mehr Wein, Gebäck, Tee, Karaffen mit Wasser und es würde sie nicht wundern, wenn er ein ganzes Hotelmobiliar hier rein schleppen würde.

 

Draco hatte alles ohne Worte neben sich auf die Couch gestapelt und seinem Diener immer wieder entnervte Blicke zugeworfen, die Avalon aber kalt ignorierte. Hermine fand es schmeichelhaft. Es gefiel ihr, dass der Elf sie so vermisste. Langsam spürte sie die Müdigkeit und den Alkohol in ihren Knochen.

 

„Kannst du mir eine Decke geben?“, unterbrach sie seinen Monolog, den er über die Nacht im Ministerium führte. Sie hatte ihre Akten hergehext und jetzt hatten sie sämtliche noch so winzigen Hinweise ausgebreitet. Er hob den Blick.

„Decke? Ist dir kalt?“, erkundigte er sich spöttisch und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, ich dachte, ich baue eine Burg. Ja, mir ist kalt, Draco“, gab sie gereizt zurück. Bisher verlief ihr Waffenstillstand einigermaßen human. Er hatte noch nicht geschrieen, sie hatte noch nicht geschrieen. Das Feuer prasselte im Kamin, und würden sie nicht über dem schlimmsten aller Fälle sitzen, dann wäre der Abend sogar angenehm gewesen.

 

Er griff nach einer der Decken und der Elf stolperte fast aus dem Zimmer so eilig hatte er es. Dracos Blick folgte dem Geschöpf.

 

„Wahrscheinlich wirft er dir gerade einen Backstein ins Feuer, damit du deine Füße wärmen kannst“, mutmaßte er gereizt und zog die Notizen wieder zu Rate.

„Wenn wir also davon ausgehen, dass beide in der Nacht im Ministerium waren und er sie dort mit einem Vergessenszauber belegt hat-“


„Dann macht es noch keinen Sinn. Was haben sie da gemacht? Wieso mussten sie in der Zeit zurückreisen und wieso wurde er nicht erwischt?“


„Vielleicht hat er sie zurückgelassen. Weil einer von ihnen so oder erwischt worden wäre.“

 

„Aber die Zeitreise? Warum hätten beide zurückreisen müssen? Und zu welchem Tag? Und warum ausgerechnet in der Mysteriumsabteilung?“

 

„Was hast du über Humphrey Gold herausgefunden?“, fragte er plötzlich. „Welche Geschichte hat er?“

 

Todesser“, sagte sie knapp. Er verzog gereizt den Mund.

 

„Das weiß ich auch, aber… was sagt sein Register? Hat er irgendwas getan?“ Sie blätterte durch ihre alten Notizen zu diesem Fall.

 

„Nichts Besonderes. Er wurde mal wegen Mord angeklagt. Das wurde aber nicht bewiesen. Dann geht es noch um sonstige Körperverletzungen, alles wurde aber nicht bewiesen. Und dann verschwand er vor zehn Jahren. Niemand hat was mitbekommen. Keine Zeugen. Keiner kann sagen, ob er sich abgesetzt hat oder…“ Sie zuckte die Achseln.


„Oder ob er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist?“, fragte er und sie fuhr sich müde über die Stirn.

 

„Ja.“

 

„Hast du vor, hier zu bleiben?“, fragte er plötzlich etwas reservierter und sie überlegte knapp.

 

„Ich habe getrunken, kann also nicht mehr apparieren. Der Weg zu Fuß ist weit und der fahrende Ritter fährt erst ab vier. Also entweder warte ich oder ich werde in Erwägung ziehen hier zu schlafen, ja“, bestätigte sie. „Du könntest auch die mobile Strafverfolgung anrufen. Ich weiß, du kennst den Zauber besonders gut“, fügte sie mit spöttischem Unterton hinzu.

 

„Ja, das könnte ich. Aber… ich glaube, hier ist bequemer als im Ministerium“, mutmaßte er.

 

„Fragst du, weil du noch Besuch bekommst und mich loswerden willst?“ Sie hatte keine Lust, irgendwelche Fragespiele zu spielen. Er warf ihr einen gereizten Blick zu.

 

„Nein, Granger. Ich bekomme keinen Besuch mehr.“

 

„Schon gut. Ich dachte, ich frage. Kann ja alles sein, nicht wahr? Ich meine-“

 

„Lass es gut sein“, unterbrach er sie kalt.

 

„Was? Ich meine, es ist dein Haus. Dein Elf. Deine Freundin. Das hast du doch ziemlich klar gemacht!“ Sie wusste, sie war diejenige, die langsam die Kontenance verlor. Er hob rigoros einen der unendlich vielen Notizzettel in die Luft.

 

„Fall?“, fragte er jetzt mit Nachdruck und sie nickte langsam. „Wir können uns auch streiten, aber wir wissen, wie das endet“, fügte er grimmig hinzu.

 

„Ja. Ich gewinne, du verlierst“, erwiderte sie und lächelte fast. Er sah sie mit erhobenen Brauen an.

 

„Du gewinnst? Dass ich nicht lache. Du magst klug sein, aber du hast keine Ahnung von diesen Dingen. Ich habe Streite mit meinem Vater gehabt, bei denen nachher keine Überlebenden auf dem Schlachtfeld geblieben waren.“

 

„Streite, ob du das Mal entfernen lassen sollst? Oder ob du eine Muggel heiraten kannst?“, fragte sie jetzt, immer noch lächelnd.

„Oh, ich glaube das letztere war ein brisanteres Thema.“ Sie lehnte sich zurück.

 

„Und? Wie ist das ausgegangen?“, fragte sie leise und sah ihn an. Kurz wirkte er verwirrt, dann lehnte auch er sich in seine gemütliche, große Couch zurück.

 

„Ich hab gewonnen. Aber… dann hab ich’s versaut und… fein. Meinetwegen hast du diesen Streit doch gewonnen“, schloss er schließlich. „Du willst also lieber über die Vergangenheit reden als über den Fall, sehe ich das richtig?“, ergänzte er jetzt ernst und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein. Ach, ich weiß nicht. Ich sehe den Zusammenhang nicht.“

 Er drehte sich in ihre Richtung. Es war etwas unangenehm, ihm so nah zu sein und nicht zu schreien. Sie erinnerte sich tatsächlich nur noch an die letzten Atemzüge ihrer Ehe. Ihrer gescheiterten Ehe.

 

„Was ist das schlimmste, was du tun könntest? Was würdest du verbergen? Was wäre so schlimm, dass du es verbergen müsstest? Um jeden Preis?“

 

„Sag du es mir“, entgegnete sie. Er brauchte nicht lange für die Antwort und zuckte mit den Schultern.

 

„Mord“, entgegnete er. „Die schlimmste Strafe bekommt jeder Zauberer und jede Hexe für Mord.“

 

„Du sagst also, der ganze Folterfall dreht sich eigentlich nur um Mord?“, fragte sie jetzt und er verzog den Mund.

 

„Es wäre eine von hundert Erklärungen, ja. Weshalb soll man sonst den Aufwand machen?“ Sie überlegte. Aber sie kam zu keinem Schluss.


„Wir brauchen einen weiteren Hinweis. Nehmen wir an, die beiden haben den Bruder umgebracht“, sagte sie langsam, ohne etwas implizieren zu wollen. „Nehmen wir das einfach an – dann brauchen wir aber einen guten Grund. Weshalb sollte jemand wen anders töten wollen?“

 

„Schmerz, Wut, Verzweiflung, Liebe, Kummer, Krankheit?“, bot er an und sie wedelte mit der Hand.

 

„Ja, ja, sicher. Ich weiß, warum. Aber… welchen dieser Gründe hatten die beiden. Oder nein, welchen könnten sie ganz vielleicht gehabt haben?“ Draco fuhr sich über die Stirn. Er trug den Ring nicht mehr. Natürlich nicht. Sie trug ihn auch nicht mehr, aber bei ihm fiel es ihr sofort auf.

 

„Wenn Edgar von Liebe spricht, dann-“

 

„Das begreife ich aber nicht, Draco“, unterbrach sie ihn zornig. „Ich verstehe nicht, wie es in Verbindung steht. Und langsam macht mich dieser Fall wahnsinnig! Es ist doch unfassbar, dass Veritaserum zur Wahrheitsfindung nicht eingesetzt werden kann!“, schrie sie fast.

 

„Wenn es sich wirklich um Mord handelt, dann ja“, sagte er ruhiger.

 

„Ja, aber das können wir nicht beweisen!“

 

„Wir?“

 

Ihr Mund öffnete sich und schloss sich wieder. Richtig, da war ja noch etwas.

„Donald wird einem von uns den Fall geben. Und dann liegt es an dir, es zu beweisen.“ Er wirkte etwas bitterer als zuvor.

 

„Er wird mir den Fall geben? Weshalb sollte er?“

 

„Weil er dich ja auch einfach so wieder eingestellt hat, nachdem du ihn verlasen hast.“ Ihm ging der Fehler wohl in derselben Sekunde auf. Er wirkte nun gereizter als vorher. „Weißt du, in Anbetracht der Tatsache, dass du den Fall sowieso bekommen wirst, solltest du die Sachen mitnehmen und besser gehen.“

 

„Ich soll gehen? Ich dachte, ich soll bleiben? Ich dachte, im Ministerium wäre es ungemütlich? Oder rufst du doch wieder die mobile Strafverfolgung?“ Sie war wütend. Ja.

 

„Ich glaube, ich bin müde“, erklärte er schlicht. „Du weißt, wo das Gästezimmer ist, also… tu, was du willst“, sagte er und erhob sich etwas steif.

 

„Draco-“, begann sie und er sah sie an.


„Was, Hermine?“

 

„Was ist jetzt gerade in dieser Sekunde passiert? Was genau lässt deine Laune so kippen?“ Er sah nicht so aus, als hätte er besonders große Lust darüber zu sprechen.

 

„Gute Nacht, Hermine“, sagte er nur und sie erhob sich auch und warf die Decke achtlos auf die Couch.


„Nein, so geht das nicht. Ich fühle mich hier unwohl, wenn du neben mir sitzt, aber ohne dich bleibe ich hier keine Sekunde länger!“, rief sie und griff nach ihrem Mantel.

 

„Und wo willst du jetzt hin?“, fragte er gedehnt und beobachtete, wie sie sich anzog.


„Ich gehe.“

 

„Zu Fuß? In deine Wohnung in der winzigen Straße am Ende der Stadt? Du willst wirklich zwei Stunden laufen?“, erkundigte er sich ungläubig und sie verdrehte zornig die Augen.

 

„Ja, meinetwegen. Lieber, als hier alleine zu sitzen.“

 

„Ich bin auch hier, weißt du? Ich bin ein Stockwerk höher“, erklärte er überflüssigerweise.

 

„Ich weiß das!“, gab sie zurück. „Aber es ist etwas anderes.“

 

„Inwiefern?“

 

„Du erträgst es ja nicht mal, neben mir zu sitzen!“, schrie sie ungehalten und er sah sie ausdruckslos an.

 

„Hermine, wir sind keine Freunde“, sagte er gepresst. „Du hast mir weh getan, begreifst du das? Natürlich ertrage ich es nicht, neben dir zu sitzen!“ Er schien sich schwer zusammen reißen zu müssen, nicht zu schreien, nicht all seine Gefühle zu zeigen. Sie schloss den Mund abrupt und spürte einen ganzen Berg an Tränen aufsteigen.

 

Es war eine dumme Idee gewesen. Die dümmste Idee, die sie jemals gehabt hatte! Sie stürmte an ihm vorbei, durch das Wohnzimmer, durch die Eingangshalle, durch den Flur zur Tür und lief direkt an dem Elf vorbei, ohne etwas zu sagen.

 

„Hermine!“, hörte sie Draco rufen, aber sie ignorierte es, zog die Tür auf und ihr Atem ging schwer. Es war dunkel draußen. Und es war kühler geworden. Wie gefährlich konnte es schon sein, betrunken zu apparieren? So gefährlich war es doch wohl nicht.

 

Er öffnete ebenfalls die Tür. „Hermine!“, rief er wieder und trat ebenfalls auf die Straße. Nur im Hemd, ohne Jacke. Sie wandte sich gereizt um.

 

„Ich gehe, Draco. Es ist schon gut. Geh einfach wieder rein. Geh ins Bett, ruh dich aus von den Strapazen, mich auf deiner Couch sitzen gehabt zu haben!“, rief sie bitter und irgendwo bellte ein Hund.

 

„Es ist spät“, sagte er, bemüht die Stimme ruhig zu halten. „Komm einfach wieder rein. Mein Elf wird mir die Hölle heiß machen, wenn ich dich jetzt mitten durch die Nacht laufen lasse.“

„Ich brauche deine Hilfe wirklich nicht. Erklär deinem Elf, wir sind nicht mehr verheiratet und du brauchst keine Verantwortung für irgendwas zu übernehmen, was ich tue!“ Sie würde doch weinen. Sie spürte es genau.

 

„Erklär du es ihm einfach!“, sagte er jetzt und machte keine Anstalten, sich zu bewegen.

 

„Ich gehe“, erwiderte sie und wandte sich um. Sie machte die ersten Schritte in die recht kühle Nacht, wurde aber von ihm eingeholt. Er schritt direkt neben ihr.

„Was wird das, Malfoy?“ Sie war wieder in das Nachnamensmuster gefallen, ohne dass sie es verhindern konnte.

 

„Ich werde den Teufel tun, und dich aufhalten. Das ist mir ziemlich egal. Aber wenn dich jetzt ein böser Zauberer aufhält und dich ausrauben möchte, dann kann ich zumindest sagen, dass du nichts besitzt, was sich zu stehlen lohnen würde.“ Er vergrub die Hände in den Taschen. Er kam ihr sogar größer vor, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte.

 

„Das ist völlig lächerlich. Du hast nur ein Hemd an“, fügte sie böse hinzu.

 

„Mir ist nicht kalt“, erwiderte er gleichgültig.

 

„Wenn es unerträglich ist, neben mir zu sitzen, dann muss es noch unerträglicher sein, neben mir her zulaufen!“, sagte sie bitter und jetzt sah er sie mit einem freudlosen Grinsen an.

 

„Du bist eben eine unerträgliche Person, Granger.“ Er benutzte auch wieder ihren Nachnamen. Sie blieb genervt stehen.


„Geh nach Hause, Draco“, sagte sie mit Nachdruck.

 

„Draco? Oder Malfoy? Du kannst dich nicht festlegen, oder?“ Er sah sie ernst an. „Nimm einfach das sehr nette Angebot von mir an“, fügte er hinzu.

 

„Was? Als ungebetener Gast in deinem Gästezimmer zu schlafen?“, fragte sie empört und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Du hattest kein Problem als ungebetener Gast in mein Arbeitszimmer einzubrechen, oder?“, konterte er böse.

 

„Es ist also alles meine Schuld?“, fragte sie jetzt und er verdrehte die Augen. „Ich werde jetzt bestimmt nicht in deinem Gästezimmer schlafen“, endete sie böse.

 

„Tja, mein Schlafzimmer war dir nicht gut genug, wenn ich dich erinnern darf“, sagte er jetzt und seine Worte erschienen ihr messerscharf zu sein.

 

„Nein. Du warst mir nicht gut genug“, entgegnete sie und hoffte wirklich, dass er sie jetzt zufriedenließ. Sie hatte sich wieder abgewandt und schritt eilig voran. Als er ihr Handgelenk umfing, wäre sie fast gestolpert.

 

„Weißt du, ich hoffe wirklich, du wirst überfallen und ausgeraubt und verschleppt, damit die Verbrecher in denselben unerträglichen Genuss deiner Anwesenheit kommen und schon nach vierundzwanzig Stunden den Drang verspüren, dich erwürgen zu wollen!“, knurrte er zornig und sie riss sich los.

 

„Schön! Dann geh zurück in deine Villa, zu deinem Elf, der dich hasst und deiner verdammten Reinblutschlampe!“

 

Sie erkannte den Moment der Gefahr, auch im Nebel der grenzenlosen Wut. Er war greifbar und viel zu nah. Alles in ihrem Innern schmerzte. Da war einfach zu viel Schmerz. Zu viel von diesen Dingen, die sie nicht ertragen konnte.

Sie konnte ihn nicht ertragen, denn er brachte ihr Blut zum Kochen. Alles in ihrem Innern sträubte sich, ihn anzusehen, denn je länger sie ihn ansah, umso länger war sie viel zu gefangen von seiner Präsenz, seiner Ausstrahlung und dem Wissen, dass sie ihn so gut kannte. Viel zu gut. Fast besser als sich selbst.

 

Er sah sie schwer atmend an. Seine blauen Augen fixierten schon längst ihre Lippen, ihre Augen und wieder ihre Lippen. Ihn zu sehen war viel zu gefährlich. Und dann noch mit ihm zu streiten, war eigentlich mehr als sie ertragen konnte.

 

Und wie schamlos ihr Körper sie verriet! Sie war so sauer, dass sie auf alles ansprang. Alles in ihr fühlte sich zu ihm hingezogen. Genau in dieser Sekunde. Half es gegen den Schmerz? Sie kannte die Antwort darauf: Nein. Es half absolut nicht. Es machte es nicht mal besser.

 

Und es war nicht einer dieser überhitzten Momente. Ein Moment der Lust, dem ein Streit vorausgegangen war. Diese Momente hatten sie nicht mehr. Diese Momente waren seit der Scheidung vorbei. Er war ihr Exmann. Ihr Exmann! Sie hatten sich Treue geschworen, bis zum Lebensende. Und was war daraus geworden?

 

Nichts war daraus geworden. Zum Teufel war ihre Ehe gegangen.

Sie würde zerspringen. In hunderttausend Teile. Und dann lag es an ihr, alles wieder zusammen zu kleben. Und es würde nicht halten. Es würde nicht gutaussehen und sie wäre allein.

 

„Du bringst mich in mein sicheres Grab“, flüsterte er plötzlich und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, schien er sich wieder etwas gefangen zu haben.

„Komm einfach mit. Schlaf in meinem Haus und lass uns einmal erwachsen sein. Nur… einmal, ok?“, fragte er und seine Stimme verriet ihn doch. Er klang unglaublich aufgewühlt, auch wenn sein Äußeres kein Anzeichen dafür preisgab.

 

Sie schüttelte langsam den Kopf. Sie konnte nicht. Sie konnte doch nicht! Sie blickte zurück zu seinem Haus. Die Tür stand noch offen und sie erkannte den Elf, wie er auf Zehenspitzen versuchte, etwas mitzubekommen. Fast musste sie doch lächeln.

 

„Dann hättest du gewonnen“, flüsterte sie und wischte sich über die Wange. Zwar war da keine Träne, aber schaden konnte es nicht, sich zu vergewissern.

 

„Was ist das bitte für ein Sieg?“, fragte er und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass er gerade näher gekommen war. „Komm, es ist spät.“

 

„Das ist ein Fehler. Es tut uns nicht gut.“

 

„Natürlich nicht. Aber… ein Fehler mehr oder weniger“, sagte er lapidar und drehte sich wieder um. „Kommst du?“, fragte er jetzt und sie gab nach. Ihre Füße verrieten sie ebenfalls, denn sie folgten ihm nur zu willig.

 

„Ich kann dich nicht leiden, Malfoy“, sagte sie bitter und schritt neben ihm her. Er lächelte.

 

„Ich weiß. Mich und meine Reinblutschlampe“, wiederholte er das Wort und sie schloss beschämt die Augen. Nur ganz kurz. „Immerhin hast du tatsächlich Gefühle. Ich dachte schon, du wärst eiskalt“, fügte er leiser hinzu.

 

„Ich bin nicht eifersüchtig“, erklärte sie schnell. Jetzt sah er sie kurz an.


„Nein, natürlich nicht.“

 

„Ich bin nicht eifersüchtig, Malfoy!“, wiederholte sie gereizt.

 

„Dann schenk ich dir diesen Triumph, Granger“, begann er leise und ließ ihr den Vortritt zur Haustür. „Ich wäre so verflucht eifersüchtig, dass ich in einer stillen Stunde zu dem Haus deines Typen gehen würde, um ihm seinen Schwanz abzufluchen.“ Er sagte es mit voller Ernsthaftigkeit und sie war froh, dass sie voran ging. Denn sie wollte sein Gesicht bei diesen Worten nicht sehen. Und sie war froh, dass er ihr Gesicht auch nicht sehen konnte, denn dann hätte er höchstwahrscheinlich bemerkt, dass sie fast lächelte. Fast.

 

 

Kapitel 12

~ It’s You and Me and all other people ~

 

 

Er lag wach. So wach, wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Sie lag genau in dem Zimmer unter ihm. Er glaubte zu hören, wie Avalon eine kleine Feier in der Küche abhielt. Wahrscheinlich trank er einen Fingerhut voll Elfeinwein und freute sich wie ein Schneekönig, dass Granger im Gästezimmer schlief.

 

Draco war sehr angespannt. Zum Teufel, er hätte sie fast geküsst! Fast, verflucht! Fast hätte er sie berührt, fast hatte er sein besseres Wissen zum Teufel jagen und ihren Mund mit seinen Lippen verschließen wollen, damit sie nicht noch mehr giftige Worte sprechen konnte.

 

Und etwas stand völlig fest: Er würde heute kein Auge zu tun. Nicht, dass er sonst besonders gut schlafen konnte.

 

Er schwang träge die Beine aus dem Bett und fühlte sich tatsächlich ausgelaugt. Er wusste, er hatte wahrscheinlich auf das letzte Glas Wein verzichten können. Alkohol konnte ihm nicht viel anhaben, aber wenn er dazu auch nicht schlief, dann fühlte er sich am nächsten Tag trotzdem schlecht.

 

Er zog sich ein Shirt über den nackten Oberkörper, denn für gewöhnlich schlief er nur in seiner Trainingshose – wenn überhaupt. Es wurde Herbst, also hatte er beschlossen, die Hose zur Nacht anzuhaben. Das Shirt hatte Donald allen Kollegen der Abteilung geschenkt: Rechtsmagier tun es 365 Tage im Jahr!

Eigentlich hasste er das Shirt, aber zum Schlafen reichte es allemal. Es war hellblau und das war auch nicht unbedingt seine bevorzugte Farbe.

 

Er verließ sein Schlafzimmer und der Mond fiel weich durch das Flurfenster auf den Teppich. Lautlos konnte er über den Teppich gehen und lief die Stufen hinunter. Er wusste noch nicht genau, ob er Hunger hatte, oder Durst. Oder ob er weder das eine noch das andere verwirklichen würde.

 

In Der Küche brannte Licht. Der Elf war also immer noch wach.

 

Er betrat die Küche und war kurz überrascht. Aber nur kurz.

Er hatte Avalon also fälschlicherweise beschuldigt. Der Elf schlief wahrscheinlich bereits. Granger saß an dem hohen Tresen, die Haare in einem unordentlichen Zopf, die Feder zwischen den Zähnen und ihre Augen flogen über die Zeilen.

 

„Anscheinend kannst du nicht schlafen?“ Sie schreckte hoch und zuckte auf dem Stuhl zusammen. Er erinnerte sich noch daran, dass sie völlig vertieft in eine Sache sein konnte und alles andere um sich herum vergaß.

 

„Nein“, gestand sie schließlich und räusperte sich. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es nach zwei war. Neben ihr stand ein dampfender Becher.

 

„Kaffee?“, vermutete er mit erhobener Augenbraue und sie ruckte mit dem Kopf. „Ist noch welcher da?“, fügte er hinzu und sie erhob sich übergangslos. Es war beunruhigend, wie gut sie sich noch auskannte. Aber er hatte auch nichts verändert, obwohl er es immer wieder versucht hatte. Der Elf hatte danach wieder alles zurückgeräumt. Es war ein sinnloses Unterfangen.

 

Sie stellte ihm seine Ministeriumstasse hin und goss ihm den Kaffee ein. Schwarz, ein Stück Zucker. Sie tat es, ohne es genau zu merken, fiel ihm auf. Dann setzte sie sich wieder.

 

„Wir sollten eine Sache überprüfen“, sagte sie schließlich, wieder ganz in den Fall vertieft. Er sparte sich, ihr zu erklären, dass sie wahrscheinlich besser nichts zusammen machen sollten.

 

„Welche Sache?“, fragte er dennoch und fuhr sich über die Stirn.

 

„Die Aufzeichnungen über diesen Raum.“ Sie schob ihm ihre Aufzeichnungen hin.

 

„Die sind vage. Darauf kann man sich nicht verlassen. Was willst du damit beweisen?“ Sie sah ihn fest an. Er wusste zwar, was sie sagen wollte, aber es war höchst unwahrscheinlich, dass sie dabei Glück haben würden.

 

„Ich will nur feststellen, ob etwas ungewöhnliches passiert ist“, erklärte sie ungeduldig.

 

„Wann?“, stellte er die entsprechende Frage.

 

„In der Nacht, in der Humphrey Gold verschwunden ist“, erwiderte sie mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm auch viel zu vertraut vorkam.

 

Er war nicht in der Lage vernünftig zu streiten. „Schön, meinetwegen“, gab er also nach. Auch sie wirkte verblüfft.

 

„Wirklich?“

 

„Ja, wirklich. Vielleicht überleg ich es mir noch mal anders, wenn du noch mal fragst“, entgegnete er mürrisch. Sie nippte an ihrem Kaffee. Er tat es ihr gleich. Sie kochte ihn stark. Sie hatte wohl auch nicht vor, heute zu schlafen.

 

„Liegt es am Fall?“, fragte er plötzlich. Sie sah ihn an.

 

„Was?“

 

„Dass du wach bist“, erwiderte er. „Liegt es am Fall oder am Haus?“, ergänzte er und interessierte sich für die Antwort.


„Am Fall“, sagte sie energisch.


„Ja?“

 

„Du machst mich nicht mehr nervös, Draco“, erklärte sie plötzlich mit einem Lächeln. „Wir sind nicht mehr siebzehn, weißt du?“

 

„Ich habe dich mit siebzehn nervös gemacht?“, griff er ihre Worte auf.


„Nein, du hast mich wahnsinnig gemacht“, korrigierte sie ihn und er lächelte.

 

„Ich glaube, die exakten Worte waren: Wenn du mich noch einmal anrührst, bringe ich dich um!“ Sie musste plötzlich lächeln.

 

„Ach ja. Auf dem Abschlussball“, ergänzte sie. „Das war ein sehr langer Abend“, fügte sie hinzu. Er hob eine Augenbraue. „Weißt du noch, als du mich das zweite Mal um eine Verabredung gebeten hast?“, fragte sie grinsend. Natürlich wusste er das noch!

 

„Ja, das war ein halbes Jahr später. Haben wir uns nicht auf dem Markt getroffen? Vor dem Zauberscherzeladen?“ Er rieb sich die Schläfen. „Und du hattest diesen Korb voll Unsinn gekauft. Irgendwelche Rüben, weil du in der Apotheke gearbeitet hast, und irgendwelche Tränke ausprobieren wolltest. Und ich habe irgendeinen Scheiß erzählt, nur damit du noch nicht weiter gehst.“

 

„Du hast gesagt, du machst ebenfalls eine Apothekerlehre“, berichtigte sie ihn böse.

 

„Sicher habe ich das. Was hätte ich sonst sagen sollen? Du hättest mich keine zwei Sekunden lang weiter angesehen hätte ich dir gesagt, ich würde eine Ausbildung zum Rechtsmagier im Ministerium machen. Erinnerst du dich nicht mehr an den Anstecker, den du getragen hast? Das Ministerium stinkt?“, fragte er lächelnd und sie nickte mit erschlagender Erkenntnis im Blick.

 

„Oh ja, die Phase, ich erinnere mich!“, rief sie aus. „Das war eine anstrengende Phase.“

 

„Aber du bist mit mir ausgegangen“, sagte er schließlich.

 

„Ja, ich bin mit dir ausgegangen“, bestätigte sie lächelnd.

 

„Und du hast mir geglaubt, dass ich auch Apotheker für magische Kräuter und Heiltränke werde“, fügte er hinzu.


„Ja, für etwa eine halbe Stunde“, gab sie grimmig zu bedenken.

 

„Aber du bist nicht abgehauen. Das wäre auch ziemlich brutal gewesen.“ Er nippte wieder an dem starken Kaffee.

 

„Nein. Wir haben da bis morgens gesessen, oder? Bis sie uns rausgeworfen haben“, fügte sie gedankenverloren hinzu.

 

„Ich weiß nicht mal mehr über was wir uns solange unterhalten haben“, sagte er nachdenklich.

 

„Ich auch nicht. Aber anscheinend war es gut gewesen“, entgegnete sie lächelnd. Er sah sie an. Ja. Eigentlich war jedes Gespräch, das sie ohne einen bösen Tenor geführt hatten, spannend gewesen. Er hatte es geliebt, mit ihr zu diskutieren.

 

„Warum hast du mich geheiratet?“, fragte er plötzlich ratlos. Denn irgendwas schien ja nie wirklich gepasst zu haben. Es kam ihm mittlerweile völlig absurd vor, dass sie geheiratet hatten.

 

„Du hast mich gefragt“, entgegnete sie achselzuckend. Er verzog den Mund.

 

„Ach so. Und hätte dich Cormac McLaggen gefragt, dann wärst du jetzt Mrs Cormac McLaggen?“ Sie grinste plötzlich.


„Cormac hätte mich nie gefragt! Er war viel zu…“ Ihr fehlten die Worte.


„Oh komm schon. Es standen genug Leute für dich in der Schlange, Granger“, sagte er
gereizt. „Hätte Weasley dich gefragt-“

 

„Ron hätte nie gefragt!“, rief sie lachend aus.


„Aber wenn“, beharrte er. „Dann hättest du ihn genommen?“

 

„Er hat nicht gefragt. Und nein, hätte ich nicht“, fügte sie leiser hinzu.

 

„Also?“

 

„Also was?“

 

„Was war es dann an mir? Abgesehen von der schlichten Tatsache, dass ich der einzig dumme war, der gefragt hat“, fügte er lächelnd hinzu. Sie sah ihn kurz an.

 

„Vielleicht die Oberarme“, sagte sie gedehnt.

 

„Meine Oberarme? Du hast mich wegen meiner Oberarme geheiratet?“ Er sah sie zweifelnd an.

 

„Nein. Nicht nur.“ Sie überlegte schließlich. „Du warst wirklich witzig. Und du warst verflucht heiß. Und wir mochten dieselben Bücher.“

 

„Und ich war richtig gut im Bett“, ergänzte er ihre Liste.

 

„Meinetwegen warst du auch richtig gut im Bett“, bestätigte sie lächelnd. „Warum wolltest du mich heiraten?“, fragte sie also und leerte ihre Tasse.

 

„Keine Ahnung“, sagte er mit einem Schulterzucken. Sie sah ihn böse an.

 

„Oh ha ha. Wirklich witzig.“

 

„Nein, wirklich!“, beharrte er. „Wahrscheinlich, damit dich kein anderer heiraten konnte. Damit du… einfach meins warst.“

 

„Du mochtest also keine meiner unzählig brillanten Eigenschaften?“, vergewisserte sie sich ungläubig und eine Spur beleidigt.

 

„Ich habe alle deine verrückten Eigenschaften vergöttert. Wenn ich an die eklige Quark-Käse-Schokoladencreme auf Toast denke, oder das Paar Socken für die Couch und das komplett andere Paar Socken fürs Bett, oder die Tatsache, dass du versucht hast, mir zu verheimlichen, dass du eine Lesebrille hast.“ Sie wirkte ertappt.

 

„Ich brauche keine Lesebrille!“, brachte sie entrüstet hervor. „Und dieses eklige Toastsache esse ich schon lange nicht mehr“, ergänzte sie sehr kleinlaut.

 

Dann schwiegen sie.

 

„Es war eine blöde Idee gewesen. Der ganze Streit mit deinen Eltern. Diese Muggel-Reinblutgeschichte war so anstrengend. Wir hätten da schon einsehen sollen, dass es viel zu kompliziert war. Und die Zeremonie mit diesem dämlichen Schwur und…“ Sie unterbrach sich kopfschüttelnd.


„Das war nur ein Tag, Granger. Das war doch nur die Hochzeit. Die Ehe war-“

 

„- eine Katastrophe!“, beendete sie den Satz für ihn. „Schon am ersten Tag haben wir gestritten. Weißt du nicht mehr? Wir waren gerade hier eingezogen und deine Mutter hat es sich nicht nehmen lassen, das ganze Haus einzurichten? Und wenn nicht ein jedem Flur ein Portrait von einem Verwandten von dir hing, der mich beleidigt hat, dann hat sie alles kritisiert, was ich mir in meiner Armut geleistet hatte. Die hässliche Couch, der alte Teppich, meine Kleidung, meine Haare…“

 

„Es gab gute Tage“, sagte er nachdenklich.

 

„Ja, es gab gute Tage“, bestätigte sie langsam.

 

„Wir waren immer gut beim…“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, sah sie dafür aber mit eindeutigem Blick an.

 

„Beim Sex?“, fragte sie unsicher und nickte schließlich. „Aber dafür hätten wir nicht heiraten müssen“, fügte sie hinzu. „Wir hätten einfach weiter in Sünde leben sollen“, ergänzte sie lächelnd.

 

„Nein“, widersprach er ernst. Sie sah ihn überrascht an. „Das wäre nicht gegangen, weil ich dich einfach heiraten musste.“

 

Sie sah lächelnd in ihren leeren Kaffeebecher.

 

„Wirst du Astoria auch heiraten müssen?“, fragte sie schließlich und er verzog den Mund. Er erhob sich beinahe übergangslos. Sie runzelte die Stirn. „Kann ich dich das nicht fragen?“


„Wieso willst du das überhaupt wissen?“, schnappte er. Wieder seufzte sie auf. „Es ist wirklich nicht so, wie du denkst“, sagte er knapp.

 

„Nein? Schläfst du mit ihr?“, fragte sie direkt und er verdrehte die Augen. „Dann ist es genauso wie ich denke.“ Schließlich sank ihr Kopf auf die Platte des Tresens. „Wir sollten wirklich nicht so miteinander reden, Draco“, murmelte sie.


„Was? Wie?“ Er stand unschlüssig in seiner Küche und wusste nicht, ob er einfach gehen sollte. Nach oben. Einfach weg von hier.

 

„Wie Menschen“, sagte sie energisch. „Die Scheidung hat so viel Geld gekostet. Und so viele Nerven. Dafür sollten wir uns für immer hassen. Wir haben so viel dafür bezahlt, dass das ausreichen sollte, damit wir uns für immer hassen!“, sagte sie wütend.

 

„Dann hättest du vielleicht besser nicht in mein Haus einbrechen sollen“, erklärte er jetzt. Sie hob müde den Blick.

 

„Ok, dann ist es meine Schuld. Weißt du, der fahrende Ritter macht in einer halben Stunde die erste Runde. Vielleicht sollte ich den einfach nehmen.“

 

„Ja, vielleicht solltest du den einfach nehmen!“, bestätigte er und es war wieder einmal um seine Geduld geschehen. „Was willst du? Dass ich das bestätige oder dass ich dich aufhalte? Ich kann deine Gedanken nicht lesen!“, fuhr er sie an.

 

„Keine Tricks. Keine Spiele, Draco“, sagte sie und stand langsam auf.

 

„Wir spielen schon furchtbar lange nicht mehr, Granger. Es war nie wirklich ein Spiel. Es war immer brutaler Ernst. Es war immer unglaublich anstrengend.“ Er fuhr sich müde durch die Haare. Er war einfach müde, zu streiten. Nicht müde, wach zu sein.

 

„Toll“, sagte sie böse.

 

„Was?“, erwiderte er genauso böse. Sie stand jetzt unschlüssig vor ihm. Sie war so viel kleiner als er, so kam es ihm vor. Ihre nackten Zehen waren hell lackiert, fiel ihm auf. Seine Trainingshose war ihr viel zu lang und er glaubte zu sehen, dass sie unter seinem Shirt keinen BH trug.

 

„Wenn ich jetzt gehe, dann ist morgen alles wie immer?“ Anscheinend stellte sie eine Frage. Es war keine Aussage.

 

„Ja?“, erwiderte er verwirrt. „Wir sind morgen genauso geschieden wie wir es heute sind“, bestätigte er grimmig.

„Dann ist alles, was wir heute rausgefunden haben scheißegal, und du arbeitest morgen wieder allein?“, fragte sie herausfordernd.

 

„Was willst du tun? Auf meinem Schoss sitzen und mir Befehle erteilen?“, konterte er grimmig und sie stöhnte auf.

 

„Ich hatte nicht vor auf deinem verdammten Schoss zu sitzen, Malfoy! Gott, mach es doch einfach mal nicht so verflucht schwer!“, rief sie völlig erschöpft.

 

„Dann sag mir, was ich tun soll!“, knurrte er und kam wütend näher. „Bitte, Granger, sag es mir. Oder schreib es mir auf, damit ich es nicht vergesse. Wir sind keine Freunde, schon vergessen? Natürlich ist es nicht leicht! Du wolltest es schwer. Deine Entscheidung. Also leb damit, ok?“ Sie hob zornig den Blick und ihre Augen trafen seine.

 

Es war elektrisierend.

 

„Wenn du mich küsst, bringe ich dich um!“, drohte sie leise und ihre Wangen flammten zornig auf.


„Oh glaub mir, das habe ich nicht vor“, gab er ungehalten zurück. „Aber verzeih, wenn ich an deinen Worten zweifel, in Ordnung?“, fügte er böse hinzu.

 

„Oh sicher! Als ob ich förmlich darauf warten würde!“, schnappte sie und lachte freudlos.

 

„Nein, Granger, du wartest nicht! Du legst es schlicht und ergreifend darauf an!“, gab er zurück. „Aber ich habe eine Freundin und ich bin nicht so verzweifelt, wie du.“

 

„Verzweifelt? Ich bin nicht verzweifelt. Und glaub mir, ich will dich und deine Schlampe bestimmt nicht auseinander bringen!“, schrie sie fast.

Sein Körper kribbelte unangenehm. Sie waren geschieden. Er war kein Kind. Das hier war keine Party, auf der er sich in der Küche mit Hermine Granger anlegen konnte. Es war nichts romantisches, oder feuriges oder besonderes an diesem Moment.

 

Es war sein Haus. Er stand in seiner Küche. Und sie war seine Exfrau. Es war eine sehr erwachsene Sache und es kotzte ihn an, dass er nicht mehr siebzehn war. Wann war alles so kompliziert geworden?

Wäre es doch einfach eine Party. Und wäre sie doch einfach Hermine Granger. Aber sie hatte bis vor ein paar Wochen noch Malfoy geheißen. Sie waren vor dem Gesetz verbunden gewesen – und jetzt waren sie es eben nicht mehr! Ganz einfach. Wieso war es das dann eben gerade nicht?

 

„Ich muss ins Bett“, murmelte er gereizt.


„Schön! Dann geh!“, entgegnete sie schnell.


„Hör auf!“, schrie er. „Lass es einfach. Antworte nicht auf jedes meiner Worte!“

 

„Denkst du, du könntest mir das verbieten? Das hättest du wohl gerne. Ist es das, was dir an Astoria gefällt? Lässt sie sich den Mund verbieten? Macht dich das wirklich an?“, rief sie zornig und er hob verzweifelte die Hände.

 

„Nein, verflucht! Und hör auf, ihren Namen zu sagen!“, schrie er jetzt.

 

„Ich darf ihren Namen nicht sagen? Was ist das? Noch eine Sekte? Wer ist sie? Die dunkle Königin? Wird sie später Greengrass-Malfoy heißen oder zwingst du sie, ihren Namen komplett aufzugeben?“

Sein Mund öffnete sich entgeistert. „Oder darf ich eure beiden Namen jetzt nicht mehr sagen?“, fuhr sie böse fort.

 

„Halt einfach deinen Mund.“

 

„Ich soll meinen Mund halten?“, wiederholte sie entrüstet und er nickte.


„Ja, halt deine Klappe, Granger! Halt einfach deine verfluchte Klappe!“, knurrte er, während er den letzten Rest Abstand zu ihr schloss. Er hielt es nicht aus. Er hielt sie nicht aus!

 

Sie stieß ihm vor die Brust. „Arschloch!“, rief sie zornig und er schlang die Arme unbeeindruckt um ihre Hüften.

 

„Ja? Das bin ich also?“, flüsterte er ungehalten und sie versuchte ihn von sich zu schieben, ohne ihn dabei aus ihrem wütenden Blick zu entlassen.

 

„Ja! Du bist ein verfluchtes-“

 

Er verschloss ihren Lippen mit einem Knurren. Ihr Zorn verrauchte irgendwie und sie legte die Arme um seinen Nacken, zog ihn enger zu sich und ihr Geschmack war unglaublich! Ihre Nähe benebelte seine Sinne und er erinnerte sich an jedes Detail!

 

Ihre Zunge duellierte sich mit seiner und sie stöhnte gegen seine Lippen. Seine Finger krallten sich in den Stoff seines Shirts, das sie trug, und er zog ungehalten den Kopf zurück.

 

„Nein!“, sagte er mit Nachdruck und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Ihre Brust hob und senkte sich unregelmäßig. „Wir sind geschieden, verflucht!“, fügte er böse hinzu und ließ von ihr ab. Sie nickte schließlich. „Das hier bedeutet nichts!“, flüsterte er kopfschüttelnd.

 

„Richtig. Du bist ja treu“, bestätigte sie rau und er konnte nur den Kopf schütteln, so verflucht großartig sah sie gerade aus.

 

Jaah, stimmt“, erwiderte er langsam. Diesmal schloss sie den Abstand. Und er konnte nicht widerstehen und senkte noch ein weiteres Mal den Kopf. Ihre Lippen küssten seine, als wäre es verflucht noch mal notwendig. Als bräuchte sie ihn, wie Luft zum Atmen!

 

Beinahe erschrocken wich sie nun zurück. „Oh nein!“, flüsterte sie und ihre Hand legte sich über ihre Lippen. „Nein, nein!“, wiederholte sie panisch. Für eine wilde Sekunde fragte er sich, ob sie das Kribbeln im Magen genauso spürte, wie er es gerade tat. „Nein!“, sagte sie jetzt fest und strich sich geistesabwesend eine Strähne hinters Ohr. „Wir… sind geschieden!“, wiederholte sie seine Worte, als würde sie erst jetzt – heute Abend – begreifen, was das eigentlich bedeutete.

 

„Geh!“, befahl sie leise.

 

„Hermine-“, begann er, aber sie schüttelte heftig den Kopf.

 

„Nein, geh. Geh, damit ich endlich gehen kann!“, sagte sie fest. Es verging noch eine weitere Sekunde, in der sie ihn nicht mehr ansah. Dann wandte er sich ab.

Er hatte gewusst, dass es Probleme geben würde. Schon als er geahnt hatte, dass sie in sein Arbeitszimmer eingebrochen war.

 

 

Kapitel 13

~ You can’t be oh so mean ~

 

 

Sie war nervös. Sie war ein völliges Wrack, wenn sie ehrlich war. Natürlich war sie nicht ehrlich. Wie hatte das passieren können? Aber nein. Eigentlich war ja nichts passiert. Ein kleiner Kuss, hier und da. Es war eben ein winziger Rückfall gewesen. Was war das schon? Es war, als würde man aufhören zu rauchen und auf einer Party mal eine einzige Zigarette rauchen.

 

Das war doch nicht weiter schlimm. Das war doch gar nichts!

 

„Und, wie war dein Wochenende?“,  fragte Ron, während er in den Resten seines Essens stocherte. Sie und er waren bei Ginny und Harry eingeladen.

 

„Mein Wochenende?“, erwiderte sie und klang hysterischer, als sie es eigentlich vorgehabt hatte. Ron hob kurz eine Augenbraue.

 

„So anstrangende? Liegt es an dem dämlichen Fall?“, erkundigte er sich jetzt besorgt. „Der nimmt dich ziemlich mit, oder?“

 

„Der Fall? Ja, der Fall ist…“ Sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte. Der Fall ließ sie im Moment sogar etwas zu kalt.

 

„Ich hab dir ja gesagt, lass die Finger von dem Fall“, erklärte Ginny als sie aus der Küche wieder ins Esszimmer kam, als wäre auch Hermine ein Kind von ihr.

 

„Ich mag den Fall. Ich mag diese Arbeit“, entgegnete Hermine etwas trotzig.

 

„Ja, das ist schön. Und ich finde es auch gut, dass du dich wieder für Arbeit entschieden hast, die dir etwas bedeutet. Aber musstest du dir unbedingt den einzigen Job als Rechtsmagier nehmen, bei dem du mit deinem Exmann zusammen arbeiten musst?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn und deutlichem Missfallen in der Stimme.

 

Geküsst. Sie hatte ihren Exmann geküsst. Sie arbeitete nicht nur mit ihm zusammen, nein, sie küsste ihn.

 

Sie blickte stur vor sich auf den Tisch. „Ginny, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Er… wir… wir kommen uns nicht in die Quere.“ Lügen ging ihr doch recht leicht von der Hand. Bemerkenswert.

 

„Onkel Draco?“, fragte James plötzlich, ohne Zusammenhang, als er ebenfalls ins Esszimmer gestürmt kam. „Kommt er auch?“ Ron wirkte sofort beleidigt.


„Nein, James, Onkel Draco wird ganz bestimmt nicht mehr kommen.“ Hermine wusste, eigentlich hatte niemand wirklich Draco leiden können. Zwar war der Anfang ihrer Ehe sogar unter ihren Freunden harmonisch verlaufen, aber sie wusste, dass vor allem Ron Draco immer noch nicht verziehen hatte, dass sie in Hogwarts die besten Feinde gewesen waren.

 

„Wieso spricht er von ihm?“, fragte Hermine jetzt argwöhnisch. Ginny verzog ganz kurz den Mund.

 

„Ich weiß nicht“, log ihre Freundin jetzt kühl und Hermine entglitten die Züge.


„Ach ja? Auf einmal spricht dein Sohn von Draco und du weißt nicht, weshalb?“, entgegnete sie skeptisch. Ginny verdrehte jetzt die Augen.


„Er hat ein Pissma“, sagte James jetzt stolz und Ginny wirkte plötzlich mächtig wütend auf ihren Sohn.

 

„Ein was?“, lachte Ron und sah seinen Neffen begeistert an. „Ich bin ganz Ohr, James“, fuhr er grinsend fort.

 

„Das leuchtet in allen Farben und Mum hat gesagt-“ Ginny griff ihren Sohn um die Hüfte, hob ihn auf den Arm und flüsterte ihm knapp etwas ins Ohr. James schwieg plötzlich ziemlich abrupt.

 

„Er hat was?“, wiederholte Hermine interessiert und Ginny atmete langsam aus.

 

„Schön. Wir waren da“, erklärte sie schließlich.

 

„Ihr wart da? Was soll das heißen? Du und James?“

 

„Wir waren in seinem Büro, weil ich ihm sagen wollte, dass er sich ja vorsehen soll und dass er den Fall einfach aufgeben soll.“ Sie klang zornig.

 

„Das ist nicht deine Angelegenheit, Ginny!“, beschwerte sich Hermine und erhob sich.


„Könnten wir noch mal kurz auf das Pissma zurückkommen?“, schob Ron, immer noch grinsend, dazwischen.

„Es ist ein Prisma, Ron. Ein Prisma, was James jetzt auch haben möchte“, erklärte Ginny gereizt und warf ihrem Bruder einen bösen Blick zu. Ron wirkte sehr enttäuscht.

 

„Schade. Ich hatte gehofft, Malfoy hat irgendwelche Art von Störung im-“

 

„Hat er nicht“, sagte Hermine wütend. Ron sah sie an.


„Hat er nicht? Woher weißt du das?“

 

„Oh Ron, ich bitte dich.“ Sie hatte wirklich keine Lust, noch weiter über irgendwelche eingebildeten Krankheiten zu reden, die Draco nicht hatte. Und sie wusste noch ziemlich genau, was sie an ihrem Oberschenkel gespürt hatte, als er sie geküsst hatte. Oder sie ihn. Oder was auch immer!

 

„Ich werde jetzt gehen.“

 

„Das wird doch jetzt nicht zum Streit auswuchern, oder?“, erkundigte sich Ginny nachdrücklich und fixierte Hermine besorgt.

 

„Nein“, sagte Hermine schließlich. „Halt dich da einfach raus“, fügte sie leiser hinzu. Und kurz warf Ginny ihr einen seltsamen Blick zu. Aber Hermine wollte ihn nicht zuordnen und hatte genug damit zu tun, unauffällig ihre Jacke anzuziehen.

 

„Wann kommst du wieder?“, fragte James jetzt und grinste ein Zahnlückenlächeln. Hermine brach immer ein bisschen das Herz. Er war einfach zu niedlich.

 

„Ich komm das nächste Mal, wenn dein Dad auch da ist!“, versprach sie.

 

„Mein Dad ist Harry Potter!“, sagte James lächelnd, denn er hatte wohl jetzt ansatzweise verstanden, dass sein Vater eine ziemlich hohe Persönlichkeit in der magischen Welt war. Hermine lächelte.

 

„Ja, ich weiß.“

 

„Sagst du Onkel Draco Hallo?“, fragte James jetzt leiser und Hermine war sich nicht sicher, ob James das Gefühl, jemanden zu vermissen, schon wirklich zuordnen konnte.

 

„Ja, ich sag ihm Hallo“, versprach sie leise. Sie winkte den anderen beiden und verschwand schließlich. Es war zu anstrengend ihre Freunde anzulügen, anstatt einfach zu gestehen, dass sie ihren Exmann geküsst hatte. Sie hatte ein solches Bedürfnis darüber zu sprechen, aber sie wusste, Ginny oder Ron wären einfach das komplett falsche Publikum, denn weder Ginny noch Ron mochten ihn besonders gut leiden.

 

 

~*~

 

So sehr sie die Arbeit mochte, umso anstrengender war es jetzt. Sie war förmlich ins Ministerium geschlichen, was an sich schon viel zu albern war, denn es waren hunderte Zauberer um sie herum, die überhaupt nicht mitbekamen, wie sie sich verhielt. Aber sie wusste, sie musste immer wachsam sein, denn würde sie einen Augenblick lang vergessen, dass er hinter jeder Ecke warten konnte, dann hätte sie sich nicht unter Kontrolle. Und Kontrolle war im Moment das wichtigste.

 

Und sie hatte nicht vergessen, dass sie heute im Archiv nachsehen wollte, was in der Mysteriumsabteilung passiert war.

 

Und das würde sie gleich auch tun. Denn nur wenige hatten die Lust, sich durch die staubigen Archive zu wühlen. Denn dort war es heiß und stickig und die Bücher dort, in denen die Aufzeichnungen standen, waren muffig und alt.

 

Aber sie hatte immer Ruhe dort schöpfen können, denn, auch wenn sie es nicht gerne zugab, die Hallen der Archive erinnerten sie immer an die Bibliothek in Hogwarts und an die Zeit, die sie dort so angenehm verbracht hatte.

Sie liebte die Ruhe der Bücher und das Wissen, das sie ausstrahlten.

 

Sie wusste, dort konnte sie eine Art von Zuflucht suchen, die sie bestimmt nicht in den vollen Fluren des Ministeriums finden würde.

 

Sie verstaute hastig ihre Sachen im Ministerium und zog sogar die Strickjacke aus, denn in den Hallen der Archive war es verflucht warm. Bücher speicherten nämlich auch sämtliche Energie und schienen ihr manchmal die Luft zum Atmen wegzunehmen, vermutete sie.

 

Sie traf Merlin sei Dank niemandem, mit dem sie wirklich reden musste, auch wenn sie schon überlegt hatte, mit Blaise ein paar Worte zu wechseln. Aber würde sie ihm von dem Abend erzählen, dann würde er wahrscheinlich grinsen, und einen Termin im achten Stock machen, damit sie und Draco ihr Gelübde erneuern konnten. Nein, darauf konnte sie getrost verzichten.

 

Sie hatte es geschafft, zwei Tage nicht an ihn zu denken, nicht an den Kuss zu denken, überhaupt nicht wirklich zu denken. Darauf war sie ziemlich stolz. Sie hatte sich wieder und wieder die wichtigen Tatsachen über den Fall durchgelesen und war bestens darauf vorbereitet… na ja, darauf vorbereitet, zu gewinnen, konnte sie nicht wirklich sagen.

 

Mittlerweile zweifelte sie an der ganzen Geschichte und wusste, sie war auf einer ziemlich gefährlichen Spur, würde sich ihre Vermutung bestätigen.

 

Die Hallen der Archive lagen weit oben. Deswegen war es auch so warm. Sie glaubte sogar, sie gehörten zu den Stockwerken, die oberhalb der Erde lagen. Das Ministerium lag nur zu einem Teil unterirdisch unter London.

 

„Hallo, Ms Granger“, begrüßte sie eine Stimme als sie die Archive betrat. Regal um Regal baute sich vor ihr auf. Sie waren ähnlich wie die Treppen in Hogwarts. Sie musst höllisch aufpassen, dass das Regal, was sie brauchte nicht ungünstigerweise weiter hinten verschwand.

 

„Susan Bones“, erwiderte sie mit einem gezwungenen Lächeln.

„Na? Wieder im Ministerium?“, erkundigte sich Susan und Hermine erinnerte sich, dass sie beim letzten Treffen einen hässlichen Streit mit Susan gehabt hatte.

 

„Ja, das Schicksal geht seltsame Wege.“

 

„Und? Arbeitest du mit Draco zusammen?“ Hermine spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Der Streit mit Susan Bones ging eigentlich darum, dass Hermine das Gefühl hatte, Susan verbrachte zu viel Zeit in Dracos Büro. Draco hatte dies immer bestritten, aber er hatte ja auch bestritten, jemals Astoria Greengrass attraktiv zu finden. Hermine konnte Susan nur mit einem finsteren Blick mustern, denn sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als diese Frau zu fragen, ob sie tatsächlich irgendwann mal etwas mit ihrem Exmann gehabt hatte. Susan trug einen knappen Rock und eine beige Bluse und sah geradezu danach aus, dass Männer sich wohl fühlen sollten, sie anzusprechen.

 

Hermine hatte nichts gegen Frauen, die wussten, wie man die weiblichen Waffen einsetzte. Sie hatte nur etwas gegen Frauen, die diese Taktik bei verheirateten Männern anwandten.

 

„Nein, wir arbeiten nur in derselben Abteilung“, erklärte sie etwas steif.

 

„Der Fall scheint ja euer Fluch zu sein.“ Susan lächelte, aber Hermine konnte deutlich erkennen, dass es kein freundliches Lächeln war.

 

„Tja, jeder hat wohl seinen Fluch, richtig?“ Sie wusste nicht, was sie damit sagen wollte, aber es markierte deutlich das Ende der Unterhaltung.

 

„Wir sehen uns bestimmt“, entgegnete Susan und Hermine hoffte, dass dies nicht so sein würde.

 

„Bestimmt.“ Aus den Augenwinkeln erkannte sie ihr Regal und schritt an Susan vorbei und stieg auf die unterste Stufe. Wenn es verschwinden würde, dann konnte sie erst mal durch die Millionen Gänge gehen und es suchen. Kaum stand sie auf dem Trittbrett glitt das Regal weiter nach hinten, sauste durch die Reihen, aber sie studierte schon mal die Titel der Bücher.

 

Mysteriumsabteilung, Raum der Zeit, las sie stumm. Sie musste also weiter nach hinten. Viele Warnschilder hingen an den Regalrändern.

 

Nicht laufen, während der Fahrt!

 

Es waren schon hässliche Unfälle bei Regalfahrten passiert. Hermine wartete also geduldig, bis das Regal zum Stehen kam. Auf dem schmalen Trittbrett schritt sie also das Regal entlang.

 

Die Trittstufen nicht beim Lesen betreten!

 

Das war etwas, das selbst ihr schon einmal einen verstauchten Knöchel eingebracht hatte. Sie war so vertieft gewesen und das Regal war ohne sie weiter gefahren, und sie hatte sich den Fuß am nächsten Regal geklemmt und hatte zwei Tage einen hässlichen Verband tragen müssen.

 

Das wichtigste Schild war wohl:

 

Zauberstab stets bereithalten!

 

Nur mit dem Zauberstab konnte sie überhaupt die dicken Bände aus dem Regal bekommen. Und auch nur dann, wenn sie qualifiziert war. Aber als Rechtsmagierin hatte sie viele Lizenzen an den Büchern. Die einzigen Bände, die sie nicht benutzen konnte, waren die der Goldenen Appendix Reihe. Eine endlose Aneinanderreihung von Urururahnen an Reinblütern und deren Positionen, möglichen Schätzen, Berufungen, Prophezeiungen und so weiter, denn nur Reinblüter hatten die Lizenz zu diesen Büchern. Ein lästiges Überbleibsel aus alter Zeit, aber bisher hatte sie nie den Wunsch verspürt, diese Bände auch nur aufzuschlagen. Sie waren unnütz. Sie interessierte sich nicht besonders für die Reinblütergeschichte.

 

Mysteriumsabteilung, Raum des Denkens, dies war eigentlich ein recht spannender Band, aber nicht der Band, nach dem sie heute suchte. Bei Gelegenheit würde sie mal wieder hier einen Blick reinwerfen. Es war unglaublich, welche Informationen sich darin verbargen. Die vielen Zauber und Tests, die mit den Gehirnen durchgeführt wurden, wären für jedes Muggelkrankenhaus pures Gold wert.

 

Natürlich war jegliche Weitergabe der Informationen strikt verboten.

 

Mysteriumsabteilung, Halle des Todes

 

Und genau das hatte sie gesucht. Es gab viele Verzeichnungen. Diese Aufzeichnungen erstreckten sich über bestimmt fünfzig Bände. Ihre Finger glitten über die vielen Buchrücken, während das Regal weiter nach hinten rotierte. Sie durfte nicht aus den Augen lassen, in welche Richtung sie glitt, denn sonst irrte sie hier eine halbe Stunde umher, nur um herauszufinden, ob sie rechts oder links wieder zum Ausgang kommen würde.

 

Dann stockte ihre Hand. Der Band fehlte.

 

Der Band über den Monat des Geschehens war nicht an seinem Platz. Es war höchst ärgerlich, dass ihn jemand anders ausgeliehen haben sollte. Und es war höchst unwahrscheinlich noch dazu. Es gab niemanden, der sich dafür interessieren konnte.

 

Niemanden. Absolut überhaupt –

 

Na gut. Außer vielleicht noch einer einzigen Person. Sie blickte nach links und sah den Ausstieg zum Leseraum. Der Leseraum war eigentlich nur eine kreisrunde Fläche mit einigen Sofas und Sesseln, Tischen und Federn, um sich kurz auszuruhen und sich mit den Bänden auseinander zu setzen. Er lag genau in der Mitte der tausend Regale und alle Wege zurück zum Ausgang waren von hier aus gleich weit entfernt.

 

Ärgerlich sprang sie vom Trittbrett, ehe das Regal weiter rotieren konnte.

 

Sie landete sanft auf dem weichen Teppich und erschrak nur ein winziges bisschen. Nur für einen kurzen Moment.


„Ich war wohl schneller“, stellte er recht gleichmütig fest. Sein Finger zeigte auf eine Stelle in einem Band, der nach dem Band aussah, den sie suchte.

 

„Was tust du hier?“, fragte sie recht dämlich, denn sie konnte sich schließlich denken, was er hier tat. Aber ihrem sonst so schlagfertigen Gehirn, fiel keine passende Frage ein.

 

„Ich? Abgesehen von der Tatsache, dass ich dir zuhöre, wie du Susan Bones davon erzählst, dass jeder seinen Fluch zu tragen hat?“ Seine Mundwinkel zuckten verdächtig kurz und sie öffnete verwirrt den Mund. Er hatte also gelauscht. Großartig.

 

„Hast du den Band vom Juli?“, fragte sie überflüssigerweise und er nickte, während er den Blick wieder auf die Seiten senkte.

 

„Willst du es lesen? Aber es wird dir auch nicht weiterhelfen. Diese Informationen sind so gut wie die Vorhersagungen aus einer Kristallkugel.“

 

„Wenn du sie so unsicher findest, warum hast du sie dann überhaupt in Erwägung gezogen?“, giftete sie verärgert und stellte sich neben ihn. Sie zwang sich, seinen Duft nicht zu atmen und ihn so gut es ging zu ignorieren. Was natürlich vollkommen unmöglich war.

 

Sie folgte seinem Finger. Der Tag war verzeichnet. Die Uhrzeit ebenfalls. Natürlich waren die Aufzeichnungen für die Halle des Todes wirklich immer eher etwas… vage. Dort stand, dass die Messungen für den Vorhang der Ewigkeit zwar Schwingungen vernahmen, dass aber nicht festgestellt werden kann, wann genau sie begonnen haben oder wer sie verursacht hat.

 

„Immerhin“, erklärte sie zufrieden.

 

„Immerhin, was?“, entgegnete er wenig überzeugt. Sie hob den Blick zu seinem ausnahmslos schönen Gesicht. Seinem Gesicht, dem übrigens keine Aufgewühltheit anzumerken war – was sie ärgerte.

 

„Immerhin haben wir hier einen Beweis, dass an diesem Tag Unruhe verzeichnet werden konnten“, erklärte sie gereizt.

 

„Und das ist gut?“, fragte mit leichtem Spott in der Stimme.

 

„Ja. Das ist besser als nichts“, bestätigte sie und merkte erst jetzt wie unangenehm nah sie beieinander standen. Er bewegte sich nicht weg.

 

Ingemino“, sagte sie leise und die Seite kopierte sich vor ihnen auf dem Tisch.

 

„Soll das in deinen Ordner oder meinen?“

 

Diese Frage allein war vollkommen legitim, vollkommen neutral und bestimmt kein Grund zu irgendeiner Besorgnis. Aber der Ton war völlig unpassend! Seine Stimme klang plötzlich rau. Tiefer. Und ganz bestimmt nicht so, als ob sie wissen wollte, in welche Akte man dieses Pergament heften wollte!

 

Langsam wandte sie den Kopf zur Seite. Sie hatte das ungute Gefühl, dass seine Augen dunkler geworden waren. Sie fühlte, wie ihre Handflächen feucht wurden und ballte die Finger schnell zur Faust. Sein Duft erschlug sie mit voller Macht. Als ob sie ihn wirklich ignorieren konnte!

 

„Granger?“, fügte er mit erhobener Augenbrau hinzu, als sie noch nicht geantwortet hatte.

 

„Mir egal“, würgte sie gleichmütig hervor. Er ergriff das Pergament.

 

„Gut“, erwiderte er tonlos. „Accio Regal 17!“, rief er und hatte den Zauberstab gezogen. Das Regal der Mysteriumsabteilung sauste wieder in ihre Richtung. „Kommst du?“, fragte er als wäre es selbstverständlich, dass sie ihm folgen würde. Aber ihre Beine gehorchten ihr, Merlin sei Dank doch ziemlich gut.

 

Sie kletterte auf die Trittstufe und ließ ihm den Vortritt, denn er trug den schweren Band wieder zurück an den Platz.

 

„Du hast dir also gemerkt, dass ich diesen Band ansehen wollte?“, vergewisserte sie sich, weil sie nicht glauben konnte, dass er einer ihrer Theorien wirklich einmal Gehör geschenkt hatte.

 

„Sicher habe ich es mir gemerkt. Ich bin kein Kröter. Ich kann Dinge länger als zwei Minuten lang behalten, Granger“, spottete er mit glatter Stimme.

 

„Ha ha. Dafür, dass du diese Aufzeichnungen für Doxymist hältst, warst du aber ziemlich zeitig hier“, setzte sie grimmig hinzu. Er schob den Band wieder an seinen Platz und wandte sich schließlich zu ihr um. Sie musste den Kopf etwas weiter in den Nacken legen.

 

„Sonst hätte ich dich höchstwahrscheinlich auch verpasst.“

 

Dieser Satz war ebenfalls schlicht, aber die Bedeutung dahinter war unschwer zu enttarnen.

 

„Du hast auf mich gewartet?“

 

„Ist es wirklich Warten, wenn man weiß, dass jemand definitiv auftauchen wird?“, erkundigte er sich beiläufig und lehnte sich gegen das Regal, während es wieder zurück zum Eingang rotierte.

 

Sie überlegte kurz. „Ja, Malfoy.“ Dann runzelte sich ihre Stirn. „Wieso wartest du?“ Sie wusste, sie nahm eine defensive Position ein, denn sie verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Fassade fiel in ungefähr dieser Sekunde.

 

„Müssen wir darüber reden?“

 

„Was?“ Ihre Stimme verwandelte sich eher in ein Piepsen. „Worüber?“

 

„Hermine“, sagte er nachdrücklich und hob eine Braue. Panisch schüttelte sie den Kopf.

 

„Nein, nein! Definitiv, nein!“, sagte sie hektisch, mit gedämpfter Stimme.

 

„Dann… war das…“

 

„Ein Versehen“, schlug sie hysterisch vor. „Ein Missverständnis. Ein betrunkener Fehler. Eine Kurzschlussreaktion. Ein… Schauer aus der Vergangenheit. Eine absolut stumpfsinnige und sehr dumme Aktion!“ Ihr Atem hatte sich beschleunigt.

 

„Ich will nur betonen, du hast mich geküsst.“ Und er grinste bei diesen Worten. Jetzt hatte er es ausgesprochen. Sie war ja der Überzeugung gewesen, diese Sache wäre nicht real, wenn man nur nicht mehr darüber sprechen würde.

Aber diesen Pakt hatte er jetzt zerstört. Und er log noch dazu!

 

„Ich? Ich habe mit diesem Unsinn nicht angefangen!“, beteuerte sie und versuchte, nicht zu laut zu sprechen.

 

„Ach nein? Dann bin ich selber bei mir eingebrochen?“, erkundigte er sich immer noch grinsend und der Ausgang kam in Sicht, denn das Licht wurde endlich wieder heller.

 

„Was? Was sollte das bitte mit dem Kuss zu tun haben?“, zischte sie ungehalten. „Willst du andeuten, dass ich das getan habe, weil ich mir nichts besseres vorstellen kann, als dich zu küssen und dafür sogar in dein dummes Haus einbreche?“, fügte sie böse hinzu und er ruckte mit dem Kopf.

 

„Völlig unwichtig. Ich werde dir jedenfalls nicht ein weiteres Mal gestatten etwas Derartiges zu tun“, sagte er plötzlich sehr ernst. Ihr Mund öffnete sich völlig überfordert.

 

„Mir gestatten…?“, wiederholte sie langsam und kam auf ihn zu. „Das ist ja wohl ein verfluchter Scherz, oder?“ Jetzt schloss er den Abstand und wirkte etwas aus der Fassung gebracht.

 

„Nein, kein Scherz. Keine Tricks. Das hast du doch schon klargestellt, oder?“, knurrte er plötzlich und presste sie gegen die alten Bände. Sie verzog kurz schmerzhaft den Mund. „Ich habe dafür nicht die Kraft. Und auch nicht die nötige Zeit, verstanden?“ Er sah ihr fest in die Augen und ihr Mund öffnete sich völlig verwirrt. „Hast du vor daraus eine wöchentliche Sache zu machen?“

 

„Eine was?“ Sie starrte ihn hilflos an.

 

„Denn sollte das so sein, wüsste ich es lieber vorher. Weißt du, wie lange es gedauert hat, ehe ich Frauen wieder als Menschen betrachten konnte?“, fragte er sie zornig und ihr Mund öffnete sich erneut, ohne dass sie wusste, was sie sagen sollte. „Und meine Frage wäre, ob du Gefühle für mich hast. Ob das ein Anfang von irgendeiner verrückten Aktion werden wird, die darin endet, dass du mit mir schlafen willst“, fügte er leiser hinzu.

 

„Draco, ich habe mich von dir scheiden lassen, weil ich niemals – niemals – wieder mit dir schlafen will!“, presste sie hervor und stieß ihm hart vor die Brust.

 

„Niemals?“, wiederholte er tonlos. „Ist das ein Versprechen?“

 

„Nein, das ist der bindende Vertrag, den wir eingegangen sind!“ Sie konnte nicht fassen, wie wütend sie war und dass er tatsächlich versuchte, diesen Abend auf sie abzuwälzen!

 

„Wir sind so viele bindende Verträge eingegangen“, knurrte er mit spöttischem Unterton. „Welchen meinst du?“

 

„Den letzten“, erklärte sie zornig und ignorierte den Seitenhieb auf den Vertrag ihrer Heirat. „Und du wolltest mich küssen! Nicht umgekehrt!“, fügte sie verletzt hinzu.

 

„Bitte, den schenk ich dir“, begann er und entließ sie aus seiner Präsenz. Sie wich zum Rand des Regals zurück. „Ich wollte dich küssen. Weil du förmlich drum gebettelt hast“, ergänzte er kühl. Sie konnte nicht glauben, wie sehr er ihr zu schaffen machte. Sie schritt zielstrebig zu ihm zurück und entriss ihm das kopierte Pergament.

 

„Und das… ist meins!“, erklärte sie wütend und funkelte ihn an.

 

„Kann man euch helfen?“, erkundigte sich die Stimme von Blaise Zabini und Hermine erschrak. Hastig wandte sie sich um.

 

„Nein. Wir sind fertig“, erklärte Draco überflüssigerweise.

 

„Nicht, dass ich euch aufhalten oder unterbrechen will“, bemerkte Blaise mit einem Lächeln.


„Es gibt nichts, wobei du uns unterbrechen könntest“, erklärte sie mit einem freundlichen Lächeln und sprang vom Trittbrett herunter. Draco folgte ihr schließlich.

 

„Schön, dass ihr euch versteht“, fügte Blaise immer noch lächelnd hinzu. Und sie hasste sein Lächeln. Sie würde ihm gerne erklären, wie sehr sie sich zum Teufel noch mal nicht verstanden, aber sie hatte ihren Stolz.

 

„Ich muss los“, erwiderte sie würdevoll und schoss ihrem Exmann noch einen verhassten Blick entgegen.

 

„Ich halte dich bestimmt nicht auf.“ Draco hatte einen sehr arroganten Zug um seinen Mund spielen, den sie nicht ausstehen konnte. Es war sein Spiel. Er wollte das letzte Wort haben und sie wussten beide, dass er es spielte.

 

„Gut“, sagte sie böse.

 

„Gut“, erwiderte er und sie sah wie Blaise sein Grinsen hinter seiner Hand verbarg.

 

„Schön“, sagte sie nur. Dracos Mundwinkel hoben sich ganz kurz.

 

„Schön“, erwiderte er gedehnt.

 

Sie ließ ihn gewinnen. Dieses Mal. Denn es war ihr zu peinlich vor Blaise. Sie wusste, was er denken musste. Und er hatte auch noch recht. Sie stritten sich. Wieder mal. Wie am ersten Tag. Und sie erinnerte sich noch dunkel, wie der erste Tag mit Draco Malfoy geendet hatte… - in seinem Bett.

 

Und das würde nicht noch einmal passieren.

 

Zornig wandte sie sich ab. Sie gönnte beiden keinen weiteren Blick mehr.

 

 

 

Kapitel 14

~ And it’s a Problem – I think it’s a Sin ~

 

 

Nicht gut. Gar nicht gut.

 

Es war ihm selber aufgefallen. Viel zu spät natürlich. Es fiel ihm immer erst zu spät auf, wenn er begann, Spiele zu spielen. Es machte plötzlich mehr Spaß als es sollte und ehe er sich besinnen konnte, war er schon viel zu weit nach vorn gegangen.

 

Und so hatte ihn Blaise auch angesehen. Er hatte Granger klar machen wollen, dass es vollkommen unmöglich war, dass… dass es wieder passierte.

Er hatte eigentlich ehrlich sein wollen und ihr sagen wollen, dass er sterben würde, würde es noch einmal passieren.

 

Über sie hinweg zu kommen, war das brutalste und anstrengendste, was er jemals hatte tun müssen. Aber… wenn er tatsächlich einen lichten Moment wählte, und vollkommen ehrlich mit sich selber war, dann musste er sich eingestehen, dass er es gar nicht geschafft hatte.

 

So gern er es hätte. So einfach es vielleicht ab einem gewissen Punkt gewesen wäre… genauso episch hatte er versagt.

 

Er hatte nichts überwunden. Oder verdrängt. Absolut gar nichts. Er hätte jedes Muttermal auf ihrem Körper finden und aufzeichnen können. Noch heute.

Aber das würde er ihr nicht sagen. Auf einmal war es viel einfacher, ihr die Schuld zu geben und darauf zu hoffen, dass ihr Hass einfach für sie beide reichen würde.

 

Das musste er nämlich. Er musste ausreichen, denn er wusste, er wäre ein schwacher Feigling, der sie wieder aufsuchen würde. Der wieder versuchen würde, sie zu sehen. Nur für den Rausch.

 

Und natürlich war ihm völlig klar, dass sie ihn niemals geküsst hätte. Aber ihm war genauso klar, dass die Dinge jetzt auch völlig anders lagen.

Und er war so kühn, zu sagen, dass sie ihn noch wollte.

Und darin lag wohl ein Problem. Aber es würde ihr Problem sein. Nicht seins.

 

Jetzt fiel ihm Astoria wieder ein. Er sollte sich bei ihr melden. Sie sollte ihn gefälligst ablenken. Dafür war sie doch schließlich da; immer da gewesen. Sie war seine Ablenkung. Aber… das wusste sie natürlich nicht.

So etwas sagte man selbst einer Ablenkung nicht direkt ins Gesicht.

 

„Was wollte sie damit überhaupt?“ Fast hatte er Blaise schon vergessen. Die Kantine war heute voller, so kam es ihm vor. Oder war er heute empfänglicher für Menschen? Er wusste es nicht.

 

„Was?“, fragte er irritiert und Blaise hob kurz eine dunkle Augenbraue.

 

„Hörst du mir überhaupt noch zu?“ Sein Freund betrachtete ihn prüfend. Draco hasste es, wenn er das tat.

 

„Sicher höre ich dir zu. Was sie damit wollte?“, wiederholte er die Frage und nahm an, Blaise sprach immer noch über die Kopie aus den Aufzeichnungen der Halle des Todes. „Ich nehme an, sie will damit beweisen, dass-“

 

Plötzlich war er aufgesprungen. Und ganz kurz verschwanden sämtliche unpassenden Gefühle für seine Exfrau mit voller Wucht aus seinem Körper.

Mit einem Mal wurde ihm völlig klar, weshalb er verhindern musste, dass sie dieses Beweisstück anbringen würde.

 

„Dafür, dass du immer alles weißt, sagst du es mir verflucht spät, Blaise!“, knurrte Draco zornig.

 

„Ich weiß nicht alles“, rechtfertigte sich sein Freund geduldig. „Ich weiß einiges.“ Draco funkelte ihn wütend an. Er war bereit sein Vermögen zu verwetten, dass Blaise alles von Anfang an so geplant hatte. Er war zu Granger gegangen und hatte ihr den Fall wieder schmackhaft gemacht. Er hatte sie angehalten über Humphrey Gold nachzuforschen, nur damit er, Draco, verflucht spät auf die Zusammenhänge kam.


„Auf welcher verdammten Seite stehst du überhaupt?“, erwiderte Draco und konnte kaum noch wütender werden.

 

„Auf der richtigen, Draco. Und vielleicht solltest du deinen Hintern dort endlich auch mal hinbewegen.“ Und damit spießte er eine Kartoffel auf seine Gabel und Draco beschloss, nicht weiter zu diskutieren. Er könnte Blaise auch noch später ins Gesicht schlagen. Das war nämlich definitiv eine Lösung, die er bevorzugte.

 

Es gab natürlich einen winzigen Zweifel an seiner Theorie, aber er war überzeugt, Granger würde das tun was er vermutete. Sie würd seinen Klienten in die Pfanne hauen wollen.

 

Er konnte das Ministerium gar nicht schnell genug verlassen. Er befand sich auf der richtigen Seite! Was dachte Blaise eigentlich? Zwar wusste Draco, dass, würde er seine Theorie verfolgen, er am Ende wahrscheinlich schlecht dastehen würde, aber… er wusste, es gab eine geringe Chance für ihn. Und Edgar.

 

~*~

 

 

„Ich möchte, dass Sie sich entspannen“, sagte sie ruhig und war etwas nervös.

 

„Haben Sie nicht gesagt, dass Erinnerungen nicht widerherstellbar sind, nachdem die Gedächtnislöschung eingetreten ist?“, vergewisserte sich Annabelle etwas beunruhigt.

 

„Wenn wir nichts finden, dass ist es auch nicht schlimm.“ Doch, das wäre fatal schlimm. Aber das sagte sie nicht laut.


„Was wollen Sie überhaupt finden?“ Annabelle flüsterte fast.


„Ich kann Ihnen sagen, dass – sollte ich es finden – es Sie nicht belasten wird.“ Und Hermine wusste nicht, ob sie log, oder die Wahrheit sagte. Denn es konnte durchaus sein, dass die Erinnerung Annabelle doch belasten konnte. Ihre Klientin hatte gerade eben das Formular unterzeichnet, was Hermine erlaubte in ihre Gedanken Einblick zu nehmen.

 

Sie hatte mit Donald darüber gesprochen und er hatte gesagt, sollte der Falls ich damit nicht zu ihren Gunsten entscheiden, wäre sie den Fall los. Das war schwerwiegend, aber in die Gedanken eines Menschen zu blicken war noch wesentlich schwerwiegender, weil sich damit der Gedankenträger selber belasten konnte und Hermine somit riskierte, dass sich Annabelle Gefahren aussetzte, die ihr selber gar nicht bewusst waren.

 

„Ich bin bereit“, flüsterte Annabelle und schloss die Augen, obwohl es nicht nötig für sie war. Hermine atmete kurz durch und hob den Zauberstab.

 

Legilimens!“, sagte sie fest und spürte wie sich ihr Geist in den von Annabelle schob. Bilder schossen durch ihren Kopf. Eine Frau, ungefähr so alt wie ihre Mutter erschien. Sie lachte und schien zu kochen. Das Bild verschwamm und Hermine konzentrierte sich auf das, was sie eigentlich finden wollte.

 

Mysteriumsabteilung…, dachte sie dumpf und es zog unangenehm in ihrem eigenen Kopf, weil sie dringend versuchte an diese Erinnerung zu kommen. Es war als liefe sie mental vor eine dunkle Wand.

Mysteriumsabteilung, wiederholte sie streng in ihren Gedanken. Sie spürte Schweißperlen auf ihrer Stirn und Hitze stieg in ihr Gesicht.

 

Vergessenszauber! Wenn sie schon nicht in ihren Geist blicken konnte, hatte sie jetzt festgestellt, dass Annabelle mit einem Vergessenszauber belegt worden war. Sie zog sich aus den Gedanken der Frau zurück.

 

„Annabelle, ich muss Sie um etwas bitten“, sagte sie außer Atem. Annabelle hatte die Augen wieder geöffnet. Natürlich hatte die Frau auch mitbekommen, was Hermine gesehen hatte.

 

„Um was?“

 

„Damit ich Ihr Unterbewusstsein austricksen kann, muss ich in Ihre Gedanken blicken, wenn Sie schlafen. Dann hat ihr Bewusstsein keine Macht mehr und Ihr Unterbewusstsein ist dann stärker“, erklärte sie ruhig.

 

„Sie wollen mich betäuben? Denken Sie… dass Sie… etwas finden?“ Sie klang so beunruhigt, wie Hermine sich fühlte.

 

„Ich denke schon.“

 

„Was, Ms Granger?“ Sie hatte ihren Namen richtig ausgesprochen, fiel Hermine auf.

 

„Nun…“ Hermine wusste nicht, was sie sagen sollte.

 

„Es könnte mich genauso gut belasten, oder?“ Annabelle hatte sich auf die Lippe gebissen. Und Hermine konnte es nicht leugnen. Ja, es bestand die Möglichkeit, dass es Annabelle belasten konnte. Und dann? Dann gewann Malfoy.

 

Und sie hasste ihn. Sie wusste, sie durfte nicht unprofessionell sein, aber… sie konnte es nicht kontrollieren. Jetzt gerade nicht.

 

„Nein, es wird Sie nicht belasten!“, versprach Hermine und äußerte damit eine gefährliche Lüge. Aber die Chancen standen fünfzig zu fünfzig.

 

„Und danach müssen Sie nie wieder in meine Gedanken?“, vergewisserte sich Annabelle jetzt und Hermine nickte langsam.

 

„Wenn ich jetzt nichts finde, dann müssen wir das nie wieder machen“, erklärte sie sicher. Ihre Finger kribbelten. Wenn sie etwas finden würde… dann konnte sie nur hoffen, dass es nichts war, was sie ihr Wort brechen ließ.

„Bitte legen Sie sich hin“, forderte sie ruhig und Annabelle legte sich auf ihr Sofa.

 

 

~*~

 

 

„Ich kann das nicht unterschreiben“, beteuerte Edgar und Draco wünschte sich einmal, nicht mit jedem Menschen diskutieren zu müssen.

 

„Dann nennen Sie mir einen guten Grund“, forderte er ungeduldig.

 

„Sie haben kein Recht in meine Gedanken zu blicken, Mr Malfoy“, erklärte Edgar. Draco hatte heute auf den Wahrheitszauber verzichtet.

 

„Schön. Haben Sie Ihren Bruder umgebracht?“, fragte er also ohne zu zögern und Edgar öffnete den Mund.

 

„Nein. Nein, habe ich nicht.“

 

„Haben Sie nicht? Dann können Sie mich in Ihren Kopf blicken lassen, Edgar“, erklärte Draco gereizt.

 

„Nein.“

 

„Wissen Sie, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen? Meine Exfrau wird mit ihren Beweisen bis zur höchsten Instanz gehen. Und wenn wir auch nur die kleinste Chance haben, zu beweisen, dass Sie nicht völlig schuldig sind, dass sie womöglich Rechtfertigungsgründe haben, dann müssen wir diese nutzen!“ Er hasste es, zu verlieren. Er hasste es wirklich.

 

„Sie wollen also nur Ihrer Exfrau eins auswischen?“, erkundigte sich Edgar verwirrt und Draco atmete langsam aus.


„Nein, natürlich nicht. Ich will, dass ehemalige Todesser nicht immer schuldig gesprochen werden, Edgar. Ich will beweisen, dass Sie unter den tausend schlechten Menschen vielleicht Gründe gehabt haben, das zu tun, was sie getan haben!“, knurrte er jetzt.

 

„Trotzdem sage ich nein. Sie dürfen nicht in meine Gedanken blicken.“

 

„Wo ist der Zeitenumkehrer? Wieso hat Annabelle die Kette? Was war mit ihrem Bruder? Wieso war es wichtig in der Zeit zurück zu gehen? Sie wissen, dass, wenn ich den Fall verliere Sie mit genau denselben Fragen vor dem nächsten Rechtsmagier sitzen!“, beharrte Draco jetzt.

 

„Und? Dann sitze ich eben vor dem nächsten. Wo ist bitte der Unterschied, Mr Malfoy?“, fragte Edgar ruhig.

 

„Der Unterschied?“ Draco musste kurz lächeln. „Glauben Sie ernsthaft, dass sich da draußen auch nur ein ehemaliger Todesser finden lässt, der Rechtsmagier geworden ist und ausgerechnet diesen Fall übernehmen möchte? Glauben Sie auch nur ein einzig weiterer würde darauf plädieren wollen, Sie nicht noch mal nach Askaban zu schicken? Und nicht nur für Haftstrafe, sondern gleich für den Kuss?“

 

Edgar sah ihn an.

 

„Es ist doch unwichtig“, sagte er schließlich. „Man kann schuldig nicht ändern.“ Draco verlor die Geduld.

 

„Nein, wenn Sie schuldig sind, ist das nicht zu ändern. Aber Sie sagen, Sie haben Annabelle nicht gefoltert. Sie sagen, Sie haben Ihren Bruder nicht getötet. Dann sind Sie wofür schuldig?“, erkundigte sich Draco und Edgar wirkte müder als zuvor.

 

„Mr Malfoy…“

 

„Das hier ist kein Spiel!“, brauste Draco auf. „Es ist völlig egal, wie lange Sie es hinauszögern. Unterschreiben Sie das Formular und ich werde alles in meiner Macht tun, Ihre Umstände so glimpflich wie möglich auszulegen!“

 

Und tatsächlich – nach einer Ewigkeit – griff Edgar zur Feder.

 

Draco traute seinen Augen kaum. „Welches meiner Worten hat Ihre Meinung geändert?“, fragte er etwas perplex.

 

„Keins“, erwiderte der Mann vor ihm. Draco hasste Menschen. Grimmig hob er den Zauberstab.

 

„Gut. Dann verlieren wir keine Zeit“, beschloss er und sein Handgelenk lockerte sich. „Legilimens!“

 

 

~*~

 

 

Nachdem Hermine die Frau vor sich mit einem leichten Sedierungszauber belegt hatte, verschaffte sie sich erneuten Zutritt zu ihren Gedanken. Diesmal war es düsterer, so kam es ihr vor. Und es überraschte sie nicht, dass das Unterbewusstsein der Frau sofort den Zutritt zur Mysteriumsabteilung frei gab.

 

Hermine zwang ihre Gedanken zur Halle des Todes und Annabelles Gedanken sprangen darauf an. Es war als legte sich ein Schleier und das Bild wurde völlig klar.

 

„Er wird kommen“, hörte sie eine Männerstimme.

 

„Wann?“ Das war Annabelle.

 

„Wenn er kommt, um die Sachen zu stehlen.“

 

„Bist du sicher, dass der Tag stimmt?“, flüsterte Annabelle wieder und Hermine versuchte, das Bild in ihrem Kopf zu schärfen.

 

„Ja, ganz sicher. Deine Mutter ist zuhause?“, fragte der Mann jetzt und sie hörte Annabelle darauf nicht antworten. Sie nahm an, dass sie genickt hatte. Die Gedanken waren verschwommen und sie konnte es nicht genau sehen.

 

Aber ihr Herz sank mit jeder Sekunde. Malfoy hatte recht gehabt. Die beiden kannten sich, waren zusammen in der Zeit zurückgereist und schienen auf Edgars Bruder zu warten. In der Halle des Todes.

Aber warum? Was hatte Annabelles Mutter damit zu tun?

 

„Er kommt!“, flüsterte Edgar aufgeregt. „Vielleicht…“, fügte er unsicher hinzu, aber Annabelle unterbrach ihn.

 

„Nein, ich will das tun! Ich muss es tun!“

 

„Lass mich es tun!“, sagte Edgar plötzlich.

 

„Nein. Ich will nicht, dass du bestraft wirst. Wenn es rauskommt, dann nehme ich jede Strafe in Kauf!“, zischte sie leise mit Nachdruck. So ein verfluchter Mist! Hermine spürte, wie ihr Herz anfing zu rasen. Annabelle hatte also irgendwas getan. Vielleicht aber auch nicht!

 

Das Bild wurde schärfer, denn der Mann, der sich jetzt unerlaubterweise in die Mysteriumsabteilung schlich hatte den Lumos Zauber angewandt.

 

„Edgar?“, hörte sie die neue Stimme fragen. „Was tust du hier? Brecht ihr auch ein?“ Und wieso ist Humphrey Gold eingebrochen? Er wirkte so jung wie auf dem Bild in den Akten.

 

Expelliarmus!“, hörte sie Annabelles Stimme.

 

„Was zum-?“ Humphrey Golds Zauberstab segelte durch die Luft und blieb mit einem dumpfen Leuchten auf dem Boden liegen. „Edgar, was-?“

 

Doch er konnte die Frage nicht stellen.

 

„Du verfluchter Mistkerl wirst meine Mutter nicht anrühren!“, schrie Annabelle jetzt so laut, dass Hermine selbst in den Gedanken zusammen zuckte. Sie sah, wie sie sich von Edgar losriss und sich auf seinen Bruder stürzte. Es war kaum spektakulär. Wirklich nicht. Humphrey war so überrascht, dass er nach hinten taumelte. Ehe er sich wehren konnte, hatte ihn Annabelle durch den Vorhang gestoßen.

 

Und das war es. Dann war es vorbei. Der Zauberstab von Humphrey Gold erlosch in der Sekunde, als sein Besitzer durch den Schleier verschwunden war. Hermine hörte das trügerische Wispern. Annabelle griff sich im Dämmerlicht den Zauberstab und warf ihn hinter Humphrey her.

 

„Wir müssen gehen!“, sagte sie leise. Edgar sagte gar nichts. „Liebst du mich?“, fragte sie plötzlich panisch und Hermine merkte gar nicht, dass sie die Luft angehalten hatte.

 

„Ja, mehr als alles“, erwiderte Edgar leise. Und dann passierte, was Hermine befürchtet hatte. „Verzeih mir“, fügte Edgar hinzu. „Obliviate!“, sprach er, ehe sie mit dem Zeitenumkehrer zurücksprangen.

 

Das Bild änderte sich und das nächste, was sie erkenne konnte, waren die Mitarbeiter des Ministeriums, die sie in der Mysteriumsabteilung aufgriffen.

 

 

~*~

 

 

„Die Nachforschungen haben dann also angefangen?“, murmelte Draco als er sich wieder gesetzt hatte und die Erinnerungen verarbeitet hatte. Edgar hatte ihn seit Minuten nicht mehr angesehen.

 

„Ihre Mutter war letztendlich doch gestorben. Ohne, dass mein Bruder etwas damit zu tun hatte.“ Draco glaubte, Edgar beinahe freudlos lächeln zu sehen.

 

„Dann hat das Ministerium angefangen nach dem Zeitenumkehrer zu forschen und die Sache wieder aufzugreifen, Annabelle zu befragen. Und ich wusste, irgendwer würde noch auf die Idee kommen, zu prüfen, ob ein Vergessenszauber vorliegen würde“, fuhr er leise fort. Draco musste sich zwingen, ruhig zu atmen.

 

„Und dann?“

 

„Dann habe ich sie auf der Straße abgefangen. Sie war so unsagbar traurig, wegen ihrer Mutter und hatte nicht einmal mich an ihrer Seite, weil ich mich aus ihrem Gedächtnis gelöscht habe. Dann… habe ich den Imperius angewandt und ihr die Geschichte aufgezwungen, ich hätte sie gefoltert.“ Draco schloss die Augen.

 

„Das Ministerium hat sofort sämtliche Bedenken wegen des Zeitenumkehrers fallen gelassen und sich wie Geier auf die Tatsache gestürzt, dass ein ehemaliger Todesser rückfällig geworden ist.“

 

Draco wusste nichts zu sagen.

 

„Da haben Sie Ihre Wahrheit, Mr Malfoy.“

 

Ja, die hatte er wohl. Und er hatte noch etwas anderes.

Sein Klient hatte niemanden umgebracht, niemanden gefoltert. Ein wenig Beihilfe kam ins Spiel, ein Vergessenszauber und ein Unverzeihlicher, ohne Auswirkungen auf die körperliche Unversehrtheit.

 

Er hatte gewonnen. Rein rechtlich. Er hatte verflucht noch mal gewonnen!

 

„Sie werden Ihr nichts zustoßen lassen! Bitte, Sie werden es ihr nicht vorwerfen, Mr Malfoy“, flüsterte Edgar jetzt. „Ihr darf nichts geschehen!“ Dracos Mund öffnete sich.

 

„Mr Fowler, das geht nicht. Die Wahrheitsfindung besagt-“

 

„Ich scheiße auf die Wahrheitsfindung. Ich liebe Annabelle und ich werde zu ihren Gunsten aussagen. Sie kann sich an nichts erinnern und das Ministerium wird nur zu gerne einen Todesser bestrafen. Sie haben Ihre Wahrheit. Ich habe meine“, erklärte er jetzt ruhig. Draco schüttelte nur den Kopf.

 

„Mr Fowler, meine Exfrau wird wahrscheinlich in präzise genau dieser Sekunde ebenfalls herausgefunden haben, was passiert ist.“

 

„Und? Überzeugen Sie Ihre Exfrau, dass Annabelle nichts passieren darf.“

 

„Das ist gegen das Gesetz“, sagte Draco jetzt nachdrücklich.


„Na und? Ich nehme die Schuld, Mr Malfoy. Lassen Sie Annabelle in Frieden. Geben Sie mir die Schuld. Lassen Sie uns glaubwürdig sein und ich komme nach Askaban.“


„Sie kommen nicht nur nach Askaban! Ihre Seele wird-“

 

„Ich weiß das!“, entgegnete Edgar laut. „Ich weiß das alles. Aber… besser ich als sie. Oder nicht, Draco? Denken Sie das nicht?“

 

Sein Mund öffnete sich stumm. Nein, nein, nein! So sollte es nicht laufen. So sollte es nicht sein. Er konnte die Wahrheit nicht außer Acht lassen. Er brachte sich damit in höchste Gefahr. Und er würde damit den Fall verlieren.

Aber… Granger würde sich doch auf so etwas nicht einlassen. Sein Stolz würde sich auf so etwas nicht einlassen. Sein Gerechtigkeitssinn würde sich auf so etwas nicht einlassen!

 

„Ich bitte Sie, Draco. Ihr darf nichts geschehen“, wiederholte Edgar leise und Draco hatte noch niemals erlebt, dass ein ehemaliger Todesser sein Leben für eine Muggel aufgeben würde, die sich nicht mal mehr an dessen Namen erinnern konnte. Er fuhr sich müde über die Stirn und schloss die Augen.

 

 

Kapitel 15

~ And I feel as if I’m bleeding, from a thousand Miles away ~

 

 

Wo war sie, wenn er sie verflucht noch mal suchte? Er hatte über alle Vorfälle geschlafen und hatte jetzt zwei Tage Zeit, um… - ja, um was überhaupt? Er hatte keine Ahnung. Er wusste, er konnte nicht gegen das Gesetz handeln.

Aber er wusste nicht genau, was er wirklich tun sollte.

 

Er musste mit ihr reden. Er musste! Sie musste doch dasselbe gesehen haben, was er gesehen hatte. Und dann? Was dann? Dann konnten sie darüber diskutieren und Pro und Con Listen schreiben, was die richtige Entscheidung wäre?

 

Das war nicht mal nötig. Er wollte sich aufs Blut mit ihr streiten und dann in seinem wahnsinnigen Kopf zu der richtigen Entscheidung kommen.

 

Astoria spukte ihm auch in seinen Gedanken rum. Wenn auch nur am Rande. Sie hatte ihm das Ultimatum gestellt, heute Abend pünktlich bei ihr zum Essen aufzutauchen, oder sie würde ihn schlicht und ergreifend endlich verlassen.

Und eigentlich baute er auf den beruhigenden Sex, der ihn ablenken würde.

 

Egal, was heute also passieren würde, er durfte nicht verpassen, zu Astoria zu gehen, denn er wusste, ohne Sex wäre er noch unausstehlicher.

Er kam mit sich selbst zurecht, aber er hatte heute schon zwei Sekretariatshexen angeschrieen, und der Tag hatte gerade erst mal begonnen.

 

Wenn sie nicht in ihrem Büro war, wo war sie dann? Es war nicht so, als hätten sie alle Zeit der Welt! Wie konnte sie jetzt unauffindbar sein? Vor allem, weil er ihr doch noch unter die Nase reiben konnte, dass er recht gehabt hatte. Er wusste schon nicht mal mehr genau, warum er Recht gehabt hatte, aber er wusste, dass es stimmte. Ach wenn es ihm jetzt nicht mehr viel brachte.

 

Es war fast peinlich, wie dringend er ihre Meinung brauchte.

 

Und fast wäre er in den Zauberer hingelaufen, der um die Ecke bog.

 

„Malfoy, lange nicht mehr beim Training gewesen“, begrüßte Potter ihn schlicht.

 

„Was?“ Draco sah ihn an. „Training“, wiederholte er dann. „Jaah, richtig. Ich… hatte keine Zeit für das Training.“

 

„Ich habe gehört Ginny hat dir einen Besuch abgestattet“, fuhr Potter fort. Draco war sich nicht sicher, ob Potter wirklich mit ihm sprechen wollte, oder ob es ihm die Höflichkeit irgendwie gebot.


„Ja, deine Frau hat mich besucht. Nur flüchtig“, fügte er hinzu.

 

„Wie kommt der Fall voran?“ Schlechtes Thema.

 

„Ich glaube nicht, dass ich dir darüber wirklich Auskunft geben darf“, sagte Draco also knapp.

 

„Hermine scheint der Fall gar nicht zu bekommen.“ Draco horchte auf.


„Du weiß, wo sie ist?“ Er vergaß seine kühle Abwesenheit.

 

„Ja, ich weiß, wo sie ist.“ Es verging ein kurzer Moment. „Aber ich glaube nicht, dass sie dich sehen will.“ Mit dieser Information konnte er wenig anfangen.


„Ich muss mit ihr sprechen. Es geht um den Fall und dessen Lösung. Es wäre wichtig, dass du mir sagst, wo sie ist.“ Potter musterte ihn schließlich.

 

„Du hast mehr trainiert, oder?“

 

„Was?“ Draco hatte keine Lust mehr, Smalltalk zu betreiben.

 

„Die Scheidung ist dir nicht gut bekommen“, fügte Potter hinzu.

 

„Zeig mir irgendwem, dem eine Scheidung gut bekommt, Potter. Ich denke, das ist ein generelles Problem bei solchen Angelegenheiten“, fuhr er gereizt fort.

 

„Sie ist bei uns“, sagte Potter plötzlich und zog sich die Krawatte zurecht. „Seit gestern schon. Ich halte es trotzdem für eine schlechte Idee, dass du zu ihr gehst“, ergänzte er leiser.

 

„Ich muss“, beharrte Draco.

 

„Musst du das wirklich, oder musst du das, damit es dir besser geht?“ Er hatte keine Lust auf dieses Spiel. Und er hasste es, dass Potter ihn manchmal besser kannte.

 

„Warum reden wir noch?“, fragte Draco jetzt kalt und Potter lächelte.

 

„Beeinfluss sie bitte nicht. Und tu ihr nicht weh.“ Draco lachte auf.

 

„Davon bin ich weit entfernt. Und es geht dich nichts an. Das hier ist berufliches. Und sie kann sich nicht verstecken, sobald es schlimmer wird.“

 

„Es wird also schlimmer?“, griff Potter seine Worte auf und er verzog den Mund.

 

„Vergiss es. Es geht dich nichts an.“

 

„Vielleicht lässt du dich ja mal wieder beim Training blicken. Oder hast du dich gleichzeitig von der Mannschaft scheiden lassen, Draco?“ Und eigentlich hatte er genau das getan. Es war angenehme  gewesen, Potter als eine Art Freund zu bezeichnen. Und umso schwerer war es, das aufzugeben, weil Potter niemals ohne Granger kam. Alles kam mit anderweitigen Bindungen.

 

Machs gut, Harry“, sagte Draco, ohne wirklich zu antworten und ließ seinen ehemaligen zweiten Trauzeugen stehen.

 

Er wusste nicht, was schlimmer war: An Potters Frau vorbei zu müssen oder seine Exfrau um Rat zu fragen. Es hielt sich wohl ungefähr die Waage, vermutete er bitter.

 

 

~*~

 

 

„Reden wir jetzt darüber? Was ist denn nur vorgefallen?“ Ginny stellte ihr eine zweite Tasse Tee vor die Nase. Aber Hermine wollte nicht darüber reden. Sie hatte schon den ersten Fehler begangen, in dem sie Annabelle nichts von den Dingen erzählt hatte, die sie rausgefunden hatte. Das war schon der erste Gesetzesbruch. Neben der Tatsache, dass sie in ihre Gedanken eingedrungen und nur Tage vorher in ein Arbeitszimmer eigebrochen war.

 

„Ich kann nicht.“

 

„Dann gib den blöden Fall endlich auf. Ich habe es dir schon vorher gesagt!“, erwiderte Ginny ärgerlich.

 

„Ich kann den Fall nicht aufgeben! Es ist nicht so leicht.“

 

„Doch es ist furchtbar einfach, Hermine. Gib ihm den Fall und alles ist gut.“

 

„Nein, gar nichts ist gut. Und er kriegt den Fall nicht!“, fügte sie trotzig hinzu und sah Ginny die Augen verdrehen.


„Um was geht es hier überhaupt noch? Geht es wirklich um Gerechtigkeit und Wahrheitsfindung?“, warf ihre Freundin mit gerunzelter Stirn ein.

 

„Sicher geht es um Wahrheitsfindung! Draco und ich arbeiten hier professionell!“, beharrte sie und der Haufen an Lügen wuchs von Tag zu Tag. Das schien Ginny ähnlich zu sehen.


„Ja. Sicher“, sagte sie nur sehr knapp.

 

„Was soll das heißen?“

 

Ginny warf den Lappen in die Spüle. „Oh Hermine, bitte. Diese ganze Sache mit Draco und dir, das ist doch nicht normal!“

 

„Sehr schön erfasst, Ginevra. Aber die ganze Sache mit mir und meiner Exfrau geht dich herzlich wenig an.“ Hermine erschrak beim Klang seiner Stimme. Ginny wandte sich zornig um.

 

„Wie bist du hier rein gekommen?“, schnappte sie wütend und Draco hob die Hand, an der James‘ Finger hingen. Der Junge lächelte zufrieden.

 

„Ich wurde herein gebeten“, erklärte Draco mit einem überlegenen Blick. Ginny verzog ärgerlich den Mund und Hermine sah, dass sie sich wohl von ihrem eigenen Sohn hintergangen fühlte.


„James, ich habe dir gesagt, du darfst niemals – niemals – die Tür für Fremde öffnen!“, maßregelte sie wütend ihren Sohn.


„Aber es ist doch Onkel Draco!“, rief James verwirrt. „Und er hat mir das Pissma geschenkt!“ Triumphierend hielt er die kleine Hand empor.

 

„Er ist nicht dein Onkel!“ Dann wandte sie sich an Draco. „Du verschwindest von hier!“, drohte Ginny leise, während sie ihren Sohn aus der Küche schob.

 

„Gib mir fünf Minuten, dann bin ich weg und werde dein Haus nicht mehr betreten“, erwiderte er spöttisch und Hermine hasste es, dass er sich überhaupt so eine Dreistigkeit erlaubte.

 

„Du bekommst eine Minute, ehe ich die mobile Strafverfolgung rufe!“ Zornig verließ Ginny die Küche und Hermine wusste, jetzt folgte das nächste Donnerwetter für James. Der Junge hatte es nicht leicht. Und Draco konnte die mobile Strafverfolgung höchstwahrschienlich besser rufen als Ginny. Damit hatte er ja Erfahrung, dachte sie dumpf.

 

„Nett. Du bestichst Harrys Sohn“, begrüßte sie ihn müde. Er war ihr so vertraut. Es machte sie wirklich fertig. 

 

„Wir müssen reden“, fuhr er ohne weitere Worte fort. Es war einer der Sätze, die sie in der letzten Zeit ihrer Ehe immer wieder von sich gegeben hatten. Es hatte nie gut geendet. Die Zeit war ihr noch so gut im Gedächtnis, weil es die letzte gemeinsame Zeit mit ihr und Draco gewesen war.

 

„Nein. Müssen wir nicht“, widersprach sie gereizt, denn sie wollte bestimmt nicht die Vergangenheit aufwecken. Auch wenn es vielleicht ein bisschen zu spät dafür war.


„Du versteckst dich bei Potter, um keine Entscheidung fällen zu müssen. Das ist wahnsinnig erwachsen, aber könntest du deine Bockigkeit für fünf Minuten unterbrechen?“

 

„Ginny hat dir nur eine Minute gegeben. Schon vergessen?“, entgegnete sie. „Außerdem hast du doch ziemlich klar gemacht, dass du mit mir keinen Kontakt haben möchtest, oder irre ich mich?“ Er verdrehte genervt die Augen und zog den Zauberstab. Er verriegelte stumm die Tür.

 

„Du weißt, dass ich auch einen Zauberstab habe und ungefähr fünfzig Zauber weiß, um die Tür wieder zu öffnen?“, erkundigte sie sich und er schloss den Abstand.

 

„Halt deinen Mund, ok? Was machen wir jetzt?“

 

„Was?“ Sie sah ihn an, aber er blieb völlig ernst. „Ich weiß es nicht“, gab sie schließlich nach.

 

„Du… weißt es nicht?“, vergewisserte er sich jetzt und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Nein, ich weiß es nicht“, gab sie trotzig zurück. „Denkst du, ich habe immer eine Universallösung für absolut alles?“

 

„Anscheinend ändern sich Dinge. Aber ja, ich war überzeugt, dass du eine Lösung hast. Mit Listen, zwölf Fuß langen Aufsätzen und einer Abhandlung über die Konsequenzen.“ Sie wusste nicht, ob er scherzte. „Hast du mit Annabelle gesprochen?“, fuhr er jetzt fort und Ginny hämmerte gegen die Tür.

 

„Die Minute ist vorbei. Öffne die Tür oder ich fluche sie auf!“, drohte sie zornig. Draco warf ihr einen knappen Blick zu und Hermine seufzte auf.

 

„Ginny, es ist ok. Wir brauchen nicht mehr lang.“ Kurz herrschte Schweigen. Sie glaubte Ginny murmeln zu hören. Etwas, wie: So was muss ich mir in meinem eigenen Haus bieten lassen. Sie wusste, sie musste Ginny auch noch vieles erklären und hätte Glück, würde sie mit einer Strafpredigt wie James davonkommen.

 

„Ach, wir brauchen nicht lange? Hast du es ihr gesagt, Hermine?“, wiederholte er die Frage und schien die Antwort zu wissen. „Also nicht“, fügte er bitter hinzu.

 

„Was sollte ich denn machen?“ Sie sah ihn mit großen Augen an. Dachte er, sie wäre diejenige mit dem perfekten Plan für alles?

 

„Tust du das, weil du nicht einsehen willst, dass ich Recht hatte?“, fragte er plötzlich und sie wurde wütend.


„Es geht hier nicht mehr darum, wer Recht hatte, Draco!“

 

„Denkst du, ich weiß das nicht? Aber du willst nicht sagen, wie es weiter geht!“, entgegnete er genauso zornig.

 

„Ich weiß es auch nicht!“

 

„Weil du den Fall nicht aufgeben willst?“

 

„Was willst du eigentlich von mir?“, fragte sie jetzt verzweifelt und starrte ihn an. „Wenn du anscheinend gewonnen hast, dann sollte dir doch ziemlich klar sein, was du tun musst!“

 

„Er will es nicht“, sagte er plötzlich. „Edgar will nicht, dass die Wahrheit rauskommt. Er will die Schuld auf sich nehmen, ein Geständnis ablegen und er will um jeden Preis verhindern, dass Annabelle nach Askaban kommt.“

 

„Das können wir nicht machen!“, brauste sie auf.

 

„Können wir nicht?“

 

„Was? Was soll das denn bitte heißen? Weißt du, wie viele Gesetze wir dann brechen? Und wenn es rauskommt? Wenn jemand unser Gedächtnis prüft! Wir können uns nicht in solche Sachen verwickeln lassen!“

 

„Wieso hast du es deiner Klientin nicht gesagt?“ Seine Falle war zugeschnappt.

 

Sie hasste ihn.

 

„Draco, es geht nicht. Du bist anscheinend zu mir gekommen, um irgendeinen Rat zu bekommen. Hier ist mein Rat: Wir können nicht lügen. Es geht um Mord. Wenn Edgar gesteht, werden sie Veritaserum einsetzen, so oder so.“

 

Draco sah sie an. „Und jetzt?“ Sie atmete aus.

 

„Ich weiß es nicht. Ich habe es dir doch schon gesagt.“

 

„Und was sagst du Donald am Freitag, wenn es darum geht, wer den Fall übernehmen darf?“ Sie blickte gereizt zur Seite.

 

„Ich weiß es nicht!“, wiederholte sie wütend.

 

„Was weißt du überhaupt? Hast du dir keine Gedanken gemacht? Was zum Teufel hast du bitteschön den ganzen gestrigen Tag gemacht?“

 

Am liebsten hätte sie einen Teller nach ihm geworfen, aber Ginny würde sie dafür beide einen Kopf kürzer machen.

 

„Es liegt auf der Hand, ok? Was willst du eigentlich noch von mir? Du hast doch wohl eigene Gedanken!“

 

„Was machen wir jetzt?“, schrie er aufgebracht und sie stöhnte auf.

 

„Was soll diese ganze Wir-Geschichte? Wir sind kein Team! Du hast ziemlich klar gemacht, dass-“

 

„Hilf mir einfach! Ich brauche deine Hilfe!“ Er hatte ihre Schultern unsanft umfasst.

 

„Warum, Draco? Weil du dich in deinem Kopf schon dafür entschieden hast, dass du Edgar helfen willst? Das ist unmöglich! Es wird alles auffliegen. Und Annabelle kennt ihn nicht mal mehr.“

 

„Du willst sie also nach Askaban bringen, ohne dass sie weiß, warum?“

 

„Du willst Edgar für ein Verbrechen gehen lassen, was er nicht einmal selbst begangen hat!“, konterte sie böse. Draco atmete wieder aus.

 

„Also?“

 

„Also was?“, erwiderte sie und hatte keine Geduld mehr übrig.


„Dann sag mir, was ich tun soll!“, forderte er.

 

„Wieso soll ich das tun?“

 

„Weil du… weil…“ Er schüttelte unwirsch den Kopf. „Weil ich es nicht kann!“

 

Sie überlegte eine knappe Sekunde. Dann wurde sie ruhiger, denn sie sah ein, es brachte ihnen überhaupt nichts, sich gegenseitig anzuschreien. Dann wäre sie eben wieder einmal die größere Person von ihnen beiden.

 

„Annabelle hat einen Mord begangen. Ob sie es nun weiß oder eben nicht.“ Sie sah ihm fest ins Gesicht. „Und vielleicht ist es nobel von Edgar deswegen für sie einzustehen. Vielleicht war es nobel, dass er ihr Gedächtnis gelöscht hat, aber seine Versuche sind gescheitert, in Ordnung? Wir können daran nichts ändern. Es wird darauf hinaus laufen, dass zumindest einer von ihnen nach Askaban muss. Und ich weiß nicht, wie milde die Strafe ausfallen wird.“

 

Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder.

 

„Aber… Hermine, er liebt sie. Er will alles tun, damit ihr nichts passiert! Das ist nicht Gang und Gäbe unter Todessern!“, fügte er zornig hinzu.

 

„Ja, ich weiß das“, erwiderte sie kühl. Seine Augen verdunkelten sich.

 

„Ich wäre durch alle Höllenfeuer für dich gegangen, und das weißt du verflucht noch mal auch!“, knurrte er zornig. „Egal, wie hochnäsig und überlegen du gerade tust. Du weißt, dass ich niemals irgendwas hätte passieren lassen, was dir Schaden zufügt!“ Fest sah er sie an und sie wusste, es würde zu einem weiteren Streit kommen. „Sag mir, dass du das weißt, Hermine!“, forderte er ungehalten.

 

Aber sie schwieg. „Sag es, oder das hier ist vorbei und ich gehe sofort zu Donald und erzähle weiß Merlin was!“ Wollte er sie irgendwie erpressen? Darum ging es doch überhaupt nicht! Sie schloss kurz die Augen und atmete aus.

 

„Ja, ich weiß, Draco. Zufrieden?“, gab sie schließlich nach. Aber er schien nicht zufrieden zu sein. „Du hättest niemals etwas getan, um mich zu verletzten. Besser?“ Er schüttelte plötzlich den Kopf.

 

„Das glaubst du nicht wirklich, oder?“ Sie blickte müde zur Seite.

 

„Können wir das lassen? Es ist lange her und-“

 

„Nein, wir können das nicht lassen.“

 

„Draco, es geht um einen Mann, der sein Leben geben will!“, unterbrach sie ihn. „Wenn Annabelle gesteht, dann hat sie einen Grund. Sie könnte sich rechtfertigen. Sie würde nicht den Kuss bekommen. Aber wenn Edgar gesteht, alles getan zu haben – und dann auch noch mit seinem Hintergrund, dann wird es für ihn schlimmer als tödlich enden!“

 

„Schlimmer als tödlich“, wiederholte er nachdenklich ihre Worte.

 

„Ja, der Kuss des Dementoren ist schlimmer als tödlich, Draco. Ich denke darauf können wir uns einigen“, entgegnete sie gereizt.

 

„Mancher Kuss ist schlimmer als der Tod.“

 

„Ich sehe, wir sind wieder erwachsen“, erwiderte sie zornig und wandte sich von ihm ab.

 

„Dann nimm den Fall. Du hast mehr Hintergründe. Du musst es nur noch Annabelle sagen.“ Er entriegelte die Tür mit dem Schlenker seines Zauberstabs.

 

„Warte!“, sagte sie plötzlich. „Was soll das heißen? Du gibst auf? Du gibst mir den Fall?“

 

„Scheint so, oder?“, erwiderte er geschlagen. „Edgar geht an eine andere Kanzlei, die wird sich in den Fall lesen und dann kannst du nächsten Monat beweisen, dass auch Muggel Menschen umbringen können.“

 

„Du bist ein Arschloch!“, sagte sie zornig.

 

„Was? Das ist es doch, was du willst!“, knurrte er.

 

„Draco, wir müssen das richtige tun! Es ist das einzige, was wir tun können. Ich habe keine Ahnung, was du und dein Todesser da für Pläne ausgeheckt habt, aber ich werde bestimmt nicht erlauben, dass Edgar Fowler mit einer Lüge nach Askaban kommt, um dort dann seelisch verstümmelt zu werden!“

 

„Er ist nicht mein Todesser und das war auch nicht mein Plan! Merlin, es würde alles anders liegen, wenn Edgar ihn einfach getötet hätte, oder?“, fragte er plötzlich und ihr Mund öffnete sich.

 

„Das ist völliger Unsinn!“

 

„Ach ja? Erzähl mir, dass du von Anfang an neutral warst und mit keiner Sekunde Edgar die Schuld mehr zugerechnet hättest als deiner armen Muggel“, forderte er.


„Blödsinn. So läuft es nicht, Draco.“

 

„Sag es doch einfach! Du hättest niemals geglaubt, dass eine Muggel so etwas tun könnte!“

 

„Schön! Ich habe Edgar die Schuld gegeben!“, schrie sie jetzt. Am liebsten hätte sie sich die Hand vor den Mund geschlagen. Sie hatte die Worte tatsächlich gesagt. Sie war nicht besser als er. Und sie wusste, das dachte er jetzt auch.

 

Seine Hand lag auf der Klinke, als ihr der Kragen platzte.

 

„Was willst du eigentlich?“, schrie sie außer sich und holte ihn ein, zog ihn zurück und stieß ihm zornig vor die Brust. „Ich kann das Gesetz nicht ändern! Ich kann nicht sagen, es ist gut, dass sie den Bruder getötet haben, weil er sonst die Mutter umgebracht hat! Es gibt kein Gesetz, was das rechtfertigt! Und die Mutter ist auch noch an einem natürlichen Tod gestorben. Der Zweck heiligt niemals die Mittel, Draco!“

 

„Ich habe nur gedacht, wir finden einen Weg, wie beide unbeschadet aus der Sache kommen!“

 

„Nein, so ist es aber nicht! Einer hat immer die schlechte Karte, Draco! Einer bleibt zurück. Einer riskiert immer mehr. Und derjenige ist eben selber schuld!“

 

Er sah sie an. „Und von uns soll das wer sein?“, fragte er ruhig.

 

„Nicht alles bezieht sich immer auf uns!“ Sie wusste, sie weinte bereits.

 

„Du willst das Gesetz befolgen? Wirklich, Granger? Bisher war immer nur ich derjenige, der darauf Wert gelegt hat! Du kannst ja nicht mal den simplen Scheidungsvertrag befolgen, oder?“

 

Zu viel Wut. Zu viel.

 

„Wenn du mich einfach in Ruhe lassen würdest, dann-“

 

„Richtig. Ich habe wieder in der Abteilung angefangen. Ich habe wieder den Fall genommen, mit dem alles angefangen hat. Ich bin bei mir eingebrochen und habe mich geküsst. Richtig, gut dass du es erwähnst!“

 

„Verschwinde endlich!“, schrie sie heiser und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er folgte der Bewegung ihrer Hand mit den Augen. „Du bist ein Heuchler. Und ein Lügner! Du sagst, du würdest mir nie weh tun? Sieh dich dann an, du verdammter Mistkerl!“ Ihre Stimme war nicht mehr zum Sprechen geeignet.

 

„Heuchler, Lügner, Mistkerl, Arschloch… komm schon, ich bin sicher deine Selbstheilungstherapie erlaubt dir noch ein paar Schimpfwörter mehr, Granger“, knurrte er böse. Sie schlug ihm so hart ins Gesicht, dass ihr noch mehr Tränen in die Augen schossen. Sie hatte das Gefühl, ihre Knöchel wären gebrochen, aber anstatt aufzuhören, holte sie mit der anderen Hand aus und schlug ihm die flache Hand noch in die andere Seite seines Gesichts.

 

Sie hob beide Fäuste und wollte auf ihn einschlagen, wollte ihm weh tun, so wie er ihr wehtat, aber er fing ihre Hände ab. Sie schrie wild und zerrte an ihren Handgelenken, aber er hielt sie fest. Er sagte gar nichts und sie sah, wie sich seine Wangen röteten. Ihre Haare flogen wild über ihre Schulter und Tränen nahmen ihr jede Sicht.

 

„Ich hasse dich!“, keuchte sie tonlos. Sie versuchte, ihn zu treten, schrie vor Zorn, aber er hielt sie immer noch an den Handgelenken fest. „Ich hasse dich, verflucht!“ Er zog sie umstandslos in seine Arme und sie wehrte sich auch gegen diesen Griff. Sie trommelte gegen seine feste Brust, aber es war chancenlos.

 

Und irgendwann hörte sie auf. Irgendwann ging sie davon, ihn schlagen zu wollen zu völligem Stillstand über. Sie lehnte jetzt an seiner Brust und ihre Tränen durchnässten sein Hemd. Sein Herz schlug schnell und sie fühlte sich schrecklich elend.

 

Er schwieg immer noch und presste plötzlich seine Lippen auf ihren Haaransatz. Er hielt sie fest in seinen Armen und sie hörte ihn ausatmen. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie wollte sich nicht bewegen.

 

Die Tür öffnete sich, aber sie war völlig erschöpft.

 

„Ich hoffe, ihr seid jetzt fertig. James hat schöne neue Worte gelernt“, fügte Ginny grimmig hinzu. „Und ich habe gleich gesagt, der Fall wird euer Tod sein“, fügte sie hinzu, mit einer Stimme, die Molly Weasleys Stimme um nichts nachstand. „Ich setze Tee auf. Draco, wieso legst du nicht ab“, ergänzte sie wesentlich freundlicher.

 

„Ich…“, begann er, aber er schien es sich anders zu überlegen. „Meinetwegen“, willigte er schließlich ein. Sie riss sich zusammen und zog endlich den Kopf zurück, um ihn anzusehen. Er war wunderschön. Sie wollte sich entschuldigen, aber seine Mundwinkel zuckten lediglich. Er fuhr mit dem Zeigefinger über ihre tränennasse Wange.

 

„Vertragen wir uns jetzt?“, fragte er gleichmütig und sie wollte nicht mit einer Antwort reagieren. „Oder möchtest du noch ein bisschen Wut an mir auslassen?“ Und er lächelte das erste Mal.

 

Sie schüttelte lediglich müde den Kopf, auch wenn sie ihm gerne erklären wollte, dass sie nicht wütend war, weil ihre Gefühle für ihn noch riesig groß waren. Sie hätte ihm gerne sagen wollen, dass er sich besser nichts einbilden sollte, aber sie wusste… ihre Glaubwürdigkeit war einfach nicht mehr vorhanden.

 

Sie hatte auch nicht die Kraft, etwas Entsprechendes zu Ginnys eindeutig spöttischem Lächeln zu entgegnen.

 

Später würde sie richtig stellen, was wahrscheinlich nicht mehr richtig zu stellen war.

 

Und, als wäre es selbstverständlich, deckte Ginny für sie und Draco nebeneinander.

 

 

Kapitel 16

~ Smile like You mean and let yourself let go ~

 

Sie hatten kein Wort mehr über den Fall verloren. Er hatte nur einen Gedanken an die Tatsache verschwendet, dass er zum Abendessen eigentlich bei Astoria hätte sein müssen. Und er machte sich auch nicht vor, dass sie ihn jetzt noch mit offenen Armen empfangen würde.

 

Jetzt brachte er sie nach Hause und sah ihre Wohnung zum ersten Mal. Der Teil der Stadt war winzig, die Wohnung überschaubar klein und es sah nicht gemütlich aus. Mehr wie ein Übergang zwischen einem Übergang.

 

Sie zog den Schlüssel aus der Tür und warf ihn achtlos auf einige Umzugskartons, die provisorisch als Anrichte im Flur aufeinander gestapelt waren. Und soweit er es erkennen konnte, waren die Kartons sogar voll.

 

„Wie lange hast du vor, hier zu wohnen?“, fragte er vage und sie ruckte mit dem Kopf, als sie den Umhang ablegte.

 

„Keine Ahnung. Ich wollte schon längst ausgezogen sein, aber ich hatte keine Zeit, nach einer anderen Wohnung zu suchen“, winkte sie lapidar ab.

 

„Aber… das hier ist…“ Ihm fehlten die Worte.

 

„Es ist kein Palast, nein“, erklärte sie mit hochgezogener Augenbraue.

 

Die Einrichtung war spärlich, wenn überhaupt, vorhanden.

 

Das einzige, was sie wirklich ausgepackt hatte, war ihr blaues Geschirr. Sie liebte dieses Geschirr und es hatte sie einige Wutausbrüche vor dem Ministerium gekostet, ehe sie es bekommen hatte. Seine Mutter hatte es ihnen geschenkt und es war das einzige, was Hermine jemals gefallen hatte.

 

„Tee?“, fragte sie schließlich und setzte bereits Wasser auf.

 

„Ich glaube, ich hatte genug Tee für heute Abend“, erklärte er mit einem Lächeln. „Ich sollte besser gehen.“

 

„Verabredung?“ Sie blieb karg in ihrer Wortwahl, fiel ihm auf. Er musste nicht lange überlegen, ehe er den Kopf schüttelte.

 

„Nein. Keine Verabredung“, sagte er schließlich und es war erschreckend, wie wenig ihm diese Aussage ausmachte.

 

„Gut, dann…“ Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans, während sie darauf wartete, dass der Kessel anfing zu kochen.

 

„Wegen des Falls…“, begann er wieder und sie wandte den Blick ab.

 

„Ich denke, das haben wir geklärt“, sagte sie nur.

 

„Dann trete ich zurück“, bestätigte er und sie schüttelte den Kopf.

 

„Was? Nein. Wir gehen beide zu Donald, erklären ihm unsere Seiten und dann soll er entscheiden.“ Er nickte schließlich.

 

„Wenn es das ist, was du willst.“ Er war zu müde, um noch zu diskutieren. Er war für alles zu müde. Er ging zurück zur Tür. „Sag mal…“ Er sah sie wieder an. „Was ist in diesen Kisten, dass du sie einfach als Stapelplatz verwenden kannst?“, erkundigte er sich interessiert.

 

Kurz schwieg sie. „Hochzeitskram“, erklärte sie schlicht.

 

„Hochzeitskram?“, wiederholte er verwirrt. „So was wie…?“

 

„Du weißt schon… Hochzeitskleid, Fotoalben, Briefe, Karten, Erinnerungen eben.“ Er musterte sie immer noch.

 

„Und die bewahrst du in irgendeiner Umzugskiste auf, ohne sie jemals auszupacken?“, vergewisserte er sich jetzt spöttisch und sie ruckte mit dem Kopf.

 

„Ich glaube nicht, dass ich das Hochzeitskleid jemals wieder anziehen werde, Draco.“

 

„Wahrscheinlich passt du nicht mal mehr rein, oder?“ Er konnte das Grinsen nicht verhindern.


„Wenn das eine Anspielung darauf werden soll, dass ich zugenommen habe, dann muss ich dich enttäuschen. Ich werde immer in dieses Kleid passen. Das heißt aber nicht, dass ich es noch mal anziehen muss!“, rechtfertigte sie sich verärgert.

 

Er blieb, wo er war. „Granger, das würde mich wirklich interessieren. Ich meine mich zu erinnern, dass du dich extra um mehrere Kilos runter gehungert hast, um den Reißverschluss zuzubekommen“, erinnerte er sie jetzt. „Weil meine Mutter gesagt hat, das Kleid sei für dich zu exquisit. Und weil du stur und unverbesserlich bist-“ Sie unterbrach ihn in dieser Sekunde.

 

„Fein, Malfoy. Du willst sehen, ob ich in das dämliche Kleid passe? Bitte!“ Sie schritt an ihm vorbei und öffnete die oberste Kiste. Der helle Tüll quoll förmlich aus der Kiste und sie zog es unsanft hervor. Er erinnerte sich noch sehr gut an die weiche Seide unter seinen Fingern. Er erinnerte sich, wie er kaum die Hände von ihr hatte lassen können, ab der Sekunde, ab der sie es angezogen hatte.

 

Und er wusste, wahrscheinlich war es wieder eine dumme Idee von ihm, sie zu reizen. Aber er war sich sicher, dass sie jetzt bei weitem nicht mehr so perfekt sein würde, wie sie es an ihrem Hochzeitstag gewesen war.

 

„Du bist ein blöder Idiot. Und es wird dir leid tun“, drohte sie böse.

 

„Wird es eine Wette?“, fragte er belustigt.

 

„Ja“, konterte sie grimmig. „Wenn ich rein passe, dann musst du es anziehen.“

 

Er musste tatsächlich lachen. „Ich denke, dann wird es völlig kaputt gehen.“ Sie legte den Kopf schräg.


„Na und? Es war ein überteuertes Geschenk deiner Mutter“, erklärte sie gleichmütig.

 

„Fein, ok. Wenn du rein passt, dann werde ich es anziehen. Mit viel Alkoholgenuss. Aber wenn du nicht reinpasst…“ Er überlegte kurz.

 

„Dann?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn. Er warf einen Blick auf die Kisten.

 

„Dann bekomme ich die Sachen, an denen du nicht mehr hängst.“

 

„Was?“ Sie sah ihn verstört an.


„Die Hochzeitsbilder und die Briefe.“ Er erinnerte sich an einen ziemlich peinlichen Brief. Und warum auch immer – wenn er daran dachte, wie Weasley ihn womöglich lesen würde – sträubten sich ihm die Nackenhaare.

 

„Fein. Du bekommst die Bilder und die Briefe, Malfoy. Das erscheint mir ziemlich human gegenüber meiner Forderung.“ Er wusste nicht, ob sie nur so kühl tat.


„Granger, ich kann sie immer noch abändern. Du könntest auch für mich strippen“, schlug er vor. Sie schüttelte rigoros den Kopf.


„Nein. Bilder und Briefe. Punkt. Mach es dir bequem. Es wird zwar nicht lange dauern, aber du solltest schon mal anfangen zu trinken!“ Sie lächelte als sie in das nächste Zimmer verschwand, von dem er annehmen musste, dass es ihr Schlafzimmer war.

 

 

Es verging eine kleine Weile, ehe sie wiederkam und er die Zeit hatte, ein Exemplar der fürchterlichen Hexenwoche zu lesen. Er musste sie noch fragen, wieso gerade sie so etwas las – und seit wann! Nebenbei hatte er sich noch ein Glas Elfenwein eingeschenkt und hob jetzt den Blick.

 

Perfekt. Verflucht, sie sah immer noch perfekt aus.

 

„So. Siehst du? Passt“, erklärte sie und wollte wieder rückwärst zurück ins Schlafzimmer gehen.

 

„Moment!“ Er roch die Finte. „Würdest du mir den Gefallen erweisen, und dich bitte im Kreis drehen?“ Er hatte sich langsam erhoben und grinste selbstgefällig.

 

„Was? Das war nicht der Deal. Im Kreis drehen brauche ich mich wirklich nicht. Es ist schon schwer genug in diesem Ungetüm überhaupt zu stehen. Also… ich schlage vor, ich ziehe es aus und du ziehst es direkt an, Malfoy.“ Sie wollte wieder verschwinden, aber diesmal war er schneller und zog sie am Unterarm aus der Tür.

 

Wusst ich’s doch!“, rief er triumphierend aus, als er feststellte, dass der Reißverschluss nur bis zur Hälfte geschlossen war. Sie sah ihn mehr als böse an.

 

„Schön, es ging nicht ganz zu“, gab sie sich bockig geschlagen.

 

„Ich hätte es auch äußerst ungerne angezogen“, erwiderte er, immer noch grinsend. Gut, dass sie jetzt gerade ihren Zauberstab nicht zur Hand hatte. Sie sah umwerfend aus. Sie schritt herrisch an ihm vorbei – soweit ihr das möglich war – und zog die nächste Kiste hervor. Sie holte einen Stapel an Urlaubsalben hervor, zwei silberne Rahmen und eine Zigarrenschachtel, in der wohl die Briefe sein mussten.

 

Sie hielt sie ihm demonstrativ entgegen und blickte zur Seite.

 

„Eigentlich will ich nur den einen Brief.“ Er öffnete die Zigarrenschachtel und stöberte kurz darin, ehe ihm auffiel, dass sie wirklich alles aufbewahrt hatte. Jede Notiz, jeden kleine Zettel, den er ihr geschrieben hatte, selbst wenn er nur Milch kaufen gegangen war.

 

Kurz hob er den Blick, aber sie sah ihn immer noch nicht an. Es war seltsam, Bilder zu sehen, in denen sie dasselbe Kleid trug. Und er musste zugeben, so viel hatte sie nicht zugenommen. Vielleicht zwei oder drei Kilo. Er sah es ihr nicht an. Auch wenn er gerne einen Fehler an ihr feststellen wollte. Aber nicht mal das wäre wahrscheinlich ein Fehler, der ihm auffallen würde, überlegte er verärgert.

 

Und er hatte den Brief gefunden. Es war der erste Brief, den er ihr geschrieben hatte, noch bevor sie überhaupt zusammen gekommen waren. Blaise hatte ihm geraten, einen Brief zu schreiben. Und es hatte schließlich auch funktioniert.

 

„Was willst du mit diesem Brief?“

 

„Ich will nur nicht, dass er irgendwann gegen mich verwendet wird“, bemerkte er lächelnd.

 

„Gegen dich? Was denkst du? Dass ich irgendwann wahnsinnig werde, ihn dupliziere und in der Nachbarschaft verteile?“, erkundigte sie sich spöttisch und nahm ihm den Brief ab, um ihn auseinander zu falten.

 

Ihr Lächeln wurde schmaler, während sie las.

 

„Das hatte ich ganz vergessen“, murmelte sie schließlich. „Du warst wirklich mal romantisch. Vor einer Ewigkeit“, fügte sie hinzu.

 

„Nur als ich dich noch beeindrucken musste.“

 

„Ja, damit würdest du heute sowieso scheitern.“

 

„Richtig. Weil ich dich ja nicht mehr nervös mache?“, erkundigte er sich lächelnd und sie hob den Blick. Ihre dunklen Augen blieben ihm undeutbar.

 

„Richtig. Ich werde mich mal aus dem Kleid schälen.“

 

„Brauchst du Hilfe?“

 

„Soll das ein sehr unmoralisches Angebot sein?“, fragte sie gereizt und er hob lachend die Hände.

 

„Nein, eigentlich war das eine gemeine Anspielung, aber wie du willst!“ Sie verdrehte die Augen. „Warte!“, sagte er plötzlich. „Ich ändere meine Bedingungen, Granger“, fügte er hinzu.

 

„Was? Zu spät. Es gibt keine anderen Bedingungen“, widersprach sie heftig.

 

„Bitte. Ich will eine Bedingung ändern, ok?“

 

„Und die wäre?“, fragte sie skeptisch und er hob die Hand.

 

„Einen Tanz. Ich will einen Tanz mit dir in diesem Kleid.“

 

„Nein. Und ich habe überhaupt keine Musik.“

 

„Wir brauchen keine Musik“, erklärte er gönnerhaft.

 

„Nein, Malfoy.“

 

„Einen Tanz. Du kannst den Brief auch behalten, verflucht.“ Er hatte die Hand immer noch ausgestreckt. Sie verdrehte die Augen.

 

„Fein. Gut, dass das nicht kindisch ist.“

 

„Nicht so kindisch, wie mich zwingen zu wollen, das Kleid anzuziehen“, erwiderte er, während er ihre Hand ergriff. Er zog sie näher zu sich und legte die Hand auf ihren Rücken. Er spürte ihre Warme Haut unter seinen Fingern, dort, wo der Reißverschluss nicht hingekommen war.

 

„Das ist albern“, beteuerte sie kopfschüttelnd.


Shh. Sei einfach still“, flüsterte er und sie seufzte schließlich.

 

„Und jetzt?“, fragte sie nach einer kurzen Weile, aber er drehte sie ruhig im Walzer weiter. Er schloss die Augen und atmete ihren Duft ein. Er hatte jetzt nicht das Gefühl, als hätte sich irgendwas verändert. Er wusste nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, das von ihr zu verlangen, aber es kam ihm nicht mal wie eine schlechte Idee vor.

 

Bei der nächsten Drehung zog er sie enger an sich und sie stolperte fast über den langen Saum.

 

„Draco, es geht noch kaputt!“, mahnte sie leise.

 

„Na und? Du kannst es doch sowieso nicht leiden“, entgegnete er. Sie hob den Blick zu seinem Gesicht. Und er wusste, sie liebte das Kleid. Auch wenn sie es vor  ihm – oder seiner Mutter – niemals zugeben würde. Er musste lächeln.


„Halt bloß deinen Mund!“, drohte sie und dann legte sie ihren Kopf an seine Schulter. Es war sehr still in ihrem Wohnzimmer. Und er hörte nur das sanfte Rauschen ihres Kleides, während sie sich ruhig bewegten.

 

Auf der Couch lagen die Hochzeitsbilder, die er dort abgelegt hatte. Er hielt sie in seinem Arm. Sie wirkten so lächerlich glücklich, dass ihm fast schlecht wurde bei dem Gedanken, dass sie es nicht mehr waren. Und nicht mehr sein würden.

 

„Warst du glücklich? Mit mir?“, fragte er plötzlich und hörte auf zu tanzen.

 

Fragend sah sie ihn an. Er versuchte, es in ihren Augen zu lesen, aber er schaffte es nicht. „Ich hätte dich nicht geheiratet, wäre ich nicht glücklich gewesen. Damals.“

 

„Kann ich… meine Bedingung noch mal ändern?“, fragte er und hob die Hand zu ihrem Gesicht, um eine Strähne hinter ihr Ohr zu streichen.

 

„Nein“, flüsterte sie mit erstickter Stimme und schüttelte den Kopf. Sie wollte zurückweichen, aber sein Arm lag noch immer, um ihre Taille.

 

„Nur noch einmal“, bat er leise, aber sie schüttelte den Kopf heftiger.

 

„Nein. Du bekommst die Bilder, die Briefe, den Tanz und sonst gar nichts mehr, Draco!“ Sie sah ihn fest an. Er nahm zur Kenntnis, wie tapfer sie war, wie sie versuchte, unglaublich stark zu sein. Für sie beide.

Aber er konnte nicht. Gegen sie war er nicht gewachsen. Gegen sie kam er nicht an.

 

„Ich nehme den Tanz zurück“, flüsterte er und senkte den Kopf.

 

„Wir… wir haben schon getanzt!“, piepste sie. „Du kannst ihn nicht mehr-“

 

Er verschloss ihre Lippen. Das Ziehen in seinem Magen war unbeschreiblich. Ihre Lippen lagen warm und weich unter seinen und er zog sich zurück, nur um sie noch einmal zu küssen. Und noch ein weiteres Mal. Und sie legte plötzlich die Arme um seinen Nacken. Und es war, als wäre es selbstverständlich, denn seine Hände hatten keine Skrupel, keine Hemmungen und zögerten nicht eine Sekunde, den Reißverschluss ganz zu öffnen und das Kleid von ihrem Körper zu streifen.

 

Sie löste sich von ihm und jetzt standen sie voreinander. Er war angezogen und sie trug nur einen roten Slip. Ihre Augen versanken in seinen und er wollte nicht an sich halten. Er wollte einfach nicht.

 

„Das ist… eine schlechte Idee“, flüsterte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

 

„Verflucht schlecht“, bestätigte er rau, aber nicht mal er selber kaufte seiner Stimme diese Worte ab. Ihre Brüste waren immer noch genauso perfekt, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte. Er zog sie übergangslos zurück in seine Arme und mit einem Seufzen schloss sie ihre Augen.

 

Wie früher, grub sie ihre Hände in seine Haare; wie früher, biss sie sanft in seine Unterlippe und ließ sie wieder fahren und wie früher, konnte er keinerlei Beherrschung aufbringen, sobald er ihre seidig weiche Haut unter seinen Fingern spürte.

 

Es war ein Fluch. Ein Fluch, den er nur zu gerne wieder und wieder in Kauf nahm.

 

 

Kapitel 17

~ I was dreaming of the Past and my Heart was beating fast ~

 

Das Gefühl, wie sehr er sie wollte, war einfach unbeschreiblich!

Sie wusste, sie sollte sich eigentlich nicht hingeben, aber sie war über diesen Punkt schon so weit hinaus, dass sie kaum noch wusste, wie sie hieß.

 

Seine Finger glitten über ihre Schulterblätter und sie schüttelte schwach den Kopf. „Nein. Nein, nein, Draco das geht nicht“, sagte sie leise. Aber wahrscheinlich wären diese Worte wesentlich effektvoller, würde sie nicht gerade sein Hemd aus seiner Hose ziehen. Das schien er ähnlich zu sehen, denn seine Lippen verschlossen hungrig ihren Mund.

 

Stöhnend schloss sie die Augen und vielleicht war es nicht so schlimm. Der verrückte Gedanke, dass sie sogar das Recht hatte, dies zu tun, schlich sich in ihren Verstand. So absurd er auch war. Es fühlte sich so richtig an!

Es war unglaublich erschreckend. Ihre Arme legten sich um seinen Nacken und er hob sie einfach auf seine Arme.

 

Ihr Hochzeitskleid lag vergessen auf dem Boden und er trug sie einfach ins Nebenzimmer. Er legte sie auf die Matratze und schob achtlos die vielen unordentlichen Kleidungsstücke vom Bett auf den Teppichboden.

Er war über ihr und küsste ihr Schlüsselbein als sie seine Hose öffnete und sie seine Beine hinunter schob.

 

Sein Kopf schoss zu ihr hoch und es gab nichts Richtigeres als ihm so nah zu sein.

 

„Küss mich, Draco“, bat sie leise und beinahe verzweifelt. Er nickte nur und ihre Lippen trafen sich wieder. Diesmal versuchte sie nicht, ihn weiter auszuziehen, sondern hielt seinen Kopf in ihren Händen. Das Gefühl seiner Lippen, seiner Zunge, seines Körpers an ihrem, war… so vertraut. Er schmeckte wie immer, er berührte sie wie immer. Sie konnte sich plötzlich an die ersten Jahre erinnern. Sie konnte sich wieder erinnern! Daran, dass die meiste Zeit – die überwiegend große Zeit – ihrer Beziehung absolut perfekt gewesen war.

Sie wusste wieder, dass sie die Hände nicht voneinander hatten lassen können und sie deswegen schon mal von Ginny rausgeworfen worden waren!

 

Sie erinnerte sich. Sie spreizte bereitwillig die Beine unter ihm und knurrend wurde er nervöser. Ungehalten befreite er sich und sie von der Unterwäsche, die sie noch trugen und riskierte nur einen sehr kurzen Blick in ihr Gesicht. Aber sie konnte sich nicht denken, dass er darin auch nur die kleinste Ablehnung finden würde. Bei diesem Mann war es ihr sowieso unmöglich Nein zu sagen.

 

Bevor sie den Anblick von ihrem nackten Exmann in sich hatten aufsaugen können, war er in sie eingedrungen. Es ging viel zu leicht. Sie war viel zu willig, viel zu bereit dafür. Er verharrte in ihr und lehnte keuchend seine Stirn gegen ihre.

 

„Hermine“, flüsterte er und sie war sich sicher, dass er nicht mit ihr sprach, sondern nur ihren Namen hatte sagen müssen. Langsam zog er sich zurück, nur um wieder in sie einzudringen. Sie hatte das Gefühl, mit jedem Stoß kamen sie sich näher, wuchsen enger zusammen, bis sie nur ein einziges Gebilde aus Haut und Knochen und Seelen waren.

 

Sie schloss die Augen. Ihr erstes gemeinsames Mal, die Hochzeitsnacht, die Urlaube unter Sternenhimmeln, der verboten gefährliche Sex in Malfoy Manor… jeden Tag! Jeden Tag ihrer Ehe hatten sie miteinander geschlafen. Es war gar nicht anders gegangen, so sehr waren sie aufeinander versessen gewesen! Wie hatte sie das vergessen können?

Wie zum Teufel hatte sie vergessen können, wie verflucht gut Draco Malfoy im Bett war?

 

Sie wusste es nicht mehr und verspürte sie einen tiefen Stich der Eifersucht, wenn sie auch nur einen Moment lang darüber nachdachte, dass eine andere Frau in diesen Genuss gekommen war. Sie begegnete seinem Rhythmus stürmisch und hörte sich selber schreien vor Ekstase.

 

Er hatte sich auch nicht mehr halten können. Sie erinnerte sich, wie ausdauernd er gewesen war und wie viel Spaß es ihm gemacht hatte, ihr süße Qualen zu bereiten, aber wahrscheinlich war das heute einfach unmöglich gewesen.

 

Der Orgasmus ebbte langsam ab und träge öffnete sie die Augen, nur um zu sehen, dass er sie wachsam ansah. Auch seine Brust hob und senkte sich rasch und er rang nach Atem, aber er ließ sie nicht aus den Augen.

 

„Hermine“, wiederholte er einfach nur und ihre Finger fuhren müde durch seine hellen Haare. Sie hatte diesen Anblick so sehr vermisst, dass ihr erst jetzt auffiel, wie sehr.

 

„Wie sher beeinflusst das unsere Scheidung?“, fragte sie heiser und kurz zuckten seine Mundwinkel.

 

„Ich denke… schon etwas“, schloss er langsam. Sie schloss wieder die Augen.

 

„Oh nein. Nein, nein…“, murmelte sie. „Draco, das war… bestimmt nicht gut“, ergänzte sie leise.

 

„War es nicht?“ Sie hörte, wie er kurz beleidigt klang. Sie öffnete die Augen wieder.


„Nein, das war gut“, beschwichtigte sie ihn ernst. „Aber… wir hätten nicht-“

 

„Ich weiß“, unterbrach er sie ernst.

 

„Und jetzt?“, fragte sie und wagte es gar nicht zu fragen.

 

„Du willst das alles jetzt entscheiden?“, fragte er. „Während ich noch in dir bin?“, fügte er spöttisch hinzu und sie spürte, wie sie rot wurde.

 

„Ich… nein“, erklärte sie verwirrt. „Aber wir können doch nicht…“, begann sie wieder, aber er legte den Kopf schräg.


„Wir haben doch schon“, erwiderte er und senkte den Kopf, um ihre Halsbeuge zu küssen.


„Draco!“, sagte sie erschrocken und stieß ihm die Hände vor die Brust.

 

„Was? Das darf ich jetzt nicht mehr?“, fragte er belustigt gegen ihre Haut und sie atmete heftig aus.

 

„Du hättest es doch eigentlich sowieso nicht gedurft!“, brauste sie auf. „Wir sind geschieden!“ Und dieses Wort schien kurz etwas zu ändern. Er hob den Kopf wieder und sein Blick traf ihren. Das Wort verletzte sie genauso sehr wie es ihn verletzte. Er rollte von ihr runter und lag nun neben ihr auf ihrem Bett.

 

„Ja“, sagte er schließlich. „Wir sind geschieden“, wiederholte er ihre Worte gedehnt. „Und jetzt?“, griff er ihre Worte auf.

 

„Jetzt“, begann sie vage und versuchte, nicht zu viel zu denken. „Jetzt haben wir immer noch einen Fall zu lösen. Wir haben Entscheidungen zu treffen, wie wir vorgehen und haben überhaupt keine Zeit uns mit solchen Sachen auch noch auseinander zu setzen“, entgegnete sie bitter. Sie sah ihn langsam nicken.

 

„Und was heißt das?“ fragte er langsam und sie überlegte kurz.


„Das heißt, wir können jetzt nichts an dieser Situation ändern“, erklärte sie kurzerhand.

 

„Was passiert ist, war also ok?“, erwiderte er.

 

„Nein. Aber… wir können uns damit nicht befassen“, sagte sie schließlich. Er lehnte sich näher zu ihr und küsste ihre Schulter.

 

„Es… bleibt also ohne Folgen, wenn ich das tue?“, erkundigte er sich und küsste wieder ihren Nacken. Heiße Schauer erfassten sie. Und dann nickte sie langsam.

 

Jaah… ich denke, das bleibt doch erst mal ohne Folgen“, flüsterte sie und schloss die Augen, als er sanft in die weiche Haut ihres Nackens biss. Irgendwie fanden ihre Lippen den Weg zu seinem Mund, und sie spürte ihn scharf die Luft einziehen. Seine Hände griffen hart um ihre Hüfte und zogen sie näher an sich.

 

Sie wusste, sie hatte da gerade etwas sehr Gefährliches beschlossen. Sex mit Draco Malfoy blieb nicht ohne Folgen. Scheidungssex war nicht vergleichbar mit Sex nach einem Streit. Es war gesetzlich nicht zu vertreten, aber… sie hatte heute wirklich keine Lust mehr, über das Gesetz nachzudenken.

 

 

~*~

 

 

„Seit wann bist du so unordentlich?“, fragte er, während er sich hinter sie stellte, und den Arm um ihre Hüfte legte, während sie Wasser für den Tee aufsetzte. Sie konnte kaum stehen. Sie konnte nicht mehr zählen, wie oft sie jetzt miteinander geschlafen hatten. Im Bett, in der Dusche, im Wohnzimmer, gegen die Wand, auf dem Teppich….

 

„Unordentlich?“, fragte sie müde und er küsste ihre Haare.


„Ja. Überall liegen irgendwelche Sachen und Klamotten“, erklärte er rau. Sie lehnte sich an ihn.


„Wahrscheinlich brauche ich einen Menschen um mich herum, damit ich ordentlich werde“, überlegte sie dumpf.

 

„Aha“, erwiderte er und küsste von hinten ihren Hals. Sie trug nur sein Hemd über ihrem Oberkörper. Es bedeckte nur sehr knapp ihren Po. Er trug seine Shorts und sie spürte seine warme Brust auch durch den Stoff des Hemdes.

 

„Wir müssen gleich zur Arbeit“, sagte sie leise und es war sehr seltsam, diese Worte mal wieder zu sagen. Plötzlich drehten seine Hände sie herum, so dass sie ihn ansehen konnte.

 

„Ja“, erwiderte er mit einem Lächeln. „Wie viel Zeit noch bis dahin?“, erkundigte er sich scheinheilig und hob sie einfach auf die Anrichte und spreizte ihre Beine. Sie legte die Arme um seinen Hals und tat so, als würde sie überlegen.

 

„Hm… wir haben vielleicht noch fünfzehn Minuten, ehe wir zu spät kommen“, schlug sie vor und wusste, es war nicht gesund, was sie taten. Er grinste und zog ihr sein Hemd aus.

 

„Ausgezeichnet“, erklärte er und sie zog die Shorts ungeduldig seine Beine hinab. Er stieß grollend nach vorne und für einen Moment wollte sie das Haus gar nicht mehr verlassen. Hier drin war alles einfach. Alles war Sex. Alles war erlaubt. Würden sie gehen, dann wäre alles wieder kompliziert. Der Fall wäre  wieder präsent und sie wären wieder geschieden.

 

Sie schloss die Augen und ließ sich von ihm küssen. Heiß und hungrig.

 

Und nichts weiter zählte.

 

 

 

Er ließ ihr den Vortritt. Sie waren ohnehin zu spät. Aber gut, dass er ihre Sorge auch verstand. Er folgte allerdings keinen Moment später. Immerhin mussten sie ja auch in dieselbe Abteilung.

 

Sie steuerten den Fahrstuhl an und sie betrat die Kabine. Er betätigte den Knopf. Seltsam, dass sie jetzt kein Gesprächsthema mehr fanden, hatten sie doch die ganze Nacht durch geredet, wenn sie nicht gerade anderweitig beschäftigt gewesen waren.

 

Er hatte die Kleidung von gestern an. Eigentlich war ihm sein Aussehen sehr wichtig, das wusste sie, aber jetzt schien er darauf nicht besonders zu achten. Zumindest heute wohl nicht. Ihre Blicke trafen sich kurz. Sie senkte den ihren hastig auf den Boden und wartete ungeduldig, bis sie das Stockwerk erreicht hatten.

 

„Was ist mit heute Abend?“

 

„Was? Was soll damit sein?“ Aber ihre Stimme hatte sie schon verraten. Seine Mundwinkel zuckten in arroganter Manie und sie atmete aus.

 

„Wann hast du Schluss?“, fragte er.

 

„Zur selben Zeit wie du“, entgegnete sie knapp.

 

„Dann sehe ich dich dann“, sagte er nur.

 

„Vielleicht“, gab sie unsicher zurück.

 

„Vielleicht?“, wiederholte er fragend und hob die Augenbraue. „Oder hast du eine Verabredung?“, erkundigte er sich jetzt spöttisch. Sie zuckte die Achseln, um ihn zu ärgern.

 

„Wäre möglich.“ Sie erreichten ihr Stockwerk.

 

„Dann sag ihm ab“, erwiderte er nur, mit sehr rauer Stimme, ehe er sie zurück hielt. Er zog sie am Handgelenk zurück und küsste sie noch einmal hungrig. Ihre Finger gruben sich in seinen Hemdkragen und sie stöhnte in seinen Mund. Die Türen glitten zur Seite und er ließ widerwillig von ihr ab.

 

Hastig wich sie einen Schritt zurück, immer noch völlig außer Atem. Ihm war es nicht anzusehen. Sie war etwas atemlos, etwas verwirrt und versuchte, sich unter Kontrolle zu kriegen.

 

„Granger, Malfoy!“, begrüßte Donald sie freundlich. „Zusammen hier? Ich finde es gut, dass Sie beide sich um gute Mitarbeit bemühen. Wirklich“, fügte er hinzu. Hermine spürte, wie sie rot wurde.

 

„Sicher, Donald“, entgegnete Draco statt ihrer.

 

„Morgen werden wir uns dann mit Ihrer Arbeit auseinander setzen. Zabini hat mir schon gesagt, dass alles etwas komplizierter liegt?“ Es kam als Frage raus und Hermine wollte gar nicht an die vielen Änderungen in den Fällen denken.

 

„So kann man es sagen, ja“, sagte Draco vage.

 

„Also, weiter arbeiten. Und freundlich bleiben“, fügte Donald mahnend hinzu. Aber wenn Hermine in das Gesicht ihres Exmannes blickte, dann war sie sich fast sicher, dass dieser Abend sehr freundlich enden würde.

Und sie würde sich darüber wann anders Gedanken machen. Ihr Herz raste zu schnell….

 

 

Kapitel 18

~ And I don’t know, this could break my Heart or save me ~

 

Er betrachtete den Mann vor sich lange und prüfend.

 

„Sie wissen, was jetzt kommt, oder?“, fragte er deshalb und bemühte sich, um eine professionelle, ruhige Stimme. Edgar sah sehr unglücklich aus und Draco spürte ein schweres Gefühl auf seiner eigenen Brust.

„Es gibt keinen anderen Ausweg“, fuhr er schließlich fort.

 

„Doch, es gibt einen Ausweg“, entgegnete der Mann vor ihm bitter, der jetzt noch zehn Jahre älter wirkte als vorher. Aber Draco schüttelte den Kopf.

 

„Keinen legalen, Mr Fowler. Annabelle wird bestraft werden.“ Dabei sollte Draco ein triumphales Gefühl empfinden. Es war jetzt schließlich so, dass er Recht gehabt hatte. Auch wenn es mittlerweile schon egal war. Seltsam. Triumph konnte also wirklich bitter schmecken.

 

„Was passiert mit ihr?“, fragte der Mann jetzt leise.

 

„Sie wird nach Askaban kommen. Wahrscheinlich für einige Jahre. Aber sie wird daran nicht sterben.“

 

„Das wissen Sie nicht.“

 

„Nein, das weiß ich nicht sicher. Aber das werden wir vor Gericht aussagen. Und das wird das letzte Urteil dann auch sein. Es tut mir wirklich leid“, fügte er schließlich hinzu, denn ihm ging auf, dass er den Gefallen, um den ihn sein Klient gebeten hatte, nicht erfüllen konnte. Ihm waren die Hände gebunden. Er verstand sehr gut, dass Edgar die Strafe auf sich nehmen wollte. Dass er nicht wollte, dass Annabelle nach Askaban musste. Aber er wusste auch, dass Unschuldige nicht bestraft werden durften. Egal, wie nobel ihre Absichten waren.

 

„Ja. Danke, Mr Malfoy“, entgegnete der gebrochene Mann vor ihm und Draco kam sich furchtbar schäbig vor.

 

Das Klopfen an der Tür riss ihn und Edgar aus ihren Gedanken. Dunkle Locken schoben sich durch den Spalt. Sein Herz setzte kurz aus.

 

„Hermine“, sagte er jetzt und konnte den Klang seiner Stimme nicht recht zuordnen.


„Hey, sag mal, habt ihr kurz Zeit?“, fragte sie und Draco erhob sich übergangslos. Edgar nickte Hermine ebenfalls zu und er wusste sofort, warum Hermine so etwas fragte.

 

Er erkannte Annabelle hinter ihr stehen.

 

„Was tust du?“, knurrte er jetzt und schloss den Abstand zu ihr. „Du kannst sie nicht hier her bringen! Sie erkennt ihn nicht mal mehr“, fuhr er ungehalten fort.

 

„Nein, aber sie weiß jetzt alles und sie wollte ihn sehen“, brauste seine Exfrau auf.

 

„Sie kann aber nicht-!“ Aber Annabelle hatte sich an Hermine vorbei geschoben.

 

„Edgar Fowler“, sagte die Frau bestimmt. Natürlich kannte sie den Mann. Aber sie kannte ihn nur noch als Todesser, der sie angeblich gefoltert hatte. Nicht als den Mann, mit dem sie in die Vergangenheit gereist war um dessen Bruder zu töten, weil dieser sonst ihre Mutter getötet hätte. Nur weil sie eine Muggel war.

 

Edgar schluckte schwer und Draco war sich nicht sicher, ob er Annabelle aus seinem Büro werfen konnte.

 

„Annabelle“, erwiderte der Mann und die Sehnsucht in seiner Stimme, war Draco beinahe zu viel.

 

„Sie haben das alles auf sich genommen“, flüsterte sie und Edgar erhob sich, ohne dass Draco seine Zustimmung gegeben hatte. Aber was sollte er tun? Es verbieten? Edgar verhexen und ihn auf dem Stuhl fesseln? Wohl eher nicht.

 

„Komm“, sagte Hermine ruhig.

 

„Was?“, zischte er und starrte sie an. „Ich lasse mich doch nicht aus meinem Büro zwingen!“, ergänzte er böse. Sie sah ihn mit Nachdruck an und er fragte sich, wann er das letzte Mal einen Streit gewonnen hatte. „Das ist verboten, Hermine“, setzte er hinzu. Aber selbst dieser Einwand ließ sie mäßig kalt.

 

„Einiges ist verboten, oder?“, fragte sie leise und schenkte ihm ein feines Lächeln. Ihre Hand schob sich unauffällig in seine und ihre Augen wirkten plötzlich intensiver als vorher. Kurz wurde seine Kehle trocken und er ließ sich tatsächlich von ihr aus seinem Büro ziehen. Sie schloss die Tür und er lehnte sich dagegen.

Ms Granger, was haben Sie vor?“, fragte er rau. Sie lehnte sich lächelnd gegen ihn, ehe sie nach links und rechts gesehen hatte, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war.

 

„Mal sehen, Mr Malfoy. Wahrscheinlich wonach mir die Lust steht“, erwiderte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie küsste seine Lippen und er vergaß die Tatsache, dass sie diskret hatten sein wollen, und er sie erst am Abend wiedersehen wollte. Seine Hände legten sich auf ihre Hüften und kamen dort zum Liegen, während er mühelos ihre Lippen mit seiner Zunge teilte. Sie erwiderte seinen Kuss und er zog sie heftig an sich. Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken und nach einer Weile zog er den Kopf zurück. Sein Atem ging schnell in seiner Brust. Ein Schleier hing vor ihren Augen und er liebte es.

 

„Glaub nicht, dass ich vergesse, dass du gerade Ministeriumsgesetze brichst. Nur weil du deinen Körper einsetzt, heißt das nicht, ich würde vergessen, dass…“ Aber er vergaß exakt, was er nicht vergessen wollte, als sie sich enger an ihn lehnte. „Sie wollen mich verführen“, schloss er langsam und fixierte ihr Gesicht.

Kurz hoben sich ihre Mundwinkel, und sie wirkte ertappt. Aber er roch die Finte.

 

„Warum?“, fragte er leise. „Weshalb solltest du etwas wichtiges wie deine Karriere aufs Spiel setzen und zu mir kommen und mich mitten auf dem Flur-“ Doch er unterbrach sich. Blaise bog gerade um die Ecke.


„Hallo“, rief dieser erstaunt aus, und Draco glaubte, dass Hermine etwa eine Sekunde zu spät zurückgewichen war. Das würde das Lächeln auf den Zügen seines Freundes erklären. „Draco, kann ich in dein Büro, die Berichte einsammeln?“ Draco wollte schon fast nicken.


„Nein! Im Moment ist es nicht-“

 

Doch Blaise hatte einfach nach der Klinke gegriffen und war in sein Büro getreten. Draco setzte ihm nach und verharrte dann stocksteif in der Tür.

 

Sein Büro war leer.

 

Gefährlich ruhig und mit aufkommendem Zorn wandte er sich zu ihr um. Sie wirkte bereit, einen Kampf zu kämpfen, einen Streit zu beginnen und ihn gleichzeitig zu verfluchen und mit ihren Händen umzubringen. Sie war umwerfend aus. Aber er verdrängte diese Tatsache.

 

„Wo sind sie?“, presste er leise hervor.

 

„Wer?“, fragte sie scheinheilig ruhig und er umfing ihre Schultern. „Hermine, was hast du getan?“, knurrte er und Blaise kam wieder raus.

 

„Wie ich sehe, versteht ihr euch?“, erkundigte sich Blaise.

 

„Nein, tun wir nicht!“, erwiderte Draco ungehalten und zog Hermine in sein Büro. Es war ihm egal, was Blaise dachte. „Was wird das?“ Er warf die Tür ins Schloss und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.


„Was denkst du, was das wird?“ Er hob die Hände.

 

„Ich weiß es verflucht noch mal nicht! Du brichst alle Gesetze auf einmal. Du entführst unsere Klienten. Den Angeklagten, das Opfer – oder umgekehrt. Wo sind sie und bist du eigentlich verrückt geworden?“ Er wartete, aber sie schien ihm nicht antworten zu wollen.

 

„Wo sind sie?“, wiederholte er lauter als zuvor. „Nein, viel wichtiger: Kommen sie zurück?“, verlangte er drohend zu wissen und kurz schien die Zeit still zu stehen. Er atmete aus und fühlte sich völlig machtlos. „Hermine!“, fügte er böse hinzu und sie wirkte Merlin sei Dank recht schuldbewusst.

 

„Ich glaube nicht, dass sie wieder kommen“, sagte sie, als wäre es von keiner weiteren Bedeutung.

 

„Du glaubst nicht, dass…“ Die Worte hingen im Raum. Schwer und völlig absurd. Dann begriff er. „Der Zeitenumkehrer“, sagte er jetzt. Sie streckte ihm trotzig das Kinn entgegen.


„Es war Annebelles Idee.“ Jetzt wurde er wütend.

 

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“, schrie er jetzt. „Und wenn schon! Wenn die Muggel von der Brücke springt, dann tust du es doch nicht auch. Was ist in dich gefahren? Hast du mir nicht erklärt, dass es eine Sünde ist, das Gesetz zu brechen, verflucht?“, fuhr er fort und musste einige Schritte gehen.

 

„Draco, ich-“

 

„Nein! Ich werde es Donald sagen. Wohin sind die beiden? Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Du, ausgerechnet du?“ Sie schien abzuwarten, bis er sich beruhigen würde, aber das hatte er nicht vor!

 

Es klopfte erneut. „Nein!“, schrie er zornig, aber die Tür öffnete sich trotzdem.

 

„Da sind sie beide. Ms Granger, Sie werden nicht glauben, was vorgefallen ist. Mr Malfoy, Sie warten doch bestimmt schon auf Mr Fowler. Der Wachmann hat mir gesagt, er hätte ihn nicht aufgefunden.“ Draco stutzte und begriff gar nichts mehr.


„Der Wachmann?“, wiederholte er. „Er hat ihn mir doch hier hin gebracht!“, erklärte er und fing dann ihren Blick auf. Beinahe verzweifelt ernst sah sie ihn an.

 

„Heute? Meinen Sie wirklich heute? Also war Fowler schon bei Ihnen? Malfoy?“ Donald sah ihn erwartend und verwirrt an. Er konnte nicht verhindern, ihr Gesicht nach einer Antwort zu durchsuchen. Sie flehte völlig stumm. Und er konnte nicht fassen, dass er nachgab. Er konnte nicht begreifen, dass er sie gewinnen ließ. Liebe war eine scheiß Angelegenheit.

 

„Ahem, nein. Ich… habe mich wohl vertan, Donald. Edgar war heute noch nicht bei mir“, schloss er schließlich, ohne sie aus den Augen zu lasen.

 

„Das dachte ich mir. Ihre Klientin ist nämlich tatsächlich verschwunden, Ms Granger. So, wie Sie es gesagt haben!“, fuhr Donald nämlich fort und Hermine wirkte überzeugend schockiert.

 

„Nein, wirklich? Aber was hat das zu bedeuten?“

 

„Sie erinnern sich doch an den Zeitenumkehrer-Fall? Sie wird ihn mitgenommen haben. und anscheinend steckt sie hinter all den Vorwürfen. Sogar dem Verschwinden von Fowlers Halbbruder!“, brauste Donald auf. „Es ist ein Riesenfall!“, fuhr er fast hysterisch fort. „Und jetzt glauben die Leute aus der Strafverfolgung, sie hätte nur den Moment abgepasst, um Fowler zu holen und mit ihm abzutauchen. Aber wie sind ihnen dicht auf den Fersen!“ Hermine wirkte verzweifelt.

 

„Ja, das hoffe ich doch. Ich meine, wenn wir nicht bald mit den Verhandlungen anfangen, dann ist die ganze Sache bis zum Jahresende verjährt!“ Donald nickte aufgebracht.

 

„Machen Sie sich keine Gedanken. Wir sind dicht dran!“, versprach er.


„Tut mir leid, Malfoy. Was für eine Wahnsinnsstory“, sagte er schließlich und wirkte zufrieden. „Der Tagesprophet kommt morgen auch vorbei!“

 

Und dann waren sie wieder allein. Er schüttelte schließlich anerkennend den Kopf.

 

„Du hast also Donald getäuscht, falsche Spuren ausgelegt und dem Wachmann einem Vergessenszauber verpasst.“ Sie wirkte gereizt.

 

„Was hätte ich machen sollen?“, gab sie kleinlaut zurück.


„Das Gesetz befolgen? So wie du es mir befohlen hast, vielleicht?“ Er konnte nicht fassen, dass sie das getan hatte. „Weil du es nicht auf dir hattest sitzen lassen können, dass eine Muggel zu so etwas fähig ist, hast du ihr ermöglicht, sich aus der Affäre zu ziehen?“ Er sah sie herausfordernd an.

„Was, wenn sie vor Jahresende gefunden werden?“, fuhr er fort.

 

Plötzlich hoben sich ihre Mundwinkel.

 

„Dann werden denke ich mal einige Menschen enttäuscht sein, wenn sie feststellen, dass die Akte von Humphrey Gold geschlossen wurde“, erklärte sie. Sein Mund öffnete sich verblüfft.


„Die Akte ist…?“ Dann klärte sich sein Blick. „Du hast die Akte geschlossen. Damit ist der Fall abgehandelt. Du hast… du bist… das kann doch nicht…!“ Er war so aufgebracht, dass er kurz nicht wusste, was er dazu sagen sollte.

 

„Du hast gesagt, er liebt sie und er würde für sie nach Askaban gehen wollen.“ Er konnte nicht fassen, dass sie dieses Argument aufgriff.

 

„Na und? Du hast mir erklärt, wie sinnlos dieses Unterfangen ist, weil sie sowieso beide nicht damit durchkommen würden. Du warst es doch, die gesagt hat, dass es keinen Weg um das Gesetz gibt! Ist dir klar, dass du jetzt diejenige ist, die sich verantworten muss, wenn es raus kommt?“

 

„Du meinst, wenn du es verrätst? Ja, das ist mir klar, Draco“, gab sie zurück.


„Du scheinst ja verfluchtes Vertrauen in mich zu setzen“, knurrte er böse.

 

„Nein. Aber ich vertraue auf deine Menschlichkeit“, erwiderte sie.


„Aber mir nicht?“ Kurz war er entwaffnet von ihrer Kühnheit.

 

„Was? Willst du jetzt schon die mobile Strafverfolgung rufen, oder kriege ich einen Tag sportlichen Vorsprung?“, erkundigte sie sich ernst und er öffnete den Mund.

 

„Ich kann nicht fassen, dass du das getan hast. Du hast meine Ansichten völlig untergraben. Wenn ich deine Geschichte unterstützte, bringe ich mich selber in Gefahr. Wie kannst du glauben, dass ich dir helfe bei diesem Plan?“

 

„Weil…“, begann sie, aber sie sprach nicht weiter.


„Komm schon, ich bin interessiert. Weshalb, Granger?“ Ihren Nachnamen zu benutzen fiel ihm jetzt gerade leichter. Sein Zorn würde überkochen und er würde bestimmt irgendetwas kaputt fluchen.

 

„Meinetwegen kannst du es Donald sagen. Ich plane sowieso nicht, diesen Job zu behalten.“

 

„Das wirst du auch nicht können, wenn ich es Donald sage“, erwiderte er lakonisch.

 

„Also sagst du es ihm?“

 

„Warum? Musst du dann deine Flucht planen?“ Er war wirklich böse. Natürlich hatte er auch darüber nachgedacht, Edgar zu helfen. Aber sie war es doch gewesen, die ihm solche Gedanken verboten hatte! Sie wollte ihre Muggel beschützen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie herausgefunden hatte, dass ihre Muggel die Schuldige war. Anstatt sie auszuliefern, verschiffte sie beide weiß Merlin wohin.

 

Er war wütend auf sie. Und er wusste, er hatte jetzt alle verfluchten Fäden in der Hand. Wenn er zu Donald ging und sagte, er hatte nichts damit zu tun, dann… dann… würde Granger ein Verfahren am Hals haben. Dann würde sie Strafe zahlen und vielleicht in eine ziemlich lange Haft kommen. Lang für sie zumindest.

 

Konnte er das tun? Er musste es tun.

 

„Weißt du was? Du kannst-“ Doch er erfuhr nicht, was er konnte, denn seine Tür öffnete sich erneut. Und er und Granger waren beide gleichermaßen überrascht.

 

„Ich hätte nicht gedacht, Sie hier zu treffen“, sagte Astoria kühl in Richtung Granger und schenkte ihm einen bösen Blick. „Hattest du vor, dich überhaupt noch einmal zu melden, oder… passt es dir nicht mehr in deinen privilegierten Plan, Draco Malfoy?“ Er konnte sehen, wie Granger die Hände zu Fäusten ballte und den Blick abwandte.

 

„Ich… bin noch nicht dazu gekommen“, sagte er und fixierte dabei seine Exfrau. Nicht seine eigentliche Geliebte. Er hatte erwartet, dass Astoria zu stolz sein würde, um noch einmal aufzutauchen.

 

„Ich muss gehen“, sagte Granger. Ob sie es zu ihm oder Astoria sagte, wusste er nicht genau. Sie hatte sich abgewandt und war zur Tür gerauscht, ehe er etwas erwidern konnte.

 

„Was hat sie hier zu suchen gehabt, Draco?“, fragte Astoria eifersüchtig und Draco stieß langsam die Luft aus.

 

„Nichts“, sagte er schließlich sehr ruhig.

 

„Ich hoffe doch, du hast deine Meinung nicht geändert. Kommst du jetzt endlich mit mir? Du hast nicht unendlich viele Chancen, das weißt du hoffentlich!“, sagte sie mahnend und streckte ihre beringte Hand nach ihm aus. Der rote Nagellack auf ihren Fingernägeln biss sich mit dem roten Ton ihres Kleides.

 

Und er zögerte kurz.

 

Was konnte er schon tun? Er musste das Richtige tun. Er musste es Donald sagen, er musste versuchen Edgar und Annabelle zu finden und wenn er Glück hatte, dann würde er heute mit Astoria schlafen können.

War das Glück? Was hatte er schon für Alternativen?

Was wollte er überhaupt noch? Wollte er Astoria? Granger war ja gerade mit wehenden Fahnen aus seinem Büro verschwunden. Und wenn er ihre vorsintflutliche Angst richtig deutete, dann würde sie packen und besser verschwunden sein, bevor das Ministerium hinter ihr her war.

 

Sie war vielleicht clever und hatte alle Spuren von sich weggelenkt, aber er müsst es ja nur andeuten. Gegenüber irgendwem.

 

Kurz warf er einen Blick in Astorias abwartendes Gesicht. Dann folgte er ihr nach draußen. Er wusste, was er wollte. Er wusste, was das Beste war.

 

 

Kapitel 19

~ Love is a promise, love is a souvenir, once given, never forgotten, never let it disappear ~

 

 

„Und du musst noch mal zurück in die Wohnung?“, vergewisserte sich Ginny, nach dem sie all die Angaben von Hermine entgegengenommen, aufgeschrieben oder versteckt hatte. „Und du willst mir nicht erzählen, weshalb du plötzlich aufbrechen musst?“ Ginny war so besorgt. Und Hermine hätte ihr gerne mehr erzählt.

 

Sie war aber leider verrückt geworden, hatte hundert Gesetz gebrochen und musste sich jetzt darauf gefasst machen, dass Draco Malfoy sie jagen würde, weil er sie verraten hatte.

 

Und er war bestimmt mit dieser dämlichen Schlampe mitgegangen.

 

Sie schüttelte also den Kopf.


„Ich kann es dir jetzt nicht sagen, ok? Ich muss erst mal weg“, erklärte sie vage.

 

„Hermine, was ist passiert? Es ist etwas passiert, oder? Hast du irgendwas… getan?“ Dieser Satz kam nur schwer über Ginnys Lippen. Auch für Ginny war es wohl schwer vorstellbar, dass Hermine irgendetwas tun könnte, was sie dazu zwang, zu fliehen.

 

„Ich melde mich bei dir, sobald ich kann, ok? Sag Harry nichts und behalt alles für dich, ja? Bitte!“, fügte sie flehend hinzu. Ginny sah nicht begeistert aus, aber Hermine wusste, sie konnte immer auf ihre beste Freundin zählen. Auch bei Sachen, die eher unschön waren.

 

„Ich werde ihn umbringen, Hermine. Wenn er das nächste Mal hier auftaucht, und egal, was er will, ich werde ihn umbringen. Schlicht und ergreifend. So. Jetzt weißt du es“, informierte Ginny sie bitter.

 

„Nein, tu das nicht“, erwiderte Hermine leiser. Ginnys Augen wurden größer.

 

„Was? Das… ist nicht dein Ernst, oder?“ Sie wartete, aber Hermine seufzte schließlich.

 

„Bring ihn nicht um.“

 

„Du…. Nein, sag mir nicht, dass… du ihn magst?“, vergewisserte sich Ginny völlig ungläubig. Hermine verdrehte die Augen.


„Bring ihn einfach nicht um, ok?“ Ginny atmete gereizt aus.

 

„Wen willst du umbringen?“, fragte James neugierig und lugte hinter Ginny Beinen hervor.

 

„Deinen Vater, wenn er nicht bald mit den Einkäufen kommt“, log Ginny kühl und hob den Jungen auf die Arme. „Sag deiner Tante Hermine auf Wiedersehen, James“, befahl sie und Hermine glaubte, dass sie gerade hörte, wie Ginnys Stimme auf einmal belegt klang.

 

„Wiedersehen, Tante Hermine“, sagte James artig und winkte leicht. Hermine hob auch ihre Hand.


„Grüß Harry“, sagte sie noch, ehe sie schließlich den Umhang fester um sich zog.

 

„Hermine, warte!“, rief Ginny plötzlich, setzte den Jungen ab und verschwand in der Wohnung. Etwas ratlos wartete sie mit dem Jungen.

 

„Du, Tante Hermine“, flüsterte James jetzt und Hermine ging in die Knie. „Eigentlich hab ich keine Angst vor Mommy“, behauptete der Junge kleinlaut. „Aber ich denke, es ist besser, wenn sie das glaubt“, fügte er leiser hinzu. Hermine hätte fast gelächelt.


„Ja, ich glaub auch“, murmelte sie zuversichtlich.

 

„Gehst du zu Onkel Draco?“, fragte er jetzt, noch leiser, denn er wusste wohl wie sensibel seine Mutter auf diesen Namen reagierte. Jetzt lächelte Hermine.

 

„Nein, James. Ich gehe woanders hin.“

 

„Oh, aha“, sagte der Junge wissend. „Also, wenn du heiraten gehst, dann kannst du mich auch heiraten, ok?“, fragte er vorsichtig. Hermine hätte fast gelacht.


„Ich gehe heiraten? Wer erzählt das denn? Und das ist sehr fürsorglich von dir, James“, fügte sie noch hinzu, denn sie fühlte sich sehr geschmeichelt.

 

„Ja, Dad hat gesagt, dass du auch Onkel Ron heiraten könntest, damit du nicht mehr alleine bist“, erklärte James und wirkte auf sie sehr altklug.

„Aber du kannst doch Onkel Ron nicht heiraten, oder? Das geht doch gar nicht“, sagte er jetzt und Hermine nickte langsam.

 

„Nein, das wäre unmöglich. Da hast du Recht“, bestätigte sie. Ginny kam zurück und drückte Hermine ein Bündel in den Arm.


„Hier. Ich bin sicher, Harry macht es nichts aus. Und wo immer du hingehst, pass auf, ja!“, befahl sie, als würde sie mit ihrem Sohn sprechen.

 

„Aber Ginny!“ Sie erkannte Harrys Tarnumhang und schüttelte den Kopf. „Den kann ich unmöglich annehmen!“, erklärte sie und hielt ihn Ginny entgegen.

 

„Unsinn! Du brauchst ihn wohl dringender als Harry“, schnitt Ginny ihr jedes weitere Wort ab. James zeigte interessiert auf den Umhang, den er wohl gerade erkannt hatte.


„Das ist doch Daddy Zauberumhang, der-“

 

„Du gehst rein und wäschst dir gefälligst die Hände, hörst du?“, unterbrach ihn Ginny rigoros und James wirkte beleidigt.


„Aber Mum!“, protestierte er, aber Ginny zeigte herrisch in die Wohnung. Der Junge ging schließlich und Hermine wandte sich auch mit einem Nicken ab.

 

Sie hielt an der Treppe kurz inne. „Oh, und sag Harry, er kann sich seine Ron-Hochzeitstheorie sonst wo hin stecken“, sagte sie mit einem knappen Lächeln. Ginny hatte wenigstens den Anstand ein kleines bisschen rot zu werden. Immerhin, dachte Hermine, schüttelte Harrys Umhang aus, der ihr so vertraut war und warf ihn über ihre Schultern.

 

Unsichtbarkeit verschluckte sie sofort. Ohne ein weiteres Wort eilte sie die Treppen hinunter.

 

Und sie hatte keine Ahnung, wann sie verrückt geworden war. Irgendwann zwischen dem ersten Arbeitstags und dem Zeitpunkt, an dem sie Draco erlaubt hatte, sie zu küssen, nahm sie an. Draco….

Wie hatte sie annehmen können, über ihn hinweg zu sein? Aber sie würde diese Frage bestimmt nicht laut äußern, obwohl Ginny mittlerweile ziemlich genau wissen musste, was in ihr vorging.

 

Und sobald Ginny herausfand, was sie getan hatte, würde sie es auch bereuen, ihr den Tarnumhang gegeben zu haben. Der Tagesprophet kam schließlich morgen und Draco könnte ihnen brühwarm erzählen, wie Hermine Granger Straftätern zur Flucht verholfen hatte.

 

Ihr wurde ganz übel. Dann würde sie auch ein gejagtes Opfer sein. Oh nein, oh nein! Das würde ihr gar nicht gut stehen und ihre Eltern würden wahrscheinlich kein Wort mehr mit ihr sprechen. Das taten sie schon seit der Scheidung kaum noch.

 

Ein Fehler kam selten allein, ging Hermine auf. Es war, als käme sie erst richtig in Schwung. Abzuhauen kam ihr auch nicht gerade wie die beste Idee vor, aber sie würde den Teufel tun, und darauf warten, dass Draco die Auroren auf sie hetzen konnte.

 

Sie musste schleunigst nach Hause und war sogar ziemlich dankbar, den Umhang zu tragen, denn wer wusste schon, wem Draco es alles gesagt hatte. Eine bittere Stimme erinnerte sie daran, dass er wohl gerade sowieso bei Astoria war und wohl gerade nicht die Zeit dafür hatte, Geschichten zu verbreiten.

 

Sie hasste – sie hasste – Astoria Greengrass. Mit ihrem blöden Kleid, ihren Juwelen an jedem Finger, ihrem reichen Vater, ihrem Reinblutstatus und ihrem Gespür, wann geschiedene Männer verzweifelt genug waren, sie ran zu lassen.

Und sie hasste Draco, weil er es tat.

 

Es war schon eine Weile her, dass sie sich wie ein Dieb auf der Flucht gefühlt hatte. Viel zu, viel zu lange her! Sie schlich durch die Straßen, hatte Angst zu apparieren und eilte von Ecke zu Ecke. Sie versuchte den Gesprächen zu lausche, aber natürlich drehte sich kein einziges um ihr Verschwinden, oder ihr glorreiches Manöver, dass so viel Chaos im Ministerium ausgelöst hatte.

 

Das Verrückte war, sie war sogar etwas stolz darauf, den armen Menschen geholfen zu haben. Zwar war es nicht rechtens, das wusste sie, aber sie hatte nicht zusehen können, wie das Gesetz Menschen bestrafte, die nur versuchten, sich zu schützen und andere zu retten. Sie wusste, Mord war immer furchtbar und gehörte bestraft, egal, wie gerechtfertigt er auch manchmal war.

 

Sie wusste das. Sie wusste auch, dass eine Scheidung die Ehe aufhob und bestimmt nicht dazu gedacht war, das Feuer wieder anzuheizen. Wie schwer es gewesen war, sich zu überwinden, Annabelle mit zu Dracos Büro zu nehmen und ihn nach draußen zu holen, damit die beiden verschwinden konnten.

 

Und wie leicht es gewesen war, ihn zu küssen. Mitten auf dem Flur. Sie erinnerte sich, dass sie das früher auch getan hatten, bis Blaise sich beschwert hätte, dass es in der Abteilung zugehen würde, wie in einem Freudenhaus. Übertrieben war diese Aussage allemal gewesen, aber sie hatte sich schwer daran erinnert gefühlt.

 

Sie konnte ihr Gebäude schon sehen. Sie hatte ja sowieso nicht vorgehabt, dort zu bleiben. Sie hatte ja nie vorgehabt, irgendwo zu bleiben. Sie hatte sich nirgendwo Zuhause gefühlt. Außer bei…. Nein! Auch bei ihm nicht, denn sie hatte ja die Scheidung gewollt!

 

Es war so kompliziert.

 

Aber… nicht immer. Nein, sie hatte heute etwas erlebt, was ihre Welt um einiges auf den Kopf gestellt hatte. Nein, komplett auf den Kopf gestellt hatte. Sie hatte schließlich sogar ihre geliebten Gesetze dafür gebrochen.

 

Sie hatte es Annabelle gesagt. Hatte ihr gesagt, dass Edgar, der ehemalige Todesser, niemals auch nur versucht hatte, Hand an sie zu legen. Sie hatte ihr gesagt, was sie gesehen hatte, dass sie ihre Mutter gerächt hatte und dass sie es gewesen war, die alles getan hatte.

 

Dass Edgar wegen ihr in Askaban gesessen hatte, dass er wegen ihr all das auf sich genommen hatte. Und dass er sie mit einem Vergessenszauber belegt hatte, damit ihr nichts zustoßen würde.

Und dass es im Nachhinein nichts genutzt hatte.

 

Und sie hatte es in ihrem Gesicht gesehen. Sie hatte den Schmerz gesehen, den Annabelle empfunden hatte, weil sie sich so lange nicht mehr an den Mann hatte erinnern können, der all dies für sie getan hatte. Weil sie solange alleine gelebt hatte und den Mann gehasst hatte, der sie angeblich gefoltert hatte.

Hermine erinnerte sich an die endlosen Stunden im Ministerium, als Annabelle und sie den Mann angeschrieen hatten, ihn gezwungen hatten, zu gestehen.

 

Dabei hatte Draco Recht gehabt.

 

Sie seufzte leise. Annabelle hatte, so wie sie, eingesehen, welche Vorurteile sie gehabt hatte. Und ohne Zögern hatte sie verlangt, was Hermine nicht gewagt hatte, vorzuschlagen. Annabelle wollte den Zeitenumkehrer, der zu der Kette gehörte die sie trug. Und es hatte Hermine ein paar illegale Zauber gekostet, um den Wachmann weich zu kriegen, ihr zu sagen, wo Edgar gelebt hatte und sie hatte die gesamte kleine Bleibe verwüstet, bis sie den Umkehrer unter den Dielen gefunden hatte.

 

Sie hatte mit Annabelle diskutiert und ihr erklärt, dass sie sich nicht mehr an die Gefühle erinnern würde, selbst wenn sie diesen Mann jetzt wiedersehen würde.

 

Und Annabelle hatte folgendes zu ihr gesagt: „Selbst wenn die Gefühl nicht mehr da sind, die einmal da waren, wie könnte ich mich denn nicht noch hundertmal in ihn verlieben, wenn er doch sein Leben für mich geben würde?“ Hermine hatte keine Antwort auf diese Frage gewusst. Annabelles Zuversicht war mehr an Zuversicht, als Hermine jemals erfahren oder gekannt hatte.

Es war eine Zuversicht, die einem Flügel verlieh.

 

Und Hermine hatte nicht anders gekonnt. Jeder hätte so gehandelt, nahm sie an. Sie hoffte es zumindest. Und anscheinend hatte es funktioniert. Anscheinend glaubte Annabelle ihren eigenen Worten. Denn sie und Edgar waren nicht mehr da. Hermine hatte ihr natürlich einige Orte genannt, an denen sie sich verstecken konnte.

 

Und sie bereute es nicht. Mit keiner Sekunde, die verstrich, in der ihre Angst nur größer wurde. Sie stieß die Tür zu ihrem Gebäude auf. Niemand hatte sie gesehen. Sie lief eilig die Stufen hinauf, bis in den zweiten Stock.

 

Und sie hielt erschrocken inne. Sie schnappte nach Luft und hielt sie an. Sie versuchte kein Geräusch zu machen und stand komplett still am Treppenabsatz.

Aber es war, als könne er direkt durch den Umhang durch blicken.

Es war, als würde der Umhang keine Wirkung zeigen und sie wäre so sichtbar, wie auf der Straße, am helllichten Tag.

 

Sie wartete, denn vielleicht irrte sie sich. Vielleicht konnte sie langsam und sehr leise wieder kehrt machen. Vielleicht –

 

Aber ihre Hoffnungen zerschlugen sich, als er sich plötzlich erhob.

 

„Ich dachte mir, dass du noch mal auftauchen würdest“, schloss er langsam. Sie reagierte. Sie beschloss, dass er sie immerhin nicht sehen konnte, und dass sie sich nicht freiwillig zu erkennen geben musste. Ihr Herz schlug verräterisch laut.

„Es bringt dir nichts, dich zu verstecken, Hermine“, fügte er glatt hinzu. Sie erkannte mit Schrecken, dass ihre Wohnungstür angelehnt war. Sie lehnte sich ein Stück zur Seite.

 

Die Wohnungstür war nicht nur offen. Ihre Wohnung war komplett leer.

Draco Malfoy hatte ihre Wohnung räumen lassen!

 

Sie wandte sich in dieser Sekunde auf dem Absatz um. Sie achtete nicht darauf, dass sie Geräusche machte, sie wollte nur noch weg.


Accio Tarnumhang!“, rief er laut durch das Treppenhaus, und ehe sie den Umhang festhalten konnte, glitt er von ihrem Kopf, rutschte ihre Schultern hinab und segelte nach oben in seine ausgestreckte Hand. „Keine Tricks“, sagte er ruhig und diese Worte kamen ihr wieder einmal viel zu bekannt vor.

 

Er bedeutete ihr, wieder nach oben zu ihm zu kommen. Und die Entscheidung fiel nicht so schwer, dass sein Zauberstab immer noch auf ihre Brust zeigte.

Also jetzt gerade, würde sie Ginny wahrscheinlich doch erlauben, ihn umzubringen, überlegte sie dumpf, während sie ergeben die Stufen wieder nach oben stieg.

 

Sie brauchte einen Plan.

 

 

Kapitel 20

~ Love is the Answer and you know that for sure ~

 

Sie brauchte einen verflucht guten Plan und sie brauchte ihn relative schnell.

 

Sie konnte keine Regung in seinem Gesicht erkennen. Jetzt half es auch nichts mehr, stumm zu bleiben.


„Du bist in meine Wohnung eingebrochen!“, brachte sie bitter hervor.


„Oh bitte. Ich denke, du kannst mir nichts vorwerfen“, erwiderte er, immer noch erstaunlich ruhig. „Was hattest du vor? Wolltest du schnell deine Sachen packen und auf die Bahamas verschwinden?“, fragte er jetzt belustigt und senkte langsam den Zauberstab.

 

„Das war ja sehr fürsorglich, dass du sicher gegangen bist, dass ich auch absolut überhaupt nichts mitnehmen kann“, gab sie wütend zurück.

 

„Das hat mir Fürsorge wenig zu tun“, erwiderte er. Er regte sie wirklich auf.


„Ich weiß, Malfoy. Das war Sarkasmus“, fügte sie knurrend hinzu. Jetzt lächelte er.

 

„Also?“, fragte er.

 

„Also, was? Rufst du jetzt deine geliebte mobile Strafverfolgung? Kannst es bestimmt kaum erwarten.“ Böse sah sie ihn an und wusste noch nicht genau, wie sie fliehen sollte. Länger mit ihm zu sprechen, würde ihr auch nicht helfen.

 

„Also, was hast du jetzt vor?“, fragte er und ignorierte ihre Worte völlig.

 

„Was? Was ich vorhabe? Ich werde bestimmt nicht noch länger hier stehen und mit dir reden. Wenn ich jetzt sowieso auffliege, dann entscheide ich, wann und wo. Nicht du“, ergänzte sie zornig.

 

„Weißt du, was interessant ist?“, fuhr er langsam fort und schien ihr wieder nur halb zugehört zu haben.

 

„Nein. Und es interessiert mich nicht.“ Das stimmte. Es interessierte sie wirklich nicht.

 

„Oh, ich denke schon. Wieso fragst du nicht, wo deine Sachen sind?“, erkundigte er sich gedehnt. Sie stutzte.

 

„Wieso sollte mich das interessieren? Du wirst dich schon darum gekümmert haben, dass sie in die fleißigen Hände der Auroren fallen.“ Ihr ging auf, dass dann wohl Harry hinter ihr her sein würde. Dann hatte sie wohl überhaupt gar keine Chance.

 

„Falsch geraten. Ich nehme an, dreimal raten wäre fair?“, schlug er ihr vor und sie verdrehte die Augen.


„Ich habe keine Lust auf deine Spiele!“

 

„Aber du hast keine Wahl, oder?“ Langsam kam ihr die Sache komisch vor.

 

„Dann sag es. Sag es einfach und wir bringen das hier zu Ende“, ergab sie sich genervt.

 

„Das macht wenig Spaß, aber bitte.“ Er hob die Hände in stummer Resignation. „Deine Sachen befinden sich in Halmond’s Grove“, erklärte er lapidar. Sie runzelte die Stirn.

 

„Clever. Du bringst meine Sachen also in deine Straße“, erläuterte sie diese Information jetzt. Er schwieg und wirkte zufrieden. Ihr wurde es zu bunt.

„Ok? Und jetzt? Was willst du? Dass ich mich selber ausliefere?“

 

Plötzlich wurde er geschäftig, steckte den Zauberstab in den Hosenbund und kam auf sie zu.

 

„Nicht direkt, nein“, gestand er und ihr Herz schlug schneller. Wollte er sie jetzt angreifen? Ohne Zauberstab. „Ich schlage dir einen Deal vor. Einen Deal, bei dem wir beide möglichst unbeschadet davon kommen werden, hoffe ich.“ Sie kannte die Malfoy Deals. Einer blieb immer auf der Strecke, wenn nicht schlimmer. Einer litt immer mehr. Und sie nahm an, sie würde tödliche Qualen erleiden.


„Niemals“, sagte sie also fest und sah ihm direkt in die blauen Augen.

 

„Denkst du wirklich du hast hier eine Wahl?“, erkundigte er sich spöttisch und sie fragte sich wirklich, wann die Auroren kommen würden, um sein Spiel zu beenden.

 

„Warum tust du dann so, als hätte ich eine?“, giftete sie, bereit ihn zu verfluchen. Er schien das auch zu erkennen.

 

„Weil es gute Form ist“, erwiderte er. „Also gut. Genug der Höflichkeiten. Ich schlage dir hiermit meine Bedingungen vor.“

 

„Bedingungen wofür?“, schnappte sie wütend. „Dafür, dass ich mich-“ Er hob den Zeigefinger.


„Ruhig, Granger. Ich kann es nicht leiden, unterbrochen zu werden.“

 

„Dann solltest du zu deiner Schlampe zurück gehen. Sie ist dir bestimmt hörig. Wartet sie unten? Hast du sie hinterm Haus angebunden?“ Er schloss den Abstand.


„Sei einfach still, ok?“ flüsterte er und zum ersten Mal klang er eine Spur ernster. Nicht mehr zufrieden oder gelassen. Nein, diesmal erkannte sie seine Angespanntheit, seine Nervosität, hinter der eiskalten Fassade. Und sie wollte nicht gehorchen, aber eine seltsame Macht in ihrem Innern, zwang sie schließlich doch genau dazu.

 

Er schien selber überrascht, dass sie seinen Worten anscheinend Folge leistete.

„Du hältst also wirklich den Mund?“, erkundigte er sich beinahe überrascht und sie sog die Luft gereizt durch die Nase ein.


„Ich interessiere mich nicht für deinen Deal, Draco. Wenn es nur darum geht, wann ich ins Gefängnis gehe und ob ich mein eigenes Handtuch mitnehmen darf, dann will ich es nicht hören!“, zischte sie.

 

„Du willst anscheinend unbedingt ins Gefängnis, richtig?“ Er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Das ist zwar keine einzige Bedingung meines Handels, aber ich bin sicher, ich kann sie für dich auch noch mit einbauen, wenn du darauf bestehst“, fuhr er gönnerhaft fort. Sie stutzte kurz.

 

„Was ist das für ein Spiel? Und wann bist du fertig damit? Hörst du dich selber gerne reden? Aber ja. Ich hab ganz vergessen, dass du ja dein größter Fan bist“, beantwortete sie bitter ihre eigene Frage. Jetzt grinste er wieder breiter.

 

„Hältst du jetzt endlich deine Klappe, Granger?“ Protestierend öffnete sie den Mund, aber er wedelte schlicht mit seiner Hand. „Nein. Also, der Deal ist, dass du mit mir kommst. Und um die Frage zu beantworten, nein, Astoria ist nicht unten angebunden. Es wäre ein großer Zufall, würde sie überhaupt noch einmal auftauchen“, erklärte er plötzlich und schien ernsthaft darüber nachzudenken.

 

„Ich komme nicht mit dir!“, unterbrach sie ihn entrüstet. „Das wäre ja noch schöner!“

 

„Dann kannst du in einer Wohnung ohne Mobiliar wohnen, fürchte ich. Und Avalon wäre höchst enttäuscht“, fügte er knapp hinzu.


„Was?“, flüsterte sie verwirrt und schüttelte den Kopf. Was wollte er zum Teufel noch mal von ihr? „Was hat Avalon damit zu tun? Und was glaubst du eigentlich? Dass du mich gefangen halten kannst? Mich zu deiner persönlich Sklavin machst? Vergiss es! Dann stelle ich mich lieber heute Abend noch!“ Kurz wirkte er verschlossen.

 

„Anscheinend hörst du mir nicht zu“, stellte er schließlich fest. „Schön“, schloss er recht kühl. „Wenn du deine Sachen wieder haben möchtest, dann sag Bescheid, dann veranlasse ich einen neuen Transport“, erklärte er schließlich.


„Du hast meine Sachen gestohlen, damit ich sie mir wiederholen kann? Sehr geschickter Schachzug, wirklich“, gab sie zurück und verstand immer noch nicht, wo der Haken an dieser Sache war. „Was musstest du Avalon sagen? Dass du Wohltäter wirst und jetzt Menschen Sachen schenkst, die du von woanders stiehlst?“ Sie kam erst gerade richtig in Fahrt, jetzt wo er auf einmal nicht mehr ganz so selbstsicher wirkte.

 

„Nein. Ich habe ihm lediglich gesagt, dass er heute Abend kochen darf. Und dass er Pellkartoffeln machen soll und die Schale unter gar keinen Umständen abschälen soll.“ Kurz begriff sie nicht.

 

„Du magst keine Pellkartoffeln“, sagte sie nur.

 

„Nein, sie sind langweilig und schmecken nach gar nichts“, erklärte er, als wäre es selbstverständlich, dass sie jetzt über Pellkartoffeln sprachen.

 

„Du… hast ihm gesagt, er soll für mich kochen? Als Henkersmahlzeit?“, forschte sie weiter und lächelte freudlos. Er schwieg ganz kurz.

 

„Du denkst… ich würde dich wirklich ausliefern? Ich würde dich zwingen, zu mir zu kommen, Pellkartoffeln zu essen und dich dann mit der mobilen Strafverfolgung nach Askaban auszuliefern?“ Sie konnte den Unglauben in seinen hellen Augen erkennen.


„Was für andere Motivationen könntest du sonst noch haben, Malfoy?“

 

Jetzt schüttelte er schließlich den Kopf.

 

„Gar keine, Granger. Absolut überhaupt gar keine“, erklärte er und schritt an ihr vorbei.

 

Sie begriff es nicht.

 

„Malfoy!“, rief sie zornig und er hob widerwillig den Blick, als er die Treppe zur Hälfte runter war. „Was soll das? Du wartest hier, willst mich abfangen, nur um mir zu sagen, dass du nicht vorhast, mich zu verhaften?“ Sie fuhr sich durch die Haare. „Du klaust meine Sachen, bringst sie zu dir nach Hause und…“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf und sah ihn verstört an. „Und weiter?“

 

„Ich dachte, du wärst die schlauste Hexe des Jahrgangs, Hermine“, gab er trocken zurück. „Anscheinend ist das nur ein weltweites Gerücht“, fügte er hinzu und setzte seinen Weg nach unten fort.

 

Ihre Angst hatte sich gelegt. Die Panik war abgeklungen. Anscheinend hatte Draco Malfoy doch nicht wie ein Arschloch gehandelt und hatte sie doch nicht ausgeliefert. Jedenfalls noch nicht. Sie begriff ihn nicht. Sie stieß die Tür zu ihrer Wohnung auf. Jetzt hatte sie keine Sachen mehr.

Aber er hatte ihr eine Haufen Kerzen gelassen. Wie nett, stellte sie bitter fest. Dann musste sie wenigstens nicht im Dunkeln auf dem Boden sitzen.

 

Ihre Augen verfingen sich an der winzigen Schachtel. Anscheinend hatte er das übersehen. Aber es sah so aus, als hätte er es mit Absicht dort hingelegt.

Als sie sich bückte, um es in Augenschein zu nehmen, erschrak sie so heftig, dass sie sich fast verschluckte. Sie hatte es in derselben Sekunde erkannt.

Es war keine neue Schachtel. Es war keine unbekannte Schachtel.

 

Es war ihre Schachtel. Die Schachtel, die in ihrer Schlafzimmerschrankschublade nun schon seit einem Jahr unter den Socken versteckt lag. Ihre schwarze Samtschachtel mit dem hochkarätigen Ring, den sie geschworen hatte, niemals abzulegen. Bis dass der Tod sie scheiden würde.

 

Und plötzlich wurde sie wütend. Sie griff zornig nach der Schachtel, stürmte aus der Wohnung, ohne die Tür zu schließen und stürzte beinahe die Treppen runter, in ihrer blinden, bösen Wut. Draußen wehte eine kühle Luft und sie sah sich zornig um. Und sie erkannte seine Gestalt an der Ecke. Sie wusste, er würde gleich apparieren. Und sie tat, was ihr jetzt am sinnvollsten erschien: Sie schrie.

 

„Du blödes Arschloch!“, schrie sie so laut sie konnte, so dass sich ihre Stimme fast überschlug. Sie sah ihn inne halten. Jedenfalls glaubte sie das. „Du dämlicher Mistkerl! Gott, du bist so ein verfluchter scheiß Bastard, Draco Malfoy!“ Ihre Stimme war einige Lagen höher gerutscht, aber das lag daran, dass sie weinte, stellte sie zornig fest. Sie wischte sich über die Wange und sah, wie er sich drehte und verschwand.

 

Fast wäre sie zusammen gezuckt, als er keinen Meter vor ihr wieder aufgetaucht war. Auch er wirkte wütend.

 

„Wie wäre es, wenn du noch lauter schreien würdest!“, gab er jetzt nicht minder leise zurück.


„Halt deine Klappe! Was denkst du dir eigentlich? Was soll das hier?“, schrie sie, ohne auf seine Worte zu achten und hielt ihm die Schachtel vor die Nase. „Was willst du damit sagen? Was für ein krankes Spiel wird das hier?“, krächzte sie und wischte sich wieder über die Wangen.

 

„Wonach sieht es aus, verflucht?“, knurrte er und sie schüttelte fassungslos den Kopf.

 

„Du drohst mir eine Haftstrafe an? Du bringst mich dazu, dass ich fürchten muss die Stadt zu verlassen? Du stehst in deinem Büro mit dieser gottverdammten Schlampe und lässt mich gehen? Du lässt all meine Sachen zu dir bringen, weil du in deinem scheiß arroganten Kopf wirklich glaubst, ich würde es in Erwägung ziehen, dich zu heiraten?“, schrie sie außer sich und starrte ihn an, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Sein Kiefermuskel spannte sich an und seine Augen waren dunkel vor Wut.

 

„Wer von uns beiden ist arrogant, wenn du wirklich denkst, dass dort drin dein Ehering ist, Granger?“, gab er gefährlich ruhig zurück. Ihr Herz setzte kurz aus und sie spürte die Hitze in ihren Wangen. Natürlich kam die Hitze von den Tränen, aber kurz wurde sie von Scham abgelöst. Er hatte ihr den Wind aus den Segeln geraubt.


„Wenn dort nicht mein Ring drin ist, was soll sonst da drin sein? Es ist meine Schachtel“, sagte sie und klang aber bei weitem nicht mehr überzeugt. Die Schachtel zitterte in ihren Händen. „Und die Kerzen? Was ist damit? Ist das einfach nur deine Großzügigkeit gewesen?“

 

„Ich dachte, ich wäre ein Arschloch und ein Mistkerl und ein Bastard. Wie kannst du dann annehmen, ich sei romantisch und großzügig, Granger?“ konterte er böse.

 

„Gut“, sagte sie tonlos und die Schachtel entglitt ihren steifen Fingern und fiel auf den Asphalt. Seine Augen folgten der Bewegung und dann hob er sie wieder zu ihrem Gesicht. Sie wusste, er sah ihre Tränen. Und sie hasste es, vor ihm zu weinen.

 

„Das war dann alles?“, fragte er kalt und seine Finger spannten sich zu Fäusten an.

 

„Das war ein mieser Trick, Malfoy“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. Sie biss sich auf die Lippe, damit sie nicht noch mehr weinen musste. Es nieselte jetzt leicht. Dämlicher Sommerregen. Jetzt würde sie auch noch nass werden und hatte keine Handtücher mehr oben. Und ihre wunderschöne Schachtel, mit weiß Gott welchem bösen Inhalt, war nun schon fast durchweicht.

 

„Trick? Keine Tricks. Das habe ich dir doch gesagt“, erwiderte er ungerührt. „Und wie du siehst, bin ich hier. Nicht bei Astoria“, sagte er knapp. „Und die Auroren legen dich nicht in Ketten. Dumm und arrogant von mir anzunehmen, du würdest mit mir kommen, nachdem du gestern tausendmal meinen Namen geschrien hast.“ Er war lauter geworden und fuhr sich gereizt durch die nassen Strähnen, die ihm jetzt in die Stirn fielen.

 

Jetzt war sie tatsächlich rot geworden.

 

„Ich hasse dich!“, sagte sie und spürte die Tränen erneut. Würde er doch einfach weinen. Wäre er doch ein Mädchen und würde sie doch einfach verschont bleiben von diesen lästigen Gefühlen! „Und ich will meinen Ring zurück“, fügte sie hinzu. Ihr Blick fiel schmerzhaft auf die Schachtel, deren schöner Samtbezug nun nicht mehr zu erkennen war. Er verdrehte die Augen.

 

„Der ist bei mir.“

 

„Was ist dann da drin? Ein Todesfluch? Für mich ausgesucht?“, spottete sie mit zitternder Stimme. Er schüttelte fassungslos den Kopf.

 

„Das glaubst du wirklich? Ernsthaft?“ Sie sagte nichts. „Nein, ich will, dass du mir antwortest, verflucht!“, schrie er. „Das ist es, was du denkst? Wirklich?“ Er zog den Zauberstab zornig aus seinem Hosenbund hervor und zielte wütend auf die Schachtel. „Diffindo!“, knurrte er rau und der Samt zerplatzte. Wassertropfen stoben zur Seite und ihre Augen richteten sich nun nach unten.

 

In einer winzigen Pfütze glänzte ein Stück Metall.

 

„Ein Ring“, sagte sie tonlos.

 

„Natürlich ein Ring. Was denkst du, was in einer verfluchten Ringschachtel ist?“, entgegnete er aufgebracht.


„Aber du-“

 

„Ich habe gesagt, dein Ehering ist nicht dort drin, denn wie erbärmlich wäre es bitte, denselben Ring noch einmal zu verwenden, wo er doch schon beim ersten Mal kein Glück gebracht hat?“ Schwer atmend sah er sie an.

 

„Dann… ist das ein neuer Ring?“, flüsterte sie. „Und die Kerzen und… du wolltest mich doch heiraten?“

 

„Ja, das hatte ich vorgehabt.“ Die Bedeutung der Worte wurden ihr klar.

 

„Und jetzt nicht mehr.“

 

Er lachte hart auf. „Deine Antwort ist nein, also natürlich nicht! Was denkst du eigentlich?“

 

„Natürlich ist sie nein, du blöder Mistkerl“, entgegnete sie schniefend. „Nur eine komplett Wahnsinnige würde jemanden wie dich zweimal heiraten!“


„Gut, dass wir das geklärt haben!“ Ihre Sachen klebten an ihrem Körper und sie hustete in ihre Hand. „Du bist so ein Mädchen“, sagte er schließlich und zog sich widerwillig den Umhang aus.

 

„Ich will deinen blöden Umhang nicht!“, sagte sie leise. Er ließ die Hand gereizt sinken.

 

„Du willst meinen blöden Umhang nicht, du willst meinen blöden Ring nicht…“, entgegnete er und wischte sich wieder unwirsch die hellen Strähnen aus der Stirn.

 

„Du musst mich nicht retten, Draco!“, rief sie böse aus. „Du musst das alles nicht tun, nur weil du das Gefühl hast, mich retten zu müssen! Ich werde nicht sterben, wenn ich nass werde. Ich bin nicht aus Zucker. Und ich werde auch alleine nicht zu Grunde gehen. Eine Ehe ist nicht zwingend notwendig, um zu überleben.“

 

„Du bist so ein selbstsüchtiges Miststück“, spuckte er ihr jetzt entgegen. „Es geht immer um dich, richtig? Alles dreht sich um deine kleine Welt! Vielleicht geht es nicht darum, dich zu retten, Hermine. Vielleicht geht es nicht darum, dass du überlebst! Vielleicht geht es einmal nicht darum! Und nein, aus Zucker bist du garantiert nicht. Es ist Gift, nehme ich an. Böses, kaltes, widerliches Gift!“

 

Sie wischte die nächsten Tränen fort und wollte ihn am liebsten schlagen.


„Immer wieder! Wieso musst du es immer wieder tun? Wieso willst du dich streiten? Wieso musst du mir weh tun? Wieso, Malfoy? Du bist ein Scheißkerl“, flüsterte sie so leise, dass sie nicht annahm, dass er sie überhaupt verstanden hatte. Sie musste plötzlich lächeln. Und es tat weh, zu lächeln. „Du willst also, dass ich dich rette, wirklich?“, fragte sie spöttisch und er warf seinen Umhang auf die nasse Straße. „Der war bestimmt ein Vermögen wert“, fügte sie bitter hinzu. Er hob die Hände.

 

„Na und? Verflucht, na und?“, schrie er. Er leerte seine Taschen, warf alles, was er bei sich trug auf die regennasse Straße und fiel vor ihr auf die Knie. Schnell sog sich auch der Rest des Stoffes seiner Hose mit schmutzigem, kaltem Wasser voll. „Es ist mir scheiß egal!“, rief er aus. „Und ja“, sagte er laut und sah sie einfach nur an. „Rette mich, Hermine. Schön, dass du überlebst. Denn ich tue es nicht.“

 

Und sie weinte nur noch mehr als vorher. „Willst du, dass ich bettel? Dass ich weine? Soll ich dich anflehen?“, fragte er und sie hatte das Gefühl als wären seine Augen verdächtig hell geworden. Ob es Tränen oder der Regen war, konnte sie nicht sagen, denn seine Wagen waren so nass wie ihre.

 

Sie schüttelte stumm den Kopf. „Bitte“, sagte er schließlich und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um sie vom Boden aus anzusehen. „Rette mich“, endete er.

 

Ihr Mund öffnete sich verzweifelt und er erhob sich in der Sekunde, in der sie die Hände nach seinem Gesicht ausstreckte.

 

Seine Lippen krachten auf ihre und sie schmeckte ihn, schmeckte den Regen und grub ihre Finger in seinen Nacken. Er zog sie hart an sich, griff um ihre Hüfte, konnte sie nicht eng genug an sich pressen und seine Zunge drang unbeherrscht in ihren Mund. Sie erwiderte den Kuss stürmisch, wollte in seiner Berührung versinken und für immer verschwinden.

 

Die Gefühle in ihrem Innern explodierten förmlich und sie schlang die Arme fest um ihn. Er löste sich erst von ihr, als er komplett atemlos war.

Seine Lippen senkten sich nur eine kurze Sekunde später wieder auf ihre Lippen. Sie konnte nicht genug bekommen von seiner Perfektion, seinem Körper, der sich verzweifelt und verzehrend gegen ihren presste. Seine wunderschönen vollen Lippen, die ihren Mund immer wieder fanden und ihr fast die Besinnung raubten.

 

„Heirate mich“, flüsterte er schließlich rau als er sich das nächste Mal von ihr löste. „Noch einmal“, fügte er atemlos hinzu. Sie konnte nicht anders, als zu lachen.

 

„Ja!“, rief sie nickend aus. „Ja, Draco. Ja, ja, ja!“ Seine Mundwinkel hoben sich und er küsste sie erneut. Sie wich zurück. „Der Ring!“, sagte sie plötzlich und sofort ging er wieder auf die Knie. „Draco, es ist nass!“, sagte sie, weniger intelligent und er erhob sich wieder. Tropfend nass schob er ihr den Ring auf den Finger. Sie besah sich die Fassung und die Verarbeitung. Er war wunderschön. Wenn es möglich war, war er noch schöner als ihr erster Ring. Die Steine funkelten selbst jetzt im Regen bläulich und waren fast in das gesamte Band gefasst.

 

„Oh Draco…!“, flüsterte sie hingerissen und schüttelte wortlos den Kopf. „Du hättest nicht…“

 

„Ein Stein für jeden Monat, den wir getrennt waren“, erklärte er und lächelte. „Ich bin höchst romantisch, Granger“, fuhr er fort und zog sie wieder in seine Arme. „Nein“, korrigierte er sich selber, als sie ihn ansah. „Nicht Granger“, sagte er schließlich. „Mrs Malfoy…“ Seine Stimme klang wie ein sanftes Schnurren, als er diesen Namen aussprach und seine Lippen senkten sich langsam wieder auf ihre. Sie schloss die Augen und ergab sich seinem Kuss. Kurz löste er sich wieder. „Mrs Malfoy“, wiederholte er lächelnd und dieses Mal zog sie ihn stürmisch an sich.

                                    

Es war wie ein Zauber. Der Name fühlte sich so gut an, wenn er ihn aussprach. Glück übermannte sie völlig und sie musste ihn einfach küssen, so unwiderstehlich war das Verlangen danach.

 

Und den Regen spürte sie kaum noch.

 

 

Kapitel 21

~ Those were the moments when I actually saw him without the facade, the armor, which I loved as well, like anyone else. It was a beautiful suit of armor ~

 

„Ist es nicht furchtbar frustrierend, dass Sie beiden somit den spannendsten Fall der Rechtsgeschichte des Ministeriums aufgeben müssen, Mr Malfoy?“ Die Schreibefeder des Reporters hielt in der Luft gespannt inne und Draco überlegte. Allerdings nur kurz.

 

„Oh ja. Das ist… wirklich bitter“, erwiderte er schließlich. Er warf Hermine einen knappen Blick zu. Sie saß ihm gegenüber und sah müde aus. So müde, wie er sich fühlte. Aber es war verflucht scharf, sie so zu sehen. Denn er wusste ziemlich genau, weshalb sie so müde war. Aus demselben Grund, weshalb er müde war.

 

Und er hoffte, sie würden noch eine ganze Weile lang müde sein, wenn sie morgens aufstanden.

 

„Wirklich bitter“, bestätigte sie seine Worte und gähnte verhalten. Der Reporter nickte verständnisvoll.

 

„Sie waren bestimmt beide vollauf damit beschäftigt, nach den Verdächtigen zu suchen, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, wie schrecklich es sein muss, Wochen damit zuzubringen, die Schuldigen zu bestrafen, und dann endet man vor einem aussichtslosen Nichts. Denken Sie, die beiden werden noch einmal auftauchen, Ms Granger?“ Sie schien kurz nachzudenken.

 

„Ich kann natürlich keine Prognosen diesbezüglich machen, aber… ich halte es für sehr unwahrscheinlich.“ Draco glaubte, sie bei diesen Worten fast lächeln zu sehen, aber dem Reporter fiel es gar nicht auf.


„So, das waren wirklich genug Fragen“, unterbrach Blaise das Interview. „Wir haben hier noch einiges zu tun, Mr Walker“, erklärte er betont freundlich und schob den Mann, der noch mehr Fragen auf seinem Block hatte, zu Tür hinaus. „Das hier ist schließlich das Ministerium für Zauberei. Nicht der Tagesprophet.“ Mit diesen Worten schloss er die Tür.

 

Er reichte Hermine und ihm eines der Champagnergläser, die auf dem Tisch standen.

 

„Ich bin sehr stolz auf euch“, sagte Blaise großzügig. Hermine nippte an dem Getränk.

 

„Ich würde einiges darauf verwetten, dass du das alles geplant hast.“ Blaise musste lachen.


„Nein, bei weitem nicht. Dass ihr verlobt seid ist nur ein weiterer, kleiner Bonus. Aber ansonsten…“ Er tat so, als müsse er überlegen. „Der Halbbruder, der gerächte Tod der Mutter, der Zeitenumkehrer, die Schuldfrage, deine Menschenliebe, Hermine!“ Er trank selber einen Schluck und wirkte höchst zufrieden.


„Warum hast du den Fall dann nicht selber gelöst?“, wollte Draco gereizt wissen.


„Wo ist denn da der Spaß?“, erkundigte sich Blaise grinsend. Draco wollte gerade zum Streit ansetzen, da öffnete sich die Tür. Potter und seine Frau, samt Kind, kamen herein. Ron Weasley betrat ebenfalls streitend das Büro.

 

„Weil die Sheffield Shooters eben eine bessere Mannschaft sind. Ich kann nicht fassen, dass wir darüber schon wieder streiten müssen!“, erklärte er kopfschüttelnd.

 

„Die Mannschaft wird in der Presse nur so hoch gepriesen, weil der Sponsor ein Idiot ist, der die Zeitungen unterdrückt, Weasley“, erklärte Lucius genervt. „Sie können mir nicht wirklich erzählen wollen, dass Sie Können von Arroganz nicht zu unterscheiden wissen?“ Weasley schienen darauf einige Antworten auf der Zunge zu liegen und sein Vater musste tatsächlich lächeln. „Höflich von Ihnen, den Mund zu halten“, erklärte Lucius, ehe er Hermine entdeckte.


„Hermine!“, rief er aus und hatte für Draco überhaupt keine Augen. Er zog seine Verlobte einfach an sich. „Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich schon auf Draco eingeredet habe. Sie können sich nicht vorstellen, wie lange ich auf diesen einen Tag gewartet habe!“ Sein Vater strahlte förmlich und Draco glaubte nicht, ihn jemals strahlend gesehen zu haben. Hermine gähnte erneut hinter vorgehaltener Hand.

 

„Mr Malfoy, ich freue mich auch sehr, Sie zu sehen.“

 

„Lucius!“, widersprach sein Vater außer sich. „Hermine, wirklich. Ich denke, der Vorname sollte selbstverständlich sein!“

 

„Gut. Gerne“, sagte sie und musste ebenfalls lächeln.

 

„Komm her!“, sagte Potters Frau einfach, schob sich an seinem Vater vorbei und umarmte Hermine fest. „Ich bin froh, dass du nicht ausgewandert bist. Aber ich bin mir noch nicht sicher, ob ich ihn nicht doch umbringen soll“, fuhr sie leiser fort. Draco musste grinsen.

 

„Oh, Hermine hat mir nichts von diesen Plänen erzählt, Ginevra“, erwiderte er und Potters Frau verdrehte die Augen.


„Hermine, mach, dass er damit aufhört“, befahl sie verzweifelt.


„Draco, du bist also hoffentlich wieder im Team dabei?“, fragte Potter jetzt und Draco überlegte kurz.

 

„Schätze schon… Harry“, fügte er knapp hinzu.

 

„Ausgezeichnet.“ Potter schüttelte freudig seine Hand.

 

„Lust, wieder Trauzeuge zu sein?“, fragte Draco jetzt, möglichst bemüht, gleichgültig zu klingen. Potter verbarg das geschmeichelte Lächeln gekonnt.

 

„Sicher. Wie oft planst du, mich das zu fragen, Draco?“, fragte er jetzt mit einem spöttischen Blick und Draco zog seine Hand zurück.

 

„Nur noch dieses Mal. Versprochen“, erklärte er und hatte das Bedürfnis seine Verlobte zu küssen. Es nahm fast Überhand. Er zog sie einfach von Potters Frau weg und küsste ihre protestierenden Lippen. Die Gläser wurden zum Anstoßen in die Luft gehoben und die Leute pfiffen und johlten.

 

„Ja, Dad, weißt du, nächstes Mal heiratet Tante Mine nämlich mich!“, verkündete Potters Sohn ziemlich stolz. Er hatte keine Ahnung, was diese Aussage bedeuten sollte, aber er spürte ihr Lächeln gegen seine Lippen.

 

 

~*~

 

 

„Sind Sie sicher?“ Die großen Augen wirkten noch eifriger als sonst. „Ich könnte noch Brot backen. Oder ich könnte noch Wein kaufen gehen. Noch mehr Kartoffeln vielleicht? Ein heißer Backstein für die Füße, oder-“

 

Avalon, bitte, nimm dir frei“, sagte Draco jetzt zum fünften Mal. Der Elf wippte von einem Bein auf das andere.


„Nur noch vielleicht eine Kleinigkeit? Eine Decke? Elfentee?“ Hermine musste lachen. Draco verdrehte die Augen.

 

„Danke, aber nein. Wirklich. Wir haben, glaube ich, noch nie so viel gegessen wie heute. Noch nie so viel getrunken wie heute und ich wusste nicht einmal, dass du heiße Backsteine anbietest. Bei mir hast du das noch nie getan“, bemerkte er spöttisch.


„Egal was. Avalon kann es holen, Miss Hermine!“, versprach er und Draco atmete gereizt aus.

 

Avalon, wir sehen uns morgen. Geh schlafen, geh Sport machen, geh die Teppiche ausklopfen. Geh einfach!“, befahl er verzweifelt. Der Elf wandte sich enttäuscht ab. An der Tür hielt er inne.


„Aber… sie bleiben doch?“, fragte er vorsichtig. „Für immer? Und… bald darf Avalon eine winzige kleine Malfoy Person auf den Armen tragen? Und anziehen und baden und… Sie gehen nie wieder?“ Und seine Verlobte wurde wieder einmal herrlich rot.

 

„Also… sobald eine kleine Malfoy Person da ist, dann ist sie bei dir wohl bestens aufgehoben, Avalon. Und… nein, ich habe nicht vor, noch einmal zu gehen“, endete sie leiser. Avalon nickte feierlich, als hätte Hermine soeben einen Unbrechbaren Schwur abgelegt.

 

„Gute Nacht, Mrs Malfoy“, sagte der Elf zufrieden. Draco war es gewöhnt, von dem Elf ignoriert zu werden. Aber es machte ihm nicht besonders viel aus. Müsste er entscheiden, dann wäre Granger auch die wichtigste Person in diesem Haus.

 

„Darf ich fragen, was eine Malfoy Person ist? Oder ist das Code zwischen dir und Avalon?“ Er hatte eine Augenbraue gehoben. Sie stieß ihm sanft in die Rippe. Sie lagen gemütlich auf der breiten Couch im Salon vor dem Kamin.

 

„Vorsichtig, Malfoy. Ansonsten gibt es vielleicht keine Malfoy Person in diesem Haus mehr“, drohte sie lächelnd.

 

„Wirst du mich nach der Hochzeit auch noch Malfoy nennen?“, fragte er interessiert, während er sie näher an sich zog. Sie stemmte protestierend die Hände gegen seine Brust. „Und… muss ich dich dann auch Malfoy nennen? Weil, Granger heißt du ja nicht mehr“, informierte er sie grinsend.

 

„Du bist-“

 

Aber er küsste sie übergangslos. Sie wehrte sich halbherzig gegen diesen Überfall, ehe sie seufzend die Arme um seinen Nacken legte. Er zog sie auf seinen Schoss und plante, sie in etwa genauso müde zu machen, wie sie es heute schon gewesen war.

 

Er löste sich kurz von ihr. Strähnen umrahmten ihr Gesicht und sie sah lächelnd auf ihn hinab.

 

„Hey, ich liebe dich“, sagte er, ohne dass er sich aufhalten konnte. Kurz schien sie darüber nachzudenken.

 

„Gut“, erwiderte sie lächelnd.

 

„Biest“, knurrte er und warf sie mit seinem Gewicht zur Seite. Lachend wehrte sie sich, als er sich über sie legte. Er küsste sie hungrig und spürte seine Erektion wachsen, während sie unter ihm die Beine spreizte.

Er konnte es nicht erwarten, sie aus ihren Sachen zu schälen und ihren Körper in Besitz zu nehmen. Tausend Küsse auf ihrer seidigen Haut zu verteilen und sie zu lieben, bis sie vollkommen glücklich war.

 

Es klopfte sachte an die Tür des Salons.


Avalon!“, brauste er gereizt auf. „Wehe, du kommst rein! Ich schenke dir auf der Stelle meinen Socken, verflucht!“ Aber seine Verlobte hatte ein zu großes Herz.


„Komm rein. Er lügt“, fügte sie lächelnd hinzu. Er hasste sie manchmal. Der Elf betrat entschuldigend das Zimmer.

 

„Verzeihung, Master. Eine Eule kam gerade.“ Er verneigte sich tief und Draco glaubte, ihn lächeln zu sehen. Dämlicher Elf. Avalon verließ das Zimmer ohne weitere Schwierigkeiten.


„Eine Eule? Jetzt?“ Skeptisch betrachtete er die Karte. Es war eine gewöhnliche Postkarte. Sie zeigte eine Kirmes. Eine ziemlich alte Kirmes und im Hintergrund war ein Meer zu erkennen. Er drehte die Karte um. Nur ein paar Worte standen dort.

 

Morgen geht es nach Afrika.

A&E

 

„Guck dir das Datum an“, flüsterte Hermine in sein Ohr. Er betrachtete die gedruckten Angaben auf der Muggelpostkarte.

 

„Oh“, sagte er schließlich. Die Karte war von 1920. „Ich hoffe, sie suchen sich ein gutes Jahr aus“, murmelte er lächelnd.


„Ich liebe dich“, flüsterte sie und strich ihm sanft über die Wange. Sie sah perfekt aus, in dieser Sekunde. Sie war bei ihm. Und er würde sie nie wieder gehen lassen. Nie wieder.

 

Mrs Malfoy, darf ich Sie ins Bett geleiten?“, fragte er rau und sie schloss genüsslich die Augen bei der Erwähnung des Namens. Er hob sie auf seine Arme.

 

„Mr Malfoy, ich bitte darum“, erwiderte sie und er küsste sie noch ein weiteres Mal, ehe er sie aus dem Zimmer trug. Ziemlich eilig aus dem Zimmer trug. Denn um seine Geduld war es geschehen, seit er das letzte Mal ihre Haut hatte berühren können. Und das war nun schon einige Stunden her.

 

Und es machte ihn wahnsinnig, wenn zu viel Zeit verging. Der Rest seines Lebens hatte begonnen und er würde es bereuen, würde er nicht jede Sekunde davon nutzen, seine perfekte Verlobte zu lieben.

 

Und… im Grunde hatte er absolut gar nichts gegen eine kleine Malfoy Person. Er musste sogar lächeln, beim Gedanken daran. Er stieß die Tür zu ihrem Schlafzimmer mit dem Fuß auf.

 

„Du legst keinen Wert darauf, heute zu schlafen, oder?“, erkundigte er sich knapp, ehe er sie auf das große Bett legte und keine Sekunde später über ihr war. Sie verdrehte die Augen.

 

„Ha ha“, entgegnete sie spöttisch. Aber schüttelte ernst den Kopf.

 

„Nein, ich meine wirklich. Denn ich weiß nicht, wie lange es dauert, eine kleine Malfoy Person zu machen“, erklärte er und küsste ihren Nacken. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Sie sah ihn wartend an. Dann öffnete sich ihr Mund überrascht.

 

„Das ist dein Ernst“, sagte sie schließlich mehr als schockiert.

 

Er schenkte ihr ein Grinsen. „Natürlich. Potter ist nicht der einzige, der eine glückliche Familie haben kann“, erklärte er und hob eindeutig die Augenbrauen. Sie zog ihn übergangslos an sich. Sein Verstand verabschiedete sich, als sie stürmisch das Hemd aus seiner Hose zog und ihre warmen Finger über seine nackte Haut fuhren.

 

Er schloss genüsslich die Augen. Die Zeit, in der er nicht glücklich war? Sie schien ihm viel zu weit fortgerückt, als dass er sich noch daran erinnern konnte. Es war, als wäre kein einziger Tag vergangen. Als wäre sie nie fort gewesen.

 

Er brauchte nicht mehr als das, stellte er fest. Sie war alles. Sie war das Beste. Sie sah durch seine Masken, durch seine Fassaden, direkt in sein Herz.

Er würde auch durch sämtliche Zeiten mit ihr reisen. Er würde sie lieben. Er würde sie auf Händen tragen. Bis dass der Tod sie scheiden würde. Und noch darüber hinaus, da war er sicher.

 

 

 

– The End –

 

 

 

 

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