Kapitel 1 , Kapitel
2 , Kapitel
3 , Kapitel
4 , Kapitel
5 , Kapitel
6 ,
Kapitel 7 , Kapitel
8 , Kapitel
9 , Kapitel
10 , Kapitel
11 , Kapitel
12 ,
Kapitel 13 , Kapitel
14 , Kapitel
15 , Kapitel
16 , Kapitel
17 ,
Kapitel 18 , Kapitel
19 , Kapitel
20 , Kapitel
21
Kapitel 1
~ Eight Months ~
Es gab
entscheidende Momente. Und es gab mühsame. Hermine Granger musste wirklich
sagen, dass im jetzt gerade die mühsamen Moment definitiv überwogen. Aber heute
war ein Tag, an dem etwas entscheidendes passierte. Etwas, worauf sie seit acht
Monaten wartete. Und es war etwas, dass sie nachts sehr schlecht schlafen ließ,
weil sie sich immer noch aufregte, aber jetzt – heute – da war die Zeit vorbei.
Natürlich
würde sie sich immer aufregen. Aber heute war es offiziell. Sie würde sich
nicht mehr in aller Öffentlichkeit damit ärgern müssen. Und es war an der Zeit.
Aber nicht nur der Brief der Magischen Bürgerverfahren war eingetroffen.
Es gab
jeden Tag gute Nachrichten und schlechte Nachrichten. Und wer Hermine Granger
aus der Schule kannte, wusste, dass sie strebsam gewesen war. Sie hatte die
besten Noten gehabt, und nicht viel davon gehalten, irgendwo zu versagen.
Allerdings
hatte die Hermine Granger mit der
Hermine Granger aus der Schulzeit nicht mehr viel gemeinsam. Vielleicht hatte
sie doch noch viel mit ihr gemeinsam, aber mittlerweile war es so, dass sie
nicht die Wahl hatte, zwischen zwölf Fächern zu wählen, sondern die Wahl
zwischen einem Meer von Berufen.
Und es
waren zu viele. Sie hatte sich für zu viele beworben und sie hatte schon zu
viele angefangen.
Der
Beruf, der ihr unter den tausenden ansatzweise gefallen hatte, den hatte sie
vor acht Monaten aufgegeben. Und sie hatte nicht vor, dorthin zurück zu gehen.
Denn, wenn sie darüber nachdachte, dann hatte sie schon am ersten Tag sicher
gewusst, dass es nicht ihre Zukunft sein würde.
Sie war
als Auror mit Kusshand eingestellt worden, hatte in
Harrys Team gearbeitet und sich selten so beobachtet und unwohl gefühlt. Sie
hatte die Abteilung nach zwei Monaten gewechselt, war runter in die Mysteriumsabteilung gegangen und hatte dort die
unergründlichen Geheimnisse erforscht, die ihr nach drei Wochen aber zu Kopf
gestiegen waren und aus sicheren Gründen, musste sie gehen.
Sie war
ins Sankt Mungo gegangen und hatte in
der Londoner Heilschule eine Ausbildung zur Heilerin begonnen. Und sie hatte
sie nach zwei Jahren abgeschlossen. Sie hatte ihr Diplom in die Hand gedrückt
bekommen und wurde Vom Mungo direkt abgeworben.
Und sie
war dort, hatte dort gearbeitet und hatte Menschen sterben sehen, hatte
gesehen, wie sie an ihre Grenzen kam, wenn sie nicht in der Lage war, die
Menschen zu heilen und war daran zerbrochen.
Sie
hatte beim Tagespropheten angefangen, der sie gebeten hatte, eine wöchentliche
Kolumne zu verfassen, über ihr Leben als Muggel, ihre
Abenteuer mit Harry Potter, ein Ratgeber für kluge Frauen aus einem Muggelhaus.
Sie hatte
sich gelangweilt, denn die Büroarbeit war zwar angenehm und ohne Aufregung,
aber sie war stumpf. Sie hatte nicht lange bleiben können und war noch völlig
eingenommen von ihrem Heilkundestudium gewesen.
Sie
wusste, es war keine verschwendete Zeit, aber es war Zeit, die sie jetzt
verloren hatte, vor allem, weil sie sich doch für ein anderes Berufsfeld
entschieden wollte.
Magisches
Recht war als nächste auf ihrem Radar gewesen. Sie hatte sich beworben in der
Abteilung des Ministeriums. Sie wusste, sie hatte nicht endlose Freikarten für
das Ministerium, aber dieses Mal taten sie ihr den Gefallen, taten es ab, als
jugendlicher Leichtsinn, dass sie sich noch nicht festlegen konnte.
Magisches
Recht hatte ihr gelegen. Sie hatte Urteile verhangen, hatte sich wohl gefühlt,
mit der Macht und der Entscheidungsfähigkeit und hatte das einjährige Studium
dual mit der Arbeit in der Abteilung abgeschlossen.
Und sie
hatte ganze zwei Jahre ausgehalten. Das hatte noch andere Gründe gehabt.
Wesentlich andere Gründe, die nichts mit der Arbeit zu tun gehabt hatten. Und
vor acht Monaten hatte sie ihre Stelle aufgegeben. Sie hatte das Ministerium
verlassen, aber ihre Vorgesetzten waren sehr zufrieden mit ihrer Arbeit
gewesen, also würde sie wohl immer die Möglichkeit haben, in diese Abteilung
zurückzukehren, aber sie hatte sich dort nie wieder beworben.
Sie
hatte Ron im Scherzartikelladen ausgeholfen, hatte in Hogwarts
als Vertretung Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet und hatte
sogar in einer Praxis für Tierheilkunde angefangen. Es war anders als die
Heilkunde für Menschen, aber sie konnte es besser ertragen.
Es
hatte ihr allerdings nicht gefallen und sie hatte nach nur einer Woche die
Stellung verlassen. Sie wusste, sie konnte mit niemandem darüber reden, denn
Harry war nun seit zehn Jahren erfolgreich in seinem Job, war zum
Abteilungsleiter des Aurorenbüros befördert worden
und Ginny arbeitete halbtags ebenfalls als Auror.
Seit der Geburt von James hatte sie darauf verzichtet, wie Harry jeden Tag acht
Stunden dort zu verbringen.
Ron
arbeitete seit dem Abschluss zusammen mit George im Laden und sie erlebten
einen bombastischen Verkauf nach dem anderen, da Ron auf einen simplen aber
genialen Verhüllungszauber gestoßen war. Für das Ministerium war es für die verdeckten
Ermittlungen ein absolutes Muss!
Luna
hatte die Redaktion des Klitterers übernommen und
Ernie MacMillan war stellvertretender Redakteur des Tagespropheten. Neville war
Professor für Kräuterkunde und hatte große Chancen, irgendwann zum Schulleiter aufzusteigen.
Pansy
stand zwischen ihrer ersten und ihrer zweiten Hochzeit, nachdem sie nach dem
Verfahren mit Blaise sein Haus und die Hälfte des Zabini Vermögens ergattert
hatte, hatte sie doch tatsächlich eine Beziehung mit Gregory Goyle angefangen, der sie nach einem Jahr endlich um ihre
Hand gefragt hatte.
Im
Eulenhaus von Gregory hatte Hermine auch eine Zeitlang gearbeitet. Direkt nach
der Zeit in der Praxis für Tierheilkunde.
Es war
eine dramatische Zeit zwischen Pansy und Gregory, aber wenn sie die Sorgen
anderer betrachtete, dann kam ihr ihr eigenes Leben
immerhin nicht mehr ganz so chaotisch vor. Das war auch die Zeit gewesen, in
der sie sich mit Pansy gestritten hatte, bis es unerträglich wurde. Jetzt hatte
sie Pansy eine Weile nicht mehr gesehen.
Sie
wusste, was Harry und Ginny dachten. Sie wusste es ziemlich genau. Aber sie
waren höflich genug, es nicht auszusprechen. Ihre Eltern waren sowieso jenseits
von Gut und Böse. Nicht nur, dass sie keinen Job länger als zwei Jahre halten
konnte, sie war zurzeit sogar schon wieder auf der Suche.
Aber
sie würde heute zumindest ins Ministerium gehen, und dieses Mal sogar aus
Gründen, die nichts mit der Jobsuche zu tun hatten. Das gefiel ihr persönlich auch mal
ganz gut. Sie hielt den Brief in der Hand und musste nur noch ihre Unterlagen
abholen, dann konnte sie wieder ruhig schlafen. Und sie würde sich nach einer
neuen Wohnung umsehen. Es war bezeichnend, dass sie noch nicht mal ansatzweise
die Kisten ausgepackt hatte.
Sie
standen ziemlich lieblos auf dem Boden. Sie kaute hastig die letzten Bissen
ihres kargen Frühstücks und griff sich die Schlüssel von ihrem Tisch. Sie
musste kurz inne halten, ehe sie die temporäre Wohnung verließ.
Sie
hatte Geld. Es war nicht das Problem, dass sie kein Geld besaß. Diese Wohnung
hatte sie temporär gemietet. Sie hatte gewusst, schon vor acht Monaten, dass
sie warten musste, ehe sie wirklich wieder anfangen konnte, ihr Leben so zu
leben, wie sie es gewohnt war.
Sie hatte
aushalten müssen. Es hatte der entscheidende Moment eintreten müssen. Und es
störte sie immer wieder. Sie war so ordnungsliebend und wusste immer ganz
genau, was ihr nächster Schritt sein würde. Seit zehn Jahren war sie mehr
schlecht als recht dabei, ihr Leben zu ordnen.
Und die
letzten zwei Jahre und acht Monate waren bestimmt nicht der Höhepunkt ihres
Lebens gewesen.
Davor war sie ruhelos gewesen, hatte sich nicht entscheiden können, wie sie ihr
Leben sinnvoll verbringen wollte, aber jetzt… jetzt sah sie so etwas wie einen
hellen Lichtblick in der Verwirrung und der Dunkelheit.
Sie
hatte keine Lust mehr, Fehler zu machen. Sie würde sich natürlich erlauben,
einen schlechten Schuhtag zu haben, oder vielleicht
die falsche Sommerfrisur zu wählen, aber sie würde keinen Fehler machen, der
ihre eigene Sphäre verließ.
Sie
würde ihre Stunden nicht mehr im Gericht verbringen, um sich zu streiten. Nicht
über Vermögen, nicht über Anlagegegenstände, die sie vielleicht oder vielleicht
nicht, wollte.
Sie
würde sich nicht mit ihren Eltern darüber streiten, was Entscheidungen für
Konsequenzen nach sich zogen. Sie würde es nicht mehr diskutieren. Mit
niemandem mehr. Impulsivität hatte sie abgelegt. Und sie war etwas überfordert.
Sie war eigentlich nie überfordert, aber seit acht Monaten war sie wieder
ruhelos. Sie versuchte, das Perfekte zu finden. Mit ihrem Leben das anzufangen,
von dem sie wusste, dass es exakt das war, was sie tun wollte.
Sie
wollte nicht die anderen ansehen und wissen, dass sie ihren Platz im Leben
gefunden hatten, und sie immer noch am Suchen war.
Heute
würde sie offiziell ihren Namen zurückbekommen. Sie würde ins Ministerium
gehen, was ihr so vertraut war, wie nichts sonst auf der Welt und sie würde in
den achten Stock fahren, um dort hinter einer Tür zumindest einen kleinen
Meilenstein in eine richtige Zukunft zu finden.
Sie
hatte viel erlebt. Magische Ausbildung, die Flucht vor Todessern, Aufstände und
einen Krieg. Sie hatte überall gearbeitet, wo es sich zu arbeiten lohnte. Sie
hatte viel gesehen und sie hatte sich wohl gefühlt, genauso wie sie sich
schlecht gefühlt hatte.
Sie
hatte geheiratet und vor acht Monaten ihre Scheidung endlich durchgebracht. Und
jetzt, acht Monate später bekam sie endlich ihren Nachnamen zurück, den sie vor
lauter Überschwang abgegeben hatte.
Liebe
machte blind. Und dumm. Zu diesem Schluss war sie gekommen. Sie war nicht
kompatibel. Man erzielte nicht ausgezeichnete Einzelleistung, weil man ein
ausgezeichneter Teamspieler war. Nein, sie erzielte gute Leistung, weil sie
alle ihre winzigen Bälle in der Luft halten konnte.
Natürlich
konnte sie keine Beständigkeit in ihrem Leben verzeichnen, aber sie konnte mit
Fug und Recht behaupten, dass sie keine Chance am Wegesrand liegen gelassen
hatte!
Sie
warf den vollen Umzugskisten einen bösen Blick zu, als wären sie Schuld an
allem Übel, und verließ die Wohnung, die sie zum Ende des Monats kündigen
würde, damit sie endlich eine Wohnung auf ihren eigenen Namen anmieten konnte.
Und nicht auf den Namen ihres Exmannes.
Nie
wieder auf den Namen ihres Exmannes!
~*~
Sie war
nervös. Mit jedem Stock, den sie höher fuhr, verschlechterte sich ihre Laune
und ihre Fußspitze tippte nervös auf den Marmorboden im Fahrstuhl. Es war fast
lächerlich. Als könne die Nähe auf einmal ihren Gemütszustand ändern. Sie war
hier eigentlich viel zu oft, als dass sie sich noch eine Stimmungsschwankung
erlauben konnte.
„Achter Stock – Magische Bürgerverfahren“, sagte die kühle Stimme und sie eilte
aus dem Fahrstuhl. Sie sah nicht nach links, nicht nach rechts und hastete den
Flur entlang. So dringend sie versuchte, langsam zu laufen, ja, sogar erhaben,
stellte sie fest, wie die Luft zum Atmen aus ihren Lungen verschwand. Also
beschleunigte sie ihre Schritte.
Sie
klopfte an die Tür und wartete nicht ab, bis Mr Dyke
sie hereinbat. Der Name stand zumindest auf dem goldenen Schild neben der Tür.
„Hallo, Hermine Granger. Ich komme für die Unterlagen? Den Ausweis und die
anderen Dokumente?“, sagte sie hastig und lächelte breit, damit er keine weitere
Fragen stellen konnte. Der Mann nickte langsam und suchte, wie eine Schildkröte
in einem Berg von Akten. Sie spürte, wie sie anfing zu schwitzen. Es war doch
unglaublich!
Sie
musste sich beruhigen, denn es würde ihr auch nichts bringen, den Teufel direkt
an die Wand zu malen. – Oder den Wolf schon selber vor die Tür zu stellen,
überlegte sie, böse auf sich selbst.
„Ms Granger, hier haben wir Sie. Alles sieht gut aus.
Der Name steht auf allen Formularen, wird in Ihren zukünftigen Mietverträgen
stehen, Ihrem möglichen Arbeitsvertrag und auf dem Ausweis.“ Er reichte ihr
einen Ordner und sie schnappte ihn aus seiner Hand.
„Ich
danke Ihnen. Vielen Dank“, sagte sie hastig und verließ das Büro so schnell,
wie sie gekommen war. Den Blick nach links und rechts geworfen und dann stürmte
sie wieder zum Fahrstuhl. Sie sah niemanden, sprach mit niemandem und hatte
sich umsonst Panik gemacht.
Aber
sie wusste, wäre sie nur eine Sekunde unaufmerksam, dann konnte sie damit
rechnen, in die schlimmste aller Situationen zu geraten.
Und das
hatte sie bestimmt nicht vor! Sie hatte sich nicht acht Monate perfekt
verhalten, um dann wegen ihrer eigenen Unachtsamkeit direkt ins Messer zu
laufen.
Sie
hatte gesehen, wie sie werden konnte. Sie hatte sich vor sich selbst gefürchtet.
Sie hatte sich noch nie so wütend, so böse, so rachsüchtig erlebt, wie vor acht
Monaten. Nein, eigentlich schon eher. An dem Tag, an dem sie festgestellt
hatte, das die Ehe scheitern würde, da hatte
sie sich wohl am allermeisten überrascht.
Hatte sie
sonst bisher alles ertragen, die Möglichkeiten abgewogen und war sie immer
perfekt mit allen Situationen umgegangen, dann war an diesem Tag ihr
sprichwörtliches Fass übergelaufen.
Es war
das erste Mal gewesen, dass sie einen ganzen Esstisch umgeflucht
hatte. Das erste Mal, das etwas zu Bruch gegangen war, das ein Zauber zwar reparieren, aber
nichts in der Welt wieder richten konnte.
Sie
hatte sich verschätzt. Sie hatte sich hoch verrechnet, und dafür hatte sie
einen herben Preis zahlen müssen. Sie hatte feststellen müssen, dass sich
gewisse Dinge nicht ändern würden. Dass sie gewisse Dinge nicht ändern konnte,
egal, wie gut sie in der Schule gewesen war. Egal, wie viele Kriege sie
gewonnen hatte. Egal, wie viel Wissen sie sich aneignete und egal, wie überzeugt
sie war, von dem präzisen Erfolg.
Und
mittlerweile hatte sie sich abgefunden. Eine Scheidung ließ Menschen bitter
werden. Weiser, einsichtiger. Hermine Granger allerdings war vorsichtig
geworden. Jetzt überlegte sie, sie plante, und zu allem Überfluss wurde sie
nicht nur weiser. Alles kam mit einem Preis. Sie war jetzt siebenundzwanzig.
Sie hatte keinen Job, keinen Mann, und in zwei Wochen hatte sie auch keinen
Mietvertrag mehr.
Sie
kannte die meisten Gesichter, die ihr im Atrium zunickten. Aber sie hatte auch
schon in bestimmt sieben Abteilungen gearbeitet. Und sie war bekannt. Natürlich
war sie das. Sie war Harry Potters beste Freundin.
Das war
gut, denn so bekam sie die Möglichkeit, Arbeit nach Arbeit auszuprobieren und
man nahm es ihr nicht lange übel. Aber es war auch schlecht, denn nicht alle
waren geneigte Harry Sympathisanten.
Auch
das hatte sie feststellen müssen.
Aber
auch wenn sie zurzeit arbeitslos war und ziemlich unbeständig lebte, musste sie
sagen, heute ging es ihr ziemlich gut. Besser als vor acht Monaten!
~ Morning Glory ~
„Hast
du heute vor, zum Training zu kommen?“, fragte Blaise und Draco wusste, dass
man das Hobbyfliegen nicht als Training bezeichnen konnte.
Es war wie
ein Test. Es war eine Fangfrage, die Blaise seit Wochen, nein - seit Monaten zu
stellen pflegte.
„Nein“,
erwiderte Draco also, wie er es jede Woche tat.
„Weißt du, irgendwann werden wir dich aus der zweiten Fliegerreihe streichen
und einen anderen ins Team nehmen“, erklärte Blaise mit erhobener Augenbraue.
„Gereizt?“,
erkundigte sich Draco, während er die Fälle für morgen schon mal auf seinen
Schreibtisch legte. Die braunen auf den braunen Stapel. Die grünen auf den
grünen. Braun war eilig, grün war absolut höchste Priorität.
„War
rot nicht die Farbe für die absolute Dringlichkeit?“, fragte Blaise und Draco
übersah diesen Seitenhieb wieder einmal.
„Nein, rot wurde degradiert zu-“ Er unterbrach sich und erhob sich abrupt. „Was
willst du noch?“, fragte er in voller Absicht unhöflich zu klingen.
„Man behält immer Angewohnheiten aus alten Ehen zurück. Wegen Pansy gehe ich
immer noch zur Maniküre. Lächerlich“, entgegnete Blaise, aber Draco wollte
weder über seine Ordnung, noch über Blaises
Fingernägel sprechen. „Harry hat nach dir gefragt, und ob er deinen Platz im
Team aufgeben soll?“, fuhr Blaise jetzt fort, nachdem Draco sich seinen Mantel
vom Haken gegriffen hatte.
„Was
für eine dumme Frage. Er kann den Platz gerne aufgeben“, erklärte Draco
ungerührt. Er hatte seit Ewigkeiten kein Quidditch
mehr im Team gespielt. Bestimmt seit einem Jahr nicht mehr.
„Hast du es eilig?“ Ja, er wollte von Blaise
wegkommen, aber das sagte er nicht laut. Noch nicht, zumindest.
„Ich habe eine Verabredung, wenn du es wissen willst.“
„Wieder
die schöne Astoria? Wird das ernst?“
„Es
wird nie ernst.“
„Tja,
einmal die Finger verbrannt, Malfoy…“, lachte Blaise und Dracos Lippen wurden
schmal.
„Ich verbrenne mir bestimmt nicht meine Finger.“
„A propos…“, fuhr Blaise fort. „Hast du dir schon überlegt, ob du
den Fall annehmen willst?“ Und jetzt war Blaise wieder der Blaise, mit dem er
noch gerne seine Zeit verbrachte. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
„Welchen
Fall?“, fragte Draco und wusste genau, um was es ging. Dass er log, das wusste
er, und Blaise wusste es auch.
„Den
Fall, an dem wir uns alle die Finger verbrennen werden“, entgegnete sein
langjähriger Freund und erster und einziger Trauzeuge. Er hätte nicht von Blaise
erwartet, tatsächlich vor einem Fall zurückzuschrecken. Er hatte ihn bereits
abgelehnt.
„Ich
übernehme den Fall. Leg ihn mir auf den Tisch.“ Blaise wirkte kurz beeindruckt.
Draco beeindruckte sich selbst hin und wieder. Es war auch beeindruckend, dass
er Astoria noch nicht verlassen hatte. Es war beeindruckend, wie gut er
zurechtkam. Und das jetzt schon seit einer Weile, wo er doch sicher gewesen
war, es nicht zu schaffen.
Natürlich
würde er das niemals laut ausgesprochen haben. Er hatte erwartet, die
mörderische Phase würde noch länger andauern. Aber eines Morgens war er
aufgewacht und hatte es überwunden.
Obwohl
das auch gelogen war. Er dachte die Lüge, und ihm fiel auf, dass überwinden und
verleugnen sehr nah beieinander wohnte. Sie waren praktisch freundliche
Nachbarn. Er spürte, wie er bitter wurde, aber er verdrängte den Gedanken.
Und der
Tag? Der Tag, an dem er „überwunden“ hatte…, es war der Tag vor zwei Monaten
gewesen, an dem er ein Formular unterschreiben musste, dass er in völligem Einverständnis
mit seiner Exfrau darüber übereinkam, seinen Nachnamen aus ihrem eigenen Leben
komplett zu streichen.
Er
hatte tausend Dinge von sich erwartet. Tausend, wenn nicht mehr.
Aber
nicht, dass er innerhalb von zehn Minuten den magischen Vertrag gelesen,
unterschrieben und zurückgeschickt hätte.
Und
genau das war passiert. Und genau seit dem Tag verschwendete er keine einzige
Sekunde mehr mit auch nur einem lächerlichen Gedanken an die Vergangenheit.
Seit diesem Tag war er auf die Avancen der vielen, unzähligen Frauen
eingegangen, die schon in der Schlange standen.
Und es
war verflucht großartig.
Verdrängen
– überwinden. Wo lag der Unterschied? Es fühlte sich exakt gleich an. Obwohl er
annahm, dass die Überwindung keinen so bitteren Nachgeschmack im Mund
hinterließ, wenn er sich abends mit ihr schlafen legte. Die Verdrängung war nur
erfolgreich, solange er sich die Mühe machte, sie aufrecht zu erhalten.
Aber er
machte sich gut. Er war immer gut. Er war verflucht ausgezeichnet, in allem,
was er tat. Also war das kein Problem für Draco Malfoy. Genauso wenig wie der
Fall, den alle ehemaligen Todesser in der Abteilung
fürchteten.
Ein
Fall, der vielleicht leichtsinnig zu übernehmen war.
Ein
Fall eines Todessers, der aus Askaban entlassen
worden war und anschließend von einer Muggel
angezeigt worden war, sie gefoltert zu haben. Vor der Inhaftierung.
Ein
Fall, der seit einem Jahr auf der kalten Kante lag. Seitdem befand sich der Todesser nämlich wieder in magischer Vertrauenshaft und
wurde rund um die Uhr bewacht. Eine solche Strafe war zwölf Monate lang
möglich. Dann musste ein Verfahren entscheiden, wie der Fall behandelt werden
sollte.
Und der
Fall war durch sämtliche Pressen gegangen und das Für und Wider war wochenlang
komplett ausgeschlachtet worden.
Sämtliche
magischen Möchtegern Forscher hatten sich angeboten, den inhaftierten,
ehemaligen Todesser zu untersuchen, festzustellen, ob
die Aussage zutreffend war und ob er für das Vergehen, was er vielleicht
begangen hatte, noch einmal bestraft werden könne, wo er doch schon lange Zeit
in Askaban gewesen war.
Draco
befiel starre Übelkeit, wenn er daran dachte. Denn dieser Fall war nicht
einfach nur ein kompliziertere, unmöglicher Fall, der niemals gerecht
entschieden werden konnte – nein. Dieser Fall war der Punkt des monumentalen
Streits gewesen. Der Streit seines Lebens, wenn man so sagen wollte.
Der
Streit der schlaflosen Nächte. Der Streit der fliegenden Tische. Der Streit des
zerbrochenen Geschirrs. Der Streit der Scheidung.
Er wusste
natürlich, der verfluchte Fall hatte wohl herzlich wenig mit all dem zu tun. Es
ging lediglich um das, für das der Fall symbolisch stand. Der Fall war nur ein
Symptom der Unmöglichkeit gewesen. Die Unmöglichkeit, die von Anfang bestanden
hatte, die er immer hatte übersehen wollen und die er zwei jahrelang mit
stoischer Perfektion übersehen hatte.
Ihn
jetzt zu übernehmen, bedeutete, sich erneut mit diesen Gefühlen auseinander zu
setzen. Allerdings glaubte er, dass er mittlerweile darüber hinaus gewachsen
war und diese Gefühle nicht mehr an die Oberfläche kommen würden. Wie auch?
Jetzt gab es keinen Auslöser mehr in seiner Nähe. Er war in der Abteilung der
uneingeschränkte Analytiker. Er war Dogmatiker und prädestiniert für solche
Fälle.
Er war
über den Fall und über das, wofür der Fall stand hinausgewachsen und war froh
darüber. Seine Fingerknöchel wurden nicht mehr weiß vor Wut, wenn er an den
Fall dachte.
Er
glaubte nicht an Therapie oder die Idee, die dahinter stand. Aber vielleicht
war es nötig, dass er diesen Fall bewältigte.
Bewältigung
– Verdrängung – Überwindung. Vielleicht gehörte Bewältigung auch zu den beiden
Nachbarn. Er wusste es nicht.
Es
würde ein Leichtes sein, zu beweisen, dass er diesen Fall ohne das geringste
Problem übernehmen konnte. Er war Draco Malfoy.
„Wie du
meinst“, erwiderte Blaise schließlich. „Ich komm mit dir runter. Ich für meinen
Teil freue mich, gleich zu fliegen. Aber der Herr scheint ja mittlerweile
selber wieder die Höhenflüge zu genießen“, ergänzte Blaise mit einem Lächeln.
„Oh
ja“, erwiderte Draco und hob eindeutig die Augenbrauen.
Er
spürte schon ein Kribbeln in den Fingerspitzen, wenn er an Astoria Greengrass dachte. Ich Körper war ein absoluter Traum. Sie
war vollkommen perfekt.
Gerade
richtig für ihn. Sie war eine glorreiche Eroberung.
Er
hatte vergessen, wie wichtig Sex am Morgen für das tägliche Wohlbefinden doch
war. Und es war eine Schande, dass er das hatte vergessen können.
~*~
Er
hatte sich nicht daran erinnert, einen Durchschlag der Dokumente verlangt zu
haben. Aber das musste wohl der Fall gewesen sein, denn ansonsten würden sie
ihn jetzt wohl kaum auf dem Tablett anstarren.
„Avalon“, rief er und der Elf erschien mit einem leisen Plopp. Der Anzug des Elfen war maßgeschneidert und Draco
erinnerte er sich, wie viel Wert er darauf gelegt hatte. Der Elf legte die Stirn in fragende
Falten.
„Master Draco?“, fragte er mit rostiger Stimme, die Draco an manchen Tagen
beunruhigte.
„Ist
das alles an Post?“, erkundigte er sich und der Elf wirkte beleidigt.
„Gewiss.
Glauben Sie, ich enthalte Ihnen Briefe vor?“ Draco hob kurz den Blick. Gerne
würde er dem Elf erklären, dass er ihn bezahlte und mit seinem Gold auch
gleichzeitig garantierte, dass der Elf höflich und untergeben war. Aber er
hatte in der Vergangenheit schon festgestellt, dass Avalon
Eigenarten besaß, die alles Gold der Welt nicht ändern konnten.
Und es
gefiel Draco. Es kam ihm nicht so vor, wie ein Dienstleistungsverhältnis. Es
kam ihm eher so vor wie eine Art Symbiose. Aber er wusste, seit einem Jahr war
der Elf kühler geworden. Distanzierter und wesentlich unumgänglicher.
„Nein,
tue ich nicht“, sagte Draco und ging durch den Rest an Post.
„Ihr Gast ist über Nacht geblieben?“, fragte der Elf und Draco wusste, Avalon empfand es als impertinent.
„Ja, Ms Greengrass ist über Nacht
geblieben“, erklärte Draco.
„Dann wird sie wohl Hunger haben, Sir?“ Und Draco fiel es wieder wie Schuppen
von den Augen. Er hatte sich schon wieder nicht darum gekümmert. Astoria hatte
es ihm erst vor zwei Wochen vorgehalten. Er wachte auf, weckte sie, um mit ihr
zu schlafen, was großartig war, und ging danach duschen.
Meist
drehte sie sich noch mal um, oder ging danach dann ins Bad. Aber wenn sie
runter kam, dann war er fertig mit essen, mit seinem Morgenkaffee und dem politischen
Teil des Tagespropheten. Und Astoria hatte er über seinem Ritual schon völlig
vergessen gehabt.
Er
fluchte unterdrückt. Und es störte ihn, dass er fast zu stur war, selber daran
zu denken. Das Interessante war außerdem, dass er kein schlechtes Gewissen
bekam. Tief in seinem Innern, war es ihm nämlich egal. Ob sie hier aß, oder
nicht. Ob er sie morgens noch einmal sah oder erst wieder am Abend. Oder am
nächsten Tag. Und er kannte Frauen. Er wusste, irgendwann würde selbst seine
Gleichgültigkeit Probleme herauf beschwören. „Stell ihr einen Teller hin“,
sagte er also. Ihm war bewusst, wie kühl diese Worte klangen.
Aber er
war nicht in der Stimmung, andere zu wählen.
„Wird
sie heute Abend auch hier bleiben?“ Es war eine Fangfrage.
„Das
ist meine Angelegenheit.“ Draco öffnete ungerührt den Brief vom Ministerium und
der Elf verschwand, wie er gekommen war. Aber die Antwort auf die Frage, die
der Elf ihm stellte, wusste Draco sowieso nicht.
Natürlich
war sie kein Dauergast. Nicht in hundert Jahren, würde er sie fragen, bei ihm
einzuziehen oder etwas Derartiges.
Man
musste nicht ständig alles definieren.
Der
Brief vom Ministerium definierte es allerdings schon ziemlich genau.
Vom
heutigen Tag an, würde der Name Malfoy in Grangers Leben keine relevante Rolle
mehr spielen.
Seine
Mundwinkel zuckten kurz, ehe die Gleichgültigkeit einen Weg zurück in sein
Gesicht fand. Er steckte den Tagespropheten in seine Tasche und bereitete sich
innerlich schon darauf vor, den Fall des Jahres zu übernehmen.
Wenn er
es gut meisterte, dann würde er in die Ministeriumsgeschichte eingehen. Dann
konnte er jeden Morgen mit dem Gedanken aufwachen, den Fall, der ihm früher
Albträume bereitet hatte, endlich besiegt zu haben.
Ein
verflucht epischer Gedanke.
Auf seinem
Weg nach draußen zerknüllte er den Brief des Ministeriums in seiner Hand und
warf ihn draußen in den nächsten Papierkorb.
~
The Friends we choose ~
„- und
ich hatte bestimmt zwanzigtausend Galleonen auf das Tier gewettet. Du glaubst
ja nicht, wie unvorhersehbar diese Hippogreifrennen
geworden sind.“
„Zwanzig
tausend für einen Hippogreif? Hast du nichts Besseres
zu tun, Blaise?“ Sie erkannte Millicent Bullstrode. Hager und mit unerträglich hoher Stimme. Neben
ihr stand Blaise Zabini im schwarzen Anzug. Und Pansy Parkinson-Zabini nippte
gelangweilt an einem Drink. Hermine wusste, Blaise ging seit einer Weile mit Millicent aus. Aber mehr wusste sie auch nicht.
„In Paris sind diese Renne verboten. Aber ich halte sie für geschmacklos. Auf der
magischen Schönheitsfarm, auf der ich war, haben sie tatsächlich noch Hauselfen
beschäftig“, erklärte Pansy, der desinteressierten Millicent.
„Aha…
ja, ich hab gehört, die werden immer dreister und verlangen jetzt noch mehr
Bezahlung“, erwiderte Millicent mit kieksiger Stimme. Blaise schenkte ihr einen kurzen Blick,
bei dem er geflissentlich die Augen verdrehte. Anscheinend mochte er Millicent unterm Strich genauso wenig, wie die anderen sie
mochten. Manchmal fehlten ihr die Abendessen mit Blaise. Und mit Pansy. Aber
das würde sie vor Pansy nicht zugeben.
„Der
Alkohol ist nicht im Mindesten stark genug, Harry“, beschwerte sich Pansy und
sah sich hilfesuchend um. Als erwarte sie, dass Harry ihr den Alkohol stärker
hexte. „Wo ist Harry überhaupt?“, fragte sie schlecht gelaunt und dann blieb
ihr Blick an ihr hängen. Und Hermine wusste nicht genau, wie sie jetzt
unauffällig gehen sollte. Auch Pansy wirkte kurz überfordert. Aber sie
enttäuschte Hermine nicht.
Sie
betrachtete kurz ihre Erscheinung – und im Vergleich zu Pansys schwarzem,
knappem Kleid, was mehr zeigte, als dass es verhüllte, wirkte sie natürlich wie
ein Bauer. Auf einer normalen Farm. Nicht auf einer Schönheitsfarm, überlegte
sie dumpf. Pansy lächelte. Ein Lächeln, das man einem lästigen Vertreter
schenkte, damit er verschwand. Es bestand die typische Hass-Freundschaft
zwischen ihnen. Die Gefühle waren nicht allzu warm, aber Pansy war… eben Pansy.
Und mit der Zeit hatte sie sie zu schätzen gelernt. Manchmal.
„Hermine“, rief sie laut. „Wie schön.“ Und das war es ganz bestimmt nicht. Sie
fühlte sich durchleuchtet und wünschte sich, Harry wäre an ihrer Seite. Aber es
war keine Hilfe in Sicht. Sie tat also, was sie am besten konnte: Sie war
furchtlos.
„Pansy“,
erwiderte sie und konnte sich an kein freundliches Gespräch mit Pansy im
letzten Jahr erinnern.
„Gut siehst du aus. Was machst du zurzeit?“ Pansy schaffte es, mit
unverfänglichen Fragen, jeden Nerv zutreffen.
„Im
Moment? Ich bin auf der Suche“, erwiderte sie und nahm Blaise den Sekt ab, den
er ihr zwinkernd reichte.
„Auf
der Suche?“, wiederholte Pansy. „Nach Arbeit? Oder nach einem Mann?“ Hermine
versuchte sich an einem nonchalanten Lächeln.
„Nach
Arbeit“, sagte sie also betont freundlich.
„Das scheint so eine Sache von dir zu sein. Bist du schnell gelangweilt oder
gefällt dir die Arbeit nicht?“
„Ja“,
erwiderte Hermine voller Elan. Blaise unterdrückte ein Lachen.
„Hermine,
schön dich zu sehen“, erklärte er. Und Hermine freute sich auch. Denn wenn sie
Blaise sah, dann nur, wenn Harry eine Quidditch Party
gab und die Spieler des Teams einlud.
„Wo wohnst du eigentlich?“ Pansy musterte sie und Hermine war die Feindschaft
heute Abend eigentlich leid. Wirklich leid.
„Ich wohne in einem Schweinestall. Ich teile ihn mir mit diversen Tieren des
Waldes. Deswegen trage ich auch keine Pariser Mode und weil ich keinen
Stilverstand oder überhaupt Modebewusstsein habe und nicht über Strebsamkeit
verfüge, bin ich arbeitslos und trinke
hier.“ Das Lächeln ging ihr dennoch leicht über die Lippen.
Pansy
jedoch wirkte kurz überrumpelt.
„Das war kein Vorwurf, Hermine“, entgegnete Pansy reichlich konsterniert.
„Nein,
natürlich nicht. Du würdest mir niemals irgendeinen Vorwurf machen, oder Pansy?
Das liegt nicht in deiner Natur, schlecht über andere zu sprechen. Ob sie nun
vor dir stehen oder ob du es hinter ihrem Rücken tust.“ Sie prostete der
verwirrten Pansy zu und verließ dann die kleine Gruppe.
Sie war
wütend.
„Grandios,
Hermine“, lachte Ron, der sich neben sie stellte.
„Bitte,
du nicht auch“, flüsterte sie gereizt.
„Keine
Angst. Pansy ist auch nicht mein liebster Gast. Sie ist eben schwierig.“ Ja,
das wusste Hermine.
„Wo ist
Harry überhaupt?“, fragte sie jetzt und Ron deutete in die Menge.
„Ich glaube,
er zeigt gerade James in der Runde rum.“ Harry gab mit seinem Sohn an, wo er
nur konnte. Er war ein vierjähriger Prinz. Harry verwöhnte ihn zu sehr. Ginny
war da vollkommen anders. James hatte Glück, wenn er mit einem verschmitzten
Lächeln bis zu Tür kam. Ginny kannte seine Tricks und war strenger als ihre
eigene Mutter, wenn es um Streiche oder Ungehorsam ging. Hermine wollte nicht
in James‘ Schuhen stecken.
„Hermine,
hey, alles klar bei dir? Lange nicht mehr gesehen.“ Blaise gesellte sich zu
ihnen.
„Blaise, schön mal wieder mit dir zu sprechen“, sagte sie und Ron grinste ihn
an.
„Ich nehme mal an, du hast es nicht mehr ausgehalten“, murmelte Ron leise, dass
Pansy ihn nicht hören konnten. Blaise fuhr sich durch die dunklen Haare und seine
Augen wanderten wieder zurück zu der Gruppe an Menschen, die Hermine gerade so
stürmisch verlassen hatte.
„Absolut
nicht. Ich glaube Pansy ist immer noch beleidigt und möchte mir auch noch mein
letztes Hemd vom Körper klagen“, sagte er bitter.
„Du scheinst
aber auf offene Feindseligkeit zu vernichten“, bemerkte sie beeindruckt.
„Oh ja.
Ich stelle mir vor, sie wäre die Exfrau von jemand anderem“, erklärte er
schulterzuckend.
„Und
das funktioniert?“, wagte sie zu zweifeln, aber er ruckte
mit dem Kopf. Ron entdeckte Harry und nickte ihr und Blaise zu. Dann verschwand
er wieder zwischen den Menschen.
„Hör
zu, ich weiß, wir reden da nicht mehr drüber und… es ist auch eigentlich egal,
aber… er wird den Fall übernehmen.“ Auch wenn Blaise keinen Namen genannt
hatte, wusste sie sofort, von wem er sprach. Und das Gefühl war kein
angenehmes.
„Aha“, sagte sie und hoffte, Blaise würde das Thema fallen lassen.
„Du weißt schon. Der Fall“, fügte er
mit einem eindeutigen Unterton hinzu.
„Du weißt, ich arbeite schon lange nicht mehr in eurer Abteilung, Blaise“,
sagte sie und versuchte ebenfalls auf offene Feindseligkeit zu verzichten, weil
Blaise jemand war, den sie noch
leiden konnte. Ihr Freundeskreis wurde schwindend schnell geringer, stellte sie
immer wieder fest.
„Draco
übernimmt den Todesser-Fall“, sagte er eindringlich
und Hermine vergaß kurz, dass sie eigentlich nichts davon wissen wollte. „Ich
dachte, es interessiert dich vielleicht.“
„Überhaupt
nicht“, log sie und leerte ihr Sektglas.
„Gut.
Wenn es dich überhaupt nicht interessiert, dann dürfte dich auch nicht
interessieren, dass die betroffene Muggel zu mir
gekommen ist, um nach einem geeigneten Rechtsmagier zu fragen. Ihrer ehemaligen
Rechtsmagierin, um präzise zu sein“, fuhr er gedehnt fort.
„Was
soll das, Blaise? Ich arbeite dort nicht mehr. Und du bist ein geeigneter
Anwalt, also übernimm es doch.“ Blaise verzog den Mund.
„Sag
das Wort nicht, Hermine. Das klingt so… trocken.“ Hermine verstand es nicht. In
der Rechtsabteilung arbeiteten eben Anwälte. Ob in Muggelfirmen
oder bei den Zauberern. Aber die Zauberer bevorzugten tatsächlich das Wort
Rechtsmagier, was Hermine nicht begreifen konnte. Aber sie verdrehte die Augen.
„Schön, du bist Rechtsmagier, dann
wünsche ich dir viel Spaß beim Fall.“
„Weißt
du, das war mir damals schon viel zu kontrovers. Das Ministerium hatte auch
große Sorgen, als du dich angeboten hast, die Anklage zu übernehmen. Zwei
Parteien, beide im Ministerium vertreten. Es war ja nur so spannend, weil der
Ausgang so völlig ungewiss war“, erzählte er lapidar und sie wusste, er wollte
nur ihre Erinnerung auffrischen und ihr Honig um den Mund schmieren, weil sie
anscheinend so furchtbar mutig gewesen war, denselben Fall in derselben
Abteilung zu behandeln. Aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven.
„Hast
du eigentlich noch die Unterlagen, die du damals angefangen hast,
aufzuzeichnen?“, fragte er und das Thema wurde ihr unangenehm.
„Blaise,
ich bin schon meilenweit entfernt von diesem Fall. Ich weiß nicht mal mehr, worum
es überhaupt noch geht. Ich hatte nicht erwartet, dass du vorhast, heute über
sowas zu reden.“ Sie hörte, dass sie langsam böse klang.
„Das
habe ich mir gedacht. Und wenn du überhaupt gar kein Interesse hast, dann
möchtest du dich bestimmt auch überhaupt nicht noch mal rein lesen, oder?“,
erkundigte er sich scheinheilig und zog tatsächlich eine offizielle
Ministeriumsakte aus seinem Jackett.
„Das ist vollkommen illegal, Blaise“, flüsterte sie plötzlich, auch wenn sich
keiner hier dafür interessieren würde. „Artikel 27b der
Ministeriumsvorschriften verbietet jeglichen Kontakt der ministeriumseigenen
Anlagen mit unbefugten Außenstehenden“, fügte sie hinzu und die Worte gingen
ihr leicht von den Lippen.
Ja, sie
hatte diese Abteilung wirklich gemocht.
„Nun,
dein Name steht noch in den ersten Bearbeitungen“, versuchte er sie zu locken
und wedelte mit der Akte vor ihrer Nase. „Du musst wirklich keinen Blick
hineinwerfen, denn es interessiert dich nicht“, ergänzte er mit einem
Achselzucken.
„Nein,
tut es nicht.“
Es
verging nur eine winzige Sekunde.
Dann
hatte sie ihm die Akte aus der Hand geschnappt.
„Du
willst mich doch nur verführen, etwas Unrechtes zu tun“, murmelte sie böse und
ihre Augen flogen gierig über den Fall, den sie verabscheute und gleichzeitig
heiß und innig verschlungen hatte.
„Ich
doch nicht“, erwiderte er lächelnd. „Dein Schreibtisch ist leicht wieder zu
besetzen, Hermine. Du müsstest nur mit Donald sprechen. Ich bin sicher, er
würde-“
„Blaise“, begann sie seufzend. „Ich hatte einen guten Grund, zu kündigen.“
„Nein,
Hermine. Du hattest meinetwegen einen guten Grund, die Scheidung einzureichen.
Aber einen guten Grund, den Job zu kündigen, der dir unter all den hundert
Jobs, die du hattest, am meisten Spaß gemacht hat – den hattest du definitiv
nicht.“ Und er war sehr ernst, als er diese Worte sagte. „Und es war ziemlich
schäbig von dir, einfach so abzuhauen. Ohne irgendeinen Abschied. Aber das
weißt du bestimmt, auch wenn es dich nicht interessiert.“
Sie
mied seinen Blick und klappte die Akte zu.
„Hier, nimm sie einfach wieder mit“, sagte sie, aber er weigerte sich, sie zu
nehmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich
habe niemals etwas damit zu tun gehabt. Sie ist dir einfach in die Hände
gefallen. Wenn du nichts Spannendes findest, und nichts damit anfangen kannst,
komm ins Ministerium und leg sie mir auf den Tisch. Dann vergessen wir die
Sache.“
Sie
seufzte erneut und ließ die Hand mit der Akte sinken. „Blaise-“
„Wenn du
aber auch nur den kleinsten Funken Freude empfindest, wieder eine richtige
Arbeit – und nebenbei die einzig lohnenswerte, richtige Arbeit – zu haben, dann
ist mir das auch recht.“
„Er hat
den Fall“, sagte sie mit Nachdruck. „Es ist seine Sache.“ Und sie hasste es,
über ihn zu sprechen. Sei es auch nur über die entfernteste Art und Weise, die
möglich war: Nämlich die professionelle Art und Weise.
„Er hat nur die Verteidigung. Nicht die Anklage“, verbesserte sie Blaise, aber
sie wusste, er wusste, was sie meinte. „Es ist ein Angebot unter Freunden,
Hermine. Die ganze Sache ist nicht von Trollhänden in
Stein gemeißelt. Es ist nur meine Auffassung, dass dir irgendjemand mal den
Zaunpfahl vors Gesicht halten muss, auf dem der perfekte Job für dich
geschrieben steht“, fuhr er unauffällig heiter fort.
„Fein.
Ich überlege es mir. Mehr nicht“, fügte sie hinzu, als sie sah, wie seine
Mundwinkel zuckten.
~*~
Es war
lästig, wie gut Blaise sie kannte.
Und sie
war enttäuscht von sich selbst. Schwer enttäuscht. Ihre Finger blätterten immer
wieder durch die verbotene Akte, die sie schon vor Stunden hätte zum
Ministerium zurückbringen müssen.
Sie
hatte schon vollkommen abwesend begonnen, sich Notizen zu machen. Sie wollte
sich zwingen, damit aufzuhören, aber sie fand immer neue Sachen, von denen sie
in erschreckender Arroganz annahm, dass kein anderer sie finden würde. Sie
wusste, es war ihr Fall gewesen! Es war ihr ganz großer Durchbruch gewesen.
Ihr
Name war in Zeitungen gewesen, die Fronten waren hochgekocht, große magische
Kanzleien hatten schon versucht sie mitten in der Vorbereitung abzuwerben. Das
Ministerium zahlte gut, aber die Kanzleien waren begeistert davon gewesen, das
intern im Ministerium zwei Rechtsmagier an demselben Fall saßen und einer von
ihnen eine Muggel und der andere ein ehemaliger Todesser waren. Es war das gefundene Fressen für den
Tagespropheten in all seinen Facetten gewesen. Diese Sache hatte Hermine
gehasst. Der Fall hatte niemals etwas mit den Anwälten zu tun gehabt, die ihn
behandelt hatten.
Natürlich
war ihr der Zufall nicht entgangen. Damals wie auch heute nicht.
Die Muggel vertrat die Muggel – der
ehemalige Todesser vertrat den ehemaligen Todesser.
Es war
natürlich ein emotionaler Fall. Er war ein Fall, den man nicht ohne Befangenheit
lösen konnte. Es war unmöglich.
Und wie
kam er dazu, diesen Fall wieder zu übernehmen? Was war auf einmal passiert,
dass er seine Meinung geändert hatte? Er hatte schließlich alle Leinen gezogen,
er hatte den Rückzug angetreten. Er war es gewesen, der den Vergleich erzwungen
hatte. Der Vergleich, der darauf verzichtete, ein Urteil zu fällen.
Magische
Vertrauenshaft war ein lächerlicher Abschluss des Falls gewesen. Sie erinnerte
sich wieder an das Gefühl der Hilflosigkeit und der Wut, als er ihr diesen Fall
genommen hatte! Als er die Entscheidung getroffen hatte, von der er ganz genau
gewusst hatte, dass sie dazu führen würde, dass der Fall auf Eis gelegt wurde.
Und er
hatte gewusst, dass er dazu in der Lage war. Und er hatte gewusst, dass sie es
gewusst hatte! Es war ein absolutes Tabu gewesen. Es war ein Schlag unter die
Gürtellinie. Es war einfach nicht erlaubt gewesen! Es war ein feiger Schachzug
gewesen. Es war, als wären beide Damen plötzlich vom Feld verschwunden und die
beiden Könige schoben sich quälend langsam von Feld zu Feld.
Er
hatte es hinausgezögert und hatte gewusst, dass sie damit alle Chancen verwirkt
hatte, in der renommierten Kanzlei angenommen zu werden. Aber Geld war ihr eigentlich
nicht wichtig gewesen. Es ging um das Recht, um die Wahrheitsfindung, die ihr
zugestanden hatte!
Und er
hatte es nicht geschafft, den Fall zu beenden, hatte auf der Hälfte abgebrochen
und dann noch gewagt zu sagen, es wäre die beste Entscheidung so!
Sie
wusste, sie liebte diese Abteilung im Ministerium und sie liebte den Job, den
Kontakt mit Menschen und die Möglichkeit etwas wichtiges in der Gesellschaft zu
verändern, Normen aufzustellen, Gerechtigkeit festzulegen und niemals wieder
einen Krieg wie zu den Zeiten Voldemorts aufkommen zu
lassen, weil jetzt nämlich direkt in der Verfassung nieder geschrieben wurde,
was die Menschen durften und was sie verflucht noch mal nicht durften!
Und
Todessern eine verfluchte zweite Chance zu geben – ohne eine Basis an ernsthaft
berechtigten Beweisen – das durfte einfach nicht sein!
Und sie
erinnerte sich dunkel… sehr, sehr dunkel, dass sie mit diesen Worten den Streit
der Streite eröffnet hatte.
Gut,
sie war vielleicht keine gute Ehefrau, aber sie war ein verflucht guter
Rechtsmagier.
Und die
ganze Nacht hindurch kratzte ihre Feder über dutzende Pergamentblätter. Ihr
Kopf hatte sich entschieden, den Fall nie wieder anzugucken. Aber ihr Herz
hatte blöderweise Feuer gefangen. Und es brannte wieder. Nach einer Ewigkeit….
~ A dangerous
Place ~
„So
sehen wir uns wieder“, bemerkte der Mann, den Draco vor ziemlich genau einem
Jahr schändlich zurückgelassen hatte. „Malfoy, richtig?“ Draco nickte und
schüttelte die Hand des Angeklagten.
„Wir
stehen wieder am Ausgangspunkt, Mr Fowler.“ Er hatte den Namen schon lange
nicht mehr benutzt. Edgar Fowler sah ihn skeptisch an.
„Da
standen wir schon vor einer Weile. Wieso übernehmen Sie meine Angelegenheit
wieder?“ Draco fand eigentlich, dass er solche Fragen nicht beantworten musste.
Er lächelte also und hob die Hände.
„Ich muss überhaupt gar nichts tun, Mr Fowler. Sie können nach einem Pflichtrechtler verlangen und bekommen somit wahrscheinlich
die schlechteste Hilfe, die Sie fürchten können.“ Fowler sah zur Seite.
„Ich sitze seit einem Jahr unter Bewachung in einer Anstalt. Für Sie mag es
nicht weiter erwähnenswert gewesen sein, ob es nun zu einem Freispruch oder zu
einer Strafe kommt, aber für mich war es lebenswichtig!“
„Die Vertrauenshaft
ist keine Strafe, Mr Fowler.“
„Es
fühlt sich verdammt noch mal nach einer Strafe an!“ Draco betrachtete den Mann,
der kurz vor einem nervösen Anfall stand.
„Brauchen Sie Medikation, Mr Fowler?“
„Ich brauche einen Rechtsmagier, der mir hilft, Mr Malfoy.“
„Ich
werde Ihren Fall betreuen, die Verteidigung leiten und tun, was in meiner Macht
steht, Mr Fowler. Dafür müssen Sie einen Eid ablegen, aber dieser Eid ist Ihnen
bereits vertraut“, fügte er geschäftig hinzu, ehe er den Zauberstab zog.
„Sie wissen doch schon alles! Wieso muss ich alles noch mal erzählen, Malfoy?“,
brannte er auf und Draco ergriff grob den Arm des Mannes.
„Erstens
nennen Sie mich Sir oder Mr Malfoy. Zweitens können Sie froh sein, dass ein so
fähiger Zauberer sich Ihrem Schicksal angenommen hat und drittens muss man
manchmal unangenehme Dinge mehr als zweimal durchleben, Mr Fowler.“ Seine
Stimme war ernst und sachlich. Er fuhr mit dem Zauberstab über die Unterseite
des rechten Arms des Mannes und die Haut glomm auf.
Magisches
Recht bediente sich einem ziemlich gemeinen Trick. Es war weniger ein Trick,
als eine Konditionierung. Bei dem Hauch der Unwahrheit verspürte der Betroffene
ein unangenehmes Gefühl unter der Haut und konnte dem Drang nicht widerstehen,
den Arm zu berühren, zu kratzen oder den Schmerz anders auszudrücken.
Natürlich
konnte auch das magische Gesetz getäuscht werden. Gute Zauberer, die all ihre
Sinne unter Kontrolle hatten, waren ab und an in der Lage eine Lüge ohne ein
Wimpernzucken verkaufen zu können.
Veritaserum war immer noch in den meisten
Fällen untersagt. Nur bei Mord war es zulässig. Aber psychologische
Konditionierung war erlaubt. Also musste sich Draco darauf beschränken.
„Was
für ein Zauber ist das überhaupt?“, fragte Fowler beleidigt und rieb sich
anschließend den Unterarm.
„Würde
ich es Ihnen sagen, dann wäre es trotzdem nicht hilfreich für Sie“, erwiderte
Draco und Fowler sah ihn bitter an.
„Letztes Mal hatte ich keine Chance, also was ist jetzt anders?“, fragte er
unwirsch.
„Ich. Ich bin anders. Das mag für Sie keinen Unterschied machen, aber für mich
bedeutete es eine verfluchte Verbesserung“, erklärte Draco und nahm dem
Klienten gegenüber Platz.
„Also?“
Fowler sah ihn verwirrt an.
„Erzählen
Sie“, forderte Draco knapp.
„Was?“,
entgegnete Fowler verwirrt.
„Haben
Sie dieses Mädchen gefoltert?“ Draco hatte diese Frage schon viel zu oft
gefragt.
„Sie
kennen die Antwort doch schon!“, beschwerte sich der Mann ungehalten, aber
Draco blieb völlig unbeeindruckt.
„Wir haben
zwei Möglichkeiten. Sie machen es mir leicht oder ich mache es Ihnen verflucht
schwer, Mr Fowler.“ Und anscheinend wollte der Mann ihm gegenüber nicht, dass
er die Drohung wahr werden ließ.
„Nein,
ich habe sie nicht gefoltert“, sagte er und Draco betrachtete das Gesicht des
Mannes. Der Zauber schlug nicht an. Oder Fowler war so gut, dass er es
verdrängen konnte. Er erinnerte sich an die endlose Diskussion die er im
magischen Gericht geführt hatte, wie wahrscheinlich es war, dass ein gerade
frisch entlassener Häftling fähig war, den Schmerz im Innern so gut verbergen
zu können, dass er für einen ganzen Gerichtssaal unentdeckt blieb.
Es war
höchst unwahrscheinlich gewesen.
Aber
Draco konnte sich darauf nicht mehr verlassen.
„Haben
Sie dieses Mädchen gefoltert, ehe sie nach Askaban
gekommen sind, Mr Fowler?“ Der Mann sah ihn verwirrt an.
„Nein, ich habe sie niemals gefoltert. Nicht vorher, nicht nachher.“ Wieder
nichts.
„Haben
Sie Annabelle Douglas am sechsten Januar vor sieben Jahren auf der Straße angegriffen
und gefoltert, Mr Fowler?“, fragte er erneut und Fowler sprach wieder, ohne das
geringste Zeichen von Unwohlsein.
„Nein,
ich habe Annabelle Douglas nicht gefoltert.“
Draco
atmete langsam aus.
„Gut. Dann sind wir exakt wo wir letztes Jahr stehen geblieben sind, Mr Fowler.
Bitte beantworten Sie die nächste Frage wahrheitsgemäß: Wieso behauptet Ms Annabelle Douglas, Sie hätten Sie gefoltert?“
„Mr
Malfoy, es steht doch alles-“
„Wieso, Mr Fowler?“ Und Draco wusste, sie kamen zu einem entscheidenden Punkt
in ihrem Verhört.
„Ich weiß es nicht.“ Und dieses Mal zuckte der Mann vor ihm zusammen und griff
nach seinem Arm.
„Sie
müssen mir die Wahrheit sagen. Sie müssen es einfach tun, Mr Fowler. Wir kommen
sonst nicht weiter.“ Doch Fowler schwieg. „Es ist kein Spiel, Edgar. Sie müssen
die Wahrheit sagen. Wenn Sie mir kein Vertrauen entgegen bringen, haben wir
keine Chance. Letztes Jahr habe ich darauf verzichtet, auf diesen Aspekt
einzugehen, aber jetzt müssen Sie es mir sagen.“
„Ich
kann es Ihnen nicht sagen. Ich weiß es nicht“, fügte er hinzu und zuckte wieder
zusammen. Es war eine persönliche Folter. Sie war physisch nicht echt. Das
bedeutete immerhin, dass der Mann vor ihm wusste, was richtig und was falsch
war. Es bedeutete, dass sein Rechtsempfinden nicht gelitten hatte. Sein Geist
wusste, es war falsch, die Wahrheit zu verschweigen.
„Mr Fowler, ich bin nicht Ihr Priester. Das hier ist keine Beichte. Ich bin ihr
Rechtsmagier. Sie verlieren hier wesentlich mehr als Ihr Gesicht.“
„Wieso stellen
Sie mir nicht eine andere Frage?“, erwiderte der Mann etwas trotzig. „Es wird
doch noch hundert andere Fragen geben!“
„Das
ist nicht Ihre Entscheidung. Ich bin Ihr Anwalt. Sie sind mein Klient. Damit
haben Sie hier keine Macht. Ihnen ist wohl nicht bewusst, dass die
Vertrauenshaft ein Urlaub für Sie war, Mr Fowler“, fuhr er fort. Er wusste
wieder, warum er froh war, den Fall aufgegeben zu haben.
„Ich
war bereits in Askaban, Mr Malfoy“, fügte er hinzu.
„Einige von uns haben bereits eine gerechte Strafe abgesessen.“
„Bezeichnen
Sie mich ja nicht als einen von Ihnen“, erwiderte Draco plötzlich mit eisiger
Kälte.
„Sie
tragen also nicht das Mal?“, entgegnete der Mann vor ihm aufgebracht. „Sie
waren doch in den Reihen einer der treusten Verbündeten, oder etwa nicht? Waren
all die Berichte gelogen?“ Draco zwang sich, ruhig einzuatmen. Es würde ihm
nicht helfen, jetzt auszurasten.
„Eine
gerechte Strafe erhalten diejenigen, die Menschen gefoltert, getötet und
misshandelt haben. Ich habe niemanden getötet, niemanden gefoltert und
niemanden misshandelt.“ Fowler sah ihn zornig an.
„Ich bin sicher, hätten Sie sich selbst mit ihrem
verfluchten Zauber belegt, dann würden Sie sich jetzt Ihren Arm ausreißen!“
Draco zog den Zauberstab.
„Genug!
Wenn Sie vorhaben, Ihr Gefühl von Ungerechtigkeit gegen mich auszuleben, dann
muss ich Sie enttäuschen. Hier haben Sie dazu keine Gelegenheit. Außerdem ist
es ziemlich dämlich von Ihnen, sich selber Steine in den Weg zu legen, Mr
Fowler.“
„Ja,
meine Steine werden nicht von meinem Vater aus dem Weg geräumt“, entgegnete
Fowler zerknirscht.
„Ich
habe das Mal getragen. Und ich war ein Anhänger der Ideologie, die Voldemort
Jahrzehnte lang angepriesen hat. Aber ich war sehr jung. Und Merlin sei Dank,
clever genug, auszusteigen als es an der Zeit wurde, selber zu denken. Wenn Sie
geglaubt haben, ich hätte Ihren Fall damals übernommen, weil ich eine Sympathie
zu ehemaligen Todessern empfinde, dann liegen Sie falsch“, sagte er kühl. „Dann
liegen Sie so falsch, dass Sie aufstehen und gehen sollten.“
Er
wartete kurz, aber Fowler rührte sich nicht. „Draußen wird Sie dann ein
Ministeriumsangestellter zurück in ihre Vertrauenshaft bringen und ein Pflichtrechtler wird sich Ihrer annehmen. Und er wird nicht
so geduldig sein, wie ich es bin.“
Fowler
atmete aus. Draco nahm an, er war höchstens zehn Jahre älter als er selber,
aber Askaban und die Vertrauenshaft hatten ihn
bestimmt um zwanzig Jahre altern lassen.
„Sie
meinen das ernst? Sie haben alles freiwillig aufgegeben?“, fragte Fowler leise
und Draco konnte nicht sagen, ob er neidisch oder spöttisch klang.
„Ja.
Ich habe alles aufgegeben. Aber… bei einer schlechten Sache, spricht man selten
von Aufgabe. Das Wort Aufgabe hat einen sehnsüchtigen Tenor. Ich habe allem
schlechten entsagt. Entsagung ist es, was die Folgen gleichgültig werden
lässt“, erklärte Draco und nahm an, Fowler würde ihn nicht gegen einen anderen
Verteidiger eintauschen.
„Sie
haben entsagt“, wiederholte Fowler also und runzelte die Stirn.
„Ich habe eine Muggel geheiratet. Ich denke, mehr
Entsagung ist einem ehemaligen Todesser wohl kaum
möglich, oder?“ Die Worte kamen ihm widerwillig über die Lippen. Aber man
musste den Widerwillen überwinden, befand Draco. Wieso sollte er sich immer
noch schlecht fühlen? Diese Sache, war eine Tatsache. Er konnte sie nicht
ändern, er konnte sie nicht zurücknehmen, was half es also, sie zu bereuen? Es
half gar nichts. Also musste er sich abfinden.
Fowler
lächelte plötzlich. „Doch, Mr Malfoy. Es ist mehr möglich als das.“ Draco
wartete auf ein Zeichen, das dies als übertriebene Lüge enttarnen würde, aber
Fowler bewegte sich nicht auf dem Stuhl vor ihm. Er sagte also die Wahrheit.
Oder er glaubte, dass er das tat.
„Was
wollen Sie mir damit sagen, Mr Fowler?“, fragte Draco plötzlich und lehnte sich
vor. „Und was hat es mir Annabelle Douglas zu tun?“, fügte er hinzu und sofort
wirkte das Gesicht von Edgar Fowler verschlossen und komplett leer.
Draco
wusste, er würde heute überhaupt nichts mehr rausbekommen.
Und er
fühlte sich mit lästiger Sicherheit an das letzte Jahr erinnert, wo er auch
schon überzeugt gewesen war, Edgar Fowler verbarg mehr, als er sagte.
Aber
was gab es für einen Grund, unschuldig in eine einjährige Vertrauenshaft zu
gehen? Draco verstand es nicht. Was auch immer Fowler entlasten konnte, wieso
sagte er es ihm nicht? Welchen Grund gab es auf der Erde, etwas auf sich zu
nehmen, was man nicht tragen musste?
Warum
trug er eine Last, die nicht seine zu tragen war?
In
keiner Akte, in keinem Dokument in keiner Erinnerung gab es auch nur den
geringsten Zusammenhang zwischen Edgar Fowler und Annabelle Douglas.
Und
Draco wusste, dieses Mal musste er hier inne halten.
Dieses
Mal musste er beweisen, dass der Fehler genau an dieser Stelle lag.
Denn er
war sich absolut sicher, sie kannten sich. Und sie kannten schon vor diesem
ganzen Angriff, der anscheinend nicht mal vorgefallen war.
Dracos
Blick fiel in die Akten. Jetzt saß er wieder an diesem Fall. Es war schon
seltsam. Ja, manchmal musste man unangenehme Dinge zweimal durchleben.
„Sie
wollen mir immer noch nicht sagen, weshalb Sie vor einem Jahr die Frage nach
der Folterung bejaht haben, oder?“, erkundigte sich Draco und klappte die Akte
wieder zu. Fowler blickte zur Seite.
Eines
der Probleme letztes Jahr war nämlich gewesen, dass Edgar Fowler die Folterung
zugegeben hatte und Draco beschlossen hatte, ihn mit dem Konditionierungszauber
zu belegen. Und das Resultat war, dass Fowler anscheinend gelogen hatte.
Der
Konditionierungszauber wurde als Schwindel hingestellt und Draco hatte mehr als
zwölf Zauberer ebenfalls mit dem Zauber belegen müssen, um zu beweisen, dass
Edgar Fowler mit Absicht gelogen hatte.
Fowler
hatte ab da die Folterung bestritten, aber bei jedem Verhör den Grund
verweigert. Und hatte Draco letztes Jahr versucht, über Fowler an die Wahrheit
zu kommen, so würde er jetzt den anderen Weg versuchen. Anscheinend gehörten
immer zwei zu einem Verbrechen.
Er
würde ein wenig die Regeln biegen und mit der anderen Partei Kontakt aufnehmen.
Blaise hatte die nötigen Informationen zu Annabelle Douglas.
Diese
Mal würde er klüger sein. Kein Todesser konnte ihm
etwas vormachen. Kein Todesser würde ein Geheimnis
vor ihm behalten können. Er war Draco Malfoy. Er war der König der Geheimnisse.
Und er war sauer, denn er war letztes Jahr überzeugt gewesen, dass Edgar Fowler
dieses Verbrechen nicht begangen hatte.
Und sie
hatte ihn daran zweifeln lassen. Sie hatte gewagt, seinen guten Sinn, sein Gespür
anzuzweifeln. Und er hatte tatsächlich nachgegeben und die Vertrauenshaft als
Einräumung zugelassen.
Dieses
Mal nicht.
Er
wusste, das Gesetz erlaubte es ihm nicht, die andere Partei vor der Verhandlung
zu befragen. Er wusste, er riskierte damit, als aktiver Rechtsmagier
ausgeschlossen zu werden. Es war riskant, es war gefährlich und er musste
hinter die feindlichen Linien. Und das, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam.
Aber er
würde sich dieses Jahr nicht auf seine Arroganz verlassen. Und er musste
zugeben, das hatte er letztes Jahr durchaus getan. Dieses Mal würde er
beweisen, dass er jedem Kläger überlegen war. Und er konnte so auch gleich
rausfinden, wer Annabelle Douglas dieses Jahr vertreten würde. Und er könnte so
einiges über die Schwächen des Vertreters erfahren. Manipulation war immer noch
ein wichtiger Schachzug in ihrem Geschäft.
Die
Schwächen seiner Exfrau waren ihm bekannt. Aber dieses Mal würde er gegen
jemanden antreten, bei dem er nicht die Gebotenheit verspürte, mit den mildesten
Mitteln zu spielen. Jetzt konnte er direkt die erste Runde mit einem absoluten
Tiefschlag beginnen.
Die
Anklage würde sich noch wünschen, nicht auf Draco Malfoy gestoßen zu sein.
Dafür würde er verflucht noch mal garantieren.
„Sie
können gehen. Wir werden morgen weiter machen. Selbe Zeit“, fügte Draco hinzu
und Edgar Fowler erhob sich stumm. Der Konditionierungszauber verlor mit der
Zeit seine Wirkung. Es war also unnötig, ihn aufzuheben. Draco würde ihn morgen
sowieso wiederholen.
Er
überlegte, wie unangenehm es sein musste, wenn einem seine Lügen angesehen
werden konnten. Wusste man doch statistisch, dass er der erwachsene Mensch bis
zu zwanzigmal am Tag log.
War es
schwerer, lügen oder die Wahrheit zu sagen? Das eines von beidem leicht sein
konnte, dass bezweifelte er ziemlich stark.
~
Let’s call the whole Thing off ~
„Mrs Malfoy. Mit Ihnen hätte ich bestimmt nicht mehr
gerechnet.“ Donald Wades betrachtete sie mit einem
anerkennenden Lächeln.
„Granger.
Ich trage wieder meinen richtigen Namen.“ Sie hatte nicht richtig sagen wollen. Ihren alten
Namen, das hatte sie gemeint. Donald sah sie entschuldigend an.
„Das war mir nicht bewusst. Ich hätte gedacht, einen solchen Namen gibt man
nicht so schnell auf. Wie dem auch sei, was kann ich für Sie tun, sind Sie doch
immer so willkommen in meinem bescheidenen Büro?“ Sie war froh, dass er das
Thema von selber wechselte. Sie spürte, wie sich ihre Kehle ein wenig enger
schnürte, weil es ihr schon seit einer Ewigkeit nicht mehr passiert war, dass sie
jemand mit diesem Namen angesprochen hatte.
Und
hatte es sich damals so vertraut und richtig angefühlt, so fühlte es sich jetzt
nur noch schmerzhaft an.
„Der Todesser-Fall ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht,
nicht wahr?“
„Wenn Sie
mir auf diese Art und Weise sagen wollen, dass die Akte sich in Ihrem
unerlaubten Besitz befindet, dann haben Sie recht, Ms
Granger.“ Donald betrachtete sie triumphierend. Hermine schluckte schwer.
„Wissen Sie…“
„Zabini
hat mir bereits anvertraut, dass Sie zurück kommen wollen“, fügte er lächelnd
hinzu.
„Hat er
das?“, erkundigte sie sich eisig und beschloss für sich, Blaise später zu
erwürgen.
„Ich
war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Zumal dieser Fall ja letztes
Jahr dazu geführt hat, dass sie gekündigt haben, Ms
Granger.“
„Mr Wades, ich versichere Ihnen, dass ich nicht vorhabe noch
einmal zu kündigen!“, sagte sie heftig und schien sich selber in die Falle
gelaufen zu sein. Sie wollte also wirklich hier arbeiten? Donald schien ihre Gedanken
zu erraten.
„Und es
ist nicht nur eine Phase, in der Sie beschließen, diesen einen Fall zu lösen,
weil er Ihnen schwer im Magen liegt?“ Er ließ sie nicht antworten. „Und
außerdem… Sie wissen, dass Ihr Exmann ebenfalls nicht kündigen wird und ebenfalls
hier arbeitet? In meiner Abteilung?“
Nein,
sie hatte darüber nicht nachgedacht.
„Ja,
ich weiß das.“ Sie konnte die Worte sagen. Sie konnte sie anscheinend auch so
meinen. Donald schien nicht überzeugt.
„Wenn Sie einen kalten Krieg in meiner Abteilung planen, dann können Sie es
vergessen, Ms Granger. Das hier ist kein Ort, um
gescheiterte Beziehungen mit wehenden Fahnen zu rächen, haben Sie verstanden?“
Sie streckte den Rücken durch.
„Sie
irren sich. In meinem Leben habe ich kaum jemals eine klügere Entscheidung
getroffen, als die Scheidung einzureichen.“ Sie konnte bestimmt hundert klügere
Entscheidungen nennen. Ihre Scheidung war ihr komplett egal. Es war lange her.
Und sie hatte nicht vor, nur noch ein einziges Mal mit diesem Mann zu sprechen.
Nun,
außer bei diesem einen kleinen Fall.
„Sie
tun dies also nicht aus Rache?“
„Ich
mag eine Frau sein, aber ich bin nicht so eine Frau“, erklärte sie ungeduldig.
„Es ist
also keine Vendetta? Sie kommen zurück, weil sie den Job vermisst haben, Ms Granger? Ist das richtig?“, vergewisserte er sich mit
einem prüfenden Blick und sie atmete aus.
„Keine
Vendetta. Es gibt keine losen Enden. Es hatte alles seine Richtigkeit und ich
bin glücklich geschieden, Mr Wades.“ Es verging ein
kurzer Moment.
„Abgemacht.
Ich stelle Sie mit Freude wieder ein, Ms Granger.“
Sie versuchte, nicht zu lächeln. Und nicht Blaise Zabini für den Wink mit dem
Zaunpfahl zu danken. „Wenn es allerdings auch nur das kleinste Problem mit Mr
Malfoy gibt, dann ist der Deal geplatzt. Und da Sie uns verlassen haben, werde
ich nicht Mr Malfoy kündigen. Haben Sie verstanden?“, sagte er kühl und sie
hatte das Gefühl, als hatte ihr nicht nur Blaise übel genommen, so überstürzt
gekündigt zu haben.
„Es
wird kein Problem mit Mr Malfoy geben.“ Ihre Stimme war leise, tonlos und
schwer. Den Namen zu sagen, erfüllte sie mit Wut und Scham. Noch nie hatte sie
sich für eine einzige Sache so sehr rechtfertigen müssen.
Es
gefiel ihr nicht, einen Fehler immer wieder vorgehalten zu bekommen, denn
üblicherweise unterlief ihr, Hermine Granger, kein einziger Fehler.
Sie
hatte sich nie wegen einer schlechten Entscheidung so oft entschuldigen und
rechtfertigen müssen. Noch nie.
Es
bereitete ihr schlechte Laune, dass sie an ihrer
eigenen Menschlichkeit scheiterte. Denn Menschen machten Fehler. Und sie
wusste, sie war ein Mensch, ja. Aber… sie hatte immer gehofft, sie wäre ein
absolut besonderer Mensch, dem niemals etwas so lange vorgehalten wurde.
Aber
anscheinend war sie doch nur ein gewöhnlicher Mensch, wie klug sie auch damals
gewesen sein mochte. Einen Krieg hatte sie mit kühlem Kopf und brillanten Ideen
überstanden, aber dennoch konnte wohl eine einzige spätere Fehlentscheidung
alles revidieren, was sie einst ausgemacht hatte.
Tja,
das schien ihr Pech zu sein.
„Ausgezeichnet. Worauf warten Sie dann noch? Sie kennen meine Arbeitsmoral, Mrs Malfoy“, rief er freudig. Dann zuckte sein Lächeln.
„Verzeihung, Ms Granger, meine ich. Es wird wohl noch
ein bisschen dauern“, entschuldigte er sich schulterzuckend. Ja, das würde es
wohl.
Jetzt
hatte sie gerade den Namen zurückbekommen und musste nun doch den Kompromiss
eingehen, den alten Namen zu hören, wenn sie dafür den Job zurückbekam, den sie
wirklich machen wollte.
„Gut,
habe ich… ein Büro?“, fragte sie kleinlaut und zum ersten Mal sah sie nicht
ihren Boss, sondern einen Mann, dem die Verletzung ihres kurzen Abschieds noch
auf den Zügen lag.
„Ihr Büro ist frei. Ich… habe es noch nicht wieder neu besetzen können. Und
denken Sie ja nicht, ich hätte nicht genug Angebote bekommen, ich… habe nur
nicht… Ja, ihr Büro ist frei. Bitte, fühlen Sie sich… wieder wie Zuhause,
Granger.“ Sie verließ das Büro mit einem leichten Nicken, denn sie fühlte sich
nicht wohl dabei, sich jetzt bei ihrem Boss zu entschuldigen und die richtigen
Worte zu finden.
Heute
war nicht der Tag dafür. Heute war der Tag, an dem sie Annabelle Douglas
besuchen würde. Und es kribbelte in ihren Fingern, diesen Fall endlich zu ihren
Gunsten zu Ende zu führen. Und er würde sich noch wundern. Oh ja, das würde er!
~*~
Annabelle
war noch nicht umgezogen. Das war eine Erleichterung. Hermine fand es immer
schwer, neue Orte mit neuen Adressen zu finden. Es war eine Sache, mit der sie
schon früher Probleme hatte. Aber sie erkannte den Aufgang zur Haustür. Die
Kieselsteine waren bestimmt von der Sonne schon ganz aufgeheizt und sie machten
dasselbe Geräusch unter ihren Füßen, wie letztes Jahr, als sie nahezu jeden Tag
hier hoch marschiert war.
Mal
wütend, mal völlig verzweifelt.
Sie
hatte die Akte noch einmal komplett durchgearbeitet und wusste, es gab ziemlich
viele unberücksichtigte Punkte, die sie einfach nicht hatte berücksichtigen
können, weil der Fall zum Ende hin, nicht mehr eine Gerichtsverhandlung gewesen
war, sondern… ein Scheidungsgrund. Sie hatte die Arbeit aus den Augen verloren
und ihre Befangenheit hatte Überhand gewonnen. Jetzt war dies Merlin sei Dank
kein Problem mehr.
Sie
wusste, sie würde sich bald die Erinnerungen des Gerichtszeugens ansehen müssen.
Das war noch so eine Sache, die magische betrachtet vielleicht sinnvoll war,
aber für ihre Gefühle dürfte es äußerst unangenehm und schmerzlich sein, wieder
und wieder in die fremden Erinnerungen einzutauchen und zuzusehen, wie sie und
ihr Exmann sich heiser schrieen.
Es gab
eine Regel, der sie stets zu folgen versuchte. Eine einzige Regel, die sie auch
in den letzten zehn Jahren niemals – niemals – vernachlässigt hatte. Aber heute
war wohl ein langsamer Tag. Es war warm und sie wog sich tatsächlich in einer
kurzen Sicherheit.
Aber
sobald sie hörte, wie sich die Tür öffnete, standen ihre Nackenhaare zu Berge.
Und sie wusste nicht, ob es an der neuen Situation lag, oder ob sie sich selber
noch nicht abfinden wollte, dass sie tatsächlich wieder Arbeit hatte,
jedenfalls war das Verlangen auszuweichen unmenschlich groß.
Und
bevor die Tür völlig offen stand, war sie in die Rosenbüsche zu ihrer Linken
abgetaucht. Sie hatte es nicht verhindern können.
Und
bevor sie sich feige schimpfen konnte, bevor sie auch nur ansatzweise rot
werden konnte, weil es lächerlich war, sich als erwachsene Frau in Büschen zu
verstecken, nur weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass sie die Tür sich
öffnen würd, ehe sie geklopft hatte, war ihr Instinkt wieder angesprungen.
Die
Regel, die sie niemals missachtete war, immer darauf gefasst zu sein, dass
etwas passieren würde. Denn es war immer, immer möglich. Das war es auch, was
Harry ihr beim Aurorentraining, das sie vorzeitig
abgebrochen hatte, immer erklärt hatte. Möge sie sich auch noch so sicher
fühlen, dann ist es ein schlechtes Zeichen. Selbstvertrauen bedeutet nur, dass
es etwas gibt, was man nicht weiß. Und deswegen war sie eigentlich immer
alarmbereit.
Und das
war gut.
Ihre
Knie gaben unter ihrem Gewicht beinahe nach und fast wäre sie nach vorne in die
Dornen gestolpert. Sie hielt die Luft erschrocken an und spürte den Herzschlag
in ihren Ohren. Alle Luft was aus ihren Lungen gepresst und sie fühlte sich wie
erschlagen. Und würde sie nicht hier versteckt in den Büschen stehen, dann
wüsste sie nicht, ob sie diesen Tag auch nur ansatzweise überlebt hätte. Mit
Würde, natürlich. Sie wäre vollkommen sicher, dass sie überlebt hätte. Nur eben
nicht auf die Art und Weise, die sie bevorzugte.
Sie
wusste gerne, worauf sie sich einließ. Und jetzt war sie immerhin ansatzweise
vorbereitet für das nächste Mal.
Sie
musste den Anblick überwinden.
Denn er
sah viel zu gut aus. Und sie hasste diesen Gedanken. Sie hasste es, dass sie genau sah, dass er wohl wieder
mehr trainiert hatte, denn seine Schultern wirkten breiter unter dem Anzug. Sie
hasste es, dass sie sich an das blond seiner dichten Haare nicht mehr völlig
erinnern konnte, wusste sie doch sonst alles über jedes Thema.
Sie
hasste es, dass er ihr nicht mit jeder Einzelheit
im Gedächtnis geblieben war, denn nur das Unbekannte, konnte einen wirklich
überraschen.
Sein
Gesicht wirkte gesund, strebsam, bereit dafür, sich in den Kampf zu stürzen,
oder in die Arbeit. Sie hatte sogar vergessen, wie er aussah, wenn er sie
ansah. Würde sie jetzt aus dem Schatten hervortreten, dann würde sie nicht mehr
wissen, wie es wäre von ihm angesehen zu werden.
Er
wirkte so, als wüsste er nicht, dass es sie gab. Und das war natürlich auch gut
so. Es wäre ihr am liebsten, würde er schlechter aussehen. So als würde ihm
eine Scheidung brutal zusetzen. Als wüsste er nicht, wohin mit seiner Zeit. Als
würde er einen Bauch ansetzen und nicht die Ausdauer und Lust finden,
tatsächlich zu trainieren.
Aber
sie vermutete bitter, dass er bereits guten Ersatz gefunden hatte.
Ja, ihr
Exmann sah verboten gut aus. Er hatte immer schon gut ausgesehen und sie hatte
heimlich immer gedacht, dass es gefährlicher war, wenn der eigene Mann besser
aus sah als man selbst. Natürlich hatte sie es nie laut gesagt. Und sie erinnerte
sich, dass er ihr immer Komplimente gemacht hatte und nie angedeutet hatte,
dass er womöglich besser aussah.
Warum
auch? Das war ihm wahrscheinlich herzlich egal. Und das machte es auch noch
schlimmer. Er war einfach von Natur aus schön. Er wirkte lediglich ein wenig
angespannt, aber sie wusste nicht mal mehr, ob das stimme und ob sie es
wirklich noch sehen konnte. Hatte sie ihn einst jeden Tag gesehen, so war die
Erinnerung mit jedem Tag, den sie ihn nicht gesehen hatte, verblasst. Es war
seltsam. Sie kam sich selber vor wie eine Fremde.
Der
Moment war vorbei. Er war gegangen, hatte den Kiesweg hinter sich gebracht, war
aus dem Tor getreten und war appariert.
Das war
alles gewesen. Diese sieben Sekunden waren ihr vorgekommen wie eine halbe Ewigkeit.
Eine halbe Ewigkeit, die sie dazu gebracht hatte, all ihre kühle Vorbereitung
zu verlieren und jetzt ohne Plan hinter den Büschen zu kauern.
Und sie
musste ihr Gehirn praktisch zwingen, wieder anzuspringen.
Sie
durfte sich nicht von seinem Äußeren beeindrucken lassen, denn sie wusste ja
sonst auch alles von ihm! Das war ja das Schlimme! Sie wusste, hinter seiner
schönen Fassade ruhte auch eine böse Seite. Eine Seite, die sich nur zu gerne
bis aufs Blut streiten würde. Sein Aussehen hatte bei Weitem nicht ausgereicht,
dass sie bei ihm hätte bleiben können.
Ihre
Differenzen hatten überwogen. Und jetzt musste sie das einfach hinter sich
bringen. Sie hatte keine Angst, ihn zu sehen. Es gab nichts, was sie nicht von
wusste. Außer eine Sache: Was hatte er zum Teufel noch mal hier zu suchen? Er
durfte hier gar nicht sein!
Sie
musste ihren Schock jetzt überwinden und anfangen, sie selbst zu sein.
Sie kam
aus den Büschen hervor und jetzt hätte sie es wahrscheinlich gerne, dass er
noch mal auftauchen würde. Jetzt wäre sie wütend genug dafür. Wahrscheinlich
ging es nur noch darum: Wütend genug für Draco Malfoy zu sein!
Denn
wäre es anders, dann würde sie wahrscheinlich nicht genug Worte finden. Oder
nicht die richtigen. Die Scheidung war so glimpflich wie möglich verlaufen.
Nicht gut, nein. Aber wenigstens nicht blutig.
Dennoch
konnte sie nicht vermeiden ihm den Großteil der Schuld zuzuschieben.
Sie
konnte nicht die größere Person sein. Sie konnte leider nicht. Sie war
anscheinend nachtragend und sie war bitter.
Und sie
war jetzt wütend genug.
Sie
hatte die Tür erreicht und dachte nicht darüber nach, dass sie jetzt dort
stand, wo er vor einer Minute gewesen war. Ihre Nase hinterging sie ganz gemein
und versuchte sogar zu erriechen, ob sein Aftershave
noch in der Luft hing.
Natürlich
tat es das nicht. Sie klopfte energisch, denn sie war schließlich wütend genug.
Annabelle
öffnete. Ihre Haare waren länger und sah sie bis gerade noch untröstlich
aus, dann veränderte sich ihr Ausdruck bei ihrem Anblick sofort.
„Mrs Malfoy! Ich habe sie schon erwartet. Ihr Mann war
gerade hier“, flüsterte sie Frau beschwörerisch und
Hermine erlitt mehrere Anfälle hintereinander. Sie zwang sich zur Ruhe.
„Schön,
Sie wiederzusehen, Ms Douglas. Aber ich bin
geschieden, wie Sie vielleicht wissen, und mein Name ist wieder Granger“,
erklärte sie übertrieben freundlich, obwohl sie lieber schreien wollte.
Hier
befand sie sich wieder in der alten Welt. Und es würde sie Zeit kosten, sie
wieder bequem und erträglich zu machen. Ohne, dass sie mit einem Namen
angesprochen wurde, der ihr kalte Schauer und das Gefühl von langen
Fingernägeln auf einer rostigen Tafel über den Rücken jagte.
„Oh
Verzeihung. Ja, ich bin sicher, ich habe das gewusst. Ich war nur… verwirrt.“
Ja,
Hermine war auch verwirrt. „Kommen Sie doch rein, Ms
Granger“, sagte Annabelle mit Nachdruck. Hermine tat wie ihr geheißen und
konnte auch in der Wohnung sein Aftershave nicht riechen.
Gut,
dann wäre sie nicht abgelenkt.
„Was
hat Mr Malfoy hier gemacht?“ Merlin, sie musste vielleicht Zuhause eine Stunde
einlegen, in der sie immer und immer wieder diesen Namen sagen würde, damit ihr
nicht mehr übel vor Wut werden würde, wenn sie ihn aussprach.
„Er hat
mir sehr viele Fragen gestellt, Ms Granger“,
flüsterte Annabelle ängstlich. Und hatte Hermine bis gerade noch überlegt, die
ganze Sache sein zu lassen, zu Donald zu gehen und doch um die endgültige
Kündigung zu bitten, dann fühlte sie jetzt, wie das Gefühl langsam abflaute.
„Fragen? Er darf überhaupt nicht hier sein. Ich hoffe, Sie haben ihm nichts
gesagt“, fuhr sie fort, denn sie erinnerte sich wieder an die schönen
Einzelheiten ihres Berufes, an die Paragraphen des Gesetztes, die für sie
arbeiteten und mit denen sie diese Welt beherrschen konnte.
„Nein, ich habe es ihm gar nichts gesagt. Nun ja, außer einer Sache.“
„Ms Douglas, Sie dürfen absolut gar keine Informationen
weitergeben. Nicht vor der ersten Hauptverhandlung. Das ist Beeinflussung und
Mr Malfoy weiß das auch“, setzte sie verärgert hinzu. Vielleicht könnte sie ihm schon jetzt eins reinwürgen und er
würde von dem Fall suspendiert werden.
Dann würde viele Probleme auf einmal lösen!
Das wäre gut.
„Nein, ich… es hatte nichts mit dieser Verhandlung zu tun.“ Und Hermine sah,
dass Annabelle müde wirkte. Die Zeit hatte ihr nicht unbedingt gut getan,
stellte Hermine fest. Und wieder befiel sie ein Gefühl, das sie schon vor einem
Jahr befallen hatte. Irgendwas war an diesem ganzen Fall vielleicht nicht ganz
so offensichtlich, wie Hermine es gerne hätte. Und ihr fiel es auf. Und sie
hegte die stille Befürchtung, dass auch Malfoy nicht völlig dumm war. Auch wenn
sie genug Beweise dagegen vorbringen konnte.
„Was
haben Sie ihm dann gesagt?“
Und
jetzt wirkte Annabelle ein wenig schuldbewusst.
„Er
wollte sehr viel wissen, hat mir aber auch gesagt, dass ich rechtlich nichts
sagen müsste. Und… das habe ich auch nicht getan und… ich habe gesagt, dass ich
mit meinem Rechtsmagier sprechen möchte, bevor ich… etwas sage“, sagte sie
leise. „Und… dann hat er mich gefragt…“ Anscheinend wusste Annabelle selber
nicht genau, ob sie einen Fehler gemacht hatte oder nicht.
„Er hat
Sie gefragt, wer sie vertritt?“, vermutete Hermine mit einem flauen Gefühl und
konnte sich plötzlich denken, weshalb er so plötzlich und angespannt
verschwunden war.
„Ja,
ich… wusste nicht… ich durfte diese Information doch weitergeben? Ich meine,
wir sehen uns ja alle sowieso im Ministerium, richtig?“ Hermine schien ein sehr
beunruhigtes Gesicht aufgelegt zu haben und entschied, der Frau keine weiteren
Sorgen zu machen.
„Nein,
das war völlig in Ordnung von Ihnen.“ Zwar hätte sie es ihm gerne selber auf
die Nase gebunden, aber so war es wohl besser. Dann gab es vielleicht kein
dramatisches Schauspiel. Obwohl sie glaubte, dass es sowieso nicht zu
irgendwelcher Dramatik kommen würde. Er war zu kalt, zu unnahbar. Während der
letzten Verhandlung ihrer Scheidung hatte er kein Wort mehr für sie übrig
gehabt.
„Ich
dachte, er hätte es gewusst. Ich dachte, Sie wären übereingekommen, den Fall
dann wieder gemeinsam aufzunehmen“, entschuldigte sich Annabelle heftig.
„Ms Douglas, das ist wirklich nicht Ihre Sorge. Über
Ihre Sorgen sprechen wir jetzt. Und Sie müssen mir genau sagen, welche Fragen
er Ihnen gestellt hat“, fügte Hermine streng hinzu.
~
You have to love something before you can hate it ~
„Ich
weiß, dass du damit zu tun hast!“ Und alles, was in seinem Kopf vorging, war,
nicht zu schreien. Alles, aber bloß nicht schreien. Und der Blick, den Blaise
ihm zuwarf, war beinahe zu viel.
„Ich habe überhaupt nichts-“
„Blaise, wer sonst hätte so einen absolut verflucht beschissenen…“ Er fing
sich. Und Blaise hob eine Augenbraue. Und dann seufzte sein ehemaliger bester
Freund auf.
„Schön.
Ich gestehe, Mr Malfoy“, sagte er und Draco hasste den Ansatz des Lächelns auf
den Zügen seines ehemaligen besten Freundes. „Ich habe ihr nahegelegt,
zurückzukommen. Ich habe Kontakt mit ihr. Na und? So schlimm ist es nicht. Der
Job war gut für sie. Es wäre eine absolute Verschwendung, würde sie ihr Talent
sonst wo aufgeben“, erklärte Blaise selenruhig.
„Hör
zu, es ist mir scheiß egal, ob sie in den Drei Besen Butterbier ausschenkt oder
nächste Zaubereiministerin wird. Es ist mir sogar verflucht egal, ob sie in
unserer Abteilung hockt, aber diesen Fall wird sie nicht übernehmen!“ Er hatte
die Zähne fest zusammen gepresst, damit er bloß nicht lauter werden würde.
„Donald
hat sie eingeteilt. Er hat zugestimmt und-“
„Was
erlaubst du dir eigentlich? Du setzt sie auf den Fall an? Wieso? Willst du,
dass ich verliere?“ Scheiße. Fehler. Er hoffte, Blaise würde davon absehen.
Aber natürlich tat er das nicht. Stattdessen genehmigte er sich ein recht
ausgiebiges Lächeln.
„Malfoy, Malfoy… du denkst, du verlierst? Ich möchte gerne wissen, warum.“
„Oh fick
dich, Blaise. Es ist nicht so, wie du denkst.“
„Nein?“,
lachte sein ehemaliger bester Freund jetzt schadenfroh. „Was denke ich denn?“,
fragte er lauernd und Draco war kurz davor, ihm die Faust ins Gesicht zu
schlagen.
„Ich
glaube nicht, dass du damit rechnest, dass ich zu Donald gehe und ihm das
Gesetz vorlege, dass dir verbietet, Außenstehenden Akten zukommen zu lassen.“
Blaise verdrehte die Augen.
„Draco, ich bitte dich. Sie war mit dem Fall vertraut. Sie hat die-“
„Da
scheiße ich drauf. Du hast hier das Gesetz gebrochen, und wenn es anders nicht
möglich ist, dann werde ich diesen Weg wählen. Ich habe absolut keine Lust,
diesen Fall unter diesen Voraussetzungen zu übernehmen.“
„Was
willst du tun? Zu Donald gehen und anfangen zu heulen, weil du keine Lust hast,
dass dein Exfrau wieder hier arbeitet?“ Draco riss sich zusammen. Und es war
verflucht schwer.
„Es ist
mir egal, was sie tut. Sie könnte nackt auf meinem Schreibtisch liegen und auch
das wäre mir verflucht noch mal egal!“ Jetzt hatte er doch geschrieen.
„Aber dieser Fall ist ein Höhepunkt in meiner Karriere. Er wird als Präzedenz
für jeden angeklagten ehemaligen Todesser ausgelegt.
Und wenn sie mit ihrer kleinbürgerlichen Muggelscheiße
die Wahrheit verdreht, dann wird es keinen Fortschritt geben!“
„Dann
würde ich dir vorschlagen den Fall einfach gut zu lösen. Dann hast du nichts zu
befürchten. Noch mal kannst du dich schließlich nicht von ihr scheiden lassen.“
Blaise sah ihn herausfordernd an. „Es sei denn natürlich, sie liegt wirklich
nackt auf deinem Schreibtisch und du heiratest sie noch mal“, fuhr Blaise
lächelnd fort.
„Ich weiß, was du vorhast. Und es ist erbärmlich von dir. Wag es nicht noch
mal, deinen Arsch in meinem Büro zu zeigen, Zabini“, entgegnete er zornig und
verließ mit knallender Tür das Büro seines ehemaligen besten Freundes.
Und
sein Weg führte direkt zum nächsten Anlaufpunkt: Seinem Vorgesetzten.
Aber
bevor er zu der Tür kam musste er an einer anderen Tür vorbei. Und etwas
erregte seine negative Aufmerksamkeit. Es verfing sich im äußersten Punkt
seines Augenwinkels und auch, wenn er kein Problem damit hatte, regte es ihn
doch für die kleinste Sekunde lang unglaublich auf.
Ihr
Büro war da, wo es schon letztes Jahr gewesen war. Er sah sich schon die Tür
eintreten und den Schreibtisch demolieren. Hermine Granger. Das stand auf dem
kleinen Schild neben der Tür. Hermine scheiße Granger.
Und sie
bekam seinen Fall! Seinen verfluchten Fall!
Er
widerstand dem quälenden Verlangen, zu klopfen und sie zu verfluchen, sie
rauszuwerfen und ihr zu drohen sie umzubringen, würde sie diesen Fall wieder
wagen zu übernehmen. Merlin, so wütend war er nicht mehr gewesen seit… seit der
ersten Verhandlung der Scheidung, wo sie den Vertrag zerrissen hatte und all
seine Abfindungsvorschläge zum Teufel gejagt hatte.
Zornig
klopfte er an Donalds Tür.
„Ja?“,
hörte er die Stimme von Donald Wades und musste seine
Wut erst mal kontrollieren, ehe er die Klinke runter drückte.
Er
betrat das Büro und wusste noch immer nicht, wo er anfangen sollte.
„Malfoy,
gut Sie zu sehen. Ich habe ein paar Dinge mit Ihnen zu besprechen.“
Oh ja?
Wollte er vielleicht damit anfangen, ihm zu erklären, weshalb er Granger
eingestellt und mit dem Fall betreut hatte?!
„Welche Dinge?“, brachte Draco knapp hervor.
„Sie waren bei Annabelle Douglas vor der Verhandlung. Sie wissen doch sehr
genau, dass das gegen alle Regeln ist. Beeinflussung ist hier untersagt,
Malfoy.“ Es war doch unfassbar! Dieses kleine Miststück!
„Hat
Annabelle Ihnen das erzählt?“, fragte er lauernd und wusste, er durfte unter
gar keinen Umständen seinen Boss anschreien. Er durfte nicht!
„Das
ist völlig unwichtig, Malfoy. Es geht darum, dass-“
„Oder
kam Granger persönlich zu Ihnen?“ Er spürte, wie der Nebel der Wut seinen Blick
verschleierte.
„Sie wissen es also. Gut, ich hatte es Ihnen sowieso sagen wollen. Es war nur
noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen.“ Draco wartete. Aber anscheinend
waren diese wenigen Worte für seinen Boss völlig ausreichend.
„Zabini
hat ihr
Akten zukommen
lassen. Bevor sie angestellt war. Artikel 27b verbietet ein solches Verhalten.
Sie ist nicht befugt. Und der Fall steht ihr nicht zu.“ Draco versuchte ruhig
zu bleiben. Sehr ruhig.
„Ich
denke, wir können eine Ausnahme von der Regeln machen“, bemerkte sein Boss
jetzt.
„Ja?
Bei ihr geht das? Aber ich gehe zu einer Klientin und werde angeschwärzt? Ich
denke nicht, dass das eine faire Sache ist.“
„Malfoy,
es wird doch hoffentlich keine Probleme geben, oder?“, erkundigte sich sein
Boss nachdrücklich.
„Ich denke, die gibt es allerdings, Donald.“ Während er wartete, ballte er die
Hände zu Fäusten.
„Ich
habe Ms Granger bereits gesagt, das es bei dem
kleinsten Problem zur Kündigung kommt.“
„Sie
wollen mir kündigen? Haben Sie das mit ihr vorher abgesprochen und aufgesetzt?“
Bloß nicht schreien. Er trainierte nicht so viel, damit seine Wut
unkontrolliert Oberhand gewinnen konnte.
„Ich
weiß, dieser Fall belastet sie beide emotional.“
„Tut er
nicht“, widersprach Draco hastig. Sein Trotz regte ihn selber auf. Er war
erwachsen, verflucht! „Es stört mich, dass Außenstehende plötzlich eine
Sonderbehandlung bekommen!“
„Ich
habe Ms Granger gesagt, wenn es zu Problemen kommt,
dann muss sie gehen.“ Oh. Sie musste gehen? Immerhin ein bisschen Fairness in
dieser verdammten Abteilung.
„Gut,
dann schicken Sie sie nach Hause.“ Er wusste, er hörte sich albern an.
„Vielleicht sollten Sie mir ihr sprechen. Oder nein…“ Und plötzlich wirkte sein
Boss sehr zufrieden. „Es geht mir sowieso etwas gegen den Strich, dass schon
wieder zwei Rechtsmagier aus meiner Abteilung den Fall wieder übernehmen. Es
kommt mir vor wie eine zweite Runde. Sie wollen den Fall, richtig?“ Draco sagte
nichts darauf. Es kam ihm vor, wie eine Falle. „Granger will ihn ebenfalls. Ich
schlage vor, Sie beenden Ihre Vorbereitungen zur ersten Verhandlung – ohne
Zwischenfälle – und Sie und Ihre Exfrau tragen mir beide Seiten vor.“ Dracos
Mund öffnete sich.
„Und
dann werde ich entscheiden, wer übernimmt. Meine Abteilung wird diesen Krieg
nicht noch mal ausfechten. Entweder meine Abteilung entscheidet sich für die
Verteidigung oder die Anklage“, endete Donald und wirkte sehr zufrieden.
„Was?“ Draco sah ihn an. „Das… das geht nicht. Wer übernimmt dann die andere
Seite?“
„Kein
Problem. Die freien Kanzleien reißen sich darum. Es soll Ihre Sorge nicht sein.
Wenn Sie perfekt vorbereitet sind, können Sie den Fall behalten. Wenn nicht,
dann ist es auch egal. Dann widmen Sie sich wieder ihren anderen Fällen. An
Arbeit sollte es Ihnen ja nicht mangeln. Seit Ihrer Scheidung arbeiten Sie schließlich
wie ein Wahnsinniger. Es fällt mir natürlich auf, Malfoy“, fügte Donald mit
gerunzelter Stirn hinzu.
„Aber
Sie können nicht…“
„Ich
bin der Boss. Ich kann einiges, Malfoy. Sie und Granger haben eine Woche. Ich
würde vorschlagen, Sie überzeugen mich.“ Und Draco hatte die Befürchtung, dass
Donald schon letztes Jahr auf Grangers Seite gestanden hatte.
„Wollen
Sie es ihr sagen?“, fügte Donald und Draco würde lieber brennend auf dem Rücken
eines Drachen reiten, als diese Information weiter zuleiten.
„Nein“,
sagte er jetzt und fühlte sich erschlagen. Würde er sich jetzt wieder mit ihm
anlegen, dann würde Donald ihm den Fall sofort abnehmen. Würde er sich
anstrengen, würde er wahrscheinlich sowieso nicht den Fall behalten, weil er
die Vermutung hatte, Donald würde Granger sowieso bevorzugen.
Aber
das konnte er ihm nicht vorwerfen. Vielleicht sollte er den Fall abgeben.
Einfach so. „Oder wissen Sie, nein. Ich kann es ihr sagen“, entschied er
plötzlich.
Ja, er
würde es ihr sagen. Das und noch eine ganze Menge mehr, verflucht.
~*~
„Alles
in Ordnung?“, fragte sie verschlafen, denn er hatte sich bereits aufgesetzt.
„Es ist kurz nach sechs“, fügte sie hinzu. Und ja, normalerweise schlief er
länger, aber jetzt konnte er nicht mehr im Bett bleiben.
„Ich
muss ins Büro“, erklärte er also, und Astoria setzte sich auf.
„Du
hast überhaupt keine Zeit mehr, Draco“, warf sie ihm jetzt vor. „Gestern haben
wir gar nicht gesprochen und jetzt hast du nicht mal eine halbe Stunde Zeit, um
aufzustehen und mit mir zu sprechen? Mit mir zu frühstücken – wenigstens einmal
– damit dein Hauself mir nicht wieder böse Blicke
zuwirft? Also wäre ich ein Feind in deinem Haus?“
Er sah
sie an. Und er hatte keine Lust, mit ihr zu sprechen.
„Astoria,
ich habe dir gesagt, der Fall ist wichtig. Und wenn du Probleme mit dem Hauself hast, dann sprich nicht mit ihm“, erklärte er
ungehalten.
„Oh Draco, es geht nicht um den dämlichen Hauself!“,
rief sie jetzt.
„Er ist nicht dämlich.“ Sie verdrehte die Augen.
„Schön, du kannst deinen Hauself gerne verteidigen.
Aber was ist mit unserer Beziehung? Wann fängst du an, unsere Beziehung auch
mal zu verteidigen? Wann stellst du mich deinen Eltern vor? Gibt es dafür auch
einen Termin? Oder sind in deinem Kopf alle Termine für das dämliche
Ministerium belegt?“ Ihre Stimme wurde ganz heiser. Draco nahm an, sie würde
gleich auch noch weinen.
Er
erhob sich also.
„Ich
muss jetzt los. Am besten regst du dich ab und wir reden später. Oder morgen“,
fügte er gereizt hinzu.
Und er
sah, dass sie weinte. Aber er konnte es beim besten Willen nicht ändern. Dieser
Streit war ihm lästig und er hatte jetzt keinen Kopf für ein solches
Frauenproblem. Es war sehr schön, dass sie nur sich selbst im Kopf hatte, aber
er hatte nicht auch noch die Zeit für diese Probleme.
„Du
redest nie mit mir!“, schrie sie aufgebracht und er verschwand ins Bad. Und er
war dankbar, dass es mehrere Türen hatte. Er musste sie also heute Morgen nicht
noch mal sehen.
Und
worüber sollte er auch mit ihr reden? Sie hatten nichts gemeinsam, außer guten Sex. Und das reichte doch völlig
aus. Er hoffte nur, der Elf hatte nicht wieder gelauscht.
Denn
diese verurteilenden Blicke konnte er auch nicht ertragen. Er verbrachte nur
ein wenig mehr Zeit als sonst im Bad. Nur ein wenig mehr. Der Anzug war ein
wenig teurer, ein wenig eleganter. Seine Haare lagen heute ein wenig besser,
aber er schenkte all dem kaum mehr Beachtung.
Es
diente einem größeren Zweck.
Er
wusste, er und Granger hatten sich länger gehasst, als dass sie sich geliebt
hatten. Und vielleicht würde es einfach sein, sie dazu zu bringen, die Stelle
aufzugeben. Für das bessere Wohl, fügte er lächelnd in seinem Kopf hinzu.
Er
hatte gedacht, er müsste erst in einer Woche ein Plädoyer halten, aber er
könnte vorher schon mal üben. Es würde nicht schaden, eine Proberunde zu
machen.
Er war
Draco Malfoy und er war es gewohnt, zu gewinnen. Egal, wobei.
Und er
war fast überrascht, wie leicht der Weg zur Arbeit war. Er hatte erwartet, ein
Gefühl des Unwohlseins zu empfinden. Aber anscheinend war das nicht der Fall.
Er wusste, er war überlegen. Aber dass es so leicht sein würde, machte es ihm
natürlich einfacher, einen ruhigen Kopf zu bewahren.
Der
Fahrstuhl war leer, mit dem er nach oben fuhr. Der Flur lag vor ihm wie
ausgestorben. Keine Ablenkungen, und er betrachtete das Schild mit ihrem Namen
nicht, als er an die Tür klopfte.
Er
öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Schreibtisch stand immer noch rechts.
Sie war über ein Haufen an Papier gebeugt, die Haare zusammengebunden und
hochkonzentriert. Sie sah nicht anders aus.
Und sie
war nicht allein.
„Wie
nett. Ist das nicht der Mann, der mit verboten hat, sein Büro zu betreten?“,
erkundigte sich Blaise bei ihm und Draco wäre wirklich dankbar, wenn man Blaise
wenigstens den Hauch von Schuldgefühlen ansehen könnte. Aber dem war nicht so.
Und er hatte nur wenige Möglichkeiten, die Situation zu behandeln. Er entschied
sich also für den erwachsenen Weg.
„Vergiss
es einfach.“ Er sah, dass sie ihn nicht wirklich ansah. Er wusste, er war
überlegen.
„Wirklich?
Das klang gestern völlig anders“, betonte Blaise lächelnd.
„Blaise,
könntest du uns kurz alleine lassen? Ich habe ein Wort mit Ms
Granger zu reden.“ Es war mehr als seltsam, ihren Nachnamen zu benutzen und sie
zu siezen. Jetzt sah sie ihn an.
„Ich denke nicht, dass es irgendwas gibt, was Blaise nicht hören könnte.“ Und
sie fiel ihm natürlich in den Rücken. Er lächelte also.
„Wie du willst.“ Er beschloss auf die Förmlichkeit zu verzichten und sah sofort
wie sie sein Lächeln zu beunruhigen schien. „Ich habe gestern mit Donald
gesprochen und er hat entschieden, dass nur einer den Fall übernehmen kann.“
Sie wirkte kurz verwirrt.
„Hat er
nicht“, sagte sie nur.
„Oh doch. Hat er“, widersprach er. Sie warf Blaise einen Blick zu, aber dieser
zuckte nur die Achseln. „Und wir dürfen beide unsere Seiten nächste Woche
präsentieren und entweder übernimmt die Abteilung die Anklage oder die
Verteidigung. Je nachdem, wie sich Donald entscheidet.“
„Dann
solltest du vielleicht schon mal dein Kommando zurückpfeifen, Draco“, erklärte
sie freundlich. „Ich denke, dass mein Standpunkt vom Ministerium wohl besser zu
vertreten ist, als deiner.“
„Es
wird so oder so vor dem Ministerium vertreten. Auch die freie Kanzlei wird hier
her kommen. Ob sie nun deine Seite übernimmt oder meine.“
„Es ist
doch ziemlich offensichtlich, dass Donald meine Anklage bevorzugen wird.“
Blaise wirkte zwischen ihnen merklich fehl am Platz.
„Ich
schlage vor, wir sehen uns zum Essen, Hermine“, sagte er also. Und plötzlich
änderte sich Grangers Tonlage.
„Du kannst einfach bleiben, Blaise. Ich denke, Draco ist fertig?“
„Es
gibt da noch ein paar Dinge“, fuhr er unbeeindruckt fort.
„Die
Blaise hören kann?“, fragte sie jetzt und sah ihn wieder nicht direkt an.
„Sicher,
wenn er will. Anscheinend habt ihr keine Geheimnisse voreinander“, fuhr er mit
unüberhörbarem Unterton fort.
„Witzig,
Draco“, erwiderte sie trocken.
„Ihr
könnt es gerne unter euch klären, Hermine. Wie gesagt, wir gehen ja zum Mittag
zusammen.“ Und Granger schien kurz etwas ratlos zu sein.
„Ok, meinetwegen. Dann… bis später.“ Blaise verschwand. Aber nicht, ohne ihm
noch einen kurzen Blick zuzuwerfen. Aber Draco würde verdammt sein, würde er
sich irgendein Gefühl anmerken lassen. Die Tür schloss sich und Granger spannte
sich an. Er sah es genau.
„Du
wolltest den Fall also unbedingt zurück?“, fragte er scheinheilig und
betrachtete ihre Unterlagen. Sie zog sie hastig zurück, als könne er aus ihnen
verbotene Informationen beziehen. Er lächelte spöttisch zu ihr hinab.
„Ich
wollte ihn nicht unbedingt zurück. Es
war eben einfach so“, erklärte sie und sah stur nach vorne auf den
Schreibtisch. „Ich muss wirklich weiter machen, wenn Donald nur eine Seite in
seiner Abteilung haben möchte.“
„Das ist kein Wettkampf, das ist dir klar oder?“
„Draco,
bei dir ist alles ein Wettkampf, oder nicht?“
„Ich
glaube, man bezeichnet es nicht als Wettkampf, wenn der Sieger schon von
vornerein feststeht“, bemerkte er mit einem Hauch an Spott. Nicht zu viel, denn
das würde seine Überlegenheit schmälern.
Jetzt
hob sie gereizt den Blick. „Du hast es letztes Jahr schon nicht geschafft“,
konterte sie und er sah, dass sie sich für die Worte ärgerte.
„Was
konkret?“
Sie
erhob sich.
„Bitte, geh einfach. Danke für die Information. Und versuch dich bitte hier
rauszuhalten, ja? Es ist gegen das Gesetz, meine Klientin auszuspionieren.“
Natürlich war das ihr Punkt.
„Zweimal bitte… das müsste dann wohl ein neuer Rekord sein, oder?“, erkundigte
er sich kalt. „Und außerdem ist es erst seit zwei Tagen deine Klientin,
Granger.“ Er sah ihre Wut genau. Seltsamerweise beruhigte es ihn. „Und wer im Trollkeller sitzt, sollte besser nicht das Schwert
verlieren, denn ich glaube, du bist nicht völlig rechtens an diesen Fall
gekommen.“ Ja, sie war wütend.
„Bist
du fertig?“, fragte sie böse und er unterdrückte ein Lächeln.
„Sicher,
immer doch. Wenn du glaubst, du hättest auch nur die geringste Chance, dann
irrst du dich“, erklärte er immer noch freundlich.
„Wenn
es kein Wettkampf ist, brauchst du mir auch nicht zu drohen.“ Sie zeigte auf
die Tür. „Da geht’s raus.“
„Ich
denke, das weiß ich besser als du, denn ich hatte nicht die plötzliche Laune,
die Abteilung zu verlassen. Weißt du, du hättest hier hoch aufsteigen können,
aber dein Problem ist, dass dich deine Gefühle in die falsche Richtung lenken.
Wenn sie dich denn überhaupt in irgendeine Richtung lenken. Und das dürfte auch
der Grund dafür sein, weshalb du diesen Fall leider nicht übernehmen wirst.“
Ihr Mund war aufgeklappt.
„Wenn
mich meine Gefühle in eine falsche Richtung gelenkt haben, dann-“ Sie hatte
sich selber unterbrochen und die böse Seite in seinem Innern, wollte förmlich,
dass sie weitersprach. Er hatte wirklich gedacht, dass sie nach mehr als einem
halben Jahr normal reden konnten. Aber er hatte sich geirrt. Und sie schaffte
es, wieder Fokus zu gewinnen. Wirklich schade, dachte er. „Schön. Das war wirkliche ein wunderschöne
Ansprache, Malfoy. Aber ich glaube, wir sind hier fertig.“
„Du
wirst doch wohl nicht wütend werden? Seine Gefühle im Griff zu haben, ist das
wichtigste. Aber vielleicht verlierst du den Fall auch nicht wegen
Befangenheit, sondern einfach, weil dir die richtige Information fehlt,
Granger.“
„Du
hast überhaupt gar keine Informationen! Was willst du schon besser wissen als
letztes Mal? Es ist genau das gleiche. Und hättest du damals nicht den Schwanz
eingezogen und nachgegeben, dann wärst du in die bittere Lage gekommen, um zu
sehen, wie ich gewonnen hätte. Haushoch.“
„Es
geht nicht immer ums Gewinnen. Es geht um die Wahrheit. Aber das war dir noch
nie wirklich, bewusst, oder? Egal, ich habe wirklich besseres zu tun. Nett,
dich in der Abteilung zu haben. Aber wer weiß, wie lange du es aushalten wirst,
richtig?“ Jetzt schenkte er ihr ein Lächeln.
Ja, es
war weiß Gott einfacher, sie zu hassen als etwas anderes zu tun. Und es war
großartig zu sehen, wie sie die Fassung verlor. Er war beruhigt zu sehen, wie
wenig er sie leiden konnte.
~ Silence is
Holy ~
Er war
zwar nicht besonders stolz auf die Tatsache, dass er Annabelle Douglas besucht
hatte, obwohl es ihm nicht zugestanden hatte, aber immerhin war er jetzt um
eine Information reicher. Und die würde er Fowler unter die Nase reiben. Jetzt
war es nämlich überlebenswichtig, dass er auch seinen Boss überzeugte.
Denn
jetzt wusste er, er lag richtig.
Bevor
er gehen konnte, klopfte es allerdings an seiner Tür. Er bezweifelte stark,
dass ihn Blaise zum Essen abholen würde. Denn Blaise wusste, trotz seiner
Höflichkeit, dass Draco ihm noch nicht verziehen hatte.
„Herein?“
Eine
Frau steckte den Kopf in sein Büro. Und er erkannte sie immer noch sofort.
„Mrs Potter, was für eine Ehre“, begrüßte er sie und
versuchte keine Wertung in seine Stimme zu legen.
„Spar
dir das, Malfoy“, sagte Ginny böse. Und sie war nicht allein. Sie hatte ihren
Sohn an der Hand.
„Womit
verdiene ich einen Besuch von dir?“, erkundigte er sich freundlich und lehnte
sich in seinem Stuhl zurück.
„Du
verdienst eigentlich überhaupt nichts, Malfoy. Aber es gibt wohl keine andere
Möglichkeit. James, fass nichts an, Mommy ist gleich
fertig.“ Draco betrachtete den Jungen, den er lange nicht mehr gesehen hatte.
Er versteckte sich halb hinter den Beinen seiner Mutter und Draco konnte es ihm
nicht verdenken. Es war bestimmt schon ein halbes Jahr her. Wahrscheinlich
erkannte er ihn gar nicht mehr. Und für einen kurzen Moment tat ihm das
wirklich leid. Denn im Gegensatz zu seinem Vater war James absolut in Ordnung.
Sie
setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl, ohne dass er sie dazu aufgefordert
hatte. Potters Frau machte da nicht viel Fehlerlesen.
„Ich
nehme mal nicht an, dass du gekommen bist, um zu plaudern?“, vermutete er
seufzend.
„Plaudern? Nein. Wir haben noch nie
geplaudert. Harry hat mir gesagt, dass Hermine wieder in der Abteilung
arbeitet. Und anscheinend sitzt ihr schon wieder zusammen an dem Fall.“ Er
wartete kurz, aber sie sagte nichts.
„Erwartest
du, dass ich darauf irgendwas sage?“ James betrachtete währenddessen das
magische Prisma, was als Dekoration vor ihm stand. Draco schob es ihm
unauffällig zu und nickte ihn an. Langsam schlossen sich James‘ Finger um den
gläsernen Gegenstand und die Funken flitzten im Licht durch das Glas, als James
es hochhob.
Ginny
beobachtete dies mit geschürzten Lippen. „Ich will, dass du den Fall aufgibst,
Malfoy“, sagte sie schlicht. Für einen kurzen Moment sah er sie an und tat so,
als würde er darüber nachdenken. Dann verzog er entschuldigend den Mund.
„Nein.
Tut mir leid. Das werde ich nicht tun.“ Er hob knapp die Hände und lächelte
nachsichtig. Sie sah ihn böse an.
„Du
willst das also wirklich noch mal machen? Du willst dich mit ihr streiten, ihr
wollt alles vergessen, was mit eurer Arbeit zu tun hat, nur weil ihr ein
persönliches Problem habt?“ Er sah sie kurz an.
„Glaub
mir, darum geht es nicht. Es mag derselbe Fall sein, aber die Voraussetzungen
sind-“
„Genau
dieselben, Draco!“, unterbrach sie wütend. Ihr Sohn sah sie kurz an, ehe er
wieder wie gebannt auf das bunte Treiben im Innern des Prismas achtete.
„Ich denke nicht, dass du das beurteilen kannst“, stellte er trocken fest.
„Was? Bist du verrückt? Wer war denn letztes Jahr jeden Tag dabei? Wer hat denn
den ganzen Streit miterlebt? Und wer hat auf unserer Couch geschlafen? Warst du
das oder war das eine Halluzination?“ Er unterdrückte den Drang, laut zu werden
und lehnte sich wieder vor.
„Ich
habe mein eigenes Haus, wo ich alleine wohne und wo ich alleine schlafen kann.
Die Lage ist anders. Und ich glaube nicht, dass es dir zusteht, mir zu
befehlen, einen idealen Fall aufzugeben. Ich bin nicht dein Sohn“, fügte er
hinzu und sein Blick fiel wieder auf den Jungen. Seine dunklen Haare wirkten
länger und seine Augen funkelten immer noch genauso grün, wie Draco sie in
Erinnerung hatte.
„Hermines
Wohl liegt mir sehr am Herzen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dafür
verantwortlich sein wirst, dass es ihr wieder schlecht geht. Und das wollen wir
doch wohl nicht!“, fügte sie mit Nachdruck hinzu. „Oder willst du das wirklich,
Malfoy?“
„Was?
Es ist mir völlig egal. Ich habe keinen Einfluss auf ihr Leben!“, entrüstete er
sich.
„Nein?
Ich habe gehört, Donald Wades sucht sich einen
Rechtsmagier von euch aus. Sie wird ihr Herzblut in diesen Fall stecken. Sie
wird sich all die Mühe machen und ich will nicht, dass er dann am Ende dich
auswählt, weil du irgendwen bestochen hast oder mit dem Tod gedroht oder mit
Armut oder sonst was!“
„Für
wen hältst du mich eigentlich? Ein netter Einblick, wirklich“, erklärte er und
warf einen Blick auf die Uhr. „Allerdings muss ich wirklich los.“
„Du
wirst also gar nichts tun? Du wirst es nicht leichter für sie machen?“
„Leichter
für sie?“, wiederholte er entrüstet und lachte auf. „Weshalb sollte ich ihr
irgendwas leicht machen?“
„Weil
sie es schwer genug hatte, Draco“, sagte Ginny mit Nachdruck.
„Richtig.
Und sie war auch die einzige, das hatte ich vergessen. Sie war mit sich selbst
verheiratet.“ Er konnte nicht verhindern, bitter zu klingen. Und er wollte es
gar nicht verhindern.
„Du
kannst das nicht schon wieder tun. Du kannst nicht schon wieder mit ihr über
diesen Fall streiten!“
„Wenn
Donald nächste Woche entscheidet, dann ist es doch vorbei. Entweder sie
gewinnt, oder ich gewinne. Dann muss sie es nur eine Woche aushalten. Und bei
allem Respekt, es geht dich nichts an, Ginevra.“ Sie
zuckte bei ihrem Namen zusammen.
„Fein.
Wie du willst. Wie hatte ich annehmen können, auch nur ein einziges Mal ein
vernünftiges Gespräch mit dir zu führen? Das hat ja schon vor zwei Jahren nicht
geklappt“, erwiderte sie bitter und erhob sich schließlich.
„James,
wir gehen. Sag auf Wiedersehen“, fügte sie widerwillig hinzu, denn anscheinend
bestand sie bei ihrem Sohn auf die gebotene Höflichkeit. Er hatte das Prisma
vorsichtig zurückgestellt und warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf die
bunten Farben.
„Wiedersehen,
Onkel Draco“, sagte der Junge jetzt kleinlaut und winkte ihm kurz. Draco wurde
wirklich nicht oft von den Menschen überrascht, aber dass der Junge noch
wusste, wer er war, das war wirklich bemerkenswert.
„Machs gut, James. Ginevra“, fügte
er mit einem Lächeln hinzu und Ginny warf seine Tür förmlich ins Schloss.
Als ob
er wirklich für Granger auf diesen Fall verzichten würde. Er hegte sowieso die
Befürchtung, dass Donald sich für Granger entscheiden würde. Er hatte sowieso
das Gefühl, dass alle Granger lieber mochten als ihn. Das war ein dummes
Gefühl, aber es ließ sich nicht verdrängen. Sein eigener Hauself
mochte Granger lieber. Sein Vorgesetzter mochte Granger lieber, ja, verflucht
sogar Lucius mochte Granger höchstwahrscheinlich lieber als ihn.
Es
klopfte erneut. Vielleicht war Potters Frau doch noch nicht fertig mit ihm.
Aber diesmal war es tatsächlich Blaise.
„Hallo
der Herr mit den Stimmungsschwankungen. Hat es dir Befriedigung verschafft, sie
zu sehen?“, fragte er lauernd und Draco verdrehte die Augen. Er wusste, Blaise
sprach nicht von Potters Frau.
„Was
willst du?“
„Hast
du Hunger?“
„Nein,
ich muss gleich los“, erklärte Draco kurz angebunden. Er nahm es Blaise
wirklich übel.
„Ich
hab hier noch eine Sache. Vielleicht liegt dir das. Bei solchen Fällen bin ich
immer überfordert. Die Sache mit dem Todesser, der
vor einigen Jahren verschwunden ist“, fuhr er fort. „Der Fall liegt schon
solange im Regal, dass es fast peinlich ist. Könntest du die Akte schließen?“
„Warum
ist sie nicht schon längst geschlossen?“, fragte Draco verwirrt, denn er
erinnerte sich daran, dass der Fall schon mal durch ihre Abteilung gegangen
war.
„Keine
Ahnung“, erwiderte Blaise und Draco glaubte ihm nicht.
„Nein?
Du kommst zu mir, mit einem Fall, der irrelevant ist und du tust das, obwohl du
weißt, dass ich an einem Fall arbeite. Hat Donald dir schon gesagt, dass er
Granger haben will?“ Blaise runzelte die Stirn.
„Deine Paranoia ist beeindruckend, Draco, aber nein. Ich dachte mir, du
bräuchtest etwas Ablenkung.“
„Ist
das so?“ Er nahm die Akte mit spitzen Fingern entgegen.
„Wie
wäre es, wenn wir das heute Abend beim Essen besprechen würden?“
„Wieso?
Willst du vor Millicent entkommen? Oder vor Pansy?“
Blaise
musste lächeln. „Sag bloß, du hast es vergessen, Draco? Das sieht dir ja gar
nicht ähnlich.“ Draco durchsuchte seinen Kopf. Welches Datum war denn heute? Er
wusste es wirklich nicht. Vielleicht hatte Potters Frau recht, und es war
wirklich nicht gesund, alte Streits wieder neu aufzuwickeln. „Dein Vater hat
Geburtstag und du vergisst es tatsächlich“, ergänzte Blaise lächelnd. Dracos
Mund öffnete sich.
Himmel,
da hätte er fast den Geburtstag seines Vaters vergessen! Dabei hatte er noch
neulich daran gedacht, dass die Investition in die Einhornzucht
das ideale Geschenk wäre. Sein Vater liebte neue Marktentdeckungen, die Profit
brachten.
Er warf
die Akte achtlos auf seinen Schreibtisch. Er würde morgen einen Blick
reinwerfen. Heute musste er noch zu Fowler und dann zu der Feier seines Vaters.
Er könnte sich wieder rechtfertigen, weshalb er nicht verheiratet war und
welcher seiner schlechten Entscheidung die andere übertraf.
„Ich
hoffe doch, wir haben eine Art Waffenstillstand, Draco?“, erkundigte sich
Blaise jetzt ernsthaft und Draco hob eine Augenbraue.
„Von
mir aus“, gab er zurück. Dann lächelte er. „Obwohl es bestimmt angenehm wäre, dich Pansy heute zum Fraß vorzuwerfen.“ Pansy war stets im Hause Malfoy
eingeladen, wenn eine Feier stattfand. So auch Blaise. Narzissa schien die
Tatsache zu ignorieren, dass Blaise und Pansy geschieden waren.
Allerdings
ging er stark davon aus, dass sie Granger keine Einladung geschickt hatte. Es
war seltsam. Sein Vater hatte Granger gemocht. Seine Mutter nie wirklich.
„Ha
ha“, erwiderte Blaise nur. „Bis später dann“, verabschiedete er sich mit einem
letzten Blick auf die Akte. Jetzt vermutete Draco schon bei Blaise
Hintergedanken, aber anscheinend lag er mittlerweile nicht mehr falsch, wenn er
so etwas vermutete.
Jetzt
musste er sich schon fast beeilen.
~*~
Fowler
heute zu sehen, war ein durchaus besseres Gefühl.
„Sie
wissen, dass entweder ich oder Ms Granger den Fall
weiterführen wird? Es kann also sein, dass sie einen neuen Verteidiger
bekommen?“, vergewisserte sich Draco und erhoffte sich irgendeine Regung im
Gesicht des Mannes zu erkennen.
„Ja,
ich weiß“, sagte Fowler. Er wusste es, denn sein Körper zeigte Regung auf den
Konditionierungszauber.
„Wissen
Sie, ich war vor zwei Tagen bei Annabelle Douglas, Mr Fowler“, fuhr Draco fort,
ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Die wässrigen Augen des Mannes verengten
sich.
„Warum?
Es ist doch gar nicht ihre Klientin, oder?“
„Nein,
ist sie nicht. Allerdings ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen, Mr Fowler.“
Draco wartete kurz. Sie wusste nicht, ob sich Fowlers
Atmung beschleunigt hatte, sein Herzschlag oder ob Schweiß auf seine Finger
getreten war. Er könnte es leicht nachprüfen, aber er verzichtete darauf.
„Wissen Sie, was das sein könnte?“, fuhr Draco langsam fort.
Und
Fowler sagte nichts. Denn wenn Draco richtig lag, dann würde jede Antwort von
Fowler dazu führen, dass der Zauber anschlug.
„Wann
werden Sie anfangen, die Wahrheit zu sagen?“ Er wartete, aber Fowler sagte
nichts. „Warum wollen Sie unbedingt zurück nach Askaban?“,
fügte er hinzu.
„Ich
will nicht nach Askaban“, erwiderte Fowler und das
war die Wahrheit.
„Wissen
Sie, was ein Zeitenumkehrer ist?“, fragte Draco jetzt
und schlug die andere Richtung ein.
„Ja, Mr
Malfoy“, sagte Fowler kleinlaut. „Jeder weiß das, oder?“
„Wissen
Sie, weshalb Ms Douglas im Besitz dieses Gegenstandes
ist?“ Und beide Männer sahen sich an.
„Nein“, flüsterte Fowler und verzog kurz den Mund. Der Zauber schlug an.
„Warum, Edgar?“
„Ich
weiß es nicht“, sagte er lauter und seine Züge spannten sich wieder an.
„Sie müssen-“
„Fragen
Sie mich das nicht! Sagen Sie niemandem, dass sie ihn hat, sagen Sie es keinem,
haben Sie gehört? Ich bitte Sie, sagen Sie es nicht!“, flehte der Mann vor ihm
jetzt und seine Atmung ging schneller.
„Sie wissen, warum?“, erwiderte Draco aufgeregt. „Sie wissen, wofür Sie ihn
gebraucht hat und Sie wissen, dass es Privatpersonen nicht gestattet ist, einen
Zeitenumkehrer zu besitzen“, fuhr er fort.
„Ich weiß das“, sagte Fowler und es trat eine kurze Stille ein.
„Warum
verteidigen Sie diese Frau? Warum beschuldigt Sie diese Frau, dass Sie sie
gefoltert hätten? Und warum bestätigen Sie es? Warum wehren Sie sich gegen die
mögliche Freiheit? Warum tun Sie das für diese Frau?“
Und
Draco schwieg plötzlich. Edgar hatte recht. Man musste die richtigen Fragen
stellen.
„Sie
lieben diese Frau.“ Und es war keine Frage, die er stellte. Fowler wirkte müde.
Er sagte nichts.
Wissen
Sie, Reden ist Silber. Schweigen ist Gold,
Mr Malfoy.“
„Nicht
in meinem Beruf“, widersprach Draco gereizt und wusste nicht genau, was er tun
sollte. Es würde ihm nichts bringen in seiner Akte zu erwähnen, dass Annabelle
Douglas einen Zeitenumkehrer besaß, denn dies hatte
nichts mit dem Fall zu tun. Es wäre eine weitere Tat. Aber der ehemalige Todesser vor ihm bat ihn, diese Frau zu verschonen. Aber
bisher hatte Draco noch nicht viele Fäden zusammen gebracht. Er wusste jetzt
sicher, dass sich die beiden kannten. Er wusste sicher, dass Edgar Annabelle
nicht gefoltert hatte.
Er
wusste, dass Edgar dieses Verbrechen aus Liebe auf sich genommen hatte.
„Wozu
der Aufwand, Edgar? Was verbergen Sie mit der fadenscheinigen
Foltergeschichte?“
„Reden
ist Silber-“
„Schweigen
ist Gold, ja, ja. Das sagten Sie schon“, knurrte Draco gereizt, aber Fowler
lehnte sich plötzlich vor.
„Schweigen ist Gold“, wiederholte er
jetzt eindringlicher.
„Schweigen
ist Gold?“, wiederholte auch Draco
verwirrt und Edgar nickte.
„Soll
da sein Rätsel sein? Ich hasse Spiele, Mr Fowler.“
„Schweigen
ist Gold.“ Und das war das letzte,
was Edgar Fowler ihm heute an Worten gönnte.
~
But I grow old and I forget your Name ~
Jeden
Freitag war er hier gewesen. Jeden. Für über zwei Jahre. Und jetzt, seit acht
Monaten war er vielleicht vier, fünfmal hier aufgetaucht. Schon alleine aus
diesem Grund wusste er, dass seine Mutter seine Exfrau nicht immer verteufelte.
Sein
Vater betrachtete verzückt das Bild, von dem Einhorn, das jetzt neu in das
Zuchtprogramm aufgenommen worden ist.
„Ich
kann mir noch einen Namen aussuchen?“, erkundigte sich sein Vater und Draco war
froh, dass er das Geschenk nicht verabscheute. Aber es brachte Kapitel, also
war es wohl ein gutes Geschenk.
„Sicher,
wenn du willst“, erwiderte Draco und nickte den vorbeigehenden Gästen zu.
„Gut.
Ich denke, ich entscheide mich für… Jean.“ Kurz hatte er den Blick gehoben und
Draco beschloss, zu ignorieren, dass es sich niemals um einen Zufall handelte.
Generell gab es keine Zufälle. Und dass sich sein Vater den zweiten Vornamen
seiner Exfrau für sein Einhorn ausgesucht hatte, grenzte mit hoher Wahrscheinlichkeit
an genauso geringe Zufälligkeit.
„Es ist
ein männliches Einhorn“, erklärte Draco geflissentlich.
„Unwichtig.
Das Einhorn weiß doch nicht, wofür der Name steht.“ Wie beiläufig zog sein
Vater eine beeindruckend hübsche Taschenuhr aus seinem Jackett. „Ich denke, es
wird Zeit für den Toast.“
„Ein
Geschenk von Mutter?“, vermutete Draco jetzt, denn sein Vater zeigte ihm das
Schmuckstück bestimmt nicht, ohne Absicht.
„Was?
Das? Oh nein, Draco. Interessant, dass sie dir auffällt. Du machst dir doch
nichts aus Taschenuhren“, fuhr sein Vater fort. „Es ist Hermines Geschenk. Sie
kann leider nicht persönlich kommen, obwohl ich glaube, dass sie nichts daran
hindert, was denkst du?“
„Mutter
ruft mich“, log er kalt und ließ seinen Vater zurück.
Er
brauchte dringend mehr Alkohol.
„Draco!“,
rief seine Mutter, die tatsächlich auf ihn wartete. „Nimm dir ein Glas,
Liebling“, erklärte sie und reichte ihm den teuren Kristall. Der kam ihm gerade
recht, denn sein eigenes Glas war leer.
„Hast
du einen Blick auf die Damen geworfen?“, fragte sie scheinheilig. „Oder bist du
immer noch nicht über Hermine hinweggekommen?“
Alkohol.
Dringend.
„Mutter, ich…“ Was wollte er sagen? Dass er mit Astoria Greengrass
seine Zeit verbrachte? Astoria, die er, wie beiläufig, vergessen hatte, zum
Geburtstag seines Vaters einzuladen? Fuck. Er war sich nicht ganz sicher, ob er
das wieder gut machen konnte. Aber auf Blaise war ja Verlass.
„Mrs Malfoy, Draco trifft sich seit einer ganzen
Weile schon mit der Tochter von Senator Greengrass“,
erklärte dieser bereitwillig und griff sich ebenfalls ein Glas von dem
schwebenden Tablett.
„Greengrass? Kennen wir den Senator nicht aus dem
Club?“, wandte sich Narzissa an ihren Mann, der näher gekommen war. Immerhin
hatte er die Uhr wieder eingepackt, stellte Draco fest.
„Sicher.
Seine Tochter ist… nun, sie ist arbeitslos, nicht wahr?“
„Es ist
das erste Mal, dass du eine reiche Reinblüterin ohne
Arbeit als arbeitslos bezeichnest, Vater“, bemerkte Draco spitz.
„Wenn
sie nicht arbeitet, dann ist sie doch arbeitslos. Oder wie soll ich es sonst
nennen?“
„Sie
ist die Dame des Hauses, Liebling“, sagte seine Mutter recht kühl. „Außerdem
war Hermine nun wohl ständig arbeitslos.“
„Das
hatte andere Gründe. Das Mädchen ist so talentiert, dass sie ohne weiteres
Zaubereiministerin werden könnte, nicht wahr, Draco? Wir haben doch immer
gesagt, dass-“
„Entschuldigt
mich, mein Glas ist leer“, sagte er tonlos und Blaise schritt mit ihm über die
sommerliche Wiese. Die Rosen blühten voll und schwer. Der süße Duft hing
überall in der Luft.
„Der Alkohol schlägt wesentlich schneller an, in dieser Hitze“, bemerkte Blaise
zusammenhanglos.
„Sehr
nett von dir, mit Astoria anzufangen“, knurrte Draco.
„Wo ist
sie überhaupt?“, fragte Blaise und ignorierte den Seitenhieb.
„Keine
Ahnung.“ Draco leerte das nächste Glas. „Wo ist Pansy?“, stellte er die
Gegenfrage.
„Hör
mir auf. Wenn Goyle und ich auch nur noch ein
weiteres Glas auf gute Freundschaft trinken müssen, dann hänge ich mich am
höchsten Balken eurer Turmspitze auf“, drohte er leise und trank ebenfalls.
Draco
musste lächeln. Gut, vielleicht nahm er Blaise nicht alles Übel.
„Hast
du dir den Fall angesehen?“, fragte Blaise plötzlich unvermittelt und Draco
zuckte die Achseln.
„Nein, noch nicht. Ich wollte erst diesen Fall hinter mich bringen. Aber danke
der Nachfrage, du willst also schon jetzt, dass ich mich damit abfinde, den
Fall nicht zu bekommen?“ Blaise seufzte.
„Es war letztes Jahr schon schwer genug. Und ich weiß, diese ganze Ehre und die
Vergangenheit und dein Stolz hängen schwer davon ab, aber… Draco… lass ihr doch
den Fall.“
„Das
ist hier kein Abfindungsgespräch, Blaise. Das habe ich hinter mir. Und sie
wollte keinen Sickel meines Vermögens. Also bekommt
sie auch nicht den Fall.“ Wie zum Teufel sollte ein Mann eine Frau vergessen,
wenn ihr Name überall in der Luft schwebte, verflucht?
„Und
nein, ich habe dir den Fall nicht als Überwindung gegeben, Draco.“ Draco
runzelte die Stirn.
„Warum dann?“
„Merlin,
sieh ihn dir einfach an.“ Blaise wirkte gereizter als zuvor. „Ich hätte diesen Todesser-Fall auch übernehmen können, ist dir das klar?“
sagte er plötzlich. „Ich denke, ich hätte sogar beide Seiten besser übernehmen
können, als du und Hermine zusammen“, fuhr er verärgert fort.
„Was
soll das heißen?“ Blaise sah ihn eindringlich an.
„Oh
bitte! Worum geht es dir? Geht es dir wirklich darum, zu beweisen, dass
ehemalige Todesser auf der guten Seite stehen können?
Wirklich, Draco? Oder geht es einfach nur darum, Hermine zu beweisen, dass du
besser bist?“
„Du liegst absolut falsch. Du solltest dich mit Potters Frau zusammen setzen.
Dann könntet ihr eure Fantasien zusammen spinnen“, erwiderte er böse.
„Wieso
bist du dann immer noch nicht weiter?“
„Hey! Außerdem
bist du selber schuld! Du könntest den Fall auch einfach übernommen haben. Du
hättest ihn nicht dieser dämlichen Besserwisserin geben müssen, Blaise. Es ist
sowieso deine Schuld.“
„Meine
Schuld…“, wiederholte Blaise nachsichtig. „Richtig, eure Scheidung ist meine
Schuld. Es hat mich ein Jahr gekostet, euch zu zeigen, dass eure Streitereien
kein Hass, sondern Liebe waren und es ist meine Schuld, dass du den Fall
verlieren wirst. So einfach ist das alles nicht.“
„Ich
hasse deine Kuppelversuche. Ich weiß nicht, was du erwartest, Blaise. Ich bin
glücklich mit Astoria.“ Na ja, das war mehr oder weniger gelogen.
„Ja?
Ich bin sicher, es gefällt ihr hier bei deinen Eltern wirklich gut. Ach nein,
warte. Sie ist ja gar nicht hier“, ergänzte Blaise lächelnd.
„Ich
werde den Fall nicht verlieren“, sagte er jetzt zornig und ging nicht mehr auf
die Tatsache ein, dass er Astoria komplett verdrängt und vergessen hatte.
„Ok,
hör zu, wenn es dir wirklich nicht mehr um Hermine geht, dann streng dich
gefälligst an. Wenn es dir um den Fall geht, dann sollte es dir nicht so schwer
fallen, Donald zu überzeugen.“
„Er ist
ein Muggelfreund, verflucht! Er steht nicht auf
meiner Seite!“, beschwerte sich Draco gereizt. „Und wenn du alles besser weißt,
hättest du den Fall behalten sollte!“, fügte er hinzu und spürte den Alkohol
wirken.
„Ich
weiß es auch besser. Aber ich habe altruistische Gründe, Malfoy. Du wirst es
später begreifen.“
„Vergiss
es“, sagte Draco vage, denn er wusste zwar nicht, was Blaise meinte, aber er
würde ihm bestimmt nicht recht geben. Ganz bestimmt nicht.
~*~
Und sie
war sich nicht mehr sicher, ob Donald sie wirklich am Ende der nächsten Woche
nehmen würde.
„Sie
müssen mir die Wahrheit sagen. Sie wissen, dass es so gut wie unmöglich zu
beweisen ist, dass er sie gefoltert hat.“ Und sie wusste, Annabelle war müde.
Und sie selber war noch viel müder.
„Wenn
ich es Ihnen doch sage“, beteuerte die Frau jetzt. „Und… er ist doch ein Todesser. Ich weiß überhaupt nicht, warum das Ministerium
noch zögert!“ Hermine runzelte die Stirn. Es war ein neuer Punkt. Bisher hatte
Annabelle eigentlich nie darauf gepocht, dass Edgar Fowler ein Todesser war.
Sie
wusste, Malfoys Konditionierungszauber hatte einiges für sich. Aber sie
weigerte sich, ihn auszuführen. Denn wenn die Menschen logen, dann logen sie
einfach. Dann konnte man sie auch nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen.
Sie vertraute auf Veritaserum, war aber bei solchen
Bagatellfällen – waren sie auch noch so spannend – nur auf ihren
Menschenverstand angewiesen.
„Ich
habe hier ein paar Fakten gefunden, über die wir bisher noch nicht gesprochen
haben“, sagte sie mit schwerer Stimme, denn eigentlich hatte sie nicht
vorgehabt, alles wieder aufzurollen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, es ruhen
zu lassen. Die losen Enden, einfach lose Enden sein zu lassen.
„Wieso
haben Sie diese Anzeige damals bekommen?“
„Das
wissen Sie doch schon.“
„Nein,
ich weiß, dass sie im Ministerium aufgegriffen wurden, wegen Diebstahls. Oder
versuchtem Diebstahls zumindest.“
„Aber
das habe ich Ihnen doch schon erzählt.“
„Ja,
aber dieses Mal werde ich nicht locker lassen, denn dieses Mal geht es um etwas
sehr wichtiges“, beharrte sie. „Wir können uns nicht erlauben, gewisse Dinge,
nicht zu berücksichtigen.“
„Sie haben gesagt, es ist unwichtig und dass diese Sache nichts mit dem Vorfall
im Ministerium zu tun hat“, widersprach Annabelle aufgeregt.
„Nein,
mir persönlich ist es auch egal. Aber Mr Malfoy wird sich jeden Strohhalm
greifen. Und wenn hinter dieser Information mehr steckt, als sie mir sagen
wollen, dann muss ich es wissen, Annabelle.“
„Mrs Malfoy – Ms Granger, es war
dumm von mir, in das Ministerium einbrechen zu wollen. Es war… ein Impuls. Ich
hatte eine seltsame Phase hinter mir. Meine Mutter war gerade gestorben und
ich… ich wollte mich auflehnen. Ich habe nichts gestohlen!“, beteuerte sie
erneut. Hermine ignorierte den Namensfehler.
„Warum
die Mysteriumsabteilung?“, fragte Hermine ruhig und
sie wollte einfach nur einmal die Wahrheit hören. „Was wollten Sie ausgerechnet
dort stehlen? Warum wollten Sie nicht… keine Ahnung, randalieren oder…, was man
eben tut, wenn man wütend ist. Wieso haben Sie sich ein Ziel ausgesucht, was so
gut bewacht ist?“
Annabelle
sagte nichts darauf und schüttelte entschuldigend den Kopf.
„Ich habe es den Beamten schon damals gesagt, es war rein impulsiv.“
„Ich
glaube Ihnen das nicht. Wissen Sie, dass Malfoy denkt – immer noch denkt – dass
Sie und Edgar Fowler in Zusammenhang stehen? Dass Sie sich kennen und dass
hinter diesem Verbrechen ein anderes steht?“ Sie konnte nicht glauben, dass sie
jetzt schon Malfoys Theorie in Erwägung zog. Sie wurde doch langsam verrückt.
Aber sie wusste, sie musste jede Verwirrung aus dem Weg schaffen. Dazu gehörten
auch die verworrenen Theorien ihres Exmannes.
„Ich
habe Ihnen gesagt, dass ich weiß, dass er mich gefoltert hat! Er hat mich
angegriffen und mich gefoltert. Und ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn noch nie
vorher in meinem Leben gesehen!“ Und sie sagte die Wahrheit. Hermine sah es ihr
an. Sie sah es sehr genau.
Sie sah
noch eine andere Kleinigkeit sehr genau. Annabelle hob immer wieder ihre Hand
zu ihrem Hals und immer wieder wickelte sie sich die goldene Halskette um ihren
Zeigefinger. Wahrscheinlich nur unbewusst.
Aber
die Kette war feingegliedert. Die goldenen Ösen waren flach und breit und
ineinander gesteckt. Sie waren grob geschliffen und unangenehm geformt. Und das
Tragen dieser Kette schmerzte im Nacken, denn sie diente nur dem Zweck und der
Unzerstörbarkeit. Weshalb Hermine das wusste? Weil sie selber einmal so eine
Kette getragen hatte. Zumindest für eine begrenzte Zeit.
„Woher
haben Sie die Kette, Annabelle?“, fragte Hermine und Annabelle runzelte die
Stirn und zuckte dann die Achseln.
„Ein Erbstück, wieso? Gefällt sie Ihnen? Es ist albern, aber mittlerweile lege
ich sie nicht mal mehr zur Nacht ab. Sie ist unbequemer als man denkt.“ Sie
lächelte kurz und dann wurde sie wieder ernst. „Bitte, ich will, dass es endlich
vorbei ist. Ich weiß nicht, was ich Ihnen noch sagen soll.“
Hermine
wusste auch nicht genau, was sie noch sagen sollte.
Außer,
dass sie sich nicht erklären konnte, wie Annabelle Douglas an die Kette eines Zeitenumkehrers gekommen war. Und wo war der Zeitenumkehrer? Und woher hatte sie ihn? Und wieso war ihr
das nicht eher aufgefallen?
Annabelle
war in der Mysteriumsabteilung aufgegriffen worden.
Schon vor einigen Jahren.
Das
Ministerium hatte danach die Sicherungen verschärft und es hatte sofort eine
Inventur durchgeführt. Annabelle hatte nichts gestohlen. Hätte ein Zeitenumkehrer gefehlt, dann wäre es verzeichnet gewesen.
Die
Verarbeitung der Kette war Trollhandwerk. Hermine sah
es genau. An den groben Stellen funkelte das Gold der Kette besonders hell. Sie
war schön anzusehen und unerschwinglich teuer.
Sie war
auch nur zweckentsprechend, denn Zeitenumkehrer waren
schwer und benötigen eine Kette aus belastbarem Material. Und würde sie die
Kette näher in Augen schein nehmen, würde sie vier Initialen in der letzten Öse
eingestanzt erkennen können.
Sie
hatte ein gutes Auge dafür, denn sie hatte auch für eine kurze Zeit bei den
Trollen gearbeitet. Aber diese konnten Menschen nicht besonders gut leiden.
Deswegen konnte es natürlich nicht auf Dauer gut gehen.
„Dürfte ich mir die Kette ansehen? Sie ist wirklich schön. Bestimmt alt?“ Fast
erwartete sie, dass Annabelle verneinen würde, aber sie nahm sie einfach ab und
reichte sie Hermine.
„Ich meine, ich wäre froh, wenn wir einfach diesen Fall hinter uns bringen
würden. Und stellen Sie sich nur vor, ich müsste einen neuen Rechtsmagier
beantragen. Dann müsste der sich erst einarbeiten und ich bin doch so zufrieden
mit ihnen“, fügte Annabelle hinzu und atmete verzweifelt aus.
Hermine
drehte das Gold unauffällig in der Hand um. Und sie wünschte sich fast, sie
läge falsch.
Aber
das tat sie eigentlich nie. MFZL – Ministerium für Zauberei, London.
Sie
hatte recht. Dies war eine offizielle Kette des
Ministeriums und jetzt wohl ein sehr seltsames Beweisstück. Es gab eine
begrenzte Zahl und wieso war der Zeitenumkehrer, der
dazu gehörte, nicht als vermisst gemeldet? Es war unmöglich, eine Kette ohne Umkehrer zu besitzen. Es war alles genau verzeichnet. Sie
gehörten eng zusammen. War er etwa hier in diesem Haus?
Hermine
sah sich um.
„Darf
ich?“ Annabelle streckte die Hand nach der Kette aus. Seufzend gab sie Hermine
ihr zurück. Was brachte ihr schon eine Kette? Es hatte nichts mit dem Fall zu
tun. Annabelle legte sie wieder um. „Wissen Sie, Ihr Exmann hatte sich auch für
die Kette interessiert. Den meisten fällt sie gar nicht auf“, erklärte
Annabelle gleichgültig. Hermines Atem stockte.
„Hat
er… hat er sie auch in die Hand genommen?“, fragte sie tonlos und Annabelle
runzelte die Stirn.
„Sicher,
ich habe sie ihm gezeigt. Er fand sie auch bemerkenswert schön.“
„Wissen
Sie… entschuldigen Sie mich. Ich denke, für heute haben wir genug besprochen.“
Hermine erhob sich hastig und ihr war auf einmal ganz unwohl. Zwar hatte diese
Sache nichts mehr mit dem Fall zu tun, aber sie kannte Draco Malfoy gut genug,
als dass er daraus eine Staatsaffäre machen würde. Jede noch so kleine
Ablenkung wäre gut genug für ihn, den Fall für sich zu beanspruchen.
„Aber
diese Sache im Ministerium wird doch nicht mehr zur Sprach kommen, oder? Sie
hat nichts damit zu tun. Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?“ Auf einmal war
sich Hermine nicht mehr völlig sicher, mit ihren Entscheidungen.
„Ja, ich denke, das wird… nein, wissen Sie, Sie müssen sich überhaupt keine…
ich kümmere mich. Wir sehen uns morgen!“, sagte sie hastig und verabschiedete
sich und verließ das Haus. Sie brauchte die Akte. Sie brauchte die verfluchte
Akte, denn ihr kam gerade ein erschreckender Einfall.
Vielleicht…
nur vielleicht, lag sie doch nicht richtig. Vielleicht hatte sie einen Fehler
gemacht, letztes Jahr. Wieso war es ihr nur nicht aufgefallen?
Hoffentlich
war es ihm nicht mittlerweile in die Hände gefallen! Hoffentlich plante er
nicht gerade einen grandiosen Triumphzug, bei dem sie ziemlich übel davon
kommen würde.
~
From the vantage Point ~
Sie
hätte ja erwartet, dass es sie mehr Überwindung kosten würde. Sie hatte
erwartet, dass die Gewissenbisse sie erschlagen würden, aber sie war
überrascht, wie leicht es gewesen war, in sein Büro einzubrechen. Sie fühlte
sich nicht mal schlecht bei dem Gedanken.
Das
Ministerium war vollkommen leer. Abgesehen von den Auroren.
Sie wusste, die Auroren trainierten gerne spät. Es
war dann ruhiger und angenehmer, außerdem waren ihre Arbeitszeiten flexibler
als die der restlichen Mitarbeiter.
Und mit
schnellen Fingern ging sie durch seine gesamten Akten. Sie waren alle in dem
Regal gelagert. Mit dem Lumos
versuchte sie die Titel der Akten besser erkennen zu können, allerdings gelang
es ihr nicht wirklich gut. Und sie wusste, sie hatte wahrscheinlich alle Zeit
der Welt, aber dennoch wollte sie so schnell wie möglich hier raus.
Sie
nahm an, er würde noch eine ganze Weile auf der Feier seines Vaters sein. Es
war immer sehr angenehm auf den Feiern gewesen. Das Anwesen war so groß und so
schön gewesen, dass sie immer ungern gegangen war. Auch wenn sie mit Narzissa
ihre Probleme gehabt hatte, so war sie mit Lucius doch irgendwann
stillschweigend übereingekommen jeden Groll zu begraben.
In
einer stillen Stunde hatte er sich nämlich bei ihr entschuldigt. Wirklich
entschuldigt. Und sie hatte ihm vergeben. Und seitdem war es ihr liebster
Schwiegervater gewesen. Natürlich war er ihr einziger Schwiegervater gewesen,
aber das ignorierte sie einfach. Sie hoffte nur, ihm hatte die Uhr gefallen.
„Mist“,
sagte sie schließlich und hob den Zauberstab. „Accio Akte 737“, sagte sie leise,
aber nichts geschah. Wo war die verfluchte Akte? Er hatte sie doch nicht
geschützt? Nein, er hatte ja keine Ahnung, um was es ging. Sie war aus dem
Archiv nämlich verschwunden und Blaise Zabini hatte die Markierung
hinterlassen, dass sie jetzt von Draco Malfoy geschlossen werden sollte.
Das
Schließen einer Akte war magisch gesehen das Todesurteil der Akte. Einmal
geschlossen, war sie komplett unbrauchbar und durfte niemals wieder mit einer
magischen Strafverfolgung geahndet werden.
Einmal
geschlossen – immer geschlossen.
Hatte
er sie nach Hause genommen? Tat er so etwas? Vielleicht tat er so etwas. Sie
brauchte diese Akte. Und sie brauchte sie am besten jetzt. Sie hatte nicht mehr
viel Zeit und je mehr Zeit sie vergeudete, umso größer wurden seine Chancen.
Sie
atmete aus.
Na gut.
Dann würde sie andere Maßnahmen ergreifen. Drastische Mittel erforderten eben
ein wenig drastische Maßnahmen.
Und
vielleicht ein wenig Fantasie.
~*~
Die Tür
öffnete sich langsam und die kleine Kreatur hob ausdruckslos den Blick. Und es
dauerte eine Sekunde, bis er sie erkannte.
„Mrs Malfoy!“ Der Elf verneigte sich tief, bis hinunter auf
den Boden. Sie sah sich hastig um.
„Avalon, nur Hermine. Wie oft muss ich es dir denn sagen?“,
flüsterte sie mit einem kleinen Lächeln.
„Mrs Malfoy, was tun Sie hier?“, fragte er, all seine
Höflichkeit und verhohlenen Stolz vergessend.
„Hermine.
Oder Ms Granger, wenn du willst“, erklärte sie, aber
sie glaubte nicht, dass er ihr zuhörte.
„Der
Herr ist aus. Lord Lucius feiert Geburtstag“, sagte er mit feierlicher Stimme.
„Ja,
ich weiß. Denkst du vielleicht, dass es möglich ist, dass ich kurz nach etwas gucke?“,
fragte sie, darauf bedacht, nichts weiter zu verraten. Der Elf sah sie kurz an.
Und dann trat er zur Seite. „Oh, danke dir, Avalon!
Du bist der beste Elf!“, flüsterte sie fröhlich.
„Alles,
was Mrs Malfoy wünscht“, sagte er nur.
„Bitte, Ms Granger.“ Doch der Elf hörte nicht hin.
Und sie wusste, er tat es mit Absicht nicht.
„Wollen
Sie einen Tee? Earl Grey mit zwei Stück Zucker, Mrs
Malfoy?“, fragte der Elf und Hermine gab es auf, ihn zu verbessern.
„Wann
kommt Draco wieder?“, fragte sie, während sie die vertrauten Stufen zu seinem
Arbeitszimmer hochging.
„Er hat
keine Zeit genannt. Die furchtbare Person war heute Abend schon zweimal an der
Tür. Aber Avalon hat sie abgewiesen“, erklärte er
großzügig.
„Welche
furchtbare Person, Avalon?“, fragte sie und konnte
nur an Narzissa denken, was ihr fast leid tat. Sie hatte das Arbeitszimmer
erreicht. Es lag dunkel vor ihr und sie öffnete behutsam die Tür. Es war
bezeichnend, dass der Elf nicht mal wissen wollte, was sie hier tat.
„Astoria Greengrass, Tochter des Senators“; erklärte
der Elf. „Kennen Sie diese Frau, Mrs Malfoy?“ Sie
wandte sich um.
„Astoria?“
Ja, sie kannte Astoria. Und sie hatte sie schon früher verabscheut, wenn sie zu
Besuch gekommen war, um sich um den politischen Segen im Hause Malfoy zu
kümmern. Sie war der kleine Goldschatz ihres Vaters, komplett unbegabt für
alles, nur nicht komplett unbegabt, um ihrem Mann – nein, Exmann – Komplimente
zu machen. „Warum ist sie hier?“, fragte sie recht tonlos.
„Sie
verbringt die Nächte hier, Mrs Malfoy.“
„Oh“,
sagte Hermine nur. Dann wandte sie sich um und ging zielstrebig zu seinem
Schreibtisch. Die Bilder von ihnen waren alle verschwunden, fiel ihr auf, aber sie ignorierte diese
Tatsache. Hastig zog sie die Schulbaden auf. Der Elf entzündete, mit einem
Handschlag, die Kerzen im Raum.
„Aber Avalon spuckt in ihren Tee“, erklärte er
würdevoll. Hermines Mundwinkel hoben sich kurz.
„Nein, tust du nicht“, sagte sie leise und sah ihn an. Er ruckte
mit dem kleinen Kopf.
„Nein,
noch nicht. Aber wenn es Mrs Malfoy wünscht, dann
wird Avalon gehorchen.“
„Du
musstest mir noch nie gehorchen“, korrigierte sie ihn lächelnd. Ja, sie hatte
selbst den Elf vermisst.
„Avalon würde töten für Mrs
Malfoy“, erklärte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Du musst Astoria Greengrass nicht töten. Wirklich
nicht. Sie interessiert mich nicht.“ Und das tat sie wirklich nicht!
„Er ist nicht glücklich mit ihr. Sowieso nicht, Mrs
Malfoy.“ Und das interessierte sie erst recht nicht.
„Gut“,
sagte sie bitter.
„Haben Sie
einen übernachtenden Gast, Mrs Malfoy?“, fragte Avalon mit kühlem Unterton. Hermine tauchte aus den vielen
Unterlagen wieder auf.
„Nein,
keinen Gast, Avalon. Bitte sag doch Hermine“, fügte
sie fast flehend hinzu.
„Zieht Mrs Malfoy wieder ein?“, fragte er sehr leise und Hermine
kippte nun die gesamte Schulbade auf dem teuren Schreibtisch aus.
„Es
würde mich sehr überraschen, würde sie das tun.“ Ihr Atem gefror. „Avalon, du kannst gehen. Die Küche könnte ein wenig
Sauberkeit vertragen.“ Seine Stimme jagte ihr fast Angst ein, so zornig klang
er. Sie und der Elf wirkten beide recht ertappt.
„Ja, Sir“, sagte Avalon und verschwand mit einem
entschuldigenden Blick in ihre Richtung und einem leisen Plopp.
Sie strich sich langsam eine Strähne hinter ihr Ohr und überlegte, wie viel
Zeit es sie kosten würde, ihren Zauberstab zu erreichen.
„Wie… wie war der Geburtstag?“, erkundigte sie sich und ihre Stimme war
merklich höher geworden.
„Ihm
gefällt die Uhr“, erwiderte er mit so schmalen Lippen, dass sie ihn kaum
sprechen sah. Er kam näher. „Hausfriedensbruch und Diebstahl. Bestechung von
Angestellten und Sachbeschädigung“, fuhr er eisig fort.
„Also,
eigentlich hat Avalon mich rein gebeten. Und ich habe
nichts gestohlen und nichts beschädigt, also-“
„Was
tust du hier?“
„Ich
kann dir das erklären, wirklich, ich-“
„Eine Minute, Granger. Dann rufe ich die Beamten“, informierte er sie und zog
seinen Zauberstab.
„Was?
Du würdest mich ernsthaft verhaften lassen? Das ist doch wohl-“
„Fünfundfünfzigzig Sekunden“, fuhr er ungerührt fort.
„Ok schön. Ich… dachte ich hätte etwas vergessen“, log sie. Und das auch noch
schlecht. Mist, Mist, Mist….
„Oh
wirklich? In meinem Schreibtisch? Ziemlich schwache Ausrede. Fünfundvierzig
Sekunden“, ergänzte er und jetzt lächelte er langsam.
„Ok,
schon gut. Schon gut, ich sag es dir, verflucht!“, rief sie ärgerlich. Sie kam
sich vor wie ein kleines Kind, das gemaßregelt wurde. Ihr war gar nicht
bewusst, wie vertraut ihr dieses Zimmer war. Wie viele hundertmal sie schon hier
gewesen war. Wie schwer es gewesen war, nicht mehr her zu kommen.
„Deine
Zeit wird knapp. Glaub nicht, dass ich dich verschone, weil du eine Frau bist,
Granger.“ Sie hätte gerne etwas Bitteres erwidert, aber sein Blick glitt schon
wieder zu der Uhr an der Wand. Entweder sie ließ sich tatsächlich verhaften
oder sie riskierte, den Fall zu verlieren.
Es
waren beides keine akzeptablen Aussichten. Scheiße.
„Ich
suche die Akte.“
„Dreißig
Sekunden. Welche Akte?“, fragte er höchst desinteressiert und entfachte das
Feuer im Kamin.
„Akte
737“, sagte sie wütend.
„Sagt
mir nichts“, erklärte er ungerührt und hob den Zauberstab. „Ministerium, mobile
Strafverfolgung“, rief er ins Feuer und die Flammen brannten plötzlich grün.
„Komm schon, Draco!“, rief sie fast verzweifelt. Aber nur fast. Sie hatte keine
Angst vor ihm. „Die verdammte Akte, die jetzt in deiner Obhut ist. Der
verschwundene Todesser Fall. Humphrey Gold“, fügte
sie zornig hinzu.
„Mobile Strafverfolgung, hinterlassen Sie
Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, leierte die magische Ansage
herunter und sie versuchte den Atem unter Kontrolle zu halten. Es würde sie
nämlich eine ganze Menge Gold kosten, würde sie sich frei kaufen müssen.
Schließlich
sah er sie an.
„Sag
das noch mal“, forderte und schien seinen eingebauten Countdown vergessen zu
haben.
„Was?“
„Wie
heißt die Akte?“
„737?“,
wiederholte sie ungläubig, aber er ruckte ungeduldig mit dem Kopf.
„Nein, den Namen, Granger. Den
verfluchten Namen.“ Er flüsterte nur noch.
„Humphrey
Gold“, wiederholte sie verwirrt.
„Schweigen
ist Gold. Scheiße“, rief er ärgerlich.
„Mobile Strafverfolgung, bitte wiederholen
Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, wiederholte die Ansage lauter.
Und Malfoy schnippte gereizt mit dem Zauberstab und Flammen erloschen.
„Was willst du mit diesem Fall?“, fragte er gereizt und trat an den
Schreibtisch und durchsuchte ohne Worte das Chaos, was sie angerichtet hatte.
Schließlich zog er die Akte unter einem großen Berg hervor.
„Nichts?“,
versuchte sie sich rauszureden.
„Nichts?
Aha. Deswegen brichst du in mein Haus ein? Wirklich? Ein bisschen viel Nichts
für so einen Aufwand, findest du nicht?“
„Draco,
ich habe-“
„Du
hast den Fall als letztes bearbeitet?“, fragte er plötzlich und sah sie wieder
an. „Weshalb?“
„Was?
Nur so…“
„Nur
so?“, wiederholte er ungläubig. „Ja, sicher. Am besten sagst du mir ziemlich
genau, was du weißt, Granger.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften.
„Wieso sagst du mir nicht einfach, was du
weißt, Malfoy!“, forderte sie und er legte den Kopf schräg. Die Nachnamen-Basis
war sehr seltsam. Selbst in ihren Ohren.
„Du bist in meinem Haus, brichst in mein Arbeitszimmer ein, und wenn ich richtig
liege auch wohl vorher schon in mein Büro. Du willst eine Akte haben, die
nichts mit dem Fall zu tun hat und anscheinend weißt du mehr, als du zugibst“,
leierte er herunter, wie die Stimme der mobilen Strafverfolgung.
„Schön“,
erwiderte sie.
„Schön, was?“, wiederholte er.
„Sag
mir einfach, was du weißt“, erwiderte sie bockig.
„Annabelle
hat den Zeitenumkehrer.“
„Nein,
sie weiß nicht mal, was es ist“, widersprach Hermine, ehe sie sich stoppen
konnte. Und ihr Exmann hob auf sehr vertraute Art und Weise die Augenbraue.
„Du
weißt von dem Zeitenumkehrer?“
„Du
weißt von Humphrey Gold?“, stellte sie die Gegenfrage und beide sahen sich kurz
an.
„Es
macht keinen Sinn“, sagte er schließlich.
„Nein, es macht überhaupt keine Sinn“, bestätigte sie.
„Also, glaubst du mir jetzt, dass sie sich kannten?“, fragte er und fixierte
sie genau. Sie verdrehte die Augen und sah zur Seite.
„Vielleicht sind es etwas viele Zufälle. Aber das heißt noch nicht, dass-“ Sie
unterbrach sich selbst. „Was meinst du damit, dass sie sich kannten? Du denkst,
sie kennen sich jetzt nicht mehr?“ Er öffnete die Akte und schob sie ihr rüber.
Sie senkte den Blick, kurz nach dem sie ihn noch einmal fixiert hatte. Er war
immer noch schön. Sie hasste es.
„Was
gucke ich mir an?“, fragte sie und er kam näher, bis er den Zeigefinger auf die
Zeile legte. Sie sah ihn fragend an. „Humphrey Gold, Sohn von Matilda
Winston-Gold, las sie schließlich. „Und?“ Er ging rüber zu dem Schrank und zog
eine andere Akte hervor. Er öffnete auch diese und schob sie ihr rüber.
Sie zog
es vor, ihm nicht zu sagen, dass er gerade Informationen an sie weitergab, die
nicht für sie bestimmt waren. Aber… wahrscheinlich wusste er das selbst.
„Edgar
Fowler, Sohn von John und Matilda Fowler.“ Sie hob den Blick. Dann schüttelte
sie den Kopf. Er blätterte weiter und deutete auf die nächste Zeile. Sie
erkannte seine Schrift. Sie erkannte sie tatsächlich immer noch genau.
„Angeklagter sagt, sein Vater hätte Matilda Winston-Gold 1970 geheiratet. Sie
nahm den Namen ihres neuen Mannes an. Seine Mutter war bereits zweimal
verheiratet gewesen…“ Er entzog ihr die Akte wieder.
„Er hat
einen Bruder“, sagte Hermine schließlich und Draco nickte langsam.
„Nein“,
widersprach er nach einer kurzen Weile und sie nickte und deutete wieder auf
die Akte, wegen der sie überhaupt hergekommen war.
„Nein,
er hatte einen Bruder“, korrigierte
sie sich leise. „Hat er ihn erwähnt?“, fragte sie ihn sofort und er verneinte
knapp und fuhr sich durch die dichten Haare. Sie erinnerte sich, dass sie das
auch oft getan hatte. Unschlüssig standen sie voreinander, den Schreibtisch
voller Chaos zwischen sich.
„Annabelle
wurde wegen Diebstahl angezeigt. Sie wurde in der Mysteriumsabteilung
aufgegriffen“, sagte sie schließlich. Was half es jetzt noch, Geheimnisse zu
haben?
„Mysteriumsabteilung? Was hat sie gestohlen? Den Zeitenumkehrer?“, fragte er mit einem freudlosen Grinsen
und sie schüttelte den Kopf.
„Nein,
sie hat nichts gestohlen. Es wurde kein verschwundener Gegenstand verzeichnet.
Aber das ist nicht das wichtige“, setzte sie etwas widerwillig hinzu.
„Was
dann?“, fragte er schließlich.
„Das
Datum“, sagte sie leise. Kurz brauchte er noch. Dann öffnete sich sein Mund.
„Es liegt
nah an der mutmaßlichen Folterung. Aber vielleicht ist das Zufall“, sagte er,
ohne auf eine Antwort zu warten.
„Ja,
aber was hat sie mit Edgar zu tun? Oder mit seinem Bruder?“
Draco
sah sie an. Und ihr fiel etwas Entscheidendes auf: Sie sollte gehen. Das war
kein Gemeinschaftsfall. Absolut überhaupt kein Gemeinschaftsfall. Sie streckte
den Rücken etwas stärker durch und räusperte sich.
„Ministerium,
mobile Strafverfolgung“, rief er wieder in Richtung Kamin und die Flammen
loderten auf. Ihre Augen weiteten sich.
„Das tust du nicht wirklich, oder?“
„Ich
denke, deine Frist ist abgelaufen, oder nicht?“, erwiderte er wieder unnahbar
kalt. Sie verschränkte zornig die Arme vor der Brust.
„Mobile Strafverfolgung. Nennen Sie ihren
Namen, Ihre Adresse und den Notstand“, leierte die Stimme erneut und
Hermine verdrehte die Augen.
„Draco,
ich werde einfach…“
„Einfach
was?“, fragte er und sie konnte
dennoch sehen, dass er es kaum erwarten konnte, mit den neuen Informationen zu
arbeiten.
„Ich
muss die Akte ansehen!“, sagte sie plötzlich und wollte sie nehmen, aber er war
schneller.
„Das ist wohl ein Scherz, oder? Als ob ich sie dir geben würde. Du hattest
deine Chance. Du hast sie nicht geschlossen, also ist das dein Problem. Warte!“
Er sah sie wieder an. „Weshalb hast du sie nicht geschlossen?“ Er musterte sie
jetzt mit lauerndem Blick. Dann verengten sich seine Augen. „Du hast das
geahnt, oder? Du hast das gewusst! Du hast gewusst, dass Annabelle nicht die
Wahrheit sagt! Du hast es gewusst!“, schrie er fast.
„Bitte wiederholen Sie Ihren Namen, Ihre
Adresse und den Notstand“, rief die Stimme aus dem Kamin und Hermine verlor
die Geduld.
„Ich habe die Akte nicht geschlossen, weil ich mir nicht völlig sicher war.
Aber ja, ich glaube dennoch, sie sagt die Wahrheit!“, schrie sie lauter als die
Kaminstimme.
„Sicher!
Deswegen weißt du auch, dass sie einen Umkehrer
hat!“, rief er aufgebracht.
„Nein,
das wusste ich vorher nicht!“, schrie sie zurück.
„Aber jetzt?“, fragte er ungläubig und sah sie wütend an. Ihr Mund öffnete sich
und schloss sich wieder.
„Bitte wiederholen Sie Ihren Namen, Ihre
Adresse und den Notstand!“, rief die Ansage in die Stille und er atmete
zornig aus und ließ die Flammen wieder mit einem Schlenker erlöschen.
„Du lässt
mich also doch nicht verhaften?“, fragte sie spöttisch und er sah sie an.
„Oh,
das Vergnügen werde ich mir nicht nehmen lassen. Aber noch nicht jetzt“, fügte
er hinzu.
„Tee?“,
fragte der Elf unbeeindruckt und betrat das Zimmer wieder. „Mrs
Malfoy, ich habe Ihnen das Gebäck hinzugelegt. Ich meine mich zu erinnern, dass
Sie es gerne mochten“, erklärte der Elf. „Master Draco, Ms
Astoria wartet im anderen Kamin“, fügte er bitter hinzu.
„Ihr
Name ist nicht Malfoy, sondern Granger, Avalon. Und
sei lieber froh, dass ich dir keine Kleidung schenke“, knurrte er ungehalten.
„Wehe, sie verlässt dieses Zimmer. Das ist ein Befehl, Avalon.
Aber wahrscheinlich wirst du diesen nur zu gerne ausführen, nicht wahr?“, fügte
er böse hinzu und der Elf sah gleichgültig zur Seite.
Und ihr
Exmann verließ das Zimmer, um das Gespräch von der Schlampe Astoria Greengrass anzunehmen. Sie erinnerte sich noch vage an
einen Streit, den sie hatten. Aber sie erinnerte sich noch sehr gut an seine
Worte.
Niemals
würde er sich für eine arrogante Reinblüterin wie
Astoria Greengrass interessieren.
Und
würde sie behaupten, dass es sie glatt kalt ließ – dann wäre das gelogen.
~
An armed Truce for the Purpose of digging up the Dead ~
Er war
nach dem Gespräch mit Astoria nicht sofort zurück gegangen. Er wollte gar nicht
zurück. Er hatte sich umgezogen, hatte sich des Jacketts entledigt und die
Krawatte über den Ankleidestuhl geworfen. Jetzt krempelte er sich die Ärmel
seines Hemdes hoch und er konnte sie mit dem Elf sprechen hören.
Er
betrachtete sich kurz im Spiegel. Und genau dieser Moment kam ihm sehr vertraut
vor. Er hörte ihre Stimme in seinem Haus.
Er
hatte alle Bilder verbannt, alle Erinnerungen, waren sie noch so winzig,
vernichtet. Er wusste, der Elf hatte
die Hochzeitsbilder gehortet und würde sie auch an seinem Todestag nicht
rausrücken, aber jetzt –
Jetzt
konnte er nicht verhindern, dass er sich sehr genau erinnerte.
Er
erinnerte sich, wie sie ihre Sachen her gebracht hatten. Wie sie beteuert
hatte, dass sie nicht viel an Platz brauchen würde und im Endeffekt mehr als
die Hälfte des Hauses eingenommen hatte.
Er
erinnerte sich, dass er nicht hatte schlafen können, wenn sie nicht neben ihm
gelegen hatte. Wenn sie manchmal länger im Ministerium geblieben war, dann war
er fast wahnsinnig geworden.
Er
hatte es nicht ertragen auch nur eine Nacht lang ihren Körper nicht neben
seinem zu spüren. Hatte ihre Wärme und ihren Duft nahezu ständig um sich haben
müssen. Es hatte ihn beruhigt, hatte ihn befriediget und er hatte es sich nicht
vorstellen können, sich auch nur einen einzigen Tag nicht in ihr vergraben zu
können.
Er
schloss die Augen und musste sich zwingen, richtig zu denken.
Nur
weil ein paar nette Erinnerungen dabei waren, änderte es nichts an der
verfluchten Tatsache, dass sie geschieden waren. Aus einem guten Grund.
Allerdings
hatte er Astoria gesagt, er sei müde und hätte nicht den Nerv, sie noch zu
sehen. Was tat er stattdessen? Er war doch verrückt geworden! Anstatt sich
Astoria ins Haus zu holen, ließ er davon ab, die Beamten zu rufen und hatte
stattdessen Granger in seinem Arbeitszimmer sitzen.
Das war
doch unmöglich normal. Es war unmöglich gesund.
Und er
hasste es, dass der Elf ihn so hinterging! Es war
sein Haus. Es waren seine Regeln. Der Elf hatte ihm zu gehorchen. Nicht seiner
Exfrau. Wann war sie seine Exfrau geworden? Es kam ihm genauso unwahrscheinlich
vor, wie die Tatsache, dass sie einmal seine Frau gewesen war.
Langsam
atmete er aus. Er musste mit der Situation zurechtkommen, musste ihr sagen,
dass sie gehen musste – und dann… dann würde er arbeiten. Es hatten sich so
viele Möglichkeiten eröffnet. Und es lag kein bisschen Klarheit in seinem
Blickfeld. Wusste sie, um was es noch ging? Mussten sie das zusammen lösen?
Nein, bestimmt nicht. Er wusste noch ziemlich genau, was das letztes Mal
passiert war, und wenn er sich den Abend betrachtete, dann waren sie schon
wieder ziemlich nah an dem Streit der Streite vorbei geschlittert.
Energisch
verließ er das Zimmer.
Sie saß
an seinem Schreibtisch. Er hatte es schon früher gehasst, wenn sie das getan
hatte. Und sein verräterischer Elf stand gespannt neben ihr und lauschte ihrer
Stimme, als würde er selbst nie mit dem Elf auch nur zwei Worte wechseln. Jetzt
war er schon neidisch! Der ganze Abend war ausgeartet. Zuerst hatte ihn sein
Vater wahnsinnig gemacht, dann Blaise und jetzt sein Elf. Von Granger ganz zu
schweigen.
„Mach
es dir nicht zu gemütlich“, sagte er gereizt.
„Wieso?
Kommt Astoria noch vorbei?“, erkundigte sie sich gefährlich leise und ihm fiel
wieder ein, dass sie Astoria wohl nicht leiden konnte. In derselben Sekunde
wurde ihm bewusst, dass er Astoria auch nicht leiden konnte. Er war
wahrscheinlich einfach krank, vermutete er jetzt.
„Nein,
sie kommt nicht vorbei.“
„Soll
ich das Gästezimmer für Mrs Malfoy herrichten?“,
fragte der Elf eifrig. Noch nie hatte Draco ihn so erlebt. Und er hasste es,
dass er ihren Namen nicht sagen wollte, dass er ihren falschen Namen mit voller
Absicht sagte. Und dass es dem Elf auch noch Freude zu bereiten schien.
„Nein,
sie wird nicht bleiben. Und sie heißt nicht Malfoy“, fügte er wieder einmal
hinzu. „Sie hat ihren Namen aufgegeben.“
„Ich habe
nicht meinen Namen aufgegeben, ich habe nur deinen Namen aufgegeben, Draco.“
„Tu
bloß nicht so! Du hattest kein Problem damit, ihn anzunehmen, als er dir noch
sämtliche Türen geöffnet hat.“ Sie hatte sich plötzlich erhoben.
„Entschuldige, aber meine Türen habe ich mir alle selber geöffnet“, sagte sie
bitter und funkelte ihn böse an.
„Ja, ich weiß. Meine Türen hast du auch geöffnet und bist mit deinem unnützen
Kram Merlin sei Dank auch wieder ausgezogen. Ich denke also, wir sind quitt“, fügte er hinzu und der Elf stand unentschlossen
zwischen ihnen.
„Mrs Malfoy, Sie bleiben also nicht?“ Und Draco hatte
das Gefühl, der Elf sprach nicht nur von dieser Nacht.
„Avalon, du hast den Rest des Abends frei“, betonte er mit
Nachdruck. Und er hatte das Gefühl, als würde der Elf gleich in Tränen
ausbrechen. Da hatte er sich den reserviertesten,
grimmigsten aller Elfe ausgesucht und dieser würde gleich anfangen zu weinen.
Es war unfassbar.
„Oh
bitte nicht, Sir. Master Draco, bitte lasst Avalon
bleiben. Bitte, nur noch ein paar Momente. Bitte, mein Herr. Ich bitte in
tiefster Demut, um-“ Draco verdrehte die Augen.
„Avalon, ich habe das Gefühl, du wärst lieber ihr Hauself als meiner“, unterbrach er den Elf in seiner
Ansprache und der Elf sah ihn mit offenem Mund an. „Unfassbar“, fügte Draco
hinzu. „Wahrscheinlich wäre es besser, wenn du gehst, denn mein Elf kann deine
Anwesenheit nicht ertragen, Granger.“
„Glaub
mir, ich ertrage es hier auch nicht länger“, gab sie zurück und warf noch einen
sehnsüchtigen Blick auf die Akten auf dem Tisch.
„Ja?
Wahrscheinlich gibt es gerade keinen besseren Ort, den du dir vorstellen
kannst“, sagte er spöttisch. Sie sah in sehr ernst an.
„Selbst Askaban wäre ein besserer Ort als dieses
Haus, Malfoy.“
„Dann
bitte – dich hält hier niemand“, erwiderte und damit war der Abend vorbei. Und
sein Elf weinte tatsächlich.
„Kommen
Sie wieder, Mrs Malfoy?“, flüsterte er erstickt und
sie sah den Elf mit dem größten Bedauern an.
„Tut
mir leid, Avalon. Aber wenn dein Herr
dich irgendwann mal beurlauben sollte, dann kannst du mich besuchen kommen. Im
Moment habe ich noch keine Wohnung, aber… ich könnte dir irgendwie… Bescheid
geben“, versuchte sie zu erklären. Er hätte kotzen können bei dieser Dramatik.
Sein Elf warf sich plötzlich vor ihm auf die Füße.
„Sie
hat kein Haus, Herr“, keuchte er mit verweinten Augen.
„Sie
hat eine Wohnung, Avalon. Bitte, fass dich wieder“,
fügte er bitter hinzu.
„Sie hat kein Haus und ich werde sie nie wieder sehen“, weinte der Elf und
Draco konnte ihn nur fassungslos anstarren.
„Dafür
hast du mich. Manchmal muss man eben mit dem schlechten vorlieb nehmen, Avalon. Ich möchte, dass du schlafen gehst. Das ist ein
verfluchter Befehl“, setzte er knurrend hinterher und voller Widerwillen löste
sich der Elf in Luft auf. Dann war es still.
„So,
das war ein wirklich beeindruckender Auftritt. Ich hatte natürlich nichts
anderes von dir erwartet.“ Sie schien sich tatsächlich zu überwinden und
würdigte den Schreibtisch mit keinem Blick mehr.
„Oh warte!“
Er versperrte ihr den Weg vor der Tür und sie sah ihn ärgerlich an. „Du
wolltest hier also die Nacht verbringen, verstehe ich das richtig? Du wolltest
in meinem Gästezimmer schlafen – oder bei Avalon in
der Küchenstube – und du hattest niemals vor, das Haus zu verlassen?“,
erkundigte er sich ungläubig und sie blickte zur Seite.
„Nein,
natürlich nicht. Aber ich habe dir schon immer gesagt, dass du den Elf anders
behandeln musst. Er ist kein Diener, er ist ein Freund.“
„Ja,
ein verflucht guter Freund, der mir in den Rücken fällt, wenn du es wagst und
in mein Haus einbrichst. Ich sollte ihn feuern“, fügte er mehr zu sich selbst
hinzu. Plötzlich sah sie ihn an. Und die Wut war verschwunden.
„Denkst du, er hat den Zeitenumkehrer?“, fragte sie
unvermittelt und wartete auf seine Antwort.
„Edgar?“,
fragte er und auch er hatte vergessen, worüber sie vorher gesprochen hatte.
Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen warteten, lauerten förmlich auf seine
Antwort. „Wieso sollte er ihn haben? Hast du nicht gesagt, sie hat ihn noch nie
gesehen?“ Und sie sagte, was er sich niemals hätte träumen lassen.
„Vielleicht lügt sie und-“
„Was? Stopp, halt!“, unterbrach er sie bestimmt. „Sag das noch mal!“, forderte
er schließlich tonlos und starrte sie an.
„Was?“ Sie schüttelte den Kopf und wollte wieder zum Schreibtisch, doch er
umfing einfach ihr Handgelenk und hielt sie auf. „Draco!“, sagte sie verwirrt,
doch er sah sie einfach an.
„Sag das noch mal“, wiederholte er
und sie schien zu begreifen. Sie atmete langsam aus.
„Vielleicht
lügt Annabelle“, sagte sie langsam und fassungslos sah er sie an.
„Meinst
du das ernst? Du meinst das ernst, oder? Du glaubst wirklich, dass sie lügen
könnte. Nach einem Jahr glaubst du, sie könnte tatsächlich lügen.“ Sie machte
sich von ihm los.
„Eigentlich habe ich schon vorher gedacht, dass sie lügen könnte.“ Er holte sie
wieder ein.
„Hast
du nicht.“
„Doch,
ich habe das schon letztes Jahr überlegt, aber ich hatte dafür keine Beweise.“
Er konnte nicht glauben, was er da hörte.
„Was?
Ich hatte einen ganzen Schrank voller Beweise, Hermine! Worüber haben wir uns
denn bitte Abend für Abend gestritten?“ Sie hatte die ganze Zeit gedacht, dass
ihre Klientin log! Das war doch unglaublich!
„Wir
haben uns darüber gestritten, dass du jedem Todesser
eine zweite Chance geben willst, und jede Muggel in
der heutigen Zeit die Tatsache ausnutzt, dass sie schlecht behandelt worden
war. Wenn ich mich recht entsinne, hast du es sogar gewagt, einen Vergleich zu
den Schwarzen in Amerika aufzustellen, Draco!“
„Das
habe ich niemals getan!“, rechtfertigte er sich entrüstet und schüttelte
ungläubig den Kopf.
„Natürlich hast du das getan! Und Edgar Fowler war ja wohl das absolute
Gegenteil von einem Todesser Kandidaten, der eine
zweite Chance verdient hatte.“
„Aber…
wenn du dachtest, dass Annabelle lügt, dann musst du Edgar ja geglaubt haben!“,
brachte er diese Aussage auf den Punkt. „Das heißt, du hast mir auch geglaubt“,
endete er plötzlich ruhig.
„Nein,
ich habe dir nicht geglaubt. Denn du bist ja während der letzten Verhandlungen
wieder zum Todesser mutiert, Draco!“, sagte sie jetzt
laut und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
„Was? Das ist ja wohl die größte Lüge, die du jemals von dir gegeben hast, und
da gab es schon einige“, fügte er bitter hinzu.
„Keine
Lüge. Es ist einfach so!“
„Ach ja? Wann soll das bitte passiert sein? In deinem verfluchten Kopf? Hast du
es wieder geträumt? Es dir vielleicht eingebildet, oder wann genau im letzten
Jahr habe ich auch nur ansatzweise irgendwas von-“
„Du weißt, wann!“, schrie sie plötzlich und er wich erschrocken zurück. „Du
weißt verdammt genau, wann!“, wiederholte sie und wischte sich schon mal
präventiv über die Wange. „Aber es ist auch völlig egal, denn die Magie der
Scheidung bedeutet, dass es mir völlig egal ist, was du wann zu mir gesagt
hast!“
„Abgesehen
davon, dass es dir nicht egal ist, und dass du es dir ausgedacht hast, ja.
Abgesehen davon ist es dir offensichtliche egal. Ich werde Donald umbringen,
wenn er dir wirklich den Fall überlässt“, drohte er kopfschüttelnd.
„Ich
kann es dir sogar zeigen!“, sagte sie jetzt und er konnte sich nicht
vorstellen, wie er acht Monate ohne ihre Präsenz hatte leben können. Es war ihm
nicht möglich. Aber es war ihm auch nicht möglich nur einen einzigen
glücklichen Tag hervorzurufen.
„Was
soll das bedeuten?“
„Die
Erinnerung des Ministeriumszeugen, Draco.“ Und er erinnerte sich an eine
ziemlich dumme Begebenheit. Er senkte den Blick.
„Ich habe mich dafür entschuldigt, Granger“, sagte er jetzt zerknirscht.
„Das ist mir egal. Es ist mir völlig egal. Ich will darüber überhaupt nicht
reden!“
„Dann
hättest du ja auch die Klappe halten können, oder nicht?“ Wieder sahen sie sich
an und wieder stellte er fest, dass es einfach nicht funktionierte. Es klappte
einfach nicht. Waren irgendwann einfach so viel Schmerz und so viele
Missverständnisse vorhanden, dass es einfach nicht mehr ging? Er musste das
annehmen. „Es ist spät“, sagte er ruhiger und sie nickte.
„Ja, es
ist zu spät“, bestätigte sie, aber er war sich nicht völlig sicher, was sie
damit meinte. „Sag mal, bist du eigentlich… mit ihr zusammen?“, fragte sie
plötzlich und er wusste sofort, wen sie meinte. Aber es gab natürlich auch
sonst keine große Auswahl.
„Wusste nicht, dass ich ein Keuschheitsgelübde abgelegt habe“, erwiderte er.
Sie verdrehte die Augen und verließ sein Arbeitszimmer. Er folgte ihr
schließlich widerwillig, denn wahrscheinlich gebot es irgendeine Art von
Höflichkeit, dass er sie nach unten brachte.
„Wenn
du wissen willst, ob es ernst ist, dann… nein. Es ist nicht ernst“, entgegnete
er schließlich, als sie unten in der Halle angekommen waren.
„Will ich nicht wissen“, erklärte sie mit einem neutralen Lächeln, was sie es
auch dem nächsten Bäcker hätte schenken können.
„Gut.“
„Gut“, bestätigte sie, immer noch lächelnd.
„Und? Ist Weasley endlich zum Schuss gekommen?“,
fragte er jetzt und lächelte ebenfalls.
„Was?
Ron? Was soll mit Ron sein?“
„Ich
bitte dich, er hat dich immer mit den Blicken ausgezogen. Selbst als wir
verheiratet waren, verflucht.“
„Draco,
ich glaube, du irrst dich, aber nein. Natürlich bin ich nicht mit der
erstbesten Gelegenheit ins Bett gegangen.“
„Weasley
wäre die erstbeste Gelegenheit gewesen?“, erkundigte er sich und er bereute es,
dass er den Mund nicht einfach halten konnte.
„Die
Scheidung war wirklich nötig gewesen. Tut mir leid, dass ich so dumm gewesen
bin, deinen Antrag anzunehmen“, erklärte sie konsterniert und mit müder Stimme.
Er ignorierte ihre Worte. Er wusste mittlerweile, wann Worte als Waffe dienten
und wann sie ernst gemeint waren. Es war so, dass sie ihn nicht mehr verletzten
konnte. Sie konnten sich beide wohl nicht noch mehr verletzten.
„Was
ist mit dem Fall?“, fragte er also, um es abzukürzen, um es weniger schmerzhaft
werden zu lassen.
„Ich
weiß es nicht. Willst du ihn haben?“, fragte sie plötzlich.
„Du
willst ihn nicht?“, horchte er auf und sie stöhnte auf.
„Nein, Malfoy, verdammt. Das ist es nicht, was ich gesagt habe! Wenn du auch
nur ein einziges Mal zugehört hättest, dann wüsstest du, dass es nicht das war,
was ich gewollt hatte!“ Er sah sie verwirrt an.
„Du willst also den Fall behalten, fragst mich aber aus Höflichkeit, ob ich ihn
haben will, damit ich ablehne und wir weiter streiten können?“, erkundigte er
sich, denn er kannte ihre Spiele.
„Nein,
ich will, dass du ernsthaft darüber nachdenkst.“
„Granger,
dir sollte klar sein, dass ich mittlerweile über verfluchte Leichen gehe, um
diesen Fall zu einem Ende zu bringen.“ Sie sah ihn erschöpft an.
„Schön.
Also du glaubst, er hat sie niemals gefoltert. Du glaubst, er nimmt das alles
auf sich, weil er so selbstlos ist, wie alle Todesser
auf dieser Welt?“
„Er
liebt sie“, sagte er nur.
„Draco, sie kennt ihn nicht.“
„Vielleicht
kennt sie ihn nur einfach nicht mehr!“,
betonte er trotzig und sie starrten sich an. Eine geschlagene Sekunde verging.
Dann schüttelte sie langsam den Kopf.
„Er hat keinen Zauberstab mehr“, sagte sie nur. „Ein Vergessenszauber
wäre…“ Sie sprach nicht weiter. Die Worte verklangen im Raum. „Hältst du das
für möglich?“, fragte sie leise und sah ihn fast ängstlich an.
Hielt
er es für möglich? Er hielt es kaum für möglich, dass sie hier heute Abend in
seinem Haus war. Er hatte es nicht für möglich gehalten, sie überhaupt wieder
zu sehen. Also hielt er es definitiv für möglich, dass Edgar Fowler noch mehr
verschwiegen hatte, als er angenommen hatte.
„Wie
viel Zeit hast du?“, fragte er und sie runzelte die Stirn.
„Ich werde nicht mit dir arbeiten, Draco“, drohte sie und schüttelte den Kopf.
Aber er
wusste, er würde es nicht ohne sie schaffen. Das war ihm auf vielen Ebenen klar
geworden. Aber in allen anderen Situationen konnte er wenigstens ohne sie überleben. Aber diesen Job konnte er
wirklich nicht ohne sie bewerkstelligen. Dieses eine Mal nicht.
„Waffenstillstand?“,
bot er ihr also mit ausgestreckter Hand an.
„Das
schaffst du nicht“, mutmaßte sie, die Stimme schon jetzt schwer vor
Enttäuschung.
„Vertrau
mir ein einziges Mal. Nur ein Mal“, sagte er schlicht. Und sie schloss die
Augen. Dann schüttelte sie seine Hand. Nur kurz.
„Ich
habe Zeit“, antwortete sie schließlich und auch wenn er es nicht beurteilen
konnte, wusste er, gerade eben hatte ein sehr epischer Moment stattgefunden. Er
hoffte wirklich nur, er könne sein Wort auch halten.
Er
glaubte, den Elf aus den Augenwinkeln erkennen zu können. Es war ihm klar
gewesen, dass er nicht hatte umhin können, zu lauschen.
Wahrscheinlich
hatte er schon Grangers Lieblingstee aufgesetzt. Draco
würde nicht zugeben, dass er auch noch wusste, wie sie ihren Tee trank. Eher
ließ er sich die Zunge aus dem Mund schneiden.
~ It’s
dark, they turned off the Moon, most of the Stars are fading fast ~
Sie
wusste nicht, woher der Elfenwein gekommen war, aber sie registrierte, dass
Draco kein Problem damit hatte, ihre Gläser aufzufüllen. Sie betrachtete seit
einer Weile seine Unterarme. Sein perfekten Unterarme. Und ihr Blick glitt
immer wieder über den hellen Fleck, an dem einst das Mal eingebrannt gewesen
war.
Er hatte es
unter so großen Schmerzen entfernen lassen, dass er eine Woche hatte im Bett
liegen müssen, bis alles Böse und das gesamte Gift aus seinem Körper
verschwunden waren. Und obwohl Draco dem Elf freigegeben hatte, schlich die
kleine Gestalt immer wieder ins Wohnzimmer, brachte Decken, mehr Wein, Gebäck,
Tee, Karaffen mit Wasser und es würde sie nicht wundern, wenn er ein ganzes
Hotelmobiliar hier rein schleppen würde.
Draco hatte
alles ohne Worte neben sich auf die Couch gestapelt und seinem Diener immer wieder
entnervte Blicke zugeworfen, die Avalon aber kalt
ignorierte. Hermine fand es schmeichelhaft. Es gefiel ihr, dass der Elf sie so
vermisste. Langsam spürte sie die Müdigkeit und den Alkohol in ihren Knochen.
„Kannst du
mir eine Decke geben?“, unterbrach sie seinen Monolog, den er über die Nacht im
Ministerium führte. Sie hatte ihre Akten hergehext
und jetzt hatten sie sämtliche noch so winzigen Hinweise ausgebreitet. Er hob
den Blick.
„Decke? Ist
dir kalt?“, erkundigte er sich spöttisch und sie ruckte mit dem Kopf.
„Nein, ich
dachte, ich baue eine Burg. Ja, mir ist kalt, Draco“, gab sie gereizt zurück.
Bisher verlief ihr Waffenstillstand einigermaßen human. Er hatte noch nicht geschrieen, sie hatte noch nicht geschrieen.
Das Feuer prasselte im Kamin, und würden sie nicht über dem schlimmsten
aller Fälle sitzen, dann wäre der Abend sogar angenehm gewesen.
Er griff
nach einer der Decken und der Elf stolperte fast aus dem Zimmer so eilig hatte
er es. Dracos Blick folgte dem Geschöpf.
„Wahrscheinlich
wirft er dir gerade einen Backstein ins Feuer, damit du deine Füße wärmen
kannst“, mutmaßte er gereizt und zog die Notizen wieder zu Rate.
„Wenn wir
also davon ausgehen, dass beide in der Nacht im Ministerium waren und er sie
dort mit einem Vergessenszauber belegt hat-“
„Dann macht es noch keinen Sinn. Was haben sie da gemacht? Wieso mussten sie in
der Zeit zurückreisen und wieso wurde er nicht erwischt?“
„Vielleicht hat er sie zurückgelassen. Weil einer von ihnen so oder erwischt
worden wäre.“
„Aber die Zeitreise?
Warum hätten beide zurückreisen müssen? Und zu welchem Tag? Und warum
ausgerechnet in der Mysteriumsabteilung?“
„Was hast
du über Humphrey Gold herausgefunden?“, fragte er plötzlich. „Welche Geschichte
hat er?“
„Todesser“, sagte sie knapp. Er verzog gereizt den Mund.
„Das weiß
ich auch, aber… was sagt sein Register? Hat er irgendwas getan?“ Sie blätterte
durch ihre alten Notizen zu diesem Fall.
„Nichts
Besonderes. Er wurde mal wegen Mord angeklagt. Das wurde aber nicht bewiesen.
Dann geht es noch um sonstige Körperverletzungen, alles wurde aber nicht
bewiesen. Und dann verschwand er vor zehn Jahren. Niemand hat was mitbekommen.
Keine Zeugen. Keiner kann sagen, ob er sich abgesetzt hat oder…“ Sie zuckte die
Achseln.
„Oder ob er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist?“, fragte er und sie fuhr
sich müde über die Stirn.
„Ja.“
„Hast du
vor, hier zu bleiben?“, fragte er plötzlich etwas reservierter und sie
überlegte knapp.
„Ich habe getrunken,
kann also nicht mehr apparieren. Der Weg zu Fuß ist weit und der fahrende
Ritter fährt erst ab vier. Also entweder warte ich oder ich werde in Erwägung
ziehen hier zu schlafen, ja“, bestätigte sie. „Du könntest auch die mobile
Strafverfolgung anrufen. Ich weiß, du kennst den Zauber besonders gut“, fügte
sie mit spöttischem Unterton hinzu.
„Ja, das
könnte ich. Aber… ich glaube, hier ist bequemer als im Ministerium“, mutmaßte
er.
„Fragst du,
weil du noch Besuch bekommst und mich loswerden willst?“ Sie hatte keine Lust,
irgendwelche Fragespiele zu spielen. Er warf ihr einen gereizten Blick zu.
„Nein,
Granger. Ich bekomme keinen Besuch mehr.“
„Schon gut.
Ich dachte, ich frage. Kann ja alles sein, nicht wahr? Ich meine-“
„Lass es
gut sein“, unterbrach er sie kalt.
„Was? Ich
meine, es ist dein Haus. Dein Elf. Deine Freundin. Das hast du doch ziemlich
klar gemacht!“ Sie wusste, sie war diejenige, die langsam die Kontenance
verlor. Er hob rigoros einen der unendlich vielen Notizzettel in die Luft.
„Fall?“,
fragte er jetzt mit Nachdruck und sie nickte langsam. „Wir können uns auch
streiten, aber wir wissen, wie das endet“, fügte er grimmig hinzu.
„Ja. Ich
gewinne, du verlierst“, erwiderte sie und lächelte fast. Er sah sie mit
erhobenen Brauen an.
„Du
gewinnst? Dass ich nicht lache. Du magst klug sein, aber du hast keine Ahnung
von diesen Dingen. Ich habe Streite mit meinem Vater gehabt, bei denen nachher
keine Überlebenden auf dem Schlachtfeld geblieben waren.“
„Streite,
ob du das Mal entfernen lassen sollst? Oder ob du eine Muggel
heiraten kannst?“, fragte sie jetzt, immer noch lächelnd.
„Oh, ich
glaube das letztere war ein brisanteres Thema.“ Sie lehnte sich zurück.
„Und? Wie
ist das ausgegangen?“, fragte sie leise und sah ihn an. Kurz wirkte er verwirrt,
dann lehnte auch er sich in seine gemütliche, große Couch zurück.
„Ich hab
gewonnen. Aber… dann hab ich’s versaut und… fein. Meinetwegen hast du diesen
Streit doch gewonnen“, schloss er schließlich. „Du willst also lieber über die
Vergangenheit reden als über den Fall, sehe ich das richtig?“, ergänzte er
jetzt ernst und sie ruckte mit dem Kopf.
„Nein. Ach,
ich weiß nicht. Ich sehe den Zusammenhang nicht.“
Er drehte sich in ihre Richtung. Es war etwas unangenehm,
ihm so nah zu sein und nicht zu schreien. Sie erinnerte sich tatsächlich nur
noch an die letzten Atemzüge ihrer Ehe. Ihrer gescheiterten Ehe.
„Was ist
das schlimmste, was du tun könntest? Was würdest du verbergen? Was wäre so
schlimm, dass du es verbergen müsstest? Um jeden Preis?“
„Sag du es
mir“, entgegnete sie. Er brauchte nicht lange für die Antwort und zuckte mit
den Schultern.
„Mord“,
entgegnete er. „Die schlimmste Strafe bekommt jeder Zauberer und jede Hexe für
Mord.“
„Du sagst
also, der ganze Folterfall dreht sich eigentlich nur um Mord?“, fragte sie
jetzt und er verzog den Mund.
„Es wäre
eine von hundert Erklärungen, ja. Weshalb soll man sonst den Aufwand machen?“
Sie überlegte. Aber sie kam zu keinem Schluss.
„Wir brauchen einen weiteren Hinweis. Nehmen wir an, die beiden haben den
Bruder umgebracht“, sagte sie langsam, ohne etwas implizieren zu wollen.
„Nehmen wir das einfach an – dann brauchen wir aber einen guten Grund. Weshalb
sollte jemand wen anders töten wollen?“
„Schmerz, Wut,
Verzweiflung, Liebe, Kummer, Krankheit?“, bot er an und sie wedelte mit der
Hand.
„Ja, ja,
sicher. Ich weiß, warum. Aber… welchen dieser Gründe hatten die beiden. Oder
nein, welchen könnten sie ganz vielleicht gehabt haben?“ Draco fuhr sich über
die Stirn. Er trug den Ring nicht mehr. Natürlich nicht. Sie trug ihn auch
nicht mehr, aber bei ihm fiel es ihr sofort auf.
„Wenn Edgar
von Liebe spricht, dann-“
„Das
begreife ich aber nicht, Draco“, unterbrach sie ihn zornig. „Ich verstehe
nicht, wie es in Verbindung steht. Und langsam macht mich dieser Fall
wahnsinnig! Es ist doch unfassbar, dass Veritaserum
zur Wahrheitsfindung nicht eingesetzt werden kann!“, schrie sie fast.
„Wenn es
sich wirklich um Mord handelt, dann ja“, sagte er ruhiger.
„Ja, aber das
können wir nicht beweisen!“
„Wir?“
Ihr Mund
öffnete sich und schloss sich wieder. Richtig, da war ja noch etwas.
„Donald
wird einem von uns den Fall geben. Und dann liegt es an dir, es zu beweisen.“
Er wirkte etwas bitterer als zuvor.
„Er wird mir
den Fall geben? Weshalb sollte er?“
„Weil er
dich ja auch einfach so wieder eingestellt hat, nachdem du ihn verlasen hast.“
Ihm ging der Fehler wohl in derselben Sekunde auf. Er wirkte nun gereizter als
vorher. „Weißt du, in Anbetracht der Tatsache, dass du den Fall sowieso
bekommen wirst, solltest du die Sachen mitnehmen und besser gehen.“
„Ich soll
gehen? Ich dachte, ich soll bleiben? Ich dachte, im Ministerium wäre es
ungemütlich? Oder rufst du doch wieder die mobile Strafverfolgung?“ Sie war
wütend. Ja.
„Ich
glaube, ich bin müde“, erklärte er schlicht. „Du weißt, wo das Gästezimmer ist,
also… tu, was du willst“, sagte er und erhob sich etwas steif.
„Draco-“,
begann sie und er sah sie an.
„Was, Hermine?“
„Was ist
jetzt gerade in dieser Sekunde passiert? Was genau lässt deine Laune so
kippen?“ Er sah nicht so aus, als hätte er besonders große Lust darüber zu
sprechen.
„Gute
Nacht, Hermine“, sagte er nur und sie erhob sich auch und warf die Decke
achtlos auf die Couch.
„Nein, so geht das nicht. Ich fühle mich hier unwohl, wenn du neben mir sitzt,
aber ohne dich bleibe ich hier keine Sekunde länger!“, rief sie und griff nach
ihrem Mantel.
„Und wo
willst du jetzt hin?“, fragte er gedehnt und beobachtete, wie sie sich anzog.
„Ich gehe.“
„Zu Fuß? In
deine Wohnung in der winzigen Straße am Ende der Stadt? Du willst wirklich zwei
Stunden laufen?“, erkundigte er sich ungläubig und sie verdrehte zornig die
Augen.
„Ja,
meinetwegen. Lieber, als hier alleine zu sitzen.“
„Ich bin
auch hier, weißt du? Ich bin ein Stockwerk höher“, erklärte er
überflüssigerweise.
„Ich weiß
das!“, gab sie zurück. „Aber es ist etwas anderes.“
„Inwiefern?“
„Du
erträgst es ja nicht mal, neben mir zu sitzen!“, schrie sie ungehalten und er
sah sie ausdruckslos an.
„Hermine, wir
sind keine Freunde“, sagte er gepresst. „Du hast mir weh getan, begreifst du
das? Natürlich ertrage ich es nicht, neben dir zu sitzen!“ Er schien sich
schwer zusammen reißen zu müssen, nicht zu schreien, nicht all seine Gefühle zu
zeigen. Sie schloss den Mund abrupt und spürte einen ganzen Berg an Tränen
aufsteigen.
Es war eine
dumme Idee gewesen. Die dümmste Idee, die sie jemals gehabt hatte! Sie stürmte
an ihm vorbei, durch das Wohnzimmer, durch die Eingangshalle, durch den Flur
zur Tür und lief direkt an dem Elf vorbei, ohne etwas zu sagen.
„Hermine!“,
hörte sie Draco rufen, aber sie ignorierte es, zog die Tür auf und ihr Atem
ging schwer. Es war dunkel draußen. Und es war kühler geworden. Wie gefährlich
konnte es schon sein, betrunken zu apparieren? So gefährlich war es doch wohl
nicht.
Er öffnete
ebenfalls die Tür. „Hermine!“, rief er wieder und trat ebenfalls auf die
Straße. Nur im Hemd, ohne Jacke. Sie wandte sich gereizt um.
„Ich gehe,
Draco. Es ist schon gut. Geh einfach wieder rein. Geh ins Bett, ruh dich aus
von den Strapazen, mich auf deiner Couch sitzen gehabt zu haben!“, rief sie
bitter und irgendwo bellte ein Hund.
„Es ist
spät“, sagte er, bemüht die Stimme ruhig zu halten. „Komm einfach wieder rein.
Mein Elf wird mir die Hölle heiß machen, wenn ich dich jetzt mitten durch die
Nacht laufen lasse.“
„Ich
brauche deine Hilfe wirklich nicht. Erklär deinem Elf, wir sind nicht mehr
verheiratet und du brauchst keine Verantwortung für irgendwas zu übernehmen,
was ich tue!“ Sie würde doch weinen. Sie spürte es genau.
„Erklär du
es ihm einfach!“, sagte er jetzt und machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
„Ich gehe“,
erwiderte sie und wandte sich um. Sie machte die ersten Schritte in die recht
kühle Nacht, wurde aber von ihm eingeholt. Er schritt direkt neben ihr.
„Was wird
das, Malfoy?“ Sie war wieder in das Nachnamensmuster gefallen, ohne dass sie es
verhindern konnte.
„Ich werde
den Teufel tun, und dich aufhalten. Das ist mir ziemlich egal. Aber wenn dich
jetzt ein böser Zauberer aufhält und dich ausrauben möchte, dann kann ich
zumindest sagen, dass du nichts besitzt, was sich zu stehlen lohnen würde.“ Er
vergrub die Hände in den Taschen. Er kam ihr sogar größer vor, als sie ihn in
Erinnerung gehabt hatte.
„Das ist
völlig lächerlich. Du hast nur ein Hemd an“, fügte sie böse hinzu.
„Mir ist
nicht kalt“, erwiderte er gleichgültig.
„Wenn es
unerträglich ist, neben mir zu sitzen, dann muss es noch unerträglicher sein,
neben mir her zulaufen!“, sagte sie bitter und jetzt sah er sie mit einem freudlosen
Grinsen an.
„Du bist
eben eine unerträgliche Person, Granger.“ Er benutzte auch wieder ihren
Nachnamen. Sie blieb genervt stehen.
„Geh nach Hause, Draco“, sagte sie mit Nachdruck.
„Draco? Oder
Malfoy? Du kannst dich nicht festlegen, oder?“ Er sah sie ernst an. „Nimm
einfach das sehr nette Angebot von mir an“, fügte er hinzu.
„Was? Als
ungebetener Gast in deinem Gästezimmer zu schlafen?“, fragte sie empört und er ruckte mit dem Kopf.
„Du hattest
kein Problem als ungebetener Gast in mein Arbeitszimmer einzubrechen, oder?“,
konterte er böse.
„Es ist
also alles meine Schuld?“, fragte sie jetzt und er verdrehte die Augen. „Ich
werde jetzt bestimmt nicht in deinem Gästezimmer schlafen“, endete sie böse.
„Tja, mein
Schlafzimmer war dir nicht gut genug, wenn ich dich erinnern darf“, sagte er
jetzt und seine Worte erschienen ihr messerscharf zu sein.
„Nein. Du warst mir nicht gut genug“,
entgegnete sie und hoffte wirklich, dass er sie jetzt zufriedenließ. Sie hatte
sich wieder abgewandt und schritt eilig voran. Als er ihr Handgelenk umfing,
wäre sie fast gestolpert.
„Weißt du,
ich hoffe wirklich, du wirst überfallen und ausgeraubt und verschleppt, damit
die Verbrecher in denselben unerträglichen Genuss deiner Anwesenheit kommen und
schon nach vierundzwanzig Stunden den Drang verspüren, dich erwürgen zu
wollen!“, knurrte er zornig und sie riss sich los.
„Schön!
Dann geh zurück in deine Villa, zu deinem Elf, der dich hasst und deiner
verdammten Reinblutschlampe!“
Sie
erkannte den Moment der Gefahr, auch im Nebel der grenzenlosen Wut. Er war
greifbar und viel zu nah. Alles in ihrem Innern schmerzte. Da war einfach zu
viel Schmerz. Zu viel von diesen Dingen, die sie nicht ertragen konnte.
Sie konnte ihn nicht ertragen, denn er brachte ihr
Blut zum Kochen. Alles in ihrem Innern sträubte sich, ihn anzusehen, denn je
länger sie ihn ansah, umso länger war sie viel zu gefangen von seiner Präsenz,
seiner Ausstrahlung und dem Wissen, dass sie ihn so gut kannte. Viel zu gut.
Fast besser als sich selbst.
Er sah sie
schwer atmend an. Seine blauen Augen fixierten schon längst ihre Lippen, ihre
Augen und wieder ihre Lippen. Ihn zu sehen war viel zu gefährlich. Und dann
noch mit ihm zu streiten, war eigentlich mehr als sie ertragen konnte.
Und wie
schamlos ihr Körper sie verriet! Sie war so sauer, dass sie auf alles ansprang.
Alles in ihr fühlte sich zu ihm hingezogen. Genau in dieser Sekunde. Half es
gegen den Schmerz? Sie kannte die Antwort darauf: Nein. Es half absolut nicht.
Es machte es nicht mal besser.
Und es war
nicht einer dieser überhitzten Momente. Ein Moment der Lust, dem ein Streit
vorausgegangen war. Diese Momente hatten sie nicht mehr. Diese Momente waren
seit der Scheidung vorbei. Er war ihr Exmann. Ihr Exmann! Sie hatten sich Treue
geschworen, bis zum Lebensende. Und was war daraus geworden?
Nichts war
daraus geworden. Zum Teufel war ihre Ehe gegangen.
Sie würde
zerspringen. In hunderttausend Teile. Und dann lag es an ihr, alles wieder zusammen
zu kleben. Und es würde nicht halten. Es würde nicht gutaussehen und sie wäre
allein.
„Du bringst
mich in mein sicheres Grab“, flüsterte er plötzlich und schloss die Augen. Als
er sie wieder öffnete, schien er sich wieder etwas gefangen zu haben.
„Komm
einfach mit. Schlaf in meinem Haus und lass uns einmal erwachsen sein. Nur…
einmal, ok?“, fragte er und seine Stimme verriet ihn doch. Er klang unglaublich
aufgewühlt, auch wenn sein Äußeres kein Anzeichen dafür preisgab.
Sie
schüttelte langsam den Kopf. Sie konnte nicht. Sie konnte doch nicht! Sie
blickte zurück zu seinem Haus. Die Tür stand noch offen und sie erkannte den
Elf, wie er auf Zehenspitzen versuchte, etwas mitzubekommen. Fast musste sie
doch lächeln.
„Dann
hättest du gewonnen“, flüsterte sie und wischte sich über die Wange. Zwar war
da keine Träne, aber schaden konnte es nicht, sich zu vergewissern.
„Was ist
das bitte für ein Sieg?“, fragte er und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass
er gerade näher gekommen war. „Komm, es ist spät.“
„Das ist
ein Fehler. Es tut uns nicht gut.“
„Natürlich
nicht. Aber… ein Fehler mehr oder weniger“, sagte er lapidar und drehte sich
wieder um. „Kommst du?“, fragte er jetzt und sie gab nach. Ihre Füße verrieten
sie ebenfalls, denn sie folgten ihm nur zu willig.
„Ich kann
dich nicht leiden, Malfoy“, sagte sie bitter und schritt neben ihm her. Er
lächelte.
„Ich weiß.
Mich und meine Reinblutschlampe“, wiederholte er das
Wort und sie schloss beschämt die Augen. Nur ganz kurz. „Immerhin hast du
tatsächlich Gefühle. Ich dachte schon, du wärst eiskalt“, fügte er leiser
hinzu.
„Ich bin
nicht eifersüchtig“, erklärte sie schnell. Jetzt sah er sie kurz an.
„Nein, natürlich nicht.“
„Ich bin
nicht eifersüchtig, Malfoy!“, wiederholte sie gereizt.
„Dann
schenk ich dir diesen Triumph, Granger“, begann er leise und ließ ihr den
Vortritt zur Haustür. „Ich wäre so verflucht eifersüchtig, dass ich in einer
stillen Stunde zu dem Haus deines Typen gehen würde, um ihm seinen Schwanz abzufluchen.“ Er sagte es mit voller Ernsthaftigkeit und
sie war froh, dass sie voran ging. Denn sie wollte sein Gesicht bei diesen
Worten nicht sehen. Und sie war froh, dass er ihr Gesicht auch nicht sehen
konnte, denn dann hätte er höchstwahrscheinlich bemerkt, dass sie fast
lächelte. Fast.
~ It’s You and Me and
all other people ~
Er lag
wach. So wach, wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Sie lag genau in dem
Zimmer unter ihm. Er glaubte zu hören, wie Avalon
eine kleine Feier in der Küche abhielt. Wahrscheinlich trank er einen Fingerhut
voll Elfeinwein und freute sich wie ein Schneekönig,
dass Granger im Gästezimmer schlief.
Draco
war sehr angespannt. Zum Teufel, er hätte sie fast geküsst! Fast, verflucht!
Fast hätte er sie berührt, fast hatte er sein besseres Wissen zum Teufel jagen
und ihren Mund mit seinen Lippen verschließen wollen, damit sie nicht noch mehr
giftige Worte sprechen konnte.
Und
etwas stand völlig fest: Er würde heute kein Auge zu tun. Nicht, dass er sonst
besonders gut schlafen konnte.
Er
schwang träge die Beine aus dem Bett und fühlte sich tatsächlich ausgelaugt. Er
wusste, er hatte wahrscheinlich auf das letzte Glas Wein verzichten können.
Alkohol konnte ihm nicht viel anhaben, aber wenn er dazu auch nicht schlief,
dann fühlte er sich am nächsten Tag trotzdem schlecht.
Er zog
sich ein Shirt über den nackten Oberkörper, denn für gewöhnlich schlief er nur
in seiner Trainingshose – wenn überhaupt. Es wurde Herbst, also hatte er
beschlossen, die Hose zur Nacht anzuhaben. Das Shirt hatte Donald allen
Kollegen der Abteilung geschenkt: Rechtsmagier tun es 365 Tage im Jahr!
Eigentlich
hasste er das Shirt, aber zum Schlafen reichte es allemal. Es war hellblau und
das war auch nicht unbedingt seine bevorzugte Farbe.
Er
verließ sein Schlafzimmer und der Mond fiel weich durch das Flurfenster auf den
Teppich. Lautlos konnte er über den Teppich gehen und lief die Stufen hinunter.
Er wusste noch nicht genau, ob er Hunger hatte, oder Durst. Oder ob er weder
das eine noch das andere verwirklichen würde.
In Der
Küche brannte Licht. Der Elf war also immer noch wach.
Er
betrat die Küche und war kurz überrascht. Aber nur kurz.
Er hatte
Avalon also fälschlicherweise beschuldigt. Der Elf
schlief wahrscheinlich bereits. Granger saß an dem hohen Tresen, die Haare in
einem unordentlichen Zopf, die Feder zwischen den Zähnen und ihre Augen flogen
über die Zeilen.
„Anscheinend
kannst du nicht schlafen?“ Sie schreckte hoch und zuckte auf dem Stuhl
zusammen. Er erinnerte sich noch daran, dass sie völlig vertieft in eine Sache
sein konnte und alles andere um sich herum vergaß.
„Nein“,
gestand sie schließlich und räusperte sich. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm,
dass es nach zwei war. Neben ihr stand ein dampfender Becher.
„Kaffee?“,
vermutete er mit erhobener Augenbraue und sie ruckte mit dem Kopf. „Ist noch
welcher da?“, fügte er hinzu und sie erhob sich übergangslos. Es war
beunruhigend, wie gut sie sich noch auskannte. Aber er hatte auch nichts
verändert, obwohl er es immer wieder versucht hatte. Der Elf hatte danach wieder alles
zurückgeräumt. Es war ein sinnloses Unterfangen.
Sie
stellte ihm seine Ministeriumstasse hin und goss ihm den Kaffee ein. Schwarz,
ein Stück Zucker. Sie tat es, ohne es genau zu merken, fiel ihm auf. Dann
setzte sie sich wieder.
„Wir
sollten eine Sache überprüfen“, sagte sie schließlich, wieder ganz in den Fall
vertieft. Er sparte sich, ihr zu erklären, dass sie wahrscheinlich besser
nichts zusammen machen sollten.
„Welche Sache?“,
fragte er dennoch und fuhr sich über die Stirn.
„Die
Aufzeichnungen über diesen Raum.“ Sie schob ihm ihre Aufzeichnungen hin.
„Die
sind vage. Darauf kann man sich nicht verlassen. Was willst du damit beweisen?“
Sie sah ihn fest an. Er wusste zwar, was sie sagen wollte, aber es war höchst
unwahrscheinlich, dass sie dabei Glück haben würden.
„Ich
will nur feststellen, ob etwas ungewöhnliches passiert ist“, erklärte sie
ungeduldig.
„Wann?“,
stellte er die entsprechende Frage.
„In der
Nacht, in der Humphrey Gold verschwunden ist“, erwiderte sie mit einer
Selbstverständlichkeit, die ihm auch viel zu vertraut vorkam.
Er war
nicht in der Lage vernünftig zu streiten. „Schön, meinetwegen“, gab er also
nach. Auch sie wirkte verblüfft.
„Wirklich?“
„Ja,
wirklich. Vielleicht überleg ich es mir noch mal anders, wenn du noch mal
fragst“, entgegnete er mürrisch. Sie nippte an ihrem Kaffee. Er tat es ihr
gleich. Sie kochte ihn stark. Sie hatte wohl auch nicht vor, heute zu schlafen.
„Liegt
es am Fall?“, fragte er plötzlich. Sie sah ihn an.
„Was?“
„Dass du
wach bist“, erwiderte er. „Liegt es am Fall oder am Haus?“, ergänzte er und
interessierte sich für die Antwort.
„Am Fall“, sagte sie energisch.
„Ja?“
„Du
machst mich nicht mehr nervös, Draco“, erklärte sie plötzlich mit einem
Lächeln. „Wir sind nicht mehr siebzehn, weißt du?“
„Ich
habe dich mit siebzehn nervös gemacht?“, griff er ihre Worte auf.
„Nein, du hast mich wahnsinnig gemacht“, korrigierte sie ihn und er lächelte.
„Ich glaube,
die exakten Worte waren: Wenn du mich noch einmal anrührst, bringe ich dich
um!“ Sie musste plötzlich lächeln.
„Ach ja.
Auf dem Abschlussball“, ergänzte sie. „Das war ein sehr langer Abend“, fügte
sie hinzu. Er hob eine Augenbraue. „Weißt du noch, als du mich das zweite Mal
um eine Verabredung gebeten hast?“, fragte sie grinsend. Natürlich wusste er
das noch!
„Ja, das
war ein halbes Jahr später. Haben wir uns nicht auf dem Markt getroffen? Vor
dem Zauberscherzeladen?“ Er rieb sich die Schläfen.
„Und du hattest diesen Korb voll Unsinn gekauft. Irgendwelche Rüben, weil du in
der Apotheke gearbeitet hast, und irgendwelche Tränke ausprobieren wolltest.
Und ich habe irgendeinen Scheiß erzählt, nur damit du noch nicht weiter gehst.“
„Du hast
gesagt, du machst ebenfalls eine Apothekerlehre“, berichtigte sie ihn böse.
„Sicher
habe ich das. Was hätte ich sonst sagen sollen? Du hättest mich keine zwei
Sekunden lang weiter angesehen hätte ich dir gesagt, ich würde eine Ausbildung
zum Rechtsmagier im Ministerium machen. Erinnerst du dich nicht mehr an den
Anstecker, den du getragen hast? Das Ministerium stinkt?“, fragte er lächelnd
und sie nickte mit erschlagender Erkenntnis im Blick.
„Oh ja,
die Phase, ich erinnere mich!“, rief sie aus. „Das war eine anstrengende
Phase.“
„Aber du
bist mit mir ausgegangen“, sagte er schließlich.
„Ja, ich
bin mit dir ausgegangen“, bestätigte sie lächelnd.
„Und du
hast mir geglaubt, dass ich auch Apotheker für magische Kräuter und Heiltränke
werde“, fügte er hinzu.
„Ja, für etwa eine halbe Stunde“, gab sie grimmig zu bedenken.
„Aber du
bist nicht abgehauen. Das wäre auch ziemlich brutal gewesen.“ Er nippte wieder
an dem starken Kaffee.
„Nein.
Wir haben da bis morgens gesessen, oder? Bis sie uns rausgeworfen haben“, fügte
sie gedankenverloren hinzu.
„Ich
weiß nicht mal mehr über was wir uns solange unterhalten haben“, sagte er
nachdenklich.
„Ich
auch nicht. Aber anscheinend war es gut gewesen“, entgegnete sie lächelnd. Er sah
sie an. Ja. Eigentlich war jedes Gespräch, das sie ohne einen bösen Tenor
geführt hatten, spannend gewesen. Er hatte es geliebt, mit ihr zu diskutieren.
„Warum
hast du mich geheiratet?“, fragte er plötzlich ratlos. Denn irgendwas schien ja
nie wirklich gepasst zu haben. Es kam ihm mittlerweile völlig absurd vor, dass
sie geheiratet hatten.
„Du hast
mich gefragt“, entgegnete sie achselzuckend. Er verzog den Mund.
„Ach so.
Und hätte dich Cormac McLaggen gefragt, dann wärst du
jetzt Mrs Cormac McLaggen?“
Sie grinste plötzlich.
„Cormac hätte mich nie gefragt! Er war viel zu…“ Ihr fehlten die Worte.
„Oh komm schon. Es standen genug Leute für dich in der Schlange, Granger“,
sagte er gereizt. „Hätte Weasley dich gefragt-“
„Ron
hätte nie gefragt!“, rief sie lachend aus.
„Aber wenn“, beharrte er. „Dann hättest du ihn genommen?“
„Er hat
nicht gefragt. Und nein, hätte ich nicht“, fügte sie leiser hinzu.
„Also?“
„Also
was?“
„Was war
es dann an mir? Abgesehen von der schlichten Tatsache, dass ich der einzig
dumme war, der gefragt hat“, fügte er lächelnd hinzu. Sie sah ihn kurz an.
„Vielleicht
die Oberarme“, sagte sie gedehnt.
„Meine
Oberarme? Du hast mich wegen meiner Oberarme geheiratet?“ Er sah sie zweifelnd
an.
„Nein.
Nicht nur.“ Sie überlegte schließlich. „Du warst wirklich witzig. Und du warst
verflucht heiß. Und wir mochten dieselben Bücher.“
„Und ich
war richtig gut im Bett“, ergänzte er ihre Liste.
„Meinetwegen
warst du auch richtig gut im Bett“, bestätigte sie lächelnd. „Warum wolltest du
mich heiraten?“, fragte sie also und leerte ihre Tasse.
„Keine
Ahnung“, sagte er mit einem Schulterzucken. Sie sah ihn böse an.
„Oh ha ha. Wirklich witzig.“
„Nein,
wirklich!“, beharrte er. „Wahrscheinlich, damit dich kein anderer heiraten
konnte. Damit du… einfach meins warst.“
„Du
mochtest also keine meiner unzählig brillanten Eigenschaften?“, vergewisserte
sie sich ungläubig und eine Spur beleidigt.
„Ich
habe alle deine verrückten Eigenschaften vergöttert. Wenn ich an die eklige
Quark-Käse-Schokoladencreme auf Toast denke, oder das
Paar Socken für die Couch und das komplett andere Paar Socken fürs Bett, oder
die Tatsache, dass du versucht hast, mir zu verheimlichen, dass du eine
Lesebrille hast.“ Sie wirkte ertappt.
„Ich
brauche keine Lesebrille!“, brachte sie entrüstet hervor. „Und dieses eklige Toastsache esse ich schon lange nicht mehr“, ergänzte sie
sehr kleinlaut.
Dann
schwiegen sie.
„Es war
eine blöde Idee gewesen. Der ganze Streit mit deinen Eltern. Diese Muggel-Reinblutgeschichte war so anstrengend. Wir hätten da
schon einsehen sollen, dass es viel zu kompliziert war. Und die Zeremonie mit
diesem dämlichen Schwur und…“ Sie unterbrach sich kopfschüttelnd.
„Das war nur ein Tag, Granger. Das war doch nur die Hochzeit. Die Ehe war-“
„- eine
Katastrophe!“, beendete sie den Satz für ihn. „Schon am ersten Tag haben wir
gestritten. Weißt du nicht mehr? Wir waren gerade hier eingezogen und deine
Mutter hat es sich nicht nehmen lassen, das ganze Haus einzurichten? Und wenn
nicht ein jedem Flur ein Portrait von einem Verwandten von dir hing, der mich
beleidigt hat, dann hat sie alles kritisiert, was ich mir in meiner Armut
geleistet hatte. Die hässliche Couch, der alte Teppich, meine Kleidung, meine
Haare…“
„Es gab
gute Tage“, sagte er nachdenklich.
„Ja, es
gab gute Tage“, bestätigte sie langsam.
„Wir
waren immer gut beim…“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, sah sie dafür aber mit
eindeutigem Blick an.
„Beim
Sex?“, fragte sie unsicher und nickte schließlich. „Aber dafür hätten wir nicht
heiraten müssen“, fügte sie hinzu. „Wir hätten einfach weiter in Sünde leben
sollen“, ergänzte sie lächelnd.
„Nein“,
widersprach er ernst. Sie sah ihn überrascht an. „Das wäre nicht gegangen, weil
ich dich einfach heiraten musste.“
Sie sah lächelnd
in ihren leeren Kaffeebecher.
„Wirst
du Astoria auch heiraten müssen?“, fragte sie schließlich und er verzog den
Mund. Er erhob sich beinahe übergangslos. Sie runzelte die Stirn. „Kann ich
dich das nicht fragen?“
„Wieso willst du das überhaupt wissen?“, schnappte er. Wieder seufzte sie auf.
„Es ist wirklich nicht so, wie du denkst“, sagte er knapp.
„Nein?
Schläfst du mit ihr?“, fragte sie direkt und er verdrehte die Augen. „Dann ist
es genauso wie ich denke.“ Schließlich sank ihr Kopf auf die Platte des
Tresens. „Wir sollten wirklich nicht so miteinander reden, Draco“, murmelte
sie.
„Was? Wie?“ Er stand unschlüssig in seiner Küche und wusste nicht, ob er
einfach gehen sollte. Nach oben. Einfach weg von hier.
„Wie Menschen“, sagte sie energisch. „Die
Scheidung hat so viel Geld gekostet. Und so viele Nerven. Dafür sollten wir uns
für immer hassen. Wir haben so viel dafür bezahlt, dass das ausreichen sollte,
damit wir uns für immer hassen!“, sagte sie wütend.
„Dann
hättest du vielleicht besser nicht in mein Haus einbrechen sollen“, erklärte er
jetzt. Sie hob müde den Blick.
„Ok,
dann ist es meine Schuld. Weißt du, der fahrende Ritter macht in einer halben
Stunde die erste Runde. Vielleicht sollte ich den einfach nehmen.“
„Ja,
vielleicht solltest du den einfach nehmen!“, bestätigte er und es war wieder
einmal um seine Geduld geschehen. „Was willst du? Dass ich das bestätige oder
dass ich dich aufhalte? Ich kann deine Gedanken nicht lesen!“, fuhr er sie an.
„Keine
Tricks. Keine Spiele, Draco“, sagte sie und stand langsam auf.
„Wir
spielen schon furchtbar lange nicht mehr, Granger. Es war nie wirklich ein
Spiel. Es war immer brutaler Ernst. Es war immer unglaublich anstrengend.“ Er
fuhr sich müde durch die Haare. Er war einfach müde, zu streiten. Nicht müde,
wach zu sein.
„Toll“,
sagte sie böse.
„Was?“,
erwiderte er genauso böse. Sie stand jetzt unschlüssig vor ihm. Sie war so viel
kleiner als er, so kam es ihm vor. Ihre nackten Zehen waren hell lackiert, fiel ihm auf. Seine Trainingshose war
ihr viel zu lang und er glaubte zu sehen, dass sie unter seinem Shirt keinen BH
trug.
„Wenn
ich jetzt gehe, dann ist morgen alles wie immer?“ Anscheinend stellte sie eine
Frage. Es war keine Aussage.
„Ja?“,
erwiderte er verwirrt. „Wir sind morgen genauso geschieden wie wir es heute
sind“, bestätigte er grimmig.
„Dann
ist alles, was wir heute rausgefunden haben scheißegal, und du arbeitest morgen
wieder allein?“, fragte sie herausfordernd.
„Was willst
du tun? Auf meinem Schoss sitzen und mir Befehle erteilen?“, konterte er
grimmig und sie stöhnte auf.
„Ich
hatte nicht vor auf deinem verdammten Schoss zu sitzen, Malfoy! Gott, mach es
doch einfach mal nicht so verflucht schwer!“, rief sie völlig erschöpft.
„Dann
sag mir, was ich tun soll!“, knurrte er und kam wütend näher. „Bitte, Granger,
sag es mir. Oder schreib es mir auf, damit ich es nicht vergesse. Wir sind
keine Freunde, schon vergessen? Natürlich ist es nicht leicht! Du wolltest es
schwer. Deine Entscheidung. Also leb damit, ok?“ Sie hob zornig den Blick und
ihre Augen trafen seine.
Es war
elektrisierend.
„Wenn du
mich küsst, bringe ich dich um!“, drohte sie leise und ihre Wangen flammten
zornig auf.
„Oh glaub mir, das habe ich nicht vor“, gab er ungehalten zurück. „Aber
verzeih, wenn ich an deinen Worten zweifel, in
Ordnung?“, fügte er böse hinzu.
„Oh
sicher! Als ob ich förmlich darauf warten würde!“, schnappte sie und lachte
freudlos.
„Nein,
Granger, du wartest nicht! Du legst es schlicht und ergreifend darauf an!“, gab
er zurück. „Aber ich habe eine Freundin und ich bin nicht so verzweifelt, wie
du.“
„Verzweifelt?
Ich bin nicht verzweifelt. Und glaub mir, ich will dich und deine Schlampe
bestimmt nicht auseinander bringen!“, schrie sie fast.
Sein
Körper kribbelte unangenehm. Sie waren geschieden. Er war kein Kind. Das hier
war keine Party, auf der er sich in der Küche mit Hermine Granger anlegen
konnte. Es war nichts romantisches, oder feuriges oder besonderes an diesem
Moment.
Es war
sein Haus. Er stand in seiner Küche. Und sie war seine Exfrau. Es war eine sehr
erwachsene Sache und es kotzte ihn an, dass er nicht mehr siebzehn war. Wann
war alles so kompliziert geworden?
Wäre es
doch einfach eine Party. Und wäre sie doch einfach Hermine Granger. Aber sie
hatte bis vor ein paar Wochen noch Malfoy geheißen. Sie waren vor dem Gesetz
verbunden gewesen – und jetzt waren sie es eben nicht mehr! Ganz einfach. Wieso
war es das dann eben gerade nicht?
„Ich
muss ins Bett“, murmelte er gereizt.
„Schön! Dann geh!“, entgegnete sie schnell.
„Hör auf!“, schrie er. „Lass es einfach. Antworte nicht auf jedes meiner
Worte!“
„Denkst
du, du könntest mir das verbieten? Das hättest du wohl gerne. Ist es das, was
dir an Astoria gefällt? Lässt sie sich den Mund verbieten? Macht dich das
wirklich an?“, rief sie zornig und er hob verzweifelte die Hände.
„Nein,
verflucht! Und hör auf, ihren Namen zu sagen!“, schrie er jetzt.
„Ich
darf ihren Namen nicht sagen? Was ist das? Noch eine Sekte? Wer ist sie? Die dunkle
Königin? Wird sie später Greengrass-Malfoy heißen
oder zwingst du sie, ihren Namen komplett aufzugeben?“
Sein
Mund öffnete sich entgeistert. „Oder darf ich eure beiden Namen jetzt nicht
mehr sagen?“, fuhr sie böse fort.
„Halt
einfach deinen Mund.“
„Ich
soll meinen Mund halten?“, wiederholte sie entrüstet und er nickte.
„Ja, halt deine Klappe, Granger! Halt einfach deine verfluchte Klappe!“,
knurrte er, während er den letzten Rest Abstand zu ihr schloss. Er hielt es
nicht aus. Er hielt sie nicht aus!
Sie
stieß ihm vor die Brust. „Arschloch!“, rief sie zornig und er schlang die Arme
unbeeindruckt um ihre Hüften.
„Ja? Das
bin ich also?“, flüsterte er ungehalten und sie versuchte ihn von sich zu
schieben, ohne ihn dabei aus ihrem wütenden Blick zu entlassen.
„Ja! Du
bist ein verfluchtes-“
Er
verschloss ihren Lippen mit einem Knurren. Ihr Zorn verrauchte irgendwie und
sie legte die Arme um seinen Nacken, zog ihn enger zu sich und ihr Geschmack
war unglaublich! Ihre Nähe benebelte seine Sinne und er erinnerte sich an jedes
Detail!
Ihre
Zunge duellierte sich mit seiner und sie stöhnte gegen seine Lippen. Seine
Finger krallten sich in den Stoff seines Shirts, das sie trug, und er zog
ungehalten den Kopf zurück.
„Nein!“,
sagte er mit Nachdruck und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Ihre Brust
hob und senkte sich unregelmäßig. „Wir sind geschieden, verflucht!“, fügte er
böse hinzu und ließ von ihr ab. Sie nickte schließlich. „Das hier bedeutet
nichts!“, flüsterte er kopfschüttelnd.
„Richtig.
Du bist ja treu“, bestätigte sie rau und er konnte nur den Kopf schütteln, so
verflucht großartig sah sie gerade aus.
„Jaah, stimmt“, erwiderte er langsam. Diesmal schloss sie
den Abstand. Und er konnte nicht widerstehen und senkte noch ein weiteres Mal
den Kopf. Ihre Lippen küssten seine, als wäre es verflucht noch mal notwendig.
Als bräuchte sie ihn, wie Luft zum Atmen!
Beinahe
erschrocken wich sie nun zurück. „Oh nein!“, flüsterte sie und ihre Hand legte
sich über ihre Lippen. „Nein, nein!“, wiederholte sie panisch. Für eine wilde
Sekunde fragte er sich, ob sie das Kribbeln im Magen genauso spürte, wie er es
gerade tat. „Nein!“, sagte sie jetzt fest und strich sich geistesabwesend eine
Strähne hinters Ohr. „Wir… sind geschieden!“, wiederholte sie seine Worte, als
würde sie erst jetzt – heute Abend – begreifen, was das eigentlich bedeutete.
„Geh!“,
befahl sie leise.
„Hermine-“,
begann er, aber sie schüttelte heftig den Kopf.
„Nein,
geh. Geh, damit ich endlich gehen kann!“,
sagte sie fest. Es verging noch eine weitere Sekunde, in der sie ihn nicht mehr
ansah. Dann wandte er sich ab.
Er hatte
gewusst, dass es Probleme geben würde. Schon als er geahnt hatte, dass sie in
sein Arbeitszimmer eingebrochen war.
~
You can’t be oh so mean ~
Sie war
nervös. Sie war ein völliges Wrack, wenn sie ehrlich war. Natürlich war sie
nicht ehrlich. Wie hatte das passieren können? Aber nein. Eigentlich war ja
nichts passiert. Ein kleiner Kuss, hier und da. Es war eben ein winziger
Rückfall gewesen. Was war das schon? Es war, als würde man aufhören zu rauchen
und auf einer Party mal eine einzige Zigarette rauchen.
Das war
doch nicht weiter schlimm. Das war doch gar nichts!
„Und,
wie war dein Wochenende?“, fragte Ron,
während er in den Resten seines Essens stocherte. Sie und er waren bei Ginny
und Harry eingeladen.
„Mein
Wochenende?“, erwiderte sie und klang hysterischer, als sie es eigentlich
vorgehabt hatte. Ron hob kurz eine Augenbraue.
„So anstrangende? Liegt es an dem dämlichen Fall?“, erkundigte
er sich jetzt besorgt. „Der nimmt dich ziemlich mit, oder?“
„Der
Fall? Ja, der Fall ist…“ Sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte.
Der Fall ließ sie im Moment sogar etwas zu kalt.
„Ich hab
dir ja gesagt, lass die Finger von dem Fall“, erklärte Ginny als sie aus der
Küche wieder ins Esszimmer kam, als wäre auch Hermine ein Kind von ihr.
„Ich mag
den Fall. Ich mag diese Arbeit“, entgegnete Hermine etwas trotzig.
„Ja, das
ist schön. Und ich finde es auch gut, dass du dich wieder für Arbeit
entschieden hast, die dir etwas bedeutet. Aber musstest du dir unbedingt den
einzigen Job als Rechtsmagier nehmen, bei dem du mit deinem Exmann zusammen
arbeiten musst?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn und deutlichem Missfallen in
der Stimme.
Geküsst.
Sie hatte ihren Exmann geküsst. Sie arbeitete nicht nur mit ihm zusammen, nein,
sie küsste ihn.
Sie
blickte stur vor sich auf den Tisch. „Ginny, das hat damit überhaupt nichts zu tun.
Er… wir… wir kommen uns nicht in die Quere.“ Lügen ging ihr doch recht leicht von der Hand.
Bemerkenswert.
„Onkel
Draco?“, fragte James plötzlich, ohne Zusammenhang, als er ebenfalls ins
Esszimmer gestürmt kam. „Kommt er auch?“ Ron wirkte sofort beleidigt.
„Nein, James, Onkel Draco wird ganz bestimmt nicht mehr kommen.“ Hermine
wusste, eigentlich hatte niemand wirklich Draco leiden können. Zwar war der
Anfang ihrer Ehe sogar unter ihren Freunden harmonisch verlaufen, aber sie
wusste, dass vor allem Ron Draco immer noch nicht verziehen hatte, dass sie in Hogwarts die besten Feinde gewesen waren.
„Wieso
spricht er von ihm?“, fragte Hermine jetzt argwöhnisch. Ginny verzog ganz kurz
den Mund.
„Ich
weiß nicht“, log ihre Freundin jetzt kühl und Hermine entglitten die Züge.
„Ach ja? Auf einmal spricht dein Sohn von Draco und du weißt nicht, weshalb?“,
entgegnete sie skeptisch. Ginny verdrehte jetzt die Augen.
„Er hat ein Pissma“, sagte James jetzt stolz und
Ginny wirkte plötzlich mächtig wütend auf ihren Sohn.
„Ein
was?“, lachte Ron und sah seinen Neffen begeistert an. „Ich bin ganz Ohr,
James“, fuhr er grinsend fort.
„Das
leuchtet in allen Farben und Mum hat gesagt-“ Ginny
griff ihren Sohn um die Hüfte, hob ihn auf den Arm und flüsterte ihm knapp
etwas ins Ohr. James schwieg plötzlich ziemlich abrupt.
„Er hat
was?“, wiederholte Hermine interessiert und Ginny atmete langsam aus.
„Schön.
Wir waren da“, erklärte sie schließlich.
„Ihr
wart da? Was soll das heißen? Du und James?“
„Wir
waren in seinem Büro, weil ich ihm sagen wollte, dass er sich ja vorsehen soll
und dass er den Fall einfach aufgeben soll.“ Sie klang zornig.
„Das ist
nicht deine Angelegenheit, Ginny!“, beschwerte sich Hermine und erhob sich.
„Könnten wir noch mal kurz auf das Pissma zurückkommen?“,
schob Ron, immer noch grinsend, dazwischen.
„Es ist
ein Prisma, Ron. Ein Prisma, was James jetzt auch haben möchte“, erklärte Ginny
gereizt und warf ihrem Bruder einen bösen Blick zu. Ron wirkte sehr enttäuscht.
„Schade.
Ich hatte gehofft, Malfoy hat irgendwelche Art von Störung im-“
„Hat er
nicht“, sagte Hermine wütend. Ron sah sie an.
„Hat er nicht? Woher weißt du das?“
„Oh Ron,
ich bitte dich.“ Sie hatte wirklich keine Lust, noch weiter über irgendwelche
eingebildeten Krankheiten zu reden, die Draco nicht hatte. Und sie wusste noch
ziemlich genau, was sie an ihrem Oberschenkel gespürt hatte, als er sie geküsst
hatte. Oder sie ihn. Oder was auch immer!
„Ich
werde jetzt gehen.“
„Das
wird doch jetzt nicht zum Streit auswuchern, oder?“, erkundigte sich Ginny
nachdrücklich und fixierte Hermine besorgt.
„Nein“,
sagte Hermine schließlich. „Halt dich da einfach raus“, fügte sie leiser hinzu.
Und kurz warf Ginny ihr einen seltsamen Blick zu. Aber Hermine wollte ihn nicht
zuordnen und hatte genug damit zu tun, unauffällig ihre Jacke anzuziehen.
„Wann
kommst du wieder?“, fragte James jetzt und grinste ein Zahnlückenlächeln.
Hermine brach immer ein bisschen das Herz. Er war einfach zu niedlich.
„Ich
komm das nächste Mal, wenn dein Dad auch da ist!“, versprach sie.
„Mein
Dad ist Harry Potter!“, sagte James lächelnd, denn er hatte wohl jetzt
ansatzweise verstanden, dass sein Vater eine ziemlich hohe Persönlichkeit in
der magischen Welt war. Hermine lächelte.
„Ja, ich
weiß.“
„Sagst
du Onkel Draco Hallo?“, fragte James jetzt leiser und Hermine war sich nicht
sicher, ob James das Gefühl, jemanden zu vermissen, schon wirklich zuordnen
konnte.
„Ja, ich
sag ihm Hallo“, versprach sie leise. Sie winkte den anderen beiden und
verschwand schließlich. Es war zu anstrengend ihre Freunde anzulügen, anstatt
einfach zu gestehen, dass sie ihren Exmann geküsst hatte. Sie hatte ein solches
Bedürfnis darüber zu sprechen, aber sie wusste, Ginny oder Ron wären einfach
das komplett falsche Publikum, denn weder Ginny noch Ron mochten ihn besonders
gut leiden.
~*~
So sehr
sie die Arbeit mochte, umso anstrengender war es jetzt. Sie war förmlich ins
Ministerium geschlichen, was an sich schon viel zu albern war, denn es waren
hunderte Zauberer um sie herum, die überhaupt nicht mitbekamen, wie sie sich
verhielt. Aber sie wusste, sie musste immer wachsam sein, denn würde sie einen
Augenblick lang vergessen, dass er hinter jeder Ecke warten konnte, dann hätte
sie sich nicht unter Kontrolle. Und Kontrolle war im Moment das wichtigste.
Und sie
hatte nicht vergessen, dass sie heute im Archiv nachsehen wollte, was in der Mysteriumsabteilung passiert war.
Und das
würde sie gleich auch tun. Denn nur wenige hatten die Lust, sich durch die
staubigen Archive zu wühlen. Denn dort war es heiß und stickig und die Bücher
dort, in denen die Aufzeichnungen standen, waren muffig und alt.
Aber sie
hatte immer Ruhe dort schöpfen können, denn, auch wenn sie es nicht gerne
zugab, die Hallen der Archive erinnerten sie immer an die Bibliothek in Hogwarts und an die Zeit, die sie dort so angenehm
verbracht hatte.
Sie
liebte die Ruhe der Bücher und das Wissen, das sie ausstrahlten.
Sie
wusste, dort konnte sie eine Art von Zuflucht suchen, die sie bestimmt nicht in
den vollen Fluren des Ministeriums finden würde.
Sie
verstaute hastig ihre Sachen im Ministerium und zog sogar die Strickjacke aus,
denn in den Hallen der Archive war es verflucht warm. Bücher speicherten
nämlich auch sämtliche Energie und schienen ihr manchmal die Luft zum Atmen
wegzunehmen, vermutete sie.
Sie traf
Merlin sei Dank niemandem, mit dem sie wirklich reden musste, auch wenn sie
schon überlegt hatte, mit Blaise ein paar Worte zu wechseln. Aber würde sie ihm
von dem Abend erzählen, dann würde er wahrscheinlich grinsen, und einen Termin
im achten Stock machen, damit sie und Draco ihr Gelübde erneuern konnten. Nein,
darauf konnte sie getrost verzichten.
Sie
hatte es geschafft, zwei Tage nicht an ihn zu denken, nicht an den Kuss zu
denken, überhaupt nicht wirklich zu denken. Darauf war sie ziemlich stolz. Sie
hatte sich wieder und wieder die wichtigen Tatsachen über den Fall durchgelesen
und war bestens darauf vorbereitet… na ja, darauf vorbereitet, zu gewinnen,
konnte sie nicht wirklich sagen.
Mittlerweile
zweifelte sie an der ganzen Geschichte und wusste, sie war auf einer ziemlich
gefährlichen Spur, würde sich ihre Vermutung bestätigen.
Die
Hallen der Archive lagen weit oben. Deswegen war es auch so warm. Sie glaubte
sogar, sie gehörten zu den Stockwerken, die oberhalb der Erde lagen. Das
Ministerium lag nur zu einem Teil unterirdisch unter London.
„Hallo, Ms Granger“, begrüßte sie eine Stimme als sie die Archive
betrat. Regal um Regal baute sich vor ihr auf. Sie waren ähnlich wie die Treppen
in Hogwarts. Sie musst höllisch aufpassen, dass das
Regal, was sie brauchte nicht ungünstigerweise weiter
hinten verschwand.
„Susan
Bones“, erwiderte sie mit einem gezwungenen Lächeln.
„Na?
Wieder im Ministerium?“, erkundigte sich Susan und Hermine erinnerte sich, dass
sie beim letzten Treffen einen hässlichen Streit mit Susan gehabt hatte.
„Ja, das
Schicksal geht seltsame Wege.“
„Und?
Arbeitest du mit Draco zusammen?“ Hermine spürte Unbehagen in sich aufsteigen.
Der Streit mit Susan Bones ging eigentlich darum, dass Hermine das Gefühl
hatte, Susan verbrachte zu viel Zeit in Dracos Büro. Draco hatte dies immer
bestritten, aber er hatte ja auch bestritten, jemals Astoria Greengrass attraktiv zu finden. Hermine konnte Susan nur
mit einem finsteren Blick mustern, denn sie würde sich eher die Zunge abbeißen,
als diese Frau zu fragen, ob sie tatsächlich irgendwann mal etwas mit ihrem
Exmann gehabt hatte. Susan trug einen knappen Rock und eine beige Bluse und sah
geradezu danach aus, dass Männer sich wohl fühlen sollten, sie anzusprechen.
Hermine
hatte nichts gegen Frauen, die wussten, wie man die weiblichen Waffen
einsetzte. Sie hatte nur etwas gegen Frauen, die diese Taktik bei verheirateten
Männern anwandten.
„Nein,
wir arbeiten nur in derselben Abteilung“, erklärte sie etwas steif.
„Der
Fall scheint ja euer Fluch zu sein.“ Susan lächelte, aber Hermine konnte
deutlich erkennen, dass es kein freundliches Lächeln war.
„Tja,
jeder hat wohl seinen Fluch, richtig?“ Sie wusste nicht, was sie damit sagen
wollte, aber es markierte deutlich das Ende der Unterhaltung.
„Wir
sehen uns bestimmt“, entgegnete Susan und Hermine hoffte, dass dies nicht so
sein würde.
„Bestimmt.“
Aus den Augenwinkeln erkannte sie ihr Regal und schritt an Susan vorbei und
stieg auf die unterste Stufe. Wenn es verschwinden würde, dann konnte sie erst
mal durch die Millionen Gänge gehen und es suchen. Kaum stand sie auf dem
Trittbrett glitt das Regal weiter nach hinten, sauste durch die Reihen, aber
sie studierte schon mal die Titel der Bücher.
Mysteriumsabteilung,
Raum der Zeit, las
sie stumm. Sie musste also weiter nach hinten. Viele Warnschilder hingen an den
Regalrändern.
Nicht laufen, während der Fahrt!
Es waren
schon hässliche Unfälle bei Regalfahrten passiert. Hermine wartete also
geduldig, bis das Regal zum Stehen kam. Auf dem schmalen Trittbrett schritt sie
also das Regal entlang.
Die Trittstufen nicht beim Lesen
betreten!
Das war
etwas, das selbst ihr schon einmal einen verstauchten Knöchel eingebracht
hatte. Sie war so vertieft gewesen und das Regal war ohne sie weiter gefahren,
und sie hatte sich den Fuß am nächsten Regal geklemmt und hatte zwei Tage einen
hässlichen Verband tragen müssen.
Das
wichtigste Schild war wohl:
Zauberstab stets bereithalten!
Nur mit
dem Zauberstab konnte sie überhaupt die dicken Bände aus dem Regal bekommen.
Und auch nur dann, wenn sie qualifiziert war. Aber als Rechtsmagierin hatte sie
viele Lizenzen an den Büchern. Die einzigen Bände, die sie nicht benutzen konnte,
waren die der Goldenen Appendix Reihe. Eine endlose Aneinanderreihung von
Urururahnen an Reinblütern und deren Positionen,
möglichen Schätzen, Berufungen, Prophezeiungen und so weiter, denn nur
Reinblüter hatten die Lizenz zu diesen Büchern. Ein lästiges Überbleibsel aus
alter Zeit, aber bisher hatte sie
nie den Wunsch verspürt, diese Bände auch nur aufzuschlagen. Sie waren unnütz.
Sie interessierte sich nicht besonders für die Reinblütergeschichte.
Mysteriumsabteilung,
Raum des Denkens,
dies war eigentlich ein recht spannender Band, aber nicht der Band, nach dem
sie heute suchte. Bei Gelegenheit würde sie mal wieder hier einen Blick
reinwerfen. Es war unglaublich, welche Informationen sich darin verbargen. Die
vielen Zauber und Tests, die mit den Gehirnen durchgeführt wurden, wären für
jedes Muggelkrankenhaus pures Gold wert.
Natürlich
war jegliche Weitergabe der Informationen strikt verboten.
Mysteriumsabteilung,
Halle des Todes
Und
genau das hatte sie gesucht. Es gab viele Verzeichnungen. Diese Aufzeichnungen
erstreckten sich über bestimmt fünfzig Bände. Ihre Finger glitten über die
vielen Buchrücken, während das Regal weiter nach hinten rotierte. Sie durfte
nicht aus den Augen lassen, in welche Richtung sie glitt, denn sonst irrte sie
hier eine halbe Stunde umher, nur um herauszufinden, ob sie rechts oder links
wieder zum Ausgang kommen würde.
Dann
stockte ihre Hand. Der Band fehlte.
Der Band
über den Monat des Geschehens war nicht an seinem Platz. Es war höchst
ärgerlich, dass ihn jemand anders ausgeliehen haben sollte. Und es war höchst
unwahrscheinlich noch dazu. Es gab niemanden, der sich dafür interessieren
konnte.
Niemanden.
Absolut überhaupt –
Na gut.
Außer vielleicht noch einer einzigen Person. Sie blickte nach links und sah den
Ausstieg zum Leseraum. Der Leseraum
war eigentlich nur eine kreisrunde Fläche mit einigen Sofas und Sesseln,
Tischen und Federn, um sich kurz auszuruhen und sich mit den Bänden auseinander
zu setzen. Er lag genau in der Mitte der tausend Regale und alle Wege zurück
zum Ausgang waren von hier aus gleich weit entfernt.
Ärgerlich
sprang sie vom Trittbrett, ehe das Regal weiter rotieren konnte.
Sie
landete sanft auf dem weichen Teppich und erschrak nur ein winziges bisschen.
Nur für einen kurzen Moment.
„Ich war wohl schneller“, stellte er recht gleichmütig fest. Sein Finger zeigte
auf eine Stelle in einem Band, der nach dem Band aussah, den sie suchte.
„Was
tust du hier?“, fragte sie recht dämlich, denn sie konnte sich schließlich
denken, was er hier tat. Aber ihrem sonst so schlagfertigen Gehirn, fiel keine
passende Frage ein.
„Ich?
Abgesehen von der Tatsache, dass ich dir zuhöre, wie du Susan Bones davon
erzählst, dass jeder seinen Fluch zu tragen hat?“ Seine Mundwinkel zuckten
verdächtig kurz und sie öffnete verwirrt den Mund. Er hatte also gelauscht.
Großartig.
„Hast du
den Band vom Juli?“, fragte sie überflüssigerweise und er nickte, während er
den Blick wieder auf die Seiten senkte.
„Willst du
es lesen? Aber es wird dir auch nicht weiterhelfen. Diese Informationen sind so
gut wie die Vorhersagungen aus einer Kristallkugel.“
„Wenn du
sie so unsicher findest, warum hast du sie dann überhaupt in Erwägung
gezogen?“, giftete sie verärgert und stellte sich neben ihn. Sie zwang sich,
seinen Duft nicht zu atmen und ihn so gut es ging zu ignorieren. Was natürlich
vollkommen unmöglich war.
Sie
folgte seinem Finger. Der Tag war verzeichnet. Die Uhrzeit ebenfalls. Natürlich
waren die Aufzeichnungen für die Halle des Todes wirklich immer eher etwas…
vage. Dort stand, dass die Messungen für den Vorhang der Ewigkeit zwar
Schwingungen vernahmen, dass aber nicht festgestellt werden kann, wann genau
sie begonnen haben oder wer sie verursacht hat.
„Immerhin“,
erklärte sie zufrieden.
„Immerhin,
was?“, entgegnete er wenig überzeugt. Sie hob den Blick zu seinem ausnahmslos
schönen Gesicht. Seinem Gesicht, dem übrigens keine Aufgewühltheit
anzumerken war – was sie ärgerte.
„Immerhin
haben wir hier einen Beweis, dass an diesem Tag Unruhe verzeichnet werden
konnten“, erklärte sie gereizt.
„Und das
ist gut?“, fragte mit leichtem Spott in der Stimme.
„Ja. Das
ist besser als nichts“, bestätigte sie und merkte erst jetzt wie unangenehm nah
sie beieinander standen. Er bewegte sich nicht weg.
„Ingemino“, sagte
sie leise und die Seite kopierte sich vor ihnen auf dem Tisch.
„Soll
das in deinen Ordner oder meinen?“
Diese
Frage allein war vollkommen legitim, vollkommen neutral und bestimmt kein Grund
zu irgendeiner Besorgnis. Aber der Ton war völlig unpassend! Seine Stimme klang
plötzlich rau. Tiefer. Und ganz bestimmt nicht so, als ob sie wissen wollte, in
welche Akte man dieses Pergament heften wollte!
Langsam
wandte sie den Kopf zur Seite. Sie hatte das ungute Gefühl, dass seine Augen
dunkler geworden waren. Sie fühlte, wie ihre Handflächen feucht wurden und
ballte die Finger schnell zur Faust. Sein Duft erschlug sie mit voller Macht.
Als ob sie ihn wirklich ignorieren konnte!
„Granger?“,
fügte er mit erhobener Augenbrau hinzu, als sie noch nicht geantwortet hatte.
„Mir
egal“, würgte sie gleichmütig hervor. Er ergriff das Pergament.
„Gut“,
erwiderte er tonlos. „Accio
Regal 17!“, rief er und hatte den Zauberstab gezogen. Das Regal der Mysteriumsabteilung sauste wieder in ihre Richtung. „Kommst
du?“, fragte er als wäre es selbstverständlich, dass sie ihm folgen würde. Aber
ihre Beine gehorchten ihr, Merlin sei Dank doch ziemlich gut.
Sie
kletterte auf die Trittstufe und ließ ihm den Vortritt, denn er trug den schweren
Band wieder zurück an den Platz.
„Du hast
dir also gemerkt, dass ich diesen Band ansehen wollte?“, vergewisserte sie
sich, weil sie nicht glauben konnte, dass er einer ihrer Theorien wirklich
einmal Gehör geschenkt hatte.
„Sicher
habe ich es mir gemerkt. Ich bin kein Kröter. Ich
kann Dinge länger als zwei Minuten lang behalten, Granger“, spottete er mit
glatter Stimme.
„Ha ha.
Dafür, dass du diese Aufzeichnungen für Doxymist
hältst, warst du aber ziemlich zeitig hier“, setzte sie grimmig hinzu. Er schob
den Band wieder an seinen Platz und wandte sich schließlich zu ihr um. Sie
musste den Kopf etwas weiter in den Nacken legen.
„Sonst
hätte ich dich höchstwahrscheinlich auch verpasst.“
Dieser
Satz war ebenfalls schlicht, aber die Bedeutung dahinter war unschwer zu
enttarnen.
„Du hast
auf mich gewartet?“
„Ist es
wirklich Warten, wenn man weiß, dass jemand definitiv auftauchen wird?“,
erkundigte er sich beiläufig und lehnte sich gegen das Regal, während es wieder
zurück zum Eingang rotierte.
Sie
überlegte kurz. „Ja, Malfoy.“ Dann runzelte sich ihre Stirn. „Wieso wartest
du?“ Sie wusste, sie nahm eine defensive Position ein, denn sie verschränkte
die Arme vor der Brust. Seine Fassade fiel in ungefähr dieser Sekunde.
„Müssen
wir darüber reden?“
„Was?“
Ihre Stimme verwandelte sich eher in ein Piepsen. „Worüber?“
„Hermine“,
sagte er nachdrücklich und hob eine Braue. Panisch schüttelte sie den Kopf.
„Nein,
nein! Definitiv, nein!“, sagte sie hektisch, mit gedämpfter Stimme.
„Dann…
war das…“
„Ein Versehen“,
schlug sie hysterisch vor. „Ein Missverständnis. Ein betrunkener Fehler. Eine
Kurzschlussreaktion. Ein… Schauer aus der Vergangenheit. Eine absolut
stumpfsinnige und sehr dumme Aktion!“ Ihr Atem hatte sich beschleunigt.
„Ich
will nur betonen, du hast mich
geküsst.“ Und er grinste bei diesen Worten. Jetzt hatte er es ausgesprochen.
Sie war ja der Überzeugung gewesen, diese Sache wäre nicht real, wenn man nur
nicht mehr darüber sprechen würde.
Aber
diesen Pakt hatte er jetzt zerstört. Und er log noch dazu!
„Ich?
Ich habe mit diesem Unsinn nicht angefangen!“, beteuerte sie und versuchte,
nicht zu laut zu sprechen.
„Ach
nein? Dann bin ich selber bei mir eingebrochen?“, erkundigte er sich immer noch
grinsend und der Ausgang kam in Sicht, denn das Licht wurde endlich wieder
heller.
„Was?
Was sollte das bitte mit dem Kuss zu tun haben?“, zischte sie ungehalten.
„Willst du andeuten, dass ich das getan habe, weil ich mir nichts besseres
vorstellen kann, als dich zu küssen und dafür sogar in dein dummes Haus
einbreche?“, fügte sie böse hinzu und er ruckte mit
dem Kopf.
„Völlig
unwichtig. Ich werde dir jedenfalls nicht ein weiteres Mal gestatten etwas
Derartiges zu tun“, sagte er plötzlich sehr ernst. Ihr Mund öffnete sich völlig
überfordert.
„Mir gestatten…?“, wiederholte sie langsam
und kam auf ihn zu. „Das ist ja wohl ein verfluchter Scherz, oder?“ Jetzt
schloss er den Abstand und wirkte etwas aus der Fassung gebracht.
„Nein,
kein Scherz. Keine Tricks. Das hast du doch schon klargestellt, oder?“, knurrte
er plötzlich und presste sie gegen die alten Bände. Sie verzog kurz schmerzhaft
den Mund. „Ich habe dafür nicht die Kraft. Und auch nicht die nötige Zeit,
verstanden?“ Er sah ihr fest in die Augen und ihr Mund öffnete sich völlig
verwirrt. „Hast du vor daraus eine wöchentliche Sache zu machen?“
„Eine was?“ Sie starrte ihn hilflos an.
„Denn
sollte das so sein, wüsste ich es lieber vorher. Weißt du, wie lange es
gedauert hat, ehe ich Frauen wieder als Menschen betrachten konnte?“, fragte er
sie zornig und ihr Mund öffnete sich erneut, ohne dass sie wusste, was sie
sagen sollte. „Und meine Frage wäre, ob du Gefühle für mich hast. Ob das ein
Anfang von irgendeiner verrückten Aktion werden wird, die darin endet, dass du
mit mir schlafen willst“, fügte er leiser hinzu.
„Draco,
ich habe mich von dir scheiden lassen, weil ich niemals – niemals – wieder mit dir schlafen will!“, presste sie hervor und
stieß ihm hart vor die Brust.
„Niemals?“,
wiederholte er tonlos. „Ist das ein Versprechen?“
„Nein,
das ist der bindende Vertrag, den wir eingegangen sind!“ Sie konnte nicht
fassen, wie wütend sie war und dass er tatsächlich versuchte, diesen Abend auf
sie abzuwälzen!
„Wir
sind so viele bindende Verträge eingegangen“, knurrte er mit spöttischem
Unterton. „Welchen meinst du?“
„Den
letzten“, erklärte sie zornig und ignorierte den Seitenhieb auf den Vertrag
ihrer Heirat. „Und du wolltest mich
küssen! Nicht umgekehrt!“, fügte sie verletzt hinzu.
„Bitte, den
schenk ich dir“, begann er und entließ sie aus seiner Präsenz. Sie wich zum
Rand des Regals zurück. „Ich wollte dich küssen. Weil du förmlich drum
gebettelt hast“, ergänzte er kühl. Sie konnte nicht glauben, wie sehr er ihr zu
schaffen machte. Sie schritt zielstrebig zu ihm zurück und entriss ihm das
kopierte Pergament.
„Und
das… ist meins!“, erklärte sie wütend und funkelte ihn an.
„Kann
man euch helfen?“, erkundigte sich die Stimme von Blaise Zabini und Hermine
erschrak. Hastig wandte sie sich um.
„Nein.
Wir sind fertig“, erklärte Draco überflüssigerweise.
„Nicht,
dass ich euch aufhalten oder unterbrechen will“, bemerkte Blaise mit einem
Lächeln.
„Es gibt nichts, wobei du uns unterbrechen könntest“, erklärte sie mit einem
freundlichen Lächeln und sprang vom Trittbrett herunter. Draco folgte ihr
schließlich.
„Schön,
dass ihr euch versteht“, fügte Blaise immer noch lächelnd hinzu. Und sie hasste
sein Lächeln. Sie würde ihm gerne erklären, wie sehr sie sich zum Teufel noch
mal nicht verstanden, aber sie hatte
ihren Stolz.
„Ich
muss los“, erwiderte sie würdevoll und schoss ihrem Exmann noch einen
verhassten Blick entgegen.
„Ich
halte dich bestimmt nicht auf.“ Draco hatte einen sehr arroganten Zug um seinen
Mund spielen, den sie nicht ausstehen konnte. Es war sein Spiel. Er wollte das
letzte Wort haben und sie wussten beide, dass er es spielte.
„Gut“,
sagte sie böse.
„Gut“,
erwiderte er und sie sah wie Blaise sein Grinsen hinter seiner Hand verbarg.
„Schön“,
sagte sie nur. Dracos Mundwinkel hoben sich ganz kurz.
„Schön“,
erwiderte er gedehnt.
Sie ließ
ihn gewinnen. Dieses Mal. Denn es war ihr zu peinlich vor Blaise. Sie wusste,
was er denken musste. Und er hatte auch noch recht. Sie stritten sich. Wieder
mal. Wie am ersten Tag. Und sie erinnerte sich noch dunkel, wie der erste Tag
mit Draco Malfoy geendet hatte… - in seinem Bett.
Und das
würde nicht noch einmal passieren.
Zornig
wandte sie sich ab. Sie gönnte beiden keinen weiteren Blick mehr.
~
And it’s a Problem – I think it’s a Sin ~
Nicht
gut. Gar nicht gut.
Es war
ihm selber aufgefallen. Viel zu spät natürlich. Es fiel ihm immer erst zu spät
auf, wenn er begann, Spiele zu spielen. Es machte plötzlich mehr Spaß als es
sollte und ehe er sich besinnen konnte, war er schon viel zu weit nach vorn
gegangen.
Und so
hatte ihn Blaise auch angesehen. Er hatte Granger klar machen wollen, dass es
vollkommen unmöglich war, dass… dass es wieder passierte.
Er hatte
eigentlich ehrlich sein wollen und ihr sagen wollen, dass er sterben würde,
würde es noch einmal passieren.
Über sie
hinweg zu kommen, war das brutalste und anstrengendste, was er jemals hatte tun
müssen. Aber… wenn er tatsächlich einen lichten Moment wählte, und vollkommen
ehrlich mit sich selber war, dann musste er sich eingestehen, dass er es gar
nicht geschafft hatte.
So gern
er es hätte. So einfach es vielleicht ab einem gewissen Punkt gewesen wäre…
genauso episch hatte er versagt.
Er hatte
nichts überwunden. Oder verdrängt. Absolut gar nichts. Er hätte jedes Muttermal
auf ihrem Körper finden und aufzeichnen können. Noch heute.
Aber das
würde er ihr nicht sagen. Auf einmal war es viel einfacher, ihr die Schuld zu
geben und darauf zu hoffen, dass ihr Hass einfach für sie beide reichen würde.
Das
musste er nämlich. Er musste ausreichen, denn er wusste, er wäre ein schwacher
Feigling, der sie wieder aufsuchen würde. Der wieder versuchen würde, sie zu
sehen. Nur für den Rausch.
Und
natürlich war ihm völlig klar, dass sie ihn niemals geküsst hätte. Aber ihm war
genauso klar, dass die Dinge jetzt auch völlig anders lagen.
Und er
war so kühn, zu sagen, dass sie ihn noch wollte.
Und
darin lag wohl ein Problem. Aber es würde ihr Problem sein. Nicht seins.
Jetzt fiel
ihm Astoria wieder ein. Er sollte sich bei ihr melden. Sie sollte ihn
gefälligst ablenken. Dafür war sie doch schließlich da; immer da gewesen. Sie
war seine Ablenkung. Aber… das wusste sie natürlich nicht.
So etwas
sagte man selbst einer Ablenkung nicht direkt ins Gesicht.
„Was
wollte sie damit überhaupt?“ Fast hatte er Blaise schon vergessen. Die Kantine
war heute voller, so kam es ihm vor. Oder war er heute empfänglicher für
Menschen? Er wusste es nicht.
„Was?“,
fragte er irritiert und Blaise hob kurz eine dunkle Augenbraue.
„Hörst
du mir überhaupt noch zu?“ Sein Freund betrachtete ihn prüfend. Draco hasste
es, wenn er das tat.
„Sicher
höre ich dir zu. Was sie damit wollte?“, wiederholte er die Frage und nahm an,
Blaise sprach immer noch über die Kopie aus den Aufzeichnungen der Halle des
Todes. „Ich nehme an, sie will damit beweisen, dass-“
Plötzlich
war er aufgesprungen. Und ganz kurz verschwanden sämtliche unpassenden Gefühle
für seine Exfrau mit voller Wucht aus seinem Körper.
Mit
einem Mal wurde ihm völlig klar, weshalb er verhindern musste, dass sie dieses
Beweisstück anbringen würde.
„Dafür,
dass du immer alles weißt, sagst du es mir verflucht spät, Blaise!“, knurrte
Draco zornig.
„Ich
weiß nicht alles“, rechtfertigte sich sein Freund geduldig. „Ich weiß einiges.“
Draco funkelte ihn wütend an. Er war bereit sein Vermögen zu verwetten, dass
Blaise alles von Anfang an so geplant hatte. Er war zu Granger gegangen und
hatte ihr den Fall wieder schmackhaft gemacht. Er hatte sie angehalten über Humphrey
Gold nachzuforschen, nur damit er, Draco, verflucht spät auf die Zusammenhänge
kam.
„Auf welcher verdammten Seite stehst du überhaupt?“, erwiderte Draco und konnte
kaum noch wütender werden.
„Auf der
richtigen, Draco. Und vielleicht solltest du deinen Hintern dort endlich auch
mal hinbewegen.“ Und damit spießte er eine Kartoffel auf seine Gabel und Draco
beschloss, nicht weiter zu diskutieren. Er könnte Blaise auch noch später ins
Gesicht schlagen. Das war nämlich definitiv eine Lösung, die er bevorzugte.
Es gab
natürlich einen winzigen Zweifel an seiner Theorie, aber er war überzeugt,
Granger würde das tun was er vermutete. Sie würd seinen Klienten in die Pfanne
hauen wollen.
Er
konnte das Ministerium gar nicht schnell genug verlassen. Er befand sich auf
der richtigen Seite! Was dachte Blaise eigentlich? Zwar wusste Draco, dass,
würde er seine Theorie verfolgen, er am Ende wahrscheinlich schlecht dastehen
würde, aber… er wusste, es gab eine geringe Chance für ihn. Und Edgar.
~*~
„Ich möchte,
dass Sie sich entspannen“, sagte sie ruhig und war etwas nervös.
„Haben
Sie nicht gesagt, dass Erinnerungen nicht widerherstellbar sind, nachdem die
Gedächtnislöschung eingetreten ist?“, vergewisserte sich Annabelle etwas
beunruhigt.
„Wenn
wir nichts finden, dass ist es auch nicht schlimm.“ Doch, das wäre fatal
schlimm. Aber das sagte sie nicht laut.
„Was wollen Sie überhaupt finden?“ Annabelle flüsterte fast.
„Ich kann Ihnen sagen, dass – sollte ich es finden – es Sie nicht belasten
wird.“ Und Hermine wusste nicht, ob sie log, oder die Wahrheit sagte. Denn es
konnte durchaus sein, dass die Erinnerung Annabelle doch belasten konnte. Ihre
Klientin hatte gerade eben das Formular unterzeichnet, was Hermine erlaubte in
ihre Gedanken Einblick zu nehmen.
Sie
hatte mit Donald darüber gesprochen und er hatte gesagt, sollte der Falls ich
damit nicht zu ihren Gunsten entscheiden, wäre sie den Fall los. Das war
schwerwiegend, aber in die Gedanken eines Menschen zu blicken war noch
wesentlich schwerwiegender, weil sich damit der Gedankenträger selber belasten
konnte und Hermine somit riskierte, dass sich Annabelle Gefahren aussetzte, die
ihr selber gar nicht bewusst waren.
„Ich bin
bereit“, flüsterte Annabelle und schloss die Augen, obwohl es nicht nötig für
sie war. Hermine atmete kurz durch und hob den Zauberstab.
„Legilimens!“,
sagte sie fest und spürte wie sich ihr Geist in den von Annabelle schob. Bilder
schossen durch ihren Kopf. Eine Frau, ungefähr so alt wie ihre Mutter erschien.
Sie lachte und schien zu kochen. Das Bild verschwamm und Hermine konzentrierte
sich auf das, was sie eigentlich finden wollte.
Mysteriumsabteilung…, dachte sie dumpf und es zog
unangenehm in ihrem eigenen Kopf, weil sie dringend versuchte an diese
Erinnerung zu kommen. Es war als liefe sie mental vor eine dunkle Wand.
Mysteriumsabteilung, wiederholte sie streng in ihren
Gedanken. Sie spürte Schweißperlen auf ihrer Stirn und Hitze stieg in ihr
Gesicht.
Vergessenszauber! Wenn sie schon nicht in ihren
Geist blicken konnte, hatte sie jetzt festgestellt, dass Annabelle mit einem Vergessenszauber belegt worden war. Sie zog sich aus den
Gedanken der Frau zurück.
„Annabelle,
ich muss Sie um etwas bitten“, sagte sie außer Atem. Annabelle hatte die Augen
wieder geöffnet. Natürlich hatte die Frau auch mitbekommen, was Hermine gesehen
hatte.
„Um
was?“
„Damit
ich Ihr Unterbewusstsein austricksen kann, muss ich in Ihre Gedanken blicken,
wenn Sie schlafen. Dann hat ihr Bewusstsein keine Macht mehr und Ihr
Unterbewusstsein ist dann stärker“, erklärte sie ruhig.
„Sie
wollen mich betäuben? Denken Sie… dass Sie… etwas finden?“ Sie klang so
beunruhigt, wie Hermine sich fühlte.
„Ich
denke schon.“
„Was, Ms Granger?“ Sie hatte ihren Namen richtig ausgesprochen,
fiel Hermine auf.
„Nun…“ Hermine
wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Es
könnte mich genauso gut belasten, oder?“ Annabelle hatte sich auf die Lippe
gebissen. Und Hermine konnte es nicht leugnen. Ja, es bestand die Möglichkeit,
dass es Annabelle belasten konnte. Und dann? Dann gewann Malfoy.
Und sie
hasste ihn. Sie wusste, sie durfte nicht unprofessionell sein, aber… sie konnte
es nicht kontrollieren. Jetzt gerade nicht.
„Nein,
es wird Sie nicht belasten!“, versprach Hermine und äußerte damit eine
gefährliche Lüge. Aber die Chancen standen fünfzig zu fünfzig.
„Und
danach müssen Sie nie wieder in meine Gedanken?“, vergewisserte sich Annabelle
jetzt und Hermine nickte langsam.
„Wenn
ich jetzt nichts finde, dann müssen wir das nie wieder machen“, erklärte sie
sicher. Ihre Finger kribbelten. Wenn sie etwas finden würde… dann konnte sie
nur hoffen, dass es nichts war, was sie ihr Wort brechen ließ.
„Bitte
legen Sie sich hin“, forderte sie ruhig und Annabelle legte sich auf ihr Sofa.
~*~
„Ich
kann das nicht unterschreiben“, beteuerte Edgar und Draco wünschte sich einmal,
nicht mit jedem Menschen diskutieren zu müssen.
„Dann
nennen Sie mir einen guten Grund“, forderte er ungeduldig.
„Sie
haben kein Recht in meine Gedanken zu blicken, Mr Malfoy“, erklärte Edgar.
Draco hatte heute auf den Wahrheitszauber verzichtet.
„Schön.
Haben Sie Ihren Bruder umgebracht?“, fragte er also ohne zu zögern und Edgar
öffnete den Mund.
„Nein.
Nein, habe ich nicht.“
„Haben
Sie nicht? Dann können Sie mich in Ihren Kopf blicken lassen,
Edgar“, erklärte Draco gereizt.
„Nein.“
„Wissen
Sie, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen? Meine Exfrau wird mit ihren Beweisen
bis zur höchsten Instanz gehen. Und wenn wir auch nur die kleinste Chance
haben, zu beweisen, dass Sie nicht völlig schuldig sind, dass sie womöglich
Rechtfertigungsgründe haben, dann müssen wir diese nutzen!“ Er hasste es, zu
verlieren. Er hasste es wirklich.
„Sie
wollen also nur Ihrer Exfrau eins auswischen?“, erkundigte sich Edgar verwirrt
und Draco atmete langsam aus.
„Nein, natürlich nicht. Ich will, dass ehemalige Todesser
nicht immer schuldig gesprochen werden, Edgar. Ich will beweisen, dass Sie
unter den tausend schlechten Menschen vielleicht Gründe gehabt haben, das zu
tun, was sie getan haben!“, knurrte er jetzt.
„Trotzdem
sage ich nein. Sie dürfen nicht in meine Gedanken blicken.“
„Wo ist
der Zeitenumkehrer? Wieso hat Annabelle die Kette?
Was war mit ihrem Bruder? Wieso war es wichtig in der Zeit zurück zu gehen? Sie
wissen, dass, wenn ich den Fall verliere Sie mit genau denselben Fragen vor dem
nächsten Rechtsmagier sitzen!“, beharrte Draco jetzt.
„Und?
Dann sitze ich eben vor dem nächsten. Wo ist bitte der Unterschied, Mr
Malfoy?“, fragte Edgar ruhig.
„Der
Unterschied?“ Draco musste kurz lächeln. „Glauben Sie ernsthaft, dass sich da
draußen auch nur ein ehemaliger Todesser finden
lässt, der Rechtsmagier geworden ist und ausgerechnet diesen Fall übernehmen
möchte? Glauben Sie auch nur ein einzig weiterer würde darauf plädieren wollen,
Sie nicht noch mal nach Askaban zu schicken? Und
nicht nur für Haftstrafe, sondern gleich für den Kuss?“
Edgar
sah ihn an.
„Es ist
doch unwichtig“, sagte er schließlich. „Man kann schuldig nicht ändern.“ Draco
verlor die Geduld.
„Nein,
wenn Sie schuldig sind, ist das nicht zu ändern. Aber Sie sagen, Sie haben
Annabelle nicht gefoltert. Sie sagen, Sie haben Ihren Bruder nicht getötet.
Dann sind Sie wofür schuldig?“, erkundigte sich Draco und Edgar wirkte müder
als zuvor.
„Mr
Malfoy…“
„Das hier
ist kein Spiel!“, brauste Draco auf. „Es ist völlig egal, wie lange Sie es
hinauszögern. Unterschreiben Sie das Formular und ich werde alles in meiner
Macht tun, Ihre Umstände so glimpflich wie möglich auszulegen!“
Und
tatsächlich – nach einer Ewigkeit – griff Edgar zur Feder.
Draco
traute seinen Augen kaum. „Welches meiner Worten hat Ihre Meinung geändert?“,
fragte er etwas perplex.
„Keins“,
erwiderte der Mann vor ihm. Draco hasste Menschen. Grimmig hob er den
Zauberstab.
„Gut.
Dann verlieren wir keine Zeit“, beschloss er und sein Handgelenk lockerte sich.
„Legilimens!“
~*~
Nachdem
Hermine die Frau vor sich mit einem leichten Sedierungszauber belegt hatte,
verschaffte sie sich erneuten Zutritt zu ihren Gedanken. Diesmal war es
düsterer, so kam es ihr vor. Und es überraschte sie nicht, dass das
Unterbewusstsein der Frau sofort den Zutritt zur Mysteriumsabteilung
frei gab.
Hermine
zwang ihre Gedanken zur Halle des Todes und Annabelles
Gedanken sprangen darauf an. Es war als legte sich ein Schleier und das Bild
wurde völlig klar.
„Er wird
kommen“, hörte sie eine Männerstimme.
„Wann?“
Das war Annabelle.
„Wenn er
kommt, um die Sachen zu stehlen.“
„Bist du
sicher, dass der Tag stimmt?“, flüsterte Annabelle wieder und Hermine
versuchte, das Bild in ihrem Kopf zu schärfen.
„Ja,
ganz sicher. Deine Mutter ist zuhause?“, fragte der Mann jetzt und sie hörte
Annabelle darauf nicht antworten. Sie nahm an, dass sie genickt hatte. Die
Gedanken waren verschwommen und sie konnte es nicht genau sehen.
Aber ihr
Herz sank mit jeder Sekunde. Malfoy hatte recht gehabt. Die beiden kannten
sich, waren zusammen in der Zeit zurückgereist und schienen auf Edgars Bruder
zu warten. In der Halle des Todes.
Aber
warum? Was hatte Annabelles Mutter damit zu tun?
„Er kommt!“,
flüsterte Edgar aufgeregt. „Vielleicht…“, fügte er unsicher hinzu, aber
Annabelle unterbrach ihn.
„Nein,
ich will das tun! Ich muss es tun!“
„Lass
mich es tun!“, sagte Edgar plötzlich.
„Nein.
Ich will nicht, dass du bestraft wirst. Wenn es rauskommt, dann nehme ich jede
Strafe in Kauf!“, zischte sie leise mit Nachdruck. So ein verfluchter Mist!
Hermine spürte, wie ihr Herz anfing zu rasen. Annabelle hatte also irgendwas
getan. Vielleicht aber auch nicht!
Das Bild
wurde schärfer, denn der Mann, der sich jetzt unerlaubterweise in die Mysteriumsabteilung schlich hatte den Lumos
Zauber angewandt.
„Edgar?“,
hörte sie die neue Stimme fragen. „Was tust du hier? Brecht ihr auch ein?“ Und
wieso ist Humphrey Gold eingebrochen? Er wirkte so jung wie auf dem Bild in den
Akten.
„Expelliarmus!“,
hörte sie Annabelles Stimme.
„Was
zum-?“ Humphrey Golds Zauberstab segelte durch die Luft und blieb mit einem
dumpfen Leuchten auf dem Boden liegen. „Edgar, was-?“
Doch er
konnte die Frage nicht stellen.
„Du
verfluchter Mistkerl wirst meine Mutter nicht anrühren!“, schrie Annabelle
jetzt so laut, dass Hermine selbst in den Gedanken zusammen zuckte. Sie sah,
wie sie sich von Edgar losriss und sich auf seinen Bruder stürzte. Es war kaum
spektakulär. Wirklich nicht. Humphrey war so überrascht, dass er nach hinten
taumelte. Ehe er sich wehren konnte, hatte ihn Annabelle durch den Vorhang
gestoßen.
Und das
war es. Dann war es vorbei. Der Zauberstab von Humphrey Gold erlosch in der
Sekunde, als sein Besitzer durch den Schleier verschwunden war. Hermine hörte
das trügerische Wispern. Annabelle griff sich im Dämmerlicht den Zauberstab und
warf ihn hinter Humphrey her.
„Wir
müssen gehen!“, sagte sie leise. Edgar sagte gar nichts. „Liebst du mich?“,
fragte sie plötzlich panisch und Hermine merkte gar nicht, dass sie die Luft
angehalten hatte.
„Ja,
mehr als alles“, erwiderte Edgar leise. Und dann passierte, was Hermine
befürchtet hatte. „Verzeih mir“, fügte Edgar hinzu. „Obliviate!“, sprach er, ehe sie
mit dem Zeitenumkehrer zurücksprangen.
Das Bild
änderte sich und das nächste, was sie erkenne konnte, waren die Mitarbeiter des
Ministeriums, die sie in der Mysteriumsabteilung
aufgriffen.
~*~
„Die Nachforschungen
haben dann also angefangen?“, murmelte Draco als er sich wieder gesetzt hatte
und die Erinnerungen verarbeitet hatte. Edgar hatte ihn seit Minuten nicht mehr
angesehen.
„Ihre
Mutter war letztendlich doch gestorben. Ohne, dass mein Bruder etwas damit zu
tun hatte.“ Draco glaubte, Edgar beinahe freudlos lächeln zu sehen.
„Dann
hat das Ministerium angefangen nach dem Zeitenumkehrer
zu forschen und die Sache wieder aufzugreifen, Annabelle zu befragen. Und ich
wusste, irgendwer würde noch auf die Idee kommen, zu prüfen, ob ein Vergessenszauber vorliegen würde“, fuhr er leise fort.
Draco musste sich zwingen, ruhig zu atmen.
„Und
dann?“
„Dann
habe ich sie auf der Straße abgefangen. Sie war so unsagbar traurig, wegen
ihrer Mutter und hatte nicht einmal mich an ihrer Seite, weil ich mich aus
ihrem Gedächtnis gelöscht habe. Dann… habe ich den Imperius
angewandt und ihr die Geschichte aufgezwungen, ich hätte sie gefoltert.“ Draco
schloss die Augen.
„Das
Ministerium hat sofort sämtliche Bedenken wegen des Zeitenumkehrers
fallen gelassen und sich wie Geier auf die Tatsache gestürzt, dass ein
ehemaliger Todesser rückfällig geworden ist.“
Draco
wusste nichts zu sagen.
„Da
haben Sie Ihre Wahrheit, Mr Malfoy.“
Ja, die
hatte er wohl. Und er hatte noch etwas anderes.
Sein
Klient hatte niemanden umgebracht, niemanden gefoltert. Ein wenig Beihilfe kam
ins Spiel, ein Vergessenszauber und ein
Unverzeihlicher, ohne Auswirkungen auf die körperliche Unversehrtheit.
Er hatte
gewonnen. Rein rechtlich. Er hatte verflucht noch mal gewonnen!
„Sie
werden Ihr nichts zustoßen lassen! Bitte, Sie werden es ihr nicht vorwerfen, Mr
Malfoy“, flüsterte Edgar jetzt. „Ihr darf nichts geschehen!“ Dracos Mund
öffnete sich.
„Mr Fowler,
das geht nicht. Die Wahrheitsfindung besagt-“
„Ich
scheiße auf die Wahrheitsfindung. Ich liebe Annabelle und ich werde zu ihren
Gunsten aussagen. Sie kann sich an nichts erinnern und das Ministerium wird nur
zu gerne einen Todesser bestrafen. Sie haben Ihre
Wahrheit. Ich habe meine“, erklärte er jetzt ruhig. Draco schüttelte nur den
Kopf.
„Mr
Fowler, meine Exfrau wird wahrscheinlich in präzise genau dieser Sekunde
ebenfalls herausgefunden haben, was passiert ist.“
„Und?
Überzeugen Sie Ihre Exfrau, dass Annabelle nichts passieren darf.“
„Das ist
gegen das Gesetz“, sagte Draco jetzt nachdrücklich.
„Na und? Ich nehme die Schuld, Mr Malfoy. Lassen Sie Annabelle in Frieden.
Geben Sie mir die Schuld. Lassen Sie uns glaubwürdig sein und ich komme nach Askaban.“
„Sie kommen nicht nur nach Askaban! Ihre Seele wird-“
„Ich
weiß das!“, entgegnete Edgar laut. „Ich weiß das alles. Aber… besser ich als
sie. Oder nicht, Draco? Denken Sie das nicht?“
Sein
Mund öffnete sich stumm. Nein, nein, nein! So sollte es nicht laufen. So sollte
es nicht sein. Er konnte die Wahrheit nicht außer Acht lassen. Er brachte sich
damit in höchste Gefahr. Und er würde damit den Fall verlieren.
Aber…
Granger würde sich doch auf so etwas nicht einlassen. Sein Stolz würde sich auf
so etwas nicht einlassen. Sein Gerechtigkeitssinn würde sich auf so etwas nicht
einlassen!
„Ich
bitte Sie, Draco. Ihr darf nichts geschehen“, wiederholte Edgar leise und Draco
hatte noch niemals erlebt, dass ein ehemaliger Todesser
sein Leben für eine Muggel aufgeben würde, die sich
nicht mal mehr an dessen Namen erinnern konnte. Er fuhr sich müde über die
Stirn und schloss die Augen.
~
And I feel as if I’m bleeding, from a thousand Miles away ~
Wo war
sie, wenn er sie verflucht noch mal suchte? Er hatte über alle Vorfälle
geschlafen und hatte jetzt zwei Tage Zeit, um… - ja, um was überhaupt? Er hatte
keine Ahnung. Er wusste, er konnte nicht gegen das Gesetz handeln.
Aber er
wusste nicht genau, was er wirklich tun sollte.
Er musste
mit ihr reden. Er musste! Sie musste doch dasselbe gesehen haben, was er
gesehen hatte. Und dann? Was dann? Dann konnten sie darüber diskutieren und Pro
und Con Listen schreiben, was die richtige Entscheidung wäre?
Das war
nicht mal nötig. Er wollte sich aufs Blut mit ihr streiten und dann in seinem
wahnsinnigen Kopf zu der richtigen Entscheidung kommen.
Astoria
spukte ihm auch in seinen Gedanken rum. Wenn auch nur am Rande. Sie hatte ihm
das Ultimatum gestellt, heute Abend pünktlich bei ihr zum Essen aufzutauchen,
oder sie würde ihn schlicht und ergreifend endlich verlassen.
Und
eigentlich baute er auf den beruhigenden Sex, der ihn ablenken würde.
Egal,
was heute also passieren würde, er durfte nicht verpassen, zu Astoria zu gehen,
denn er wusste, ohne Sex wäre er noch unausstehlicher.
Er kam
mit sich selbst zurecht, aber er hatte heute schon zwei Sekretariatshexen
angeschrieen, und der Tag hatte gerade erst mal
begonnen.
Wenn sie
nicht in ihrem Büro war, wo war sie dann? Es war nicht so, als hätten sie alle
Zeit der Welt! Wie konnte sie jetzt unauffindbar sein? Vor allem, weil er ihr
doch noch unter die Nase reiben konnte, dass er recht gehabt hatte. Er wusste
schon nicht mal mehr genau, warum er Recht gehabt hatte, aber er wusste, dass
es stimmte. Ach wenn es ihm jetzt nicht mehr viel brachte.
Es war
fast peinlich, wie dringend er ihre Meinung brauchte.
Und fast
wäre er in den Zauberer hingelaufen, der um die Ecke bog.
„Malfoy,
lange nicht mehr beim Training gewesen“, begrüßte Potter ihn schlicht.
„Was?“
Draco sah ihn an. „Training“, wiederholte er dann. „Jaah,
richtig. Ich… hatte keine Zeit für das Training.“
„Ich
habe gehört Ginny hat dir einen Besuch abgestattet“, fuhr Potter fort. Draco
war sich nicht sicher, ob Potter wirklich mit ihm sprechen wollte, oder ob es
ihm die Höflichkeit irgendwie gebot.
„Ja, deine Frau hat mich besucht. Nur flüchtig“, fügte er hinzu.
„Wie
kommt der Fall voran?“ Schlechtes Thema.
„Ich
glaube nicht, dass ich dir darüber wirklich Auskunft geben darf“, sagte Draco
also knapp.
„Hermine
scheint der Fall gar nicht zu bekommen.“ Draco horchte auf.
„Du weiß, wo sie ist?“ Er vergaß seine kühle Abwesenheit.
„Ja, ich
weiß, wo sie ist.“ Es verging ein kurzer Moment. „Aber ich glaube nicht, dass sie
dich sehen will.“ Mit dieser Information konnte er wenig anfangen.
„Ich muss mit ihr sprechen. Es geht um den Fall und dessen Lösung. Es wäre
wichtig, dass du mir sagst, wo sie ist.“ Potter musterte ihn schließlich.
„Du hast
mehr trainiert, oder?“
„Was?“
Draco hatte keine Lust mehr, Smalltalk zu betreiben.
„Die
Scheidung ist dir nicht gut bekommen“, fügte Potter hinzu.
„Zeig
mir irgendwem, dem eine Scheidung gut bekommt, Potter. Ich denke, das ist ein
generelles Problem bei solchen Angelegenheiten“, fuhr er gereizt fort.
„Sie ist
bei uns“, sagte Potter plötzlich und zog sich die Krawatte zurecht. „Seit gestern schon. Ich halte es
trotzdem für eine schlechte Idee, dass du zu ihr gehst“, ergänzte er leiser.
„Ich
muss“, beharrte Draco.
„Musst
du das wirklich, oder musst du das, damit es dir besser geht?“ Er hatte keine
Lust auf dieses Spiel. Und er hasste es, dass Potter ihn manchmal besser
kannte.
„Warum
reden wir noch?“, fragte Draco jetzt kalt und Potter lächelte.
„Beeinfluss
sie bitte nicht. Und tu ihr nicht weh.“ Draco lachte auf.
„Davon
bin ich weit entfernt. Und es geht dich nichts an. Das hier ist berufliches.
Und sie kann sich nicht verstecken, sobald es schlimmer wird.“
„Es wird
also schlimmer?“, griff Potter seine Worte auf und er verzog den Mund.
„Vergiss
es. Es geht dich nichts an.“
„Vielleicht
lässt du dich ja mal wieder beim Training blicken. Oder hast du dich
gleichzeitig von der Mannschaft scheiden lassen, Draco?“ Und eigentlich hatte
er genau das getan. Es war angenehme
gewesen, Potter als eine Art Freund zu bezeichnen. Und umso schwerer war
es, das aufzugeben, weil Potter niemals ohne Granger kam. Alles kam mit
anderweitigen Bindungen.
„Machs gut, Harry“, sagte Draco, ohne wirklich zu antworten
und ließ seinen ehemaligen zweiten Trauzeugen stehen.
Er
wusste nicht, was schlimmer war: An Potters Frau vorbei zu müssen oder seine
Exfrau um Rat zu fragen. Es hielt sich wohl ungefähr die Waage, vermutete er
bitter.
~*~
„Reden
wir jetzt darüber? Was ist denn nur vorgefallen?“ Ginny stellte ihr eine zweite
Tasse Tee vor die Nase. Aber Hermine wollte nicht darüber reden. Sie hatte
schon den ersten Fehler begangen, in dem sie Annabelle nichts von den Dingen
erzählt hatte, die sie rausgefunden hatte. Das war schon der erste Gesetzesbruch.
Neben der Tatsache, dass sie in ihre Gedanken eingedrungen und nur Tage vorher
in ein Arbeitszimmer eigebrochen war.
„Ich
kann nicht.“
„Dann
gib den blöden Fall endlich auf. Ich habe es dir schon vorher gesagt!“,
erwiderte Ginny ärgerlich.
„Ich
kann den Fall nicht aufgeben! Es ist nicht so leicht.“
„Doch es
ist furchtbar einfach, Hermine. Gib ihm den Fall und alles ist gut.“
„Nein,
gar nichts ist gut. Und er kriegt den Fall nicht!“, fügte sie trotzig hinzu und
sah Ginny die Augen verdrehen.
„Um was geht es hier überhaupt noch? Geht es wirklich um Gerechtigkeit und
Wahrheitsfindung?“, warf ihre Freundin mit gerunzelter Stirn ein.
„Sicher
geht es um Wahrheitsfindung! Draco und ich arbeiten hier professionell!“,
beharrte sie und der Haufen an Lügen wuchs von Tag zu Tag. Das schien Ginny
ähnlich zu sehen.
„Ja. Sicher“, sagte sie nur sehr knapp.
„Was
soll das heißen?“
Ginny
warf den Lappen in die Spüle. „Oh Hermine, bitte. Diese ganze Sache mit Draco
und dir, das ist doch nicht normal!“
„Sehr schön
erfasst, Ginevra. Aber die ganze Sache mit mir und
meiner Exfrau geht dich herzlich wenig an.“ Hermine erschrak beim Klang seiner
Stimme. Ginny wandte sich zornig um.
„Wie
bist du hier rein gekommen?“, schnappte sie wütend und Draco hob die Hand, an
der James‘ Finger hingen. Der Junge lächelte zufrieden.
„Ich
wurde herein gebeten“, erklärte Draco mit einem überlegenen Blick. Ginny verzog
ärgerlich den Mund und Hermine sah, dass sie sich wohl von ihrem eigenen Sohn
hintergangen fühlte.
„James, ich habe dir gesagt, du darfst niemals – niemals – die Tür für Fremde
öffnen!“, maßregelte sie wütend ihren Sohn.
„Aber es ist doch Onkel Draco!“, rief James verwirrt. „Und er hat mir das Pissma geschenkt!“ Triumphierend hielt er die kleine Hand
empor.
„Er ist
nicht dein Onkel!“ Dann wandte sie sich an Draco. „Du verschwindest von hier!“,
drohte Ginny leise, während sie ihren Sohn aus der Küche schob.
„Gib mir
fünf Minuten, dann bin ich weg und werde dein Haus nicht mehr betreten“,
erwiderte er spöttisch und Hermine hasste es, dass er sich überhaupt so eine
Dreistigkeit erlaubte.
„Du
bekommst eine Minute, ehe ich die mobile Strafverfolgung rufe!“ Zornig verließ
Ginny die Küche und Hermine wusste, jetzt folgte das nächste Donnerwetter für
James. Der Junge hatte es nicht leicht. Und Draco konnte die mobile
Strafverfolgung höchstwahrschienlich besser rufen als
Ginny. Damit hatte er ja Erfahrung, dachte sie dumpf.
„Nett.
Du bestichst Harrys Sohn“, begrüßte sie ihn müde. Er war ihr so vertraut. Es
machte sie wirklich fertig.
„Wir
müssen reden“, fuhr er ohne weitere Worte fort. Es war einer der Sätze, die sie
in der letzten Zeit ihrer Ehe immer wieder von sich gegeben hatten. Es hatte
nie gut geendet. Die Zeit war ihr noch so gut im Gedächtnis, weil es die letzte
gemeinsame Zeit mit ihr und Draco gewesen war.
„Nein.
Müssen wir nicht“, widersprach sie gereizt, denn sie wollte bestimmt nicht die
Vergangenheit aufwecken. Auch wenn es vielleicht ein bisschen zu spät dafür
war.
„Du versteckst dich bei Potter, um keine Entscheidung fällen zu müssen. Das ist
wahnsinnig erwachsen, aber könntest du deine Bockigkeit für fünf Minuten
unterbrechen?“
„Ginny
hat dir nur eine Minute gegeben. Schon vergessen?“, entgegnete sie. „Außerdem
hast du doch ziemlich klar gemacht, dass du mit mir keinen Kontakt haben
möchtest, oder irre ich mich?“ Er verdrehte genervt die Augen und zog den
Zauberstab. Er verriegelte stumm die Tür.
„Du
weißt, dass ich auch einen Zauberstab habe und ungefähr fünfzig Zauber weiß, um
die Tür wieder zu öffnen?“, erkundigte sie sich und er schloss den Abstand.
„Halt
deinen Mund, ok? Was machen wir jetzt?“
„Was?“
Sie sah ihn an, aber er blieb völlig ernst. „Ich weiß es nicht“, gab sie
schließlich nach.
„Du… weißt
es nicht?“, vergewisserte er sich jetzt und sie ruckte mit dem Kopf.
„Nein,
ich weiß es nicht“, gab sie trotzig zurück. „Denkst du, ich habe immer eine
Universallösung für absolut alles?“
„Anscheinend
ändern sich Dinge. Aber ja, ich war überzeugt, dass du eine Lösung hast. Mit
Listen, zwölf Fuß langen Aufsätzen und einer Abhandlung über die Konsequenzen.“
Sie wusste nicht, ob er scherzte. „Hast du mit Annabelle gesprochen?“, fuhr er
jetzt fort und Ginny hämmerte gegen die Tür.
„Die
Minute ist vorbei. Öffne die Tür oder ich fluche sie auf!“, drohte sie zornig.
Draco warf ihr einen knappen Blick zu und Hermine seufzte auf.
„Ginny,
es ist ok. Wir brauchen nicht mehr lang.“ Kurz herrschte Schweigen. Sie glaubte
Ginny murmeln zu hören. Etwas, wie: So was
muss ich mir in meinem eigenen Haus bieten lassen. Sie wusste, sie musste
Ginny auch noch vieles erklären und hätte Glück, würde sie mit einer
Strafpredigt wie James davonkommen.
„Ach,
wir brauchen nicht lange? Hast du es ihr gesagt, Hermine?“, wiederholte er die
Frage und schien die Antwort zu wissen. „Also nicht“, fügte er bitter hinzu.
„Was
sollte ich denn machen?“ Sie sah ihn mit großen Augen an. Dachte er, sie wäre
diejenige mit dem perfekten Plan für alles?
„Tust du
das, weil du nicht einsehen willst, dass ich Recht hatte?“, fragte er plötzlich
und sie wurde wütend.
„Es geht hier nicht mehr darum, wer Recht hatte, Draco!“
„Denkst
du, ich weiß das nicht? Aber du willst nicht sagen, wie es weiter geht!“,
entgegnete er genauso zornig.
„Ich
weiß es auch nicht!“
„Weil du
den Fall nicht aufgeben willst?“
„Was
willst du eigentlich von mir?“, fragte sie jetzt verzweifelt und starrte ihn
an. „Wenn du anscheinend gewonnen hast, dann sollte dir doch ziemlich klar
sein, was du tun musst!“
„Er will
es nicht“, sagte er plötzlich. „Edgar will nicht, dass die Wahrheit rauskommt.
Er will die Schuld auf sich nehmen, ein Geständnis ablegen und er will um jeden
Preis verhindern, dass Annabelle nach Askaban kommt.“
„Das
können wir nicht machen!“, brauste sie auf.
„Können
wir nicht?“
„Was?
Was soll das denn bitte heißen? Weißt du, wie viele Gesetze wir dann brechen?
Und wenn es rauskommt? Wenn jemand unser Gedächtnis prüft! Wir können uns nicht
in solche Sachen verwickeln lassen!“
„Wieso hast
du es deiner Klientin nicht gesagt?“ Seine Falle war zugeschnappt.
Sie
hasste ihn.
„Draco,
es geht nicht. Du bist anscheinend zu mir gekommen, um irgendeinen Rat zu
bekommen. Hier ist mein Rat: Wir können nicht lügen. Es geht um Mord. Wenn
Edgar gesteht, werden sie Veritaserum einsetzen, so
oder so.“
Draco
sah sie an. „Und jetzt?“ Sie atmete aus.
„Ich
weiß es nicht. Ich habe es dir doch schon gesagt.“
„Und was
sagst du Donald am Freitag, wenn es darum geht, wer den Fall übernehmen darf?“
Sie blickte gereizt zur Seite.
„Ich
weiß es nicht!“, wiederholte sie wütend.
„Was
weißt du überhaupt? Hast du dir keine Gedanken gemacht? Was zum Teufel hast du
bitteschön den ganzen gestrigen Tag gemacht?“
Am
liebsten hätte sie einen Teller nach ihm geworfen, aber Ginny würde sie dafür
beide einen Kopf kürzer machen.
„Es
liegt auf der Hand, ok? Was willst du eigentlich noch von mir? Du hast doch
wohl eigene Gedanken!“
„Was
machen wir jetzt?“, schrie er aufgebracht und sie stöhnte auf.
„Was
soll diese ganze Wir-Geschichte? Wir sind kein Team! Du hast ziemlich klar
gemacht, dass-“
„Hilf
mir einfach! Ich brauche deine Hilfe!“ Er hatte ihre Schultern unsanft umfasst.
„Warum,
Draco? Weil du dich in deinem Kopf schon dafür entschieden hast, dass du Edgar
helfen willst? Das ist unmöglich! Es wird alles auffliegen. Und Annabelle kennt
ihn nicht mal mehr.“
„Du
willst sie also nach Askaban bringen, ohne dass sie
weiß, warum?“
„Du
willst Edgar für ein Verbrechen gehen lassen, was er nicht einmal selbst
begangen hat!“, konterte sie böse. Draco atmete wieder aus.
„Also?“
„Also
was?“, erwiderte sie und hatte keine Geduld mehr übrig.
„Dann sag mir, was ich tun soll!“, forderte er.
„Wieso
soll ich das tun?“
„Weil
du… weil…“ Er schüttelte unwirsch den Kopf. „Weil ich es nicht kann!“
Sie
überlegte eine knappe Sekunde. Dann wurde sie ruhiger, denn sie sah ein, es
brachte ihnen überhaupt nichts, sich gegenseitig anzuschreien. Dann wäre sie
eben wieder einmal die größere Person von ihnen beiden.
„Annabelle
hat einen Mord begangen. Ob sie es nun weiß oder eben nicht.“ Sie sah ihm fest
ins Gesicht. „Und vielleicht ist es nobel von Edgar deswegen für sie
einzustehen. Vielleicht war es nobel, dass er ihr Gedächtnis gelöscht hat, aber
seine Versuche sind gescheitert, in Ordnung? Wir können daran nichts ändern. Es
wird darauf hinaus laufen, dass zumindest einer von ihnen nach Askaban muss. Und ich weiß nicht, wie milde die Strafe
ausfallen wird.“
Sein
Mund öffnete sich und schloss sich wieder.
„Aber…
Hermine, er liebt sie. Er will alles tun, damit ihr nichts passiert! Das ist
nicht Gang und Gäbe unter Todessern!“, fügte er zornig hinzu.
„Ja, ich
weiß das“, erwiderte sie kühl. Seine Augen verdunkelten sich.
„Ich
wäre durch alle Höllenfeuer für dich gegangen, und das weißt du verflucht noch
mal auch!“, knurrte er zornig. „Egal, wie hochnäsig und überlegen du gerade
tust. Du weißt, dass ich niemals irgendwas hätte passieren lassen, was dir
Schaden zufügt!“ Fest sah er sie an und sie wusste, es würde zu einem weiteren
Streit kommen. „Sag mir, dass du das weißt, Hermine!“, forderte er ungehalten.
Aber sie
schwieg. „Sag es, oder das hier ist vorbei und ich gehe sofort zu Donald und
erzähle weiß Merlin was!“ Wollte er sie irgendwie erpressen? Darum ging es doch
überhaupt nicht! Sie schloss kurz die Augen und atmete aus.
„Ja, ich
weiß, Draco. Zufrieden?“, gab sie schließlich nach. Aber er schien nicht
zufrieden zu sein. „Du hättest niemals etwas getan, um mich zu verletzten.
Besser?“ Er schüttelte plötzlich den Kopf.
„Das
glaubst du nicht wirklich, oder?“ Sie blickte müde zur Seite.
„Können
wir das lassen? Es ist lange her und-“
„Nein,
wir können das nicht lassen.“
„Draco,
es geht um einen Mann, der sein Leben geben will!“, unterbrach sie ihn. „Wenn
Annabelle gesteht, dann hat sie einen Grund. Sie könnte sich rechtfertigen. Sie
würde nicht den Kuss bekommen. Aber wenn Edgar gesteht, alles getan zu haben –
und dann auch noch mit seinem Hintergrund, dann wird es für ihn schlimmer als
tödlich enden!“
„Schlimmer
als tödlich“, wiederholte er nachdenklich ihre Worte.
„Ja, der
Kuss des Dementoren ist schlimmer als tödlich, Draco. Ich denke darauf können
wir uns einigen“, entgegnete sie gereizt.
„Mancher
Kuss ist schlimmer als der Tod.“
„Ich
sehe, wir sind wieder erwachsen“, erwiderte sie zornig und wandte sich von ihm
ab.
„Dann
nimm den Fall. Du hast mehr Hintergründe. Du musst es nur noch Annabelle
sagen.“ Er entriegelte die Tür mit dem Schlenker seines Zauberstabs.
„Warte!“,
sagte sie plötzlich. „Was soll das heißen? Du gibst auf? Du gibst mir den
Fall?“
„Scheint
so, oder?“, erwiderte er geschlagen. „Edgar geht an eine andere Kanzlei, die
wird sich in den Fall lesen und dann kannst du nächsten Monat beweisen, dass
auch Muggel Menschen umbringen können.“
„Du bist
ein Arschloch!“, sagte sie zornig.
„Was?
Das ist es doch, was du willst!“, knurrte er.
„Draco,
wir müssen das richtige tun! Es ist das einzige, was wir tun können. Ich habe
keine Ahnung, was du und dein Todesser da für Pläne
ausgeheckt habt, aber ich werde bestimmt nicht erlauben, dass Edgar Fowler mit
einer Lüge nach Askaban kommt, um dort dann seelisch
verstümmelt zu werden!“
„Er ist
nicht mein Todesser und das war auch nicht mein Plan!
Merlin, es würde alles anders liegen, wenn Edgar ihn einfach getötet hätte,
oder?“, fragte er plötzlich und ihr Mund öffnete sich.
„Das ist
völliger Unsinn!“
„Ach ja?
Erzähl mir, dass du von Anfang an neutral warst und mit keiner Sekunde Edgar die
Schuld mehr zugerechnet hättest als deiner armen Muggel“,
forderte er.
„Blödsinn. So läuft es nicht, Draco.“
„Sag es
doch einfach! Du hättest niemals geglaubt, dass eine Muggel
so etwas tun könnte!“
„Schön!
Ich habe Edgar die Schuld gegeben!“, schrie sie jetzt. Am liebsten hätte sie
sich die Hand vor den Mund geschlagen. Sie hatte die Worte tatsächlich gesagt.
Sie war nicht besser als er. Und sie wusste, das dachte er jetzt auch.
Seine
Hand lag auf der Klinke, als ihr der Kragen platzte.
„Was
willst du eigentlich?“, schrie sie außer sich und holte ihn ein, zog ihn zurück
und stieß ihm zornig vor die Brust. „Ich kann das Gesetz nicht ändern! Ich kann
nicht sagen, es ist gut, dass sie den Bruder getötet haben, weil er sonst die
Mutter umgebracht hat! Es gibt kein Gesetz, was das rechtfertigt! Und die
Mutter ist auch noch an einem natürlichen Tod gestorben. Der Zweck heiligt
niemals die Mittel, Draco!“
„Ich
habe nur gedacht, wir finden einen Weg, wie beide unbeschadet aus der Sache
kommen!“
„Nein,
so ist es aber nicht! Einer hat immer die schlechte Karte, Draco! Einer bleibt
zurück. Einer riskiert immer mehr. Und derjenige ist eben selber schuld!“
Er sah
sie an. „Und von uns soll das wer sein?“, fragte er ruhig.
„Nicht
alles bezieht sich immer auf uns!“ Sie wusste, sie weinte bereits.
„Du
willst das Gesetz befolgen? Wirklich, Granger? Bisher war immer nur ich
derjenige, der darauf Wert gelegt hat! Du kannst ja nicht mal den simplen
Scheidungsvertrag befolgen, oder?“
Zu viel
Wut. Zu viel.
„Wenn du
mich einfach in Ruhe lassen würdest, dann-“
„Richtig.
Ich habe wieder in der Abteilung angefangen. Ich habe wieder den Fall genommen,
mit dem alles angefangen hat. Ich bin bei mir eingebrochen und habe mich
geküsst. Richtig, gut dass du es erwähnst!“
„Verschwinde
endlich!“, schrie sie heiser und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er
folgte der Bewegung ihrer Hand mit den Augen. „Du bist ein Heuchler. Und ein
Lügner! Du sagst, du würdest mir nie weh tun? Sieh dich dann an, du verdammter
Mistkerl!“ Ihre Stimme war nicht mehr zum Sprechen geeignet.
„Heuchler,
Lügner, Mistkerl, Arschloch… komm schon, ich bin sicher deine
Selbstheilungstherapie erlaubt dir noch ein paar Schimpfwörter mehr, Granger“,
knurrte er böse. Sie schlug ihm so hart ins Gesicht, dass ihr noch mehr Tränen
in die Augen schossen. Sie hatte das Gefühl, ihre Knöchel wären gebrochen, aber
anstatt aufzuhören, holte sie mit der anderen Hand aus und schlug ihm die
flache Hand noch in die andere Seite seines Gesichts.
Sie hob
beide Fäuste und wollte auf ihn einschlagen, wollte ihm weh tun, so wie er ihr
wehtat, aber er fing ihre Hände ab. Sie schrie wild und zerrte an ihren
Handgelenken, aber er hielt sie fest. Er sagte gar nichts und sie sah, wie sich
seine Wangen röteten. Ihre Haare flogen wild über ihre Schulter und Tränen
nahmen ihr jede Sicht.
„Ich
hasse dich!“, keuchte sie tonlos. Sie versuchte, ihn zu treten, schrie vor
Zorn, aber er hielt sie immer noch an den Handgelenken fest. „Ich hasse dich,
verflucht!“ Er zog sie umstandslos in seine Arme und sie wehrte sich auch gegen
diesen Griff. Sie trommelte gegen seine feste Brust, aber es war chancenlos.
Und
irgendwann hörte sie auf. Irgendwann ging sie davon, ihn schlagen zu wollen zu
völligem Stillstand über. Sie lehnte jetzt an seiner Brust und ihre Tränen
durchnässten sein Hemd. Sein Herz schlug schnell und sie fühlte sich
schrecklich elend.
Er
schwieg immer noch und presste plötzlich seine Lippen auf ihren Haaransatz. Er
hielt sie fest in seinen Armen und sie hörte ihn ausatmen. Sie konnte sich
nicht bewegen. Sie wollte sich nicht bewegen.
Die Tür
öffnete sich, aber sie war völlig erschöpft.
„Ich
hoffe, ihr seid jetzt fertig. James hat schöne neue Worte gelernt“, fügte Ginny
grimmig hinzu. „Und ich habe gleich gesagt, der Fall wird euer Tod sein“, fügte
sie hinzu, mit einer Stimme, die Molly Weasleys Stimme um nichts nachstand.
„Ich setze Tee auf. Draco, wieso legst du nicht ab“, ergänzte sie wesentlich
freundlicher.
„Ich…“,
begann er, aber er schien es sich anders zu überlegen. „Meinetwegen“, willigte
er schließlich ein. Sie riss sich zusammen und zog endlich den Kopf zurück, um
ihn anzusehen. Er war wunderschön. Sie wollte sich entschuldigen, aber seine
Mundwinkel zuckten lediglich. Er fuhr mit dem Zeigefinger über ihre tränennasse
Wange.
„Vertragen
wir uns jetzt?“, fragte er gleichmütig und sie wollte nicht mit einer Antwort
reagieren. „Oder möchtest du noch ein bisschen Wut an mir auslassen?“ Und er
lächelte das erste Mal.
Sie
schüttelte lediglich müde den Kopf, auch wenn sie ihm gerne erklären wollte,
dass sie nicht wütend war, weil ihre Gefühle für ihn noch riesig groß waren.
Sie hätte ihm gerne sagen wollen, dass er sich besser nichts einbilden sollte,
aber sie wusste… ihre Glaubwürdigkeit war einfach nicht mehr vorhanden.
Sie
hatte auch nicht die Kraft, etwas Entsprechendes zu Ginnys
eindeutig spöttischem Lächeln zu entgegnen.
Später
würde sie richtig stellen, was wahrscheinlich nicht mehr richtig zu stellen
war.
Und, als
wäre es selbstverständlich, deckte Ginny für sie und Draco nebeneinander.
~
Smile like You mean and let yourself let go ~
Sie
hatten kein Wort mehr über den Fall verloren. Er hatte nur einen Gedanken an
die Tatsache verschwendet, dass er zum Abendessen eigentlich bei Astoria hätte
sein müssen. Und er machte sich auch nicht vor, dass sie ihn jetzt noch mit
offenen Armen empfangen würde.
Jetzt
brachte er sie nach Hause und sah ihre Wohnung zum ersten Mal. Der Teil der
Stadt war winzig, die Wohnung überschaubar klein und es sah nicht gemütlich
aus. Mehr wie ein Übergang zwischen einem Übergang.
Sie zog
den Schlüssel aus der Tür und warf ihn achtlos auf einige Umzugskartons, die
provisorisch als Anrichte im Flur aufeinander gestapelt waren. Und soweit er es
erkennen konnte, waren die Kartons sogar voll.
„Wie
lange hast du vor, hier zu wohnen?“, fragte er vage und sie ruckte mit dem
Kopf, als sie den Umhang ablegte.
„Keine
Ahnung. Ich wollte schon längst ausgezogen sein, aber ich hatte keine Zeit,
nach einer anderen Wohnung zu suchen“, winkte sie lapidar ab.
„Aber…
das hier ist…“ Ihm fehlten die Worte.
„Es ist
kein Palast, nein“, erklärte sie mit hochgezogener Augenbraue.
Die
Einrichtung war spärlich, wenn überhaupt, vorhanden.
Das
einzige, was sie wirklich ausgepackt hatte, war ihr blaues Geschirr. Sie liebte
dieses Geschirr und es hatte sie einige Wutausbrüche vor dem Ministerium
gekostet, ehe sie es bekommen hatte. Seine Mutter hatte es ihnen geschenkt und
es war das einzige, was Hermine jemals gefallen hatte.
„Tee?“,
fragte sie schließlich und setzte bereits Wasser auf.
„Ich
glaube, ich hatte genug Tee für heute Abend“, erklärte er mit einem Lächeln.
„Ich sollte besser gehen.“
„Verabredung?“
Sie blieb karg in ihrer Wortwahl, fiel ihm auf. Er musste nicht lange
überlegen, ehe er den Kopf schüttelte.
„Nein.
Keine Verabredung“, sagte er schließlich und es war erschreckend, wie wenig ihm
diese Aussage ausmachte.
„Gut,
dann…“ Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans, während sie darauf
wartete, dass der Kessel anfing zu kochen.
„Wegen
des Falls…“, begann er wieder und sie wandte den Blick ab.
„Ich
denke, das haben wir geklärt“, sagte sie nur.
„Dann
trete ich zurück“, bestätigte er und sie schüttelte den Kopf.
„Was?
Nein. Wir gehen beide zu Donald, erklären ihm unsere Seiten und dann soll er
entscheiden.“ Er nickte schließlich.
„Wenn es
das ist, was du willst.“ Er war zu müde, um noch zu diskutieren. Er war für
alles zu müde. Er ging zurück zur Tür. „Sag mal…“ Er sah sie wieder an. „Was
ist in diesen Kisten, dass du sie einfach als Stapelplatz verwenden kannst?“,
erkundigte er sich interessiert.
Kurz
schwieg sie. „Hochzeitskram“, erklärte sie schlicht.
„Hochzeitskram?“,
wiederholte er verwirrt. „So was wie…?“
„Du
weißt schon… Hochzeitskleid, Fotoalben, Briefe, Karten, Erinnerungen eben.“ Er
musterte sie immer noch.
„Und die
bewahrst du in irgendeiner Umzugskiste auf, ohne sie jemals auszupacken?“,
vergewisserte er sich jetzt spöttisch und sie ruckte mit dem Kopf.
„Ich
glaube nicht, dass ich das Hochzeitskleid jemals wieder anziehen werde, Draco.“
„Wahrscheinlich
passt du nicht mal mehr rein, oder?“ Er konnte das Grinsen nicht verhindern.
„Wenn das eine Anspielung darauf werden soll, dass ich zugenommen habe, dann
muss ich dich enttäuschen. Ich werde immer in dieses Kleid passen. Das heißt
aber nicht, dass ich es noch mal anziehen muss!“, rechtfertigte sie sich
verärgert.
Er
blieb, wo er war. „Granger, das würde mich wirklich interessieren. Ich meine
mich zu erinnern, dass du dich extra um mehrere Kilos runter gehungert hast, um
den Reißverschluss zuzubekommen“, erinnerte er sie jetzt. „Weil meine Mutter
gesagt hat, das Kleid sei für dich zu exquisit. Und weil du stur und
unverbesserlich bist-“ Sie unterbrach ihn in dieser Sekunde.
„Fein,
Malfoy. Du willst sehen, ob ich in das dämliche Kleid passe? Bitte!“ Sie
schritt an ihm vorbei und öffnete die oberste Kiste. Der helle Tüll quoll
förmlich aus der Kiste und sie zog es unsanft hervor. Er erinnerte sich noch
sehr gut an die weiche Seide unter seinen Fingern. Er erinnerte sich, wie er
kaum die Hände von ihr hatte lassen können, ab der Sekunde, ab der sie es
angezogen hatte.
Und er
wusste, wahrscheinlich war es wieder eine dumme Idee von ihm, sie zu reizen.
Aber er war sich sicher, dass sie jetzt bei weitem nicht mehr so perfekt sein
würde, wie sie es an ihrem Hochzeitstag gewesen war.
„Du bist
ein blöder Idiot. Und es wird dir leid tun“, drohte sie böse.
„Wird es
eine Wette?“, fragte er belustigt.
„Ja“,
konterte sie grimmig. „Wenn ich rein passe, dann musst du es anziehen.“
Er
musste tatsächlich lachen. „Ich denke, dann wird es völlig kaputt gehen.“ Sie
legte den Kopf schräg.
„Na und? Es war ein überteuertes Geschenk deiner Mutter“, erklärte sie
gleichmütig.
„Fein,
ok. Wenn du rein passt, dann werde ich es anziehen. Mit viel Alkoholgenuss.
Aber wenn du nicht reinpasst…“ Er überlegte kurz.
„Dann?“,
fragte sie mit gerunzelter Stirn. Er warf einen Blick auf die Kisten.
„Dann
bekomme ich die Sachen, an denen du nicht mehr hängst.“
„Was?“
Sie sah ihn verstört an.
„Die Hochzeitsbilder und die Briefe.“ Er erinnerte sich an einen ziemlich
peinlichen Brief. Und warum auch immer – wenn er daran dachte, wie Weasley ihn
womöglich lesen würde – sträubten sich ihm die Nackenhaare.
„Fein.
Du bekommst die Bilder und die Briefe, Malfoy. Das erscheint mir ziemlich human
gegenüber meiner Forderung.“ Er wusste nicht, ob sie nur so kühl tat.
„Granger, ich kann sie immer noch abändern. Du könntest auch für mich
strippen“, schlug er vor. Sie schüttelte rigoros den Kopf.
„Nein. Bilder und Briefe. Punkt. Mach es dir bequem. Es wird zwar nicht lange
dauern, aber du solltest schon mal anfangen zu trinken!“ Sie lächelte als sie
in das nächste Zimmer verschwand, von dem er annehmen musste, dass es ihr
Schlafzimmer war.
Es
verging eine kleine Weile, ehe sie wiederkam und er die Zeit hatte, ein Exemplar
der fürchterlichen Hexenwoche zu lesen. Er musste sie noch fragen, wieso gerade
sie so etwas las – und seit wann! Nebenbei hatte er sich noch ein Glas
Elfenwein eingeschenkt und hob jetzt den Blick.
Perfekt.
Verflucht, sie sah immer noch perfekt aus.
„So.
Siehst du? Passt“, erklärte sie und wollte wieder rückwärst zurück ins
Schlafzimmer gehen.
„Moment!“
Er roch die Finte. „Würdest du mir den Gefallen erweisen, und dich bitte im
Kreis drehen?“ Er hatte sich langsam erhoben und grinste selbstgefällig.
„Was?
Das war nicht der Deal. Im Kreis drehen brauche ich mich wirklich nicht. Es ist
schon schwer genug in diesem Ungetüm überhaupt zu stehen. Also… ich schlage
vor, ich ziehe es aus und du ziehst es direkt an, Malfoy.“ Sie wollte wieder
verschwinden, aber diesmal war er schneller und zog sie am Unterarm aus der
Tür.
„Wusst ich’s doch!“, rief er triumphierend aus, als er
feststellte, dass der Reißverschluss nur bis zur Hälfte geschlossen war. Sie
sah ihn mehr als böse an.
„Schön,
es ging nicht ganz zu“, gab sie sich bockig geschlagen.
„Ich
hätte es auch äußerst ungerne angezogen“, erwiderte er, immer noch grinsend.
Gut, dass sie jetzt gerade ihren Zauberstab nicht zur Hand hatte. Sie sah
umwerfend aus. Sie schritt herrisch an ihm vorbei – soweit ihr das möglich war
– und zog die nächste Kiste hervor. Sie holte einen Stapel an Urlaubsalben
hervor, zwei silberne Rahmen und eine Zigarrenschachtel, in der wohl die Briefe
sein mussten.
Sie
hielt sie ihm demonstrativ entgegen und blickte zur Seite.
„Eigentlich
will ich nur den einen Brief.“ Er öffnete die Zigarrenschachtel und stöberte
kurz darin, ehe ihm auffiel, dass sie wirklich alles aufbewahrt hatte. Jede
Notiz, jeden kleine Zettel, den er ihr geschrieben hatte, selbst wenn er nur
Milch kaufen gegangen war.
Kurz hob
er den Blick, aber sie sah ihn immer noch nicht an. Es war seltsam, Bilder zu
sehen, in denen sie dasselbe Kleid trug. Und er musste zugeben, so viel hatte
sie nicht zugenommen. Vielleicht zwei oder drei Kilo. Er sah es ihr nicht an.
Auch wenn er gerne einen Fehler an ihr feststellen wollte. Aber nicht mal das
wäre wahrscheinlich ein Fehler, der ihm auffallen würde, überlegte er
verärgert.
Und er
hatte den Brief gefunden. Es war der erste Brief, den er ihr geschrieben hatte,
noch bevor sie überhaupt zusammen gekommen waren. Blaise hatte ihm geraten,
einen Brief zu schreiben. Und es hatte schließlich auch funktioniert.
„Was
willst du mit diesem Brief?“
„Ich
will nur nicht, dass er irgendwann gegen mich verwendet wird“, bemerkte er
lächelnd.
„Gegen
dich? Was denkst du? Dass ich irgendwann wahnsinnig werde, ihn dupliziere und
in der Nachbarschaft verteile?“, erkundigte sie sich spöttisch und nahm ihm den
Brief ab, um ihn auseinander zu falten.
Ihr
Lächeln wurde schmaler, während sie las.
„Das
hatte ich ganz vergessen“, murmelte sie schließlich. „Du warst wirklich mal
romantisch. Vor einer Ewigkeit“, fügte sie hinzu.
„Nur als
ich dich noch beeindrucken musste.“
„Ja,
damit würdest du heute sowieso scheitern.“
„Richtig.
Weil ich dich ja nicht mehr nervös mache?“, erkundigte er sich lächelnd und sie
hob den Blick. Ihre dunklen Augen blieben ihm undeutbar.
„Richtig.
Ich werde mich mal aus dem Kleid schälen.“
„Brauchst
du Hilfe?“
„Soll
das ein sehr unmoralisches Angebot sein?“, fragte sie gereizt und er hob
lachend die Hände.
„Nein,
eigentlich war das eine gemeine Anspielung, aber wie du willst!“ Sie verdrehte
die Augen. „Warte!“, sagte er plötzlich. „Ich ändere meine Bedingungen,
Granger“, fügte er hinzu.
„Was? Zu
spät. Es gibt keine anderen Bedingungen“, widersprach sie heftig.
„Bitte.
Ich will eine Bedingung ändern, ok?“
„Und die
wäre?“, fragte sie skeptisch und er hob die Hand.
„Einen
Tanz. Ich will einen Tanz mit dir in diesem Kleid.“
„Nein.
Und ich habe überhaupt keine Musik.“
„Wir
brauchen keine Musik“, erklärte er gönnerhaft.
„Nein,
Malfoy.“
„Einen
Tanz. Du kannst den Brief auch behalten, verflucht.“ Er hatte die Hand immer
noch ausgestreckt. Sie verdrehte die Augen.
„Fein.
Gut, dass das nicht kindisch ist.“
„Nicht
so kindisch, wie mich zwingen zu wollen, das Kleid anzuziehen“, erwiderte er,
während er ihre Hand ergriff. Er zog sie näher zu sich und legte die Hand auf
ihren Rücken. Er spürte ihre Warme Haut unter seinen Fingern, dort, wo der
Reißverschluss nicht hingekommen war.
„Das ist
albern“, beteuerte sie kopfschüttelnd.
„Shh. Sei einfach still“, flüsterte er und sie
seufzte schließlich.
„Und
jetzt?“, fragte sie nach einer kurzen Weile, aber er drehte sie ruhig im Walzer
weiter. Er schloss die Augen und atmete ihren Duft ein. Er hatte jetzt nicht
das Gefühl, als hätte sich irgendwas verändert. Er wusste nicht, welcher Teufel
ihn geritten hatte, das von ihr zu verlangen, aber es kam ihm nicht mal wie
eine schlechte Idee vor.
Bei der
nächsten Drehung zog er sie enger an sich und sie stolperte fast über den
langen Saum.
„Draco,
es geht noch kaputt!“, mahnte sie leise.
„Na und?
Du kannst es doch sowieso nicht leiden“, entgegnete er. Sie hob den Blick zu
seinem Gesicht. Und er wusste, sie liebte das Kleid. Auch wenn sie es vor ihm – oder seiner Mutter – niemals zugeben
würde. Er musste lächeln.
„Halt bloß deinen Mund!“, drohte sie und dann legte sie ihren Kopf an seine
Schulter. Es war sehr still in ihrem Wohnzimmer. Und er hörte nur das sanfte
Rauschen ihres Kleides, während sie sich ruhig bewegten.
Auf der
Couch lagen die Hochzeitsbilder, die er dort abgelegt hatte. Er hielt sie in
seinem Arm. Sie wirkten so lächerlich glücklich, dass ihm fast schlecht wurde
bei dem Gedanken, dass sie es nicht mehr waren. Und nicht mehr sein würden.
„Warst
du glücklich? Mit mir?“, fragte er plötzlich und hörte auf zu tanzen.
Fragend
sah sie ihn an. Er versuchte, es in ihren Augen zu lesen, aber er schaffte es
nicht. „Ich hätte dich nicht geheiratet, wäre ich nicht glücklich gewesen. Damals.“
„Kann
ich… meine Bedingung noch mal ändern?“, fragte er und hob die Hand zu ihrem
Gesicht, um eine Strähne hinter ihr Ohr zu streichen.
„Nein“,
flüsterte sie mit erstickter Stimme und schüttelte den Kopf. Sie wollte
zurückweichen, aber sein Arm lag noch immer, um ihre Taille.
„Nur
noch einmal“, bat er leise, aber sie schüttelte den Kopf heftiger.
„Nein.
Du bekommst die Bilder, die Briefe, den Tanz und sonst gar nichts mehr, Draco!“
Sie sah ihn fest an. Er nahm zur Kenntnis, wie tapfer sie war, wie sie
versuchte, unglaublich stark zu sein. Für sie beide.
Aber er
konnte nicht. Gegen sie war er nicht gewachsen. Gegen sie kam er nicht an.
„Ich
nehme den Tanz zurück“, flüsterte er und senkte den Kopf.
„Wir…
wir haben schon getanzt!“, piepste sie. „Du kannst ihn nicht mehr-“
Er
verschloss ihre Lippen. Das Ziehen in seinem Magen war unbeschreiblich. Ihre
Lippen lagen warm und weich unter seinen und er zog sich zurück, nur um sie
noch einmal zu küssen. Und noch ein weiteres Mal. Und sie legte plötzlich die
Arme um seinen Nacken. Und es war, als wäre es selbstverständlich, denn seine
Hände hatten keine Skrupel, keine Hemmungen und zögerten nicht eine Sekunde,
den Reißverschluss ganz zu öffnen und das Kleid von ihrem Körper zu streifen.
Sie
löste sich von ihm und jetzt standen sie voreinander. Er war angezogen und sie
trug nur einen roten Slip. Ihre Augen versanken in seinen und er wollte nicht
an sich halten. Er wollte einfach nicht.
„Das
ist… eine schlechte Idee“, flüsterte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
„Verflucht
schlecht“, bestätigte er rau, aber nicht mal er selber kaufte seiner Stimme
diese Worte ab. Ihre Brüste waren immer noch genauso perfekt, wie er sie in
Erinnerung gehabt hatte. Er zog sie übergangslos zurück in seine Arme und mit
einem Seufzen schloss sie ihre Augen.
Wie
früher, grub sie ihre Hände in seine Haare; wie früher, biss
sie sanft in seine Unterlippe und ließ sie wieder fahren und wie früher, konnte
er keinerlei Beherrschung aufbringen, sobald er ihre seidig weiche Haut unter
seinen Fingern spürte.
Es war
ein Fluch. Ein Fluch, den er nur zu gerne wieder und wieder in Kauf nahm.
~
I was dreaming of the Past and my Heart was beating fast ~
Das
Gefühl, wie sehr er sie wollte, war einfach unbeschreiblich!
Sie
wusste, sie sollte sich eigentlich nicht hingeben, aber sie war über diesen
Punkt schon so weit hinaus, dass sie kaum noch wusste, wie sie hieß.
Seine
Finger glitten über ihre Schulterblätter und sie schüttelte schwach den Kopf.
„Nein. Nein, nein, Draco das geht nicht“, sagte sie leise. Aber wahrscheinlich
wären diese Worte wesentlich effektvoller, würde sie nicht gerade sein Hemd aus
seiner Hose ziehen. Das schien er ähnlich zu sehen, denn seine Lippen
verschlossen hungrig ihren Mund.
Stöhnend
schloss sie die Augen und vielleicht war es nicht so schlimm. Der verrückte
Gedanke, dass sie sogar das Recht hatte, dies zu tun, schlich sich in ihren
Verstand. So absurd er auch war. Es fühlte sich so richtig an!
Es war
unglaublich erschreckend. Ihre Arme legten sich um seinen Nacken und er hob sie
einfach auf seine Arme.
Ihr
Hochzeitskleid lag vergessen auf dem Boden und er trug sie einfach ins
Nebenzimmer. Er legte sie auf die Matratze und schob achtlos die vielen
unordentlichen Kleidungsstücke vom Bett auf den Teppichboden.
Er war
über ihr und küsste ihr Schlüsselbein als sie seine Hose öffnete und sie seine
Beine hinunter schob.
Sein
Kopf schoss zu ihr hoch und es gab nichts Richtigeres als ihm so nah zu sein.
„Küss
mich, Draco“, bat sie leise und beinahe verzweifelt. Er nickte nur und ihre
Lippen trafen sich wieder. Diesmal versuchte sie nicht, ihn weiter auszuziehen,
sondern hielt seinen Kopf in ihren Händen. Das Gefühl seiner Lippen, seiner
Zunge, seines Körpers an ihrem, war… so vertraut. Er schmeckte wie immer, er
berührte sie wie immer. Sie konnte sich plötzlich an die ersten Jahre erinnern.
Sie konnte sich wieder erinnern! Daran, dass die meiste Zeit – die überwiegend
große Zeit – ihrer Beziehung absolut perfekt gewesen war.
Sie
wusste wieder, dass sie die Hände nicht voneinander hatten lassen können und
sie deswegen schon mal von Ginny rausgeworfen worden waren!
Sie
erinnerte sich. Sie spreizte bereitwillig die Beine unter ihm und knurrend
wurde er nervöser. Ungehalten befreite er sich und sie von der Unterwäsche, die
sie noch trugen und riskierte nur einen sehr kurzen Blick in ihr Gesicht. Aber
sie konnte sich nicht denken, dass er darin auch nur die kleinste Ablehnung
finden würde. Bei diesem Mann war es ihr sowieso unmöglich Nein zu sagen.
Bevor
sie den Anblick von ihrem nackten Exmann in sich hatten aufsaugen können, war
er in sie eingedrungen. Es ging viel zu leicht. Sie war viel zu willig, viel zu
bereit dafür. Er verharrte in ihr und lehnte keuchend seine Stirn gegen ihre.
„Hermine“,
flüsterte er und sie war sich sicher, dass er nicht mit ihr sprach, sondern nur
ihren Namen hatte sagen müssen. Langsam zog er sich zurück, nur um wieder in
sie einzudringen. Sie hatte das Gefühl, mit jedem Stoß kamen sie sich näher,
wuchsen enger zusammen, bis sie nur ein einziges Gebilde aus Haut und Knochen
und Seelen waren.
Sie
schloss die Augen. Ihr erstes gemeinsames Mal, die Hochzeitsnacht, die Urlaube
unter Sternenhimmeln, der verboten gefährliche Sex in
Malfoy Manor… jeden Tag! Jeden Tag ihrer Ehe hatten
sie miteinander geschlafen. Es war gar nicht anders gegangen, so sehr waren sie
aufeinander versessen gewesen! Wie hatte sie das vergessen können?
Wie zum
Teufel hatte sie vergessen können, wie verflucht gut Draco Malfoy im Bett war?
Sie
wusste es nicht mehr und verspürte sie einen tiefen Stich der Eifersucht, wenn
sie auch nur einen Moment lang darüber nachdachte, dass eine andere Frau in
diesen Genuss gekommen war. Sie begegnete seinem Rhythmus stürmisch und hörte
sich selber schreien vor Ekstase.
Er hatte
sich auch nicht mehr halten können. Sie erinnerte sich, wie ausdauernd er
gewesen war und wie viel Spaß es ihm gemacht hatte, ihr süße Qualen zu bereiten,
aber wahrscheinlich war das heute einfach unmöglich gewesen.
Der
Orgasmus ebbte langsam ab und träge öffnete sie die Augen, nur um zu sehen,
dass er sie wachsam ansah. Auch seine Brust hob und senkte sich rasch und er
rang nach Atem, aber er ließ sie nicht aus den Augen.
„Hermine“,
wiederholte er einfach nur und ihre Finger fuhren müde durch seine hellen
Haare. Sie hatte diesen Anblick so sehr vermisst, dass ihr erst jetzt auffiel,
wie sehr.
„Wie sher beeinflusst das unsere Scheidung?“, fragte sie heiser
und kurz zuckten seine Mundwinkel.
„Ich
denke… schon etwas“, schloss er langsam. Sie schloss wieder die Augen.
„Oh
nein. Nein, nein…“, murmelte sie. „Draco, das war… bestimmt nicht gut“,
ergänzte sie leise.
„War es
nicht?“ Sie hörte, wie er kurz beleidigt klang. Sie öffnete die Augen wieder.
„Nein, das war gut“, beschwichtigte
sie ihn ernst. „Aber… wir hätten nicht-“
„Ich
weiß“, unterbrach er sie ernst.
„Und
jetzt?“, fragte sie und wagte es gar nicht zu fragen.
„Du
willst das alles jetzt entscheiden?“, fragte er. „Während ich noch in dir
bin?“, fügte er spöttisch hinzu und sie spürte, wie sie rot wurde.
„Ich…
nein“, erklärte sie verwirrt. „Aber wir können doch nicht…“, begann sie wieder,
aber er legte den Kopf schräg.
„Wir haben doch schon“, erwiderte er und senkte den Kopf, um ihre Halsbeuge zu
küssen.
„Draco!“, sagte sie erschrocken und stieß ihm die Hände vor die Brust.
„Was?
Das darf ich jetzt nicht mehr?“, fragte er belustigt gegen ihre Haut und sie
atmete heftig aus.
„Du
hättest es doch eigentlich sowieso nicht gedurft!“, brauste sie auf. „Wir sind
geschieden!“ Und dieses Wort schien kurz etwas zu ändern. Er hob den Kopf
wieder und sein Blick traf ihren. Das Wort verletzte sie genauso sehr wie es
ihn verletzte. Er rollte von ihr runter und lag nun neben ihr auf ihrem Bett.
„Ja“,
sagte er schließlich. „Wir sind geschieden“, wiederholte er ihre Worte gedehnt.
„Und jetzt?“, griff er ihre Worte auf.
„Jetzt“,
begann sie vage und versuchte, nicht zu viel zu denken. „Jetzt haben wir immer
noch einen Fall zu lösen. Wir haben Entscheidungen zu treffen, wie wir vorgehen
und haben überhaupt keine Zeit uns mit solchen Sachen auch noch auseinander zu
setzen“, entgegnete sie bitter. Sie sah ihn langsam nicken.
„Und was
heißt das?“ fragte er langsam und sie überlegte kurz.
„Das heißt, wir können jetzt nichts an dieser Situation ändern“, erklärte sie
kurzerhand.
„Was
passiert ist, war also ok?“, erwiderte er.
„Nein.
Aber… wir können uns damit nicht befassen“, sagte sie schließlich. Er lehnte
sich näher zu ihr und küsste ihre Schulter.
„Es…
bleibt also ohne Folgen, wenn ich das tue?“, erkundigte er sich und küsste
wieder ihren Nacken. Heiße Schauer erfassten sie. Und dann nickte sie langsam.
„Jaah… ich denke, das bleibt doch erst mal ohne Folgen“,
flüsterte sie und schloss die Augen, als er sanft in die weiche Haut ihres
Nackens biss. Irgendwie fanden ihre Lippen den Weg zu seinem Mund, und sie
spürte ihn scharf die Luft einziehen. Seine Hände griffen hart um ihre Hüfte
und zogen sie näher an sich.
Sie
wusste, sie hatte da gerade etwas sehr Gefährliches beschlossen. Sex mit Draco
Malfoy blieb nicht ohne Folgen. Scheidungssex war nicht vergleichbar mit Sex
nach einem Streit. Es war gesetzlich nicht zu vertreten, aber… sie hatte heute
wirklich keine Lust mehr, über das Gesetz nachzudenken.
~*~
„Seit
wann bist du so unordentlich?“, fragte er, während er sich hinter sie stellte,
und den Arm um ihre Hüfte legte, während sie Wasser für den Tee aufsetzte. Sie
konnte kaum stehen. Sie konnte nicht mehr zählen, wie oft sie jetzt miteinander
geschlafen hatten. Im Bett, in der Dusche, im Wohnzimmer, gegen die Wand, auf
dem Teppich….
„Unordentlich?“,
fragte sie müde und er küsste ihre Haare.
„Ja. Überall liegen irgendwelche Sachen und Klamotten“, erklärte er rau. Sie
lehnte sich an ihn.
„Wahrscheinlich brauche ich einen Menschen um mich herum, damit ich ordentlich
werde“, überlegte sie dumpf.
„Aha“,
erwiderte er und küsste von hinten ihren Hals. Sie trug nur sein Hemd über
ihrem Oberkörper. Es bedeckte nur sehr knapp ihren Po. Er trug seine Shorts und
sie spürte seine warme Brust auch durch den Stoff des Hemdes.
„Wir müssen
gleich zur Arbeit“, sagte sie leise und es war sehr seltsam, diese Worte mal
wieder zu sagen. Plötzlich drehten seine Hände sie herum, so dass sie ihn
ansehen konnte.
„Ja“,
erwiderte er mit einem Lächeln. „Wie viel Zeit noch bis dahin?“, erkundigte er
sich scheinheilig und hob sie einfach auf die Anrichte und spreizte ihre Beine.
Sie legte die Arme um seinen Hals und tat so, als würde sie überlegen.
„Hm… wir
haben vielleicht noch fünfzehn Minuten, ehe wir zu spät kommen“, schlug sie vor
und wusste, es war nicht gesund, was sie taten. Er grinste und zog ihr sein
Hemd aus.
„Ausgezeichnet“,
erklärte er und sie zog die Shorts ungeduldig seine Beine
hinab. Er stieß grollend nach vorne und für einen Moment wollte sie das Haus gar
nicht mehr verlassen. Hier drin war alles einfach. Alles war Sex. Alles war
erlaubt. Würden sie gehen, dann wäre alles wieder kompliziert. Der Fall
wäre wieder präsent und sie wären wieder
geschieden.
Sie
schloss die Augen und ließ sich von ihm küssen. Heiß und hungrig.
Und
nichts weiter zählte.
Er ließ
ihr den Vortritt. Sie waren ohnehin zu spät. Aber gut, dass er ihre Sorge auch
verstand. Er folgte allerdings keinen Moment später. Immerhin mussten sie ja
auch in dieselbe Abteilung.
Sie
steuerten den Fahrstuhl an und sie betrat die Kabine. Er betätigte
den Knopf. Seltsam, dass sie jetzt kein Gesprächsthema mehr fanden, hatten sie
doch die ganze Nacht durch geredet, wenn sie nicht gerade anderweitig
beschäftigt gewesen waren.
Er hatte
die Kleidung von gestern an. Eigentlich war ihm sein Aussehen sehr wichtig, das
wusste sie, aber jetzt schien er darauf nicht besonders zu achten. Zumindest
heute wohl nicht. Ihre Blicke trafen sich kurz. Sie senkte den ihren hastig auf
den Boden und wartete ungeduldig, bis sie das Stockwerk erreicht hatten.
„Was ist
mit heute Abend?“
„Was?
Was soll damit sein?“ Aber ihre Stimme hatte sie schon verraten. Seine
Mundwinkel zuckten in arroganter Manie und sie atmete aus.
„Wann
hast du Schluss?“, fragte er.
„Zur
selben Zeit wie du“, entgegnete sie knapp.
„Dann
sehe ich dich dann“, sagte er nur.
„Vielleicht“,
gab sie unsicher zurück.
„Vielleicht?“,
wiederholte er fragend und hob die Augenbraue. „Oder hast du eine Verabredung?“,
erkundigte er sich jetzt spöttisch. Sie zuckte die Achseln, um ihn zu ärgern.
„Wäre
möglich.“ Sie erreichten ihr Stockwerk.
„Dann
sag ihm ab“, erwiderte er nur, mit sehr rauer Stimme, ehe er sie zurück hielt.
Er zog sie am Handgelenk zurück und küsste sie noch einmal hungrig. Ihre Finger
gruben sich in seinen Hemdkragen und sie stöhnte in seinen Mund. Die Türen
glitten zur Seite und er ließ widerwillig von ihr ab.
Hastig
wich sie einen Schritt zurück, immer noch völlig außer Atem. Ihm war es nicht
anzusehen. Sie war etwas atemlos, etwas verwirrt und versuchte, sich unter
Kontrolle zu kriegen.
„Granger,
Malfoy!“, begrüßte Donald sie freundlich. „Zusammen hier? Ich finde es gut,
dass Sie beide sich um gute Mitarbeit bemühen. Wirklich“, fügte er hinzu.
Hermine spürte, wie sie rot wurde.
„Sicher,
Donald“, entgegnete Draco statt ihrer.
„Morgen
werden wir uns dann mit Ihrer Arbeit auseinander setzen. Zabini hat mir schon
gesagt, dass alles etwas komplizierter liegt?“ Es kam als Frage raus und Hermine
wollte gar nicht an die vielen Änderungen in den Fällen denken.
„So kann
man es sagen, ja“, sagte Draco vage.
„Also,
weiter arbeiten. Und freundlich bleiben“, fügte Donald mahnend hinzu. Aber wenn
Hermine in das Gesicht ihres Exmannes blickte, dann war sie sich fast sicher,
dass dieser Abend sehr freundlich enden würde.
Und sie
würde sich darüber wann anders Gedanken machen. Ihr Herz raste zu schnell….
~
And I don’t know, this could break my Heart or save me ~
Er
betrachtete den Mann vor sich lange und prüfend.
„Sie
wissen, was jetzt kommt, oder?“, fragte er deshalb und bemühte sich, um eine
professionelle, ruhige Stimme. Edgar sah sehr unglücklich aus und Draco spürte
ein schweres Gefühl auf seiner eigenen Brust.
„Es gibt
keinen anderen Ausweg“, fuhr er schließlich fort.
„Doch,
es gibt einen Ausweg“, entgegnete der Mann vor ihm bitter, der jetzt noch zehn
Jahre älter wirkte als vorher. Aber Draco schüttelte den Kopf.
„Keinen
legalen, Mr Fowler. Annabelle wird bestraft werden.“ Dabei sollte Draco ein
triumphales Gefühl empfinden. Es war jetzt schließlich so, dass er Recht gehabt
hatte. Auch wenn es mittlerweile schon egal war. Seltsam. Triumph konnte also
wirklich bitter schmecken.
„Was
passiert mit ihr?“, fragte der Mann jetzt leise.
„Sie
wird nach Askaban kommen. Wahrscheinlich für einige
Jahre. Aber sie wird daran nicht sterben.“
„Das
wissen Sie nicht.“
„Nein,
das weiß ich nicht sicher. Aber das werden wir vor Gericht aussagen. Und das
wird das letzte Urteil dann auch sein. Es tut mir wirklich leid“, fügte er
schließlich hinzu, denn ihm ging auf, dass er den Gefallen, um den ihn sein
Klient gebeten hatte, nicht erfüllen konnte. Ihm waren die Hände gebunden. Er
verstand sehr gut, dass Edgar die Strafe auf sich nehmen wollte. Dass er nicht
wollte, dass Annabelle nach Askaban musste. Aber er
wusste auch, dass Unschuldige nicht bestraft werden durften. Egal, wie nobel
ihre Absichten waren.
„Ja.
Danke, Mr Malfoy“, entgegnete der gebrochene Mann vor ihm und Draco kam sich furchtbar
schäbig vor.
Das
Klopfen an der Tür riss ihn und Edgar aus ihren Gedanken. Dunkle Locken schoben
sich durch den Spalt. Sein Herz setzte kurz aus.
„Hermine“,
sagte er jetzt und konnte den Klang seiner Stimme nicht recht zuordnen.
„Hey, sag mal, habt ihr kurz Zeit?“, fragte sie und Draco erhob sich
übergangslos. Edgar nickte Hermine ebenfalls zu und er wusste sofort, warum
Hermine so etwas fragte.
Er
erkannte Annabelle hinter ihr stehen.
„Was
tust du?“, knurrte er jetzt und schloss den Abstand zu ihr. „Du kannst sie
nicht hier her bringen! Sie erkennt ihn nicht mal mehr“, fuhr er ungehalten
fort.
„Nein,
aber sie weiß jetzt alles und sie wollte ihn sehen“, brauste seine Exfrau auf.
„Sie kann
aber nicht-!“ Aber Annabelle hatte sich an Hermine vorbei geschoben.
„Edgar
Fowler“, sagte die Frau bestimmt. Natürlich kannte sie den Mann. Aber sie
kannte ihn nur noch als Todesser, der sie angeblich
gefoltert hatte. Nicht als den Mann, mit dem sie in die Vergangenheit gereist
war um dessen Bruder zu töten, weil dieser sonst ihre Mutter getötet hätte. Nur
weil sie eine Muggel war.
Edgar
schluckte schwer und Draco war sich nicht sicher, ob er Annabelle aus seinem
Büro werfen konnte.
„Annabelle“,
erwiderte der Mann und die Sehnsucht in seiner Stimme, war Draco beinahe zu
viel.
„Sie
haben das alles auf sich genommen“, flüsterte sie und Edgar erhob sich, ohne
dass Draco seine Zustimmung gegeben hatte. Aber was sollte er tun? Es
verbieten? Edgar verhexen und ihn auf dem Stuhl fesseln? Wohl eher nicht.
„Komm“,
sagte Hermine ruhig.
„Was?“,
zischte er und starrte sie an. „Ich lasse mich doch nicht aus meinem Büro
zwingen!“, ergänzte er böse. Sie sah ihn mit Nachdruck an und er fragte sich,
wann er das letzte Mal einen Streit gewonnen hatte. „Das ist verboten,
Hermine“, setzte er hinzu. Aber selbst dieser Einwand ließ sie mäßig kalt.
„Einiges
ist verboten, oder?“, fragte sie leise und schenkte ihm ein feines Lächeln.
Ihre Hand schob sich unauffällig in seine und ihre Augen wirkten plötzlich
intensiver als vorher. Kurz wurde seine Kehle trocken und er ließ sich
tatsächlich von ihr aus seinem Büro ziehen. Sie schloss die Tür und er lehnte
sich dagegen.
„Ms Granger, was haben Sie vor?“, fragte er rau. Sie lehnte
sich lächelnd gegen ihn, ehe sie nach links und rechts gesehen hatte, um sich
zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war.
„Mal
sehen, Mr Malfoy. Wahrscheinlich wonach mir die Lust steht“, erwiderte sie und
stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie küsste seine Lippen und er vergaß die
Tatsache, dass sie diskret hatten sein wollen, und er sie erst am Abend
wiedersehen wollte. Seine Hände legten sich auf ihre Hüften und kamen dort zum
Liegen, während er mühelos ihre Lippen mit seiner Zunge teilte. Sie erwiderte
seinen Kuss und er zog sie heftig an sich. Ihre Arme schlangen sich um seinen
Nacken und nach einer Weile zog er den Kopf zurück. Sein Atem ging schnell in
seiner Brust. Ein Schleier hing vor ihren Augen und er liebte es.
„Glaub
nicht, dass ich vergesse, dass du gerade Ministeriumsgesetze brichst. Nur weil
du deinen Körper einsetzt, heißt das nicht, ich würde vergessen, dass…“ Aber er
vergaß exakt, was er nicht vergessen wollte, als sie sich enger an ihn lehnte.
„Sie wollen mich verführen“, schloss er langsam und fixierte ihr Gesicht.
Kurz
hoben sich ihre Mundwinkel, und sie wirkte ertappt. Aber er roch die Finte.
„Warum?“,
fragte er leise. „Weshalb solltest du etwas wichtiges wie deine Karriere aufs
Spiel setzen und zu mir kommen und mich mitten auf dem Flur-“ Doch er
unterbrach sich. Blaise bog gerade um die Ecke.
„Hallo“, rief dieser erstaunt aus, und Draco glaubte, dass Hermine etwa eine
Sekunde zu spät zurückgewichen war. Das würde das Lächeln auf den Zügen seines
Freundes erklären. „Draco, kann ich in dein Büro, die Berichte einsammeln?“
Draco wollte schon fast nicken.
„Nein! Im Moment ist es nicht-“
Doch
Blaise hatte einfach nach der Klinke gegriffen und war in sein Büro getreten.
Draco setzte ihm nach und verharrte dann stocksteif in der Tür.
Sein
Büro war leer.
Gefährlich
ruhig und mit aufkommendem Zorn wandte er sich zu ihr um. Sie wirkte bereit,
einen Kampf zu kämpfen, einen Streit zu beginnen und ihn gleichzeitig zu
verfluchen und mit ihren Händen umzubringen. Sie war umwerfend aus. Aber er
verdrängte diese Tatsache.
„Wo sind
sie?“, presste er leise hervor.
„Wer?“,
fragte sie scheinheilig ruhig und er umfing ihre Schultern. „Hermine, was hast
du getan?“, knurrte er und Blaise kam wieder raus.
„Wie ich
sehe, versteht ihr euch?“, erkundigte sich Blaise.
„Nein,
tun wir nicht!“, erwiderte Draco ungehalten und zog Hermine in sein Büro. Es
war ihm egal, was Blaise dachte. „Was wird das?“ Er warf die Tür ins Schloss
und Hermine verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was denkst du, was das wird?“ Er hob die Hände.
„Ich
weiß es verflucht noch mal nicht! Du brichst alle Gesetze auf einmal. Du
entführst unsere Klienten. Den Angeklagten, das Opfer – oder umgekehrt. Wo sind
sie und bist du eigentlich verrückt geworden?“ Er wartete, aber sie schien ihm
nicht antworten zu wollen.
„Wo sind
sie?“, wiederholte er lauter als zuvor. „Nein, viel wichtiger: Kommen sie
zurück?“, verlangte er drohend zu wissen und kurz schien die Zeit still zu
stehen. Er atmete aus und fühlte sich völlig machtlos. „Hermine!“, fügte er
böse hinzu und sie wirkte Merlin sei Dank recht schuldbewusst.
„Ich
glaube nicht, dass sie wieder kommen“, sagte sie, als wäre es von keiner
weiteren Bedeutung.
„Du
glaubst nicht, dass…“ Die Worte hingen im Raum. Schwer und völlig absurd. Dann
begriff er. „Der Zeitenumkehrer“, sagte er jetzt. Sie
streckte ihm trotzig das Kinn entgegen.
„Es war Annebelles Idee.“ Jetzt wurde er wütend.
„Das ist
doch wohl nicht dein Ernst!“, schrie er jetzt. „Und wenn schon! Wenn die Muggel von der Brücke springt, dann tust du es doch nicht
auch. Was ist in dich gefahren? Hast du mir nicht erklärt, dass es eine Sünde
ist, das Gesetz zu brechen, verflucht?“, fuhr er fort und musste einige
Schritte gehen.
„Draco,
ich-“
„Nein!
Ich werde es Donald sagen. Wohin sind die beiden? Was zum Teufel hast du dir
dabei gedacht? Du, ausgerechnet du?“ Sie schien abzuwarten, bis er sich
beruhigen würde, aber das hatte er nicht vor!
Es
klopfte erneut. „Nein!“, schrie er zornig, aber die Tür öffnete sich trotzdem.
„Da sind
sie beide. Ms Granger, Sie werden nicht glauben, was
vorgefallen ist. Mr Malfoy, Sie warten doch bestimmt schon auf Mr Fowler. Der
Wachmann hat mir gesagt, er hätte ihn nicht aufgefunden.“ Draco stutzte und
begriff gar nichts mehr.
„Der Wachmann?“, wiederholte er. „Er hat ihn mir doch hier hin gebracht!“,
erklärte er und fing dann ihren Blick auf. Beinahe verzweifelt ernst sah sie
ihn an.
„Heute?
Meinen Sie wirklich heute? Also war Fowler schon bei Ihnen? Malfoy?“ Donald sah
ihn erwartend und verwirrt an. Er konnte nicht verhindern, ihr Gesicht nach
einer Antwort zu durchsuchen. Sie flehte völlig stumm. Und er konnte nicht
fassen, dass er nachgab. Er konnte nicht begreifen, dass er sie gewinnen ließ.
Liebe war eine scheiß Angelegenheit.
„Ahem,
nein. Ich… habe mich wohl vertan, Donald. Edgar war heute noch nicht bei mir“,
schloss er schließlich, ohne sie aus den Augen zu lasen.
„Das
dachte ich mir. Ihre Klientin ist nämlich tatsächlich verschwunden, Ms Granger. So, wie Sie es gesagt haben!“, fuhr Donald
nämlich fort und Hermine wirkte überzeugend schockiert.
„Nein,
wirklich? Aber was hat das zu bedeuten?“
„Sie
erinnern sich doch an den Zeitenumkehrer-Fall? Sie
wird ihn mitgenommen haben. und anscheinend steckt sie hinter all den
Vorwürfen. Sogar dem Verschwinden von Fowlers
Halbbruder!“, brauste Donald auf. „Es ist ein Riesenfall!“, fuhr er fast
hysterisch fort. „Und jetzt glauben die Leute aus der Strafverfolgung, sie
hätte nur den Moment abgepasst, um Fowler zu holen und mit ihm abzutauchen.
Aber wie sind ihnen dicht auf den Fersen!“ Hermine wirkte verzweifelt.
„Ja, das
hoffe ich doch. Ich meine, wenn wir nicht bald mit den Verhandlungen anfangen,
dann ist die ganze Sache bis zum Jahresende verjährt!“ Donald nickte
aufgebracht.
„Machen
Sie sich keine Gedanken. Wir sind dicht dran!“, versprach er.
„Tut mir leid, Malfoy. Was für eine Wahnsinnsstory“, sagte er schließlich und
wirkte zufrieden. „Der Tagesprophet kommt morgen auch vorbei!“
Und dann
waren sie wieder allein. Er schüttelte schließlich anerkennend den Kopf.
„Du hast
also Donald getäuscht, falsche Spuren ausgelegt und dem Wachmann einem Vergessenszauber verpasst.“ Sie wirkte gereizt.
„Was
hätte ich machen sollen?“, gab sie kleinlaut zurück.
„Das Gesetz befolgen? So wie du es mir befohlen hast, vielleicht?“ Er konnte
nicht fassen, dass sie das getan hatte. „Weil du es nicht auf dir hattest
sitzen lassen können, dass eine Muggel zu so etwas
fähig ist, hast du ihr ermöglicht, sich aus der Affäre zu ziehen?“ Er sah sie
herausfordernd an.
„Was,
wenn sie vor Jahresende gefunden werden?“, fuhr er fort.
Plötzlich
hoben sich ihre Mundwinkel.
„Dann
werden denke ich mal einige Menschen enttäuscht sein, wenn sie feststellen,
dass die Akte von Humphrey Gold geschlossen wurde“, erklärte sie. Sein Mund
öffnete sich verblüfft.
„Die Akte ist…?“ Dann klärte sich sein Blick. „Du hast die Akte geschlossen. Damit
ist der Fall abgehandelt. Du hast… du bist… das kann doch nicht…!“ Er war so
aufgebracht, dass er kurz nicht wusste, was er dazu sagen sollte.
„Du hast
gesagt, er liebt sie und er würde für sie nach Askaban
gehen wollen.“ Er konnte nicht fassen, dass sie dieses Argument aufgriff.
„Na und?
Du hast mir erklärt, wie sinnlos dieses Unterfangen ist, weil sie sowieso beide
nicht damit durchkommen würden. Du warst es doch, die gesagt hat, dass es
keinen Weg um das Gesetz gibt! Ist dir klar, dass du jetzt diejenige ist, die
sich verantworten muss, wenn es raus kommt?“
„Du
meinst, wenn du es verrätst? Ja, das ist mir klar, Draco“, gab sie zurück.
„Du scheinst ja verfluchtes Vertrauen in mich zu setzen“, knurrte er böse.
„Nein.
Aber ich vertraue auf deine Menschlichkeit“, erwiderte sie.
„Aber mir nicht?“ Kurz war er entwaffnet von ihrer Kühnheit.
„Was?
Willst du jetzt schon die mobile Strafverfolgung rufen, oder kriege ich einen
Tag sportlichen Vorsprung?“, erkundigte sie sich ernst und er öffnete den Mund.
„Ich
kann nicht fassen, dass du das getan hast. Du hast meine Ansichten völlig
untergraben. Wenn ich deine Geschichte unterstützte, bringe ich mich selber in
Gefahr. Wie kannst du glauben, dass ich dir helfe bei diesem Plan?“
„Weil…“,
begann sie, aber sie sprach nicht weiter.
„Komm schon, ich bin interessiert. Weshalb, Granger?“ Ihren Nachnamen zu
benutzen fiel ihm jetzt gerade leichter. Sein Zorn würde überkochen und er
würde bestimmt irgendetwas kaputt fluchen.
„Meinetwegen
kannst du es Donald sagen. Ich plane sowieso nicht, diesen Job zu behalten.“
„Das
wirst du auch nicht können, wenn ich es Donald sage“, erwiderte er lakonisch.
„Also
sagst du es ihm?“
„Warum?
Musst du dann deine Flucht planen?“ Er war wirklich böse. Natürlich hatte er
auch darüber nachgedacht, Edgar zu helfen. Aber sie war es doch gewesen, die
ihm solche Gedanken verboten hatte! Sie wollte ihre Muggel
beschützen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie herausgefunden hatte, dass ihre Muggel die Schuldige war. Anstatt sie auszuliefern,
verschiffte sie beide weiß Merlin wohin.
Er war
wütend auf sie. Und er wusste, er hatte jetzt alle verfluchten Fäden in der
Hand. Wenn er zu Donald ging und sagte, er hatte nichts damit zu tun, dann…
dann… würde Granger ein Verfahren am Hals haben. Dann würde sie Strafe zahlen
und vielleicht in eine ziemlich lange Haft kommen. Lang für sie zumindest.
Konnte
er das tun? Er musste es tun.
„Weißt
du was? Du kannst-“ Doch er erfuhr nicht, was er konnte, denn seine Tür öffnete
sich erneut. Und er und Granger waren beide gleichermaßen überrascht.
„Ich
hätte nicht gedacht, Sie hier zu treffen“, sagte Astoria kühl in Richtung
Granger und schenkte ihm einen bösen Blick. „Hattest du vor, dich überhaupt
noch einmal zu melden, oder… passt es dir nicht mehr in deinen privilegierten
Plan, Draco Malfoy?“ Er konnte sehen, wie Granger die Hände zu Fäusten ballte
und den Blick abwandte.
„Ich…
bin noch nicht dazu gekommen“, sagte er und fixierte dabei seine Exfrau. Nicht
seine eigentliche Geliebte. Er hatte erwartet, dass Astoria zu stolz sein
würde, um noch einmal aufzutauchen.
„Ich
muss gehen“, sagte Granger. Ob sie es zu ihm oder Astoria sagte, wusste er
nicht genau. Sie hatte sich abgewandt und war zur Tür gerauscht, ehe er etwas
erwidern konnte.
„Was hat
sie hier zu suchen gehabt, Draco?“, fragte Astoria eifersüchtig und Draco stieß
langsam die Luft aus.
„Nichts“,
sagte er schließlich sehr ruhig.
„Ich
hoffe doch, du hast deine Meinung nicht geändert. Kommst du jetzt endlich mit
mir? Du hast nicht unendlich viele Chancen, das weißt du hoffentlich!“, sagte
sie mahnend und streckte ihre beringte Hand nach ihm
aus. Der rote Nagellack auf ihren Fingernägeln biss sich mit dem roten Ton
ihres Kleides.
Und er
zögerte kurz.
Was
konnte er schon tun? Er musste das Richtige tun. Er musste es Donald sagen, er
musste versuchen Edgar und Annabelle zu finden und wenn er Glück hatte, dann
würde er heute mit Astoria schlafen können.
War das
Glück? Was hatte er schon für Alternativen?
Was
wollte er überhaupt noch? Wollte er Astoria? Granger war ja gerade mit wehenden
Fahnen aus seinem Büro verschwunden. Und wenn er ihre vorsintflutliche Angst
richtig deutete, dann würde sie packen und besser verschwunden sein, bevor das
Ministerium hinter ihr her war.
Sie war
vielleicht clever und hatte alle Spuren von sich weggelenkt, aber er müsst es
ja nur andeuten. Gegenüber irgendwem.
Kurz
warf er einen Blick in Astorias abwartendes Gesicht. Dann folgte er ihr nach
draußen. Er wusste, was er wollte. Er wusste, was das Beste war.
~
Love is a promise, love is a souvenir,
once given, never forgotten, never let it disappear ~
„Und du
musst noch mal zurück in die Wohnung?“, vergewisserte sich Ginny, nach dem sie
all die Angaben von Hermine entgegengenommen, aufgeschrieben oder versteckt
hatte. „Und du willst mir nicht erzählen, weshalb du plötzlich aufbrechen
musst?“ Ginny war so besorgt. Und Hermine hätte ihr gerne mehr erzählt.
Sie war
aber leider verrückt geworden, hatte hundert Gesetz gebrochen und musste sich
jetzt darauf gefasst machen, dass Draco Malfoy sie jagen würde, weil er sie
verraten hatte.
Und er
war bestimmt mit dieser dämlichen Schlampe mitgegangen.
Sie
schüttelte also den Kopf.
„Ich kann es dir jetzt nicht sagen, ok? Ich muss erst mal weg“, erklärte sie
vage.
„Hermine,
was ist passiert? Es ist etwas passiert, oder? Hast du irgendwas… getan?“
Dieser Satz kam nur schwer über Ginnys Lippen. Auch
für Ginny war es wohl schwer vorstellbar, dass Hermine irgendetwas tun könnte,
was sie dazu zwang, zu fliehen.
„Ich
melde mich bei dir, sobald ich kann, ok? Sag Harry nichts und behalt alles für
dich, ja? Bitte!“, fügte sie flehend hinzu. Ginny sah nicht begeistert aus,
aber Hermine wusste, sie konnte immer auf ihre beste Freundin zählen. Auch bei
Sachen, die eher unschön waren.
„Ich
werde ihn umbringen, Hermine. Wenn er das nächste Mal hier auftaucht, und egal,
was er will, ich werde ihn umbringen. Schlicht und ergreifend. So. Jetzt weißt
du es“, informierte Ginny sie bitter.
„Nein,
tu das nicht“, erwiderte Hermine leiser. Ginnys Augen
wurden größer.
„Was?
Das… ist nicht dein Ernst, oder?“ Sie wartete, aber Hermine seufzte
schließlich.
„Bring
ihn nicht um.“
„Du….
Nein, sag mir nicht, dass… du ihn magst?“, vergewisserte sich Ginny völlig
ungläubig. Hermine verdrehte die Augen.
„Bring ihn einfach nicht um, ok?“ Ginny atmete gereizt aus.
„Wen
willst du umbringen?“, fragte James neugierig und lugte hinter Ginny Beinen
hervor.
„Deinen Vater,
wenn er nicht bald mit den Einkäufen kommt“, log Ginny kühl und hob den Jungen
auf die Arme. „Sag deiner Tante Hermine auf Wiedersehen, James“, befahl sie und
Hermine glaubte, dass sie gerade hörte, wie Ginnys
Stimme auf einmal belegt klang.
„Wiedersehen,
Tante Hermine“, sagte James artig und winkte leicht. Hermine hob auch ihre
Hand.
„Grüß Harry“, sagte sie noch, ehe sie schließlich den Umhang fester um sich
zog.
„Hermine,
warte!“, rief Ginny plötzlich, setzte den Jungen ab und verschwand in der Wohnung.
Etwas ratlos wartete sie mit dem Jungen.
„Du,
Tante Hermine“, flüsterte James jetzt und Hermine ging in die Knie. „Eigentlich
hab ich keine Angst vor Mommy“, behauptete der Junge
kleinlaut. „Aber ich denke, es ist besser, wenn sie das glaubt“, fügte er
leiser hinzu. Hermine hätte fast gelächelt.
„Ja, ich glaub auch“, murmelte sie zuversichtlich.
„Gehst
du zu Onkel Draco?“, fragte er jetzt, noch leiser, denn er wusste wohl wie
sensibel seine Mutter auf diesen Namen reagierte. Jetzt lächelte Hermine.
„Nein,
James. Ich gehe woanders hin.“
„Oh,
aha“, sagte der Junge wissend. „Also, wenn du heiraten gehst, dann kannst du
mich auch heiraten, ok?“, fragte er vorsichtig. Hermine hätte fast gelacht.
„Ich gehe heiraten? Wer erzählt das denn? Und das ist sehr fürsorglich von dir,
James“, fügte sie noch hinzu, denn sie fühlte sich sehr geschmeichelt.
„Ja, Dad
hat gesagt, dass du auch Onkel Ron heiraten könntest, damit du nicht mehr
alleine bist“, erklärte James und wirkte auf sie sehr altklug.
„Aber du
kannst doch Onkel Ron nicht heiraten, oder? Das geht doch gar nicht“, sagte er
jetzt und Hermine nickte langsam.
„Nein,
das wäre unmöglich. Da hast du Recht“, bestätigte sie. Ginny kam zurück und
drückte Hermine ein Bündel in den Arm.
„Hier. Ich bin sicher, Harry macht es nichts aus. Und wo immer du hingehst,
pass auf, ja!“, befahl sie, als würde sie mit ihrem Sohn sprechen.
„Aber
Ginny!“ Sie erkannte Harrys Tarnumhang und schüttelte den Kopf. „Den kann ich
unmöglich annehmen!“, erklärte sie und hielt ihn Ginny entgegen.
„Unsinn!
Du brauchst ihn wohl dringender als Harry“, schnitt Ginny ihr jedes weitere
Wort ab. James zeigte interessiert auf den Umhang, den er wohl gerade erkannt
hatte.
„Das ist doch Daddy Zauberumhang, der-“
„Du
gehst rein und wäschst dir gefälligst die Hände, hörst du?“, unterbrach ihn
Ginny rigoros und James wirkte beleidigt.
„Aber Mum!“, protestierte er, aber Ginny zeigte
herrisch in die Wohnung. Der Junge ging schließlich und Hermine wandte sich
auch mit einem Nicken ab.
Sie hielt
an der Treppe kurz inne. „Oh, und sag Harry, er kann sich seine
Ron-Hochzeitstheorie sonst wo hin stecken“, sagte sie mit einem knappen
Lächeln. Ginny hatte wenigstens den Anstand ein kleines bisschen rot zu werden.
Immerhin, dachte Hermine, schüttelte Harrys Umhang aus, der ihr so vertraut war
und warf ihn über ihre Schultern.
Unsichtbarkeit
verschluckte sie sofort. Ohne ein weiteres Wort eilte sie die Treppen hinunter.
Und sie
hatte keine Ahnung, wann sie verrückt geworden war. Irgendwann zwischen dem
ersten Arbeitstags und dem Zeitpunkt, an dem sie Draco erlaubt hatte, sie zu
küssen, nahm sie an. Draco….
Wie
hatte sie annehmen können, über ihn hinweg zu sein? Aber sie würde diese Frage
bestimmt nicht laut äußern, obwohl Ginny mittlerweile ziemlich genau wissen
musste, was in ihr vorging.
Und
sobald Ginny herausfand, was sie getan hatte, würde sie es auch bereuen, ihr
den Tarnumhang gegeben zu haben. Der Tagesprophet kam schließlich morgen und
Draco könnte ihnen brühwarm erzählen, wie Hermine Granger Straftätern zur
Flucht verholfen hatte.
Ihr
wurde ganz übel. Dann würde sie auch ein gejagtes Opfer sein. Oh nein, oh nein!
Das würde ihr gar nicht gut stehen und ihre Eltern würden wahrscheinlich kein
Wort mehr mit ihr sprechen. Das taten sie schon seit der Scheidung kaum noch.
Ein
Fehler kam selten allein, ging Hermine auf. Es war, als käme sie erst richtig
in Schwung. Abzuhauen kam ihr auch nicht gerade wie die beste Idee vor, aber
sie würde den Teufel tun, und darauf warten, dass Draco die Auroren
auf sie hetzen konnte.
Sie
musste schleunigst nach Hause und war sogar ziemlich dankbar, den Umhang zu
tragen, denn wer wusste schon, wem Draco es alles gesagt hatte. Eine bittere
Stimme erinnerte sie daran, dass er wohl gerade sowieso bei Astoria war und
wohl gerade nicht die Zeit dafür hatte, Geschichten zu verbreiten.
Sie
hasste – sie hasste – Astoria Greengrass. Mit ihrem
blöden Kleid, ihren Juwelen an jedem Finger, ihrem reichen Vater, ihrem Reinblutstatus und ihrem Gespür, wann geschiedene Männer verzweifelt
genug waren, sie ran zu lassen.
Und sie
hasste Draco, weil er es tat.
Es war
schon eine Weile her, dass sie sich wie ein Dieb auf der Flucht gefühlt hatte.
Viel zu, viel zu lange her! Sie schlich durch die Straßen, hatte Angst zu
apparieren und eilte von Ecke zu Ecke. Sie versuchte den Gesprächen zu lausche,
aber natürlich drehte sich kein einziges um ihr Verschwinden, oder ihr
glorreiches Manöver, dass so viel Chaos im Ministerium ausgelöst hatte.
Das
Verrückte war, sie war sogar etwas stolz darauf, den armen Menschen geholfen zu
haben. Zwar war es nicht rechtens, das wusste sie, aber sie hatte nicht zusehen
können, wie das Gesetz Menschen bestrafte, die nur versuchten, sich zu schützen
und andere zu retten. Sie wusste, Mord war immer furchtbar und gehörte
bestraft, egal, wie gerechtfertigt er auch manchmal war.
Sie
wusste das. Sie wusste auch, dass eine Scheidung die Ehe aufhob und bestimmt
nicht dazu gedacht war, das Feuer wieder anzuheizen. Wie schwer es gewesen war,
sich zu überwinden, Annabelle mit zu Dracos Büro zu nehmen und ihn nach draußen
zu holen, damit die beiden verschwinden konnten.
Und wie
leicht es gewesen war, ihn zu küssen. Mitten auf dem Flur. Sie erinnerte sich,
dass sie das früher auch getan hatten, bis Blaise sich beschwert hätte, dass es
in der Abteilung zugehen würde, wie in einem Freudenhaus. Übertrieben war diese
Aussage allemal gewesen, aber sie hatte sich schwer daran erinnert gefühlt.
Sie
konnte ihr Gebäude schon sehen. Sie hatte ja sowieso nicht vorgehabt, dort zu bleiben.
Sie hatte ja nie vorgehabt, irgendwo zu bleiben. Sie hatte sich nirgendwo
Zuhause gefühlt. Außer bei…. Nein! Auch bei ihm nicht, denn sie hatte ja die
Scheidung gewollt!
Es war
so kompliziert.
Aber… nicht
immer. Nein, sie hatte heute etwas erlebt, was ihre Welt um einiges auf den
Kopf gestellt hatte. Nein, komplett auf den Kopf gestellt hatte. Sie hatte
schließlich sogar ihre geliebten Gesetze dafür gebrochen.
Sie
hatte es Annabelle gesagt. Hatte ihr gesagt, dass Edgar, der ehemalige Todesser, niemals auch nur versucht hatte, Hand an sie zu
legen. Sie hatte ihr gesagt, was sie gesehen hatte, dass sie ihre Mutter
gerächt hatte und dass sie es gewesen war, die alles getan hatte.
Dass
Edgar wegen ihr in Askaban gesessen hatte, dass er
wegen ihr all das auf sich genommen hatte. Und dass er sie mit einem Vergessenszauber belegt hatte, damit ihr nichts zustoßen
würde.
Und dass
es im Nachhinein nichts genutzt hatte.
Und sie
hatte es in ihrem Gesicht gesehen. Sie hatte den Schmerz gesehen, den Annabelle
empfunden hatte, weil sie sich so lange nicht mehr an den Mann hatte erinnern
können, der all dies für sie getan hatte. Weil sie solange alleine gelebt hatte
und den Mann gehasst hatte, der sie angeblich gefoltert hatte.
Hermine
erinnerte sich an die endlosen Stunden im Ministerium, als Annabelle und sie
den Mann angeschrieen hatten, ihn gezwungen hatten,
zu gestehen.
Dabei
hatte Draco Recht gehabt.
Sie
seufzte leise. Annabelle hatte, so wie sie, eingesehen, welche Vorurteile sie
gehabt hatte. Und ohne Zögern hatte sie verlangt, was Hermine nicht gewagt
hatte, vorzuschlagen. Annabelle wollte den Zeitenumkehrer,
der zu der Kette gehörte die sie trug. Und es hatte Hermine ein paar illegale
Zauber gekostet, um den Wachmann weich zu kriegen, ihr zu sagen, wo Edgar
gelebt hatte und sie hatte die gesamte kleine Bleibe verwüstet, bis sie den Umkehrer unter den Dielen gefunden hatte.
Sie
hatte mit Annabelle diskutiert und ihr erklärt, dass sie sich nicht mehr an die
Gefühle erinnern würde, selbst wenn sie diesen Mann jetzt wiedersehen würde.
Und
Annabelle hatte folgendes zu ihr gesagt: „Selbst wenn die Gefühl nicht mehr da
sind, die einmal da waren, wie könnte ich mich denn nicht noch hundertmal in
ihn verlieben, wenn er doch sein Leben für mich geben würde?“ Hermine hatte
keine Antwort auf diese Frage gewusst. Annabelles
Zuversicht war mehr an Zuversicht, als Hermine jemals erfahren oder gekannt
hatte.
Es war
eine Zuversicht, die einem Flügel verlieh.
Und
Hermine hatte nicht anders gekonnt. Jeder hätte so gehandelt, nahm sie an. Sie
hoffte es zumindest. Und anscheinend hatte es funktioniert. Anscheinend glaubte
Annabelle ihren eigenen Worten. Denn sie und Edgar waren nicht mehr da. Hermine
hatte ihr natürlich einige Orte genannt, an denen sie sich verstecken konnte.
Und sie
bereute es nicht. Mit keiner Sekunde, die verstrich, in der ihre Angst nur
größer wurde. Sie stieß die Tür zu ihrem Gebäude auf. Niemand hatte sie
gesehen. Sie lief eilig die Stufen hinauf, bis in den zweiten Stock.
Und sie
hielt erschrocken inne. Sie schnappte nach Luft und hielt sie an. Sie versuchte
kein Geräusch zu machen und stand komplett still am Treppenabsatz.
Aber es
war, als könne er direkt durch den Umhang durch blicken.
Es war,
als würde der Umhang keine Wirkung zeigen und sie wäre so sichtbar, wie auf der
Straße, am helllichten Tag.
Sie
wartete, denn vielleicht irrte sie sich. Vielleicht konnte sie langsam und sehr
leise wieder kehrt machen. Vielleicht –
Aber ihre
Hoffnungen zerschlugen sich, als er sich plötzlich erhob.
„Ich
dachte mir, dass du noch mal auftauchen würdest“, schloss er langsam. Sie
reagierte. Sie beschloss, dass er sie immerhin nicht sehen konnte, und dass sie
sich nicht freiwillig zu erkennen geben musste. Ihr Herz schlug verräterisch
laut.
„Es
bringt dir nichts, dich zu verstecken, Hermine“, fügte er glatt hinzu. Sie
erkannte mit Schrecken, dass ihre Wohnungstür angelehnt war. Sie lehnte sich
ein Stück zur Seite.
Die
Wohnungstür war nicht nur offen. Ihre Wohnung war komplett leer.
Draco
Malfoy hatte ihre Wohnung räumen lassen!
Sie
wandte sich in dieser Sekunde auf dem Absatz um. Sie achtete nicht darauf, dass
sie Geräusche machte, sie wollte nur noch weg.
„Accio
Tarnumhang!“, rief er laut durch das Treppenhaus, und ehe sie den Umhang
festhalten konnte, glitt er von ihrem Kopf, rutschte ihre Schultern hinab und
segelte nach oben in seine ausgestreckte Hand. „Keine Tricks“, sagte er ruhig
und diese Worte kamen ihr wieder einmal viel zu bekannt vor.
Er
bedeutete ihr, wieder nach oben zu ihm zu kommen. Und die Entscheidung fiel
nicht so schwer, dass sein Zauberstab immer noch auf ihre Brust zeigte.
Also
jetzt gerade, würde sie Ginny wahrscheinlich doch erlauben, ihn umzubringen,
überlegte sie dumpf, während sie ergeben die Stufen wieder nach oben stieg.
Sie
brauchte einen Plan.
~
Love is the Answer and you know that for sure ~
Sie
brauchte einen verflucht guten Plan und sie brauchte ihn relative schnell.
Sie
konnte keine Regung in seinem Gesicht erkennen. Jetzt half es auch nichts mehr,
stumm zu bleiben.
„Du bist in meine Wohnung eingebrochen!“, brachte sie bitter hervor.
„Oh bitte. Ich denke, du kannst mir nichts vorwerfen“, erwiderte er, immer noch
erstaunlich ruhig. „Was hattest du vor? Wolltest du schnell deine Sachen packen
und auf die Bahamas verschwinden?“, fragte er jetzt belustigt und senkte
langsam den Zauberstab.
„Das war
ja sehr fürsorglich, dass du sicher gegangen bist, dass ich auch absolut überhaupt
nichts mitnehmen kann“, gab sie wütend zurück.
„Das hat
mir Fürsorge wenig zu tun“, erwiderte er. Er regte sie wirklich auf.
„Ich weiß, Malfoy. Das war Sarkasmus“, fügte sie knurrend hinzu. Jetzt lächelte
er.
„Also?“,
fragte er.
„Also,
was? Rufst du jetzt deine geliebte mobile Strafverfolgung? Kannst es bestimmt
kaum erwarten.“ Böse sah sie ihn an und wusste noch nicht genau, wie sie
fliehen sollte. Länger mit ihm zu sprechen, würde ihr auch nicht helfen.
„Also,
was hast du jetzt vor?“, fragte er und ignorierte ihre Worte völlig.
„Was?
Was ich vorhabe? Ich werde bestimmt nicht noch länger hier stehen und mit dir
reden. Wenn ich jetzt sowieso auffliege, dann entscheide ich, wann und wo.
Nicht du“, ergänzte sie zornig.
„Weißt
du, was interessant ist?“, fuhr er langsam fort und schien ihr wieder nur halb
zugehört zu haben.
„Nein.
Und es interessiert mich nicht.“ Das stimmte. Es interessierte sie wirklich
nicht.
„Oh, ich
denke schon. Wieso fragst du nicht, wo deine Sachen sind?“, erkundigte er sich
gedehnt. Sie stutzte.
„Wieso
sollte mich das interessieren? Du wirst dich schon darum gekümmert haben, dass
sie in die fleißigen Hände der Auroren fallen.“ Ihr
ging auf, dass dann wohl Harry hinter ihr her sein würde. Dann hatte sie wohl
überhaupt gar keine Chance.
„Falsch
geraten. Ich nehme an, dreimal raten wäre fair?“, schlug er ihr vor und sie
verdrehte die Augen.
„Ich habe keine Lust auf deine Spiele!“
„Aber du
hast keine Wahl, oder?“ Langsam kam ihr die Sache komisch vor.
„Dann
sag es. Sag es einfach und wir bringen das hier zu Ende“, ergab sie sich
genervt.
„Das
macht wenig Spaß, aber bitte.“ Er hob die Hände in stummer Resignation. „Deine
Sachen befinden sich in Halmond’s Grove“, erklärte er
lapidar. Sie runzelte die Stirn.
„Clever.
Du bringst meine Sachen also in deine Straße“, erläuterte sie diese Information
jetzt. Er schwieg und wirkte zufrieden. Ihr wurde es zu bunt.
„Ok? Und
jetzt? Was willst du? Dass ich mich selber ausliefere?“
Plötzlich
wurde er geschäftig, steckte den Zauberstab in den Hosenbund und kam auf sie
zu.
„Nicht
direkt, nein“, gestand er und ihr Herz schlug schneller. Wollte er sie jetzt
angreifen? Ohne Zauberstab. „Ich schlage dir einen Deal vor. Einen Deal, bei
dem wir beide möglichst unbeschadet davon kommen werden, hoffe ich.“ Sie kannte
die Malfoy Deals. Einer blieb immer auf der Strecke, wenn nicht schlimmer.
Einer litt immer mehr. Und sie nahm an, sie würde tödliche Qualen erleiden.
„Niemals“, sagte sie also fest und sah ihm direkt in die blauen Augen.
„Denkst
du wirklich du hast hier eine Wahl?“, erkundigte er sich spöttisch und sie
fragte sich wirklich, wann die Auroren kommen würden,
um sein Spiel zu beenden.
„Warum
tust du dann so, als hätte ich eine?“, giftete sie, bereit ihn zu verfluchen.
Er schien das auch zu erkennen.
„Weil es
gute Form ist“, erwiderte er. „Also gut. Genug der Höflichkeiten. Ich schlage
dir hiermit meine Bedingungen vor.“
„Bedingungen
wofür?“, schnappte sie wütend. „Dafür, dass ich mich-“ Er hob den Zeigefinger.
„Ruhig, Granger. Ich kann es nicht leiden, unterbrochen zu werden.“
„Dann
solltest du zu deiner Schlampe zurück gehen. Sie ist dir bestimmt hörig. Wartet
sie unten? Hast du sie hinterm Haus angebunden?“ Er schloss den Abstand.
„Sei einfach still, ok?“ flüsterte er und zum ersten Mal klang er eine Spur
ernster. Nicht mehr zufrieden oder gelassen. Nein, diesmal erkannte sie seine
Angespanntheit, seine Nervosität, hinter der eiskalten Fassade. Und sie wollte
nicht gehorchen, aber eine seltsame Macht in ihrem Innern, zwang sie
schließlich doch genau dazu.
Er
schien selber überrascht, dass sie seinen Worten anscheinend Folge leistete.
„Du
hältst also wirklich den Mund?“, erkundigte er sich beinahe überrascht und sie
sog die Luft gereizt durch die Nase ein.
„Ich interessiere mich nicht für deinen Deal, Draco. Wenn es nur darum geht,
wann ich ins Gefängnis gehe und ob ich mein eigenes Handtuch mitnehmen darf,
dann will ich es nicht hören!“, zischte sie.
„Du
willst anscheinend unbedingt ins Gefängnis, richtig?“ Er hatte die Stirn in
tiefe Falten gelegt. „Das ist zwar keine einzige Bedingung meines Handels, aber
ich bin sicher, ich kann sie für dich auch noch mit einbauen, wenn du darauf
bestehst“, fuhr er gönnerhaft fort. Sie stutzte kurz.
„Was ist
das für ein Spiel? Und wann bist du fertig damit? Hörst du dich selber gerne
reden? Aber ja. Ich hab ganz vergessen, dass du ja dein größter Fan bist“,
beantwortete sie bitter ihre eigene Frage. Jetzt grinste er wieder breiter.
„Hältst du
jetzt endlich deine Klappe, Granger?“ Protestierend öffnete sie den Mund, aber
er wedelte schlicht mit seiner Hand. „Nein. Also, der Deal ist, dass du mit mir
kommst. Und um die Frage zu beantworten, nein, Astoria ist nicht unten
angebunden. Es wäre ein großer Zufall, würde sie überhaupt noch einmal
auftauchen“, erklärte er plötzlich und schien ernsthaft darüber nachzudenken.
„Ich
komme nicht mit dir!“, unterbrach sie ihn entrüstet. „Das wäre ja noch
schöner!“
„Dann
kannst du in einer Wohnung ohne Mobiliar wohnen, fürchte ich. Und Avalon wäre höchst enttäuscht“, fügte er knapp hinzu.
„Was?“, flüsterte sie verwirrt und schüttelte den Kopf. Was wollte er zum
Teufel noch mal von ihr? „Was hat Avalon damit zu
tun? Und was glaubst du eigentlich? Dass du mich gefangen halten kannst? Mich
zu deiner persönlich Sklavin machst? Vergiss es! Dann stelle ich mich lieber
heute Abend noch!“ Kurz wirkte er verschlossen.
„Anscheinend
hörst du mir nicht zu“, stellte er schließlich fest. „Schön“, schloss er recht
kühl. „Wenn du deine Sachen wieder haben möchtest, dann sag Bescheid, dann
veranlasse ich einen neuen Transport“, erklärte er schließlich.
„Du hast meine Sachen gestohlen, damit ich sie mir wiederholen kann? Sehr
geschickter Schachzug, wirklich“, gab sie zurück und verstand immer noch nicht,
wo der Haken an dieser Sache war. „Was musstest du Avalon
sagen? Dass du Wohltäter wirst und jetzt Menschen Sachen schenkst, die du von
woanders stiehlst?“ Sie kam erst gerade richtig in Fahrt, jetzt wo er auf
einmal nicht mehr ganz so selbstsicher wirkte.
„Nein.
Ich habe ihm lediglich gesagt, dass er heute Abend kochen darf. Und dass er
Pellkartoffeln machen soll und die Schale unter gar keinen Umständen abschälen
soll.“ Kurz begriff sie nicht.
„Du
magst keine Pellkartoffeln“, sagte sie nur.
„Nein,
sie sind langweilig und schmecken nach gar nichts“, erklärte er, als wäre es
selbstverständlich, dass sie jetzt über Pellkartoffeln sprachen.
„Du…
hast ihm gesagt, er soll für mich kochen? Als Henkersmahlzeit?“, forschte sie
weiter und lächelte freudlos. Er schwieg ganz kurz.
„Du
denkst… ich würde dich wirklich ausliefern? Ich würde dich zwingen, zu mir zu
kommen, Pellkartoffeln zu essen und dich dann mit der mobilen Strafverfolgung
nach Askaban auszuliefern?“ Sie konnte den Unglauben
in seinen hellen Augen erkennen.
„Was für andere Motivationen könntest du sonst noch haben, Malfoy?“
Jetzt
schüttelte er schließlich den Kopf.
„Gar
keine, Granger. Absolut überhaupt gar keine“, erklärte er und schritt an ihr
vorbei.
Sie
begriff es nicht.
„Malfoy!“,
rief sie zornig und er hob widerwillig den Blick, als er die Treppe zur Hälfte
runter war. „Was soll das? Du wartest hier, willst mich abfangen, nur um mir zu
sagen, dass du nicht vorhast, mich zu verhaften?“ Sie fuhr sich durch die Haare.
„Du klaust meine Sachen, bringst sie zu dir nach Hause und…“ Sie schüttelte
verständnislos den Kopf und sah ihn verstört an. „Und weiter?“
„Ich
dachte, du wärst die schlauste Hexe des Jahrgangs, Hermine“, gab er trocken zurück.
„Anscheinend ist das nur ein weltweites Gerücht“, fügte er hinzu und setzte
seinen Weg nach unten fort.
Ihre
Angst hatte sich gelegt. Die Panik war abgeklungen. Anscheinend hatte Draco
Malfoy doch nicht wie ein Arschloch gehandelt und hatte sie doch nicht
ausgeliefert. Jedenfalls noch nicht. Sie begriff ihn nicht. Sie stieß die Tür
zu ihrer Wohnung auf. Jetzt hatte sie keine Sachen mehr.
Aber er
hatte ihr eine Haufen Kerzen gelassen. Wie nett, stellte sie bitter fest. Dann
musste sie wenigstens nicht im Dunkeln auf dem Boden sitzen.
Ihre
Augen verfingen sich an der winzigen Schachtel. Anscheinend hatte er das
übersehen. Aber es sah so aus, als hätte er es mit Absicht dort hingelegt.
Als sie
sich bückte, um es in Augenschein zu nehmen, erschrak sie so heftig, dass sie
sich fast verschluckte. Sie hatte es in derselben Sekunde erkannt.
Es war
keine neue Schachtel. Es war keine unbekannte Schachtel.
Es war
ihre Schachtel. Die Schachtel, die in ihrer Schlafzimmerschrankschublade nun
schon seit einem Jahr unter den Socken versteckt lag. Ihre schwarze
Samtschachtel mit dem hochkarätigen Ring, den sie geschworen hatte, niemals
abzulegen. Bis dass der Tod sie scheiden würde.
Und
plötzlich wurde sie wütend. Sie griff zornig nach der Schachtel, stürmte aus der
Wohnung, ohne die Tür zu schließen und stürzte beinahe die Treppen runter, in
ihrer blinden, bösen Wut. Draußen wehte eine kühle Luft und sie sah sich zornig
um. Und sie erkannte seine Gestalt an der Ecke. Sie wusste, er würde gleich
apparieren. Und sie tat, was ihr jetzt am sinnvollsten erschien: Sie schrie.
„Du
blödes Arschloch!“, schrie sie so laut sie konnte, so dass sich ihre Stimme
fast überschlug. Sie sah ihn inne halten. Jedenfalls glaubte sie das. „Du
dämlicher Mistkerl! Gott, du bist so ein verfluchter scheiß Bastard, Draco
Malfoy!“ Ihre Stimme war einige Lagen höher gerutscht, aber das lag daran, dass
sie weinte, stellte sie zornig fest. Sie wischte sich über die Wange und sah,
wie er sich drehte und verschwand.
Fast
wäre sie zusammen gezuckt, als er keinen Meter vor ihr wieder aufgetaucht war.
Auch er wirkte wütend.
„Wie
wäre es, wenn du noch lauter schreien würdest!“, gab er jetzt nicht minder
leise zurück.
„Halt deine Klappe! Was denkst du dir eigentlich? Was soll das hier?“, schrie
sie, ohne auf seine Worte zu achten und hielt ihm die Schachtel vor die Nase.
„Was willst du damit sagen? Was für ein krankes Spiel wird das hier?“, krächzte
sie und wischte sich wieder über die Wangen.
„Wonach
sieht es aus, verflucht?“, knurrte er und sie schüttelte fassungslos den Kopf.
„Du
drohst mir eine Haftstrafe an? Du bringst mich dazu, dass ich fürchten muss die
Stadt zu verlassen? Du stehst in deinem Büro mit dieser gottverdammten Schlampe
und lässt mich gehen? Du lässt all meine Sachen zu dir bringen, weil du in
deinem scheiß arroganten Kopf wirklich glaubst, ich würde es in Erwägung
ziehen, dich zu heiraten?“, schrie sie außer sich und starrte ihn an, ohne auch
nur einmal zu blinzeln. Sein Kiefermuskel spannte sich an und seine Augen waren
dunkel vor Wut.
„Wer von
uns beiden ist arrogant, wenn du wirklich denkst, dass dort drin dein Ehering
ist, Granger?“, gab er gefährlich ruhig zurück. Ihr Herz setzte kurz aus und
sie spürte die Hitze in ihren Wangen. Natürlich kam die Hitze von den Tränen,
aber kurz wurde sie von Scham abgelöst. Er hatte ihr den Wind aus den Segeln
geraubt.
„Wenn dort nicht mein Ring drin ist, was soll sonst da drin sein? Es ist meine
Schachtel“, sagte sie und klang aber bei weitem nicht mehr überzeugt. Die
Schachtel zitterte in ihren Händen. „Und die Kerzen? Was ist damit? Ist das
einfach nur deine Großzügigkeit gewesen?“
„Ich
dachte, ich wäre ein Arschloch und ein Mistkerl und ein Bastard. Wie kannst du
dann annehmen, ich sei romantisch und großzügig, Granger?“ konterte er böse.
„Gut“,
sagte sie tonlos und die Schachtel entglitt ihren steifen Fingern und fiel auf
den Asphalt. Seine Augen folgten der Bewegung und dann hob er sie wieder zu
ihrem Gesicht. Sie wusste, er sah ihre Tränen. Und sie hasste es, vor ihm zu
weinen.
„Das war
dann alles?“, fragte er kalt und seine Finger spannten sich zu Fäusten an.
„Das war
ein mieser Trick, Malfoy“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. Sie biss sich
auf die Lippe, damit sie nicht noch mehr weinen musste. Es nieselte jetzt
leicht. Dämlicher Sommerregen. Jetzt würde sie auch noch nass werden und hatte
keine Handtücher mehr oben. Und ihre wunderschöne Schachtel, mit weiß Gott
welchem bösen Inhalt, war nun schon fast durchweicht.
„Trick?
Keine Tricks. Das habe ich dir doch gesagt“, erwiderte er ungerührt. „Und wie
du siehst, bin ich hier. Nicht bei Astoria“, sagte er knapp. „Und die Auroren legen dich nicht in Ketten. Dumm und arrogant von
mir anzunehmen, du würdest mit mir kommen, nachdem du gestern tausendmal meinen
Namen geschrien hast.“ Er war lauter geworden und fuhr sich gereizt durch die
nassen Strähnen, die ihm jetzt in die Stirn fielen.
Jetzt
war sie tatsächlich rot geworden.
„Ich
hasse dich!“, sagte sie und spürte die Tränen erneut. Würde er doch einfach
weinen. Wäre er doch ein Mädchen und würde sie doch einfach verschont bleiben
von diesen lästigen Gefühlen! „Und ich will meinen Ring zurück“, fügte sie
hinzu. Ihr Blick fiel schmerzhaft auf die Schachtel, deren schöner Samtbezug
nun nicht mehr zu erkennen war. Er verdrehte die Augen.
„Der ist
bei mir.“
„Was ist
dann da drin? Ein Todesfluch? Für mich ausgesucht?“, spottete sie mit
zitternder Stimme. Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Das
glaubst du wirklich? Ernsthaft?“ Sie sagte nichts. „Nein, ich will, dass du mir
antwortest, verflucht!“, schrie er. „Das ist es, was du denkst? Wirklich?“ Er
zog den Zauberstab zornig aus seinem Hosenbund hervor und zielte wütend auf die
Schachtel. „Diffindo!“,
knurrte er rau und der Samt zerplatzte. Wassertropfen stoben zur Seite und ihre
Augen richteten sich nun nach unten.
In einer
winzigen Pfütze glänzte ein Stück Metall.
„Ein
Ring“, sagte sie tonlos.
„Natürlich
ein Ring. Was denkst du, was in einer verfluchten Ringschachtel ist?“,
entgegnete er aufgebracht.
„Aber du-“
„Ich
habe gesagt, dein Ehering ist nicht dort drin, denn wie erbärmlich wäre es
bitte, denselben Ring noch einmal zu verwenden, wo er doch schon beim ersten
Mal kein Glück gebracht hat?“ Schwer atmend sah er sie an.
„Dann…
ist das ein neuer Ring?“, flüsterte sie. „Und die Kerzen und… du wolltest mich
doch heiraten?“
„Ja, das
hatte ich vorgehabt.“ Die Bedeutung der Worte wurden ihr klar.
„Und
jetzt nicht mehr.“
Er
lachte hart auf. „Deine Antwort ist nein, also natürlich nicht! Was denkst du
eigentlich?“
„Natürlich
ist sie nein, du blöder Mistkerl“, entgegnete sie schniefend. „Nur eine
komplett Wahnsinnige würde jemanden wie dich zweimal heiraten!“
„Gut, dass wir das geklärt haben!“ Ihre Sachen klebten an ihrem Körper und sie
hustete in ihre Hand. „Du bist so ein Mädchen“, sagte er schließlich und zog
sich widerwillig den Umhang aus.
„Ich
will deinen blöden Umhang nicht!“, sagte sie leise. Er ließ die Hand gereizt
sinken.
„Du
willst meinen blöden Umhang nicht, du willst meinen blöden Ring nicht…“, entgegnete
er und wischte sich wieder unwirsch die hellen Strähnen aus der Stirn.
„Du
musst mich nicht retten, Draco!“, rief sie böse aus. „Du musst das alles nicht
tun, nur weil du das Gefühl hast, mich retten zu müssen! Ich werde nicht sterben, wenn ich nass werde. Ich bin nicht
aus Zucker. Und ich werde auch alleine nicht zu Grunde gehen. Eine Ehe ist
nicht zwingend notwendig, um zu überleben.“
„Du bist
so ein selbstsüchtiges Miststück“, spuckte er ihr jetzt entgegen. „Es geht
immer um dich, richtig? Alles dreht sich um deine kleine Welt! Vielleicht geht
es nicht darum, dich zu retten, Hermine. Vielleicht geht es nicht darum, dass
du überlebst! Vielleicht geht es einmal nicht darum! Und nein, aus Zucker bist
du garantiert nicht. Es ist Gift, nehme ich an. Böses, kaltes, widerliches
Gift!“
Sie
wischte die nächsten Tränen fort und wollte ihn am liebsten schlagen.
„Immer wieder! Wieso musst du es immer wieder tun? Wieso willst du dich
streiten? Wieso musst du mir weh tun? Wieso, Malfoy? Du bist ein Scheißkerl“,
flüsterte sie so leise, dass sie nicht annahm, dass er sie überhaupt verstanden
hatte. Sie musste plötzlich lächeln. Und es tat weh, zu lächeln. „Du willst
also, dass ich dich rette, wirklich?“, fragte sie spöttisch und er warf seinen
Umhang auf die nasse Straße. „Der war bestimmt ein Vermögen wert“, fügte sie
bitter hinzu. Er hob die Hände.
„Na und?
Verflucht, na und?“, schrie er. Er leerte seine
Taschen, warf alles, was er bei sich trug auf die regennasse Straße und fiel
vor ihr auf die Knie. Schnell sog sich auch der Rest des Stoffes seiner Hose
mit schmutzigem, kaltem Wasser voll. „Es ist mir scheiß egal!“, rief er aus.
„Und ja“, sagte er laut und sah sie einfach nur an. „Rette mich, Hermine.
Schön, dass du überlebst. Denn ich tue es nicht.“
Und sie weinte
nur noch mehr als vorher. „Willst du, dass ich bettel? Dass ich weine? Soll ich
dich anflehen?“, fragte er und sie hatte das Gefühl als wären seine Augen
verdächtig hell geworden. Ob es Tränen oder der Regen war, konnte sie nicht
sagen, denn seine Wagen waren so nass wie ihre.
Sie
schüttelte stumm den Kopf. „Bitte“, sagte er schließlich und hatte den Kopf in
den Nacken gelegt, um sie vom Boden aus anzusehen. „Rette mich“, endete er.
Ihr Mund
öffnete sich verzweifelt und er erhob sich in der Sekunde, in der sie die Hände
nach seinem Gesicht ausstreckte.
Seine
Lippen krachten auf ihre und sie schmeckte ihn,
schmeckte den Regen und grub ihre Finger in seinen Nacken. Er zog sie hart an sich,
griff um ihre Hüfte, konnte sie nicht eng genug an sich pressen und seine Zunge
drang unbeherrscht in ihren Mund. Sie erwiderte den Kuss stürmisch, wollte in
seiner Berührung versinken und für immer verschwinden.
Die
Gefühle in ihrem Innern explodierten förmlich und sie schlang die Arme fest um
ihn. Er löste sich erst von ihr, als er komplett atemlos war.
Seine
Lippen senkten sich nur eine kurze Sekunde später wieder auf ihre Lippen. Sie
konnte nicht genug bekommen von seiner Perfektion, seinem Körper, der sich
verzweifelt und verzehrend gegen ihren presste. Seine wunderschönen vollen
Lippen, die ihren Mund immer wieder fanden und ihr fast die Besinnung raubten.
„Heirate
mich“, flüsterte er schließlich rau als er sich das nächste Mal von ihr löste.
„Noch einmal“, fügte er atemlos hinzu. Sie konnte nicht anders, als zu lachen.
„Ja!“,
rief sie nickend aus. „Ja, Draco. Ja, ja, ja!“ Seine Mundwinkel hoben sich und
er küsste sie erneut. Sie wich zurück. „Der Ring!“, sagte sie plötzlich und
sofort ging er wieder auf die Knie. „Draco, es ist nass!“, sagte sie, weniger
intelligent und er erhob sich wieder. Tropfend nass schob er ihr den Ring auf
den Finger. Sie besah sich die Fassung und die Verarbeitung. Er war
wunderschön. Wenn es möglich war, war er noch schöner als ihr erster Ring. Die
Steine funkelten selbst jetzt im Regen bläulich und waren fast in das gesamte
Band gefasst.
„Oh
Draco…!“, flüsterte sie hingerissen und schüttelte wortlos den Kopf. „Du
hättest nicht…“
„Ein
Stein für jeden Monat, den wir getrennt waren“, erklärte er und lächelte. „Ich
bin höchst romantisch, Granger“, fuhr er fort und zog sie wieder in seine Arme.
„Nein“, korrigierte er sich selber, als sie ihn ansah. „Nicht Granger“, sagte
er schließlich. „Mrs Malfoy…“ Seine Stimme klang wie
ein sanftes Schnurren, als er diesen Namen aussprach und seine Lippen senkten
sich langsam wieder auf ihre. Sie schloss die Augen und ergab sich seinem Kuss.
Kurz löste er sich wieder. „Mrs Malfoy“, wiederholte
er lächelnd und dieses Mal zog sie ihn stürmisch an sich.
Es war
wie ein Zauber. Der Name fühlte sich so gut an, wenn er ihn aussprach. Glück
übermannte sie völlig und sie musste ihn einfach küssen, so unwiderstehlich war
das Verlangen danach.
Und den
Regen spürte sie kaum noch.
~ Those were the moments when I actually
saw him without the facade, the armor, which I loved
as well, like anyone else. It
was a beautiful suit of armor ~
„Ist es
nicht furchtbar frustrierend, dass Sie beiden somit den spannendsten Fall der
Rechtsgeschichte des Ministeriums aufgeben müssen, Mr Malfoy?“ Die
Schreibefeder des Reporters hielt in der Luft gespannt inne und Draco
überlegte. Allerdings nur kurz.
„Oh ja.
Das ist… wirklich bitter“, erwiderte er schließlich. Er warf Hermine einen
knappen Blick zu. Sie saß ihm gegenüber und sah müde aus. So müde, wie er sich
fühlte. Aber es war verflucht scharf, sie so zu sehen. Denn er wusste ziemlich
genau, weshalb sie so müde war. Aus demselben Grund, weshalb er müde war.
Und er
hoffte, sie würden noch eine ganze Weile lang müde sein, wenn sie morgens
aufstanden.
„Wirklich
bitter“, bestätigte sie seine Worte und gähnte verhalten. Der Reporter nickte
verständnisvoll.
„Sie
waren bestimmt beide vollauf damit beschäftigt, nach den Verdächtigen zu
suchen, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, wie schrecklich es sein
muss, Wochen damit zuzubringen, die Schuldigen zu bestrafen, und dann endet man
vor einem aussichtslosen Nichts. Denken Sie, die beiden werden noch einmal
auftauchen, Ms Granger?“ Sie schien kurz nachzudenken.
„Ich
kann natürlich keine Prognosen diesbezüglich machen, aber… ich halte es für
sehr unwahrscheinlich.“ Draco glaubte, sie bei diesen Worten fast lächeln zu
sehen, aber dem Reporter fiel es gar nicht auf.
„So, das waren wirklich genug Fragen“, unterbrach Blaise das Interview. „Wir
haben hier noch einiges zu tun, Mr Walker“, erklärte er betont freundlich und
schob den Mann, der noch mehr Fragen auf seinem Block hatte, zu Tür hinaus.
„Das hier ist schließlich das Ministerium für Zauberei. Nicht der
Tagesprophet.“ Mit diesen Worten schloss er die Tür.
Er
reichte Hermine und ihm eines der Champagnergläser, die auf dem Tisch standen.
„Ich bin
sehr stolz auf euch“, sagte Blaise großzügig. Hermine nippte an dem Getränk.
„Ich
würde einiges darauf verwetten, dass du das alles geplant hast.“ Blaise musste
lachen.
„Nein, bei weitem nicht. Dass ihr verlobt seid ist nur ein weiterer, kleiner
Bonus. Aber ansonsten…“ Er tat so, als müsse er überlegen. „Der Halbbruder, der
gerächte Tod der Mutter, der Zeitenumkehrer, die
Schuldfrage, deine Menschenliebe, Hermine!“ Er trank selber einen Schluck und
wirkte höchst zufrieden.
„Warum hast du den Fall dann nicht selber gelöst?“, wollte Draco gereizt
wissen.
„Wo ist denn da der Spaß?“, erkundigte sich Blaise grinsend. Draco wollte
gerade zum Streit ansetzen, da öffnete sich die Tür. Potter und seine Frau,
samt Kind, kamen herein. Ron Weasley betrat ebenfalls streitend das Büro.
„Weil
die Sheffield Shooters eben eine bessere Mannschaft
sind. Ich kann nicht fassen, dass wir darüber schon wieder streiten müssen!“,
erklärte er kopfschüttelnd.
„Die
Mannschaft wird in der Presse nur so hoch gepriesen, weil der Sponsor ein Idiot
ist, der die Zeitungen unterdrückt, Weasley“, erklärte Lucius genervt. „Sie
können mir nicht wirklich erzählen wollen, dass Sie Können
von Arroganz nicht zu unterscheiden wissen?“ Weasley schienen darauf einige
Antworten auf der Zunge zu liegen und sein Vater musste tatsächlich lächeln.
„Höflich von Ihnen, den Mund zu halten“, erklärte Lucius, ehe er Hermine
entdeckte.
„Hermine!“, rief er aus und hatte für Draco überhaupt keine Augen. Er zog seine
Verlobte einfach an sich. „Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich schon
auf Draco eingeredet habe. Sie können sich nicht vorstellen, wie lange ich auf
diesen einen Tag gewartet habe!“ Sein Vater strahlte förmlich und Draco glaubte
nicht, ihn jemals strahlend gesehen zu haben. Hermine gähnte erneut hinter
vorgehaltener Hand.
„Mr
Malfoy, ich freue mich auch sehr, Sie zu sehen.“
„Lucius!“,
widersprach sein Vater außer sich. „Hermine, wirklich. Ich denke, der Vorname
sollte selbstverständlich sein!“
„Gut.
Gerne“, sagte sie und musste ebenfalls lächeln.
„Komm
her!“, sagte Potters Frau einfach, schob sich an seinem Vater vorbei und
umarmte Hermine fest. „Ich bin froh, dass du nicht ausgewandert bist. Aber ich
bin mir noch nicht sicher, ob ich ihn nicht doch umbringen soll“, fuhr sie
leiser fort. Draco musste grinsen.
„Oh,
Hermine hat mir nichts von diesen Plänen erzählt, Ginevra“,
erwiderte er und Potters Frau verdrehte die Augen.
„Hermine, mach, dass er damit aufhört“, befahl sie verzweifelt.
„Draco, du bist also hoffentlich wieder im Team dabei?“, fragte Potter jetzt
und Draco überlegte kurz.
„Schätze
schon… Harry“, fügte er knapp hinzu.
„Ausgezeichnet.“
Potter schüttelte freudig seine Hand.
„Lust,
wieder Trauzeuge zu sein?“, fragte Draco jetzt, möglichst bemüht, gleichgültig
zu klingen. Potter verbarg das geschmeichelte Lächeln gekonnt.
„Sicher.
Wie oft planst du, mich das zu fragen, Draco?“, fragte er jetzt mit einem
spöttischen Blick und Draco zog seine Hand zurück.
„Nur
noch dieses Mal. Versprochen“, erklärte er und hatte das Bedürfnis seine
Verlobte zu küssen. Es nahm fast Überhand. Er zog sie einfach von Potters Frau
weg und küsste ihre protestierenden Lippen. Die Gläser wurden zum Anstoßen in
die Luft gehoben und die Leute pfiffen und johlten.
„Ja,
Dad, weißt du, nächstes Mal heiratet Tante Mine nämlich mich!“, verkündete
Potters Sohn ziemlich stolz. Er hatte keine Ahnung, was diese Aussage bedeuten
sollte, aber er spürte ihr Lächeln gegen seine Lippen.
~*~
„Sind
Sie sicher?“ Die großen Augen wirkten noch eifriger als sonst. „Ich könnte noch
Brot backen. Oder ich könnte noch Wein kaufen gehen. Noch mehr Kartoffeln vielleicht?
Ein heißer Backstein für die Füße, oder-“
„Avalon, bitte, nimm dir frei“, sagte Draco jetzt zum
fünften Mal. Der Elf wippte von einem Bein auf das andere.
„Nur noch vielleicht eine Kleinigkeit? Eine Decke? Elfentee?“
Hermine musste lachen. Draco verdrehte die Augen.
„Danke,
aber nein. Wirklich. Wir haben, glaube ich, noch nie so viel gegessen wie
heute. Noch nie so viel getrunken wie heute und ich wusste nicht einmal, dass
du heiße Backsteine anbietest. Bei mir hast du das noch nie getan“, bemerkte er
spöttisch.
„Egal was. Avalon kann es holen, Miss Hermine!“,
versprach er und Draco atmete gereizt aus.
„Avalon, wir sehen uns morgen. Geh schlafen, geh Sport
machen, geh die Teppiche ausklopfen. Geh einfach!“, befahl er verzweifelt. Der
Elf wandte sich enttäuscht ab. An der Tür hielt er inne.
„Aber… sie bleiben doch?“, fragte er vorsichtig. „Für immer? Und… bald darf Avalon eine winzige kleine Malfoy Person auf den Armen
tragen? Und anziehen und baden und… Sie gehen nie wieder?“ Und seine Verlobte
wurde wieder einmal herrlich rot.
„Also…
sobald eine kleine Malfoy Person da ist, dann ist sie bei dir wohl bestens
aufgehoben, Avalon. Und… nein, ich habe nicht vor,
noch einmal zu gehen“, endete sie leiser. Avalon
nickte feierlich, als hätte Hermine soeben einen Unbrechbaren
Schwur abgelegt.
„Gute
Nacht, Mrs Malfoy“, sagte der Elf zufrieden. Draco
war es gewöhnt, von dem Elf ignoriert zu werden. Aber es machte ihm nicht
besonders viel aus. Müsste er entscheiden, dann wäre Granger auch die
wichtigste Person in diesem Haus.
„Darf
ich fragen, was eine Malfoy Person ist? Oder ist das Code zwischen dir und Avalon?“ Er hatte eine Augenbraue gehoben. Sie stieß ihm
sanft in die Rippe. Sie lagen gemütlich auf der breiten Couch im Salon vor dem
Kamin.
„Vorsichtig,
Malfoy. Ansonsten gibt es vielleicht keine Malfoy Person in diesem Haus mehr“,
drohte sie lächelnd.
„Wirst
du mich nach der Hochzeit auch noch Malfoy nennen?“, fragte er interessiert,
während er sie näher an sich zog. Sie stemmte protestierend die Hände gegen
seine Brust. „Und… muss ich dich dann auch Malfoy nennen? Weil, Granger heißt
du ja nicht mehr“, informierte er sie grinsend.
„Du
bist-“
Aber er
küsste sie übergangslos. Sie wehrte sich halbherzig gegen diesen Überfall, ehe
sie seufzend die Arme um seinen Nacken legte. Er zog sie auf seinen Schoss und
plante, sie in etwa genauso müde zu machen, wie sie es heute schon gewesen war.
Er löste
sich kurz von ihr. Strähnen umrahmten ihr Gesicht und sie sah lächelnd auf ihn
hinab.
„Hey,
ich liebe dich“, sagte er, ohne dass er sich aufhalten konnte. Kurz schien sie
darüber nachzudenken.
„Gut“,
erwiderte sie lächelnd.
„Biest“,
knurrte er und warf sie mit seinem Gewicht zur Seite. Lachend wehrte sie sich,
als er sich über sie legte. Er küsste sie hungrig und spürte seine Erektion
wachsen, während sie unter ihm die Beine spreizte.
Er
konnte es nicht erwarten, sie aus ihren Sachen zu schälen und ihren Körper in
Besitz zu nehmen. Tausend Küsse auf ihrer seidigen Haut zu verteilen und sie zu
lieben, bis sie vollkommen glücklich war.
Es
klopfte sachte an die Tür des Salons.
„Avalon!“, brauste er gereizt auf. „Wehe, du kommst
rein! Ich schenke dir auf der Stelle meinen Socken, verflucht!“ Aber seine
Verlobte hatte ein zu großes Herz.
„Komm rein. Er lügt“, fügte sie lächelnd hinzu. Er hasste sie manchmal. Der Elf betrat entschuldigend das Zimmer.
„Verzeihung,
Master. Eine Eule kam gerade.“ Er verneigte sich tief und Draco glaubte, ihn
lächeln zu sehen. Dämlicher Elf. Avalon verließ das
Zimmer ohne weitere Schwierigkeiten.
„Eine Eule? Jetzt?“ Skeptisch betrachtete er die Karte. Es war eine gewöhnliche
Postkarte. Sie zeigte eine Kirmes. Eine ziemlich alte Kirmes und im Hintergrund
war ein Meer zu erkennen. Er drehte die Karte um. Nur ein paar Worte standen
dort.
Morgen geht es nach Afrika.
A&E
„Guck
dir das Datum an“, flüsterte Hermine in sein Ohr. Er betrachtete die gedruckten
Angaben auf der Muggelpostkarte.
„Oh“,
sagte er schließlich. Die Karte war von 1920. „Ich hoffe, sie suchen sich ein
gutes Jahr aus“, murmelte er lächelnd.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie und strich ihm sanft über die Wange. Sie sah
perfekt aus, in dieser Sekunde. Sie war bei ihm. Und er würde sie nie wieder
gehen lassen. Nie wieder.
„Mrs Malfoy, darf ich Sie ins Bett geleiten?“, fragte er rau
und sie schloss genüsslich die Augen bei der Erwähnung des Namens. Er hob sie
auf seine Arme.
„Mr
Malfoy, ich bitte darum“, erwiderte sie und er küsste sie noch ein weiteres
Mal, ehe er sie aus dem Zimmer trug. Ziemlich eilig aus dem Zimmer trug. Denn
um seine Geduld war es geschehen, seit er das letzte Mal ihre Haut hatte
berühren können. Und das war nun schon einige Stunden her.
Und es
machte ihn wahnsinnig, wenn zu viel Zeit verging. Der Rest seines Lebens hatte
begonnen und er würde es bereuen, würde er nicht jede Sekunde davon nutzen,
seine perfekte Verlobte zu lieben.
Und… im
Grunde hatte er absolut gar nichts gegen eine kleine Malfoy Person. Er musste
sogar lächeln, beim Gedanken daran. Er stieß die Tür zu ihrem Schlafzimmer mit
dem Fuß auf.
„Du
legst keinen Wert darauf, heute zu schlafen, oder?“, erkundigte er sich knapp,
ehe er sie auf das große Bett legte und keine Sekunde später über ihr war. Sie
verdrehte die Augen.
„Ha ha“,
entgegnete sie spöttisch. Aber schüttelte ernst den Kopf.
„Nein,
ich meine wirklich. Denn ich weiß nicht, wie lange es dauert, eine kleine
Malfoy Person zu machen“, erklärte er und küsste ihren Nacken. Ihre Augen
weiteten sich ungläubig. Sie sah ihn wartend an. Dann öffnete sich ihr Mund
überrascht.
„Das ist
dein Ernst“, sagte sie schließlich mehr als schockiert.
Er
schenkte ihr ein Grinsen. „Natürlich. Potter ist nicht der einzige, der eine
glückliche Familie haben kann“, erklärte er und hob eindeutig die Augenbrauen.
Sie zog ihn übergangslos an sich. Sein Verstand verabschiedete sich, als sie
stürmisch das Hemd aus seiner Hose zog und ihre warmen Finger über seine nackte
Haut fuhren.
Er
schloss genüsslich die Augen. Die Zeit, in der er nicht glücklich war? Sie
schien ihm viel zu weit fortgerückt, als dass er sich noch daran erinnern
konnte. Es war, als wäre kein einziger Tag vergangen. Als wäre sie nie fort
gewesen.
Er
brauchte nicht mehr als das, stellte er fest. Sie war alles. Sie war das Beste.
Sie sah durch seine Masken, durch seine Fassaden, direkt in sein Herz.
Er würde
auch durch sämtliche Zeiten mit ihr reisen. Er würde sie lieben. Er würde sie
auf Händen tragen. Bis dass der Tod sie scheiden würde. Und noch darüber
hinaus, da war er sicher.
– The End –